Ausgabe 02/2020 München

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Fakten!

Die Welt so sehen, wie sie wirklich ist Unser Schwerpunktthema in dieser ArrivalNews-Ausgabe

ZEITUNG FÜR NEUBÜRGER*INNEN WWW.ARRIVALNEWS.DE

AUSGABE MÜNCHEN FEBRUAR/2020

Organspende – meine Entscheidung! TEXT SOFIE CALHEIROS Darf mein Herz in einem anderen Körper weiter schlagen, wenn ich sterbe? Dank des medizinischen Fortschritts ist es möglich, mit dem Herz oder Lunge einer anderen Person weiterzuleben.

O

rganspende kann viele Leben retten. Aber nicht jede*r will Organspender*in sein. Zum Beispiel aus religiösen Gründen. Gleichzeitig gibt es viel zu wenige Spender*innen. Am 16. Januar 2020 wurde im Bundestag darüber abgestimmt, wie man in Deutschland zum*zur Organspender*in wird. Das Ergebnis: in Deutschland muss man einer Organspende zustimmen. Doch was bedeutet das genau?

Es ist übrigens sehr unwahrscheinlich, dass man Organspender*in wird. Auch wenn man einer Organspende zugestimmt hat. Nur in etwa 1 Prozent aller Todesfälle tritt der Hirntod vor dem Herztod ein. Doch damit Organe verpflanzt werden können, müssen die Organe noch durchblutet werden. Das Herz muss noch schlagen. Das passiert meistens bei Menschen, die an Unfällen mit schweren Kopfverletzungen sterben. Wie ist die Organspende in Deutschland geregelt? Bei der Organspende geht es um Leben und Tod. Es gibt viele wichtige Fragen: Wer darf entscheiden, was mit meinem Körper nach dem Tod passiert? Wer bekommt zuerst ein neues Organ? Deswegen ist es wichtig, dass es klare Gesetze und Regeln gibt.

Was ist Organspende? Organspende bedeutet: einer Person werden für eine Transplantation Organe entnommen. Die Organe (oder eines davon) werden dann einer anderen Person eingesetzt. Die andere Person braucht das neue Organ, weil ihr eigenes Organ (zum Beispiel durch eine Krankheit) nicht mehr gut funktioniert.

In Deutschland warten momentan über 9.000 Menschen auf ein neues Organ. Im Jahr 2018 gab es nur 955 Organspender*innen. Im Jahr 2018 sind 901 Menschen auf der Warteliste gestorben. Sie haben nicht rechtzeitig ein Organ bekommen. Das bedeutet: es gibt zu wenige Spender*innen.

Manche Organe können lebend gespendet werden. Zum Beispiel eine Niere. Die meisten anderen Organe können erst nach dem Tod entnommen werden: Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm und Leber. Denn ohne diese Organe könnten Spender*innen natürlich selbst nicht weiterleben. Voraussetzung dafür ist der Hirntod. Dieser muss von 2 Ärzt*innen festgestellt werden. In Deutschland gilt ein Mensch als tot, wenn er hirntot ist. Heute können Menschen durch die künstliche Beatmung am Leben erhalten werden. Auch wenn Gehirnfunktionen nicht mehr gemessen werden können.

Aber wer entscheidet, ob eine Person Organe spendet? In Deutschland gibt es eine „Zustimmungslösung“. Das bedeutet: Die Person muss irgendwann mal gesagt haben: Ja, ich will Organe spenden. Weil es zu wenige Spender*innen gibt, wollte der Gesundheitsminister Jens Spahn eine „Widerspruchslösung“ einführen. Das bedeutet: Alle Menschen sind automatisch Organspender*innen. Außer, sie haben gesagt, dass sie das nicht wollen. In Österreich oder Spanien ist das zum Beispiel so. Dort gibt es mehr Menschen, die Organe spenden. Aber der Bundestag hat am 16. Januar 2020 entschieden: In Deutschland bleibt

I L LU S T R AT ION M A R I ON BLO M E Y E R

die „Zustimmungslösung“. Aber: ab sofort werden die Menschen in Deutschland regelmäßig aufgefordert, über das Thema Organspende nachzudenken. Zum Beispiel, wenn sie ihren Ausweis verlängern. Oder wenn sie zum Hausarzt gehen. Wer die Organe bekommt, entscheidet eine Organisation namens „Eurotransplant“. 8 Länder sind Mitglieder. Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn, und Slowenien. Die Organisation hat eine große Datenbank mit Menschen, die auf

