Draußen zuhause - Öffentlichkeit und Privatheit

ÖFFENTLICHKEIT

UND

DRAUßEN ZUHAUSE DRAUßEN ZUHAUSE

PRIVATHEIT

DRAUßEN ZUHAUSE

AULENBACHER, 3661199

STUDIENARBEIT SOZIOLOGIE

HTW SAAR, 08.08.18

INDEX DRAUßEN ZUHAUSE

Öffentlichkeit und Privatheit am Beispiel des Stadtplatzes

EINLEITUNG

1

ÖFFENTLICHKEIT UND PRIVATHEIT

2

WIEDERENTDECKUNG DES ÖFFENTLICHEN RAUMS

5

RAUM BEOBACHTEN

7

Der öffentliche Raum geht uns alle an

Grundverhalten der Stadt

Besserer Stadtraum - mehr Stadtleben

Landwehrplatz

Max-Ophüls-Platz

Abschließende Worte

17

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

16

QUELLENVERZEICHNIS

15

FAZIT

11

RAUM BEOBACHTEN

DRAUßEN ZUHAUSE Der öffentliche Raum geht uns alle an Draußen zuhause - auch in der Stadt scheint das nichts Neues zu sein. Bei einem Spaziergang am Nachmittag durch Saarbrücken entdeckt man Studenten die mit einer Couch am Straßenrand sitzen, der Staden an der Saar verwandelt sich in eine Grilllandschaft, Sportbegeisterte treibt es zum Landwehrplatz um Basketball zu spielen oder ähnlichen Aktivitäten nachzugehen, der MaxOphüls-Platz wird plötzlich zum Nachbarschaftsflohmarkt und gegen Abend verwandelt sich im Rahmen eines Kunstprojektes eine Kreuzung in der Mainzer Straße zum Tanzbereich.

Der ganze städtische Alltag erscheint gewöhnlich und erstaunlich zugleich. Doch man fragt sich: Wann ist das passiert?

Wann und wie wurde angefangen, den öffentlichen Raum für sich einzunehmen? Sicherlich ist eine simple These dahinter, dass Städte dichter und dichter werden und es daher die Menschen nach draußen auf die Suche zieht, schließlich scheint ihnen dieser Raum auch zu gehören. 1 Allerdings stellt sich die Frage:

1

Löw, Martina. Steets, Silke. Stoetzer, Sergey. Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie. Farmington Hills, 2008. S.11

2

vgl. Brämer, Tanja: Kunststück Stadtplatz. Wo stehen wir heute?. In: Garten & Landschaft. München, Ausgabe 06/2018. S.3

Warum fallen die Aneignungsprozesse unterschiedlich aus?

Unterschiedlich im Sinne von verschiedenen Verhaltensweisen in anderen Stadtteilen, in anderen Stadträumen und mein Interesse bezieht sich vorallem auf die verschiedenen Aneignung von unterschiedlichen (Stadt)Plätzen. Der Fokus soll auf dem Platz liegen. Denn wenige städtebauliche Elemente repräsentieren ihre Stadt und Gesellschaft so sehr wie ein Stadtplatz, Quartiersplatz, Bahnhofsplatz oder einem repräsentativen Platz. 2

„DER PLATZ IST KEIN ALLESKÖNNER“ 4

Hier setzen Landschaftsarchitekten und Architekten Akzente und toben sich gestalterisch aus. Dabei geht die Meinung was einen guten Platz ausmacht und was er können muss, stark auseinander. In solchen Planungsprozessen

3

Knirsch, Jürgen. Stadtplätze. Architektur und Freiraumplanung. Leinfelden-Echterdingen. 2004. S.7 f.

Öffentlichkeit und heit am Beispiel des

PrivatStadtplatzes

entstehen Bürgerbeteiligungen, denn die Forderung nach einem öffentlichen Mitspracherecht wird immer größer. Ein Platz soll alles können, muss alles anbieten, flexibel sein und der Schrei nach Grün ist laut. Jedoch scheint es, als wird das feingefühl vergessen, den Platz dem menschlichen Verhalten im öffentlichen Raum anzupassen.

Ob ein Platz mitten in der Stadt mit all seinem Konsumzwang an Geschäften und Cafes, als Quartiersplatz in einem Wohnviertel oder dem Platz an einem sozialen Brennpunkt - als idealer Platz sollte sein Angebot alles abdecken, und in allen Situationen von Beginn an funktionieren. 3 Doch was muss ein Platz leisten können? Ist der Wunsch nach einem Platz der alle Nutzergruppen zufrieden stellt ein Wunschdenken oder bedarf es ‚besserer Planung‘? Professorin Regine Keller der TU München behauptet das Gegenteil. „Ich weiß nicht warum ein Ort, ein Platz alles können muss. Mir spukt das Wort des ‚Alleskönners‘ im Kopf herum. Genau das ist ein Platz nicht. [...] Ein Platz muss in seiner Dimension und in seinem räumlichen Kontext Bewohner, aber auch nicht-menschliche Akteure einen Ausgleich zur bebauten Umwelt darstellen.“ 4

4

1

ebd. Keller, Regina: Interview ‚Der Platz ist kein Alleskönner‘.

In: Garten & Landschaft. München, Ausgabe 06/2018. S.39

ÖFFENTLICHKEIT

UND

PRIVATHEIT

Grundverhalten der Stadt Was muss öffentlicher Raum können? Um zu beschreiben wie ein Stadtplatz auf die Öffentlichkeit wirkt, werden zuerst die Kategorien ‚Privatheit und Öffentlichkeit‘ thematisiert.

