Stellungnahme zum amtsbericht ausweitung bettelverbot

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Salzburger Armutskonferenz Inhaltliche Anmerkungen zum Amtsbericht mit der Zahl 01/00/52104/2012/546 zur Ausweitung des sektoralen Bettelverbotes in der Stadt Salzburg. Die inhaltliche Beurteilung des Amtsberichtes als argumentative Grundlage für die Ausweitung des derzeit bestehenden sektoralen Bettelverbotes in der Stadt Salzburg erfolgt unter 1) Überlegungen im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen bzw. den Verweis auf § 29 Abs. 2 Salzburger Landessicherheitsgesetz, dass eine Einschränkung des stillen Bettelns ausschließlich dann erfolgen darf, wenn damit aufgrund des Bettelns bzw. der Anzahl von Bettler*innen ein Missstand vorliegt bzw. ein ungehindertes Benützen des öffentlichen Orts verunmöglicht wird und 2) unter sozialen bzw. lebensweltlichen Überlegungen und Rahmenbedingungen. Zusammenfassende Beurteilung: Die überwiegende Mehrheit der im Amtsbericht angeführten Argumente, die für eine Ausweitung des derzeit gültigen sektoralen Bettelverbotes angeführt werden, ist in keiner Weise geeignet, einen örtlichen Missstand lt. Sicherheitspolizeigesetz zu begründen. Die – zum Teil widersprüchlichen - inhaltlichen Begründungen sind demnach keine adäquate Grundlage für eine Erweiterung der Bettelverbotszonen. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass die Anzahl der Bettler*innen, wie im Amtsbericht ausgeführt, massiv zurückgegangen ist, steht im deutlichen Kontrast zur Begründung einer entsprechenden Ausweitung des sektoralen Bettelverbotes. Vermisst werden im Amtsbericht außerdem die bisherigen „Erfolge“ (Streetwork, Gespräche mit Bettler*innen, Einhaltung der Bettelverbotszonen …) und Ansätze, unabhängig von ordnungspolitischen Maßnahmen (Ausweitung Bettelverbotszonen) Alternativen zu überlegen, wie Konflikte entschärft bzw. gelöst werden können. Abgesehen davon erscheint es äußerst fragwürdig, in einem Amtsbericht, der immerhin einen Umfang von 22 Seiten umfasst, ausschließlich die Polizei (deren Sicht natürlich unabdingbar ist) bzw. jene zu Wort kommen zu lassen, die eine kritische Sicht auf das Thema Betteln haben bzw. zu den Beschwerdeführern zu zählen sind. Im Sinne der Ausgewogenheit der Stellungnahmen, die bei einem derart komplexen Thema wohl eine zentrale Voraussetzung für einen umfassenden demokratischen Aushandelsprozess notwendig erscheint, ist dies aus unserer Sicht zu kurz gegriffen.


Die Argumente im Einzelnen: Argumentation im Amtsbericht Anstieg der „Kinderproblematik“ (S. 3)

Anmerkungen 

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Wie bei der Erhebung 03/2016 festgestellt wurde (S. 7 - 10), wurde dieses Mal „keine Beanstandung hinsichtlich Minderjähriger“ festgestellt bzw. in der 2. Erhebungsschleife lediglich ein minderjähriges Kind angetroffen. Warum – fragt man sich – beschreibt man dieses Thema dann so umfangreich, wenn es aktuell kein Problem darstellt? Betteln unter Mitwirkung von unmündig minderjährigen Kindern (bis 12 Jahre) ist lt. Landessicherheitsgesetz verboten und wird auch durch die Exekutive sanktioniert. Ein Betteln durch Kinder wird auch abgelehnt. Durch die Tatsache, dass in vielen Fällen größere Familien unterwegs sind, lässt es sich allerdings nicht gänzlich vermeiden, dass sich vereinzelt auch Minderjährige in Salzburg aufhalten. Auch wenn sich Kinder / Minderjährige in der Obhut ihrer Eltern und/oder Erziehungsberechtigten befinden, ist dies per se nicht negativ zu sehen, sondern kann auch als Schutzfunktion für die Kinder betrachtet werden. Es liegt also nicht automatisch in jedem Fall eine Kindeswohlgefährdung vor. Die Problematik betrifft demnach nicht das Betteln an sich, sondern die Umstände des Aufenthaltes in Salzburg. Die Notschlafstellen sind bislang ausschließlich für Erwachsene konzipiert (mit expliziten Ausnahmen), im Rahmen der Neugestaltung der Notversorgung für Armutsreisende durch den Caritasverband Salzburg ist konzeptionell auch ein Familienzimmer angedacht, welches die Übernachtungssituation für Minderjährige etwas verbessern kann. Grundsätzlich gilt aber auch hier, insbesondere wenn Kinder/Jugendliche mit dabei sind, dass diese unter Berücksichtigung deren besonderer Schutzwürdigkeit eine zu geringe Anzahl von Schlafplätzen / Schutzräumen vorfinden. Durch die Caritas Salzburg wird bereits jetzt an einer baldigen Rückkehr, wenn Kinder mit dabei sind, gearbeitet, z. B. in Form von Unterstützungen bei der Rückreise. Eine Skandalisierung, dass Kinder mit den bettelnden Gruppen mitziehen, ist also zu wenig, vielmehr ist – auch unter Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe – verstärkt darauf zu achten, wieweit das Kindeswohl gefährdet ist bzw. in welchen Formen