Auf der Rückseite dieser ArrivalNews-Ausgabe gibt es einen Organspendeausweis zum Ausschneiden und Ausfüllen!

ein Organ warten. Dort sind 14.000 Patient*innen registriert. Wenn ein neues Organ gemeldet wird, muss es erst mal passen. Da kommt es zum Beispiel auf die Blutgruppe an. Deswegen ist es gut, dass die Datenbank so groß ist. Und dann kommt es auch darauf an, wie lange die Person schon wartet und wie schwer krank die Person ist. Wurde ein*e Empfänger*in gefunden, muss alles schnell gehen, denn zwischen Entnahme und Einsatz eines Organs dürfen nur wenige Stunden vergehen. Eurotransplant organisiert den Transport. Der Handel mit Organen oder das Spenden gegen Geld ist verboten. -1-

  

Der Organspendeausweis Der Organspendeausweis ist eine kleine Karte, die man selbst ausfüllen kann. Man trägt sie immer bei sich, zum Beispiel im Geldbeutel. Auf dieser Karte kann man ankreuzen, ob man Organe spenden will. Und welche. Oder man schreibt, welche Person das entscheiden darf. Wenn man dann stirbt und für eine Organspende in Frage kommt, wird diese Entscheidung respektiert. Das Ausfüllen von einem Organspendeausweis ist freiwillig. Niemand muss einen Organspendeausweis haben. Doch was passiert, wenn man keinen Organspendeausweis hat? Dann müssen die Angehörigen entscheiden. Sie müssen so entscheiden, wie es der*die Tote gewollt hätte. Das ist eine schwere Entscheidung. Wenn eine Person hirntot ist, müssen Ärzt*innen mit den Angehörigen über dieses Thema sprechen. Wenn die Angehörigen Organspende nicht gut finden, stellen die Ärzt*innen die künstliche Beatmung ab. Kurze Zeit später steht dann das Herz der*des Toten still. Man kann auch anders festhalten, ob man Organe spenden möchte: Zum Beispiel mit der Familie oder Freund*innen darüber sprechen. Oder es in eine Patientenverfügung schreiben. Die meisten Menschen denken nicht gerne über den Tod nach. Bei dem Thema Organspende sieht man aber: Es ist wichtig, sich darüber Gedanken zu machen. Auch, wenn man jung und gesund ist und wahrscheinlich noch lange lebt. das Organ, -e

Körperteil mit einer bestimmten Funktion, aus Zellen und Geweben zusammengesetzt

der medizinische, -n immer bessere Möglichkeit der Fortschritt, -e medizinischen Behandlung die Transplantation, operative Verpflanzung von -en Organen oder Gewebe die Niere, -n

Organ, das Giftstoffe und Wasserhaushalt reguliert

die Lunge, -n

Organ zum Atmen

die Bauchspeichel- Organ im Bauch, das der Verdrüse, -n dauung dient der Dünndarm, Dünndärme

Organ, das der Aufnahme von Nährstoffen aus der Nahrung und der Verdauung dient

die Leber, Leber

Organ, das den Stoffwechsels und das Blut entgiftet

der Hirntod, -e

lebensnotwendige Gehirnfunktionen können nicht mehr gemessen werden und kommen nicht mehr zurück, Todesdefinition

die künstliche,-n Beatmung, -en

Atmung mit Hilfe einer Maschine

der Herztod, -e

Tod durch Ende des Herzschlags, früheres Todeskriterium

etwas verpflanzen

an eine andere Stelle pflanzen, umsetzen

etwas durchbluten

mit Blut (und dadurch mit Sauerstoff) versorgen

die Datenbank, -en

System zur Speicherung von einer großen Menge Daten

die Blutgruppe, -n

Beschaffenheit der Blutkörperchen, teilweise nicht miteinander kompatibel

der/die Angehörige, nahestehende Personen wie -n Ehegatt*innen, Lebenspartner* innen, Eltern, Kinder, Großeltern, Geschwister die Patientenverfügung, -en

Dokument, in dem man bestimmt, was medizinisch unternommen werden soll, wenn man selbst durch Krankheit oder einen Unfall nicht mehr entscheiden kann

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