Die Polarität zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, zwei soziale und gleichzeitig räumliche Sphären, die sich aber nicht deutlicher unterscheiden könnten. Es ist eine spezifischeTrennlinie zwischen städtischer und ländlicher Lebensweise.

Doch wie unterscheidet sich öffentlicher und privater Raum im städtischen Gefüge, sobald man die Haustür verlässt und sich in den öffentlichen Raum begibt? 5 Hans Paul Bahrdt beschreibt 1961 die Abhängigkeit zwischen Privatheit und Öffentlichkeit als zentrales Merkmal einer Stadt. „Eine Stadt ist eine Ansiedlung, in der das gesamte, also auch das alltägliche Leben die Tendenz zeigt, sich zu polarisieren, das heißt entweder im sozialen Aggregatzustand der Öffentlichkeit oder in dem der Privatheit stattzufinden. Es bilden sich eine öffentliche und eine private Sphäre, die in engem Wechselverhältnis stehen, ohne dass die Polarität verloren geht. [...]

Je stärker Polarität und Wechselbeziehung zwischen öffentlicher und privater Sphäre sich ausprägen, desto ‚städtischer‘

5

Löw, Martina. Steets, Silke. Stoetzer, Sergey. Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie. 2.Auflage. Farmington Hills, 2008.

S.36 f.

ist, soziologisch gesehen, das Leben einer Ansiedlung“ 6 Betritt man in einer Stadt einen engen Raum wie z.B. Bus, Bahn oder Kiosk dann wird oft nichtmals gegrüßt. Im Gegensatz zu einem Gespräch in den eigenen vier Wänden zwischen zwei Bekannten in das man sich einbringen möchte, hört man in besagtem engem öffentlichen Raum demonstrativ weg und möchte sich nicht in Gespräche integrieren. Man betrachtet das Verhalten der Mitmenschen als gleichgültig. Dient es dem Schutz der eigenen Privatheit oder hat sich dieses Verhalten schon in unserem Wesen verankert? Bahrdt schrieb in seinem Buch 1961 von ‚unvollständiger Integration‘ - er meint damit, dass in der Öffentlichkeit die eigene Persönlichkeit verborgen bleibt. Es interessiert nicht wer oder wie man ist, sobald die eigene Persönlichkeit diskutiert wird, entsteht bereits eine Art Nähe. Man entscheidet selbst darüber, welchen Teil der eigenen Persönlichkeit man anderen preisgeben will und welchen Teil man vor anderen verschließt. Das es keine fest vorgegebene soziale Richtlinie gibt, die dem Mensch eine Beziehung vordefiniert, ist überhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass sich Individuen

6

Häussermann, Hartmut. Siebel, Walter. Stadtsoziologie. Eine Einführung. Frankfurt/New York. S.56. Zitiert nach Bahrdt. 1998 (1961),83 f.

überhaupt erst als Individuen fühlen und anderen Individuen begegnen und somit jedes mal einen Neustart beginnen können. Also ist die Stadt und ihre Anonymität die Chance sein Leben immer neu zu beginnen, weil einen niemand kennt.

Die ‚unvollständige Integration‘ aber erscheint als eine negative Idee der Öffentlichkeit.

Stellt man sich nun eine Welt vor die von Distanz geprägt ist, wo bleibt dann der Wille in dem urbanen Raum zu leben. Öffentlichkeit entsteht erst durch Kommunikation. Also wie überwindet man diese Distanzen, wenn die Öffentlichkeit ein Raum ist, in dem das eigene Verhalten dem Blick eines Unbekannten jederzeit ausgesetzt ist, ohne die Komfortzone der Distanz zu leugnen?

Zum Beispiel durch Stilisierung des Verhaltens, sprich in dem man sein Verhalten anpasst und Fremden simple und unpersönliche Fragen stellt: nach der nächsten Sparkasse fragen, um Feuer bitten oder nach der Uhrzeit fragen. Was andere wahrnehmen sollen, macht man ihnen durch überdeutliche Signale klarer. Des weiteren durch Gesten und Kleidung, man kommuniziert durch Repräsentation, also ähnlich wie Fassaden, die das Erscheinungsbild von Ge- 7

7

2

ebd. Häussermann, Hartmut. Siebel, Walter. Stadtsoziologie.

Eine Einführung. Frankfurt/New York. S.55 ff.

STILISIERUNG REPRÄSENTATION DARSTELLENDES VERHALTEN DISTANZREGELN bäuden vermitteln, die letztendlich auch etwas über ihre Bewohner erzählen.

Stilisierung, Repräsentation, darstellendes Verhalten und Distanzregeln sind laut Bahrdt die positiven Voraussetzungen für Öffentlichkeit.

Doch der Soziologe Georg Simmel schrieb 1908 in seinem Buch über die Konsequenzen dieser Verhaltensweisen: „[...] Die Distanz, der ständige wachsame Umgang mit Halbfremden, der Zwang zur Selbstdarstellung und damit zu einer Distanzierung zu sich selbst, die Konfrontation mit

8

Häussermann, Hartmut. Siebel, Walter. Stadtsoziologie. Eine Einführung. Frankfurt/New York. S.56. Zitat nach Simmel, Georg.

1992a (1908), 11

vielen Möglichkeiten der Soziierung, unter denen gewählt wird, der Zwang, die verschiedenen Soziierungen, die man eingeht und deren Zuordnung nicht durch ein lückenloses System vorgegeben ist, mit einander in Einklang zu bringen, all das führt zu höherer Bewußtheit und zu einer Vergeistigung des gesellschaftlichen Lebens.“ 8 Simmel beschreibt in seinen Werken dass es die scharfen Stadt-Land Differenzen aufgrund der Urbanisierung der Gesellschaft nicht mehr gibt.

