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Kapitel 2

E

s war das Jahr 1960. Der Sommer in Kentucky war ausgesprochen feucht gewesen. Und auch an diesem Septemberabend goss es in Strömen. Sandra Stone stöhnte vor Schmerzen. Die Abstände zwischen den Wehen waren schon merklich kürzer geworden. Ihr Arzt hatte ihr ein großes Baby angekündigt, das irgendwann im Laufe dieser Nacht entbunden werden sollte. Es war erst 19.30 Uhr, aber draußen war es schon finster. Sturm und Regen rüttelten an den Fensterläden und der Kiesweg, der zu dem kleinen Ziegelhaus führte, hatte sich in einen beachtlichen Bach verwandelt. Einige Kilometer entfernt hatte sich eine Gruppe von Männern in der Dorfkneipe versammelt. Zum Teil suchten sie Schutz vor dem Regen, zum Teil hatten sie nichts Besseres zu tun. Unter ihnen war Sandra Stones Arzt. Am Nachmittag hatte Henry Stone, der werdende Vater, mit dem Arzt telefoniert und ihm mitgeteilt, dass die Wehen eingesetzt hätten. Der Arzt hatte mit ihm vereinbart, dass er sich wieder melden solle, wenn die Wehen regelmäßig in kurzen Abständen kamen. Er würde so lange hier beim Telefon warten. Doch kein Anruf kam. Der Arzt nahm inzwischen an, dass die Wehen vom Nachmittag nur falscher Alarm gewesen waren. Aber er blieb in der Kneipe und wartete weiter. Henry Stone warf den Telefonhörer gegen die Wand. »Hervorragend«, stöhnte er. Ratlos lief er zwischen dem Fenster, dem Telefon und seiner Frau hin und her. Es war ihr erstes Kind. Seine Frau stöhnte vor Schmerzen. Das Telefon war tot und die Straßen hatten sich mittlerweile vermutlich in Flüsse verwandelt. Blitze zuckten am Himmel und tauchten alles in ein gespenstisches Licht. Was sollte er nur tun? Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, Angst ergriff ihn.

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