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Dialog statt Dialogverweigerung

Wo Frauen in Gemeinden jenes Selbstbewußtsein zeigen, das für sie heute in der Gesellschaft selbstverständlich ist, entstehen Unsicherheiten und die Angst, es könnten Ansprüche formuliert werden, die nicht ins System passen. Dies führt zu Verhaltensweisen, die häufig Verletzungen und Sprachlosigkeit nach sich ziehen. Frauen werden noch immer in Pfarrgemeinderatssitzungen, in Ausschüssen und Gremien als emotional reagierend, unfähig zu logischem Denken, feministisch infiziert, machthungrig beschrieben. Sie werden in ihrer tatsächlichen Lebenswirklichkeit nicht ernstgenommen, sobald sie die Pfarrkirche oder das Pfarrzentrum, den katholischen Kindergarten oder die katholische Schule betreten. Das "Einheitsbild Frau" ist nicht überwunden, solange es für Frauen als unschicklich gilt, sich mit den Finanzen der Gemeinde im Kirchenvorstand zu beschäftigen. Die vielfältigen Talente und Fähigkeiten von Frauen kommen nicht zum Tragen, wenn es ohne klare einvernehmliche Absprachen zu geschlechtsspezifischen Arbeitsaufteilungen kommt, wo Männer über Pachtverträge abstimmen und Frauen den Kaffee kochen. Solange Frauen nicht das Entscheiden und Männern das Dienen angeboten und beides von beiden realisiert wird, kann sich die Erkenntnis nicht durchsetzen, daß beide berufen sind, Kirche und Welt gemeinsam in allen Bereichen zu gestalten. Die Liste der Benachteiligungen von Frauen ließe sich beliebig fortführen. Eine der Konsequenzen aus dem diesen Benachteiligungen zugrundeliegenden defizitären Frauenbild taucht jedoch erst nach längerem Nachdenken und intensiver Beschäftigung mit der Frau in der Kirche auf: das nicht weniger problematische, einseitige Männerbild in der Kirche. Männliche Kirchenglieder, Laien und Kleriker, werden genausowenig wie "die" Frau als individuell Begabte, von einem individuellen biographischen Hintergrund Geprägte und als in der – noch nicht erhobenen – Tradition von Männergeschichte und -geschichten stehende Menschen verstanden. So kann sich auch von dieser Seite her der Dialog zwischen Männern und Frauen nicht genügend entfalten, da die Grundfragen: "Wer bin ich?", "Wer bist du?" nur unzureichend gesehen und beantwortet sind. Zitieren wir abschließend nochmals aus dem Schreiben der deutschen Bischöfe von 1981: Papst Johannes XXIII. stellte "die in allen gesellschaftlichen Schichten, in allen Völkern, Kulturen und Religionen zu beobachtende Entwicklung zur vollen Gleichberechtigung der Frau und ihrer Teilhabe und Mitverantwortung in allen Bereichen des Lebens nicht nur als gesellschaftlich bedeutsame Veränderung fest, sondern als ein 'Zeichen', durch das Gott in der Geschichte unserer Zeit wirkt und gläubige Antwort verlangt. Zu dieser Antwort ist in besonderer Weise die Kirche aufgefordert." (ebd. I) 3.

Abschied vom Zentralismus – Pfarrgemeinden melden sich zu Wort

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die katholische Kirche in einem radikalen Umbau begriffen. Glich der alte Bau eher einer fensterlosen Pyramide, in der alle Linien auf die Spitze zulaufen, gleicht der neue Plan eher der endzeitlichen Stadt mit offenen

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