Seine Analysen über StädterInnen zu deren gleichgültigem Verhalten weisen auch heute noch auf, dass nicht etwa Akzeptanz des Fremden, sondern das Gegenteil, Ablehnung und Ignoranz Fremden gegenüber, viele öffentliche Handlungen und Kommunikationsforen öffnet und motiviert. 9 Hier sehe ich einen guten Übergang um das Thema des frei zugänglichen Kommunikationsforums einzubringen. Öffentlichkeit ist dieses Kommunikationsforum. Für alle.

Daher benötigt Öffentlichkeit einen Raum um überhaupt erst stattzufinden. Ob Kommunikation im Sinne von Mitteilungsbedürftigkeit wie Demos, Bekanntgebungen, Flyer u.a., oder für diejenigen die das wahrnehmen wollen was andere mitteilen. Ob Bäckerei, Kiosk, Einkaufscen-

ter oder eben Räume ohne vier Wände wie der Stadtplatz oder Quartiersplatz, soziale Begegnungen benötigen einen Ort an dem Kommunikation entsteht.

Beobachtet man das Geschehen und die Menschen auf der Straße erkennt man die verschiedenen Aktivitäten im öffentlichen Raum und erstellt ein Grundmuster ihrer Handlungen anhand ihrer Notwendigkeit.

Die wichtigsten Tätigkeiten für Stadtbewohner im öffentlichen Raum sind es Pflichten nachzugehen, wie auf Bus/Bahn zu warten, auf die Arbeit zu gehen, Lebensmittel einkaufen usw.

All diese Pflichttätigkeiten gehen Menschen unter allen Umständen nach, damit ist gemeint: bei Regen, Hitze und weiteren unangenehmen Witterungsbedingungen oder auch bei gesundheitlicher Beeinträchtigung.

Im Park spazieren gehen, in die Stadt laufen und ein Eis essen, sich hinsetzen, sich umschauen oder einfach auf einem Platz das Geschehen beobachten, sind freiwillige Aktivitäten die dem Zeitvertreib und der Erholung dienen. All diese freiwilligen Aktivitäten lassen sich in dem Grundmuster niedriger einordnen, man geht ihnen nur unter bestimmten Bedingungen nach und es brauch entsprechend attraktive Räume und öffentliche Flächen. 10

9

10

Löw, Martina. Steets, Silke. Stoetzer, Sergey. Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie. Farmington Hills, 2008. S.36

3

vgl. Gehl, Jan. Städte für Menschen. 2. Auflage. Berlin, 2015.

S34 f.

Q U A R Klassischer öffentlicher Raum Parks, öffentliT I E (Beispielsweise: che Plätze, u.a.)

R Hier ist der Besitzer die zustän S dige Gemeinde oder Stadt. Dieist auch für die Garantie der P sie öffentlichen Ordnung zustänL A T Z dig.12 Öffentlicher Raum sollte / K 24 Stunden frei zugänglich sein und ist nicht videoüberwacht.

I Unter Fachkreisen gelten vor R C allem die Kriterien man müsse H P L sich dort ohne Konsumzwang setzen können und es sollte A T Z im Optimalfall Trinkwasser zur Verfügung stehen. 13 Der öffentliche Raum zeichnet sich insbesondere durch die Anonymität aus, die er jedem einzelnen bietet, der sich in ihm bewegt. Das ist typisch städtisch.

Man kann den Stadtplatz als eine Bühne des öffentlichen Raums betrachten. Er diente schon immer den verschiedensten Nutzungen. Eine Auseinandersetzung mit dem städtebaulichen Element bedeutet auch eine Auseinandersetzung mit seiner Stadtgesellschaft, 11 der öffentliche Raum ist immer auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Im Folgenden wird zwischen verschiedenen öffentlichen Räumen unterschieden, auch jenen, die im klassischen Sinn keinen öffentlichen Raum darstellen.

11

Knirsch, Jürgen. Stadtplätze. Architektur und Freiraumplanung. Leinfelden-Echterdingen. 2004. S.7 f.

‚Halböffentlicher‘ Raum in Privatbesitz (Beispielsweise: Bahnhof/Bahn, Kirchplätze, Quartiersplätze) Die Trägerschaft ist in privater Hand, doch handelt es sich faktisch um einen öffentlichen Raum. Rechtlich gesehen ist es jedoch eine Sonderform von Privatgelände: Hier ensteht ein Konflikt zwischen dem Besitzer (Privatrecht) und der Polizei, die für die öffentliche Sicherheit zuständig ist.

Privater öffentlicher Raum (Beispielsweise: Einkaufscenter) Es handelt sich um einen öffentlichen Raum, der tatsächlich aber ein privater Raum ist.

Dieser wird durch die Nutzung der Bevölkerung zu einem

12

Voß, Michael: Private Sicherheitsdienste im öffentlichen Bereich. In: Widersprüche, Ausgabe 63, S.37-50

13

Vogt, Günther: Das beste Design ist das unsichtbare. In: Garten & Landschaft. München, Ausgabe 06/2018. S.19

öffentlichem Raum definiert.

Im Allgemeinen greift die Privatisierung von Plätzen die Vorraussetzung für einen öffentlichen Raum an: Denn der ist auch immer politischer Raum, wo sich jeder aufhalten kann und darf. Nimmt diese Tendenz zu, dann sieht ein Platz vielleicht öffentlich zugänglich aus, aber keiner kann ihn sich aneignen, weil er stetig die Sorge tragen muss, des Platzes verwiesen zu werden.

