alchemy in motion – teachertraining manual

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embodied flowtm 200 h affiliated teacher training skript

mit salome noah caruso & andy bartneck

4. september ’20 bis 2. mai ’21 im noa:yoga basel



EMBODIED FLOW™

200 Stunden Ausbildung: Das Fundament

Willkommen zum Embodied Flow 200 h Grundlagen-Modul

Dieses 200-stündige Modul konzentriert sich auf die grundlegende Ausrichtung von Embodied Flow-Asana, die Entwicklungswege und anatomische Pfade in Beziehung zu Schwerkraft und Raum in sich vereinen. Wir werden energetisch, physisch, räumlich und philosophisch in die Landschaft des Yoga eintauchen. Als Teilnehmer lernt Ihr die Grundlagen von Embodied Flow kennen, die Euch auf Eurem Weg der lebendigen Kunst des Yoga unterstützen, während Ihr auf Eurer Reise wächst und weiterentwickelt. Die Perspektive oder Forscher-Linse, durch die wir diese Inhalte und Informationen erforschen, ist die Kunst des unterrichtens. Wenn wir lernen, wie wir die Tiefe an Informationen und der selbstgemachten Erfahrungen kommunizieren und weitergeben können, werden die Teilnehmenden ihre Anmut, Intuition und Kraft verfeinern indem sie ihre Fähigkeiten und den Komfort in ihrer Rolle als Lehrer ausbauen und weiterentwickeln. Wir freuen uns, mit Euch auf diese Entdeckungsreise zu gehen..

Tara Judelle

Scott Lyons

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EMBODIED FLOWTM 200 h affiliated teacher training skript

DANKSAGUNG Im Namen von Scott und Tara: Wir danken allen unseren Lehrern von Herzen, ohne die dieser Dialog nicht möglich wäre. Besonders Bonnie Bainbridge Cohen, Mark Taylor, Myra Avedon, Amy Matthews, Sally Kempton, Carlos Pomeda, John Friend, Peter Levine und Mary Overlie. Wir möchten uns auch ganz besonders bei den Engeln bedanken, die uns beim Schreiben, Recherchieren und Erstellen dieses Handbuchs geholfen haben. Besonders Wanna Camcam, Adele Kinghan, Mei Lai Swan, Britta Kimpel, Bess Prescott, Holly Horne, Ally Bogard, Zara Hannaford, Stephen Thomas, Brady Smith, Jenefer Angell und Reid Stubblefield. Ein tiefster Dank geht an alle Studierenden, die die Entwicklung von Embodied Flow™ fortsetzen. Für die Umsetzung der deutschen Version danken wir innigst Matthias Vom Brocke (Übersetzung) und Gregorio Caruso (Gestaltung): Ohne euch wäre dieses Manual nicht möglich gewesen.

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DAS FUNDAMENT

«Befreiung ist das kontinuierliche ekstatische Geniessen des transzendentalen Selbst. Es ist die Existenzberechtigung allen authentischen Yogas. Die Technologie des Yoga erfüllt sich selbst in ihrer eigenen Transzendenz. Denn Befreiung ist keine Technik, sondern eine Art und Weise, in der Welt zu sein, ohne von ihr zu sein. Nachdem vollendete Yoginis die oberste Stufe der YogaLeiter erreicht haben, kicken sie die Leiter weg und überlassen sich dem unendlichen Spiel der Realität.» Georg Feuerstein

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DAS FUNDAMENT

I. VORBEREITUNG

Von unseren Wurzeln in diesen Traditionen ausgehend, haben wir unzählige Techniken und Strategien gefiltert und erweitert, um durch die Vermittlung unseres eigenen Körpers Bewusstsein hervorzurufen. Und da unser Körper aus denselben Atomen wie die Sterne besteht, richten wir uns, wenn wir uns auf diese Grundbausteine allen organischen Lebens einstellen, auf unser kosmisches Erbe aus und verbinden uns weiter mit dem alles-vereinenden Feld.

EINTRITT IN DIE WELT DES EMBODIED FLOW. Embodied Flow ist ein Kontinuum von Bewegung und Ausdruck, das sich auf die Entdeckungen von Hatha-, tantrischen und somatischen Bewegungssystemen stützt, um Yoga als lebendige Kunstform zu erleben. Sowohl Philosophie als auch Methode, Embodied Flow  –  der gelebte Fluss  –  die lebendige Kunst des Yoga  –  ist ein System des Trainings und der Praxis, das einen Weg zu einem tiefen Gefühl von Stärke, Leichtigkeit und Konnektivität in der menschlichen Form bietet. Dies befähigt die Praktizierenden, ihre eigenen grössten Lehrer und Lehrerinnen zu sein, wenn sie ihr Bewusstsein in ihrem gesamten Körper-Geist erweitern, integrieren und fördern, mit dem Ziel, sich an eine grössere Fähigkeit zur Verbindung innerhalb und ausserhalb des Selbst zu erinnern und diese zu erfahren. In einigen Traditionen wird angenommen, dass Asana der primäre Katalysator für Veränderungen des Einzelnen ist, der / die Lehrer*in der sekundäre und der / die Schüler*in einfach der Ort des Engagements zwischen Asana und den Lehrenden. Auf diese Weise müssen Schüler*innen nicht «anwesend», «präsent» sein. In Embodied Flow werden die Lernenden als gleichberechtigte Entdecker*innen geschätzt, deren angeborene Weisheit und authentisches Selbst durch den Behälter der Asana und die Ermöglichung eines / einer Lehrenden entstehen können. Die Präsenz der Schüler*innen ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Austauschs. Die Studierenden sind die Haupttreibenden ihrer eigenen Reise und fungieren sowohl als Leinwand als auch als Maler*innen in der Bewegung in Richtung ihrer eigenen Verkörperung. In diesem Sinne sind Embodied Flow-Lehrer*innen / Moderator*innen Ressourcen: Anbieter*innen von Ideen, Informationen und Strategien zur Bewusstseinsbildung. Sie machen neugierig und fördern, zwischenmenschliche, intrapersonale, Umwelt- und Selbst-Offenbarungen. Embodied Flow-Moderator*innen suchen nach Türen für das Lernpotential der Schüler*innen und berücksichtigen dabei sowohl das, was gut sichtbar ist als auch das, was sich im Schatten befindet.

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«Die Suche nach Freiheit war schon immer Teil meines persönlichen Tanzes: Ich habe mich mit Religion, Psychologie und Philosophie befasst; Ich las, reiste, schrieb, fiel auseinander. Der erste grosse Gewinn war Yoga, der zweite war Meditation. Dann sagte mir ein Mitarbeiter: ‹Bonnie Bainbridge Cohen ist die Brücke zwischen Meditation und Bewegung› und führte mich in die Welt der Körper-Geist-Zentrierung (Body-Mind Centering) ein, die mich für die Verkörperungspraktiken (Embodiment) öffnete, die meine Lebenserfahrung neu definiert haben.» Tara Judelle

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DAS FUNDAMENT

SCHULE FÜR EMBODIED FLOW Das menschliche Bestreben, unsere begrenzte Natur zu überwinden und einen friedlichen Weg in den Tanz zu finden, den wir Leben nennen, hat eine fast schwindelerregende Sehnsucht erzeugt, den die Reise des Yoga seit 5’000 Jahren zu entdecken und entschlüsseln versucht. Es wurde am klarsten und deutlichsten in Indien im 6. Jh. n. Chr. Von Siddhartha Gautama Buddha verwirklicht. Buddha erkannte, dass das grundlegende Problem der Menschheit das Leiden ist, das wir uns selbst zufügen. In den mündlich überlieferten Lehren des «Yoga» war immer die Frage enthalten, wie wir unser Leiden beseitigen und Freiheit finden (Moksha). In der einen oder anderen Form ist diese grundlegende Frage die Ausgangslage jedes Yoga-Stils. Das «Wie» des Yoga bestimmt die Durchführung der Methode. Und Moderator*innen helfen bei der Umsetzung. Als wir uns 2012 bei einem Body-Mind-Centering-Training trafen, waren unsere Hintergründe natürlich: Scott hatte umfangreiche Erfahrungen in Tanz und Theaterkunst an der NYU, neuropsycho-physiologische Forschung als Doktorand, Praxis in somatischen Systemen und als Master Innovator der Körper-Geist-Medizin. Tara hatte 30 Jahre Erfahrung mit allen Formen des Flusses  –  Tanz, Tai Chi, Bewegungsimprovisation und letztendlich Yoga  –  und eine Anusara-Yoga-Methoden Zertifizierung. Gemeinsam wurde uns klar, dass die Praktizierenden mehr in einem System entdecken würden, das eine kollektive Vision und gemeinsame Neugier ermöglicht. Das Ergebnis ist dieses Zertifizierungsprogramm für Lehrer der School of Embodied Flow. Als wir beschlossen, ein Schulungsprogramm für Lehrer / Moderatoren*innen zu erstellen, war uns nicht klar, dass dies den Beginn der Manifestation einer Vision für die Welt bedeuten würde. Embodied Flow spricht das «Wie» des Yoga mit einer klaren Anweisung an: Erleichterung und Freiheit zu finden, indem Praktizierende in das tiefste Register ihres Grundwesens gebracht werden. Zu diesem Zweck fühlen wir uns von Methoden angezogen, die es uns ermöglichen, die erhabene Einheit von uns selbst als Teil des einheitlichen Feldes zu erfahren. Inspiriert von einer gründlichen und umfassenden Untersuchung zahlreicher philosophischer und Bewegungs-Technologien haben wir Lehren integriert, die unsere individuellen und kombinierten Reisen verändert haben:

• Formale

Systeme: Anusara School of Hatha Yoga®, Body-Mind Centering®, Somatic Experiencing®

• Studienfächer:

somatische Psychologie, nicht-dualistische tantrische Philosophie • Spirituelle

und persönliche Untersuchung: Buddhismus, Meditation, Tanz, Pranayama, Selbstuntersuchung, Satsang und Mantra

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Ausgehend von unseren Wurzeln in diesen Traditionen haben wir unzählige Techniken und Strategien gefiltert und erweitert, um durch die Vermittlung unseres eigenen Körpers Bewusstsein hervorzurufen. Da unser Körper aus denselben Atomen wie die Sterne besteht, richten wir uns auf unser kosmisches Erbe aus und verbinden uns weiter mit dem einheitlichen, dem einenden Feld, wenn wir uns auf diese Grundbausteine allen organischen Lebens einstellen.

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DAS FUNDAMENT

EMBODIED FLOW ZERTIFIZIERTE LEHRER*INNEN Wir haben die School of Embodied Flow gegründet, um eine Bewegung von Gleichgesinnten zu schaffen, die sich bemühen, zu erforschen, die Willens sind zu entdecken und die bereit sind ihre Erkenntnisse mit dem kollektiven Ganzen zu teilen. Um grossartige Lehrer*innen / Moderator*innen zu fördern und hervorzubringen, stellt die «School of Embodied Flow» folgende Frage: Wie gestalten wir die Welt, die wir gemeinsam erschaffen? Durch diese Plattform mit mehreren Möglichkeiten, das kollektive Bewusstsein zu erweitern und es weiterzuentwickeln, zieht Embodied Flow Schüler mit bestimmten Tendenzen an: • Diejenigen

mit einem mitfühlenden Wunsch, dem Ganzen zu dienen, und die Gruppen bei Projekten unterstützen, die mehr Licht und Harmonie in der Welt schaffen • Authentische und artikulierte Sprachkommunikatoren, einschliesslich Klangfarbe, Ton und Wortwahl: diejenigen, die Räume befehligen und Falsches durchdringen • Erfahrene Therapeut*innen und Heiler*innen aus verschiedenen Körper-GeistLinien (Ayurveda,chinesische Medizin, und energetische, heilende und philosophische Modalitäten, einschliesslich Reiki, Körperarbeit usw.) oder jeder, der in der Lage ist, Raum zu halten und Energie der Heilung, Liebe, und Intelligenz zu vermitteln oder zu geben? • Vermittler*innen, die zwischen gängigen medizinischen Denkstrukturen und alternativen / integrativen Medizinmodulen navigieren • Menschen, die bereit sind, radikale Verantwortung für ihre Worte, Bilder und Handlungen zu übernehmen Wir sind bestrebt, dieser Suche zu dienen, um die individuelle Trennung und das Leiden zu beenden, uns gegenseitig Kraft zu geben  –  und zu wünschen  –  und damit diese Bewegung für das Wohlbefinden zu fördern und zu stärken. Als Praktizierende / r dieses Systems musst Du in erster Linie bereit sein, Licht in jeden Teil Deines Selbst zu bringen, alte Konstrukte zu untersuchen und bereit sein, falsche Wahrheiten loszulassen, die Dir oder dem Ganzen nicht mehr dienen. Embodied Flow üben bedeutet entdecken und werden, wer du wirklich bist.

Willkommen in diesem Labor der Erfahrungen. Ein / e Embodied Flow Lehrer*in … • erleichtert Schüler*innen die Definition ihrer Fragen • erleichtert Schüler*innen die Entwicklung und Definition von Containern zur Untersuchung ihrer Fragen • erleichtert Schüler*innen, eine direkte Erfahrung zu machen und führt sie zur Entdeckung • erleichtert aus eigener Erfahrung • hält die Ganzheit des Raumes und der Personen im Raum

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«Um herauszufinden, was in uns wirklich individuell ist, ist eine gründliche Reflexion erforderlich. Und plötzlich erkennen wir, wie ungewöhnlich schwierig die Entdeckung der Individualität ist.» C. G. Jung

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DAS FUNDAMENT

SELBSTPFLEGE Embodied Flow 200 Stunden Grundlagen Lehrerausbildung Ein 200-stündiges Trainingsprogramm ist intensiv. Achte also auf Dich!

Verwende die folgende kurze Liste, um die Herausforderungen sicher zu meistern. • Respektiere

Deinen Körper: Eine Lehrer*innenausbildung, die neun bis zehn Stunden am Tag dauert, ist wie ein Marathon. Respektiere Dein Bedürfnis, Dich auszuruhen, zu essen, zu nähren, zu heilen, Zeit für Dich zu haben und zu schweigen. Es sind mehr Neuronen erforderlich, um neues zu verarbeiten, als etwas, das Du bereits kennst. Während Dein Körper möglicherweise noch nicht erschöpft ist, ist Ihr Gehirn möglicherweise bereits müde. Achte auf Dich.

• Konzentriere

Dich auf das, wozu Du hierher gekommen bist: Es kann verlockend sein, sich zu wünschen, in diesem Moment andere Dinge zu tun, als sich in das Training und die Erforschung des Selbst zu vertiefen.

Es kann auch irritierend und herausfordernd sein, mit Individuen zusammen zu sein, die sich alle durch ihre eigenen Prozesse bewegen. Übe Empathie und Mitgefühl und konzentriere Dich dann auf das, wozu Du hierher gekommen bist. Denke daran, wir verkabeln unser Gehirn buchstäblich neu, indem wir viel Zeit in einem neuen Groove oder neuen Frequenzen verbringen. • Unwissenheit

zulassen: Die Entdeckung neuer Gebiete erfordert, dass wir unsere bestehenden Paradigmen einer Belastungsprobe stellen. Es kann zu irritierend sein, zum Teil sehr verwirrend, so dass sich unser denkender Verstand beeilt, Antworten zu finden. Aber wie der Dichter Rilke sagte: «Versuchen Sie, die Fragen zu leben.»

• Sag

JA: Es wird Dinge geben, die Dir beim Training Unbehagen machen können, von Körperhaltungen über Bewegungsmeditationen, Partnerarbeit bis hin zum Unterrichten vor anderen. Bei Embodied Flow geht es um Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und eine offene Herangehensweise. Vertraue darauf, dass dies die Einladung zu neuem Lernen ist. Wenn Du auf Widerstand stösst, frage Dich, wie Du das als Frage, Forschungsgebiet und Gelegenheit verstehen könntest, Deine Grenzen zu erkennen und kennenzulernen.

• Entspannen Dich und bleibe neugierig: Erinnere Dich daran, dass Du in einem ent-

spannten und neugierigen Zustand viel besser lernen kannst als in einem Zustand von Stress. Es gibt keine Frist für Lernkonzepte. Wir sind alle in einem Labor und erforschen, gemeinsam. • Gib Dein Bestes, um die Hausaufgaben zu machen:

Die meisten ernsthaften Schulungen umfassen eine ganze Menge schriftlicher Hausaufgaben und Leseaufträge. Wenn Du das Training optimal nutzen möchtest, mache Deine Hausaufgaben. Wir geben nur etwas auf, von dem wir glauben, dass es Dir in den nächsten Tagen hilft, das Material optimal zu nutzen und zu vertiefen.

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• Geh

Risiken ein: Wir wissen, dass auf Nummer sicher gehen nicht viel dazu beiträgt, um zu wachsen. Verlasse Deine Komfortzone. Diese Embodied Flow Ausbildung ist eine sichere Umgebung, um mehr darüber zu erfahren, wer Du bist.

• Bringe

Snacks mit: Die Tage sind lang und Du musst Deine Energie mit gutem Kraftstoff aufrechterhalten. Wasser trinken. Auch Elektrolyte. Kokoswasser ist am besten geeignet, um hydriert zu bleiben.

• Verwöhne

deinen Körper: Plane ein paar Massagen über die Dauer des Trainings ein. Dein Körper wird wund und geformt werden; Es ist besonders wichtig, dass Du ihn pflegst.

• Geniessen:

Habe Spass, geniesse das Lernen (oder das Verlernen), schliesse Freundschaften, tauche mit Liebe in die Praxis ein. Wir müssen so dankbar sein, dass wir alle zusammen hier sein dürfen. Vergiss nicht zu geniessen!

• Entwickle

Deine Self-Care-Strategie

• Die

Teilnahme am Verkörperungs-Embodiment-Prozess von Flow kann Dich für eine Vielzahl von Gefühlen, Ausdrucksformen und neuen Erfahrungen öffnen. Um dieses Programm optimal nutzen zu können, ist es von entscheidender Bedeutung, sich an sich dynamisch ändernde interne und externe Umgebungen anzupassen und dabei auf sich selbst acht zu geben.

• Wenn

Du nicht sicher bist, wie Du Deine Bedürfnisse antizipieren sollst, verwende die folgenden Fragen, die von Myra Avedon angepasst wurden, damit Du deine Strategie für Dich selbst entwickeln kannst: → Wie unterstützt Du in Deiner persönlichen Zeit ausserhalb des Unterrichts Deinen Assimilationsprozess? → Wo ist Dein Gleichgewicht zwischen Ausdruck und Unterstützung für das Kleinkind, das Kind und den Erwachsenen in Dir? → Welche Beziehung besteht zwischen Deinen persönlichen zellulären Prozessen und Deinen zwischenmenschlichen Beziehungen? → Wie wendest Du die Prinzipien von Embodied Flow in Deinen zwischenmenschlichen Beziehungen an? → Wie funktioniert Dein Support-System ausserhalb des Trainings für Dich? → Wie unterstützt Dich die Verkörperung, das Einfleischen dieser Arbeit in der Gemeinschaft?

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DAS FUNDAMENT

LOGISTIK Die folgenden Richtlinien sollen uns helfen, während des Trainings einen sicheren Container oder einen sicheren Ort zu bewahren und Klarheit und Achtsamkeit auf unserer gemeinsamen Reise zu schaffen.

TEILNAHME Für

jeweils vier Stunden verpasste Unterrichtszeit muss das Material in einer privaten Sitzung aufgearbeitet werden. Das Material wird gegen Aufpreis privat mit einem der Hauptlehrer zusammengestellt. Es liegt in der Verantwortung der Teilnehmenden, mit ihren Anwesenheits-Anforderungen Schritt zu halten und an den Sitzungen teilzunehmen.

Wenn Du mehr als 20 % des Kurses verpasst, musst Du Teile wiederholen oder an Äquivalenzen teilnehmen, um für das Ausbildungsprogramm das entsprechende Kontingent an Stunden zu erhalten. VERSPÄTUNG Bitte

komme pünktlich zum Unterricht. Das bedeutet, früh und vorbereitet zur angegeben Startzeit da zu sein. Verspätung kann zu versäumter Teilnahme und Nachholstunden führen. Zum Beispiel, wenn Du dreimal um mehr als 15 Minuten verspätet bist, kann das durch eine zweistündige Unterrichtsstunde nachgeholt werden.