strukturiert an einer Verbesserung der Situation gerade auch von Kindern gearbeitet werden kann. Missstände durch Übernachtung (S. 4)

Bettler*innen verkaufen auch Zeitungen oder machen Straßenmusik (S. 4)

Dass die sanitären/sozialen/physischen Situationen und Rahmenbedingungen der Übernachtungsplätze (unter Brücken, in Parks etc.) weder für die Bettler*innen noch für die Anrainer*innen zumutbar sind, ist evident und nachvollziehbar. Angesichts der Tatsache allerdings, dass in diesem Zusammenhang schlicht die geschützten Übernachtungsmöglichkeiten fehlen, ist aber auch hier eine Problematisierung der falsche Weg. Will man Menschen davon abhalten, unter einer Brücke zu schlafen, müssen Alternativen angeboten werden. Die Versuche, durch Räumungen von Brücken etc. die Betroffenen dazu zu bewegen, Salzburg zu verlassen, ist, gelinde gesagt, nicht zielführend. Jemand, der tage- bzw. wochenlang bei winterlichen Temperaturen im Freien nächtigt, wird sich nicht verdrängen lassen, nur weil eine Übernachtungsgelegenheit versperrt wird. Er wird sich um Alternativen umsehen. Auch erscheint es problematisch, bei Räumungen das Hab und Gut der Betroffenen zu verladen und zwischenzulagern, sind die Utensilien (Matratzen etc.) doch eine wesentliche und oftmals die letzte Ressource, um die Nächte zu überstehen. Dass Menschen, die betteln, auch versuchen, durch andere Methoden ihren Unterhalt zu sichern, verwundert nicht, ist doch Betteln an sich hoch stigmatisierend. Durch den Versuch, zusätzlich durch den Verkauf von z. B. Zeitungen eben NICHT betteln zu müssen, sollte nicht problematisiert werden, sondern als Versuch der Menschen, auch Alternativen zu suchen. Als befremdlich mutet an, dass zwar die Ausweitung eines sektoralen Bettelverbotes propagiert wird, gleichzeitig aber die Versuche der Menschen, andere Formen der Unterhaltssicherung zu finden (Straßenmusik, Zeitungsverkauf), ebenfalls in ein schiefes Licht zu rücken. Ein deutlicher Widerspruch, der argumentativ wohl nur schwer aufzulösen ist, außer, die Absicht besteht darin, die betroffenen Menschen aus den öffentlichen Räumen zu verdrängen, egal welcher Tätigkeit sie nachgehen.


Bettler mit Hund Eck Getreidegasse – SiegmundHaffner-Gasse (S. 7)

Lt. eigenen Beobachtungen sitzt der angesprochene Bettler regelmäßig vor dem Geschäft „Hämmerle“ bzw. gegenüber, und sein (kleiner) Hund davor. Somit behindert er weder Fußgänger noch von der Siegmund-Haffner-Gasse einbiegende Taxis (siehe Foto vom 18.05.2016)

Durch Streetwork und / oder Polizei wäre es ein Leichtes, Kontakt mit dem Betreffenden aufzunehmen und ihn auf mögliche Behinderungen im Zusammenhang mit Automobilen hinzuweisen. Ebenso sollte es kein Problem darstellen, ihn darauf hinzuweisen, dass ev. Müll (Hundefutter) entsprechend zu entsorgen ist. Von einem Missstand im Zusammenhang mit einem einzelnen Bettler, der an einer Ecke sitzt, zu sprechen, erscheint vor diesem Hintergrund weit überzogen.

