Bitte Vergiss Mich Nicht

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WERNER JANSSEN

“B I T T E, V E R G I S S M I C H N I C H T ...”

ERZÄHLUNGEN / BETRACHTUNGEN VON WERNER JANSSEN GEDICHTE VON HEINZ HOF ZEICHNUNGEN / GEMÄLDE VON RAFAEL RAMÍREZ



“W I D M U N G” Ich möchte dieses Buch mit Texten und Zeichnungen „gegen das Vergessen“ jenen jungen Leuten des EURIADE-Projektes „Jugend im Dialog“ widmen, die im vergangenen Jahr das Gedenken der Reichspogromnacht miterlebten. Sie zeigten sich beim Gebet im „Klösterchen“ in Herzogenrath, bei der Beteiligung an dem anschließenden „Schweigemarsch“ sowie beim Lesen der Gedichte in allen möglichen Sprachen beim Mahnmal vor dem Rathaus in Herzogenrath tief bewegt! Diesen Jugendlichen und der Jugend überhaupt möchte ich wünschen, dass sie auf der Basis einer Vergangenheit, deren man sich immer bewusst sein sollte, ein Leben des Dialogs mit dem Anderen finden… Es gilt vor allem der Stadt Herzogenrath Dank zu sagen, weil sie den jungen Menschen diese „Begegnung“ mit jener finsteren Zeit unserer Geschichte so ermöglichte, dass sie sich ganz konkret und damit einfühlsam beteiligen konnten… Der Erlös des Buches soll dem Projekt „Jugend im Dialog“ zur Verfügung stehen, welches jedes Jahr im Rahmen des Internationalen Kultur und Wissenschaftsfestivals EURIADE durchgeführt wird! Werner Janssen

Bitte, vergiss mich nicht

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HINWEIS

Übersetzungen in Englisch, Französisch, Hebräisch, Niederländisch, Russisch, Spanisch … Im Anschluss an die Texte in Deutsch sind – je nach Auswahl bzw. Vorliebe der Übersetzer – die Übersetzungen immer sofort an die betreffende deutsche Vorlage angehängt. So könnte es sein, dass etwa einem deutschen Gedicht keine, eine oder mehrere Übersetzung(en) in den anderen Sprachen folgt. Der Umfang des Buches hat dabei auch eine Rolle gespielt. Ich musste die Übersetzer bitten, eine Auswahl aus ihren Übersetzungen zu treffen! Somit steht die Thematik dieses Buches auf jeden Fall einer internationalen Leserschaft mehr oder weniger zur Verfügung!

AANWIJZING

Vertalingen in het Engels, Frans, Hebreeuws, Nederlands, Russisch, Spaans … Aansluitend op de Duitse teksten staan – naar de keuze of de voorliefde van de vertaler – de vertalingen van het Duitse origineel. Dus kan het gebeuren dat er op een Duits gedicht geen, een of verschillende vertalingen in de genoemde talen staat. De omvang van het boek heeft daarbij ook een rol gespeeld. Ik zag mij genoodzaakt de vertalers te verzoeken een keuze uit hun vertalingen te maken. Op deze wijze is de thematiek van dit boek in ieder geval voor een internationaal lezerspubliek min of meer toegankelijk.

ADDITIONAL

NOTICE

to the translations in English, French, Hebrew, Dutch, Russian, Spanish ... Some of the German texts - according to the preferences and choices of the respective translators - have been translated into different languages. Thus it is possible that one German poem is followed by one or several translations - or by none. The length of the book has been of some relevance, too, so I asked the translators

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Werner Janssen

“B I T T E, V E R G I S S M I C H N I C H T ...” ERZÄHLUNGEN / BETRACHTUNGEN VON WERNER JANSSEN GEDICHTE VON HEINZ HOF ZEICHNUNGEN / GEMÄLDE VON RAFAEL RAMÍREZ

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INHALT Zum Umschlag

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Einführende Betrachtung

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Gedichte

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Auschwitz

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Drähte der Verzweiflung

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Ankunft

39

Gefrorene Rose

45

Du Gingst

51

In der Enge

57

Stille

59

Lichtlos

63

Ein Letztes Blad

67

Hoffnung

71

Traum

75

Wolken

77

Bitte, vergiss mich nicht!

83

Sonnenuntergang

87

Stilles Leben

89

Komm ...

91

Licht des Lebes (Erzählung) Abschließende Betrachtung

97 107

Gedicht - Umarmung

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Vorwort

Bitte, vergiss mich nicht

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ZUM

UMSCHLAG

Der Umschlag manifestiert sich mit einem Gemälde, worin der Künstler Rafael Ramírez sich mit zwei grau und alt gewordenen Menschen verbindet, welche - vom Leben geschlagen - gleichsam in die Auflösung, in die Vernichtung geschickt werden … ob dies nun die trostlosen Baracken des Lagers von Auschwitz, die erstickenden Gaskammern von Buchenwald, die dunklen Viehwaggons des Transports, die Not im Ghetto von Warschau oder das Elend in den Armenvierteln der Großstädte oder in Afrika ist. Ramírez zeigt Menschen, welche immer die Kraft und Macht der Seele ausstrahlen. „Seine“ Menschen haben sich das Wichtigste, eben ihre reine Seele erhalten! Ernsthaft und weise, kraft- und charaktervoll stehen sie in einer Lebenssituation, die ihnen den Tod bringt. Er lässt sie jedoch nicht untergehen. In seinem Werk bleiben sie uns mit dieser, ihrer leuchtenden Seele erhalten. Ihr „nacktes Antlitz“ - wie der Philosoph Emmanuel Levinas es formuliert - fordert auf, mit ihnen das wahrhaftige Gespräch zu suchen, in sich selbst zu gehen, um dort - in der eigenen Seele - jene Weisheit und Liebe zu finden, womit sich ein neues, wahrhaftiges Leben realisieren lässt! Hören wir ihnen zu! Lass’ uns mit ihnen das Gespräch führen … vom ICH zum DU!

ZUM

RÜCKUMSCHLAG

Komm ! In diesem Gemälde von Rafael Ramírez stehen die wenigen Kinder, welche den Schrecken der Verfolgung und der Lager entkommen sind, vor uns. Hinter ihnen die Dunkelheit, die Finsternis, das Gas …. Es liegt an uns, sie aufzunehmen, uns mit ihnen zu verbinden, ihnen das Glück des neuen Lebens zu schenken … Vielleicht lassen wir uns von ihrem „nackten Antlitz“ ansprechen und uns auffordern, sie zu umarmen, sie in uns aufzunehmen …

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Bitte, vergiss mich nicht


D I E Z E I C H N U N G E N, GEMÄLDE IM BUCH Immer wieder ist es der sich-verbindende Maler Ramírez, der uns Menschen, Situationen oder Motive zeigt, die uns im Grunde auffordern, uns auf sie einzulassen! Seine Kunst fordert auf, die Werte der Menschlichkeit, das Wesen des Lebens zu spüren. An dieser wahrhaftigen Kunst der Verbundenheit kann und darf man einfach nicht vorbeigehen … Diese Menschen, kann man, darf man nicht vergessen. Sie rufen uns zu: “Bitte, vergiss mich nicht“ … Werner Janssen

Bitte, vergiss mich nicht

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К

ОБЛОЖКЕ

Обложка представлена картиной, где художник Рафаэль Рамирес связывает себя здесь с двумя седыми постаревшими людьми, которые побиты жизнью, посланы на ликвидацию, на уничтожение… безутешные ли это лагерные бараки Аусшвица, удушливые газовые камеры Бухенвальда, темные вагоны для транспортировки скота, бедствие ли в варшавском гетто или нищета бедных кварталов больших африканских городов. Рамирес показывает людей, которые постоянно излучают силу и власть души. «Его» люди сохранили в себе самое главное - свои чистые души! Правдивые и мудрые, с сильным характером они находятся в такой жизненной ситуации, которая ведет их к смерти. И все-таки он не позволяет им погибнуть. С их светящейся душой сохранены они для нас в его творении. Их « естественный облик» (как сформулировал философ Эммануэль Левинас) побуждает нас к поиску правдивого разговора с ними, прийти к самому к себе, чтобы там в своей собственной душе найти ту правду и любовь, которые можно реализовать в новой настоящей жизни. Мы слышим их! Поговорим с ними от Я к ТЫ!

