Reihe: Fast vergessene Verdener Geschäfte Carl Müller Eisenwaren befand sich über 100 Jahre in der Großen Straße Gleisanschluss für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte verfügte. Einige seiner Erfindungen wurden durch Patente geschützt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Fertigung in der Betriebsstätte jedoch aufgegeben und der Schwerpunkt dort auf den Handel mit Landmaschinen gelegt.
Verden (ahk). 134 Jahre, von 1842 bis 1976 war die Firma Carl Müller ein bedeutendes Handelsunternehmen in Verden. 1842 wurde die Firma von dem damals 26-jährigen Verdener Carl Hermann Heinrich Müller gegründet. Das Gemischtwarengeschäft befand sich in der Großen Straße 5 (heute Apotheke am Rathaus). Aus bescheidenen Anfängen entwickelte sich im Laufe von drei Generationen eine bedeutende Großhandlung mit zahlreichen Bedarfs- und Gebrauchsartikeln der Landwirtschaft, des Handwerks und des Haushalts. Die Firma Carl Müller war schließlich weit über die Grenzen Niedersachsens hinaus bekannt. Thomas Müller ist der Ur-Ur-Enkel des Firmengründers. Bei sich zu Hause hat er noch viele Unterlagen und Bilder, die von der Geschichte des erfolgreichen Unternehmens erzählen. Zu Spitzenzeiten waren dort rund 160 Mitarbeiter beschäftigt. Neben einer Festschrift zum 125-jährigen Jubiläum der Firma 1967 besitzt Müller auch Musterbücher, die einen Überblick über das Warensortiment der Firma geben. Das Älteste stammt aus dem Jahr 1908. Auch handgeschriebene Rechnungen, die Anfang des 20. Jahrhunderts ausgestellt wurden, befin22
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den sich in seinem Besitz. Sein Bruder Ernst überließ dem Heimatmuseum 1991 eine alte Nähmaschine, deren Untergestell um 1905 in der Firma gebaut wurde und das geschmiedete Firmenzeichen „Carl Müller/Verden“ trägt. Daneben überließ Müller dem Museum unter anderem auch das Hauptbuch mit der dazugehörigen Hauptkladde, die noch aus der Gründungszeit der Firma stammen. Im Hauptbuch wurden von 1841 bis 1862 alle Warenein- und -verkäufe der Firma verzeichnet. Als der Firmengründer sein Geschäft nach fast 30-jähriger Tätigkeit 1871 an seinen Sohn Carl Georg Müller übergab, stand die Firma sehr gut da. Carl Georg Müller hatte als junger Kaufmann mehrere Jahre in Amerika verbracht und dort neuzeitliche Vertriebsformen und Fertigungsmethoden kennengelernt. Dieses prägte die Weiterentwicklung der Firma in den folgenden Jahren entscheidend. Neben dem Einzelhandel entwickelte er einen Großhandel für die Erfordernisse des Handwerks und Haushalts. Da er selbst einen Bauernhof besaß, berücksichtigte er auch den Bedarf der bäuerlichen Betriebe. Er richtete eine Reparaturwerkstatt für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte ein, der später auch eine Abteilung für die Herstellung eiserner Geldschränke
Foto: Fam. Müller
angegliedert wurde. „Einer dieser Schränke steht heute noch im Ortschaftsbüro Dauelsen“, erzählt Thomas Müller. Als die industrielle Fertigung an Bedeutung gewann, stellte Carl Georg Müller diese Sparte jedoch wieder ein. Müller wandte sich vermehrt dem Großhandel zu, wobei er das Warensortiment erheblich erweiterte. In 12 Jahren seiner Geschäftsführung gelang es ihm, den Umsatz fast zu verdoppeln. 1906 trat sein ältester Sohn Kurt Müller als Teilhaber in die Firma ein, 1913 wurde auch der jüngste Sohn Ernst Müller in das Geschäft aufgenommen. Nach seiner Einarbeitung zog sich Carl Georg Müller aus der Firma zurück. Als Ernst Müller im Ersten Weltkrieg fiel, wurde Kurt Müller alleiniger Geschäftsinhaber. Die bis 1923 andauernde Inflationszeit fügten der Firma schwere Verluste zu. Mit dem Aufblühen der Wirtschaft folgte jedoch der erneute Aufstieg. Kurt Müller gründete eine Fabrikationsabteilung an der Lindhooper Straße, die über einen
Foto: ahk
Vom Gemischtwarenladen zur bedeutenden Großhandlung: Carl Müller Eisenwaren in der Großen Straße 5.
1938 bzw. 1947 traten seine Söhne Carl und Kurt in die Firma ein. Der Seniorchef schied 1958 aus dem Unternehmen aus. Carl Müller übernahm die Leitung der Firma, während sein Bruder Kurt die Abteilung Landmaschinenhandel leitete. Karl Müller ist der Vater von Ernst, Thomas und Gabriele. Die Geschwister sind in Verden wohnhaft geblieben und erinnern sich noch gut, wie es damals aussah. Der Gebäudekomplex erstreckte sich bis in den Piepenbrink. Dort war die Einfahrt zu einem vierstöckigen Lagerhaus, das in den 30er Jahren in die alte Bausubstanz eingefügt worden war. Das Erdgeschoss des mächtigen Zweckbaues wird heute vom „Sporthaus Verden“ genutzt. „In der Großen Straße 3 befand sich das Wohnhaus, daneben war das Ladengeschäft. Im Innenhof befand sich das Lager. Es war ein toller Spielplatz für uns Kinder. Wir sind im Lager herumgetobt und konnten uns dort verstecken“, erinnert sich Thomas Müller.“ 1976 wurde die Firma Carl Müller nach einem Vergleichsverfahren liquidiert.
Thomas Müller zeigt ein Bild der Firma aus dem Jahr 1872