HAUSAUFGABEN Innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Schulung müssen alle

Hausaufgaben erledigt und abgegeben werden. VERTRAULICHKEIT Um einen sicheren Raum zu schaffen und aufrechtzuerhalten, res-

pektiere bitte, dass alle Informationen, die von den Teilnehmer*innen an der Schulung geteilt werden, innerhalb der Gruppe bleiben. Wenn Du eine Erfahrung teilen möchtest, an der andere Personen in der Gruppe beteiligt waren, bitte die Teilnehmer*innen um ihre Erlaubnis. ACHTSAMKEITS- Während

eines Trainings kann sich der Fokus verringern, wenn PRAKTIKEN wir unsere Aufmerksamkeit auf tiefere Materialien richten. Bitte hilf uns, den Raum sauber zu halten. In den Pausen ist es äusserst hilfreich, Requisiten wegzuräumen, sicherzustellen, dass Getränke, Lebensmittel und Müll aus der Shala entfernt werden und dass persönliche Gegenstände aufgeräumt werden. Schaut Euch jedes Mal um, wenn Ihr eine Trainingseinheit für die Pause, die Nacht oder nach dem Wochenende verlasst und helft dabei, Eure und die Sachen der Gruppe aufzuräumen. Wenn Ihr den gemeinsamen Raum betretet, lasst bitte Handys, Smalltalk und andere Ablenkungen ausserhalb des Raums, um den Raum energetisch für das Üben vorzubereiten.

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TEILNAHME Wir haben alle verschiedene individuelle Arten, Zugang, Möglich-

keiten und Fähigkeiten um an Gruppenübungen teilzunehmen. Einige von uns sind lautstark, andere leise. Einige brauchen die Intimität kleinerer Interaktionen, während andere sich vor der gesamten Gruppe besser ausdrücken können. Einige von uns sind körperlich, andere geistig, akustisch oder visuell.

Unsere Embodied Flow-Community versucht, unser Bewusstsein gemeinsam zu erweitern, indem sie offen bleibt und verschiedene Ausdrucksformen innerhalb verschiedener Gruppen unterstützt. Beobachten, lernen und nicht bewerten.

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DAS FUNDAMENT

II. PRINZIPIEN

Überall, wo wir im weiten Bereich des Yoga landen, ist dies nur ein winziger Punkt auf einer riesigen, unendlichen Karte. EINE EINFÜHRUNG IN DIE WELT DES YOGA Der Eintritt in die Welt des Yoga kann überwältigend sein. Gefüllt mit Worten wie «Bewusstsein», «das Göttliche» und «Erwachen», kann das Betreten der Landschaft oder die Vertiefung der Reise auf deinem Weg durch die vielen grossen Wörter wie von Stolpersteinen abgelenkt werden, weil sie möglicherweise mit Dir in Resonanz sind  –  und mit Dir schwingen, oder nicht. Die Yogis und Yoginis der alten Zeit waren Menschen wie wir. Sie sassen da und dachten über die tiefste Bedeutung dieser bemerkenswerten und ungewöhnlichen Existenz nach: • WAS SIND WIR? • WOHER KOMMEN WIR? • WAS PASSIERT NACH UNSEREM TOD? • WIE ERLEBEN WIR UNS IN UNSERER GESAMTHEIT?

Die Welt, aus der diese Fragen ursprünglich hervorgehen, ist  –  auch  –  eine Welt des Todes und der Krankheit. Eine, in der unsere Lebenserwartung 30 Jahre nicht überschritt und in der überall um uns herum die Einschränkungen der Umwelt und die rauen Bedingungen zu Ritualen und Gebeten führten, um die höheren Elemente zu besänftigen, die unser Leben zu bestimmen schienen. Auf der ganzen Welt, von Afrika über Südamerika bis nach Indien, drehten sich die Rituale für die frühesten Gottheiten normalerweise um Sonne, Mond, Ernte und Ozean und zeigen damit unsere menschliche Tendenz, zum einen etwas Höheres zu fühlen  –  das, was wir «göttlich» nennen  –  und zum Anderen das Geheimnis unserer Fleischwerdung in einer Welt des «Selbst» und des «Anderen»; was der Theologe Martin Buber das «Ich» und «Du» nennt. Wir werden im Abschnitt «Geschichte des Yoga» näher darauf eingehen. Um den historischen Schritt in Richtung Yoga zu verstehen, der oft als «Vereinigung» übersetzt wird  –  aber genauer gesagt «Joch» wie ein Ochse für einen Pflug bedeutet – müssen wir den grossen Fortschritt im Denken erkennen. Den Körper in seiner absolut erhabenen Schöpfung als das Portal zu etwas Höherem zu verstehen, ist eine elementare Verschiebung der Betrachtungsweise. Um die Erfahrung der Einheit mit dem mysteriösen, unbenennbaren Jenseits zu finden, erkannten die Yogis und Yoginis, dass diese Erfahrung jetzt in uns selbst verfügbar ist und durch Meditation, Kontemplation, Asana, Dienst und andere Mittel erreichbar wird.

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Überall, wo wir im weiten Bereich des Yoga landen, ist dies nur ein winziger Punkt auf einer riesigen, unendlichen Karte. In Embodied Flow landen wir in der philosophischen und spirituellen Tradition, die als Tantra bekannt ist. Es ist eine Technologie, die uns in das vereinende Feld, den Ursprung der Matrix hinein verwebt oder einfacher gesagt, eine Technologie der Verbindung. Dies gibt uns die Möglichkeit, Techniken vom Atem über das Mantra bis zur Asana und zur Kontemplation anzuwenden, um uns in die Matrix des Seins zu bringen.

Was bedeutet es, «angebunden», in Verbindung mit dem «Grossen Ganzen» zu sein? Es wurde in Büchern wie Flow von Mihaly Csikszentmihalyi oder von Autoren wie Erica Jong beschrieben, die diesen Moment des Schreibens so schildern, dass sie zum Computer rennen, um «los zu diktieren». Es sind Momente wie die des Psychologen Joseph Chilton Pearce in seinem Buch Crack in the Cosmic Egg, in denen wir an eine Kraft gebunden sind, die grösser ist als unser begrenztes Selbst  –  und wo wir in der Lage sind, Momente von grosser Tapferkeit, Kreativität oder Wissen zu erleben. Es ist ein Moment völliger Stille in einem Moment der Nichttrennung. Man könnte argumentieren, dass die gesamte Praxis von Asana, Meditation oder sogar das ganze Leben diese Momente des Nicht-Beobachtens, Nicht-Richtens, Nicht-Denkens potenziert. Es sind die Momente der Einfachheit, auf die sich Eckhart Tolle in The Power of Now bezieht. Es ist das, worauf sich Patanjalis Yoga Sutras beziehen, wenn sie «citta vritti nirodha» zitieren: den Moment, in dem die Gedanken aufhören. Die Verwirrung für neue Schüler*innen kann sein, dass dieses Nicht-Denken ein Nicht-Tun bedeutet. Aber es ist nicht mehr oder weniger Nicht-Tun als der Akt der Geburt. Es ist die Einfachheit des Seins, das Verlangen hat, das Intelligenz hat, das Handlungen hat und das an dieses Verlangen und Wissen gebunden ist. Während wir in der Bhagavad Gita weiter darauf eingehen, haben wir viele weitere Definitionen von Yoga zur Hand. «YOGA IST GESCHICKLICHKEIT IN AKTION»  –  stell Dir den schönen, nicht denkenden Moment eines Falken vor, wenn er eine Maus aus der Höhe in der Ebene sieht, mit perfekter Sicht nach unten stürzt und sein Ziel in den Mund nimmt. «YOGA IST GLEICHMÄSSIGKEIT DES GEISTES»  –  stell Dir das Gleichgewicht eines Reihers vor, der bei Sonnenaufgang auf dem süssen Wasser des Ozeans steht. «YOGA IST HINGABE AN DAS GOTTBEWUSSTSEIN»  –  erlebe die ständige und unerschütterliche Hingabe hinduistischer Anhänger mit den reichlichen Opfergaben, die sie unaufhörlich in Tempel ausgiessen und ins Feuer geben.

Das Wichtigste, was Du wissen musst, um Dich durch die Landschaft des Yoga zu bewegen  –  die sich wie ein verwirrendes und überlastetes Terrain anfühlen kann  –  ist,

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DAS FUNDAMENT

dass praktisch jede Technik in ihren Ursprüngen ein Mittel zur Erreichung dieser Vereinigung bieten wollte; um Leiden zu beseitigen, Vitalität zu steigern und die enormen Ressourcen unseres Potenzials zu erwecken. Wissenschaft und Kunst des Yoga liegt in der Möglichkeit für jeden von uns, kreativ an diesem Prozess der Wiedervereinigung und des Erinnerns teilzunehmen. Die Ursprünge des Yoga und die aktuelle Kultur des Yoga «Asana» sollten nicht verwechselt werden. So wie eine Pflanze in ihrem natürlichen Lebensraum mit dem richtigen Boden und Licht gedeiht, wird auch ein Mensch in seinen natürlichen Rhythmen, ungetrübt von Gedanken, als die Natur des Seins gedeihen.

«Der wahre Wert eines Menschen ist in erster Linie dadurch bestimmt, in welchem Grad und welchem Sinn er zur Befreiung vom ‹Ich› gelangt ist.» Albert Einstein

Eine kurze Geschichte von Yoga & Asana Erwähnst Du das Wort «Yoga», werden die meisten Menschen im Westen sofort an eine umfassende Übungspraxis von Körperhaltungen, Streckungen und Dehnungen denken, die Kraft, Flexibilität, Vitalität und Gesundheit im Körper entwickeln  –  Yoga Asana. Während die meisten Gelehrten Patanjalis philosophische Sichtweise als dual bezeichnen, wo Geist / Bewusstsein (Purusha) und Materie (Prakriti) getrennt sind, so war Patanjalis Fokus nicht der, die dualistische Philosophie zu vertreten, sondern wie Bryant 2009 sagte: «Lies die Sutras eher wie ein Handbuch für die Praktizierenden, die daran interessiert sind, die Tiefen des menschlichen Bewusstseins auszuloten.» Die Asana  –  die sitzende Haltung  –  in Patanjalis Yoga ist ein Mittel, um den prakritischen Geist zu beruhigen, um Samadhi (Vereinigung mit dem Göttlichen) zu erreichen. Yoga ist eine lebendige Tradition  –  obwohl seine Ursprünge wahrscheinlich mindestens 4.000 Jahre auf die alten vedischen Traditionen Indiens zurückgehen. Die Mehrheit der Kommentatoren glaubt, dass die Veden  –  die frühesten indischen Texte  –  die Erwähnung von Yogi-ähnlichen Figuren beinhalten, die als «Keshins» (Langhaarige) bezeichnet werden, die die Atemkontrolle praktizieren und Siddhis (mystische Kräfte) wie Levitation haben. Es steht aber zur Debatte, ob Yoga aus der vedischen Zeit stammt oder gar vorvedisch ist. Yoga wird am besten als eine sich entwickelnde Wissenschaft der Selbsterforschung oder der Forschung des Selbst verstanden, die eine erstaunliche Reihe von Philosophien, Werkzeugen und Technologien bietet, die ohne Unterbrechung durch die Jahrtausende entwickelt wurden, um uns auf diese Selbstverwirklichung vorzubereiten.

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Diese Werkzeuge umfassen Hunderte  –  oder vielleicht Tausende  –  von Techniken der Meditation, Kontemplation, Pranayama, Reinigungspraktiken, Asanas, Andachtspraktiken, Mudras, Mantras, ethischen Codes, Ritualen und philosophischen Studien wie sie im Laufe der Jahrtausende entwickelt wurden, und die von den verschiedenen Schulen und YogaSystemen in unterschiedlichem Masse betont und praktiziert werden. Der Einfachheit halber kann die Tradition des Yoga sich in vier Entwicklungsperioden aufteilen: • PRÄ-KLASSISCH, • KLASSISCH, • POST-KLASSISCH UND • MODERN.

Nach Edwin Bryant (2009) markiert die vorklassische Periode möglicherweise den frühesten Hinweis auf Yoga in den alten indischen Schriften der Veden. Dieser Hinweis liefert die Matrix aus der sich in Indien religiöse, philosophische und spirituelle Ausdrücke wie Yoga entwickelten, ebenso aber auch gegenläufige Tendenzen. Im späten vedischen Zeitalter (von etwa 1’500 v. Chr. bis 500 v. Chr.) wurden Praktiken im Zusammenhang mit klassischem Yoga erstmals in den esoterischen Schriften der Upanishaden erwähnt. Diese Schriften enthüllen eine deutliche Abkehr von Opferriten früherer Texte mit dem Interesse, höhere und letztendliche Wahrheiten der Realität zu verstehen, insbesondere das innere spirituelle Streben nach Selbsterkenntnis und Verwirklichung von Brahman. DIE KATHA UPANISHAD SAGT:

«Wenn die Kontrolle über die Sinne festgelegt ist, ist das Yoga, sagen die Leute. Denn dann ist eine Person frei von Ablenkung. Yoga ist das «Werden» und das «Aufhören». Nicht durch Worte, nicht durch den Verstand, nicht durch das Sehen kann er [das Selbst] erfasst werden; Wie sonst kann er wahrgenommen werden, ausser wenn er sagt: «Er ist!» … Für jemanden, der ihn so wahrnimmt, wie er wirklich ist, wird seine wahre Natur offenbar. Wenn alle im Herzen lauernden Wünsche beseitigt sind, wird eine sterbliche Person unsterblich und erreicht Brahman in dieser Welt.» (Bryant, 2009).

Die Bhagavad Gita  –  das Lied des Gesegneten  –  der wertvollste und bekannteste der grundlegenden Texte des Yoga, wurde um 500 v. Chr. komponiert und eingebettet in das lange Mahabharata Epos. Es bietet Yoga als eine Reihe von lebensbejahenden Praktiken an, die gelehrt werden von Lord Krishna an Arjuna vor dem Beginn des grossen Mahabharata-Krieges. Diese Praktiken sind der Yoga der Handlung (Karma), der Yoga des Wissens (Jnana), der Yoga der Hingabe (Bhakti) und der Weg der stillen Meditation (Dhyana). Asana wird hier nur als der buchstäbliche Sitz erwähnt, auf dem man für die spirituelle Praxis sitzt. Die Gita zeigt den Übergang zwischen den Ursprüngen des Yoga in der UpanishadischenZeit und seinem Ausdruck in den systematisierten Traditionen des Yoga in der klassischen Zeit. Vor der Gita konnten nur Herrscher, Krieger und Priester Yoga praktizieren. Die

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DAS FUNDAMENT

Hausbesitzer mussten in die Wälder ziehen, um Gott zu finden. Die Gita bot Anleitung für alle, die ihr Leben unabhängig von Klasse, Beruf, Neigung oder Geschlecht verbessern wollten. Die nächste Iteration erfolgte in Form von klassischem Yoga oder Raja Yoga (dem «königlichen Weg»  –  oft als Grundlage des Yoga bezeichnet), der weitgehend auf Patanjalis Yoga Sutras basiert, einer Sammlung von 195 Aphorismen, die im 2. Jh. n. Chr. zusammengestellt wurden. Während es andere Mitwirkende am «Yoga» der klassischen Ära (und auch früher) gab, sollte Patanjali die wegweisende Figur für die Yoga-Tradition werden, da er als erster verschiedene Yoga-Praktiken umfassend in einem einzelnen Text systematisierte. Laut Edwin Bryant (2009) sollten «die Yoga Sutras der Kanon für die Mechanik des generischen Yoga werden, an dem andere Systeme mit ihren eigenen theologischen Eigenschaften herumgebastelt und gewürzt haben.» Patanjalis Yoga hat jedoch wenig mit der heutigen körperlichen Praxis des Yoga zu tun und legt stattdessen eine klare mentale Disziplin für das Erreichen von Erleuchtung fest (ähnlich der des Dhyana Yoga in der Bhagavad Gita) und definiert den Begriff «Yogi» als Praktizierenden des meditativen Yoga. Sein einzigartiges Ziel war es, den Weg zur Erleuchtung oder Samadhi zu unterteilen. Und während Patanjali höchstwahrscheinlich bereits existierende Lehren systematisierte, wird er oft mit dem achtgliedrigen Prinzip identifiziert.

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DIE ACHT GLIEDER (SPEICHEN) DER SADHANA (SPIRITUELLE PRAXIS) Pantajali schlägt vor, dass wir bei der Erforschung dieser acht Glieder zunächst unser Verhalten in der Aussenwelt verfeinern und uns dann nach innen konzentrieren, bis wir Samadhi erreichen. (moralische Einschränkungen) (ethische Einhaltung) 3. ASANA (Haltung) 4. PRANAYAMA (Atemarbeit) 5. PRATYAHARA (Sinnesentzug) 6. DHARANA (Konzentration) 7. DHYANA (Meditation) 8. SAMADHI (Verwirklichung des wahren Selbst, Erleuchtung). 1. YAMAS

2. NIYAMAS

Mit einem klaren Schwerpunkt auf der Kontrolle des Geistes durch verschiedene Stufen der Vorbereitung und Meditation ist Patanjalis Hinweis auf Asana hier speziell als sitzende Haltung für Meditation gedacht. Patanjali schreibt «sthira sukham asanam» (2.46)  –   die Haltung sollte ruhig und bequem sein. Interessanterweise wird Patanjalis zugrunde liegende Philosophie als eindeutig dual angesehen  –  es gibt eine inhärente Trennung zwischen Geist / Bewusstsein (Purusha) und Materie (Prakriti). In dieser philosophischen Sichtweise ist der physische Körper lediglich Materie, die transzendiert werden muss, und es gibt keine Praktiken jenseits des «Sitzes» der Meditation, die den Körper in die Verwirklichung des Bewusstseins integrieren. In der postklassischen Zeit des Yoga entstand das Tantra Yoga im 5. Jh. und wuchs bis ins 14. Jh. weiter. Mit einer deutlich nicht-dualen Philosophie, die die grundlegende Untrennbarkeit von Bewusstsein und Materie, von Geist und Körper, von Mensch und Gott betont, bietet das Tantra eine dynamische Sicht auf das Universum, ähnlich wie wir es heute in der Quantenphysik verstehen. In der zentralen Prämisse, dass alles göttlich ist, glauben Tantrika, dass es kein Teilchen der Realität gibt, das nicht in der Lage ist, Ekstase zu offenbaren, und dass alles, was existiert, voller Licht (Tejas) und Bewusstsein (Cit) ist. Für die tantrischen Meister war die Schaffung eines «adamantinischen» Körpers durch yogische Praktiken  –  bei denen der menschliche Körper in den «göttlichen» Körper des Lichts verwandelt wird  –  der Kern der Verwirklichung des Selbst und der Erleuchtung. Wie der Yoga-Gelehrte Georg Feuerstein (1998) es ausdrückt: «Anstelle einer Fleischröhre, die dazu verdammt ist, Krankheit und Tod zum Opfer zu fallen, betrachteten sie sie als Wohnort des Göttlichen und als Gefäss, um spirituelle Vollkommenheit zu erreichen.» Grundlegend dafür war ein Verständnis der subtilen Energiesysteme des Körpers  –   Prana, Energiekanäle (Nadis), Chakren und grundlegende Lebenskraft (KundaliniŚakti)  –  und ihrer Schlüsselrolle bei der Selbstverwirklichung.