К ПОСЛЕДНЕЙ ОБЛОЖКЕ Иди ! На этой картине стоят перед нами несколько детей, которые избежали ужас преследования и лагерь. Позади них темнота, мрак, газ… Нам нужно их принять, соединиться с ними, подарить им счастье новой жизни… Возможно, мы позволим себе заговорить с из «естественным обликом», захотим их обнять и принять их в самих себя…

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Р И С У Н К И, К А Р Т И Н Ы ИЗ КНИГИ Художник Рамирес (постоянно связанный и соединяющий нас со своими картинами) показывает нам людей, ситуации или мотивы, которые, по сути, предлагают нам принять участие в них. Его искусство призывает почувствовать ценность человечности, сущность жизни. Мимо этого правдивого искусства единения невозможно и нельзя пройти мимо… Этих людей невозможно нельзя забыть. Они призывают нас «Пожалуйста, не забудь меня…» Вернер Янссен

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VORWORT „Ich rieche diese Landschaft und ich kenne dieses Licht (...). Der Boden unter mir fühlt sich vertraut an und mir wird heute klar: ICH KOMME VON HIER! („Ich“ ist der Rocksänger Peter Maffay, der 1997 – nach der Flucht mit seinen Eltern im Jahre 1963 – zurück in seiner Heimat Rumänien ist) Vor 34 Jahren mit drei bescheidenen Koffern in den Händen, zitternd angesichts des Abenteuers, eine neue Welt zu betreten, habe ich all das mit meinen Eltern am 23. August 1963 verlassen. Die vier Wände, in denen wir lebten, die Freunde, jeden Stein, und jeden Raum, den ich kannte, meine Stadt, die vertrauten Gassen und Ecken, Mit einem Schlag hörte es auf. Dieser Stimmenmix aus ungarischen, rumänischen und deutschen Wörtern. Ich würde nie mehr, so wie jeden Morgen auf die Straße gehen, über den Bach springen, der unseren Weg zur Schule trennte und wir würden nie mehr gemeinsam in den viel zu engen Bank- und Tischreihen aufspringen.“ (Aus: Edmund Hartsch „Maffay, Auf dem Weg zu mir“, Goldmann, München 2011, S.32) Unsere Wohnungen, unsere Schulen, unsere Landschaften, unsere Spielund Sportplätze, auch zum Glück sehr oft die Arbeitsstellen sind Stätten, wo Menschen sich begegnen, miteinander leben, arbeiten, studieren, sich tummeln, sich näher kommen, sich miteinander verbinden, dann und wann sogar eine Verbundenheit miteinander verwirklichen, welche sie als tief, warm und innig erfahren. Diese positiven Gefühle geben dem Menschen Sicherheit, Festigung, die Kraft, sich im Leben zu behaupten. Dort, an diesen Stellen und Stätten, findet man die Bestätigung für eine humane Existenz. Dort fühlt man sich akzeptiert und wertvoll. Es ist die Verbundenheit mit der Vergangenheit, an die man sich auf seinem weiteren Lebensweg als Wurzel oder Basis erinnern wird und soll, weil man auf ihr als Fundament bauen kann! Die poetischen, gemalten und gezeichneten Erinnerungen an die verlorenen Mitmenschen im Lager, worin in der Grausamkeit das Verbindende im Grunde der letzte Strohhalm von Leben, von Glück und Liebe war, sind in diesem Bändchen gleichsam eine Bitte, jene Vergangenheit nicht zu vergessen. Zur gleichen Zeit dürften sie auch ein Aufruf sein, sich immer wieder auf das Wesen, das Wahrhaftige, das Gute und Schöne in dieser Verbundenheit mit dem Anderen zu besinnen.

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Die vorliegenden Texte, Zeichnungen, Gemälde, auch die Übersetzungen wollen „Begegnungen“ sein, in denen sich das intensive, sich-verbindende Gespräch des Dichters, des Malers, des Übersetzers mit jenem „anderen“ Menschen, mit jener „anderen“ Zeit einfühlsam manifestiert. Als Verantwortlicher für diese Publikation möchte ich den Übersetzern und Freunden Hanna Hollinger, Inna Verjbitskaia, Svetlana Krylowa, Arlette Felber, Martin Bloemers, Josef Backhaus, Rafael Ramírez dafür danken, dass sie sich mit mir zur Realisierung dieses Büchleins verbunden haben... Martha Klems sei dank für ihre Korrekturarbeit. Dank auch dem Designer Marc Coumans, der mit großer Feinfühligkeit gegenüber dem Thema das Ganze zusammengestellt, entworfen hat. Auch dem Drucker Multicopy aus Kerkrade, der sich von diesem Thema hat begeistern lassen und einen entsprechenden Druck realisiert hat, möchte ich Dank sagen. Werner Janssen, Simpelveld, November 2011

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EINFÜRENDE

BETRACHTUNG

Jeder Mensch unterliegt den Veränderungen der Zeit! Er verändert seine Wohnung, das Zuhause, findet und erlebt neue Mitmenschen. Mit sich nimmt er aber immer – ohne sie wäre er nämlich nicht der, welcher er geworden ist – jene Menschen, Situationen, Erlebnisse, welche ihn geboren, geschaffen, geprägt haben. Wenn dieser Mensch auf diesem weiteren oder neuen Weg in sich gefestigt gehen will, braucht er jene Wurzeln der Vergangenheit. Ohne die Eltern, ohne die Mutter, die Freunde von damals wäre das Fundament verloren, wäre der Mensch wie eine verloren gegangene, herumirrende Feder, die nicht mehr mit dem Tier verbunden ist. Sie wird schon vondem „leisesten“ Wind weggetragen … Der zur Persönlichkeit gewordene Mensch wird sich derer erinnern, die seine Persönlichkeit entwickelt, seinen Charakter geprägt haben. Er wird ihre Worte, ihre Stimmen hören, sie fühlen, sehen, gleichsam schmecken wollen. Ebenso ist es für die Zurückgebliebenen wichtig, den Halt jener, die weggegangenen sind, zu spüren. So gilt für beide Partner, welche in einem wahrhaftigen Lebensdialog verbunden waren, die Bitte des jeweils Anderen, ihn oder sie nicht zu vergessen, sondern zu hören und zu (ver)antworten!

„B I T T E, V E R G I S S

MICH

N I C H T“ !