Dadurch kann über die Existenz eines sogenannten halb-öffentlichen Raumes diskutiert werden.

14

S T A D T P L A T Z / A N K U N F T S P L A T Z / K U L T U

R P L A T Z

14

4

ebd. Voß, Michael: Private Sicherheitsdienste im öffentlichen Bereich. In: Widersprüche, Ausgabe 63, S.37-50

WIEDERENTDECKUNG FENTLICHEN

DES

ÖFRAUMES

Die neue Wertschätzung des öf- fang der 70er Jahre bewahrte fentlichen Raums man viele wichtige Stadtplätze vor der Zerstörung, man fing an den Stadtraum neu zu sortieren - Reparatur, Rückbau und Restaurierung von öffentlichen Freiräumen, Plätzen und StraEs benötigt wieder öffentlichen ßen.

Raum für die Stadt. Wenn keine neuen Plätze und städtische Begegnungs- und Kommunikationsorte geschaffen werden, dann wird es keine städtische Freiheit mehr geben.

Es entsteht eine neue Lust Schon durch die Zerstörung daran, Stadtplätze zu nutzen, des zweiten Weltkriegs gingen ihnen ein Aushängeschild zu in vielen Städten die Struktugeben und ein Bewusstsein vor ren verloren, jedoch begegnete allem historische Räume neu zu Stadtplanern gegen mitte des regenerieren - beispielsweise 20. Jahrhunderts ein neues Pro- die Inszenierung der Festungsblem - die Mobilität wurde mehr anlagen von Saarlouis in die und mehr zum scheinbar unlös- Stadt- und Landschaftsgestlabaren Problem und nahm den tung einzubringen oder kleinen 15 bisherigen Stadtraum ein. einfachen Plätzen wie dem Es galt den immer zunehmenMax-Ophüls-Platz in Saarbrüderen Verkehr zu bewältigen, cken einen kulturellen Zusamjede Stadt baute so viele Stramenhang zu geben. ßen, Parkplätze und Parkhäußer „Ist die neue Wertschätzung, die wie es die Dichte ihrer Stadt Verwendung und Rekonstrukzuließ. Je mehr Straßen gebaut tion des öffentlichen Raumes wurden, desto mehr Verkehr ein Zeichen für ein gewandeltes herrschte. Immer mehr wurVerhältnis zur Öffentlichkeit an de der öffentliche Raum dafür sich? Wie kann es eigentlich genutzt, doch was bedeutet es sein, dass offensichtlich das wenn mehr Straßen mehr VerRaumbedürfnis, die Raumsehn16 kehr bedeuten? sucht, solchen Wandlungen unDurch einen Paradigmenwechterliegt?“ (Klaus Humpert, 1994) sel (=Wandel Grundlegender Rahmenbedingungen; Ausdruck Ob es die ideale Beschreibung von Thomas S. Kuhn, 1962) Anfür einen Platz gibt sei dahin-

gestellt, jedoch sollte er den Menschen die den Platz nutzen weiten Raum geben um ihn zu nutzen wie auch immer sie es wollen - zum spielen, zum durchqueren, zum Fahrrad fahren, sich in Gruppen versammeln, als Verabredungsort.

Er sollte ohne Vorgaben offen zu Interprieren sein, so dass eine Aneignung auf natürliche weise passiert, ohne irgendwelche Zwänge. Keine starren Freiräume schaffen, sondern sie wandelbar machen, dass sie von den Menschen belebt werden können - der Planer schafft die Basis und der Nutzer macht den öffentlichen Ort lebendig.

Sprich der Platz muss entwicklungsfähig sein und bleiben, es müssen ständig neue Nutzer hinzukommen können17 beispielsweise lässt es der Landwehrplatz in Saarbrücken trotz klar markiertem Basketballfeld zu, die Nutzung so offen zu lassen dass sich regelmäßig Gruppen von Sportlern die sich zum Cardio Training treffen, eine Gruppe Kampfsportler die großflächig in Reih und Glied stehen und synchron verschiedene Bewegungsabläufe trainieren. Öffentliche Plätze die wir gerne genießen, hängen davon ab wie sorgfältig und menschenorientiert die Planer ihre Aufgabe angehen.

15

17

Besserer Stadtraum - mehr Stadtleben

vgl. Knirsch, Jürgen. Stadtplätze. Architektur und Freiraumplanung. Leinfelden-Echterdingen. 2004. S.7 + 40

16

vgl. Gehl, Jan. Städte für Menschen. 2. Auflage. Berlin, 2015.

S. 21 f.

5

ebd. Knirsch, Jürgen. Stadtplätze. Architektur und Freiraumplanung. Leinfelden-Echterdingen. 2004. S. 40 f.

EIN PLATZ MUSS AUSSTRAHLEN:

BENUTZ MICH! 18

Dr. Renate Zimmer auf die Frage, wie öffentlicher Raum gestaltet sein muss, damit sich auch Kinder dort wohlfühlen.

18

Dr. Müller, Renate. Der Platz, das Gefühl und wir. In: Garten & Landschaft Blog 05.2016

6

Am Landwehrplatz ist zu beobachten, dass die offene Gestaltung verschiedene Nutzergruppen zusammenführt und Raum für Kommunikation entsteht.

