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Tamás Kiss

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Roman
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Tamás Kiss

Lektorat: Liliane Ritzi

Coverdesign: Marcus Zimmermann

Illustration erstellt mit KI (Midjourney/Photoshop)

Verlagslabel: VOIMA Verlag

ISBN Hardcover: 978-3-907442-39-5

ISBN Softcover: 978-3-907442-38-8

ISBN E-Book: 978-3-907442-40-1

Druck und Distribution im Auftrag des Verlags:

VOIMA gmbh, Seestrasse 5A, 8810 Horgen, Schweiz

Das Werk, einschliesslich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Verlag verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne die Zustimmung des Verlags unzulässig.

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Für

János und Béla, meine beiden grössten Helden.

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Ich

Ich will kein Arschloch sein. Ich will andere Menschen nicht verletzen. Im letzten Schuljahr haben wir uns über andere Leute lustig gemacht, weil wir es verdammt lustig fanden. Aber heute will ich nicht, dass sich Leute meinetwegen schlecht fühlen. AI geht es auch darum, dass es fucking cool ist, ein guter Mensch zu sein. Es ist fucking cool, sich um andere zu kümmern. Es ist fucking cool, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das heisst aber nicht, dass man nicht wild sein, und sich über alles Mögliche lustig machen kann.

Mein 17. Geburtstag hatte fantastisch begonnen. Ich hatte mit Garantie die besten zehn Minuten meines bisherigen Lebens. Kurz nachdem ich im Stall meinen Kaffee getrunken, meine Flöckli verschlungen, und mein bisschen Gras geraucht hatte, rief mich Xenia an und fragte mich, ob ich abends mit ihr auf eine Party gehen wolle. Mein Herz flimmerte. Xenia war die Neue, zugeflüchtet aus der Ukraine. Ich war nicht nur in ihren süssen Dialekt verknallt. Und so grinste ich gefühlt minutenlang wie ein Honigkuchenpferd, sagte dann aber doch noch zu. Sie sagte: «Mega.» Wir verabredeten uns für acht Uhr am Dorfausgang. Von dort war es mit Signers Kawasaki ein Katzensprung bis hinunter nach St. Gallen, dem Ort des Geschehens.

«Glückwunsch, Blödmann», sagte Brülisauer.

Heute fühle ich mich wohler in meiner Haut als je zuvor. Ich habe mich ewig gefragt, wer ich bin und wer ich sein will. Bei AI dachte ich, ich wüsste es: ein rebellischer Punkrocker. Fuck you, fuck you, fuck you – wir Jungs tun, was wir wollen, haben unseren Spass und machen uns über alle und alles lustig. Aber

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dann wird man älter. Wenn man erste Gigs hatte, etwas Erfolg hatte, vielleicht eine Freundin hat, fühlt man sich so, als ob man nur noch so tut, als ob man sich um nichts gross kümmert.

Natürlich ist das noch in einem drin, aber so zu tun, als wäre das alles, ist einfach nicht authentisch. In einer Punkband muss man das aber sein. Zwingend.

Inauen vom Sozialamt latschte immer in Birkenstöcken herum. Er setzte sich mir gegenüber an den Tisch und kratzte erstmal ausgiebig seine Ellenbogen, bevor er meinen Aufsatz vor sich auf den Tisch legte.

Ich will ernsthafter werden, aber das heisst nicht, dass ich keine guten Penis-Witze mag.

Dass ich mit meinem Titel Inauens Erwartungen kaum erfüllen würde, schwante mir bereits.

«Also», sagte er dann aber zu meiner Überraschung, «wie geht denn dein Lieblings-Penis-Witz?»

Da brauchte ich nicht lange zu überlegen: «Wer ist der beliebteste Typ in der FKK-Kolonie?»

Keine Reaktion.

«Derjenige, der in jeder Hand eine Tasse Kaffee und dazu noch ein halbes Dutzend Donuts tragen kann.»

Inauen verzog keine Miene. Wie ein Chemiker bei einem Versuch rührte er eine Unmenge Rohzucker und einen Hauch Hafermilch in seinen Tee.

«Nicht lustig?», fragte ich ihn. Allerdings war das mehr so eine Proforma-Frage, denn sein Urteil war mir egal. Ich würde mich abends mit Xenia aus Cherson treffen. Ich lächelte ihr zu, sie lächelte hinreissend zurück.