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DAS FUNDAMENT

WARUM IST TANTRA ÜBERHAUPT ENTSTANDEN? Feuerstein glaubt, dass dies eine Reaktion auf eine Zeit des spirituellen Niedergangs war, auch bekannt als Kali Yuga oder das Dunkle Zeitalter, in der wirksame Massnahmen erforderlich waren, um den vielen Hindernissen für die spirituelle Befreiung entgegenzuwirken: Gier, Unehrlichkeit, körperliche und emotionale Krankheit und Anhaftung an weltliche Dinge und Selbstzufriedenheit. Tantras umfassendes Spektrum an Praktiken bot Werkzeuge, um diese Hindernisse zu beseitigen, und zum ersten Mal waren solche Praktiken weit verbreitet und nicht nur für die edle Brahman-Klasse verfügbar: Männer und Frauen, Brahmanen und Laien konnten nun alle initiiert werden. «Beim Hatha Yoga besteht die Absicht des Praktizierens von Asana darin, eine stabile Haltung, Gesundheit und Ausgeglichenheit im Körper zu erreichen. Es bereitet den Körper darauf vor, lange Zeit in Meditation zu sitzen, und beginnt, die Energiekanäle des Körpers zu öffnen und zu reinigen, um sich auf die subtileren und kraftvolleren Energiepraktiken vorzubereiten.» Dies waren die Grundlagen des Hatha Yoga  –  des Hauptsystems des Yoga –, so wie wir es heute im Westen geerbt haben. Hatha Yoga, übersetzt entweder als Vereinigung von Gegensätzen  –  Sonne «ha» und Mond «tha» oder als Yoga «Kraft», ist ein System körperzentrierter Yoga-Praktiken, das um das 10. Jh. von Goraksha Natha und seinem Lehrer Matsyendra als Ableger des Tantra entwickelt wurde. Hathas Hauptentwurf besteht im Wesentlichen darin, die Lebenskraft (KundaliniŚakti) im Körper zu regulieren und zu erwecken, um letztendlich Selbstverwirklichung zu erreichen. Die drei wichtigsten erhaltenen Texte des Hatha Yoga, das Hatha Yoga Pradipika (14. Jh.), Gheranda Samhita (17. Jh.) und Śiva Samhita (15. bis 17. Jh.), lehren sechs oder sieben Glieder des Yoga, beginnend mit körperlichen Übungen von Körperhaltungen (Asana), Reinigungspraktiken (Shatkarma) und Ernährung sowie Fortschritte bei subtilen und feinstofflichen Praktiken, einschliesslich Atemkontrolle (Pranayama), Mudras und Bandhas (Energiesiegel und Schlösser), Klangpraktiken (Nada), Konzentration, Meditation und Samadhi. Beim Hatha Yoga besteht die Absicht des Praktizierens von Asana darin, eine gleichmässige Haltung, Gesundheit und Ausgeglichenheit im Körper zu erreichen. Es bereitet den Körper darauf vor, lange Zeit in Meditation zu sitzen, und beginnt, die Energiekanäle des Körpers zu öffnen und zu reinigen, um sich auf die subtilen und kraftvollen Energiepraktiken vorzubereiten. Das Hatha Yoga Pradipika lehrt, dass Śiva (der Herr des Yoga) 84 Asanas lehrte und beschreibt 15 dieser Stellungen. In Gheranda Samhita heisst es: «Es gibt 8’400’000 Asanas, die von Śiva beschrieben wurden. Die Körperhaltungen sind so zahlreich wie es Arten von Lebewesen in diesem Universum gibt. Unter ihnen sind 84 die besten; und unter diesen 84 haben sich 32 für die Menschheit in dieser Welt als nützlich erwiesen.» Es werden diese

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32 Körperhaltungen beschrieben, von denen die meisten sitzend sind, während die einzige stehende Haltung die Baumhaltung ist. Die Śiva Samhita listet auch 84 Asanas auf, beschreibt aber nur 4, hat dafür aber viel zu sagen über die Yoga-Philosophie und ihre anderen Praktiken. Erwähnenswert ist, dass die Praktiken des Hatha Yoga jahrhundertelang geheim gehalten wurden, um direkt vom Guru zum Schüler gelehrt zu werden  –  die Asana wurde in der Praxis selbst umfassend gelehrt. Bemerkenswert ist auch, dass die Hauptstützen der heutigen «modernen» Yoga-Praxis, einschliesslich Sonnengruss, abwärts gerichteter Hund, Kopfund Handstand, in diesen Grundlagentexten nirgends zu finden sind.

Wie ‹alt› oder ‹traditionell› ist unsere Asana-Praxis wirklich, obwohl sie eindeutig in den grundlegenden Lehren des Hatha Yoga verwurzelt ist? In seinem Buch «Yoga Body: The Origins of Modern Posture Practice» (2010) führt der Yoga-Gelehrte Mark Singleton die Ursprünge des «modernen Yoga» mit Schwerpunkt auf der körperlichen Praxis bis in die 1920er und 30er Jahre zurück, als er sagte, «Indien sei von einer beispiellosen Leidenschaft für die Körperkultur, die eng mit dem Kampf um die Unabhängigkeit verbunden war» erfasst worden. Dies geschah ungefähr zur gleichen Zeit wie die Entwicklung der europäischen Gymnastik, und Lehrer in Indien begannen, westliche Gymnastiktechniken mit Yoga Asana und anderen indischen Disziplinen wie Wrestling zu verbinden, um die körperliche Kultur und die therapeutischen Vorteile der Praxis zu fördern.

Obwohl das moderne Yoga in Tradition und alter Weisheit verwurzelt ist, handelt es sich weniger um eine direkte alte Praxis als vielmehr um eine aufstrebende Praxis, die durch die Einflüsse der Zeit und der Kulturen gewachsen ist. Krishnamacharya, der Urvater der beliebtesten Yoga-Stile im Westen, war in den 1930er Jahren einer dieser Schüler. Während Krishnamacharya in der indischen Philosophie, einschliesslich Yoga und Ayurveda, tief gelehrt war, nahm er die Körperkultur seiner Zeit auf und eine Stellung als Yogalehrer unter dem begeisterten Maharaj von Mysore an. Er entwickelte eine dynamische Asana-Praxis, die laut Singleton hauptsächlich für die Jugend Indiens gedacht war. Unter Krishnamacharyas Schülern waren B.K.S. Iyengar (Iyengar Yoga), K. Pattabhi Jois (Ashtanga Yoga) und T.V.K. Desikachar (Viniyoga)  –  möglicherweise durch seine Betonung der physischen und therapeutischen Vorteile der Praxis, die Hauptväter des im Westen florierenden «Yoga».

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Singleton weist auch darauf hin, dass er, als er sich weiter in seine Forschung vertiefte, entdeckte, dass westliche Haltungspraktiken ebenfalls lange bevor Yoga in den Westen kam entwickelt wurden «Dies waren spirituelle Traditionen, die oft von und für Frauen entwickelt wurden und die Haltung, Atem und Entspannung nutzen, um Zugang zu erhöhten Bewusstseinszuständen zu erhalten.» Diese Praktiken, so argumentiert er, sind auch Teil des Yogaerbes. Sie werden durch die neueren Pioniere wie Bonnie Bainbridge-Cohen, Emilie Conrad und Judith Aston als Erforschung und Praxis von Körper und Geist und KörperGeist weiterentwickelt und erweitert. Obwohl das moderne Yoga in Tradition und alter Weisheit verwurzelt ist, handelt es sich weniger um eine alte Praxis aus einem Buch, als vielmehr um eine Praxis, die durch Einflüsse der Zeit und der Kulturen, die Yoga in sich aufgenommen haben, weiterentwickelt wurde, die gewachsen ist und sich ausgebreitet hat. Auch wenn es möglicherweise eine Überbetonung der «Übungsvorteile» von Yoga Asana gibt, ist es ermutigend, dass die körperliche Praxis für viele oft ein Tor zu den tieferen Philosophien und Praktiken des Yoga ist  –  den Praktiken der Selbstuntersuchung und des Erwachens. Während unser Wissen und unsere Erfahrung über diesen endlos faszinierenden Körper-Geist durch Wissenschaft, Verkörperung und Weisheitspraktiken weiter zunehmen, werden wir zu Pionieren in dieser kontinuierlichen Entwicklung des Yoga.

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EINFÜHRUNG IN DIE YOGISCHE PHILOSOPHIE

Das umfangreiche indische Kompendium aus philosophischem Denken und Weisheit umspannt Jahrhunderte gefüllt von Gesprächen und Debatten, die in der Entstehung mehrerer Denkschulen und unzähligen Texten mündeten, die von Pfaden zur Erleuchtung bis zu Technologien zur Übernatürlichkeit reichen. Einige der Richtungen, in die die Yoga-Philosophie ging, waren: • YOGA ALS ANALYSE VON WAHRNEHMUNG UND ERKENNTNIS

Sowohl die Bhagavad Gita und Patanjalis Yoga Sutras als auch einige buddhistische Mahayana-Texte folgen diesem Prinzip. • YOGA ALS AUFSTIEG UND ERWEITERUNG DES BEWUSSTSEINS

Beispiele sind das Hindu-Epos Mahabharata und der Jain-Text Prashamaratiprakarana. • YOGA ALS WEG ZUR ALLWISSENHEIT

Beispiele finden sich in den Schultexten von Hindu Nyaya und Vaishesika. Verschiedene Beispiele finden sich auch in den buddhistischen Madhyamaka-Texten. • YOGA ALS TECHNIK FÜR ÜBERNATÜRLICHE KRÄFTE

wie das Eindringen in andere Körper, das Erzeugen mehrerer Körper und das Erreichen anderer Errungenschaften. Diese sind in der tantrischen Literatur des Hinduismus und Buddhismus zu finden. Für die Zwecke dieses Trainings konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die tantrische Philosophie aus der Region Kaschmir, genannt Kaschmir-Shaivismus, Patanjalis Yoga-Sutras und die Bhagavad-Gita. Der Zweck des Studiums dieser Texte und Denkschulen besteht darin, dass sie das Rückgrat der ererbten Yoga-Tradition sind, zu der wir gehören. Tantra ist die Technologie, auf dem das gesamte Embodied Flow™-System basiert. Und sowohl die Yoga Sutras als auch die Bhagavad Gita haben unzählige Generationen von Yogis und Yoginis und Denker*innen zu expansivem Denken und Handeln inspiriert. Die Kenntnis dieser Texte bietet eine solide Grundlage, um Erfahrungen als Lehrer*innen zu kontextualisieren und Dich im Leben und in Deiner Praxis zu leiten. Versteht bitte, dass die Potenz dieser Texte über viele Jahre hinweg und in vielen Klassen der Samen der Kontemplation ist. Was wir heute versuchen, zu verstehen, wird zweifellos in den kommenden Tagen und Jahren Früchte tragen.

Geniesst es!

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EMBODIED FLOW PRINZIPIEN

Diese Meta-Konzepte, die durch Bewegungs-Erkundungen im Mikrokosmos des Körpers entstanden sind, sollen durch ihre Anwendung in der lebendigen Kunst des Yoga und im Makrokosmos unseres Lebens das Erwachen erleichtern. Diese Grundprinzipien bilden das System von Embodied Flow™ und speisen jede Gruppenklasse, private Sitzung, jeden Workshop und jede Schulung.

1. THE BODY IS THE VEHICLE FOR AWAKENING  –   Der Körper ist das Gefäss, das Gefährt zum Erwachen / zur Erweckung • CAITANYAM-ĀTMĀ

«Das Selbst ist Bewusstsein»  –  Der unabhängige Zustand des höchsten Bewusstseins ist die Realität von allem. (Śiva Sūtra-s 1.1) • CITIH SVATANTRĀ VI ŚVA-SIDDHI-HETUH

Das Bewusstsein, in seiner Freiheit, erlangt die Verwirklichung des Universums. (Pratyabhijñāhr·dayam 1.1) • CITI-SANKOCĀTMĀ CETANO‘PI SANKUCITA

Das Individuum, dessen Natur das Bewusstsein in einem verdichteten Zustand ist, verkörpert auch das Universum in einer verdichteten Form. (Pratyabhijñāhr·dayam 1.4) Der verdichtete (kontrahierte) menschliche Körper, wird häufig gleichgesetzt mit einem Tropfen Wasser aus dem Ozean, der alle Qualitäten des Ozeans in sich trägt, sich aber dennoch fälschlicherweise als etwas vom Ozean Getrenntes wahrnimmt. Solange sich unsere Wahrnehmung nicht ausdehnt, ist diese Sicht des Getrennt-Sein die einzige Wahrheit, auf die wir Zugriff haben. Hatha Yoga, das seinen Ursprung im Tantra hat, hat immer schon erkannt, dass die Technologie zum Erwachen zu dieser Wahrheit in der Verdichtung oder Manifestation (das heisst dem Körper) selbst liegt. Das höchste Ziel der Yoga-Tradition ist es, das Selbst zu «kennen»  –  damit der Erlebende «den Ozean des Selbst», der von Anbeginn vorhanden war, auch als solchen wahrnehmen kann und sich der dauerhaften Existenz dieses Ozeans bewusst wird. Denn dieser Ozean war niemals nicht da. Dies kann durch Selbsterforschung und Meditation erreicht werden, und noch direkter durch die Entdeckung unseres eigenen fühlenden Sinnes als Teil des Universums. Indem wir die Bewusstseinsschichten entdecken, aus denen unser Körper besteht, erwecken wir alle Frequenzen, die uns ausmachen. Das Ergebnis ist eine belebte lebendige Erfahrung. Es ist das Gefühl, das der Schriftsteller und Philosoph Ken Wilber als «einen Geschmack» bezeichnet.

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Wenn wir dieses wesenhafte Selbst kennen, erhöhen wir unsere Lebendigkeit und Vitalität. Wir finden darin die Basis für geringere Reaktivität und grössere Reaktionsfähigkeit. Aus dieser Lebendigkeit heraus können wir die Zeitspanne zwischen Reiz und Reaktion auf den Reiz ausdehnen. Tauchen wir mit unserem erwachten Bewusstsein in diese Pause, in diese Spanne oder in diesen Raum ein, eröffnen sich uns alle Möglichkeiten. Kernelemente: Der Körper, das Gefäss der Erweckung • Belebte Bewusstseinsebenen • Vertiefung des Gesprächs für höhere Lebendigkeit und geringere Reaktivität • Körper und Geist sind eins

2. YIELDING  –  mitfliessen, ineinanderfliessen, aneinander anlehnen, gemeinsam fliessen, verbinden, aneinander anschmiegen, einander nachgeben • STHIRA SUKHAM ĀSANAM

«Asana, eine stabile und bequeme Haltung.» (Patanjali’s Yoga Sūtra 2.46) Yoga mit Kraft und auf entspannte Weise zu üben führt zu Harmonie mit dem physischen Körper (āsana). Yielding ist die grundlegende Brücke, die es uns ermöglicht, uns als separate Einheit zu identifizieren, ohne vom Ganzen getrennt zu sein. Es ist der Prozess, in dem ein Gleichgewicht zwischen Geben und Empfangen hergestellt wird. Die Erde empfängt die Struktur Deines Körpers und erzeugt einen natürlichen Rückprall nach oben, während die Luft, die Deinen Körper umgibt, die Form aufnimmt, sie zusätzlich stützt und sichert. Dieses Gleichgewicht zwischen Gewicht und Leichtigkeit wird von der Intimität zwischen Raum und Schwerkraft getragen. Yielding, ist ebenso ein Meta-Konzept, das definiert, wie wir in einem Raum gehen, in ein Gespräch eintreten und uns in Beziehung zu Anderen und unserer Umgebung verhalten. Auf diese Weise bewegen wir uns in Emotionen hinein und aus ihnen heraus. Yielding offenbart sich z. B. darin, wie ein grosser Vogel in den Himmel fliegt oder wie sich ein Tänzer von einem tiefen Plié (Ballet) in einen Hochsprung bewegt. Yielding macht uns weder stur, noch lässt es uns klammern oder macht uns zu hart, um Erfahrungen zuzulassen, noch lässt es uns aufgeben oder in Resignation verfallen. Die Yoga-Tradition bezeichnet es in der Schrift als «sthira sukham āsanam» (Yoga Sūtra II.46), was bedeutet, dass Asana Beständigkeit und Leichtigkeit ist. Wenn der relationale Aspekt des Nachund Hingebens fehlt, dann ist das Ergebnis Klammern (Propping) oder Einstürzen / Aufgeben (Collapsing):

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Klammern: Wenn wir klammern, verwenden wir mehr Kraft als erforderlich ist, um gegen die Schwerkraft anzukommen und um eine Form zu bilden oder zu halten. Wir versteifen uns und verhärten durch die Sehnsucht nach sanfter Schwerkraft in unserem Körper und schaffen so Starrheit in der Struktur selbst, die sich dann im gesamten Körper-Geist (Body-Mind) widerspiegelt. Kollabieren: Im Gegensatz zum Klammern, kollabieren wir, wenn wir von der Schwerkraft überholt oder besiegt werden. Es ist ein Gefühl nicht unterstützt zu sein, einen Mangel an Integrität, ein Gefühl des «Aufgebens», etwas, das zu viel Spiel hat. Wenn wir unsere Beziehung zur Erde in gesunder Weise pflegen, ohne zu Klammern oder uns mit aller Macht durchzusetzen, oder am Ende noch zusammenbrechen oder aufgeben, dann schaffen wir einen anmutigen Gleichmut in Bewegung, im Geist und im Charakter. Das ermöglicht es uns, mit dem zu sein was ist und Stimulus und die potenzielle Energie des Abpralls im Kontext zu erleben. Kernelemente von YIELDING • Die grundlegende Brücke zur Einheit • Raum und Schwerkraft • Geben und Empfangen • In ein Gefühl hineinfliessen • In Beziehung zueinander / miteinander fliessen

3. PATHWAYS OF CONNECTIVITY  –  VERBINDUNGSPFADE • BALALĀBHE VI ŚVAM ĀTMASĀT KAROTI

Indem wir die uns innewohnende Kraft erlangen, werden wir zum Universum. (Pratyabhijñāhr·dayam 1.15) • MADHYA-VIKĀSĀC CIDĀNANDA-LĀBHAH

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Durch die Ausdehnung der Mitte (Madhya) wird die Glückseligkeit des Bewusstseins erlangt. (Pratyabhijñāhr·dayam 1.17) Um das grössere Spektrum unseres Bewusstseins zu erfahren, erforschen wir die Pfade unseres eigenen Wachstums, die Aspekte der funktionellen Gewichtsverteilung, den Zugriff auf Systeme, die uns im Inneren unterstützen, und auch die Gezeiten und inneren Ströme, damit wir mit unserer Natur «mitgehen»  –  anstatt gegen sie. Ehren wir die wesenhafte Architektur unseres Körpers, dann können wir uns besser auf den äusseren Fluss der Natur ausrichten  –  von zirkadianen Rhythmen (Tag-Nacht, Hormone, Herzfrequenz, Blutdruck, usw.), den Lebensmitteln, die wir essen, den Orten, an denen wir leben, wie wir unsere Zeit verbringen, bis zu den Menschen mit denen wir uns umgeben. Das zu finden, was den Fluss (Flow) in unseren Verbindungen erschwert oder behindert, ist eines der stärksten Werkzeuge unserer Praxis um uns mit den Goldadern des Lebens zu verbinden.

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In einer Umgebung mit den richtigen Bedingungen und Reizen, wird ein Säugling stimuliert mit Bewegungen zu reagieren, die dazu führen, dass es die Gliedmassen von aussen nach innen zum Kern integriert  –  und den Kern von innen nach aussen in die Gliedmassen. Die Unterstützung jedes fortschreitenden integrierten Bewegungsmusters (z. B. Rollen vor dem Krabbeln auf dem Bauch) ermöglicht den leichteren Zugang zu komplexeren Entscheidungen über Bewegungen. Diese Ganzkörperbewegungen führen zu einem hierarchischen Wachstum von Verbindungen im Gehirn  –  Diese Verbindungen werden als neuronale Netze bezeichnet und machen Informationen mit einer höheren Geschwindigkeit verfügbar. In ähnlicher Weise führen diese Verbindungen in den Netzwerken im gesamten Körper zu flüssigen, leichten und integrierten Bewegungen. Die Verbindungswege, die jedem von uns innewohnen, sind eine Blaupause in unserer genetischen Struktur, die bei jeder Gelegenheit immer ausgefeilter werden können. Mit anderen Worten: Bedingungen für die Konnektivität können erzeugt werden. Bei diesem Abstimmungsprozess geht es darum zu lernen, auf die tiefste innere Weisheit des Körpers zu hören und die Umstände zu kultivieren, die das Gedeihen der inneren Harmonie fördern. Innerhalb der Konnektivität liegt Harmonie. Wie ein Instrument, das auf die höchste Klangqualität gestimmt werden kann, und wie ein Fluss, der ungehindert fliesst, besteht unsere Praxis darin, die Wege zu finden, die uns zu einer immer höheren Verdichtung der Übereinstimmung (Kongruenz) sowohl im Mikrokosmos als auch im Makrokosmos führen. Kernelemente: Verbindungspfade • Vom Kern nach aussen (distal) / von ussen (distal) zum Kern • Gewichtspfade • Axial, an der Achse ausgerichtet  –  appendikulär • Nabellradiation • Entwicklungs-Pfade (embryologisch und durch Stimuli, Muster nach der Geburt) • Faszienlinien • Die Ausrichtung der Membrane (Bandhas) und des vertikalen Zentrums mit Leichtigkeit • Embryologische Knochen-Spiralen

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DAS FUNDAMENT

4. ARTIKULATION & INTEGRATION • ŚAKTICAKRASANDHĀNE VI ŚVASAṀHĀRAH

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Wer sich durch intensive und gefestigte Aufmerksamkeit mit der ganzen Gruppe der Śaktis vereinigt hat, für den ist das Universum nicht mehr etwas vom Bewusstsein getrenntes. (Śiva Sūtra-s 1.6) • JĀGRATSVAPNASUSUPTABHEDE TURYĀBHOGASAMBHAVAH

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Solch ein heldenhafter Yogi erlebt den Expansionszustand von Turiya (dem vierten Zustand) in den differenzierten Zuständen von Wachen, Träumen und Tiefschlaf. (Śiva Sūtra-s 1.7) • JÑĀNAMANNAM

Differenzierte Wahrnehmung ist seine (deine) Nahrung / Wissen über seine (deine) eigene Natur ist seine (deine) Ernährung. (Śiva Sūtra-s 2.9) • PREKSAKĀNĪNDRIYĀNI

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Seine eigenen Organe sind Zuschauer. (Śiva Sūtra-s 3.11) Die Artikulation schafft den Raum, damit wir unseren Körper besser bewohnen können. Die Integration erfordert genügend Zeit und Raum für die Interaktion dieser Teile; Es ist die uns angeborene Regung der Bestandteile, während sich eine neue Grundlinie der Homöostase bildet  –  wie wir in der Welt interagieren und in ihr präsent sind. Stell Dir Deinen Körper als Orchester vor, in dem jedes Körpersystem unterschiedliche Töne, Klangfarben, Frequenzen, Texturen und Stimmungen erzeugt mit unterschiedlichen Interpretationen der Musik, aus der unser Wesen besteht. Verschiedene Körpersysteme, Landkarten oder Schichten unseres Körpers laden unterschiedliche Möglichkeiten ein, um Bewusstsein zu erfahren. Jede Art von Bewusstsein, die wir «online» bringen, wird zu einer Quelle, um unsere eigene Musik zu spielen. Diese Systeme entfalten gleichzeitig unterschiedliche unterstützende Ebenen innerhalb der physischen Struktur. Der fliessende Umgang mit jedem dieser Systeme ermöglicht Dir Zugriff auf unerschöpfliche Ressourcen innerer Kraft und Unterstützung und die Kapazität, Dich gewandt und Dir entsprechend auszudrücken. Wir können von groben zu immer subtileren Formen eintauchen, wenn wir vom Körper als Ganzes in einzelne Systeme, Organe, Gewebe, Zellen und atomare Strukturen hineinzoomen. Indem wir Bereiche unseres Körpers identifizieren, die nicht belebt wurden oder in denen wir unausgesprochene Erfahrungen tragen, können wir unsere Aufmerksamkeit dorthin lenken, wo uns der Zugang zu Leichtigkeit und Kraft gehemmt ist. Wenn wir anfangen zu artikulieren, und zu fokussieren, die Form zu ergründen und jede Ebene des Körpers zu erforschen  –  wobei wir uns auf ein einzelnes Gelenk, Organ oder Körpersystem konzentrieren –, ist es von grösster Bedeutung, dieses wieder mit

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dem Gesamtbild zu verbinden (d. h. zu integrieren). Während die Teile eines Individuums nicht der Summe entsprechen, spielen sie eine wesentliche Rolle beim Verstehen und Erleben des Ganzen. Während wir den Körper weiter von Makro zu Mikro dekonstruieren, beginnend mit dem Organismus in seiner Ganzheit, können wir uns bestimmten Iterationen des Körpers zuwenden. Wir nennen diesen Prozess «Artikulation». Artikulation hat in verschiedenen Bereichen des Verstehens viele Bedeutungen: • Anatomisch ist es der Ort, an dem zwei oder mehr Knochen Kontakt aufnehmen; • in der Botanik ist es eine Verbindung zwischen zwei trennbaren Teilen; • Unter Artikulation in der Musik wird einerseits die Art verstanden, wie ein einzelner Ton stimmlich oder instrumental erzeugt oder gebildet wird; andererseits auch, wie aufeinander folgende Töne miteinander verbunden werden: nahtlos eng oder mit «Klangpausen» zwischen den Tönen.

