Alpenpost 16 2008

Page 17

Drei Charaktere - ein genius loci Das Ausseerland erinnert sich heuer anlässlich ihrer 100. Geburtstage dreier großer Österreicher: des Dirigenten Herbert von Karajan und der beiden Schriftsteller Friedrich Torberg und Hans Weigel. Für Torberg wird in seinem geliebten Altaussee heuer noch ein Gedenkstein errichtet. VIA ARTIS-Tafeln erzählen dort seit geraumer Zeit vor seinen verschiedenen sommerlichen Wohnsitzen, von seinem Leben und Wirken. Für Karajan und Weigel stellt die Kulturelle Arbeitsgemeinschaft Grundlsee in Zusammenarbeit mit dem Narzissenfest Verein zwei neue VIA ARTIS-Tafeln auf. Die für Herbert von Karajan finden Sie vor der beschilderten Villa Karajan in Mosern, oberhalb des Kaiserlichen Stalles. Die für Hans Weigel ist etwas versteckter: Sie steht im Gaiswinkl an der schmalen Straße, die im Kreuz gegenüber dem Gabillon-Haus von der Seeuferstraße bergwärts abzweigt. Lutz Maurer und Franz Neumayr begaben sich auf eine Spurensuche in Grundlsee.

Schriftsteller, Übersetzer, Kritiker Hans Weigel Am 12. August um 20 Uhr findet beim Veit in Gössl die Lesung der Grundlseeliebhaberin Elfriede Ott statt. Elfi Ott, die Kammerschauspielerin, bekannt durch unzählige Theater- und TV-Rollen, Kabarettabende und Bücher, Professorin und Lehrerin einer ganzen Schauspielergeneration, geadelt durch die Bezeichnung „Volksschauspielerin“, eine „wienerische, eine österreichische Institution“ eben! „Andere zum Lachen zu bringen, hat nichts mit der Befindlichkeit der eigenen Seele zu tun“ schreibt sie in einem ihrer Bücher. Aus allen aber spricht zwischen den Zeilen wie bei vielen Komödianten Nachdenklichkeit, oft auch Trauer einer verletzlichen Seele. „Für die Seele und zum Auftanken komme ich immer wieder an den Grundlsee; ich habe ihn durch meinen Lebensmenschen, den Hans Weigel kennen und lieben gelernt!“. Hans Weigel, der bekennende Grundlseer und damit das Pendant zum glühenden Altausseer Friedrich Torberg, wäre wie dieser heuer 100 Jahre alt geworden. „Man sagt, der Grundlsee wäre düster und kalt“ schrieb Weigel in seinem Buch „Oh du mein Österreich“ über seinen See. „Man sage es! Schon dass ich einiges wenige des großen Geheimnisses preisgegeben habe, reut mich. Denn es könnte sein, dass der Grundlsee allzu sehr unter die Leute kommt und so seine Besonderheit verliert, die da heißt: Einsamkeit. Ich liebe den Grundlsee so sehr, dass ich es jahrelang vermied, ihn wiederzusehen.“ Der Theaterkritiker und Schriftsteller wurde am 29. Mai 1908 in Wien geboren. Er besuchte das Akademische Gymnasium, inskribierte zunächst Jus in Hamburg – in Deutschland machte er im Jahre 1927 auch seine ersten literarischen Versuche – und kam 1928 nach Wien zurück. Dort arbeitete er vorerst in einem Buchverlag. In den Dreißigerjahren wurde er zum Mitautor an Wiener Kleinkunstbühnen, eine Tätigkeit, die er bis 1938 ausübte. Während des Krieges hielt sich Weigel im Schweizer Exil auf, wo er für Kabaretts sowie als Verlagslektor arbeitete. Nach Kriegsende kehrte er

bald nach Österreich zurück und begann 1946 seine Tätigkeit als viel beachteter Theaterkritiker. Schon in jungen Jahren war Weigel, wie seinen frühen Briefen

das ein Erdteil für sich, über Grundlsee, das eine Welt für sich ist …“ Hans Weigel gehörte eben seit Kindestagen zu dieser Welt, so wie Friedrich Torberg zum Erdteil

zu entnehmen ist, zur Sommerfrische oft am Grundlsee gewesen. Leider sind seine Wohnorte von damals nicht mehr eruierbar. Wohl aber seine späteren Aufenthalte im Grundlseer Haus der Schauspielerin Jutta Bornemann. Nur wenige wissen noch, dass Bornemann auch Texte für die Glanzzeit des Wiener Kabaretts nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb und ihr gastfreundliches Haus deshalb für Gerhard Bronner, Carl Merz, Peter Wehle und eben auch Hans Weigel zum sommerlichen Refugium wurde.