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Für meinen Witz erntete ich einen Dreiminuten-Sozialarbeiterblick. Das heisst, da war erstmal peinliche Stille, bis er sagte: «Ich hab’ schon Übleres gehört.» Auch wenn er mich mit dieser Aussage ein zweites Mal überraschte, sah er mich dann aber doch irgendwie verzweifelt an; mitleidig auch, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Schliesslich griff er mit seinen Spinnenfingern wieder nach dem Aufsatz und machte weiter.

Ich habe immer Leute um mich herum, die mir sagen: Du musst vorsichtig sein, sonst verdonnern dich die in Appenzell unten zu einem halben Jahr verschärftem Zivildienst. Und dann hockst du auf einmal wochenlang in irgendeiner Leitstelle herum, die aussieht wie ein stillgelegtes russisches AKW. Die abgefuckten Couches, auf denen praktisch rund um die Uhr Zivis in einer Art Wachkoma herumliegen, haben deine Vorgänger frisch aus dem Sperrmüll gezogen. In einer dieser Couches soll übrigens eine Maus wohnen. Kein Scherz, Koller hat sie mit eigenen Augen ein- und ausgehen sehen. Und dann geht es für dich darum, mit einem Zivi-Bomber irgendwelche belämmerten Sonderschüler von Heim zu Heim zu schippern, Mongos zu füttern, im Altersheim Ärsche abzuwischen und so Scheiss mehr. Wie in einem real gewordenen Police Academy-Film, in dem durchgeknallte Zivis in lustigen Uniformen die Hauptrollen spielen. Du wirst also von der Regierung gecancelt. Aber ich sage dann: Ich bin ein Punker. Und Punker kümmern sich nicht um diesen Scheiss. Würde ich mir Sorgen darum machen, gecancelt zu werden, würde es alles auslöschen, was ich als Teenager getan habe, wirklich verrückten, dummen Büffelscheiss. Jetzt soll ich mich plötzlich darum kümmern, was andere Leute denken?

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Inauen stoppte und fixierte mich: «Zwei Fragen hätt’ ich zu dieser Passage.»

«Bitteschön!»

«Erstens: Was für Leute hast du da eigentlich um dich herum, die dir sowas sagen?»

«Meine Gang.»

«Deine Gang?»

«Meine Gang.»

«Und wer ist in deiner Gang dabei?»

«Brülisauer, Broger, Koller, Signer und Iceman.»

«Iceman?»

«Der kleine Bruder vom Brülisauer», erklärte ich, «der mit dem Top Gun-Fimmel.»

«Sind das die Goofen vom Hopme Brülisauer selig?»

Ich nickte.

«Okay», sagte er. «Und ihr besucht alle zusammen die neusprachliche Unterprima des St. Antonius Gymnasiums in Appenzell?»

«Naja, ich aus bestimmten Gründen bis auf weiteres erstmal nicht mehr», sagte ich, «und Iceman dümpelt noch in der Unterstufe herum.»

Jetzt nickte Inauen.

«Die zweite Frage?»

«Was genau meinst du mit wirklich verrücktem, dummem Büffelscheiss?»

Ich grinste, und entfernte ein Stäubchen von meinem Hoody, blies es kunstvoll davon. Dann verschränkte ich die Arme, lehnte mich zurück und schaute ihm direkt in die Augen. Ein Psychospielchen, das ich kürzlich in einem Mafiafilm mitgeschnitten hatte. Nach einer knappen Minute gab er auf und nahm sich den nächsten Abschnitt vor.

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Yeah, ich denke, in den letzten paar Jahren steckte ich da etwas zu tief drin. Ich begann, etwas den Typen zu vergessen, den Sie hier gerade vor sich haben. Ich bin etwas zu tief auf diese andere Seite gegangen, statt mich mehr mit dem zu beschäftigen, worum ich mich eigentlich kümmern soll: die künstlerische Seite. Aber ich musste das tun! Das Pendel ist aus gutem Grund in diese Richtung geschwungen. Und jetzt schwingt es zurück, und ich kann mich wieder voll auf das konzentrieren, weshalb ich wahrscheinlich auf dieser Erde bin: die Leute über meine Kunst wachrütteln. Aber das könnte ich nicht, wenn wir nicht all die Dinge getan hätten, die wir halt getan haben.

«Sprichst du damit auf die Musik an oder auf euer abseitiges Hobby?», fragte Inauen. «UFOs und Ausserirdische?»