In unserer Verwendung des Wortes ist Artikulation der Prozess der Differenzierung und Schaffung von Raum, Perspektive und Erfahrungsanalyse innerhalb von Elementen, die das Ganze umfassen. Zum Beispiel können wir ein Leben lang einen köstlichen Kuchen geniessen. Wir können jedoch unser Verständnis vertiefen, indem wir uns mit den Zutaten dieses Kuchens vertraut machen. Dann haben wir einen Dialog zwischen den Elementen, die den Kuchen konstruieren, und dem Kuchen selbst. Wir könnten die Reise jeder dieser Zutaten weiter verfolgen (von ihrer Inkarnation als Samen über die Farm, auf der sie angebaut und geerntet wurden, bis zu dem Markt, auf dem sie verkauft wurden). Plötzlich enthält der Kuchen und alle seine Zutaten mehr Tiefe und Bedeutung. Diese Tiefe kann mit dem Artikulationsprozess erreicht werden, bei dem die Teile (Elemente, Zutaten usw.) so gewürdigt werden, dass sie im Ganzen präsent und in ihrer Vielschichtigkeit wahrnehmbar werden. Wenn wir in unserer menschlichen Erfahrung das Unbewusste in den bewussten Dialog bringen, also indem wir Teile von uns selbst artikulieren, können wir fragen: Ist dieses Glaubenssystem, dieses Bewegungsmuster, dieses Denken oder diese Haltung, die jetzt in meinem Bewusstsein präsent ist, wirklich etwas, das die Leichtigkeit meines Selbst, und so wie ich sein möchte, unterstützt? Mit diesem Artikulationsprozess haben wir die Möglichkeit, das Rezept um seiner Entwicklung willen zu analysieren, um sicherzustellen, dass die Zutaten so verwendet werden, dass das grosse Ganze unterstützt wird. Komponenten der Artikulation & Integration • Differenzierung und Vereinigung • Mobilität und Stabilität • Gleiten / Rutschen • Körpersysteme

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Indem wir das Unbewusste in den bewussten Dialog bringen können wir uns fragen: Ist dieses Glaubenssystem, dieses Bewegungsmuster, dieses Denken, diese Haltung, die jetzt in meinem Bewusstsein präsent ist, wirklich etwas, das die Leichtigkeit meines Selbst, und so wie ich sein möchte, unterstützt?

5. FLOW IST DER STROM VON PRÄSENZ VON MOMENT ZU MOMENT • LOKĀNANDAH SAMĀDHISUKHAM

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Die Freude an seinem Samadhi ist Glückseligkeit für das gesamte Universum. (Śiva Sūtra-s 1.18) • NARTAKA ĀTMĀ

Der Tänzer im Feld des universellen Tanzes ist sein Selbst des universellen Bewusstseins. (Śiva Sūtra-s 3.9) • CIDĀNANDA-LĀBHE DEHĀDISU CETYAMĀNESVAPI CIDAIKĀTMYA-PRATIPATTI-DĀRDHYAṀ

J ĪVANMUKTIH·

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Der Zustand der Befreiung während des Lebens ist die unerschütterliche Erfahrung der Einheit mit dem Bewusstsein, selbst wenn man den Körper wahrnimmt (ein Zustand, der sich ergibt), wenn man die Glückseligkeit des Bewusstseins erreicht. (Pratyabhijñāhr·dayam 1.16) Wir suchen nach Klarheit in Struktur und Form, die es sowohl Einzelpersonen als auch einer Gruppe ermöglicht, ein ununterbrochenes Kontinuum von Gedanken, Gefühlen und Bewegungen zu erleben. Diese Absicht schafft eine Einheit der Bewegung, die Rhythmus, Puls, Stimmung und Bedeutung von einer Handlung zur nächsten verbindet. Das ist, was wir als Flow verstehen. Das ultimative Ziel unserer Praxis ist es, in der ungehinderten Leichtigkeit des Hier und Jetzt und vollständig im Leben präsent zu bleiben. Dies ist unser Geburtsrecht, und dennoch können Interaktionen der Vergangenheit, oder einer Zeit, die wir in einer vorgefassten Zukunft verbracht haben, veraltete Verhaltensweisen wie Überlebensmuster, Gedanken und Gefühle dieses Ziel behindern. Wenn wir diese Hindernisse durch unserer Praxis beleuchten, leiten wir den Prozess ein, um all jene Teile nach Hause und in das Hier und Jetzt zu rufen, die zwischen der Vergangenheit und der vorgefassten Zukunft verstreut sind. So schaffen wir einen sicheren Raum, in dem diese Teile synthetisiert oder freigesetzt werden können. Dies ermöglicht uns ein Präsenz-Bewusstsein, mit dem wir vollständig in jedem Moment und von Moment zu Moment und zum nächsten Moment usw. gelangen können.

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Wenn wir tiefer in das Verständnis unseres Körpers eintauchen, hat die vitale Präsenz unseres Seins von einem erwachten Ort aus stets die Kapazität, um beständig und mehr und mehr zu fliessen. Dieser ultimative Fluss ist der konstante, klare Ausdruck unseres Seins von Haltung zu Haltung, von Moment zu Moment, von Atem zu Atem. Komponenten von Flow • Den Mut, anzukommen würdigen • Auflösen der Hindernisse, die Fluss verhindern • Einheit als Treffen von zwei oder mehr Einheiten erleben – nicht als Auflösung. • Authentisches Selbst versus «falsches» Selbst

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FLEXIBILITÄT Flexibilität ist der Prozess, den Grenzbereich von Verbindungen zu bearbeiten, um die Reichweite der integrierten Bewegung zu erweitern. Ein flexibler Geist spiegelt sich im Körper wider, und ein flexibler Körper spiegelt sich im Geist wider. Die Asana-Praxis unterstreicht die Erweiterung von Flexibilität: den Ausdrucksbereich einer Haltung. In Embodied Flow versuchen wir, diesen Bereich zu erweitern, dabei legen wir das Schwergewicht auf die Aufrechterhaltung von: • Einer

fundierten Verbindung mit dem Boden: in die Erde hineinfliessen. fundierte Verbindung des Bodens, die Schüler*innen unterstützt: Erlaube der Erde, sich Dir hinzugeben. • Eine fundierte Verbindung zum Raum um Dich herum: in den Raum «hineinlehnen». • Eine fundierte Verbindung und Weichheit, damit sich der Raum mit Dir verbinden kann: Der Raum kann in Dich hineinlehnen. • Eine klare und effiziente Gewichtsbahn abwärts durch die Kernlinien: vom proximalen Ende der Extremität zum distalen Ende oder vom distalen Ende zum proximalen Ende zum Kontaktpunkt (dem Raum zwischen dem Körper und dem Untergrund), der die Basis der Unterstützung bildet. Wenn wir dies finden, löst das eine Rückfederung von unterstützender Energie nach oben in den Körper aus. • Eine

Abbildung A vs. Abbildung B

Obenstehend das Bild von zwei Sanduhren. In ABBILDUNG A ist der Gewichtsfluss zu sehen, der sich deutlich in den Weg der Schwerkraft überträgt. → onzentriere Dich auf Abbildung A und bemerke, wie sich das in Deinem Körper K anfühlt. →E rforsche, wie Du Dich von dieser Empfindung aus bewegst. ABBILDUNG B ist eine Sanduhr, die den Durchgang des Gewichts behindert. →K onzentriere Dich auf Abbildung B und nimm wahr, wie sich das in Deinem Körper anfühlt. Erforsche, wie Du Dich von dieser Empfindung aus bewegst. → rforsche die Spannung zwischen diesen beiden Empfindungen und erkunde sie E in einer Reihe von Asanas – wobei Du zwischen den beiden Qualitäten hin und her wechselst.

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Aus dieser Exploration heraus lass die Empfindung eines Gewicht-Wasserfalls (die Art und Weise, wie das Gewicht in Bezug auf die Schwerkraft von einem Knochen in den nächsten fliesst) in die Beobachtung Deiner Yoga-Praxis einfliessen.

Abbildung C

ben ist das Bild des vollständigen relationalen Zyklus von «Yielding» in der SandO uhr dargestellt. I n ABBILDUNG C ist ein Gewichtsfluss zu sehen, der sich deutlich in den Weg der Schwerkraft überträgt. →K onzentriere Dich auf diesen Aspekt der Zeichnung und bemerke, wie sich das in Deinem Körper anfühlt. Lenke jetzt Deine Aufmerksamkeit auf die Rückfederung oder die Strömung nach oben, als ob Du im Kern des Sandstroms eine Strömung nach oben spürst. Nimm wahr, wie sich das in Deinem Körper anfühlt. Bringe Dein Bewusstsein dahin, wo es im Aufwärtsstrom zu Blockaden kommen kann, als wären diese Blockaden Dämme. Öffne diesen Damm, um den Durchfluss zu ermöglichen. Wie verändert das Deine Erfahrung? Lenke nun Deine Aufmerksamkeit sowohl auf den Gewichtsfluss nach unten als auch auf den Empfang des Stroms nach oben. Beachte, wie sich das in Deinem Körper anfühlt. Beginne in Tadasana, und lass Wurzeln vom Rumpf Deines Körpers nach unten wachsen. Wenn diese Wurzeln in den Grund unter Dir eindringen, öffne den Wurzelkern, um das Wasser aus dem Boden darunter aufzusaugen. Wie weit oben in Deinem Körper kann das Wasser fliessen, wenn das Gewicht Deines Rumpfes durch die Wurzeln in die Erde fliesst? Anzeichen für eine Erweiterung des Ausdrucks der Flexibilität bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Konnektivität beinhalten: • Fliessend,

reagiert auf Informationen Fähigkeit, sich tiefer niederzulassen • Genaues Timing • Der Körper behält seine Dimensionalität • Eine

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DAS FUNDAMENT

Wie erkennen wir, dass jemand seine Grenzen der Verbindung überschritten hat? Flexibilität basiert im Wesentlichen auf Beziehungen. Wenn die Verbindung zwischen zwei oder mehr Elementen unterbrochen ist (d.h. der Gewichtsübergang zwischen zwei Knochen über ein Gelenk, der Nabel zu einem Glied, der Zug des Hirnstamms vom Rückenmark usw.), hat das Individuum den Bereich des integrierten Ausdrucks überschritten. Die Beziehung von einem Körperteil zum anderen oder zur Stützbasis wird destabilisiert oder unterbrochen. Zusätzliche Anzeichen sind: • Krampfen der Muskeln • Farbverlust im Gesicht • Schwere Atmung oder vollständiges Anhalten des Atem • Es wird mehr Energie verbraucht als effektiv benötigt wird • Die Augen huschen herum • Überdehnen / Blockieren der Gelenke • das Gewicht fällt zusammen

Wenn wir den Schülern helfen, ihr Spektrum an integrierten und ausgeglichenen Bewegungen zu erweitern, wird ihr Körper-Geist zu einer immer leuchtendern Quelle von Freiheit und Leichtigkeit. Als Moderatoren halten wir den Raum für die Erweiterung des Ausdrucks, um die Entdeckung der vollen Kapazität eines Individuums zu unterstützen.

«Meine Erfahrung ist das, worauf ich mich einlasse.» William James

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EINE EINFÜHRUNG IN TANTRA

Die als Tantra bekannte philosophische und spirituelle Tradition ist bekanntermassen schwer zu definieren: ihre Schulen, Ideen und Praktiken sind vielfältig, und ein Grossteil des Tantra ist immer noch geheim oder muss noch von Gelehrten untersucht werden. Im Grossen und Ganzen stellt Tantra eine Synthese der verschiedenen dynamischen und überzeugenden philosophischen und spirituellen Schulen Indiens dar und vollbringt die ungewöhnliche Leistung, anspruchsvolle metaphysische Ideen mit populären Überzeugungen und Praktiken zu vereinigen. (Feuerstein, 1998). Tantra, das spirituelle System, leitet seinen Namen von den Tantra-Schriften ab. Das Wurzelverb «tan» wird oft übersetzt als «ausdehnen», «ohne unterbruch erweitern», «spinnen», «weben», «ausbreiten» oder auch «umhüllen». In frühen Kontext bezog sich Tantra auf das Handwerk, ein Muster zu weben oder zu verbreiten. Unter diesem Gesichtspunkt könnten wir tantrische Praktiken als eine Struktur interpretieren, um die Stränge unserer Natur zu einem einheitlichen Ganzen zu verweben, wie der Faden bei der Arbeit mit dem Webstuhls oder die Stränge eines Geflechts. Das System tauchte bereits im 4. Jh. n. Chr. In Indien auf und wurde ab dem 6. Jh. ein wesentlicher Bestandteil des indischen Denkens. Am Ende des ersten Jahrtausends nach Christus beeinflusste Tantra den Hinduismus, Buddhismus und Jainismus grundlegend. Von Anfang an nahm die tantrische Bewegung die spirituelle Anerkennungswürdigkeit aller Menschen an. Auf diese Weise war sie inklusiv und ermöglichte allen Kasten und beiden Geschlechtern, an den Ritualen teilzunehmen. Die folgenden grundlegenden Aspekte der tantrischen Philosophie sind hilfreich, um die Welt und unseren Platz darin zu begreifen:

NICHT-DUALITÄT Tantra tritt für eine radikal andere Ansicht ein als Patanjalis klassisches Yoga, das die Realität als Dualität betrachtet, als Purusha (Geist) und Prakriti (Natur)  –  in dem das Ziel der spirituellen Praxis darin besteht, sich von Prakriti zu lösen und sich ausschliesslich mit Purusha zu identifizieren. Tantra glaubt, dass das Göttliche sowohl von dieser Welt als auch darüber hinaus immanent (in der Natur) und gleichzeitig transzendent ist. In dieser Ansicht enthält die ultimative Realität  –  Śiva / Śakti (Formlosigkeit und Form)  –  alle Dualitäten und Gegensätze in einem Zustand der Einheit. Die Erschaffung des Universums  – als Śiva und Śakti sich voneinander entfernten – zerstörte die ursprüngliche Einheit und schuf die Illusion der Trennung, die als Quelle menschlichen Leidens gilt.

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DAS FUNDAMENT

Da alles Teil desselben einheitlichen Ganzen ist (Paramashiva), werden Gegensätze wie: • gut / schlecht, • Śiva / Śakti, • absolut / relativ, • Sonne / Mond,

Ida / Pingala,

• aktiv / passiv

alle innerhalb desselben einheitlichen Feldes gehalten  –  bevor Trennung entstehen könnte. Der Aufruf zum Handeln des Tantra besteht darin, durch die eigene tatsächliche Erfahrung zu erkennen, dass die Welt der wahrgenommenen Dualität letztendlich eine Kontraktion unseres Wahrnehmungsbewusstseins ist. Stattdessen sind wir ein und dasselbe, was in den heiligen Schriften als «Höchste Realität» oder«Das Göttliche», «Paramashiva» oder «der Atman» bezeichnet wird. Die nicht-duale Natur der tantrischen Metaphysik bietet eine lebensbejahende, weltbejahende und den menschlichen Körper wertschätzende Philosophie. Auf diese Weise versucht ein(e) Tantrika nicht, seinen oder ihren Körper zu leugnen und das Leben zu transzendieren (wie im klassischen Modell), sondern nutzt seinen oder ihren Körper als geliebtes Gefährt, durch das er oder sie das Göttliche erfahren kann. Es besteht keine Notwendigkeit, die physische Welt zu überwinden, da alles in der Welt Ausdruck dieses alles durchdringenden Bewusstseins ist. Die radikale nicht-duale Sichtweise hält alles in der Natur für göttlich. Dies ist eine andere Ansicht als andere nicht-duale Schulen / Philosophien wie Advaita Vedanta. Das «Ziel» der Advaita Vedanten und -innen ist es, alles als göttlich zu betrachten, aber wenn etwas in der relativen Welt anders ist, glauben Praktizierende, dass es eine Illusion ist. Z. B. ist Deine Verkörperung, Dein Schmerz oder Dein Garten nicht real, es ist eine Illusion, und eines Tages wird dieser Schleier der Täuschung entfernt und jeglicher Geist offenbart sich. Ein einfacher Weg, um die Unterschiede der drei Ansichten zu betrachten (entlehnt vom Gelehrten Carlos Pomeda): • Klassisch,

dual: Töte Deinen Fernseher nicht dual: Welcher Fernseher? Er ist nicht real. • Tantra, nicht dual: Schalten Deinen Fernseher ein, wechsle den Kanal und schaue mit Genuss und Leidenschaft zu. • Advaita,

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GÖTTINNEN-VEREHRUNG Tantra belebt die Göttinnen-Anbetung neu und fordert das zurück, was traditionelle klassische Praktiken ausgeschlossen haben: • das

physische Universum, menschlichen Körper und • die Kraft der Göttin. • den

Tantrische Verehrung richtet sich oft auf Śakti, das weibliche Prinzip der kosmischen Existenz, der Verkörperung allen Lebens mit all seinen Paradoxien. Sie ist gleichzeitig die Quelle des Lebensunterhalts, der Schönheit und Freude des ganzen Lebens sowie auch die Quelle all seiner Konflikte, Leiden und Zerstörungen. Sie ist alles zusammen. Śakti anzubeten bedeutet nicht nur, die materielle phänomenale Welt zu verehren, sondern auch das komplementäre Prinzip zu Śiva. LILA

Lila ist der «göttliche Tanz der Gegensätze» oder das «göttliche Spiel». Lila ist die Freude des Göttlichen, sich in physischer Manifestation kennenzulernen. Nach dem Tantra ist alles, was das Leben auf uns wirft, würdig, weil es der manifestierte Aspekt des Göttlichen ist. Ob wir es für gut oder schlecht, für angenehm oder schmerzhaft halten  –  es ist Teil der Freude, die der Realität innewohnt, und hat daher Wert an sich.

SADHANA Tantra

ist letztendlich eine Praxis, eine Handlung, ein Prozess und eine Methode, um die Unwissenheit zu beseitigen, die Maya (Schleier der Illusion / begrenzende Kraft von Paramashiva) zur Verwirklichung der Nicht-Dualität geschaffen hat.

