Jahrbuch der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne 2016/17

Page 92

90

Keine Interaktion! Bild-Text-Bezüge von Beischriften Dr. Francisca Feraudi-Gruénais Heidelberger Akademie der Wissenschaften | Universität Heidelberg Eine Standortbestimmung in fünf Punkten: Résumé des Vortrags am 15. Juli 2016 I. (Antiken) Beischriften werden langläufig auf gezielte Rezeptionen ausgerichtete und damit monofinale Funktionen zugewiesen. Als Elemente bildlicher Darstellungen sollen sie demzufolge der Sicherung des beabsichtigten Verständnisses beim Rezipienten dienen. In der Tat sind Beischriften auf Bildwerken der klassischen Antike ein sehr häufig auftretendes Phänomen. Sie sind andererseits aber auch nicht omnipräsent, und so bleiben die Deutungen bildlicher Darstellungen aufgrund des ‚Fehlens‘ von Beischriften für den (modernen) Betrachter nicht selten im Unklaren. Doch genau darin, nämlich in ihrem häufigen Auftreten, wo dies oftmals aufgrund ikonographischer Eindeutigkeit ‚verzichtbar‘ wäre, und ihrem Ausbleiben, wo man sie zum gesicherten Bildverständnis vermisst, manifestiert sich bereits ein Wesensmerkmal von Beischriften, das ahnen lässt, dass man mit monokausalen, rein funktionsorientierten Erklärungen des Phänomens Beischriften nicht weiterkommen wird. II. Die Beurteilung der Frage nach einer möglichen Interaktion von Bild und Beischrift erfordert in erster Linie ein Verständnis vom Funktionieren von Beischriften in ihrer unmittelbaren Symbiose mit dem Bild, und zwar dies unter Wahrung der prinzipiellen Eigenständigkeit der Aktanten Bild und Schrift. Denn wenn der Diskurs über Beischriften bislang in einem primär finalistischen Verständnis um deren Funktionen kreiste, so berührt dieser bestenfalls nur Teilaspekte von Beischriften, bei denen der eine (Schrift) dezidiert subordiniert in der Funktion des anderen (Bild) steht. Dahinter verbirgt sich jedoch bereits ein Vorurteil, das es, wie ich meine, hermeneutisch gerade zu vermeiden gilt, und weshalb es methodisch geraten erscheint, eine Perspektive des (möglichst) prämissefreien Beobachtens und Hinterfragens des Zusammenwirkens von Bild und Schrift einzunehmen. Die zentrale Frage dabei ist vorliegend: gründet dieses Zusammenwirken, das intrinsiche Funktionieren, tatsächlich auf Interaktion? Es ist dies eine Frage, die, einmal mehr, der Klärung einer Reihe vorgelagerter Fragen bedarf. Die wichtigste: ‚Was sind eigentlich Beischriften?‘ Sind Beischriften letztlich (eine Form von) Inschriften? www.artes.uni-koeln.de


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.