Der Platz hat ein sehr robustes Erscheinungsbild, ca 3500qm braun-grau versiegelte Oberfläche die ausstrahlt benutzt zu werden, massive Sitzbänke aus Beton und mit lediglich vier hohen, schattenspendenden Bäumen wenig grün. Eine große Sitzinsel aus Holzlamellen kontrastiert mit seinem organischen Material und lädt zum Verweilen ein. Eine schlichte und offene Gestaltung, die den Nutzern ausreichend Flexibilität bietet. An den Landwehrpatz grenzt eine Schule, ein Restaurant, ein öffentlicher Parkplatz und die S-Bahn Station. Das Thema von ‚ankommen/losfahren/verabreden‘ spielt hier eine große Rolle. Zur Mittagszeit, wenn die Schule endet, füllt es sich und Schüler überqueren den Platz, verweilen auf den Bänken oder warten auf die S-Bahn um nach Hause zu fahren. Auf der großflächigen Insel sitzen zur Mittagszeit Schüler, Rentner, Obdachlose und eine Mutter mit Baby die eine Auszeit im Freien nimmt.

2008 haben Vogt Landschaftsarchitekten in Basel 50m lange Sitzbänke auf der Elisabethenanlage installiert und die Stadt gab nach einiger Zeit Feedback,

19

Vogt, Günther: Das beste Design ist das unsichtbare. In: Garten & Landschaft. München, Ausgabe 06/2018. S.18

BEOBACHTEN

dass sich durch die Bänke einige Konflikte entschärft haben, da Schüler, Obdachlose und Bänker nicht weit entfernt voneinander auf der gleichen Bank sitzen. 19 Beobachtet man die ‚planerische Idee‘ hinter dem Platz, erkennt man neben der offenen und sehr einsehbaren Gestaltung auch die hohen Leuchtinstallationen die den Platz bei

LANDWEHRPLATZ

RAUM

Nacht großflächig beleuchten und auch Nachts den gleichen (sicheren?!) Charakter geben.

7

LANDWEHRPLATZ

Ob Nachmittags unter der Woche oder Sonntag gegen Mittag, auf dem Platz ist ständig Leben zu sehen. Vorallem aber wird das Basketballfeld genutzt.

Sitzt man auf den Treppen des Otto-Hahn-Gymnasiums direkt gegenüber des Basketballplatzes und beobachtet das Geschehen, erkennt man die Wichtigkeit, Funktion und die Aneignungsprozesse eines öffentlichen Raums. Nach und nach treffen junge Männer ein, die zu Beginn des Spiels ihre Wertsachen offen und ohne Bedenken auf die Bänke am Platzrand ablegen. Sie fühlen sich sicher und haben keine Bedenken, dass ihnen ihre Wertsachen gestohlen werden.

Auf den ersten Blick macht es den Anschein, dass sich alle auf ein Spiel verabredet haben.

Das Gegenteil lässt sich allerdings vermuten nachdem man beobachtet, dass jeder der vier nacheinander eingetroffenen Sportler seinen eigenen Ball mitgebracht hat. Es wird sich zurückhaltend ‚Hallo‘ gesagt, kein Handeschütteln oder

sonstige Begrüßungsrituale.

Auch spielt jeder für sich mit leicht gesenkten Blick auf sein eigenes Spiel, dribbelt und wirft jeder Körbe im Alleingang. Erst nach einer Weile entstehen erste Annäherungen durch lockere Eins-gegen-Eins-Spiele. Mittlerweile haben sich fünf weitere Spieler auf dem Platz versammelt- alle mit ihrem eigenen Ball. Bahrdt teilt die Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit unter anderem in die Kategorie Distanzregeln. Regeln die dazu dienen, die Distanzen im öffentSchu

S-

Ba

20

hn

vgl. Häussermann, Hartmut. Siebel, Walter. Stadtsoziologie.

Eine Einführung. Frankfurt/New York. S. 57 ff.

Park p

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Rest a

uran t&T

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lichen Raum aufrechtzuerhalten. Sie schützen vor unerwünschten Interaktionen und geben einem Individum die Gewissheit ihre Privatheit zu schützen. 20 Wieso hätte jeder seinen eigenen Ball mitbringen sollen, wenn man sich einfach auf dem Basketballfeld am Landwehrplatz treffen und im Kollektiv spielen könnte? Es ist die Vorraussetzung von Entfaltung der Individualität, das ist es, was Stadt ausmacht. Man kann anonym und allein sein, wenn man es will. Genauer beobachten lassen sich diese Verhaltensweisen als ein weiterer Spieler an einem Vier-gegenVier-Spiel interessiert ist und schon voreilig beginnt Teams einzuordnen, anderen den Ball abnimmt um nur mit einem Ball das Spiel beginnen zu können.

Eine Person direkt gegenüber spielt eher verhalten ihren Ball hin und her während Andere mit ihrem Ball weiter abseits vom Feld vor sich hin dribbeln.

Wiederum Andere setzen sich demonstrativ auf die Bank am Rand um zu verdeutlichen, dass sie kein Interesse an einem

8

Auf der anderen Seite des Basketballfeldes hält sich parallel zu dem Spiel der jungen Männer eine Familie mit ihren kleinen Kindern, wohl zwischen zwei und acht Jahren, auf. Sie haben Fahrräder, Bälle und einen Picknickkorb dabei.