„Ich war deine Mutter, die dich gebar, dich hielt, dir das Licht zeigte, dich wusch, tränkte, ernährte, in den Schlaf wiegte, dir die Lieder der Welt und der Sonne, der Blumen und der Menschen sang ... Du suchtest meine Brüste, meine Augen, meine Hände, meinen Trost, meine Worte. Wir sangen, lachten, weinten zusammen, sogar als wir aus unseren Häusern geholt, in das dreckige Ghetto gesteckt, auf den Transport gesetzt, im Lager, der Hölle von Auschwitz, getrennt wurden. Ich war mit dir, als ich unter die Dusche musste und mich das Gas erstickte. Du wusstest es und warst mit mir, deiner Mutter, so wie ich mit dir, meinem Sohn, meiner Tochter war, als du fast krepiertest in den Baracken vor Hunger, Angst, Verzweiflung ... Gas, Feuer, Glut, Erde lösten meinen Körper, meine Gebeine auf. Aber meine Seele war und ist mit dir. Sei du mit mir. Dann werden wir leben und uns jeden Tag das Glück der Verbundenheit schenken. Das Glück, welches du jetzt haben sollst mit deinen Kindern, in deinem neuen Land ohne Ghetto, ohne Lager, ohne die Angst vor Menschen, die dich als Ungeziefer einsammeln, ermorden, vernichten. Bitte, vergiss mich nicht

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Komme dann und wann mal zu mir, zu meinem Grab, zu unserem Ort jener furchtbaren, schlimmen Verbundenheit und erinnere dich und sprich mit mir, so wie ich ständig mit dir spreche. Ich habe die Zeit, mit dir, mit den Deinen beschäftigt zu sein. Nimm du dir dann und wann auch die Zeit ... für mich, für dich, für uns, für euch ... Mit den Deinen wirst du sein, wie ich mit dir ... Sie werden dich nie vergessen, weil du ihnen das Glück des Lebens, die Verbundenheit schenktest ... Ich freue mich, dass du heute an diesem Tag der Erinnerung, des Gedenkens auf unserem Platz des Appells stehst, wo wir beleidigt, erniedrigt, selektiert, geschlagen, erschossen wurden. Hier finden wir uns – wie in unseren Gedanken, in unserer Seele – in Innigkeit zusammen und spüren unsere Wurzeln, spüren, wie der Saft der Verbundenheit von mir zu dir, von dir zu mir fließt und wir fühlen, dass alles fließt, dass wir leben und lieben: Ich in dir, du - mit mir - in deiner Frau, deinen Kindern, deinen Enkeln, deinen Freunden, deinen Mitmenschen, mit denen du das Gespräch weiter führst ... Bitte, vergiss mich nicht!“ Diese bittenden Worte einer Mutter mögen deutlich machen, wie der zur Persönlichkeit gewordenen charaktervolle Mensch – geprägt vom verbindenden Gespräch mit dem Leben – in der Welt steht: gefestigt, verbunden, positiv, auch wenn ein unverhofftes Schicksal zuschlagen sollte .... Was hier gesagt und dargestellt wurde im Zusammenhang mit den schrecklichen Ereignissen in den Konzentrationslagern und Erinnerungen an die Gräueltaten, die dort stattfanden, gilt im Grunde immer dann, wenn wir Menschen verlieren, auch wenn wir sie verlassen müssen ... Hat man sich doch geliebt, war man doch befreundet, hat man doch zusammen gearbeitet, zusammen Dinge aufgebaut, realisiert, ist man doch zusammen ein Stück des Lebenswegs gegangen ... „Du musst, ich muss, einer von uns muss, will, soll gehen, aber das Tiefe, das Innige, die Wärme, die Liebe, die Freundschaft, eben die Verbundenheit, die es wirklich zwischen uns gab, wird nie vergehen.“ Diese Worte, diese Bitten, diese Rufe müssen oder sollten wir hören, wenn wir eine Welt, eine Gesellschaft als eine sich verbindende, eine in Verbundenheit lebende Gemeinschaft erfahren, verwirklichen wollen, worin man miteinander - mit Respekt und Verantwortung - auf dem Wege ist.

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Die Vergangenheit, die vergangene Verbundenheit ist die Basis für das Finden, Erkennen, Wissen, Werten und Schätzen von neuen Momenten und neuen Menschen, mit denen man den Weg des Lebens weiter in Wahrhaftigkeit gehen möchte. In der Jugend, in den jungen Jahren bilden sich die Wurzeln zum Wachstum zum Ausbau unserer Möglichkeiten zu einer Persönlichkeit, die charakter- und verantwortungsvoll im Leben steht. Ohne diese Wurzeln sind unsere Stämme, Äste, Zweige, Blüten, Blumen und Früchte schnell ausgetrocknet, dürre, blass, kraftlos ... Der Baum fällt dann irgendwann beim geringsten Windstoß um, etwa in einer Dürreperiode, bei zu viel Regen. Entsprechend leben „wurzellose“ Menschen unzufrieden, gelangweilt, abhängig von jeder Laune, von oberflächlichen Befriedigungen der Lust, aber im Grunde unglücklich. Dort, wo wir unsere Wurzeln haben, sie spüren, sie pflegen, von ihnen den Saft und die Kraft des Bodens, des Lichts, des Wassers, der Natur, mit denen man verbunden ist, bekommen, sind wir starke, charaktervolle Persönlichkeiten, welche für sich und die Umwelt etwas darstellen. In dieser Verbundenheit, welche nie als eine fertige existiert, sondern immer auf dem Wege ist, bilden sich Persönlichkeiten und Charaktere. Über die Eltern bekommt das Kind sein Zuhause. Dort, wo es als Mann oder Frau mit dem jeweiligen Partner ein neues Zuhause aufbauen will, kann dieser Mensch das jedoch nur auf der Basis jener verwurzelnden Erinnerung an das Zuhause von damals. Dies bedeutet nicht, dass es das gleiche Zuhause sein wird oder muss. Das ist im Prinzip auch unmöglich, man würde dem neuen, dem anderen Mitmenschen oder Partner, der nun mal anders ist, nicht gerecht werden. Jeder Mensch hat andere Erinnerungen, andere Qualitäten, setzt andere Akzente, hat andere Werte, schätzt Dinge anders ein. Aber in einem Güte, Wahrheit und Schönheit vermittelnden Dialog, in der lebendigen, dynamischen und ständigen Beziehung – auch mit der Vergangenheit – wird das Leben entsprechend neu, anders sein und „fließen“ … Wenn der Mensch sich erinnert, sich dank der Literatur oder der Malerei erinnern lässt – etwa an die Lebensinnigkeit in der jüdischen Zusammengehörigkeit während des „gemeinsamen“ Transports in die Konzentrationslager – , sind diese Erinnerungen „Werte“ , auf deren Basis sich ein wahrhaftiges Leben realisieren lässt. Indem wir sprechen, jemanden berühren, begrüßen, sehen, schauen, hören, kommt es des öfteren zu ganz wesentlichen Verbundenheiten. Man findet Gemeinschaften etwa im Glauben an Gott, innerhalb politischer Parteien, in denen die Überzeugung, ein Land gesellschaftlich ideologisch Bitte, vergiss mich nicht

