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„Ich studiere Zukunft“

from eGovernment 6/2023
by vit
Beim Menschen dauert eine Schwangerschaft ungefähr 40 Wochen – im deutschen eGovernment wartet man etwa sechs Semester auf Nachwuchs.
Man wächst mit seinen Aufgaben. Glaubt man dieser Binsenweisheit, stellen Herausforderungen eine Chance dar und versprechen der deutschen Verwaltung so, mit dem Fachkräftemangel gar nicht vor einer Krise zu stehen, sondern viel mehr vor einer Renaissance.
Dass Künstliche Intelligenz (KI) dabei eine entscheidende Rolle spielen kann, zeigen mittlerweile zahllose Studien und Fallbeispiele – und sorgen so nicht nur dafür, dass das Thema wohl kaum jemandem nicht zu den Ohren heraushängt, sondern auch dafür, dass scheinbar vergessen wird, dass sie trotz allem, die Arbeit eines Menschen in Vielem nicht ersetzen kann.
Wie aber gewinnt die Öffentliche Hand neue Mitarbeiter? Durch Studienangebote wie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) oder an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (HS Bund), werden Verwaltungsmitarbeitende ausgebildet, die durch ihren Abschluss einen enormen Beitrag für das deutsche eGovernment leisten können.
„Eine moderne, effiziente und zukunftsträchtige öffentliche Verwaltung geht einher mit der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen; ein hoher Digitalisierungsgrad erfordert von den Mitarbeitenden digitale Kompetenzen. Dementsprechend haben Studiengänge im Verwaltungsmanagement eine wichtige Bedeutung für den Erfolg der Digitalisierung der Öffentlichen Hand“, so die Kooperationspartner der HAW Hamburg zur Bedeutung entsprechender Studienangebote.
Um angehende Fachkräfte optimal auf künftige Tätigkeiten vorzubereiten, umfassen die Studienangebote Module aus unterschiedlichen Fachdisziplinen. So setzt die HS Bund in ihrem Studiengang Verwaltungsmanagement auf einen Dreiklang aus juristischen, wirtschaftswissenschaftlichen und psychologischen Inhalten, um die nötigen Fach-, Sozial- und Methodenkompetenzen zu vermitteln. Ähnlich sieht auch das Curriculum des Studiengangs E-Government an der HAW Hamburg rechts-, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Lehrveranstaltungen sowie Module aus der Informatik und intersdisziplinäre sowie projektorientierte Veranstaltungen vor.
Der Mensch als Ressource
„Wenn ich groß bin, werde ich Beamter in der Öffentlichen Verwaltung.“ Warum scheint dieser Satz so ironisch? Während sich die meisten jungen Menschen für einen Studiengang wie Betriebswirtschaftslehre (BWL), Medizin oder
Jura entscheiden, hört man eher selten von Studierenden im Verwaltungsmanagement oder eGovernment. Gerade diese Studiengänge bieten jedoch die Möglichkeit, die deutsche Verwaltung voranzutreiben.
Die Kooperationspartner der HAW Hamburg erklären dazu: „Jede Mitarbeiterin beziehungsweise jeder Mitarbeiter ist zugleich Bürgerin und Bürger – hierbei aber mit der Möglichkeit, aktiv die Verwaltungsmodernisierung zu forcieren beziehungsweise mitzugestalten, sodass Verwaltungsangelegenheiten für alle beteiligten Personen einfacher, flexibler und transparenter werden.“ Die Hochschule ergänzt: „Die Studiengänge qualifizierenunteranderemzurSteuerung von Veränderungsprozessen sowie zum kritischen Denken für innovative Problemlösungen.“
Innovationstreiber werden
Obwohl es bei der Verwaltungsdigitalisierung noch einige Mängel zu beseitigen gilt und Studiengänge diese durch ihren Praxisbezug auch den Studierenden aufzeigen,
Studienangebote
Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (HS Bund): novationen sowie neue Ansätze in ihre Arbeitsbereiche hineinzutragen.“
Die HS Bund bietet im Fachbereich „Allgemeine Innere Verwaltung“ (AIV) den Studiengang „Verwaltungsmanagement“ an. Das dreijährige duale Studium ist klassisch in sechs Semester aufgeteilt. Das Dritte und Fünfte sind als berufspraktische Studienzeit vorgesehen, in der Digitalkompetenzen vermittelt und vor allem praktisch angewendet werden.
Ähnlich sieht das auch Dr. iur. Sabine Leppek, Dekanin des Fachbereichs Allgemeine Innere Verwaltung an der HS Bund. Wie sie erklärt, wirkten Absolventen der Studiengänge mit, die Digitalisierung in Bundesbehörden strategisch und operativ zu steuern und voranzubringen. Dazu gehöre, beurteilen zu können, an welchen Stellen die Digitalisierung in der deutschen Verwaltung bereits gut laufe. Andererseits müssten Studierende, beziehungsweise Absolventen, aber eben auch erkennen, wo noch nachjustiert werden müsse. „Genau diese Kompetenz wollen wir unseren Studierenden vermitteln. Davon profitieren unsere Abnehmerbehörden, denn unsere Absolventinnen und Absolventen bringen so neue Impulse in die Verwaltungspraxis ein.“
Gerade mit Hinblick auf den Fachkräftemangel ist es daher wichtig, neue und optimal qualifizierte Verwaltungsmitarbeitende auszubilden. Dabei können Weiter- und Fortbildungen sowie weiterführen-
Die Absolventen erhalten den akademischen Grad Diplom-Verwaltungswirt/in (FH) und sind befähigt, als Sachbearbeiter im gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in den Behörden des Bundes im gesamten Bundesgebiet zu arbeiten. Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg):
Erstmalig für das Wintersemester 2023/24 können sich Studienanwärter für den Studiengang „E-Government“ an der HAW Hamburg bewerben. Innerhalb von sieben Semestern lernen Studierende IT-gestützte Verwaltungsprozesse zu initiieren, um so den digitalen Kulturwandel in der deutschen Verwaltung voranzutreiben.