Während die Mutter alles auf der großen hölzernen Sitzinsel ausbreitet, beansprucht der Vater mit seinem ältesten Sohn den zweiten Basketballkorb und sie beginnen auf den Korb zu werfen, weniger professionell als die Gruppe gegenüber. Ein erster Austausch der beiden Gruppen entsteht, als ein Spieler gegenüber mit seinem Ball in den Bereich des Vaters und seinem Sohn kommt. Beeindruckt von den spielerischen Fähigkeiten des Älteren geht der kleine Junge ohne Zurückhaltung auf ihn zu und möchte, dass er ihm zeigt wie man richtig auf den Korb wirft. Interessant zu verfolgen ist hierbei, dass der Junge die ‚Distanzregeln‘ nicht ernst nimmt. Es könnte aus kindlichem Leicht21

vgl. Häussermann, Hartmut. Siebel, Walter. Stadtsoziologie.

Eine Einführung. Frankfurt/New York. S. 57 f.

sinn sein oder der kleine Junge besitzt noch das, was konservative Großstadtkritiker als Desinteresse und Verfall persönlicher Beziehungen beschreiben.21 Es lässt sich aber auch einfach die These aufstellen, dass der Platz durch sein offenes Erscheinungsbild denen, die ihn sich aneignen wollen, gleiches suggeriert. Vermutet dadurch, dass auch der Vater kein Verhalten zeigte seinen Sohn auf Distanz zu halten.

Auf der Sitzinsel bereitet die Mutter ein Picknick vor und verteilt den Inhalt des mitgebrachten Korbs auf der Sitzfläche, sie privatisiert sich für eine kurze Zeit diese Fläche um mit ihrer Familie am Nachmittag im Freien ein Essen zu genießen. Trotz dass es in Saarbrücken Plätze und Parks gibt die überwiegend aus einer Sitzwiese bestehen und somit auf den ersten Blick attraktiver für einen sonnigen Nachmittagssnack erscheinen, entscheidet sich diese Familie für ein Picknick zwischen einer Gruppe Basketballspielern auf einer komplett asphaltierten Fläche. Nutzungsoffenheit und Zentralität zeichnen den Landwehrplatz aus, die Mutter kann zudem ihre Kinder freier herumtoben lassen während sie das Essen vorbereitet, durch die große, einsehbare Fläche gibt es weniger Winkel die die Sicht der Mutter versperren könnten und gibt ihr somit ein Gefühl von Sicherheit.

Zu beobachten lässt sich auch ein Verhalten, dass den Kindern vorallem in ihrem privaten Zuhause beigebracht wurde: denn bevor sie zu essen beginnen, laufen sie zu dem Trinkwasser-

spender am Rande des Platzes und waschen ihre Hände. Natürlich sollte es selbstverständlich sein Hygienegewohnheiten auch im öffentlichen Raum nicht abzulegen, dennoch zeigt das generelle Verhalten der Familie mit einem Essen in der Öffentlichkeit und dem Ritual sich davor die Hände zu waschen, dass uns der ganze städtische Alltag gewöhnlich erscheint und sich die Gesellschaft mehr und mehr den öffentlichen Raum aneignet - draußen zuhause.

Auch Anlehnungen an die Stadt/Land Diskussion lassen sich verfolgen: auf der großen asphaltierten Fläche, auf dem Platz mitten in der Stadt, übt der Vater mit seiner Tochter Fahrradfahren und zieht den Vergleich, (vielleicht sogar aus eigenen Erfahrungen) dass man selbst nur an den wirklich unbefahrenen und sichersten Straßen im Dorf frei fahren durfte. So erkennt man, dass sich Menschen in der Stadt mehr und mehr den öffentlichen Raum zurückerobern.

LANDWEHRPLATZ

Spiel und dem aufdringlichen Verhalten haben. Auf Nachfrage erzählen einige der Spieler, dass sie mehrmals die Woche einfach bei Lust auf Sport ihren Ball nehmen und zum Landwehrplatz laufen. Falls niemand da ist wird alleine trainiert, wenn jemand da ist wird je nach Person zusammen gespielt oder doch jeder für sich. Man lernt sich kennen, redet und spielt miteinander, versteht sich mal besser und mal weniger gut. Alles aber, mit einer gewissen Distanz um seine Privatheit zu schützen.

9

10

Nur einige Meter weiter um die Ecke der alten Feuerwache befindet sich der kleinere und völlig anders wirkende MaxOphüls-Platz. Am Rande des Nauwieser Viertels, das wegen seiner Kneipen und guten Lage in Saarbrücken sehr geschätzt wird, öffnet sich der Platz wie eine Art Entrée. Mehr als zweidutzend hohe Bäume, die sich ab fünf bis sechs Metern in der Baumkrone weit öffnen, spenden dem Platz an sonnigen Tagen viel Schatten, nehmen ihm aber nichts von seiner Einsehbarkeit. Im Gegensatz zum Landwehrplatz ist der Max-Öphüls-Platz sehr naturell gelassen, statt gebundener Oberfläche hat er einen kiesigen Boden der von Laub und Rinde der Bäume bedeckt ist.

Keine massiven Betonsitzbänke sondern klassische Bänke aus Holzbrettern die stellenweise kaputt und verschmiert sind.

Der Platz liegt zwischen einer Musikschule und einem Restaurant. Westlich an der direkt vorbeilaufenden Nauwieserstraße befindet sich nach Begehren (Saarbrückens bester) Kebap, ein Tätowierer und ein Bordell. Alles in allem macht der Platz trotz seiner einsehbaren Gestaltung den Eindruck zum Verweilen einzuladen: Leute, die kurz ihre Ruhe haben möchten zieht es auf die Bänke unter die Schattenspendenden Bäumen

BEOBACHTEN

und gibt dem Stadtgefüge den Charme von Natur.