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so oder so zusammenhalten zu müssen, maßgebend is. Dabei spürt man als Teil oder Mitglied dieser „Verbindungen“ oder „Vereinigungen“ ein mehr oder weniger starkes Glücksgefühl. Nicht von ungefähr stammt das Wort „Glück“ vom Verb „g(e)lücken“, was gelingen bedeutet. Uns Menschen (ge)lückt oder gelingt in der tatsächlichen Realisierung oder Verwirklichung von Verbundenheit etwas ganz Wesentliches: Das, was wir eigentlich immer sind, immer waren – ein Teil vom Ganzen bzw. ein Teil, das aus dem Ganzen hervorgegangen ist – wird in diesem Moment lebendig. Und wir spüren, wie die Quelle des Lebens in ihrer natürlichen Wärme, ihrer ursprünglichen Tiefe, in Ruhe und in der Stille perlt und ins Land fließt ... Mit dem deutschen Nobelpreisträger für Literatur Heinrich Böll könnte man sagen, dass ein solches Land wieder „bewohnbar“ geworden ist, weil alles in einer wunderbaren Verbundenheit miteinander unterwegs ist. Und in diesem „bewohnbaren Land“ findet man dann auch zu einer „bewohnbaren Sprache“ … Der Mensch, der den Anderen aufnimmt, mit ihm das Brot teilt, mit ihm das Gespräch führt, ihm vielleicht sogar eine Arbeit besorgt, wo man sich um ihn kümmert, wo seine Qualitäten entwickelt und geschätzt werden, realisiert diese „bewohnbare“ Landschaft. In ihr ist jener Andere dann nicht länger jener mehr oder weniger das Straßenbild verunglimpfende Bettler, dem man etwas gibt, um ihn nach dieser guten Tat zu vergessen, sonder ein lebendiger Mitmensch .... So ist „Bitte, vergiss mich nicht!“ im Grunde der Ruf eines jeden Mitmenschen, dessen Augen man sehen, dessen Fragen man hören sollte. In dem Moment, wo man ihn akzeptiert, erfährt, erlebt als den ihm Anvertrauten, als den ihm Überantworteten, verwirklicht man in der Antwort, im Respekt, in der Annahme seiner tatsächlichen Person und Situation jene Verbundenheit. Man holt ihn aus der Isolation der Unpersönlichkeit und macht jenes unpersönliche „er-sie-es“ zum persönlichen „DU“, zu einer Person, die man als „Ich“ direkt anspricht, von der man sich ansprechen lässt: sinnlich, seelisch, geistig. Indem man sich in diesem Sinne den Anderen – wie der Philosoph Martin Buber (1878-1965) es formuliert – als „DU“ „“umarmt“, sich von ihm als „DU“ „umfassen“ lässt, ist der Mensch auf dem Wege zur „schechina“, zur „Menschwerdung“.

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VERGEET

ME

ALSJEBLIEFT

NIET!

“Ik was je moeder die je baarde, je vasthield, je het licht deed zien, je waste, te drinken gaf, voedde, in slaap wiegde, voor jou de liederen van de wereld, de zon, de bloemen en de mensen zong… Jij zocht mijn borsten, mijn ogen, mijn handen, mijn troost, mijn woorden. Wij zongen, lachten, huilden samen, zelfs toen we uit onze huizen werden gehaald, in het smerige getto werden gestopt, op transport gesteld, in het kamp, de hel van Auschwitz, werden gescheiden. Ik was bij jou, toen ik onder de douche moest en het gas mij stikte. Jij wist het en was bij mij, je moeder, zoals ik bij jou was, mijn zoon, mijn dochter, toen je bijna in de barakken crepeerde van de honger, de angst en de vertwijfeling… Gas, vuur, gloed, aarde verzengden mijn lichaam en mijn gebeente. Maar mijn ziel was en is bij jou. Wees jij bij mij. Dan zullen we leven en ons iedere dag het geluk van de verbondenheid schenken. Het geluk dat je nu hopelijk hebt met je kinderen in je nieuwe land zonder getto, zonder kamp, zonder de angst voor mensen die je als ongedierte verzamelen, doden, vernietigen. Kom af en toe naar me toe, naar mijn graf, naar onze plaats van die verschrikkelijke verbondenheid, herinner je, en spreek met mij, zoals ik voortdurend met jou spreek. Ik heb tijd om me met jou de de jouwen bezig te houden, Neem jij af en toe ook de tijd… voor mij, voor jou, voor ons, voor jullie… Met de jouwen zul jij zijn, zoals ik met jou…Zij zullen je nooit vergeten, omdat je hen het geluk van het leven, de verbondenheid schonk… Ik ben blij dat je vandaag op deze dag van herinneren, van gedenken op onze appelplaats staat, waar we beledigd, vernederd, geselecteerd, geslagen, doodgeschoten werden. Hier vinden we ons terug – net zoals in onze gedachten, onze zielen – in innige verbondenheid en voelen onze wortels, voelen hoe het sap der verbondenheid van mij naar jou, van jou naar mij vloeit, en wij voelen dat alles vloeit, dat we leven en liefhebben: ik in jou; jij – met mij – in je vrouw, je kinderen, je kleinkinderen, je vrienden, je medemensen, waarmee je het gesprek verder voert… Vergeet mij alsjeblieft niet!”

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PLEASE DO

NOT

FORGET

ME!

“I was your mother who gave birth to you, who held you, who showed you the light, who washed you, who gave you to drink, who nourished you, who rocked you into sleep, who sang to you the songs of the world and the sun, the songs of the flowers and of the human beings ... You found my breasts, my eyes, my hands, my words of comfort. We sang, laughed and cried together – even then when they took us out of our homes, when they forced us into the filthy ghetto, when they put us on a transport, even when they separated us in the camp, in the hell of Auschwitz. I was with you when I was forced to take a “shower”, when the gas suffocated me. You knew it and you were with me, your mother, in the same way as I was with you, my son, my daughter when you almost died a wretched death of hunger, terror, desperation ... Gas, fire, burning ashes, soil dissolved my body, my bones. But my soul was and is with you. Be you with me. Then we will live and give to each other the blessing of togetherness. The happiness that you deserve to have with your children, in your new country without any ghettos, without any camps, without any fear of people who round you up, who murder and exterminate you as vermin. Come and visit me from time to time, come to my grave, to this place where we are connected in a horrifying way and remember and talk to me as I permanently talk to you. I have got the time to be thinking of you and of your family. I ask you, too, to take your time ...for me, for you, for us, for all of you ... You will be with your people as I was with you ... They will never forget you because you gave them the blessing of life and togetherness ... I gratefully perceive that today – on this day of remembrance – you are standing on our roll call place where we were insulted, humiliated, selected, beaten up, shot. Here we find each other and – as in our thoughts, as in our soul – we get into our inner-most selves and we feel our roots, we feel the spirit of togetherness waving from me to you, from you to me and we feel that everything is flowing, that we live and love: I in you, you in me, with your wife, with your children and grandchildren, with your friends and your fellow citizens ... telling the tale ... Please do not forget me!”

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JE

T’ E N

P R I E,

NE

M’ O U B L I E

P A S!

