Kapitel 15 „Hören Sie, Frau Neumann“, flehte die blasse junge Frau, „mein Mann ist unschuldig, wirklich. Es kann gar nicht anders sein. Und Sie, Sie müssen das beweisen. Bitte, bitte, Sie sind unsere einzige Hoffnung!“ Cora schenkte der Frau einen mitfühlenden Blick. Sie war nur selten mit einem Fall betraut gewesen, der ihr derart nahe gegangen war. „Ich kann mir vorstellen, was Sie gerade durchmachen“, erwiderte sie leise. Aber sie wusste selbst, dass das gelogen war. Wer konnte auch nachvollziehen, was die Mutter dreier kleiner Kinder empfand, deren Mann gerade wegen Mordes in Tateinheit mit Kindesmissbrauch verhaftet worden war? „Sie glauben mir nicht!“, jammerte die Frau, die etwas unscheinbar war, aber trotzdem sympathische Gesichtszüge hatte. „Und das verstehe ich nicht! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass mein Mann der beste Ehemann und Vater der Welt ist. Und ... und das ist noch untertrieben. Sie hätten ihn sehen sollen, wie liebevoll er mit Sandra und Michaela umgegangen ist. Da war nichts, aber auch rein gar nichts, was irgendeinen Verdacht hervorrufen könnte. Und dann ...“, die Frau stockte jetzt ein wenig, weil sie im Begriff war, ein Thema anzuschneiden, das ihr überaus peinlich war, „meine ... ich meine ... unsere Beziehung ... Sie wissen schon ... in sexueller Hinsicht. Ich bin sicher, dass mein Mann“, sie schüttelte den Kopf, weil sie nicht wusste, wie sie es ausdrücken sollte, „immer sehr zufrieden war ... in jeder Hinsicht, wenn Sie wissen, was ich meine.“ Cora senkte den Kopf. Wie sollte sie der Frau nur verständlich machen, dass ihr Ehemann eindeutig des heimtückischen Mordes an einem achtjährigen Mädchen überführt worden war? „Frau Tönjes“, begann sie sanft, musste dann aber innehalten und erst einmal niesen. Im Büro hatte sie immer die meisten Schwierigkeiten mit der Hausstauballergie, die vor ein paar Jahren urplötzlich aufgetaucht war. Dann fuhr sie fort: „Ich glaube Ihnen wirklich jedes Wort, aber die Beweislage ist erdrückend. Nehmen wir zum Beispiel die DNAAnalyse –“ „Ein Irrtum“, rief Frau Tönjes verzweifelt, „das ist die einzige Erklärung. Wir wissen doch beide, dass Menschen nun einmal Fehler machen. Und nicht nur Menschen“, fuhr sie eifrig fort, „auch Geräte können irren. Hab ich nicht Recht?“ „Grundsätzlich schon“, gab Cora ihr Recht, „aber in diesem Fall ist das wirklich mehr als unwahrscheinlich. Da sind doch auch noch die 142