Der auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkende MaxOphüls-Platz ist in Saarbrücken vorallem durch die kulturellen Festivitäten bekannt, die mehrmals im Jahr dort abgehalten werden. Ob Nachbarschaftsflohmarkt, wöchentlicher Nachmittagsmarkt oder Live-Konzerte mit Bühne im Rahmen des

MAX-OPHÜLS-PLATZ

RAUM

gleichnamigen und renomierten Filmfestivals, der Platz liegt nur wenige Meter des großen asphaltierten Landwehrplatz entfernt und doch könnten die Menschen ihn sich nicht unterschiedlicher aneignen.

11

Aktivitäten nachzugehen. Jan Gehl erstellt anhand von Notwendigkeit ein Grundmuster der verschiedenen Aktivitäten und beschreibt am Ende die Aktivitäten, die selbst gewählt werden und weitgehend der Erholung dienen, 22 doch genau diese brauchen die entsprechenden attraktiven Räume und öffentliche Flächen.

Vor dem Spiel bietet einer der Männer jedem in der Gruppe ein Bier an und es wird locker über aktuelle Vorkomnisse gesprochen. Es herrscht eine ge-

ße serstra

Musiksch

ule

Nauwie

Döner

Schule

Restaurant

22

vgl. Gehl, Jan. Städte für Menschen. 2. Auflage. Berlin, 2015.

S. 34 f.

MAX-OPHÜLS-PLATZ

Regelmäßig lässt sich Nachmittags, vorallem Sonntags, eine durchmischte Gruppe älterer erwachsener Frauen und Männer dabei beobachten, wie sie sich zum Boule spielen (Kugelsportart) treffen. Eine Gruppe von ca. sieben Leuten trifft sich und schütteln sich zur Begrüßung die Hand, sie kennen sich also bereits von den mehrfachen Boule-Nachmittagen. Genau wie bei den Basketballern auf dem Landwehrplatz gibt es keine feste Verabredung, jeder begibt sich zur gleichen Zeit zum MaxOphüls-Platz und solange es mindestens zwei Personen sind, findet wie jede Woche ein mehrstündiges Spiel statt. Auch hier legt jeder seine Wertsachen ohne bedenken auf der Holzbank am Rande des Platzes ab. Es herrscht Vertrauen in einer Gruppe von ursprünglich fremden Menschen die dadurch, dass sie sich gemeinsam in der Stadt einen öffentlichen Platz angeeignet haben um der ihnen als Treffpunkt dient, um sich auszutauschen und um ihren

sellige und lustige Stimmmung innerhalb der Gemeinschaft.

Die Gruppe hat keine fest vorgegebene Spielfläche, da der Platz von keinem weiteren Menschen genutzt wird, beanspruchen sie nach und nach gefühlt die gesamte Fläche, die ihnen zur Verfügung steht. Ihr imaginäres Spielfeld von zwei auf zehn Metern weitet sich nach jedem Wurf weiter über den Platz aus. So eignen sie sich eine Fläche des Platzes an, die sie in diesem Moment als ihre Private ansehen. Dies kann man vorallem dann beobachten als eine Person unachtsam quer über den Platz und somit auch quer durch das Spielfeld läuft.

Im Kollektiv reagiert die Gruppe, die sich eigentlich nicht privat kennt, mit einem genervten Ton dem Fußgänger, ‚dem Fremden‘ gegenüber.

Weitere Distanzregeln von Bahrdt lassen sich beobachten, als sich eine Gruppe die kein Deutsch spricht und offensichtlich das Spiel nicht kennt, mit Interesse nähert und mit dem Finger auf das Spiel zeigt, dabei

12

Der am Rande des Viertels liegende Platz wird für fast jede Veranstaltung die mit dem Kollektiv ‚Initiative Nauwieser Viertel‘ zu tun hat genutzt. So auch um den Nachbarschaftsflohmarkt abzuhalten, der im Gegensatz zu gewöhnlichen Flohmärkten keine Standgebühr kostet und seine Stellplätze zuerst an Bewohner des Viertels verteilt, lediglich eine

kleine Spende wird an die Lokale um den Platz gegeben, die während der Veranstaltung ihre Toiletten zur Verfügung stellen.

Keine Beobachtung verschiedener Verhaltensweisen, aber sinnbildlich für den Charme des Platzes und vielleicht eine These für einen neutral geplanten öffentlichen Raum, der nach Aneignung der Bewohner erst seinen wahren Nutzen verrät.

Mithilfe des Marktes lässt sich Verhalten im öffentlichen Raum auf den verschiedensten Ebenen beobachten. Es lassen sich Beziehungen zwischen Händler und Kunden beobachten oder auch zwischen Nachbarn der temporären Verkaufsstände, die einen ganzen Tag nah beieinander sitzen. Händler und Kunde kennen sich in den meisten Fällen gegenseitig nicht, deshalb fällt es vielen leichter auch mal auf einer dreisten Ebene um den letzten Preis zu verhandeln: die Anonymität lässt einer Person, der es beispielsweise unangenehm ist um Geld zu diskutieren, zu diese Komfortzone zu verlassen. Alle Besucher des Marktes können frei wählen, ob sie über den in diesem Moment privatisierten Platz gehen möchten, ohne mit einer anderen Person Kontakt aufzunehmen oder an jedem Stand ein Gespräch anzufangen.

Zwei ältere Männer sitzen mit verschränkten Armen auf einer Parkbank die mitten auf dem Platz steht und beobachten das Geschehen auf dem komplett gefüllten Max-Ophüls-Platz.

Auch hier lässt sich auf die Theorie der ‚unvollständigen Integration‘ zurückgreifen. Durch den Kauf eines Gegenstands auf

23

24

vgl. Häussermann, Hartmut. Siebel, Walter. Stadtsoziologie.