«Ich bewege mich und bewege mich gar nicht. Ich bin wie der Mond unter den Wellen, die ewig rollen und schaukeln. Es ist nicht ‹Ich mache das›, vielmehr eine innere Erkenntnis, dass ‹dies durch mich geschieht›, dass ‹es dies für mich tut›. Das Selbstbewusstsein ist das grösste Hindernis für die ordnungsgemässe Ausführung aller körperlichen Handlungen.» Bruce Lee, Tao von Jeet Kune

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DAS FUNDAMENT

DIE VIER UPAYAS (MITTEL VON SADHANA / REALISIERUNG) Die Upayas sind Mittel oder Wege zur Verwirklichung. Sie beschreiben die verschiedenen Methoden oder Werkzeuge zum Aufheben der verdunkelnden Schleier, die dazu führen, dass wir unsere wahre Natur nicht erkennen. Die tantrische Tradition hat immer unterschiedliche Technologien für unterschiedliche Praktizierende erkannt. Die Upayas geben uns Einblick in verschiedene Strategien für die Arbeit mit Schüler*innen und mit uns selbst in verschiedenen Geisteszuständen.

Anavopaya: Die individuellen Mittel Der Weg zur Verwirklichung ist für diejenigen, die hauptsächlich in einem Zustand wahrgenommener Dualität / Getrenntheit leben. Es ist das Mittel des Individuums, um das Bewusstsein Gottes zu verstehen. Anavopaya verwendet Rituale, Meditation, Atem und die Sinne, um den Fokus auf Objekte ausserhalb des Selbst zu richten. Auf diese Weise können wir über die Auflösung dieser Getrenntheit meditieren. Ein indirektes Mittel zur Befreiung. PRAKTIKEN: Pranayama, WAHRNEHMUNG: Objekt

Ritual, Mantra. (er, sie, es) Kraft: Kriya (Handlung)

Shaktopaya: Die ermächtigten Mittel Dieser Weg der Verwirklichung führt über das Wissen derer, die sich im Bewusstsein der Dualität / Nicht-Dualität befinden. Bei dieser Methode gibt es bereits ein Verständnis des Gottesbewusstseins und daher muss es kein Objekt der Meditation geben. Zu den Praktiken gehört Meditation, bei der die Idee des Bewusstseins als einheitliches Feld vollständig im Mittelpunkt steht. Die mentale Aktivität innerhalb der Meditation ist das wichtigste Mittel zur Verwirklichung, und daher ist dies ein indirektes Mittel. PRAKTIKEN: Meditation

über die höchsten Ideale des Bewusstseins wie «SO HAM», einschliesslich Mantras wie «Ich bin alles Bewusstsein». WAHRNEHMUNG: «Du» Kraft: Jnana (Wissen)

Shambhavopaya: Die göttlichen Mittel Dieser Weg ist die Identifizierung des essentiellen Selbst mit Śiva. Alle mentalen Aktivitäten hören auf mit der Erkenntnis, dass das Universum ein Spiegelbild seines eigenen Bewusstseins ist, dass alles von innen kommt. PRAKTIKEN: Aufrechterhaltung des ständigen Bewusstseins von allem als Śiva.

Ohne Handlung oder Gedanken. Gedankenlosigkeit und einen fokussierten Willen bewahrend. WAHRNEHMUNG: «Ich». Kraft: Iccha (wird)

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Anupaya: Ohne Mittel Der Höhepunkt von Shambhavopaya  –  die einfache, direkte Anerkennung des Selbst als das Absolute. PRAKTIKEN: Keine,

«ohne Mittel» Bewusstsein jenseits von Subjekt und Objekt Kraft: Ananda (Glückseligkeit)

WAHRNEHMUNG: Reines

Andere Werkzeuge zur Verwirklichung sind Hatha Yoga, Mudras, Yantras, Visualisierungen, Chakra-Meditationen und in einigen Schulen das Ritual der fünf Sakramente, bei dem die Teilnehmer*innen absichtlich gegen heilige hinduistische Bräuche verstossen, indem sie Wein, Fleisch, Fisch und getrocknetes Getreide zu sich nehmen und rituellen Geschlechtsverkehr durchführen  –  im Wesentlichen, um das Göttliche selbst in dem zu finden, was herkömmlicherweise als Tabu angesehen wird. Im Westen wird Tantra oft einzig auf ritualisierte sexuelle Praktiken reduziert, was eine verallgemeinernde Reduktion der Philosophie und Technologie des Tantra darstellt. Diese Praktiken können einen Teil des tantrischen Ritus bilden, und verkörpern einen zentralen Aspekt der all-umfassenden Philosophie, können jedoch nicht vom Ganzen separiert werden.

Der menschliche Körper Wie der Rest der Natur ist der menschliche Körper ein Ausdruck von Śakti und wird daher als göttlich angesehen und ist darüber hinaus das primäre Mittel, um sich mit dem Göttlichen zu verbinden. Laut Tantra besteht das Gefährt des Körpers nicht nur aus dem physische Körper (der wichtig ist, um gesund zu bleiben), sondern auch aus dem feinstofflichen Körper, seinen Chakren, Nadis, Prana, Granthis und Koshas.

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DAS FUNDAMENT

TANTRISCHE KOSMOLOGIE

DER MANIFESTATIONS-PROZESS VON ABSOLUT ZU RELATIV Die Kosmologie ist das philosophische Studium des Universums in seiner Natur und Gesamtheit. Tantra bietet uns ein Mittel, um diese enorme und scheinbar unfassbare Idee zu konzipieren. In der Tantra-Kosmologie besteht das Universum sowohl aus absoluten als auch aus relativen Welten. Die relative Welt ist ein Spiegelbild der absoluten Welt, die durch den Spiegel von Maya verhüllt ist. Nach dieser Lehre ist das Universum der Namen und Formen, der Einzigartigkeit und Vielfalt die kreative Entfaltung von Paramashiva (The One Singular, Supreme Spirit) durch den Spiegel von Maya. Es entsteht aus einem Bewusstsein, das so wesentlich und unerschütterlich frei ist, dass es sich entscheidet, sich selbst zu begrenzen, zu trennen und zu fragmentieren, um sich selbst zu erkennen. Nach diesem Verständnis existiert das Bewusstsein von der ersten Schwingungsbewegung (Spanda) des Höchsten und Absoluten und aus Fragmenten bis hin zur Vielzahl der gröbsten und der kleinsten Teile der weltlichen Materie. Wir können dies durch die sechsunddreissig Prinzipien der Natur oder die Ebenen der Existenz verstehen, die Tattvas genannt werden. Tantra fügt der klassischen dualen Tradition von Samkhya elf Tattvas hinzu, in denen 25 Kategorien beschrieben werden, um die Art und Weise zu erklären, wie sich die Natur manifestiert. Swami Shantananda artikulierte diese Prinzipien in seinem Kommentar zu einem der wichtigsten Texte im Kaschmir-Saivismus, dem Pratyabhijna Hrydayam («Die Anerkennung des Herzens»). Komponiert im 11. Jh. n. Chr. von Kshemaraja, einem Schüler von Abhinavagupta, der als Akt der Ehrfurcht zusammenfasste und synthetisierte, was er von seinem Lehrer gelernt hatte. Die ersten Sutras in der Schrift zeigen die Konzeptualisierung der Bewegung vom Absoluten zum Relativen: • CITIH SVATANTRĀ VI ŚVA-SIDDHI-HETUH

·

·

Das Bewusstsein in ihrer Freiheit bewirkt die Erlangung des Universums. • SVECCHAYĀ SVA-BHITTAU VI ŚVAM UNM ĪLAYATI

Durch die Kraft des eigenen Willens entfaltet das Bewusstsein das Universum aus einem Teil von sich selbst. • TAN NĀNĀ ANURŪPA GRĀHYA GRĀHAKA-BHEDĀT

Das Bewusstsein wird vielfältig aufgrund der Aufspaltung in wechselseitig angepasste Objekte und Subjekte. • CITI-SAṄKOCĀTMĀCETANO’PI SAṄKUCITA-VI ŚVAMAYAH

·

Sogar das Individuum, dessen Natur das Bewusstsein in einem kontrahierten Zustand ist, verkörpert das Universum in einer kontrahierten Form.

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TRANSCENDENT

PARAMAŚIVA DIAGRAMM A

PURE CREATION,TATTVAS 1 – 2

IMMANENT

TRANSCENDENT

1. Śiva Tattva Prak –aś Subject Aham I Static Passive Positive Cit Śakti

2. Śakti Tattva Vimarśa Object Idam · Am Dynamic Active Negativ Ānanda Śakti

PARAMAŚIVA DIAGRAMM B

PURE CREATION,TATTVAS 1 – 5

IMMANENT

1. Śiva Tattva (I)

2. Śakti Tattva (Am)

(am)

I

This

3. S–ad–aśiva Tattva

(am)

This

I

4. Īsvara Tattva

(am)

I

44

This

4. Śuddhavidy–a Tattva


DAS FUNDAMENT

Paramaśiva Paramaśiva überschreitet alle 36 Tattvas und existiert als reines Bewusstsein, das von Zeit, Raum und Kausalität nicht beeinflusst wird. Gleichzeitig ist Paramashiva die Unterstützung und das Substrat aller Tattvas. Diese Tattvas  –  die «solche» oder «jene» des Lebens  –  sind Wege, auf die sich das Paramaśiva-Bewusstsein beschränkt, um in Zeit und Raum einzutreten.

Es gibt 6 Schlüsselattribute von Paramaśiva. Güte, reine Glücksverheissung Sein, Bewusstsein, Glückseligkeit PRAKĀ ŚA, V IMAR ŚA: Selbst-Leuchtkraft (Strahlkraft des Selbst), Selbstreflexion, Selbstbewusstsein SPANDA: Pulsation und Vibration, Expansion und Kontraktion SVĀTANTRYA: Ultimative Freiheit zu existieren, zu wissen und zu erschaffen PŪRN·ATVA: Fülle, Perfektion, Erfüllung ŚR Ī:

SATCITĀNANDA:

REINE SCHÖPFUNG (TATTVAS 1 – 2)

Der Prozess der Manifestation ist der Prozess der Erscheinung und Wahrnehmung, bei dem das Bewusstsein für sich selbst sichtbar wird. Subjekt und Objekt existieren in einem Gleichgewichtszustand, und wenn das Gleichgewicht gestört ist, erscheinen «Ich»  –  Subjekt und Idam · «dieses» Objekt  –  die Schöpfung beginnt. Aham (śiva) und Idam · (śakti) sind die ersten beiden Tattvas. Śiva  –  Erleuchtung oder reines Sein, höchstes Bewusstsein, absolute Glücksverheissung, endloses und ewiges  –  und Śakti  –  Manifestationskraft, unbegrenztes kreatives Potenzial zum Spielen und Mitschaffen, unbegrenzte Freiheit, allgegenwärtig. Beide überwiegen ungeschaffene ewige Tattvas und sind tatsächlich Eins  –  Paramaśiva.

REINE SCHÖPFUNG (TATTVAS 3 – 5)

Śakti ist verantwortlich für die Erschaffung der Materie, ihren Unterhalt und ihre Rückkehr zur unbegrenzten Intelligenz. Darin gibt es verschiedene Formen: • ICCHĀ-ŚAKTI:

die Kraft des Begehrens und Willens. Es ist die śakti, die, wenn sie sich nach aussen bewegt, die Sehnsucht und den Drang hat, mit göttlicher Absicht zu erschaffen. Es ist auch die śakti, die, wenn sie sich von der Schöpfung zurückzieht, Einheit wünscht. Es ist der Wunsch zu leben, pulsierend vor Kraft und Leben. Es ist die Fülle des Herzens, der Funke, der explodiert und sein will. Es ist Sat  –  Wahrheit, Sein, Subjekt. «Ich bin dies», Sādāśiva.

• JÑĀNA-ŚKTI:

die Kraft des Wissens. Es ist die Energie, die den Bewusstseinszustand eines Menschen kennt, seinen Wunsch zu erschaffen. Es schafft unseren Geist und unsere Intelligenz. Es ist Cit  –  leuchtend, selbstbewusst, bewusst, Objekt dieses «Ich», ı̄śvara.

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• KRIYĀ- ŚAKTI:

Die Kraft des Handelns. Es ist die Agentur der göttlichen Handlung, der Allmacht, des Ozeans des Bewusstseins, das ständig mit höchster Freude aufgewühlt wird. Es ist Ananda  –  frei, unabhängig, der Ausdruck dessen, was Glückseligkeit ist, hin und her «Dies» und «Ich» śuddhavidyā. Rein und klar, Wissen und Sehen, Wahrheit.

PHYSISCHE TATTVAS  –  DIE RELATIVE WELT 6. TATTVA MĀYĀ Das

erste Prinzip der relativen Welt, in der Kontraktion und Begrenzung beginnen. Aus sich heraus stellt das Göttliche einen Bildschirm auf  –  Māyā  –  und es entsteht ein Gefühl des Unterschieds. Auf diesem Bildschirm befindet sich alles, was wir sehen und wissen, die gesamte relative manifestierte Welt. Es ist Paramaśivas Macht, sich zu verhüllen, die Natur der Realität zu verschleiern. Es ist die Unterscheidungskraft des Universums, das Unermessliche messbar, das Unendliche endlich zu machen.

5. KAÑCUKA & DIE MĀLĀS Aus Māyā entwickeln sich die fünf Pañca Kañcuka (Umhänge, Ein-

schränkungen). Sie sind psychische Tattvas, die unseren Sinn für spirituelle Individualität bilden. 7. TATTVA KALĀ Kriyā  –  Begrenzt

die Allmacht (universelle Wirkung).Schafft eine begrenzte Entscheidungsfreiheit / Fähigkeit, als individuelle Seele zu agieren.

8. TATTVA VIDYĀ Jñāna  –  Begrenzt

die Allwissenheit (universelles Wissen). Erzeugt begrenztes Wissen / klares Sehen.

9. TATTVA RĀGA Icchā  –  Begrenzt die Fülle des Herzens und die Vollständigkeit (uni-

verselles Verlangen). –  Erzeugt das Verlangen und die Sehnsucht, wieder vollständig zu sein, und lässt das Verlangen nach Einzelheiten entstehen. 10. TATTVA KĀLA Śiva  –  Begrenzt

das ewige Bewusstsein. Erzeugt Zeit und das Gefühl des sequentiellen Bewusstseins.

11. TATTVA NIYATI Śakti  –  Begrenzt

Allgegenwart (Allgegenwart) und Freiheit. Erzeugt Einschränkungen in Bezug auf Ursache, Raum und Form.

Die drei Mālās Die individuelle Seele (paśu) ist durch drei mālās (Unreinheiten, Flecken) gebunden, die von den māyā śakti und den kañcuka erzeugt werden. Sie ähneln Staub / Schmutzfilm auf dem Spiegel des Herzens und trüben seinen Glanz. Ein Spektrum von destruktiven oder Schattenemotionen entsteht aus den Mālās. Wie auf einer schmutzigen Scheibe versuchen wir durch Yoga, Staub und Schmutz wegzuputzen, damit wir uns selbst klar sehen und erleben können.

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DAS FUNDAMENT

ANAVA MĀLĀ –  RĀGA  –  VERSCHLEIERUNG VON ICCHĀ • Die

Unreinheit der angeborenen Unwissenheit primäre Grenzbedingung, die das universelle Bewusstsein auf ein begrenztes Wesen reduziert • Durch die Begrenzung von icchā śakti erlebt sich jı̄va als getrennt, als unvollkommene Einheit, die aus dem Strom des universellen Bewusstseins entfernt ist • Die

MĀY ĪYA MĀLĀ  –  VIDYĀ  –  VERSCHLEIERUNG VON JÑĀNA • Begrenzungszustand

durch Maya, der subtile und grobe Körper hervorbringt, in denen Jiva durch die Begrenzung von jñāna śakti eine Differenzierung erfährt

KARMA MĀLĀ  –  KALĀ  –  VERSCHLEIERUNG VON KRIYĀ • Begrenzungszustand

durch Vāsanās (Spuren vergangener Handlungen), die die Seele durch den Prozess der wiederholten Wiedergeburt und des wiederholten Todes tragen • Durch die Begrenzung von Kriyā śakti lebt Jı̄va die Kette der Karmas aus PHYSISCHE TATTVAS: ELEMENTE DES SEINS

Der Rest der Karte besteht aus den 25 Tattvas des Sām·khya-Systems: Purus·a / Prakr·ti  –   Śiva / Śakti manifestiert. Es ist wichtig zu beachten, dass sie klassisch getrennt sind und aus tantrischer Sicht gleich sind. 12. TATTVA PURUS· A • Prinzip

des Individuums: Paramaśiva wird durch die Grenzen von māyā und den fünf Kañcukas zu purus·a (individuelles Selbst)  –  der subjektiven Erfahrung aller fühlenden Wesen  –  Subjekt und Objekt dauerhaft getrennt. • Der «eine, der im Schloss wohnt» (d. h. Ein bewusster Bewohner im Schloss des Körpers). • Das männliche Prinzip, der Wissende, das Subjekt, das ewige «Ich bin». • Aufsteigend und expandierend.

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DIAGRAM C – IMPURE CREATION (TATTVAS 6 – 13)

PARAMAŚIVA

TRANSCENDENT

1

IMMANENT

2

PURE CREATION

3

4

5

IMPURE CREATION

6. MĀYĀ Veiling, limiting power of Paramaśiva

7. KALĀ limitation of omnipotence

8. VIDYĀ limitation of omniscience

9. RĀGA 10. KĀLA limitation of limitation of completeness eternality

12. PURUS· A individual subject

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13. PRAKR· TI objective experience

11. NIYATI limitation of omnipresence and independence


DAS FUNDAMENT

DIAGRAM D – IMPURE CREATION (TATTVAS 14 – 36)

PARAMAŚIVA

TRANSCENDENT

1

2 PURE CREATION

IMMANENT 3

4 5

6

7

IMPURE CREATION

8

9

12

10

11

13

14. BUDDHI

15. MANAS

17 – 21. JÑĀNA INDRIYAS sense of perception 17. śrota (hearing) 18. tvak (touch) 19. cak.us (seeing) 20. rasanāna (smelling)

16 AHAM.KĀRA

22 – 26. KARMA INDRIYA-S power of action 22. vāk (speaking) 23. pāni (grasping) 24.pāda (locomotion) 25. pāyu (excretion) 26. upastha (procreation)

27 – 31. TANMATRAS subtle elements 27. śabda (sound) 28.sparśa (touch) 29.rūpa (form) 25. rasa (taste) 26. gandha (smell)

32 – 36. MAHĀ BHŪTAS gross elements 32. ākāśa (ether) 33. vāyu (air) 34.agni (fire) 35. āp (water) 36.prthivı̄ (earth)

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13. TATTVA PRAKR· TI

Naturprinzip: Eine Kraft, die das Material für den Rest der Schöpfung liefert. Das Material der Burg / Materialabdeckung für die Purus·a. Das weibliche Prinzip, die objektive Seite der individuellen Erfahrung  –  die Hauptursache aller verbleibenden Tattvas  –  besteht aus drei Gunas: Sattva (Licht, Ausgleich), Rajas (Energie, Aktivierung), Tamas (Materie, Verlangsamung). → ABSTEIGEND UND ZUSAMMENZIEHEND. Inneres psychisches Instrument  –  Drei Ebenen des Geistes (Tattvas 14–16) Prozesse der mentalen Operation treten in drei Stufen auf: Buddha (Intellekt), Aham·kāra (Ego), Manas (Geist). Aus Buddha wird Aham·kāra hergestellt  –  aus Aham·kāra entstehen Manas und alle anderen Tattvas.

14. TATTVA BUDDHI  –  JNANA (WISSENDER) GEIST.

Intelligenz, Diskriminierungskraft, Urteilsvermögen  –  assimiliert konkrete Erfahrungen für Kategorisierung, Abstraktion und Vergleich, Intuition. Die Art und Weise, wie wir Erfahrungen wahrnehmen und bestimmen, was sie bedeuten.

15. TATTVA AHAM · KĀRA  –  ICCHĀ (WOLLENDES) HERZ.

Individualität, Ego-Sinn, Selbstanpassungskraft  –  Gesamtsumme der Erinnerung an alle persönlichen Erfahrungen, die identifiziert und assimiliert wurden. Besondere Wahrnehmung des individuellen «Ich». Die Art und Weise, wie wir auf persönliche Weise mit unseren Erfahrungen umgehen.

16. TATTVA MANAS  –  KRIYĀ (GEFÜHL) KÖRPER.

Denken, Erkenntnisorgane, Wünsche, Suchen, Isolieren bestimmter Gruppen von Empfindungen von der Masse  –  baut in Zusammenarbeit mit den Sinnen Bilder und Konzepte auf. Die Art und Weise, wie wir Worte bilden und uns vorstellen.

20 TATTVAS DES PHYSISCHEN KÖRPERS

Die kontrahierte Śiva / Śakti-Energie schwingt langsamer. Jede Tattva oben hat Elemente der Tattvas unten  –  so nimmt Śakti Gestalt an.