Anzahl erhobenen Bettler*innen (S. 10)

In der Grafik auf Seite 10 zeigt sich ein deutlicher Rückgang an erhobenen Bettler*innen: wurden im Jahr 2015 in zwei Erhebungsschleifen insgesamt 337 Personen erhoben, so waren es im März 2016 lediglich 176, die sich im Stadtgebiet aufgehalten haben, weitere 76 werden zu sog. „Transitbettler*innen“ gezählt (Personen, die sich im Bahnhofsbereich aufhalten und weiterziehen, also nicht in der Stadt dem Betteln nachgehen). Wieso, fragt man sich, wird spricht man bei einer nachgewiesenen Halbierung von bettelnden Menschen innerhalb eines Jahres von einem ansteigenden „Missstand“? Wie kann es sein, dass trotz 50 % weniger Bettler*innen eine massive Ausweitung der Bettelverbotszonen vorgeschlagen werden?


Rumänisches Fahrzeug auf Busspur (S. 10)

Abtausch von 50 % der Bettler*innen (S. 11)

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„Geschulte Bettler*innen“ (S. 11)

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Dass im Zuge der Erhebungen ein „rumänisches Fahrzeug an der Imbergstraße beobachtet wurde, welches ohne Berechtigung die Busspur befuhr“, mag den Tatsachen entsprechen. Nur: Was hat das mit dem sektoralen Bettelverbot zu tun? Auch wenn die Personen angaben, auf dem Weg zum Betteln zu sein, eine Verknüpfung dieser beiden Sachverhalte ist wohl völlig unzulässig! Weder stellt es einen Missstand lt. Sbg. LSG dar, sondern eine Übertretung nach StVO (welche auch geahndet wurde), noch hat es eine wie immer geartete soziale oder rechtliche Relevanz für die Ausweitung eines sektoralen Bettelverbotes. Wenn argumentiert wird, dass innerhalb einer Woche 50 % der Bettler*innen „abgetauscht“ werden, dann stellen sich zwei Fragen: Erstens unterstellt die Formulierung „abtauschen“ eine strukturierte und geplante Vorgehensweise, welche in keinster Weise bewiesen werden kann. Spricht der Amtsbericht (S. 4) doch davon, dass jene Bettler*innen, die sich in der Stadt aufhalten, angeben, zwischen 2 und 4 Wochen in der Stadt aufhältig zu sein. Eine natürliche und nicht abgesprochene Fluktuation scheint aus diesem Grund nachvollziehbarer zu sein als ein groß geplanter „Abtausch“. Und: Auch wenn es diesen Abtausch geben sollte: Es bleibt die Tatsache, dass 50 % weniger Bettler*innen erhoben wurden, abgesehen vom Faktum, dass es wohl weder strafrechtlich relevant ist, dass sich Menschen verabreden wer wann, wo und wie sich – rechtmäßig! – aufhält, weder hat es einen Einfluss auf einen örtlichen Missstand lt. Sicherheitsgesetz. Es sei lt. Amtsbericht auffallend, dass Bettler*innen bereits „gut geschult“ nach Salzburg kämen und über das sektorale Bettelverbot Bescheid wüssten. Die Problematisierung dieses Sachverhaltes ist aus mehrfachen Gründen abzulehnen: Erstens spricht es für Bettler*innen, dass sie sich an die Bettelverbotszonen halten, was im Amtsbericht ja auch festgehalten ist. Anstatt dieses Vorgehen positiv zu erwähnen, wird es in ein negatives Licht gestellt und implizit mit „organisiertem Betteln“ in Verbindung gebracht. Zweitens ist es auch ein Verdienst sozialer Einrichtungen bzw. Streetworker*innen, dass


 Stellungnahme der Polizei (S. 11 ff.)