J’étais ta mère, qui t’a enfanté, tenu dans ses bras, qui t’a montré la lumière, t’a lavé, allaité, nourri, bercé, qui t’a chanté les chansons du monde, du soleil, des fleurs et des hommes … Tu cherchais mon sein, mes yeux, mes mains, ma consolation, mes paroles. Nous chantions, riions et pleurions ensemble, même quand on nous a faits sortir de nos maisons et fourrés dans ce sale ghetto, quand on nous a embarqués vers le camp, l’enfer d’Auschwitz, où on nous a séparés. J’étais avec toi, quand j’ai dû aller sous la douche dont le gaz m’a asphyxié. Tu le savais et tu étais avec moi, ta mère, comme moi j’étais avec toi, mon fils, ma fille, quand tu as failli crever dans les baraques de faim, de peur, de désespoir … Le gaz, le feu, la braise, la terre ont décomposé mon corps, mes os. Mais mon âme était et est toujours avec toi. Sois près de moi. Ainsi nous vivrons et nous nous offrirons chaque jour le bonheur d’être unis. Un bonheur avec tes enfants dans ton nouveau pays sans ghetto, sans camp, sans la peur des hommes qui te ramassent comme de la vermine, qui t’assassinent et t’anéantissent. Viens de temps en temps à ma tombe, vers notre lieu de cette atroce solidarité et souviens-toi et parle-moi comme moi je te parle sans arrêt. Moi j’ai le temps de m’occuper de toi et des tiens. Fais comme moi et tu seras avec les tiens comme moi je le suis avec toi … Ils ne t’oublieront jamais, parce que tu leur as donné le bonheur de la vie, la solidarité … Je me réjouis que tu sois aujourd’hui, en ce jour du souvenir, sur notre place d’appel, où on nous a offensés, humiliés, sélectionnés, frappés, fusillés. Ici nous nous retrouvons - comme dans nos pensées, dans notre âme - en toute intimité et nous sentons nos racines, nous sentons couler la sève de la solidarité de toi vers moi, de moi vers toi. Je t’en prie, continue le dialogue avec tes enfants, tes petits-enfants, tes amis et tous tes prochains … Je t’en prie, ne m’oublie pas !

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П О Ж А Л У Й С Т А, Н Е З А Б У Д Ь М Е Н Я! « Я была твоей матерью, которая тебя родила, тебя держала, тебе показала свет, тебя растила, поила, кормила, качала в ночи, тебе песни мира и солнца, цветов и людей пела…Ты ищешь мою грудь, мои глаза, мои руки, мое утешение, мои слова. Мы пели, смеялись, плакали вместе, даже тогда, когда мы, угнанные из наших домов, спрятанные в грязном Гетто, посаженные в транспорт, в лагере, в норах Аушвитца были разделены. Я была с тобой, когда я стояла под холодным душем и задыхалась от газа. Ты знал это и был со мной, твоей матерью, как я была я с тобой, своим сыном, со своею дочерью, когда ты почти сдыхал в бараках от голода, страха, сомнения… Газ, огонь, жара, земля растворили мое тело, мои кости. Но моя душа была и остается вместе с тобой. Будь и ты со мной. Тогда мы будем жить и испытывать счастье оттого, что мы вместе. Счастье, которое у тебя сейчас должно быть с твоими детьми, в твоей новой стране без Гетто, без лагерей, без страха перед людьми, который как паразит тебя захватывает, умертвляет, уничтожает. Приходи изредка ко мне, к моей могиле, нашему месту, которое нас с тобой ужасно связало и вспоминай, и разговаривай со мной, так как и я постоянно говорю с тобой. У меня было время на тебя, чтобы заниматься тобой. Находи и ты порой тоже время… на меня, на себя, на нас, на вас… Ты будешь со всеми, как и я с тобой… Они никогда тебя не забудут, потому что ты даришь им счастье жизни, единения… Я радуюсь, что ты сегодня в этот день воспоминаний, памяти стоишь на нашем месте, где нас строили, оскорбляли, унижали, отбирали, били, расстреливали. Здесь мы встретимся как будто в наших мыслях, в нашей душе, в искренности и почувствуем наши корни, почувствуем, как сок единения течет от меня к тебе, от тебя ко мне и мы ощущаем, что все течет, что мы живем и любим: Я в тебе, ты –со мной- в твоей жене, твоих детях, твоих внуках, твоих друзьях, твоих ближних, с которыми ты поведешь разговор дальше … Пожалуйста, не забудь меня!

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B I T T E,

VERGISS

MICH

NICHT !

GEDICHTE „GEGEN DAS VERGESSEN“ … VON HEINZ HOF

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AUSCHWITZ Unter dem rötlich purpurnen Himmel Baracken, Waggons, Gleise, die Rampe, Öfen, Schornsteine in graugrünerdiger Landschaft. Hie und da im verlassenen, endlosen Hintergrund ein vereinzelter Baum. Die ausgebluteten Gräser duften nicht … Unter den Halmen Menschen verschleppt für das Gas, den Ofen, die Wahnsinnsmaschinerie von Verrückten, Kranken. Aufbewahrt für den bleiernen Todesschuss beim Appell, bei der zerstörenden Arbeit im Steinbruch … Vieh für die bestialische Arbeit. Heute alles leer, kahl! Es herrscht nach wie vor … Tod. Aber die Menschen von damals sie leben, sie leben unter uns, zwischen uns, über uns, wenn wir wollen …

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AUSCHWITZ Below the reddened crimson sky huts, wagons, rails, the ramp ovens, chimneys on a grey-green plain Here and there against the lifeless, endless line of despair a solitary tree, the grasses bled to death have no scent ... Below the blades human beings deported to the gas, to the oven to the machinery of madness of mentally ill and insane criminals Spared for the leaden bullet of death at roll call, for the deadly toil in the quarry ... cattle for a bestial work Today barren and bleak a gaping void Still I feel the rule of death BUT the victims of the past they live, they live among us, within us, above us IF WE want them to live ...

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Bitte, vergiss mich nicht


AUSCHWITZ Sous le ciel d’un rouge vermeil des baraques, des wagons, des rails, des rampes, des fours, des cheminées dans un paysage gris verdâtre. Dans le fond, délaissé et infinit par-ci, par-là, un arbre solitaire. Des herbes, qui ont cessé de saigner n’échappe plus aucune senteur... Sous les tiges des hommes déportés pour le gaz, le four, pour la machinerie insensée de fous, de malades. Gardés en vie pour la balle mortelle à l’appel, pendant le travail anéantissant dans les carrières... du bétail pour le travail de brutes. Aujourd’hui tout est vide, dénudé! La mort règne toujours... Mais les hommes d’alors vivent, ils vivent parmi nous, au-dessus de nous si nous le voulons...

Bitte, vergiss mich nicht

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ОСВЕНЦИМ Под красновато-пурпурном небом Бараки, рельсы, вагоны, платформы, Печи и дымовые трубы На серо-зеленом фоне земли. В пустынном бесконечном пространстве Там и сям Одинокое дерево Травы омертвели, Они не пахнут... Среди этой чахлой растительности Люди, Заталкиваемые в газовые камеры, в печи Больные и уже впавшие в безумие, Еще оставленные в живых, Чтобы получить пулю при перекличке, При изматывающей работе в каменном карьере, Они не люди, они скот для этой адской работы. Сегодня ничего на этом месте не увидишь – Пусто, голо... Но царит здесь, как и прежде,...смерть. Но люди того времени живы, Они живут в нас, среди нас, с нами, Если мы этого хотим...

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Bitte, vergiss mich nicht


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Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


DRÄHTE DER VERZWEIFLUNG Mitten durch die vergessene Landschaft - oder doch nicht vergessen ? Stacheldraht. In ihm endete Leben in letzter Verzweiflung … Im Rücken Kugeln … Offene Münder im letzten Schrei, im Ausstoß der letzten Luft, verursacht vom elektrischen Strom in den Drähten, vom hassenden Blei im aufgerissenen Leib! Jenseits dieser peinigenden Trennung Freiheit, Weite, das hellblaue Leben der Sehnsucht. Davor Tod, Gas, Menschen im Dreck, im Ofen, im offenen Grab mit weitaufgerissenen, schreienden gebrochenen Augen … Heute Erinnerung, wenn man will! Man soll sich erinnern, sie sehen im, vor, hinter dem Stacheldraht.