Praxispartner sind die Freie und Hansestadt Hamburg sowie das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern – sie haben die Hochschule dabei unterstützt, den Studiengang so zu entwickeln, dass Absolventen die interdisziplinären Kompetenzen besitzen, die in der Praxis tatsächlich benötigt werden. Abgeschlossen wird das Studium mit dem Bachelor of Science (B.Sc.).
Etwas mit Sinn bewirken
Da für die jetzigen Studienanfänger eine Welt ohne Internet und Online-Zugang kaum noch vorstellbar sei, hole der Studiengang E-Government die Lernenden in ihrer Lebenswirklichkeit ab, wie die HAW Hamburg erklärt. Um mehr Studierende für diese Studiengänge zu begeistern, könne der
„Die Studiengänge qualifizieren unter anderem zur Steuerung von Veränderungsprozessen sowie zum kritischen Denken für innovative Problemlösungen“
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg könne dennoch nicht von einer abschreckenden Wirkung der Angebote ausgegangen werden, betonen die Praxispartner der HAW Hamburg. „Vielmehr ergeben sich in diesem Tätigkeitsspektrum spannende Herausforderungen mit zugleich großem Gestaltungspotenzial.“
Anforderungen an die Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs ‚Verwaltungsmanagement‘ am Fachbereich AIV werden in der Berufspraxis daher künftig weiter wachsen“, erklärt die HS Bund. Deshalb müssen die Lehrpläne in diesen Studiengängen entsprechend der Bedürfnisse der Verwaltungen, deren Mitarbeiter und der Bürger ausgerichtet werden. Die Verwaltungsdigitalisierung ist ein fortschreitender Prozess. Neue Studienangebote an Hochschulen, wie der E-Government-Studiengang, sind die Reaktion auf die aktuellen Entwicklungen. Doch auch klassische Studiengänge im Verwaltungsmanagement berücksichtigen diese in unterschiedlichem Umfang bei der Entwicklung ihrer Curricula.
Und auch die Hochschule schließt sich dem an. Sie sieht im Praxisbezug der Studiengänge mehr Potenzial, Studierende zu motivieren, als die Gefahr, sie womöglich abzuschrecken: „Hochschulen greifen in Lehre und Forschung immer aktuelle Entwicklungen und Diskussionen in ihren Fachdisziplinen auf. Der offene, kritische Diskurs gehört zur Hochschule. Absolventinnen und Absolventen sollen die Kompetenz erwerben, bestehende Problemlösungsmuster kritisch zu hinterfragen und In- de Qualifikationen durchaus eine entscheidende Rolle spielen. Die HAW Hamburg betont jedoch die Bedeutung eines tiefen Verständnisses der wichtigsten Theorien, Prinzipien und Methoden und der in einem Hochschulstudium erworbenen Professionalität bei der Anwendung dieser.
Die digitale Transformation solle nicht auf technische Aspekte reduziert, sondern als ganzheitlicher Prozess verstanden werden. „EGovernment-Absolventinnen und Absolventen sollen in ihrer Schlüsselrolle als Übersetzerinnen und Übersetzer zwischen Informatikund Verwaltungsbereichen Impulse geben, reflektieren, kritisch hinterfragen, gestalten, steuern und mit internen und externen Dienstleistern ‚auf Augenhöhe‘ kommunizieren und Digitalisierungspotenziale erkennen können.“
Beitrag der Absolventen für die Gesellschaft als Ganzes also stärker in den Fokus gestellt werden. „Die Verwaltung erfüllt keinen Selbstzweck, sondern agiert für Bürgerinnen und Bürger und Gesellschaft: Die Studierenden können etwas mit Sinn bewirken.“
Von Seiten der Kooperationspartner heißt es dazu außerdem: „In der Verwaltung geht es dabei nicht um eine Prozessoptimierung zur Gewinnmaximierung, sondern vielmehr um eine wertschaffende Optimierung von Verwaltungsabläufen und von Lösungen für die Gesellschaft.“
Zielführend sind diese Studiengänge jedoch nur, wenn Absolventen auf die Realität in den Behörden vorbereitet werden. „Die Digitalisierung gewinnt auch in öffentlichen Bereichen mehr und mehr an Bedeutung. Die diesbezüglichen
So hat die HS Bund zusammen mit ihrer Aufsichtsbehörde, dem BMI, anhand eines Fragebogens ermittelt, welche Digitalkompetenzen bereits an Studierende vermittelt werden und welche Anforderungen es seitens der Bundesbehörden an die Alumni gibt. Das Ergebnis dieses Soll-Ist-Abgleichs bietet wertvolle Erkenntnisse für die Reform des aktuellen Curriculums und des Modulhandbuchs der Hochschule.
Vom Beamten-Mikado zum -Twister Absolventen der Studiengänge haben die Möglichkeit, die Verwaltungsdigitalisierung sichtlich zu beeinflussen. Die Branche braucht innovative Ideen und Lösungsansätze, die Alumni als Innovationstreiber entwickeln und umsetzen. Auch mit dem Klischee des Beamten-Mikado (Wer sich zuerst bewegt, hat verloren) kann so gebrochen werden.
Die Arbeit im eGovernment gestaltet sich eher wie ein Twister-Spiel. Zwar wirkt vieles verzwickt, verdreht und verknotet – letzten Endes könnte durch eine kleine Hilfestellung aber vieles erleichtert werden. cm