5 JÑĀNENDRIYAS  –  5 SINNESORGANE

Kräfte der Sinneswahrnehmung. Gibt uns die Informationen, die wir brauchen, um die Welt zu verstehen. • Srotra:

• Caksus: · • Rasanā: • Ghrāna: · • Tvak:

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Hören, Hören  –  Ohren, Raum Gefühl durch Berührung, taktil  –  Haut, Luft Sehen, Sehen  –  Augen, Feuer Verkostung  –  Zunge, Geschmack, Wasser riechen  –  Nase, Geruch, Erde


DAS FUNDAMENT

5 KARMENDRIYAS  –  5 AKTIONSORGANE

Handlungsbefugnisse. Gibt uns die Kraft, uns physisch durch die Welt zu bewegen. • Vāk:

· • Pādendriya: • Pāyu: • Upastha: • Pāni:

Sprechen  –  Mund / Rachen, Raum Umgang, Berühren, Greifen  –  Hände, Luft Bewegung, Fortbewegung  –  Füsse, Feuer eliminieren, ausscheiden  –  bereinigende Organe, Erde neu erschaffen, sich fortpflanzen  –  Genitalien, Wasser

5 TANMĀTRAS  –  5 SUBTILE ORGANE / WAHRNEHMUNGSELEMENTE

Die Fähigkeit, Empfindungen und Schwingungen zu fördern und Empfindungen zu erleben, die von der Aussenwelt kommen. Dies sind subtile Elemente, die Produkte von Ahamkara sind. Sie sind Grundlagen der groben Elemente und arbeiten eng mit den jnanendriyas zusammen. Zusammen bilden die Tanmatras das superphysikalische Universum. Energie der Schwingung / des Klangs als solche  –  impliziert Raum • Sparśa: Energie des Aufpralls / der Berührung als solche  –  impliziert Luft • Rūpa: Energie des Lichts und der Form / Form als solche  –  impliziert Feuer • Rasa: Energie der viskosen Anziehung / des Geschmacks als solchem  –  impliziert Wasser • Gandha: Energie der zusammenhängenden Anziehung / des Geruchs als solchem  –  impliziert Erde • Sabda:

5 MAHĀBHŪTAS  –  5 GROBE ELEMENTE

Aus den Tanmatras  –  Bestandteilen des physischen Universums, wie sie von den Sinnen erfahren werden  –  nehmen die Bhutas Gestalt an. Aus den Bhutas wird der Körper gebildet. Raum. Klang bewegt sich im Raum, klar, weich, unbegrenzt, Freiheit, keine Direktionalität, hält alles, riesig • Vāyu: Luft. Berühre und fühle Luft, Temperatur und Bewegung. Höre die Luft in Bewegung des Windes, Raum in Bewegung. Mobil, trocken, Richtungsvektor, aufwärts bewegend • Agni: Feuer. Form und Licht des Feuers können gesehen und gefühlt und gehört werden. Scharf, heiss, durchdringend, transformierend, geschmeidig. Licht folgt Bewegung, Aufwärtsbewegung • Ap: Wasser. Probiere Wasser und sehe, fühle und höre es. Kühl, weich, flüssig, fliessend, empfänglich, zulassend, entgegenkommend. Feuer löst bestimmte Teile des Weltraums nach unten in Wasser auf • Pr thivı̄: Erde. Rieche die Erde, du kannst sie schmecken, sehen, fühlen und · hören. Schwer, dicht, stumpf, fest, hart, geerdet, standhaft. Wasser erstarrte, um Erde zu schaffen. Die Erde enthält alles andere. • Akāśha:

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EINIGE ANMERKUNGEN ZUR TANTRISCHEN TRADITION & UNSERER STUDIENMETHODE von Sally Kempton

Liebe Freunde, die Tradition, die unserer Praxis zugrunde liegt, fordert uns dazu auf, aus unserem alltäglichen Universum, das von der linken Gehirnhälfte geprägt ist, herauszutreten und in eine Sphäre einzutreten, in der die Annahmen und die Sprache mystisch und von Hingabe geprägt sind. Ein Teil des Prozesses, sich mit dieser Welt vertraut zu machen, besteht darin, zu lesen; und da nicht alle mit den Grundannahmen und Lehren hinter unserer Praxis vertraut sind, möchte ich Euch einige Notizen, sozusagen «Cliff’s Notes», an die Hand geben, die das grundlegende Weltbild des Tantra erklären. Sinnvoll ist, diese mindestens einmal durchzulesen und später bei Bedarf wieder darauf zurückzugreifen. Dies sind einige grundlegende Aspekte, die dem tantrischen Weltbild zugrunde liegen. Wie alle mystischen Traditionen gibt es auch im Tantra viele Zweige. Hinter der tantrischen Philosophie liegt eine äusserst reiche Sammlung an Texten und Praktiken, die nicht alle auf einmal absorbiert werden können. Jedoch werden bestimmte Kern-Annahmen durch alle Lehren dieser Tradition getragen, und einige dieser Annahmen sind für Menschen wie uns besonders befreiend und fruchtbar. Hier sind einige von ihnen: 1. Das göttliche Bewusstsein entscheidet sich, sich als eine Welt zu manifestieren. Es tut dies, weil es von Natur aus kreativ und frei ist. (Dieselbe Kreativität und Freiheit ist in uns, weil wir aus genau diesem göttlichen Bewusstsein heraus erschaffen wurden). Die absolute Freiheit des Göttlichen Gewahrseins ist seine wichtigste Eigenschaft. Es ist frei, alles zu sein. Es ist frei, sich zu verdichten, und frei, sich in höhere Formen des Bewusstseins zu entwickeln. Es ist auch frei, seine eigene Weite in einem Universum aus dichter Materie und in einem Geist voller Gedanken zu verbergen. Es ist auch frei, sich selbst in einem einzelnen Menschen oder einer ganzen Gesellschaft zu erwecken und uns die Kraft zu schenken, zu sehen, dass wir und alles aus einem einzigen göttlichen Bewusstsein gemacht sind. 2. Das göttliche Bewusstsein manifestiert diese Welt als Ausdruck ihrer eigenen Freude. Das bleibt auch dann wahr, wenn alles völlig verkorkst zu sein scheint. Es ist das grundlegende Paradoxon der Manifestation im Kern des Tantra, dass sowohl Ekstase als auch Leiden innerhalb des übergreifenden Gewahrseins, das als das Grosse Herz oder Śiva bekannt ist, ko-existieren können. 3. Die Realität in ihrem Kern ist selbst-reflexiv. Sie ist sich ihrer selbst bewusst. Sie ist selbst-bewusst und selbst-reflexiv (self-conscious). Als selbst-reflektierendes Bewusstsein besteht sie aus zwei Aspekten, die Teil ihrer Ganzheit

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DAS FUNDAMENT

sind. Diese sind als Śiva und Śakti, auch Spanda genannt. Śiva bedeutet ursprüngliche Verheissung, Śakti bedeutet Ur-Kraft. a) Der Śiva-Aspekt ist die absolute Wesenhaftigkeit der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist. Dieses IST-Sein der Wirklichkeit wird als «göttlicher Grund», als «Ur-Luminosität» und als «grundlegendes Sein» bezeichnet. Eine Bedeutung des Namens Śiva lautet: «das, was zugrunde liegt.» Bevor etwas existiert, existiert diese Wirklichkeit. Was immer sich manifestiert, manifestiert sich in dieser Wirklichkeit. b) Der Śakti-Aspekt ist die der Realität innewohnende Fähigkeit zu fühlen, bewusst zu sein. Diese angeborene Fähigkeit zur Bewusstheit ist auch die Quelle der schöpferischen Kraft der Wirklichkeit, der ihr innewohnenden Dynamik und ihrer Kreativität. Der Śakti-Aspekt der Wirklichkeit wird auch als Spanda bezeichnet, weil seine Natur es ist, sich zu wellen oder zu pulsieren. Diese beiden Aspekte der Wirklichkeit sind die Quelle von allem, was ist, und kommen auch in allem, was ist, zum Ausdruck. Wir finden sie, indem wir in unser eigenes Bewusstsein schauen, in unser eigenes Gewahrsein. Ein menschliches Wesen hat die Fähigkeit, das selbstreflektierende Sein UND die Macht der Wirklichkeit in unserem Bewusstsein und als unser eigenes Bewusstsein zu erfahren. Diese Erfahrung steht im Mittelpunkt der wahren spirituellen Praxis. 4. Weil jedes Partikel der Existenz von Natur aus göttlich ist, hat alles eine ihm innewohnende Bedeutung. Mit anderen Worten: Der Sinn des Lebens liegt nicht in dem, was wir an sich tun. Der Sinn des Lebens liegt in der Beschaffenheit der Wirklichkeit selbst, in der Ist-Situation der Wirklichkeit. (Das ist es natürlich, was mit dem heute berühmten Ausdruck «die Macht des Jetzt» gemeint ist). Doch die Menschen sind sich dessen nicht bewusst, deshalb suchen wir ständig nach dem Sinn in unseren Handlungen, Beziehungen und Gedanken. Der Sinn unseres Lebens kann nicht gefunden werden, indem wir nach ihm suchen, denn er ist das, was wir bereits sind. 5. Das Verständnis der dem Leben innewohnenden Göttlichkeit und Sinnhaftigkeit des Lebens offenbart sich von selbst, d.h. es zeigt sich für uns von selbst, aus eigenem Antrieb, in seiner eigenen Zeit. Das ist es, was mit «Gnade» (Grace) gemeint ist. Gnade / Grace ist die spontane Selbstoffenbarung des Göttlichen. Sie kommt von selbst, aus eigenem Antrieb. Wenn wir jedoch um Gnade bitten, öffnen wir uns für die Gegenwart der Gnade und laden diese ein, sich uns zu offenbaren. 6. Allein die Tatsache, dass wir daran interessiert sind, uns selbst zu erkennen, ist ein Zeichen dafür, dass wir von der Gnade berührt worden sind. 7. Die in den Absätzen 4, 5 und 6 genannten Wahrheiten bedeuten nicht, dass wir nichts mit unserem Leben anfangen sollen, dass Handlungen nicht zählen, oder dass Ethik irrelevant ist, und wir keine spirituelle Praxis ausüben müssen. Dies ist eines der grundlegenden Paradoxe der menschlichen Existenz.

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8. Und obwohl alles schon von Natur aus göttlich ist, und obwohl wir das bereits sind, ist die Praxis der Selbstreflexion notwendig, um dies zu unserer täglichen Erfahrung zu machen. Das ist natürlich ein weiteres grundlegendes Paradoxon. 9. D as Geschenk der tantrischen Lehre ist die Erfahrung des Staunens, der Freude und des Wunderns, die Dein Leben zu durchdringen beginnen, wenn Du anfängst, diese Wahrheiten zu betrachten. Selbst das kleinste Fragment der Einsicht in die glückselige, bewusste Essenz der Wirklichkeit und in die göttlichen Paradoxien, die der Wirklichkeit innewohnen, ist an sich schon göttlich, und auch wenn wir das bereits sind, ist die Praxis der Selbstreflexion notwendig, um dies zu unserer täglichen Erfahrung zu machen. Selbst das kleinste Fragment der Einsicht in die glückselige, bewusste Essenz der Wirklichkeit und in die göttlichen Paradoxien, die der Wirklichkeit innewohnen, ist an sich schon transformierend und entzückend! Die Texte, die den Kern der Tradition bilden  –  die Śiva-Sutras, die Spanda Karikas, Vijnana Bhairava  –  sind künstlerische (im Gegensatz zu linearen oder systematischen) Ausdrucksformen dieser Wahrheiten. Die ursprünglichen Verse und die Kommentare dazu wurden von Weisen geschrieben, die tief in der yogischen Praxis eingetaucht lebten, deren Sichtweise höchst hingebungsvoll war und die von Kindheit an in einen bestimmten mythologischen Rahmen eingebettet waren. Diese Texte sind, um es milde auszudrücken, aphoristisch und komprimiert. Jeder Vers verbirgt oder verschlüsselt eine riesige Menge an Wissen in minimer Anzahl von Wörtern. Deshalb müssen sie natürlicherweise von Lehrern und durch persönliches Studium interpretiert und ausgepackt werden. Das ist auch der Grund, warum viele zeitgenössische Lehrer, die aus dieser Tradition heraus sprechen (darunter wir, John Friend, Gurumayi, Rod Stryker, Śiva Rea und andere), sich oft dafür entscheiden, Wahrheits-Goldstücke aus der Tradition zu nehmen und sie in gewöhnlicher Sprache zu enthüllen, ohne die Originaltexte selbst ausdrücklich zu zitieren oder darauf zu verweisen. Die Wahrheiten aus den Tantras sind inzwischen weit verbreitet und werden, manchmal ohne Anerkennung der Tradition, aus der sie stammen, von vielen zeitgenössischen Lehrern des Yoga, der Meditation, des Buddhismus usw. geäussert. Wir werden mit kontemplativen Prozessen arbeiten, die Selbstbefragung, Meditation und die Untersuchung der Art und Weise, wie diese Lehren auf unser Leben anwendbar sind, mit einschliessen. Wenn wir ein traditionelles System studieren und es auf unser Leben übertragen, ist es hilfreich, mit der Annahme zu beginnen, dass das, was der Text sagt, wahr ist. Darin liegt ein Teil des Wertes des Studiums eines solchen Textes: ihn zu nehmen wie er ist und seinen Einfluss wirken zu lassen.

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DAS FUNDAMENT

Je mehr Du Dich in den Text vertiefst, umso mehr beginnt die Weisheit, die in den Versen verborgen ist, in Dich hineinzusickern. Es ist ähnlich, wie wenn wir im Nebel spazieren gehen … anfangs fühlen wir den Nebel vielleicht noch nicht, doch irgendwann sind wir nass. Es gibt vielfältige Ebenen der Erkenntnis, die sich durch die Arbeit mit diesen Texten und Lehren offenbaren  –  zahlreiche Schichten der Einsicht, und der Erfahrung. Was zunächst undurchsichtig erscheint, beginnt durch Meditation und Diskussion klar zu werden. Was auf den ersten Blick einfach erscheint, offenbart allmählich seine Tiefe. Es gibt vielfältige Arten, diese Lehren anzuwenden  –  viele der zeitgenössischen New-AgeLehren basieren auf dem Kernverständnis, dass das Universum aus Bewusstsein besteht, und eins und göttlich ist. Doch die wichtigen Wahrheiten verlangen, im Kontext der Tradition verstanden zu werden, wenn sie einer solchen entspringen, Wir können die Ursprünge nicht so tief verstehen, wenn wir davon ausgehen, dass wir, weil wir die Lehren des Neuen Denkens gelesen haben, die Tradition assimiliert haben. Wenn wir uns einer erleuchteten Lehre annähern, beginnen wir traditionellerweise damit, sie zu ehren, mit der Absicht, diese durch Kontemplation zu verstehen. Mit anderen Worten: Wir gehen davon aus, dass das, was uns begegnet, die Wahrheit ist, die von einem erleuchteten Weisen ausgedrückt wurde, der wusste, wovon er sprach, und seine Überlieferung von einem Ort wachen Bewusstseins aus schrieb und die Wahrheit von der höchsten Bewusstseinsebene aus kanalisierte, die zu dieser Zeit verfügbar war. Vielleicht wird sie nicht in einer klaren, benutzerfreundlichen Sprache ausgedrückt. Das liegt gewöhnlich daran, dass er möglichst viele Unterweisungen in einen einzigen Aphorismus oder Vers komprimiert hat. Oder vielleicht liegt es daran, dass er absichtlich auf die Wahrheit verweist, anstatt sie zu enthüllen. Wenn wir die Weisheit eines solchen Textes aufnehmen wollen, ist es ebenso wichtig, sich ihm in meditativer Weise zu nähern. Unsere Intention liegt darin, die im Text enthaltene Wahrheit, sich für uns entfalten zu lassen, so wie sich eine dieser zusammengeknüllten japanischen Blumen entfaltet, wenn wir sie in Wasser legen.

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EINIGE WAHRHEITEN ÜBER BEWUSSTSEIN Zwei Praktiken, mit denen wir während der Meditation arbeiten werden, Meditation über den Raum am Anfang und am Ende des Atems und der Meditation über den Raum am Ende eines Gedankens, sind täuschend einfach, können aber tatsächlich tiefgründige Träger für das Aufblitzen einer Offenbarung sein. Sie gelten als die zentralen Meditationspraktiken der Tantras. Warum? Weil der Raum am Anfang und am Ende des Atems, am Anfang und am Ende eines Gedankens die beiden am leichtesten zugänglichen Pforten zu der in unserem begrenzten menschlichen Bewusstsein verborgenen Kraft sind, die eine zusammengezogene Form des göttlichen Bewusstseins ist. Wenn wir unser Bewusstsein am Ende des Atems oder am Ende eines Gedankens immer wieder auf diesen Zwischen-Raum lenken, machen wir uns verfügbar für das Bewusstsein, das sich zusammengezogen hat, um als begrenzter, gedankenerfüllter Geist zu erscheinen, sich wieder in seine ursprüngliche Weite auszudehnen. Das erste Anzeichen dafür, dass dies geschieht, ist oftmals eine Verlangsamung des Atems, eine Verlangsamung der Gedanken, ein Gefühl des Absinkens oder Aufsteigens in einen tieferen Zustand oder das buchstäbliche Gefühl der Erweiterung des Bewusstseins. Manchmal erscheinen Lichter oder andere Manifestationen tieferer Bewusstseinsebenen. Manchmal gleitet die innere Präsenz, die unser wahres Selbst ist, einfach weiter, und wir erleben eine Hinwendung aus unserem gewöhnlichen Verstand in den «Grossen Geist» – Bewusstsein an sich. Zwischen den Atemzügen findet sich eine «Falltüre» in die Stille, in den als Samadhi bekannten Zustand. Diese Stille ist die Heimstatt der vollen, verborgenen Kraft der ursprünglichen Śakti, der Göttin. Wenn wir uns in den Raum zwischen den Atemzügen vertiefen, laden wir die darunter liegende Präsenz ein, die weit und tief und von Weisheit und Liebe erfüllt und gewöhnlich verhüllt ist, in unser Bewusstsein hervorzutreten. Dann wird die Bewegung des Atems ruhig, die Geschwindigkeit der Gedanken lässt nach, und wir entdecken die grundlegende Weite, die unser wahres Selbst ist. In ähnlicher Weise enthüllt sich die reine Energie des Gewahrseins, die der Projektionsfläche oder dem Grund unserer Gedanken entspricht, wenn wir uns auf das Pulsieren in unserem Geist konzentrieren, ohne uns in seinem Inhalt zu verlieren. Gewöhnlich ist die wahre Gegenwart  –  Spanda oder Śakti  –  die durch uns lebt, hinter dem unaufhörlichen Fluss der Erfahrungen und Gedanken verborgen. Die Praktiken der Tantras sind Wege, diese dazu zu bringen, sich selbst zu enthüllen. Das Universum verbirgt viel mehr, als es uns jemals zeigt. Die grosse Analogie dafür, wie das Universum sein unermessliche Potenzial in seinen Falten versteckt, ist die befruchtete Eizelle. Wenn ein Spermium in eine Eizelle eindringt und sich mit ihr vereinigt, existiert diese als eine Ansammlung von Zellen. Es besteht darin nichts, das an einen differenzierten Menschen erinnert. Seine Wesenheit ist reine Potentialität, verborgen in einer winzigen Zelle aus Materie, eingehüllt in das Plasma dieser Zygote.