Altaussee. Berühmt wurde Weigel neben seinen Theaterkritiken auch als Förderer jüngerer österreichischer Autoren. So gilt er beispielsweise als Entdecker von Ingeborg Bachmann. Durch die 1951 bis 1954 herausgegebene Anthologiereihe „Stimmen der Gegenwart“ bot er jungen Schriftstellern ein Publikationsforum. Zu diesen jungen Literaten gehörte auch der viel zu früh verstorbene Herbert Zand aus Knoppen. „Herbert Zand, verheiratet, lebte auf dem Bauernhof seiner Eltern und war in jeder Hinsicht nicht rustikal. Groß, still, nach innen gekehrt, scheu, zögernd, blaß.“ – Hans Weigel in seinem Nachruf auf den zu früh verstorbenen Dichter. „Ein verhaltenes Leuchten – ich kann´s nicht anders sagen – ging von ihm aus. Er wirkte nicht dörflich, nicht steirisch, er sprach ohne Dialekt-Anklänge. Wir schlossen Freundschaft an diesem Mittag, unsere Sympathien waren leise wie alles, was von ihm kam. Er kam nach Wien und saß an unserem Tisch im Café Raimund. Jedesmal, wenn er erschien, sangen wir, quasi als Flüsterchor: „Gott erhalte, Gott beschütze unsern Kaiser, unsern Zand.“ Er winkte beschwichtigend ab, aber es freute ihn.“ Weigel setzte sich auch dafür ein, dass Zand für seinen Roman „Letzte Ausfahrt“ den großen

Der Talentscout In seinem Buch schrieb Weigel weiter: „Altaussee und Grundlsee: keine Orte, keine Täler, keine Kessel, keine Gebiete, sondern Weltanschauungen und als solche einander natürlich feindselig. … Es ist an dem (würde Hofmannsthal sagen, der zur Ausseer Partei gehörte), dass die Beziehung zu diesen Dörfern und Seen weit über die flüchtige, widerrufliche des Sommergasts hinausgeht, es ist Liebe, Verfallensein, unauflösliche Bindung, die uns an diese selbstgewählte zweite Heimat kettet, und wer nicht teil hat daran seit jeher, der fühlt sich hier fast wie ein Eindringling, wie ein ungebetener Zeuge des Familienlebens. Es wäre viel zu sagen über Altaussee,

Österreichischen Staatspreis erhielt. „Sein reifstes Werk, die Erzählung „Der Weg nach Hassi el emel“, dem „Alten Mann“ des überschätzten Hemingway verwandt, aber meiner Überzeugung nach überlegen, war eines seiner letzten werke.“ Weigel erkannte auch früh das Talent von Alfred Komarek: „Der unbestrittene Meister des Feuilletons in diesem Jahrhundert war Alfred Polgar. Ein kluger Kollege nannte ihn „Marquis Prosa“. Von diesem Adelsgeschlecht ist auch Alfred Komarek. Als Alfred Polgar starb, nannte ich ihn meinen Nekrolog den „letzten Ritter des Feuilletons“. Ich bin glücklich darüber, dass ich mich damals geirrt habe.“ Der so Geadelte war auch einer der letzten Besucher von Hans Weigel in seinem MariaEnzersdorfer Quartier: „Er wusste von meinem Besuch in MariaEnzersdorf, kam mir entgegen mit seinen dicken Brillengläsern – er sah ja damals nicht mehr sehr gut – und begrüßte mich mit den

Als Journalist ein Literat - als Literat ein Journalist: Hans Weigel.

Worten „Ich kann Sie nicht mehr sehen, aber schiacher als ich können Sie auch nicht sein!“, um mir dann zu erzählen, dass er gerade an einem Buch arbeite, dessen Drucklegung er wahrscheinlich nicht mehr erleben würde.“

Columbus entdeckt den Grundlsee „Seltsam sind die Ortsnamen“ schrieb Weigel über seinen See: „Im Kreuz“, „Im Schachen“ nennen sich die Häusergruppen an dem einen ureinsamen Ufer, noch einsamer bist du am anderen Ufer, wo die Siedlung „bei den Wienern“ liegt. Am fernen Ende erstreckt sich das „Gößl“, da bist du so weit fort vom Ort Grundlsee, als läge ein 17


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Alpenpost 16 2008 by Alpenpost Redaktion - Issuu