diese mit Bettler*innen in Kontakt stehen und ihnen die rechtlichen Gegebenheiten auch entsprechend vermitteln / kommunizieren. Es ist äußerst positiv zu beobachten, dass die Kooperation / Kommunikation grosso modo gelingt und die Bettler*innen sich auch bemühen, die rechtlichen Rahmenbedingungen einzuhalten. Drittens ist – bei der oben beschriebenen – Fluktuation zu erwarten, dass Bettler*innen öfters nach Salzburg kommen und die Gepflogenheit kennen, es muss sich also nicht um „neue“ Bettler*innen handeln, die von Hintergrundorganisationen „geschult“ worden sind. Viertens erleichtert es die Arbeit der Exekutive, da diese nicht so viele Kontrollen durchführen muss. 7.000 dem „Bettlermilieu“ zuordenbare Personen: Hier gibt es einen riesigen Unterschied zwischen der Anzahl von Bettler*innen bei den „Erhebungsschleifen“ und den hier angegebenen Kontrollen. Wie ist dieser Unterschied zu erklären? Und: Wenn innerhalb von drei Jahren 7.000 Kontrollen durchgeführt werden, bedeutet dies bei einer Dauer von mindestens 3 Minuten pro Kontrolle, dass zwei Beamte insgesamt 43 8-Stunden-Tage damit beschäftigt waren, Bettler*innen zu kontrollieren. Es stellt sich hier sehr wohl die Frage der Verhältnismäßigkeit. Immer wieder Beschwerden und Belästigungen: Welche, wird hier nicht angeführt. Beschwerden können sich ja auch dadurch ergeben, dass sich jemand von „stillen“ Bettlern belästigt fühlt. Nicht jede Beschwerde kann als Argument für einen Missstand herangezogen werden. Solche pauschalen Angaben erscheinen uns als viel zu allgemein, als dass sie eine Grundlage für einen so weitreichenden Regelungsvorschlag sein könnten. Exponierte Sitzplätze: Es bleibt im Unklaren, wie und warum „exponierte“ Sitzplätze ein Problem darstellen. Betteln als Grundrecht wurde aufgrund der Kommunikationsfreiheit im öffentlichen Raum als Grundrecht vom VfGH anerkannt: Wie sonst als exponiert soll jemand (still!!) betteln, wenn er mit anderen „kommunizieren“ will? Einige hundert Anzeigen wurden erstatten: Auch hier bleibt unklar, um welche Anzeigen im Konkreten es sich handelt, gerade im Zusammenhang mit organisiertem Betteln gibt es die Erfahrung, dass hier „normale Absprachen“ sanktioniert werden. Auch die Formulierung, dass ein „Gutteil“ davon in Rechtskraft erwachsen ist, lässt offen, wie viele Bescheide bereits wieder aufgehoben wurden. Abgesehen von der Tatsache, dass wohl die meisten Bescheide, die ev. aufgehoben würden, gar nicht beeinsprucht werden.


80 Anzeigen wegen gerichtlich strafbarer Handlung: Das Ungefähre ist auch hier zentral. Ohne Angabe, wie viele Anzeigen in welchen Bereichen erstattet wurden, steht hier Erpressung, Menschenhandel neben Raufhandel und Diebstahl. Abgesehen davon dass in unserem Rechtsrahmen eine Anzeige noch keiner Verurteilung gleichkommt. Wie viele Verurteilungen gab es? Und wie viele Freisprüche? 54 Anzeigen wegen organisiertem/aggressivem Betteln. Auch hier handelt es sich um Anzeigen, nicht um Verurteilungen, und gerade im Zusammenhang mit den Strafen gegen organisiertem Betteln (siehe oben) gibt es massive Bedenken gegen diese Form der Pönalisierung, weil sie massiv den Lebensrealitäten der Armutsmigrant*innen widerspricht. Beschwerden von Bürgern, Passanten und Kaufleuten. Wiederum gilt: Welche Beschwerden genau? Wie viele? Kann man diese Beschwerden nicht anders lösen? Durch in Kontakt treten? Durch die Anwendung bestehender normativer Vorgaben (aggressives Betteln)?

Anzeigen gegen Verstoß gegen sektorales Bettelverbot (S. 14)

Lt. Amtsbericht wurden 2015 insgesamt 47 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das sektorale Bettelverbot erlassen. Auf das Jahr gerechnet bedeutet dies eine Anzeige pro Woche. Aus unserer Sicht eine wohl vernachlässigbare Größenordnung und Beweis dafür, dass sich die Bettler*innen (aufgrund der potentiellen Strafen aber auch aufgrund der Kommunikation durch Streetwork, der regelmäßigen Treffen etc.) grosso modo an die gesetzlichen Bestimmung halten.