Bitte, vergiss mich nicht

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WIRES

OF

DESPAIR

Right through the middle of this deserted and forgotten plain - or maybe not quite forgotten yet? the barbed thorns of rusty wire ending life in deadly despair ... their backs ripped by bullets their mouths open in their final shrieks expelling their final breath of air dying entangled in high-voltage wires murdered by the lead of hate in their ripped bodies. Beyond this fence of death Freedom, Space, the light-blue Life of their Dreams ... On this side Death: human creatures in the mud, in the gas, in the oven, in the mass grave, their shrieking eyes breaking in final horror Today we staggering under the burden of remembrance if we do n o t remember ... We have to see them in front of, in and beyond the barbed wire! If we do not ...

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Bitte, vergiss mich nicht


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Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


ANKUNFT Aus dem erstickenden Waggon, aus der leibigen, kotigen Wärme in die eiskalte, dunkle Nacht. Erschöpfte, kranke Menschen taumeln in die Kälte, die Dunkelheit, in die Verzweiflung, die Düsternis, in die pechschwarze Angst der Trennung! Bellend, beißend, reißend Hunde! Schüsse! Auf der Rampe blendende Scheinwerfer … Hiner dem grellen Licht uniformierte Schatten, Kappen mit dem Todeszeichen, Stimmen, welche selektieren in die eine graue oder die andere blaue, aber immer erstickende Luft. Heute eine andere Ankunft ! Höflich, respektvoll, andächtig! Leere Baracken, wachsendes Gras … Aber in ihnen, unter ihnen, zwischen ihnen die, welche wir nicht vergessen können, nicht vergessen wollen, dürfen, sollen. Wir brauchen sie zum Leben!

Bitte, vergiss mich nicht

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ARRIVAL Out of the suffocating wagons out of the excremental warmth of human bodies into the freezing night of darkness human beings ill and deadly tired stumbling into the freezing cold into the blackness of despair into the horror of separation blackening their starving souls Barking, biting, tearing dogs! S h o t s! Blinding lights on the ramp! Behind them uniformed shadows caps decorated with the signs of death, voices selecting for the one grey or for the other blue air ... both of them choking and suffocating ... Today a different arrival: polite, full of respect and devotion, grass growing between empty huts ... But in them, between them, below them those we c a n n o t forget, we m u s t n o t forget: We need them to breathe ...

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Bitte, vergiss mich nicht


ARRIVÉE Sortant du wagon étouffant, rempli de la chaleur corporelle et excrémenteuse dans la nuit glaciale et sombre Des hommes fatigués, malades, titubent dans le froid, l’obscurité, dans le désespoir, les ténèbres, dans le noir de la crainte d’être séparés! Des chiens qui aboient, mordent, déchirent! Des coups de fusil! Sur la rampe des projecteurs qui aveuglent… Derrière cette lumière éblouissante des ombres en uniforme, des képis portant le signe de la mort, des voix qui font la sélection vers un ciel gris ou bleu, mais toujours étouffant. Aujourd’hui c’est une arrivée différente! Pleine de politesse, de respect et de recueillement! Des baraques vides, l’herbe qui pousse... Mais parmi tout cela il y a ceux qu’on ne peut oublier, ceux qu’on ne veut oublier. Nous en avons besoinpour vivre!

Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


GEFRORENE

ROSE

Du - Mensch schenkst ihr dein Auge, deinen Blick … Dein Atem haucht sie an. Liebevoll, zart, vorsichtig berühren deine warmen Fingerkuppen das noch harte kalte Blatt … Langsam öffnet sich der zitternde Kelch weiten sich die Blütenblätter und wundersame Düfte blühen mir entgegen. Aufgetaute Rose! Ich verschmelze mit dir, in dir, und werde neu!

Bitte, vergiss mich nicht

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BEVROREN Jij – mens – schenkt haar je oog, je blik … Je ademt op haar. Vol liefde, teder, voorzichtig raken je vingertoppen het nog koude, harde blad aan … Langzaam gaat de trillende kelk open gaan de bloembladeren uiteen en heerlijke geuren bloeien mij tegemoet. Ontdooide roos! Ik versmelt met jou, in jou, en word nieuw!

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Bitte, vergiss mich nicht

ROOS


FROZEN

ROSE

You – man and woman – your eyes glancing and caressing, your breath breathing at it. All caution and love your warm finger-tips touch the leaf still hard and cold. Slowly the shivering bud opens, the petals widen and enchanting scents bloom towards me. Thawed out rose I blend into you I am new ...

Bitte, vergiss mich nicht

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ЗАМЕРЗШАЯ

РОЗА!

Ты – человек – Даришь ей Cвои глаза, свой взгляд. Твое дыхание овевает ее, С любовью, нежно, осторожно Касаются твои теплые кончики пальцев Еще холодных, твердых лепестков... Медленно раскрывается дрожащая чашечка Распускаются лепестки, И чудесные запахи Плывут мне навстречу! Растаявшая Роза! Я сливаюсь с тобой, в тебе и обновляюсь!

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Bitte, vergiss mich nicht


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Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


DU

G I N G S T ...

und mir blieb dein letzter lächelnder Blick. Gelbbesternt gingst du von uns, von mir … Ich stand einsam auf unserem Bahnsteig, du fuhrst einsam im erstickenden Waggon von mir, von uns weg … Für immer? Ich sehe immer deine winkende letzte Hand! Ich war mit dir in dieser letzten eisig-schlaflosen Nacht der Trennung, der trennenden Einsamkeit, in allen folgenden Nächten … Heute komme ich zu dir, hier, finde dich hier im offenen Feld, in dieser geweihten Erde, dich, mein einziges Licht!

Bitte, vergiss mich nicht

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JIJ

GING…

En mij restte je laatste lachende blik. Met je gele ster ging je van ons, van mij vandaan … Ik stond eenzaam op ons perron, jij reed eenzaam in de verstikkende wagon van mij, van ons weg … Voor altijd? Ik zie steeds jouw wenkende laatste hand! Ik was bij jou in deze laatste ijzig-slapeloze nacht van de scheiding, van de scheidende eenzaamheid, in alle volgende nachten … Nu kom ik naar je toe, hier, vind ik je in het open veld, in deze gewijde aarde, jou, mijn enige licht!

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Bitte, vergiss mich nicht


YOU

WENT

A W A Y ...

... and what remained was your last glancing smile Shamed by a yellow star you went away from us, from me ... I stood lonely on our platform lonely in the suffocating wagon you went away ... away from me, from us ... away ... ... on a one-way trail? Again and again I see your final waving hand I was beside you in this icy night of sleepless separation, of foreboding loneliness in all the nights following ... Today I come to you here I find you here on this deserted plain in this holy soil YOU my solitary light!

Bitte, vergiss mich nicht

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TU

ES

P A R T I E ...

et tu m’as laissé ton dernier regard en souriant. Munie de ton étoile jaune, tu nous a quittés, tu m’as quitté… Moi, je me retrouvais seul sur notre quai, Toi, tu es partie seule dans le wagon étouffant… Pour toujours? Je vois encore ta main faisant signe une dernière fois! J’étais près de toi en cette dernière nuit, blanche et glaciale, de la séparation et en toutes les nuits suivantes… Aujourd’hui je viens vers toi, ici, je te trouve ici en plein champs, en cette terre sacrée toi, mon unique lumière!