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Unter einem Mikroskop betrachtet, würde es einem schwer fallen, die Zygote als das menschliche Wesen zu erkennen. Doch gibt es in dieser Potenzialität eine Intelligenz, die die Zygote zu einem Embryo entfaltet und den Embryo zu einem vollwertigen menschlichen Säugling heranwachsen lässt. In der Zygote ist der Säugling komplett verborgen und doch vollkommen lebendig. Auf die gleiche Art und Weise sind verschiedene Schichten und Ebenen der Realität in den Falten diese manifesten Universums verborgen und doch vollkommen lebendig. Innerhalb unserer Erfahrung dieses manifesten Universums sind wir in der Lage, nur einen verschwindend kleinen Bruchteil der Realität zu erfassen. Dies gilt ebenfalls auf der sogenannten physikalischen Ebene  –  denken wir an das Wunder und die Ehrfurcht, mit der wir die neue Hirnforschung begrüssen  –  und auf einer viel tieferen Ebene, wenn es um die subtilen Grundlagen unseres Universums geht. Ein Prinzip für den Eintritt in die Tantras ist also die Erkenntnis, dass vieles von dem, was verborgen ist, enthüllt wird, die Offenbarung jedoch auf ihre eigene Art und Weise und zu ihrer eigenen Zeit geschieht. Wie wir sehen werden  –  und diejenigen von Euch, die schon Tantra studiert haben, werden es bereits wissen  –  ist das Verhüllen ein inhärenter Aspekt des Göttlichen. Unser Sinn dafür, für unsere Körper, unseren Geist, unsere Gedanken und für das, was die sogenannte äussere Welt uns zeigt, wird auf verschiedenen Bewusstseinsebenen und sogar in verschiedenen Zuständen völlig unterschiedlich sein. Der Entwicklungspsychologe Robert Kegan hat eine Formulierung, die beschreibt, wie dieser Prozess funktioniert: «Das Subjekt in einem Zustand wird zum Objekt eines anderen.» Unser Verständnis davon, wer «ich» bin, verlagert sich, während wir wachsen. Eine der ersten Phasen des spirituellen Erwachens ist die Erkenntnis, dass wir unsere innere Erfahrung durch unsere Gedanken erschaffen. Wir beginnen zu erkennen, dass unser Bewusstsein, unser Selbstgefühl, tatsächlich von unseren Gedanken getrennt werden kann, und dass wir, anstatt jeden unserer Gedanken zu glauben, unsere Gedanken und Gefühle betrachten können. Irgendwann  –  besonders, wenn wir Tantra studieren  –  beginnen wir zu begreifen, dass unsere Gedanken und Emotionen Energie haben. Ein Gedanke könnte eine sich ausdehnende Energie haben, ein anderer Gedanke könnte sich scharf und dicht anfühlen. Wir beginnen zu erkennen, dass die Energie in unseren Gedanken und Emotionen eigentlich bedeutender ist als der Inhalt. Wenn wir damit anfangen, den Inhalt der Gedanken zurückzustellen und uns stattdessen auf ihre Energie einzulassen, können wir in immer subtilere Ebenen unseres eigenen Bewusstseins vordringen. Und schliesslich beginnen wir, Bewusstsein an sich zu erkennen und zu begreifen, dass wir auf der tiefsten Ebene Bewusstsein SIND. Je mehr wir in uns diese Erkenntnis etablieren, umso mehr beginnen wir, Freiheit und Kraft zu erfahren. Dies wird als Erwachen bezeichnet.

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In einem späteren Entwicklungsstadium erkennen wir möglicherweise, dass unser Bewusstsein Teil eines grösseren Bewusstseins ist, das tatsächlich alles, was ist, in sich trägt und sich durch alles hindurchzieht. Tantra beschreibt dieses Erkennen als Selbstverwirklichung oder atma vyapti  –  die Erfahrung, dass Bewusstsein alles durchdringt. In einem noch späteren Stadium erkennen wir, dass «ich» die ganze Wirklichkeit bin, das grosse Bewusstsein, das alle Teile enthält. Unser individuelles Ich-Bewusstsein verschmilzt buchstäblich mit der Erkenntnis des Gewahrseins oder der Gegenwart, der Weite, die die Quelle von allem ist. Wir erkennen als eine tatsächlich gefühlte Erfahrung, dass das Bewusstsein, dass ich bin, alles einschliesst, was die Quelle des Universums ist und tatsächlich ist. Dieser Zustand ist bekannt als Śiva Vyapti, oder die Erfahrung, das zu sein, was die Quelle und der Grund von allem ist. Gemäss den Tantras ist dies die höchste Entwicklungsstufe. Das persönliche «Ich» wird dann als eine Hülle oder ein Kleidungsstück erfahren, das die Gottheit, das grosse Bewusstsein, nach Belieben annimmt oder ablegt. Unser Selbstgefühl  –  unsere Selbstperspektive  –  vergrössert sich ständig, wächst, transzendiert sich selbst immer wieder, schliesst aber auch alle früheren Perspektiven dessen ein, was wir sind.

VERSCHIEDENE EBENEN DER REALITÄT Währenddessen leben wir hier unser Leben, gehen durch unsere emotionalen Höhen und Tiefen und versuchen herauszufinden, wie wir diese erhabene, sublime Lehre (die vielen von uns durch unsere spirituellen Lehrer, aus Büchern und aus unseren Meditationserfahrungen bekannt ist) mit dem Weg der weltlichen Realität in Einklang bringen können. Die Tantras haben, wie die meisten östlichen Traditionen, mehrere Möglichkeiten, die Tatsache zu erklären, dass wir die Realität in verschiedenen Entwicklungsstufen unterschiedlich erfahren. Erstens weisen sie darauf hin, dass das, was wir Wirklichkeit nennen, in verschiedenen Zuständen anders aussieht und sich anders anfühlt  –  mit anderen Worten, die «Wahrheit» über die Welt, die wir im Wachzustand erfahren, ist in der Meditation oder im Traum nicht dieselbe, und was für uns in tiefer Meditation real ist, fühlt sich am Frühstückstisch vielleicht nicht real an. Dieser Gedanke ist zentral für die Tradition  –  die Idee, dass es verschiedene Realitätsebenen gibt: die gewöhnliche Realität oder Vyavaharika-Realität  –  manchmal übersetzt als die Realität, in der wir Geschäfte machen. Und die ultimative Realität – Paramarthika. Doch das Tantra sagt auch, dass die so genannte gewöhnliche Realität nicht falsch oder unwirklich ist. Das ist ein entscheidender Unterschied zwischen Tantra und den nichtdualen Advaita-Pfaden, die uns sagen, dass unsere tägliche Lebenserfahrung eigentlich falsch ist, nicht vertrauenswürdig, so flüchtig wie ein Traum, und dass unser historisches Selbst und unsere persönliche Identität und die Wünsche und Bedürfnisse unseres eigenen Selbst illusorisch sind. Das geschichtliche Ergebnis dieser Sichtweise war meist die Tendenz, sich von der Welt zurückzuziehen und sie als unwichtig zu betrachten.

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Tantra sagt, dass alle so genannten gewöhnlichen oder durchschnittlichen Realitätsebenen real SIND, während wir sie erleben, auch wenn sie nicht die einzige Realität sind. Sogar ein Traum ist völlig real, während wir ihn träumen! Deshalb müssen wir in der Realität, die wir gerade erleben, mit einem Höchstmass an Geschick und Präsenz handeln. Die Tantrika sind bestrebt, mit Intelligenz und kunstvoll in der Welt zu handeln, weil sie erkennen, dass die Welt nicht unwirklich ist, sondern tatsächlich ein Ausdruck des göttlichen Bewusstseins und daher vollkommen heilig ist.

Angesichts der Tatsache, dass alles um mich heilig ist, wie gehe ich mit meiner Welt um? Mit meiner Nahrung? Meinem Abfall? Meinen Nachbarn? Und wie lässt sich diese Haltung, alles als heilig zu erfahren, mit der Notwendigkeit in Einklang bringen, zwischen ‹guten› und ‹schädlichen› Handlungen zu unterscheiden? Wie können wir Heiligkeit anerkennen und gleichzeitig Grenzen aufrechterhalten? Es gibt viele Implikationen dieser Sichtweise, über die angehende Tantrika unbedingt nachdenken sollten. Der grundlegende Koan für Tantrika ist immer: Wenn alles um mich herum heilig ist, wie gehe ich dann mit meiner Welt um? Mit meiner Nahrung? Meinen Müll? Meinen Nachbarn? Und wie kann diese Haltung, alles als heilig zu erfahren, mit der Notwendigkeit in Einklang gebracht werden, zwischen sicheren und gefährlichen Situationen, zwischen «guten» und «schädlichen» Handlungen zu unterscheiden? Wie können wir Heiligkeit anerkennen und gleichzeitig Grenzen aufrechterhalten? Wie kann ich alles in mir als heilig ansehen und gleichzeitig anerkennen, dass es Qualitäten in mir gibt, die nicht hilfreich sind für mein eigenes Glück oder das Glück anderer? Wie kann ich innere Veränderung in einem Kontext der Heiligkeit herbeiführen? Wie ehre ich meine Meditationserfahrungen, ohne davon auszugehen, dass sie die letzte Wahrheit sind? Wie begrüsse ich meine meditativen Erfahrungen, Einsichten und Erwachen, ohne von Angst oder Aufregung beiseite geworfen zu werden.

DIES SIND EINIGE DER FRAGEN, MIT DENEN SICH TANTRIKA AUSEINANDERSETZEN UND IN IHREM LEBEN KLÄREN Es geht darum, mehrere Perspektiven einnehmen zu können. Zum Beispiel erkennen wir auf gesellschaftlicher Ebene an, dass die wirtschaftliche Situation auf der Ebene unserer täglichen Erfahrung real und wichtig ist, auch wenn wir sie aus einer anderen Perspektive als Teil einer viel grösseren historischen Bewegung sehen könnten, als Entfaltung unseres kollektiven Schicksals, als Teil des natürlichen Kreislaufs von Geburt, Erhaltung und Auflösung oder einfach als ein Spiel des Bewusstseins. Auf der persönlichen Ebene erkennen wir, dass Emotionen stark aufsteigen können, aber auch wieder abklingen. Wir sehen, dass bestimmte persönliche Tendenzen in bestimmten Momenten vorhanden sind, während wir in anderen Momenten frei von ihnen sind. Mit diesem Verständnis beginnen wir, von unseren Emotionen und Neigungen weniger

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kontrolliert zu werden. In gleicher Weise erkennen wir, dass sich Meinungen ändern, dass Beziehungen wachsen und schwinden, und dass wir dies je nach Perspektive als schmerzhaft oder interessant, als Ausdruck von Impermanenz oder als Teil des kosmischen Tanzes von Śakti sehen können, der sich in unserem persönlichen Bewusstseinsfeld manifestiert. Natürlich bedeutet die Tatsache, dass unsere Erfahrung ernst genommen werden muss, nicht, dass sie auf der tiefsten, äussersten Ebene zutrifft. Diese Ebene ist wirklich wichtig, und das ist der Bereich, in dem Traditionen, wie die Wissenschaft, wichtige Unterscheidungen treffen. Das berühmte Beispiel ist die Tatsache, dass unsere Erfahrung der Erde darin besteht, dass die Erde flach ist. Dies ist eine authentische Erfahrung. Für uns ist sie real. Aber vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist sie nicht wirklich gültig. Die tantrischen Philosophen behaupten, dass viele Standpunkte insofern authentisch sein können, als sie echte Erfahrungen sind. Doch sie sind nicht gültig im Sinne der tatsächlichen Wahrheit. Es geht immer um den Kontext: die Anerkennung des grösseren Erfahrungsrahmens. Tantra entwertet also niemals die persönliche Erfahrung. Es sagt niemals, dass der Verstand und das Ego per se zu entledigen sind  –  im Gegenteil, sie sind notwendig für die Erfahrung, wertvoll und voller eigener Kraft. Ebenso sind die psychologischen Schemata, die unsere Beziehung zu uns selbst und zu unserer Welt beeinflussen, die kulturellen Prismen, die als Linsen dienen, durch die wir die Wirklichkeit sehen  –  all diese Dinge sind in dem Sinne real, dass sie existieren und unsere Erfahrung auf einer bestimmten Bewusstseinsebene bestimmen. Allerdings, und das ist wirklich wichtig, sind sie nicht unbedingt auf allen Bewusstseinsebenen wahr. So wie der Schmerz in unserem Arm verschwindet, wenn wir schlafen, und das Leid, einen geliebten Menschen zu verlieren, verschwinden kann, wenn wir einen Film sehen, so ändern sich die verschiedenen Identitäten, mit denen wir uns identifizieren, mit zunehmendem Alter, Arbeitsplatzwechsel, Wechsel zwischen verschiedenen Rollen und vor allem zwischen verschiedenen Bewusstseinsebenen. Dies wird besonders deutlich, wenn wir eine spirituelle Praxis ausüben. Auf einer Ebene der Meditation kann unsere innere Welt voller Gedanken sein, auf einer anderen Ebene voller Einsichten, Offenbarung, Stille, Lichter, Glücksgefühle und auf noch einer anderen Ebene eine Erfahrung des totalen Nichts. Über dieses Nichts hinaus können wir in eine Erfahrung des totalen ekstatischen Eins-Seins mit allem eintreten. All diese Erfahrungen sind wahr und real, soweit sie reichen. Tantra zielt darauf ab, uns dazu zu bringen, all diese Erfahrungsebenen in einen grösseren Zusammenhang zu stellen. Das ist ein Grund, warum es eine so hilfreiche Lehre für Meditierende, Yogis und Yoginis ist. Der grössere Kontext im Tantra ist der Kontext der umfassenderen, tieferen Wahrheit, der Wahrheit des Bewusstseins selbst, des Bewusstseins als Behälter, als Kontext, als Quelle und der zugrunde liegenden Realität hinter und innerhalb unseres Multiversums, unserer wahnsinnig disparaten und mannigfaltigen Erfahrung. Bewusstsein als absolute Freiheit, wild tanzend, letztlich als das «Wir» erkannt.

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EIN KLEINES GLOSSAR: TANTRISCHE ARBEITSDEFINITIONEN GEMEINSAMER SPIRITUELLER BEGRIFFE Wie wir wissen, werden viele der englischen Wörter, die wir für spirituelle Erfahrung verwenden, in verschiedenen traditionellen Kontexten unterschiedlich verstanden. Je nach der Tradition, in der wir ausgebildet wurden, und den spirituellen Büchern, die wir gelesen haben, sind wir es gewohnt, bestimmten Schlüsselwörtern unterschiedliche Bedeutungen zuzuordnen. Mit anderen Worten, wenn wir Wörter wie «Selbst», «Gott», «Bewusstsein», «Befreiung», «Liebe», «Glückseligkeit», «Erleuchtung» verwenden, die wir je nach unserer Ausbildung oft auf eine bestimmte Weise verstehen. Nehmen wir zum Beispiel die Begriffe «Selbst» und «Ego». Diejenigen unter Euch, die im Siddha-Yoga oder in einer anderen indischen Tradition (einschliesslich des KaschmirShaivismus) ausgebildet wurden, verwenden das Wort «Selbst», wenn sie ihre wahre Natur meinen, den Kern des Bewusstseins, der jeder Erfahrung zugrunde liegt. Sie verwenden das Wort «Selbst» auch als Synonym für die Gotteserfahrung in der ersten Person. Diejenigen unter Euch, die in buddhistischen Traditionen geschult sind, verstehen das Wort «Selbst» vielleicht so, dass es sich auf die Illusion bezieht, die das Ego erzeugt, wodurch ich annehmen könnte, dass mein persönliches Ich eine permanente Identität ist, die durch meinen Körper, meine Erfahrungen, meine Gedanken und Meinungen definiert ist. Wenn also Buddhisten*innen das Wort «Selbst» verwenden, beziehen sie sich auf das Phänomen, dass ein / e Schüler*in (Praktizierende) einer nicht-dualen indischen Tradition das Ego nennen würde(n). Das Wort, das Buddhisten für das verwenden, was die indischen Traditionen Selbst nennen, ist so etwas wie Buddha, Natur, Ursprüngliches Gesicht oder Grosser Geist. Wenn Du westliche Psychologie studiert hast, hat das Ego vermutlich eine ganz andere Bedeutung  –  es bezieht sich auf die Struktur, die die menschliche Erfahrung in ein kohärentes Ganzes integriert. Wenn Du Jungianer*in bist, bezieht sich das Wort «Selbst» auf das, was in Dir ist, das die menschliche Erfahrung in ein kohärentes Ganzes integriert. Wer Christ oder Jude, Hindu oder Muslim ist, hat oft eine einzigartige und besondere Beziehung zu einer gewaltigen transzendentalen Kraft namens Gott und eine ganze eigene Sprache, um über Gott zu sprechen, die für Ihre Tradition einzigartig ist. Einige dieser Sprachen werden geteilt, andere nicht. Im Folgenden einige Arbeitsdefinitionen von Begriffen, die wir normalerweise im spirituellen Diskurs verwenden, wie sie in der tantrischen Tradition des Kaschmir-Shaiva verwendet werden. 1. SELBST (ATMA): Das grundlegende Wesenhafte, das von allen Lebenden als Kern ihrer Existenz erfahren wird. Das Selbst ist in allen Wesen dasselbe. Es ist unkonditioniert  –  d.h. es kann nicht beeinträchtigt werden  –  durch Persönlichkeit oder Gedanken oder physische

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Bedingungen, auch wenn es die Grundlage unserer Existenz, unserer Persönlichkeit und unseres Denkens ist. Das Selbst hat drei grundlegende Eigenschaften: • Es existiert. • Es hat Sein. • Es ist real. Ein Wort für diese Eigenschaft des Selbst ist Präsenz  –  ein unbestreitbares Gefühl des Seins, das wir gewöhnlich für selbstverständlich halten, weil es so grundlegend ist. Das Selbst ist bewusst oder intelligent  –  es hat die Fähigkeit zu wissen, zu erfahren, bewusst oder kognitiv zu sein. Das Selbst ist von Natur aus zufrieden, glückselig. Wenn wir mit einer dieser Qualitäten in uns selbst in Berührung kommen  –  Präsenz oder Sein, Gewahrsein oder das unkonditionierte Gefühl der Glückseligkeit  –  sind wir mit dem Selbst in Kontakt. GOTT: In der Tradition bekannt als Śiva (Urgrund allen Seins), Shankara (Spender von Güte), Paramashiva (absoluter Grund), Parashakti (höchste Macht) oder Paramatma (höchstes Selbst). ICH BIN ist die unermessliche, transzendente Essenz.

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ERWACHEN

«Es ist das grundlegende Erkennen der inhärenten Substanzlosigkeit oder Leere der Person, für die Du Dich hältst, und eine radikale Verlagerung Deiner Identität vom leidenden, getrennten Selbst zum ewigen Zeugen, dem grenzenlosen Raum oder Urgrund, in dem alle Erfahrungen entstehen. Mit anderen Worten, Du erwachst aus dem Traum von Leiden und Abspaltung zum Strahlen und zur Freude Deiner wahren Natur.» Stephen Bodian

Das Wort «Erwachen» wird häufig auf dem spirituellen Weg verwendet. Es kann ebenso verwirrend, wie einfach und tiefgreifend sein, als würde man zum ersten Mal Liebe entdecken. Stephen Bodian, Psychotherapeut und spiritueller Lehrer, rät: «Jede Erfahrung kann ein Erwachen sein, wenn sie Dich für eine neue, zuvor nicht erkannte Dimension des Seins öffnet.» Das Erwachen, von dem wir in spirituellen Bereichen sprechen, ist dieses tiefe Aha! von dem, was Du wirklich bist, wenn Du die «falschen» Konstrukte hinter Dir lässt, für die Du Dich hältst. Diese Momente des reinen Seins, die den Sinn für die Wahrheit dessen enthalten, was Du bist, waren die Wurzel buddhistischer, tantrischer, vedischer und anderer spiritueller Praktiken. Dr. Bodian unterteilt das Erwachen in sechs Stufen. Ob es etwas ist, das wir bewusst oder unbewusst gesucht haben, wir alle suchen unser eigenes Selbst. Oder wie der Dichter Rumi es ausdrückte: «Was Du suchst, sucht Dich.»

STUFEN DES ERWACHENS SUCHEN: In

dieser Phase begegnest Du  –  entweder durch aktives Suchen oder darüber stolpern, Praktiken, die zum Erwachen führen oder darauf hindeuten. Du betrachtest Deine eigenen Überzeugungen, Du sitzt in Meditation. Deine eigene Suche kann das, was Du suchst, verschleiern oder Dich verwirren. Vielleicht erhaschst Du Funken des Erwachens, die dann wild durcheinander geraten und zu noch mehr Verwirrung führen. ERWACHEN: Dort wo Dein Suchen endet, basierend auf dem erfüllten Gefühl des Grund allen Seins (das der Ozean Deiner reinen unverfälschten Natur ist). In dieser Phase wurde das Erwachen direkt erlebt

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und erfordert nicht länger die Suche nach dem, was es ist. Wie Judith Blackstone in «The Enlightenment Process» (2008) beschreibt: «Wenn wir erleuchtet werden, erleben wir uns als leeren Raum, der sowohl unsere individuelle Form als auch alles ausserhalb unserer individuellen Form durchdringt, als Einheit.» VERTIEFUNG &

Die kontinuierliche Entfaltung der Erfahrung des ursprünglichen Dies schliesst die Erkenntnis des reinen Lichts des Bewusstseins mit ein, (Präsenz, Buddha-Geist, Bewusstsein), und dass Alle und Alles daraus bestehen. Das tiefe Verständnis, dass Subjekt und Objekt nur Iterationen derselben einheitlichen Erfahrung sind, dass alles Ausdruck des grossen erhabenen Lebensgeheimnisses ist, für das alle Konzepte und Religionen versucht haben Worte zu finden, um diese Erfahrung beschreiben.

KLÄRUNG: Einblicks.

VERKÖRPERUNG: Einigermassen

stabilisiert im erfüllten Gefühl des Seins, besteht der Prozess nun darin, diese Empfindung in den gesamten Körper zu bringen, zum Herzen und zu den unteren Energiezentren. Wenn Du dieses Gefühl von Präsenz in Dir selbst etablierst, kann es dir schwerfallen, es bei der Arbeit, in Beziehungen und im Kontinuum, dem Fluss der Welt zu verkörpern. Genau hier wollen wir dieses verkörperte Gefühl des Da-Seins stabilisieren, damit es unser Handeln in der Welt beseelt.