Ausweichen der Bettler*innen

Dass sich die sog. Bettelstandpunkte in die „erlaubten Bereiche“ verschoben haben, es also einen sog. Verdrängungseffekt gegeben hat, steht außer Zweifel. Angesichts der massiven Ausweitung der Bettelverbotszone steht zu befürchten, dass dieser Effekt auch bei einer neuerlichen Ausweitung der Bettelverbotszonen verstärkt eintritt. Auch dass es eine verstärkte Konkurrenz um „lukrative“ Standorte gibt, erscheint nicht verwunderlich. Nicht zuletzt verschärft diese ansteigende Konkurrenz auch die Spannungen innerhalb der bettelnden Gruppen, wie einige Konflikte um Bettelplätze belegen. Dass – wie man immer wieder medial lesen kann – Bettler*innen streiten und in Raufhändel verwickelt sind, kann auch so gelesen werden, dass man ihnen vermehrt die Räume verknappt, die Ressourcen nimmt, die Möglichkeiten zu betteln deutlich einschränkt. Eine Verwunderung über steigende Konflikte ist aus diesem Blickwinkel nicht


nachvollziehbar, viel mehr logische Konsequenz der ordnungspolitischen Verbote. Wenn Geschäftsleute sich beschweren, dass sich viele Bettler*innen vor den Geschäften drängen (S. 14), sollte die Antwort also nicht sein, die Bettelverbotszonen auszuweiten, sondern wieder zu beschränken, mit dem Effekt, dass sich Bettler*innen wieder vermehrt in der Altstadt aufteilen können. Denn die Verdrängung aus dem Innenstadtbereich führt logischerweise zu einer Verdichtung in Vorstadtzonen. Eine künftige Verdichtung und Konzentration der Bettler*innen auf noch geringerem Raum wird wohl die Folge sein.

Kunden werden vertrieben (S. 14)

Das scheinen subjektive Eindrücke zu sein, die wohl schwer nachweisbar sind. Geschäftsrückgänge haben wohl komplexere Ursachen als vereinzelt Bettler*innen in der Nähe von Geschäften.

Klagen, dass Fremdenverkehrsstadt so viel Bettler*innen toleriert (S. 14)

Zum einen mag es das Fremdenverkehrs-Bild stören, andererseits gelten auch für ein Weltkulturerbe die Grundrechte. Zum anderen ist es in keinster Weise belegt, dass Bettler*innen das Tourismusgeschäft nachhaltig stören/schädigen. Im Gegenteil, gibt es doch steigende Nächtigungszahlen, die man jährlich medienwirksam präsentiert

Aggressivere Bettler*innen (S. 15)

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Zum einen gilt hier das Verbot lt. Sicherheitsgesetz, kann also geahndet werden, zum anderen verwundert der steigende psycho-soziale Druck innerhalb der Bettler*innen nicht, wenn die „lukrativen“ Bettelplätze immer weniger werden. Drittens kommen die Klagen wegen aggressivem Betteln vornehmlich von jenen, die dem Betteln an sich kritisch gegenüberstehen. Jene, die mit Bettler*innen wenig bis keine Probleme haben, berichten kaum oder gar nicht von Aggressivität der Bettler*innen. Es scheint sich also um eine äußerst subjektive Empfindung zu handeln. Und – siehe oben – eine gesetzliche Handhabe ist ohnehin in Kraft, sollte es zu aggressivem Verhalten kommen. Aggressivität und aufdringliches Verhalten ist also in Einzelfällen durchaus möglich und beobachtbar, dafür gibt es allerdings eine rechtliche Handhabe. Ob eine Ausweitung des sektoralen Bettelverbotes zu weniger aggressivem Verhalten führt, ist aus unserer Sicht kaum zu erwarten.


Bettler*innen vor dem Festspielhaus (S. 15)

9 Bettler*innen zwischen Kajetanerplatz 9 und Uni Nonntal bzw. 6 Bettler*innen zwischen Tiefgarage Mirabell und Bergstraße 6 (S. 15)

Bettler*innen auf Gehsteigen – Mütter mit Kinderwägen/gehbehinderte Personen (S. 15)

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Bettler-Familie, die mit Kleinkindern auf Mirabellplatz musiziert (S. 15)