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Bitte, vergiss mich nicht


ТЫ

У Ш Л А ...

И мне остался Твой последний взгляд, и твоя улыбка С желтой звездой ты ушла от нас, от меня... Я стоял одиноко На перроне... Тебя увезли В вагоне-душегубке От меня, от нас Навсегда? Я не могу забыть твой прощальный взмах рукой! Я был с тобой В эту последнюю ледяную бессонную ночь разлуки, Одиночества, разделившего нас, Я был с тобой все последующие ночи ... Сегодня я прихожу к тебе, Сюда, Нахожу тебя здесь В открытом поле В этой ставшей святой земле, Я нахожу тебя Мой единственный свет!

Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


IN

DER

E N G E ...

In der Enge dieser Welt in der es nicht grünt, blutet uns im atemlosen Grau. das Leben weg. Blass und bleich gehen wir einen fremden, menschlosen Weg. Kälte verbrennt unsere letzte Kraft und in der grauweißen Asche siechen wir dahin! Wohin? Unsere Herzen weinen salzlose Tränen! Wo finden wir ein trostreiches Tuch!

Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


S T I L L E ... Ähren, Gräser, Zweige der Stille! Schweigen liegt über dem Land der Erinnerung. Ich esse und lebe vom Staub der verwelkten Blüten, von den verschwundenen Düften jener finsteren Tage … In der Nacht verzaubern sie jedoch meine Seele und in meinen Träumen taut es auf - jenes eisige, erfrorene Land im Mondeslicht der erinnerten Verbundenheit mit unserer gemeinsamen Heimat … Weit wird das Land im Traum. Es laubt! Seine Trauben füllen meinen trockenen Mund. Am Himmel ziehen die Vögel, schwere Steine werden zu leichten Wolken, welche mich tragen zu dir …

Bitte, vergiss mich nicht

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Т И Ш И Н А ... Колосья, травы, ветви тишины! Молчание воцарилось над страной воспоминаний. Я наполнен этой пылью увядших цветков Я пожираю ее, Я живу ею Пылью исчезнувших запахов тех мрачных дней ... Но в ночи они околдовывают мою душу, И в моих снах, тает Это ледяная замороженная земля В лунном свете приходит на память Соединенность С нашей общей Родиной... Далеко моя страна в моих снах, Она покрывается зеленой листвой, И виноградины ее гроздей Наполняют мой пересохший рот. Летят по небу птицы, Тяжелые камни превращаются в легкие облака, Которые несут меня К тебе...

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Bitte, vergiss mich nicht


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Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


LICHTLOS Der Mond scheint lichtlos in die rieselnden Flocken, auf die in der Nacht eingefangene grauweiße Fracht draußen auf dem eingedrahteten Platz. Ein Hund bellt. Ein Mensch schreit. Auf den Pritschen, den harten Brettern die ängstlichen Träumer, die schlaflosen Kranken, die röchelnden Sterbenden. Dazwischen immer wieder die schlagenden, schimpfenden, mitleidlosen Diener der Unmenschlichkeit … Der Durst hat kein Wasser. Der Schmerz hat keinen Trost. Aus unseren Wunden fließt jenes verhasste Blut … Und der Gott leidet ohnmächtig mit! Wir leben unter der finsternden Sonne, indem wir uns nicht achten, ehren, nicht sehen, hören. Die Äxte des Hasses öffnen unseren Leib, zerschlagen die Gebeine … Es wintert! Wir verbluten in jenem lichtlosen Schnee unter dieser finsternden Sonne, unter dem zerfrierenden bleichblassen Mond, unter den glanzlosen Sternen in dieser eiskalten Todesnacht … Bitte, vergiss mich nicht

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SANS

LUMIÈRE

La lune luit sans lueur sur les flocons qui tombent sur la marchandise grisâtre capturée dans la nuit dehors sur la place entourée de fils barbelés. Un chien aboie. Un homme crie. Sur les lits de camp, les planches dures les rêveurs anxieux les malades sans sommeil le râlement des mourants. Au milieu de tout cela les serviteurs de l’inhumanité qui sans pitié frappent, insultent… La soif ne trouve pas d’eau. La douleur n’a pas de consolation. De nos plaies coule ce sang hai… Dieu lui-même souffre, impuissant! Nous vivons sous un soleil assombrissant parceque nous ne nous respectons pas nous ne nous honorons pas nous ne nous voyons pas nous ne nous écoutons pas. Les haches de la haine ouvrent notre corps, cassent les os… C’est l’hiver! Nous perdons notre sang dans cette neige sans lueur sous ce soleil assombrissant, sous cette lune pâle et froide, sous les étoiles sans lueur 66

Bitte, vergiss mich nicht


Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


EIN

LETZTES

BLATT

In diesem lichtlosen Grau umarme ich, liebekose ich das letzte Grün eines verschollenen Blattes zwischen dem schon gefrorenen Schlamm der verregneten, verschneiten Tage und Nächte. Ich nehme seinen verwelkenden Duft und lebe der Erinnerung an den vollen, leuchtenden Sommer, als wir noch spielten und nicht wussten von dieser schrecklichen Finsternis und Kälte. Heimlich, unendlich vorsichtig liegt es in der warmen Höhle meiner zittzernden Hand und ich träume jenes Spiel der Freude ohne den gelben Stern, welcher uns trennte, uns isolierte, uns vernichtete als schmutzigen, ansteckenden Abschaum … In dir, deinen spröden, zerbröckelden Farben, Nerven höre ich den Rausch des Windes, den Schrei des Adlers, die Angst der jungen Vögel, die leben wollen, wie wir … Über mir davoneilende schwarze Wolken. Verlassen, sehnsüchtig mein Blick in die graunasse Luft. Wo bist du, frühere Zeit, spielendes, singendes Kind auf der Straße? Finde ich jemals wieder das Licht der Hoffnung, eine funkelnde Kerze, Leben?

Bitte, vergiss mich nicht

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EEN

LAATSTE

BLAD

In dit lichtloze grauw omarm ik, liefkoos ik het laatste groen van een verdwenen blad tussen het al bevroren slijk van de verregende, versneeuwde dagen en nachten. Ik neem zijn verwelkende geur en leef van de herinnering aan de volle, stralende zomer, toen we nog speelden en niets wisten van deze verschrikkelijke duisternis en kou. Heimelijk, oneindig voorzichtig ligt het in de warme holte van mijn trillende hand en ik droom dat spel van vreugde zonder de gele ster, die ons scheidde, ons isoleerde, ons vernietigde als vies, besmettelijk uitschot ‌ In jou, je broze, uiteenvallende kleuren, nerven hoor ik het ruisen van de wind, de schreeuw van de adelaar, de angst van de jonge vogels, die willen leven, zoals wij ‌ Boven mij wegdrijvende zwarte wolken. Verlaten,verlangend mijn blik in de grijze natte lucht. Waar ben je, tijden van vroeger, spelend, zingend kind op straat? Vind ik ooit het licht van de hoop terug, een fonkelende kaars, leven?