In Verbundenheit mit dem grossen Ganzen kannst Du nicht mehr LEBEN LEBEN: aus beschränktem Eigeninteresse handeln, sondern lebst in Harmonie mit Deiner tiefsten inneren Wahrheit. DAS ERWACHTE

BEDEUTUNG: Was

bedeutet es, einen erwachten Körper zu haben? Stell Dir die Welt vor dem Internet vor und die daraus resultierende enorme Verschiebung der globalen Vernetzung, als es verfügbar wurde und plötzlich Millionen von Menschen online kamen, was zu einer enormen Verschiebung der globalen Vernetzung führte.

Ebenso wie der Internetzugang die Gespräche auf der ganzen Welt global erweitert hat, erweitert das Erwachen unseres Körpers die Konversation unseres Bewusstseins. So wie wir uns jetzt mit Menschen auf der ganzen Welt verbinden können, von denen wir vorher nicht wussten, dass sie existieren, können wir beim Erwachen Teile von uns entdecken, von denen wir vorher nicht wussten, dass wir mit ihnen sprechen können, was wiederum unsere Palette eigener Selbst-Erfahrung erweitert. Wenn wir in den Dialog mit unserem Bewusstsein eintreten, werden wir feinfühliger und gleichzeitig anpassungsfähiger an das, was in uns und unserer Umwelt vor sich geht. Wir sind in der Lage, die Feinheiten der Erfahrung zu unterscheiden. Wir werden weniger reaktiv und sind unseren unbewussten Mustern nicht mehr so sehr

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ausgeliefert. An einem Ort zu ruhen, aus dem heraus wir handeln können und nicht in automatischen Reaktionsmustern stecken, ist eine Grundvoraussetzung dafür, im Fluss zu sein. Dieser Seinszustand schenkt uns die Wahl und Entscheidungsfreiheit, uns mit Dingen zu befassen, für die wir sonst möglicherweise keinen Raum hätten. Je mehr wir zu dem werden, was wir wirklich sind, werden wir auch zu einem Transmitter für geschicktes Handeln von einem Ort von Fluss und Klarheit aus.

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5 SCHLÜSSEL ZU EINEM ERWACHTEN KÖRPER

1. JEDER TEIL VON DIR KANN «ONLINE» GESCHALTET WERDEN Unser Körper ist eine flüssige Umgebung, die zu 70 % aus Wasser und mehr als 37 Billionen Zellen besteht. Jede dieser Zellen hat die Fähigkeit zu Bewusstsein und vibriert gleichzeitig mit einer Frequenz, die in die grössere Matrix unseres Wesens eingewebt werden kann. Bei diesem Prozess, bei dem jeder Teil von uns «online» geschaltet wird, kommt es zu einer kontinuierlichen Verschiebung des Fokus zwischen den einzelnen Teilen und der einzigartigen Resonanz, wie sich diese Teile in das Ganze integrieren. Bereiche ohne zelluläres Bewusstsein stagnieren.

Wir wissen aus der Pathologie, dass Stagnation ein Faktor ist, der zur Krankheit beiträgt. Beim Erwachen befreien wir die Stagnation und schaffen eine gesunde Gesamtheit in unserem Körper, indem wir alle unsere Anteile in den Dialog und die Kommunikation einbeziehen. Wir alle haben schon einmal erlebt, wie es sich anfühlt, einen Teil unseres Selbst wieder zu integrieren. Denke daran wie Dein Fuss einschläft, dann langsam wieder erwacht, wieder «online» geht und sich in das Ganze integriert. Ein anderes Beispiel ist, wenn Du aus einem Schlaf erwachst und Du Dich desorientiert fühlst, dann dauert es einen Moment, bis Du wieder in deiner Umgebung angekommen bist. Diese Beispiele lassen sich auf unser Ego übertragen. Es ist wie der Prozess des Umgangs mit unserem Ego. Wir anerkennen, dass es Teile von uns gibt, von denen wir wissen, dass sie schlafen und wir anerkennen gleichzeitig, dass es schlafende Teile gibt, die noch entdeckt werden müssen. Unser Körper verkörpert unser Unterbewusstsein, so bietet sich uns die Möglichkeit, mehr davon in unser Bewusstsein zu bringen, eine grössere Klarheit darüber, wer und was wir sind. Je leichter und bewusster unser Zugang zu den treibenden Kräften unseres Lebens ist, umso weniger sind wir dem ausgeliefert, was unsichtbar ist. Dies wiederum gibt uns die Möglichkeit, unser Leben so zu leben, wie wir es uns wünschen.

Schenke dem Widerstand die gleiche Gunst, die Du einem Freund an der Schwelle zu Veränderung geben würdest.

2. BEWEGEN VON EINEM PUNKT DER LEICHTIGKEIT Erinnere Dich an eine Zeit, in der Du Dich besonders wohl gefühlt hast: Als Du am Strand spazieren gingst, ein Bad genommen hast, eine Mahlzeit gekocht oder in Meditation versunken warst … Verbinde Dich mit dieser Erfahrung. Dort findest Du den wohlwollenden, völlig offenen Grund allen Seins, der dieselbe liebevolle Kraft hat, die Dich zu einem erwachsenen Mensch hat werden lassen. Milliarden von Zellen haben sich problemlos in verschiedene unvorstellbar komplexe und dennoch

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DAS FUNDAMENT

perfekte Systeme entwickelt. Noch bevor Du ein Wort sprechen konntest, haben diese Systeme bereits hervorragend miteinander interagiert und funktioniert. Dieselben Kräfte, die Sterne, Planeten und gigantische Galaxien zum Explodieren brachten, waren es auch, die das gesamte Tierreich aus einer suppigen Masse von Zellen erschaffen haben. Sie haben sich selbst als Quallen, Mantas, Muränen  –  und als Dich organisiert. Sie haben niemals nicht gelebt. Sie haben immer existiert. So wie Du. Entspannst Du Dich, so kann Dein System am Besten arbeiten, damit Du am Leben bleibst. Leichtigkeit ist der Prozess, einfach sein zu lassen was ist. Denk an die Leichtigkeit, mit der ein Baum wächst. Ein Schmetterling der in den Luftströmungen schwebt. Eine Blume, die sich zur Morgensonne öffnet. Wenn wir uns auf etwas versteifen, abgelenkt werden oder im Autopilot operieren, können wir uns zu einer Art des Seins entwickeln, die eng und zusammengezogen ist anstatt weit und ausgedehnt. Auf diese Weise schaffen wir eine grössere Trennung von unserer Bestimmung. Auf diese Weise bringen wir uns um die direkte Erfahrung des Selbst. Meditieren wir oder praktizieren wir Asana mit einer solchen Unersättlichkeit, setzen wir das Erleben der Feinheiten vollkommen ausser Kraft. Wenn wir mit Leichtigkeit einer Erfahrung begegnen, ermöglicht dies, dass sich diese Erfahrung in ihrer Fülle entfaltenkann. Widerstand ist Teil des Prozesses zu erwachen und eine Gelegenheit, mit den Ursachen im Dialog zu stehen, die unsere Leichtigkeit verhindern. Schenke dem Widerstand die gleiche Gunst, die Du einem Freund an der Schwelle zu Veränderung geben würdest.

3. DU BIST DIE INTENTION DEINER PRAXIS  –   DU BIST WAS UND WIE DU PRAKTIZIERST Studien zeigen, dass das tägliche Üben von etwas für 20 Minuten die Grundlage für Veränderungen bildet. Die kontinuierliche Praxis prägt die Art und Weise, wie wir unser Leben leben. Die Art und Weise, wie wir üben, färbt wiederum, welchen Abdruck wir hinterlassen. Wenn wir zum Beispiel für 20 Minuten am Tag Asana üben, wird unser Bewegungsspielraum grösser und die Reichweite unserer Mobilität ändert sich. Jedoch verhält es sich anders, wenn ich 20 Minuten am Tag mit der Intention üben würde, mein Asana-Spektrum zu erweitern, um die Person neben mir im Unterricht zu beeindrucken. Dann wäre die Qualität der Bewegung anders als wenn ich den Fokus auf das Finden der Leichtigkeit legen würde. Während wir also jeden Tag 20 Minuten lang dieselbe Übung machen, ist das, was die Übung auszeichnet, die Absicht oder Intention. Um die Absicht oder Intention, Dein Leben mit Freude zu leben zu verkörpern, stelle Dir die entscheidende Frage: Was ist Freude? Und wie fühlt sich Freude in meinem Körper an? Gibt es eine Erinnerung oder ein Symbol, das dieses Gefühl jetzt in mir hervorrufen kann? Kannst Du es zulassen, dass sich dieses Gefühl in Deinem Körper ausbreitet, während Du Deine 20-minütige tägliche Asana-Übung durchführst? Ganz plötzlich werden so die Asanas zu einem Gefäss, in dem Du Deine Absichten tiefer erleben, erforschen und integrieren kannst.

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4. WACHSE UND HÖRE AUF DEINE INTUITION: Wir alle sind hier, um herauszufinden, was wir in unserem Leben erschaffen möchten. So viele Anteile es von uns gibt, ebenso viele Stimmen sind in uns, die ihre Wünsche ausdrücken möchten. Unsere Intuition, unser inneres Bauchgefühl ist unser Kompass für unsere Handlungen im Leben. Unsere intuitiven Anteile werden intelligenter, sobald wir ihnen Aufmerksamkeit schenken und ihnen zuhören. Je mehr wir auf unser inneres Wissen hören, umso mehr wird es online gehen, um uns zu unterstützen. Wenn wir unsere Intuition ignorieren, werden sich andere Teile unseres Körpers in den Vordergrund drängen, um zu sprechen und mit unserer Intuition zu konkurrieren, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Diese anderen Teile werden immer lauter, um gehört zu werden. Die zum Schweigen gebrachten Anteile werden in der Anstrengung ihres Versuchs gehört zu werden, so sehr erschöpft, dass das zu Schmerzen und Krankheiten führen kann. In «Embodied Flow» betrachten wir Yoga als eine Plattform, die den unbewussten Botschaften des Körpers Zeit und Raum gibt, ihre Stimme zu entfalten und gehört zu werden. Auf die gleiche Weise löschen wir alte oder unnötige Informationen wie auf einem Computer, um genügend Speicherplatz für neue Informationen und einen effizienteren Ablauf zu schaffen. Wenn die Botschaften unseres Körpers gehört werden, wird der Raum, den sie zuvor eingenommen haben, frei, um präsent und wach zu werden für das Hier und Jetzt. Im Fluss zu sein, wie Adyashanti sagt, bedeutet, «der inneren Aufforderung zu folgen», mit dem ganzen Körper-Instrument zuzuhören.

5. VON DEM ORT DER NEUGIER AUS HANDELN Bist Du ganz und gar in der Neugierde und handelst von diesem Ort in Dir, wird die ganze Welt zu einem Labor, in dem wir uns tiefgehend mit dem Leben auseinandersetzen. Es gibt so viel zu experimentieren: Die Welt endet nicht mit Deinem Körper  –  es ist ein Kontinuum aus Zeit, Raum und physischem Material. Es gab Dich in dieser, Deiner «Ausführung» noch nie zuvor  –  ein Teil Deiner Reise besteht darin, zuzuhören, was Du brauchst. Da es keinen absoluten Weg zum Erwachen gibt, ist die Richtung, in die Dich Dein Körper führt, eine wichtige innere Aufforderung, um zuzuhören. Es geht nicht nur um Yoga, Meditation oder das richtige Essen – Tanz, Sport, Kultur, Sprache und viele weitere Bereiche können Dir dabei helfen, Deine Neugierde auszuleben, zu erforschen und Deine Ausrichtung und Bestimmung in der Welt zu kultivieren. Es ist wichtig anzuerkennen, dass alles auf eigene Art und Weise zu seiner eigenen Essenz des Erwachens führt. Es ist ein erstaunlicher Entdeckungsprozess, und je mehr wir aufwachen, desto besser ist unser Forschungslabor ausgestattet.

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DAS FUNDAMENT

UNTERSUCHUNG & FORSCHUNG

Mit der Embodied-Flow-Methode fördern wir die Auseinandersetzung mit dem laufenden Gespräch zwischen wissenschaftlicher Forschung und Yoga sowie mit den Fragen, die sich aus dieser Auseinandersetzung ergeben. ZUM BEISPIEL: • Sind

die klassischen Texte für bare Münze zu nehmen? Unterstützt die Forschung die klassischen Perspektiven? Was ist die Brücke zwischen Forschung und Philosophie? • Was ist Wissen & was ist Weisheit? • Diese Fragen leiten unser Streben, die Brücke zwischen Wissenschaft und Yoga zu identifizieren. Es ist deutlich geworden, dass Wissen als Aussagen der Beobachtung beginnt und zur Weisheit wird, wenn die Verkörperung die persönliche Erfahrung und deren Ausdruck ist. Traditionell versuchen Wissenschaftler, Erkenntnisse zu einem grösseren Netzwerk von Aussagen zusammenzufügen. Die primäre Funktion der Wissenschaft ist Erklärung und Vorhersage. Auf der anderen Seite ist die primäre Funktion von Embodied Flow die Erforschung und Nutzung. Es entsteht ein Netzwerk der Weisheit. Die Embodied-Flow-Praxis dekonstruiert den Prozess, wie wir in unseren Studierenden Verkörperung evozieren. Mit anderen Worten, sie beleuchtet den Prozess der Führung der Studierenden von einem Ort des Wissens zu einer Erfahrung der Weisheit. • Was

ist Wissenschaft? ist Verkörperung? • Was ist Entdeckung? • Was

ZIELSETZUNGEN • Das

durch die Forschung erworbene Wissen zu nutzen und es durch die Linse der Erfahrung zu untersuchen • Den Körper-Geist als lebendiges Laboratorium zur Untersuchung von Fragen nutzen • Das Gespräch über Yoga vertiefen und erweitern, um sowohl moderne wissenschaftliche Daten als auch alte Weisheiten einzubeziehen und Wege zu finden, diese zu verkörpern • Den Prozess des Erwachens und Wiederaufbaus in einer selbstbewussten, zugänglichen Weise zu dekonstruieren

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EMBODIED FLOW TEACHER AUSBILDUNG: GRUNDLAGEN Der Wert der Embodied-Flow-Forschung • Sammelt

wissenschaftliches Material an und integriert es mit Yoga eine Art und Weise, Muster zu sehen, und dekonstruiert Erfahrung, während das Individuum in die Lebensphilosophie des Yoga einbezogen wird • Erweitert unsere Wahrnehmung, entwickelt Demut um die tiefe Matrix des Universums und beleuchtet die Macht, die wir als Vermittler haben • Schafft

VERGLEICH DER TRADITIONELLEN METHODIK MIT EMBODIED FLOW METHODIK Mahatma Gandhi sagte einmal: «Es gibt so viele Religionen wie es Individuen gibt.» Ebenso gibt es so viele Realitäten wie es Menschen gibt. Auf diese Weise können wir nur unsere eigene Wahrheit erforschen und untersuchen, wie sie mit den Wahrheiten der Menschen um uns herum in Resonanz steht. Wissenschaftliche Forschung ist das Gespräch und der Prozess der Untersuchung mit den Mustern der Natur. Zu den zahlreichen Forschungsmethoden gehören qualitative, quantitative, phänomenologische usw. Jede Methode bietet eine andere Art der Datenerhebung und -verarbeitung in der Hoffnung, «Wahrheiten» in der Welt, in der wir leben, zu identifizieren. TRADITIONELLE METHODE:

zielorientiert, falsifizierbar, messbar, muss replizierbar sein

• STELLE DIR EINE FRAGE:

Die Frage wird aus einer Beobachtung abgeleitet (z.B. warum ist das Gras grün?). • SAMMLE DATEN: Wählen Sie eine Forschungsmethode und lesen Sie, was veröffentlicht wurde. • EINE HYPOTHESE AUFSTELLEN: Bilde dir eine Meinung auf der Grundlage der bei der Formulierung der Frage erhaltenen Informationen. • TESTE: Führe Experimente durch, um festzustellen, ob die Vorhersage wahr ist oder nicht. • ANALYSIERE: Stelle fest, was die Ergebnisse des Tests gezeigt haben. EMBODIED-FLOW-METHODE: prozessorientiertes Lernen • ZEUGEN / BEOBACHTER:

Ein Zustand des «Seins», die Präsenz in den Zustand der Einheit verbinden, vor Objektivität und Subjektivität • FORMULIERE EINE FRAGE: Was stimuliert deine Neugierde? Welches ist die aktuelle Diskussion um diese Frage? Wie entwickelt sich die Frage weiter?

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DAS FUNDAMENT

• DEFINIERE DEN INHALT:

Was ist der Schwerpunkt? Was ist das Material? • DEFINIERE EINEN CONTAINER / BEHÄLTER:

Den Inhalt einrahmen • ENTDECKE MIT AUSDRUCKSMITTELN:

Tanz, Asana, Schreiben, Malen, Musik oder anderen Werkzeugen die Verkörperung erwecken • AKTIVES BEZEUGEN: Auf das Ganze beziehen • IDENTIFIZIERE THEMEN / MUSTER: Rahme diese Informationen für zukünftige Verwendungen ein. Bei dieser Embodied Flow Methode stützen wir uns auf das Gruppenfeedback als eine Möglichkeit zur Vertiefung und Klärung des erforschten und untersuchten Materials. Der Geist der Gemeinschaft kann helfen, die Wahrheit des untersuchten Materials zu erkennen.

Elemente, die es unterstützen, im Forschungsmoment präsent zu bleiben • Neugierig bleiben • Ehrlich zu seiner eigenen Wahrheit sein und offen für die Wahrheiten anderer • Lasse dich überraschen

Elemente, die Dich aus dem gegenwärtigen Forschungsmoment herausnehmen • Festhalten an den Überzeugungen, an denen Du bereits festhältst • Festhalten an dem, was man Dir gesagt hat (von den Autoritäten) • Zu einer Schlussfolgerung kommen, bevor Du sie gründlich untersucht hast

Peer-Feedback anbieten In einer Gruppen-Lernsitzung stellte sich Bonnie Bainbridge Cohen dies als den idealen evolutionären Prozess vor (vorgestellt in einem Teacher Training,, 2001):

Kreatives Feedback Rückmeldungen erhöhen das Entdeckungspotential sowohl der Vortragenden als auch der Teilnehmenden, indem sie verifizieren, was funktioniert und erhellen, was weiter entwickelt werden könnte. Konstruktives Feedback ist ein wichtiger Weg, um herauszufinden, wie unsere Forschung und unsere Angebote in der Gruppe aufgenommen werden. Das folgende Feedback-Response-System, das aus Liz Lermans kritischem Antwortprozess (2003) adaptiert wurde, ist ein Dialog zwischen der / dem Moderator*in und den Teilnehmenden, der ein hohes Mass an kreativem Feedback ermöglicht: • PHASE 1:

Die Teilnehmenden teilen dem / der Vortragenden mit, was sie in der Lehre / im Angebot für sinnvoll hielten • PHASE 2: Der / die Moderator*in fragt die Teilnehmer *innen: «Welche Fragen habt ihr aus der Klasse / Angebot?»

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• PHASE 3: Die

Teilnehmenden stellen dem / der Moderator*in Fragen, die sie aus dem Angebot haben • PHASE 4: Die Teilnehmenden können positives Feedback geben, gefolgt von Punkten, die erweitert werden könnten oder eine Richtung sein könnten, in die die Präsentation weiter ausgebaut werden sollte.

Umgang mit Feedback • Das grösste Geschenk, das Du jemandem machen können, ist, sein / ihr Feedback nicht zu Deiner Geschichte zu machen. • Erlaube der Person, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Rückmeldungen helfen uns zu entdecken, wie verschiedene Menschen unterschiedlich auf Material reagieren, und zu verbessern, wie wir mit einer Reihe von Menschen kommunizieren können, die auf vielfältige Weise lernen und Erfahrungen machen.

Unterstützung in der Gruppe • In einer Unterrichtssituation trägt der / die Moderator*in die Gesamtverantwortung für die Unterstützung der Teilnehmer*innen, der Gruppe als Ganzes und des zu präsentierenden Materials. • Wenn die Teilnehmer*innen sich selbst unterstützen, kann sich der / die Vermittler*in mehr auf die Gruppe konzentrieren. • Wenn die Teilnehmer*innen sich selbst und die Gruppe unterstützen, kann sich der / die Vermittler*in mehr auf das Material konzentrieren. • Wenn die Teilnehmer*innen sich selbst, die Gruppe und den / die Moderator*in unterstützen, wird jede(r) mit dem Material zum Teilnehmenden; wir alle beginnen, uns gegenseitig zu informieren und das Material zu erstellen.

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alchemy in motion salome noah caruso & andy j. bartneck c/o noa:yoga, luftgässlein 4, 4051 basel www.alchemyinmotion.yoga