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Er wollte sie nicht töten. Er wollte nur das Beweisstück zurückhaben. Wenn sie mit dem Foto zur Polizei gingen, wäre er fällig. Wieder im Gefängnis.

Wenn diese nervigen Kinder ihn nur nicht dazu gezwungen hätten. Zwillinge, ein Junge und ein Mädchen. Und ihr kleiner Bruder und ihr Vater.

Nun würden sie alle bezahlen müssen.

Er konnte die Furcht in den Augen der Kinder erkennen, als sein Wagen neben ihrem Land Cruiser auftauchte. Der Junge presste ein Handy ans Ohr. Er rammte sein Fahrzeug in ihres, wodurch ihr Wagen ausbrach. Der Vater bekam den Geländewagen wieder unter Kontrolle und erhöhte die Geschwindigkeit.

Er holte auf und fuhr erneut neben sie, als sie sich einem See näherten. Er hatte genug. Er würde sich jetzt gleich um das Problem kümmern.

Er riss das Steuer herum und drängte sie von der Fahrbahn ab.

Der Geländewagen rutschte über ein Stück Gras, das mit Schnee bedeckt war. Die Bremslichter blinkten hektisch, aber es war zu spät.

Das Geländefahrzeug flog durch die Luft und stürzte in den See. Das Wasser zog das Fahrzeug hinab. Langsam rollte es zur Seite wie ein sich sonnender Seelöwe und versank dann.

Er verlangsamte sein Tempo, um frostige Blasen aufsteigen zu sehen. Niemand konnte das hier überleben. Heute Nacht würde irgendwo eine Mutter weinen.

Im Wegfahren drückte er auf den Knopf seines Funkgerätes. „Die Lage ist unter Kontrolle.“ 3

TEIL 1

Kapitel 1 Sarah Ich wollte nicht nach Colorado ziehen. Ich wollte auch nicht, dass mein Papa starb und meine Mama irgendwann wieder heiratete. Und ich wollte ganz sicher nicht, dass sie plötzlich religiös wurde. Aber all diese Dinge passierten meinem Bruder und mir, und wir mussten uns ganz einfach damit abfinden.

Ich heiße Sarah Timbers, und mein jüngerer Bruder (nur um 57 Sekunden – aber eben jünger) heißt Chris. Wir sind fast 14, wenn man 217 Tage als „fast“ bezeichnen kann. Unser Familienname war früher Bishop, aber unser neuer Vater hat uns adoptiert, und nun tragen wir seinen Namen. Mama hat gesagt, dass wir den neuen Namen nicht annehmen müssen, aber ich hätte mich schlecht gefühlt, wenn ich die Gefühle unseres Stiefvaters verletzt hätte.

Mein jüngster Bruder, David, ist vier und wurde geboren, bevor unser richtiger Vater starb. Er ist eine Nervensäge, aber viel niedlicher als Chris, und für ein paar Smarties macht er alles für mich.

Mit unserem neuen Vater haben wir auch eine große Schwester bekommen. Lisa ist sechzehn und nimmt zur Zeit Fahrstunden. Sie hat einen Freund, der Rick heißt, aber Chris und ich nennen ihn den „Schleimer“. Eigentlich ist er ja ganz süß, mit ungekämmtem Strubbelhaar und star7

ken Muskeln. Aber wir ärgern sie trotzdem wegen ihm.

Im Herbst hat Rick in der Football-Universitätsauswahl gespielt, und jetzt im Frühling spielt er in der Unimannschaft Baseball. Immer wieder taucht sein Name in der Zeitung auf, und einmal brachten sie ein Bild von ihm, auf dem er einen Gegner angriff. Ich schrieb darunter „Der Schleimer zerlegt seinen Gegenspieler“, und Lisa wurde sauer. Nicht so sauer wie damals, als Chris ihre Haarbürste ins Aquarium tauchte, aber sauer genug, um es ihrem Vater zu erzählen. Er kam herein, saß etwa fünf Minuten lang schmunzelnd auf meinem Bett und ging dann wieder.

Das Allerschwerste war bisher für mich unser Umzug von Illinois. Als wir von unserem kleinen Haus wegfuhren war es, als würden wir alle Freunde verlieren, die wir jemals gehabt hatten.

Die neuen Besitzer waren schon am Einziehen.

Wir hatten unsere Namen in den Zement an der Auffahrt geschrieben. Die Hälfte von Davids Autosammlung ist immer noch im Garten hinter dem Haus vergraben. Und die billige Gartenschaukel, die meine Mama auf einem Flohmarkt gekauft hatte, steht immer noch unter dem großen, dicht belaubten Baum.

Meine Freundin Carolyn sagte, dass sie neidisch auf mich wäre, weil ich in den Westen zog und einen Neuanfang machte. Ich hätte auf der Stelle mit ihr getauscht. Es gab genug Neues, auch ohne dass man 1 500 km weit wegziehen musste. Mama sagte, „der Herr“ habe sie schon geführt, als sie ihn noch gar nicht kannte. Aber 8

wer auch immer der Herr sein mochte, er tat nichts, außer dass er mich dazu brachte, dass ich auf dem Rücksitz unseres Vans bis zur Erschöpfung weinte.

Als wir die Staatsgrenze zwischen Illinois und Iowa erreichten, hörte ich auf zu schluchzen und schniefte mich in den Schlaf. In Missouri kam ich zu mir, und wir aßen etwas. Nach dem Nachtisch fing ich wieder an zu weinen. Chris schlief überhaupt nicht und meinte, dass ich auf der Fahrt nicht viel verpasst hätte, außer einem Tramper in der Nähe von Salina/Kansas. Chris sagte, der Bart von dem Typen wäre länger gewesen, als wir groß waren, und er hätte neben einem toten Hirsch mit einem Banjo gesessen.

(Der Tramper hatte das Banjo, nicht der Hirsch.)

Als wir nach Colorado kamen, erbrach sich David erst einmal. Dadurch kam mir der Gedanke, dass hier alles ziemlich eklig sein würde, aber Mama sagte, das sei nur wegen des Höhenunterschieds passiert. Man lebt hier so hoch über dem Meeresspiegel und die Luft ist deshalb dünner, mit irgendwie weniger Sauerstoff. Wenn du jemals herkommst, musst du dich vielleicht auch übergeben.

Ein Jahr später verliebte sich Mama in den „Cowboy“, wie wir Sam damals nannten. Sie heirateten, und wir zogen bei ihm ein. Dann wurde Mama Christin, und das nicht wegen unseres neuen Vaters, denn er war kein Christ – und ist es auch jetzt nicht. Chris und ich dachten, dass Mama nur eine heilige Phase durchlebte, aber als das zum Dauerzustand wurde, erwachte 9

auch unser Interesse. SchlieĂ&#x;lich wurden Chris und ich auch Christen.

Ich dachte, dass ich eigentlich schon immer Christin gewesen wäre, aber das ist eine andere Geschichte.

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