Andechser Bergecho

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Aus Kirche und Kloster

Von der Liebe und Großzügigkeit Gottes Eine Einführung ins Lukas-Evangelium

Nur das Lukas-Evangelium gibt am Anfang seiner umfassenden Darstellung von Leben und Wirken, von Leiden und Auferstehung Jesu einen Adressaten an, Theophilus. Seine Fortsetzung findet es in der Apostelgeschichte, die schildert, wie sich die Botschaft Jesu im Leben der jungen Kirche auswirkt und die Welt erobert. Abt Odilo führt in das Lukas-Evangelium ein, das im Mittelpunkt dieses Kirchenjahres steht.

S

o sehr sich in diesem Evangelium also ein geschichtliches Interesse und eine schriftstellerische Absicht äußert, so wird doch zugleich deutlich, dass es sich beim Christentum nicht um eine Buchreligion handelt, sondern um ein Ereignis in der Geschichte, das für die Menschen damals wie für alle folgenden Generationen Heilsbedeutung hat. Dieses Ereignis wird weitererzählt und im Hören aufgenommen. Auch wir dürfen, wenn wir das Lukasevangelium hören, uns angesprochen fühlen als ein Theophilus, als von Gott Geliebte. Von der Zuverlässigkeit dieser Botschaft will uns Lukas überzeugen. Die Abfassung des dritten Evangeliums fällt wohl in die Jahre 80 bis 90. Die altkirchliche Überlieferung identifiziert seinen Verfasser mit »dem Arzt Lukas, unser lieber Freund« des Kolosserbriefes (Kol 4,14), also einem Mitarbeiter des Paulus. Worauf sollten wir bei Lukas besonders achten? Charakteristisch ist für ihn die Betonung der Barmherzigkeit Gottes, der Liebe Jesu zu den Verlorenen. Das 15. Kapitel hat

man darum mit Recht als das »Evangelium im Evangelium« bezeichnet. Die Freude über das Finden des Verlorenen (des Schafes, der Drachme) wird besonders deutlich in der Freude des Vaters über den wieder gefundenen Sohn. Die Gleichnisse sollen uns dazu anregen, uns selber betroffen zu fühlen: hier im Elend, in der Entfremdung des jüngeren Sohnes, der die unbegreifliche Entlassung in seine eigene Freiheit erfahren hat und in der äußersten Not zu sich zurückfindet und der dann die volle Liebes- und Festgemeinschaft mit dem Vater erfährt. Aber wir dürfen uns auch von dieser Großzügigkeit Gottes umwerben lassen, wenn wir wie der ältere Sohn draußen stehen bleiben, nicht hineingehen wollen in die unendliche Weite Gottes, die immer größer ist als unsere eigenen Vorstellungen. Die Auslegung des Hauptgebotes der Liebe durch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter macht deutlich, worauf es ankommt: auf die Tat der Barmherzigkeit, auf das Mitleiden und Mitfühlen, auf die Über-

windung der Gleichgültigkeit des Vorübergehens (Lk 10,30 –37). Lukas hat einen großen Teil seines Evangeliums als Weg beschrieben, als Reisebericht der Pilgerschaft zur Vollendung in Jerusalem (Lk 9,51–19,27). Es ist der Pilgerweg zum Paschafest, das zum eigentlichen Lebensziel Jesu wird. Für Lukas ist dies in besonderer Weise der Weg des Leidens. Dass der Messias, der Befreier seines Volkes, identisch mit dem leidenden Gottesknecht des Jesaja ist, dass Jesu Weg so schon in den Schriften des Ersten Bundes vorgezeichnet ist, dass dies aber den Jüngern unverständlich bleibt, betont Lukas in besonderer Weise. Es bedarf schließlich noch des Weges des Auferstandenen nach Emmaus, damit die Jünger »glauben, was die Propheten gesagt haben« (Lk 24, 25). Dieser Weg Jesu braucht Weggefährten. Von den Nachfolgeworten Jesu sind auch wir betroffen. Es bedarf der entschiedenen Nachfolge, um das Wort Jesu »Folge mir nach« aufzunehmen. Diese Entschiedenheit


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