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Dass Bettler*innen vor dem Festspielhaus den Platz für Besucher*innen einengen würden, ist aufgrund der dortigen Platzverhältnisse kaum vorstellbar, eine überaus breite Straße ohne Durchzugsverkehr lässt wohl ausreichend Platz für sich dort Aufhaltende. Dass Bettler*innen nicht ins Bild des Festspiel-Ambientes passen, mag nachvollziehbar sein, stellt aber noch lange keinen (örtlich-räumlichen) Missstand lt. Landessicherheitsgesetz dar. Lt. Google-Maps beträgt die Distanz zwischen Kajetanerplatz 9 und der Uni Nonntal 300 Laufmeter, zwischen Mirabellplatz und Bergstraße 6 350 m, sollte sich also auf dieser Strecke 9 bzw. 6 Bettler*innen aufhalten, so heißt das, alle 33,3 m (Nonntal) bzw. alle 60 m (Mirabellplatz). Von einem örtlichen Missstand oder erschwerten Bedingungen für Passant*innen kann daher keine Rede sein! Dass Personen, die diesen Weg beschreiten, mehrfach mit bettelnden Menschen konfrontiert werden, ist evident und dies kann auch zu Irritationen führen, ein Missstand oder eine Geh-Behinderung ist dies wohl kaum. Auch hier gilt: je enger die Bettelplätze in der Stadt insgesamt, desto mehr konzentrieren sich Bettler*innen auf die wenigen noch verbleibenden (lukrativen) Stellen. Grundsätzlich gibt es auch die Möglichkeit, wie bereits mehrfach beschrieben, mit Bettler*innen in Kontakt zu treten, zu versuchen, Vereinbarungen zu treffen (mit Streetwork etc.), sollten die Bettelplätze tatsächlich aufgrund zu schmaler Gehsteige zu Behinderungen führen, was im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann. Abgesehen davon, kann natürlich die Exekutive auch die StVO anwenden, die es ihnen erlaubt, Gehbehinderungen (auch auf Gehsteigen) zu regeln. Hier wird angemerkt, dass Ziel sei, Menschen anzubetteln bzw. über Mitleid mit den Kindern Passanten anzubetteln. Es stellt sich die Frage: Welchen Zweck verfolgen andere Straßenmusikant*innen? Selbstverständlich geht es bei allen Darbietungen im öffentlichen Raum – auch – darum, Spenden zu erhalten. Warum sollte dies bei Personen aus dem so genannten „BettlerMilieu“ anders interpretiert werden? Es mutet eigenartig an: Betteln irritiert, wenn Bettler*innen dann andere Formen der


Existenzsicherung versuchen, wird dies ebenfalls in ein schiefes Licht gerückt. Es sei verboten, mit Kindern zu betteln (S. 15)

Es ist gesetzlich verboten, unter Mitwirkung von unmündig minderjährigen Kindern zu betteln. Dies schließt nicht aus, dass Kinder bettelnde Erwachsene begleiten oder ebenfalls anwesend sind.

Kaigasse – Bettler*innen vor den Spargeschäften – Passant*innen müssen ausweichen, um nicht über sitzende Person oder über Plastiksäcke zu fallen. (s. 16)

Wenn Gehsteige durch sitzende Bettler*innen dergestalt räumlich „besetzt“ werden, dass z. B. Personen mit Rollstuhl nicht ungehindert passieren können, ist es wohl gerechtfertigt, andere Lösungen zu suchen. Allerdings erscheint es eine Verdrehung der Tatsachen zu sein, dass plötzlich Passant*innen in Schutz zu nehmen sind, damit diese nicht über sitzenden Personen „fallen“. Vielmehr scheint es wohl so zu sein, dass eher die sitzende Person vermehrt Gefahren ausgesetzt ist, wenn derart viel Passant*innen vorübergehen. Grundsätzlich ist uns noch kein Fall bekannt, bei dem ein Passant über einen Bettler / eine Bettlerin gestürzt ist. Im Gegenteil: Das Wegtreten des Spendenbechers kommt wohl öfters vor als das dieser „unbeabsichtigt“ umgestoßen wird. Selbiges gilt für Bettler*innen mit Schirmen. Wo der Unterschied zwischen einer „beschirmten“ Touristengruppe in der Getreidegasse und einem Bettler mit Schirm liegen soll, verschließt sich unserer Kenntnis. Es kommt allerdings niemand auf die Idee, Touristengruppen bei Regenwetter in den engen Altstadt-Gassen zu verbieten. Abgesehen davon würde das Sitzen im Regen wieder derart beklagt, dass die Hintermänner die Bettler*innen „im Regen“ sitzen lassen.