«Letzteres», erklärte ich und war stolz darauf, dass ich mit dieser Wahnsinnswendung gerade ein bisschen klang wie Schawalder, unser Deutschlehrer. «Wirklich abseitig ist allerdings vielmehr, dass zu der Zeit, als ich mich mit dieser Thematik zu befassen begann, die Welt noch eine Scheibe war und wir von allen nur ausgelacht wurden. Aber heute veranstaltet die NASA Symposien über Leben im Universum. Und auch der Vatikan spricht darüber, ja, es gibt Leben da draussen, und wie das mit der kirchlichen Sichtweise der Existenz kollidiert oder eben nicht.»

Inauen sagte nichts, sah mich einfach nur weiter an.

«Ich befass’ mich seit längerem mit diesem Thema. Ich hab’ Quellen in der Regierung und im Militär, Hauptmann Brülisauer hat mir vor seinem Tod Berichte von Sichtungen und Fotos hinterlassen. Mein Telefon wurde angezapft. Ich hab’ schon eine Menge seltsamer Dinge erlebt – die Leute würden mir nicht glauben, wenn ich es ihnen erzählte. Aber das passiert eben, wenn man anfängt, mit Dutzenden von Wissenschaftlern von

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verschiedenen Universitäten im ganzen Land eine E-Mail-Kette zu bilden, und wenn man anfängt, ältere Wissenschaftler von RUAG Space zu outen, die über die Realität dieser Dinge sprechen, Leute, die 30 Patente halten, Leute, die in unterirdischen Labors auf den Testgeländen von Nevada in Area 51 oder tief im Innern des Gotthardmassivs gearbeitet haben.

Das alles geht weit über die simple Aussage hinaus: «Hey, schau mal, das kleine Lichtlein da am Nachthimmel, die grünen Männchen sind wieder unterwegs». Das wird dem Thema einfach nicht gerecht.»

Inauen sagte immer noch nichts. Stattdessen trommelte er mit den Fingern auf den Tisch.

«Warst du denn schon mal in der Area 51?», fragte er schliesslich.

«Nein, da dürft’ ich ja auch gar nicht hin. Die laden keinen Mittelschüler dorthin ein, schon gar keinen, dem gerade eine Auszeit aufgebrummt worden ist.»

«Und was ist mit diesem geheimen Gotthardlabor?»

Ich schüttelte den Kopf. «Verstehe.»

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Lucky

Am 11. Mai kurz nach Tagesanbruch stiegen zwei F/A-18 vom Militärflugplatz Meiringen auf, um im Raum Ostschweiz zu trainieren. Wenige Minuten nach dem Start flog die Patrouille bei Altdorf auf eine Regenfront mit tiefliegenden Wolken zu. Der Patrouillen-Leader fällte den Entschluss, nach Meiringen zurückzukehren und setzte zu einer Umkehrkurve an. Kurz danach verschwand das zweite Kampfflugzeug vom Radar und zerschellte wenig später im Gotthardgebiet. Das einzige Besatzungsmitglied, Hauptmann Roger «Lucky» Brülisauer, war sofort tot. Der erfahrene Berufspilot stammte aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden und hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.

Das zweite Flugzeug landete sicher in Meiringen.

AUFWÄNDIGE REKONSTRUKTION DES FLUGES

Der Unfall war auf einen Fehler des Piloten zurückzuführen. Dies ergab der Schlussbericht des militärischen Untersuchungsrichters. Mit aufwändigen technischen, fliegerischen und medizinischen Untersuchungen konnte der Unfallflug lückenlos bis zum Aufprall rekonstruiert werden. Die Untersuchungsergebnisse liessen nur einen Schluss zu: Der Pilot schätzte im kritischen Moment unter zunehmendem Druck die Lage falsch ein. Er beurteilte den Raum für ein Wendemanöver zu grosszügig, wartete mit der Einleitung der Umkehrkurve zu lange zu und führte das eingeleitete Manöver dann auch nicht mit letzter Konsequenz aus. In der Folge geriet das Flugzeug in eine ausweglose Situation. Andere Gründe, wie eine technische Störung, gesundheitliche Probleme des Piloten oder Dritt-

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einwirkung, können als Ursachen für den Absturz ausgeschlossen werden.

Der Unfall hatte keine strafrechtlichen Konsequenzen.

Neben dem Artikel aus dem Boten der Urschweiz hatte die Familie ein goldgerahmtes Foto von Hauptmann Brülisauer an die Wand gehängt. Lucky hatte blaue Augen, einen militärischen Bürstenschnitt, einen Walrossbart und breite Schultern, die das ordentlich in den Hosenbund geschobene Poloshirt mit dem Logo der Fliegerstaffel 11 problemlos ausfüllten.