Eine Einführung. Frankfurt/New York. S. 58, Zitat nach Barth

ebd. Häussermann, Hartmut. Siebel, Walter. Stadtsoziologie.

Eine Einführung. Frankfurt/New York. S. 56

dem Markt, ist die Person in ein Tauschgeschäft integriert. Dies zielt aber nicht auf die Integration der Persönlichkeit ab, es ist eine rein sachliche Beziehung bei der der Geld-Waren Verkehr im Vordergrund steht. 24

MAX-OPHÜLS-PLATZ

Wurfbewegungen macht und scheinbar die Regeln erklärt bekommen will.

Zuvor sah man wie sichtlich genervt die Gruppe von einer Person war die sie nur für wenige Sekunden in ihrem privaten Bereich im öffentlich Raum störte.

Nun könnte man denken, dass sie weniger gut auf eine gesamte Gruppe zu sprechen sind, die sie plötzlich in ihrem Mikrokosmos, ihrem Rückzugsort stört.

Doch eine der Frauen erklärt in Bruchstücken von Englisch und mit ganzem Körpereinsatz die Regeln und lässt eine Person der fremden Gruppe zur Probe eine Kugel werfen. Bahrdt beschreibt eine Verhaltensweise die er als positive Vorraussetzungen für Öffentlichkeit sieht, als Stilisierung. „Man begnügt sich also nicht damit, den anderen zuerst durch einen engen Torweg gehen zu lassen, sondern tritt ausdrücklich zurück und unterstreicht dieses Zurücktreten mit einer Geste.“ Zur Stilisierung gehört das langsame antasten an Fremde, die Überbetonung bestimmter Signale, um das was andere wahrnehmen sollen noch deutlicher zu machen.23

13

14

FAZIT Zu Beginn stellte sich mir bereits die Frage, was das Fazit dieser Beobachtungen und Ausarbeitung sein wird. Diese beiden öffentliche Räume durch Recherche und Beobachtungen nun in ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ zu

kategorisieren war jedoch nie das Ziel. Denn erst der Blick darauf, was Öffentlichkeit und öffentlicher Raum eigentlich bedeutet, verschaffte mir ein Verständnis dafür, welche grundlegenden Veränderungen sich beim Zusammenleben im öffentlichen Raum ergeben.

Es benötigt Feingefühl um das Verhalten der Menschen und die Besonderheit des Städtischen zu verstehen und letztendlich auch in die Planung zu transferieren. Womöglich war mein Ziel auch ein planerisches Verständnis zu entwickeln, dass ein urbaner öffentlichtlicher Raum frei zu interpretieren sein muss, aber zugleich umnutzbar bleibt.

Er braucht soziale Diversität und eine Möglichkeit der Interaktion von den Menschen vor Ort. Egal ob Stadtplatz mitten in der Stadt oder Quartiersplatz eines neuen Wohnquartiers außerhalb - öffentlicher Raum benötigt Zentralität um dem umliegenden Bewohnern eine kollektive Identifikation zu geben; der Platz muss von ihnen eine Bedeutung bekommen.

Vorallem aber ist die Wirkung städtebaulicher Elemente von großer Bedeutung, er brauch eine Gewisse Porosität die ihn frei zugänglich macht. Denn bauliche Maßnahmen verändern die Wahrnehmung des öffentlichen Raumes entscheidend und

ÖFFENTLICH KEIT & PRIVATHEIT

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Knirsch, Jürgen. Stadtplätze. Architektur und Freiraumplanung. Leinfelden-Echterdingen. 2004. S.44. Zitat nach Rauterberg, Hanno. Stuttgart, 2001

können seine Erhaltung und Aneignung fördern oder letztendlich zur Vernichtung führen. „Mehr als Raum die Gesellschaft, prägt die Gesellschaft ihren Raum.“25

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QUELLENVERZEICHNIS

1, 5, 9

2, 4, 13, 19

3, 11, 15, 17, 25

6, 7, 8, 20, 21, 23, 24

10, 16, 22

12, 14

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Löw, Martina. Steets, Silke. Stoetzer, Sergey. Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie. 2. Ausgabe. Verlag Barbara Budrich.

Farmington Hills, 2008 Brämer, Tanja. Vogt, Günther. Keller, Regina. Garten & Landschaft.

Magazin für Landschaftsarchitektur. Kunststück Stadtplatz - Wo stehen wir heute?. Verlag Callwey. München. Ausgabe 06/2018 Knirsch, Jürgen. Stadtplätze. Architektur und Freiraumplanung. Verlagsanstalt Alexander Koch. Leinfelden-Echterdingen, 2004 Häussermann, Hartmut. Siebel, Walter. Stadtsoziologie. Eine Einführung. Campus Verlag. Frankfurt/New York, 2004 Gehl, Jan. Städte für Menschen. 2. Auflage. jovis Verlag. Berlin, 2015 Voß, Michael. Widersprüche. Zeitschrift für Theorie & Politik des Sozialen. Private Sicherheitsdienste im öffentlichen Bereich. Kleine Verlag. München. Ausgabe 63 Dr. Müller, Renate. Garten & Landschaft. Magazin für Landschaftsarchitektur. Der Platz, das Gefühl und wir. Verlag Callwey. München.

Blog 05/2016 (https://www.garten-landschaft.de/spielraum / Zugriff am 18.07.2018, 12:37 Uhr)

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Alle Fotografien und Bearbeitungen - Jannik Aulenbacher

Alle Grafiken - Jannik Aulenbacher - Grundlage: www.schwarzplan.eu

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