Unfälle in der Kaigasse (s. 16)

Dies könnte, so ist im Amtsbericht zu lesen, weil dort zahlreiche Taxis, Fiaker, Radfahrer etc. unterwegs sind, zu vermehrten Unfällen führen, und zwar wegen den „Bettler*innen auf den Gehsteigen“ (!!). Dies könnte bejaht werden, wenn Fiaker und Co. auch auf den Gehsteigen unterwegs wären, was wohl kaum im Sinne der StVO wäre. Dies könnte also nur ein Problem werden bzw. sein, wenn Taxis auf den Gehsteigen unterwegs wären. Womit allerdings der Missstand wohl nicht von den Bettler*innen ausginge.


Bedrängnis am Alten Markt (S. 16)

Wer sich am Alten Markt von Bettler*innen bedrängt fühlt, kann dies nur aus psychosozialen Gründen so empfinden (oder aufgrund der häufigen persönlichen Ansprachen durch die Bettler*innen) . Dermaßen weiträumig wie der Alte Markt ist in Salzburg wohl kaum ein Platz, und frequentiert ist dieser mit derzeit 3 – 5 Bettler*innen. Auch hier gilt: von einem tatsächlichen Missstand lt. Gesetz ist man weit entfernt.

Bettler*innen vor Baumaschinen (Getriedegasse) (S. 16)

Lt. Beobachtungen (eigene in den letzten Wochen, RB) stimmt das so nicht, interessant ist vielmehr der Umstand, dass nicht die Baustellen, der Lärm etc. als störend empfunden wird, sondern vereinzelte Bettler*innen in diesem Raum.

Müllnersteg – Fahrradfahrer und Notbremsung (S. 16)

Auch dies kann wohl widerlegt werden, zum Einen bewegen sich über den Müllnersteg stündlich mehrere hundert Menschen, und am Ende des Stegs ist für Fahrradfahrer ohnehin Bremsen angesagt, weil sich hier zwei (Fuß- bzw. Fahrrade-)Wege kreuzen. Dass also die Geschwindigkeit reduziert bzw. gebremst werden muss, hat viel mehr mit den verkehrstechnischen Rahmenbedingungen zu tun als mit den beiden Bettler*innen am jeweiligen Brückenkopf.

Junger Mann, der Bettler abkassiert ( S. 16)

Die alte Mär von der umfassenden Bettler-Mafia taucht in dieser Beschreibung wieder auf. Aus Indizien wird der Vorwurf des „Abkassierens“ gemacht. Eine seriöse und objektive Bestandsaufnahme der Organisation und Regeln innerhalb der bettelnden Gruppen würde wohl ein viel umfassenderes und differenzierteres Bild zeichnen, und das ohne pauschalen, in den Raum gestellten Vorwurf des Mafia-Mythos. Dass Geld „abgenommen“ bzw. eingesammelt wird, kann bestätigt werden, die Frage ist allerdings, aus welchen Beweggründen und von wem.

Neue Mitte Lehen (S. 16)

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Es halten sich im Bereich Neue Mitte Lehen vor der Bibliothek / vor den Geschäften ungefähr 3 – 4 BettlerInnen auf, die sich ruhig verhalten und Passant*innen verhalten anreden. Sie sitzen in der Regel auf Kisten/Taschen und strahlen alles andere als eine Gefahr aus. Weder sind diese Bettler*innen in großer Zahl dort aufhältig, noch sind sie aggressiv oder aufdringlich. Der Markt am Freitag Vormittag fällt bereits jetzt in das sektorale Bettelverbot. Eine


Ausweitung ist vollkommen unverständlich, die Lage vor Ort alles andere als ein Missstand. Friedhöfe (S. 17)

Dass Betteln auf Friedhöfen untersagt werden soll, dagegen ist nichts einzuwenden.

Es handelt sich um „lediglich“ 0,75 % der Stadtfläche.

Dieser Vergleich enthält wohl ein gewisses Maß an Zynismus, weil natürlich evident ist, dass es die Altstadt ist, die für Bettler*innen hohe Attraktivität besitzt. Bei einer Umsetzung dieses Entwurfes wären es dann wohl 75 % der Altstadt, die „bettlerfrei“ gemacht werden, keine Rede also von 0,75 %. Allein der Blick auf die Pläne des Amtsberichtes zeigt, dass die Altstadt mit dieser Ausweitung großräumig für Bettler*innen gesperrt werden würde.


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