«Wenn mich die Fliegerei nicht gepackt hätt’, wär’ aus mir mit Sicherheit eine Sportskanone geworden, Rugbyaner, Wasserballer, Kugelstösser, am liebsten aber Schwinger», hatte er zu Lebzeiten gern behauptet. «Jetzt nicht direkt ein König Stucki», hatte er um Bescheidenheit bemüht hinzugefügt, «aber für die Schwägalp-Schwinget hätt’s alleweil gereicht. Und mit den Aargauern, Baselbietern und Bernern wär’ ich auch fertig geworden!» Brülisauer hielt mit der linken Hand seinen weissen Fliegerhelm, während er mit der Rechten einen Schwinger andeutete, einen Lucky Punch, von dem er auch seinen Übernamen hatte. Dabei lächelte er wie einer, der seinen Gegner im Schlussgang mit einem perfekten Brienzer auf den Rücken gelegt hatte.

«Ich vermiss’ meinen alten Herrn jeden Tag», sagte Brülisauer und seine Augen füllten sich von einer Sekunde auf die andere mit Wasser. Sein Satz gab mir einen tiefen Stich. Ich legte ihm meinen Arm um die Schulter, zog ihn an mich heran und dachte daran, dass wir seit Luckys Crash alle irgendwie von der Rolle waren. Bei mir war es Sportlehrer Alder gewesen, der mich ein paar Tage vor der Beerdigung gefragt hatte, was denn eigentlich

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mit mir los sei, und ich sagte: «Nichts, tammisiech, lassen Sie mich einfach in Frieden.» Ausserdem stellte ich verschärft allerhand Büffelscheiss an, zum Teil mit den Jungs, zum Teil allein. Aber vor allem schlief ich nicht mehr besonders gut. Zwar hatte ich keine Albträume wie nach meiner ersten Nacht auf dem Posten in Appenzell, aber ich konnte einfach nicht mehr einschlafen. Manchmal schaffte ich das erst um Mitternacht oder noch später. Irgendwann drehte ich sogar den Wecker zur Wand, damit ich die Ziffern nicht mehr sehen musste. Immer wieder dachte ich in diesen langen Nächten an den Tag zurück, an dem mir der alte Brülisauer gesagt hatte, wir müssten uns dringend mal ernsthaft unterhalten. Ich hatte mich für einen Vortrag über das Suchtverhalten von Puberten oder eine Diskussion über den ganzen Büffelscheiss, den wir Jungs von der Gang während der vergangenen Jahre angestellt hatten, gewappnet, aber er hatte nichts dergleichen im Sinn gehabt. Es ging dem Mann einfach nur um mich.

Als ich an einem Freitagabend im Tor des St. Antonius Gymnasiums auftauchte, verstellte der alte Brülisauer mit seinem Pinzgauer die Hauptgasse. Der Pinz stand auf seinen vier Rädern da wie ein Wachhund, schnaufend und zitternd. Ich war starr vor Überraschung und glotzte das hässliche, verdreckte und ölverschmierte Vieh an. Der Alte rollte einen Meter auf mich zu, winkte mir mit seinen Händen, beide so gross wie Signalkellen, und öffnete eine Tür.

«Aufsatteln, Junge!», brüllte er. «Heut’ bringt dich Captain Lucky mal nach Hause.»

Zur Feier des Tages trug er seinen steifen Hopme-Hut mit den drei goldenen Spaghetti, eine Tom Cruise-Fliegerbrille und die Fanjacke der Patrouille Suisse, darunter ein schwarzes Motörhead-T-Shirt. Über seinen Knien lag eine Rosshaardecke.

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Als ich neben ihn auf den Beifahrersitz geklettert war, holte er seinen Kaugummi aus dem Mund, drückte ihn an den Rückspiegel und steckte sich stattdessen eine Zigarre zwischen die Lippen.

«Machen Sie das im Flieger auch so?», fragte ich ihn.

«Was denn?»

«Na das mit dem Kaugummi.»

Der alte Brülisauer lachte und sein Walrossbart wackelte dabei wie Pudding.

Auf der Fahrt hinauf nach 9054 Haslen gab der alte Brülisauer ein paar Fetzen aus dem Militär zum Besten.

«Sesselfurzeroberklasse, sag’ ich nur. Je höher der Rang, desto ahnungsloser der Mann. Generalität ein einziger Kindergarten. Von Bundesbern gar nicht erst zu reden. Die verdammten Sputniks würden sich nass lachen, sag ich dir. Aber ich halt’ natürlich die Stellung.» Und, übergangslos: «Sag, hast du schon mal was von Cixin gelesen? Liu Cixin? Guter Mann. Seine «Drei Sonnen» müsst’ bei uns Pflichtlektüre sein.»

Er schob die Zigarre vom einen Mundwinkel in den anderen.

«Was lest ihr denn grad am Gymi?»

«Effi Briest», sagte ich.

«Schmuddelkram?»

«Briest, nicht Biest», brüllte ich gegen den Motorenlärm an. «Und worum geht’s da?»

«Um eine junge Tusse. Sie wird früh verheiratet und macht, weil sie mit ihrem Alten nicht klarkommt, mit einem anderen herum. Als die Geschichte auffliegt, wird sie von ihrem Macker in die Wüste geschickt, wo sie krank wird.»

«War’s das?»

«Am Schluss macht sie den Schirm zu.»

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Er warf mir einen schnellen Blick zu, dabei lächelte er spöttisch.

«Klingt mir aber schwer nach einer Klamotte aus der Mottenkiste.»

«Von einem Dude namens Fontane», antwortete ich. «Aber ich mag die Story eigentlich ganz gut.»

«Echt jetzt?»

Ich nickte. «Irgendwie steh’ ich auf so Zeugs.»

Der Alte grinste und verpasste mir einen seiner SignatureSchwinger gegen die Schulter.

Oben im Dorf setzte der alte Brülisauer seinen Pinzgauer dann um ein Haar ins rote Elektromobil meiner Grossmutter. Dünner Regen fiel. Mit verklärtem Blick schaute er einem einsamen Bauer nach, der mit seinem Rapid am Waldrand oben hin- und hermotorte.

«Kommen Sie noch auf ein Quöllfrisch herein?», fragte ich ihn.

Er schüttelte den Kopf. Und wie zu sich selbst sagte er dann:

«Junge, ich hab’ irres Zeugs gesehen, das kannst du mir glauben.

Echt irres Zeugs.»

Er nahm seinen Hut ab. «Zuerst hat es mir Angst gemacht, und vor einer Weile wollte ich die Fliegerei sogar hinschmeissen. Aber dann hatte ich plötzlich diese Idee...»

Jetzt schaute er mich an. «Und zwar glaub’ ich, dass ich einem Typen wie dir mit dem ganzen Zeugs helfen kann, zumindest am Anfang.»

«Mit welchem Zeugs?», fragte ich. «Und was meinen Sie mit helfen?»

«Naja, in dem Fall musst du dir schon selbst helfen», sagte er. «Du musst dich auf den Hosenboden setzen. Du musst dir das ganze Material vornehmen, musst tief in das Thema eintauchen und dann musst du vor allem deine eigenen Schlüsse ziehen.»

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Ich hatte keine Ahnung, wovon der Mann sprach, verriet ihm das aber natürlich nicht. Lucky Brülisauer war irgendwie ordentlich in Fahrt gekommen.

Hinten im Pinz war Platz für eine Menge Gerümpel und Kram, unter anderem auch einen dicken Packen Papier. Der alte Brülisauer griff nach ihm und warf ihn mir in den Schoss.

Streng geheim: UFOs über der Schweiz, las ich.

Auf dem militärgrünen Umschlag waren neben einem kleinen Schweizerkreuz in der Ecke bloss schwarze, schmucklose Buchstaben.

«Spannende Sache, wirst dich wundern», sagte der alte Brülisauer.

Ich klemmte mir den Packen unter den Arm. «Danke.»

«Nichts zu danken», sagte er, «du gehörst für mich ja definitiv in den Klub der hoffnungsvollen jungen Männer.»

Ich hatte noch nie von diesem Klub gehört und wusste deshalb auch nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Und weil ich nichts mehr zu sagen wusste, kletterte ich aus dem Pinz. Bevor ich den Hausschlüssel aus der Tasche kramen konnte, hatte der Alte dann aber noch eine Botschaft für mich: «Vielleicht solltest du übrigens auch mal über eine Freundin nachdenken. Punk und Sex schliessen sich ja nicht aus, oder doch?»

«Nein, Herr Brülisauer, das passt prächtig zusammen», sagte ich, worauf er mir durchs Fenster eine spielerische Kopfnuss verpasste.

«Lucky, Junge; sag Lucky zu mir.»

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