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Bitte, vergiss mich nicht


UNE DERNIERE FEUILLE Dans ce gris terne et sans éclat j’embrasse, je caresse le reste vert d’une feuille perdue dans la boue déjà gelée des jours et nuits pleins de pluie et de neige. Je prends son odeur flétrissante et je vis dans le souvenir d’un bel été plein de lumière, quand nous jouions encore et ne savions rien de cette terrible obscurité froide. Paisiblement, très prudemment elle se trouve dans le creux chaud de ma main tremblante et je rêve de ce jeu de la joie sans l’étoile jaune, qui nous a séparés, isolés et anéantis comme le rebut du genre humain, sale et contagieux… En toi, dans tes nervures gercées, perdant leur couleur j’entends le frémissement du vent, le cri de l’aigle, la peur des jeunes oiseaux, qui veulent vivre comme nous… Audessus de moi, des nuages noirs s’envolent. Délaissé, plein de désir, mon regard dans l’air gris et humide. Où es-tu, mon temps perdu, l’enfant qui joue et chante dans la rue? Retrouverai-je jamais la lumière de l’espérance, une bougie étincelante, la vie? Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


HOFFNUNG ! In der unendlich weiten Ferne ein stiller Stern, ein leises Licht. Es ruft, hebt mich aus der blutverschmierten schlammigschweren, aschigen Erde … In der schlummernden, schweigenden Dämmerung betten und wiegen mich weiße, zarte Hände … Sie führen mich zurück, zum nie vergessenen Spiel der Freude … Vater, Mutter lächeln mir entgegen, wärmen meinen kalten Leib, meine gefrorene Seele und es fließt Leben im Traum dieses Lichts …

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TRAUM Aus dem traumgefüllten Krug der Nacht wasche ich meine müden Glieder, Gelenke, meinen hungrigen, dünnen Leib. Hoffnung fließt in meine Verzweiflung und ich traue mich zu leben in diesem Lager des eiskalten Todes. Meine Seele brennt vor Sehnsucht nach dem verschwundenen, dem verschollenen. Leben, welches strömt aus der Fülle der Nacht, aus den blühenden, duftenden Fliedern, aus der fruchtbaren Erde … Ich höre den Schall der Hörner, den Engelnklang aus einer leuchtend weißen Welt. Ich schaue in den grünen Blättern der Buchen das gleißende Licht … Und am Tage, am Steinbruch, am steinernen Hang fliege ich - Ikarus gleich - in das ewige Licht …

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Bitte, vergiss mich nicht


W O L K E N ... Ich winke der einen weißen Wolke, mich zu holen, zu tragen zu dir, meiner verlorenen Zeit, welche Ewigkeit gewesen wäre, jedoch nie werden durfte! Stattdessen ratterten Todeswaggons über nackte Gleise, transportierten mich in die Nacht der finstern Endlichkeit … Schenke mir Vertrauen, glaube an mich! Dann werden wir leben, Du und Ich!

Bitte, vergiss mich nicht

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WOLKEN‌ Ik wenk naar die ene witte wolk, om me te halen, te dragen naar jou, mijn verloren tijd, die eeuwigheid geweest zou zijn, maar nooit mocht worden! In plaats daarvan ratelden wagons van de dood over naakte rails, transporteerden mij de nacht in van de duistere eindeloosheid ‌ Schenk mij vertrouwen, geloof in mij! Dan zullen we leven jij en ik!

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C L O U D S ... I wave and bid the one white cloud to lift and carry me to you, my lost time of eternity that never was ... Instead rattling wagons on naked rails took me to my final night of death ... Honour and trust me, believe in me! Then we will live, you and me!

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N U A G E S ... Je fais signe à ce nuage blanc, qu’il vienne me chercher, me porter vers toi, mon temps perdu, qui est devenu éternité, mais jamais cela n’aurait pu arriver ! Au lieu de cela, les wagons de la mort grondaient sur les rails dénudés, me transportaient dans la nuit d’un monde lugubre et limité ... Faites-moi confiance, croyez-moi! Alors nous vivrons, Toi et Moi!

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B I T T E, VERGISS MICH NICHT! Man weiß um die Unzählbaren, welche starben … Schweigemärsche, Gedenkfeiern, Worte, Blumen am Mahnmal! Alle Jahr wieder! Jedoch in den Werken deiner Seele, in deinem Atem, deinem Hauch, in deiner Umarmung lässt DU sie schauen, winken, trauern, auch lächeln wie damals vor jenem eiskalten Abschied am Gleis … Aus den gasigen Kammern, den erstickenden Zellen, den engen Gräbern, den Archiven und Listen führst du sie hinaus, jene Verlassenen, Zurückgebliebenen, jene Besternten, Getrennten, Verschleppten, jene Hungernden, Vergasten … Und im schlaflosen Traum bittest DU mich, dich nicht zu vergessen! Bitte, vergiss mich nicht

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П О Ж А Л У Й С Т А, Н Е ЗАБУДЬ МЕНЯ! Мы помним, Как безмерно много ушло из жизни людей... Марши молчания, памятные даты, Слова, цветы у памятников! Каждый год снова! Однако в глубине Твоей души В твоем дыхании, во вздохе В твоем объятии Ты можешь их видеть, Им махать, скорбеть, Также улыбаться, Как тогда При ледяном прощании На перроне... Из газовых камер, Удушливых клеток, Узких могил, Из архивов и списков Ты их находишь, Тех с шестиконечными звездами, Брошенных, униженных, Насильно увезенных и разделенных, Голодающих и замученных газом ... И В бессонном сне Просишь Ты Меня Тебя не забывать!

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Bitte, vergiss mich nicht


SONNENUNTERGANG Langsam, ohne jede Eile naht das gelbe helle Sonnenlicht dem blaugraudunklen Meeresspiegel ... Ein kleine schwarze Wolke schiebt sich vor die warme Himmelsglut ... Ihre Ränder leuchten kurz in greller weißer Helligkeit ... Dann ist das Wolkenspiel vorbei. Der Blick ist wieder frei ... Am weiten Horizont küssen sich die heiße Abendglut, die kalten Tageswellen und verschmelzen ... in lichterloher glühend purpurn roter Leidenschaft! Nach einiger Zeit kehrt Ruhe ein! Am ausgetobten Himmel bleiben kleine Freudeinseln entzückt zurück, wartend auf den Mond, der bald erscheint und friedlich uns das Licht, auch in der Nacht, erhält ...

Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


STILLES

L E B E N ...

Ein Tisch, zwei Stühle, eine Flasche, eine Karaffe, Brot auf einem Teller, ein halbvolles Glas, drei leere Gläser! Keine Menschen, die sitzen und trinken, sich unterhalten oder doch ? Der Tisch wartet, ich warte, immer auf dich, auf euch, auf unser Gespräch, unser Zusammensein! Ich habe schon mal getrunken, einen Schluck, erwarte euch! Bitte, kommt doch! In der Ferne der weite Horizont, die Weite des Lebens … Komm! Schaue den glänzend strahlenden Wein, das goldene Öl der Oliven, das braune Brot der warmen Erde … Sprecht, trinkt, lacht und weint zusammen. Das Leben, die Liebe, der Stuhl, der Tisch, das Öl, das Brot,der Wein, sie laden euch ein …. Es könnte ein Wunder sein! Komme, kommt, lebt und liebt … Der Horizont, die Weite, die Zeit … alles wird atmen, fließen in diesem Augenblick der Verbundenheit ….

Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


K O M M ’ ... Ratlos stehen sie, Kinder, ängstlich, scheu am offenen Tor, ohne Stacheldraht. Niemand schießt, keiner brüllt, schreit, keine Schläge, keine Hunde, kein Blut, keine Leichen mehr ... Hinter ihnen der schwarzbraune Tod, Finsternis, die Eltern in den Öfen, den Gräbern, irgendwo in den aschenen, engen, atemlosen Lüften ... Vor ihnen das neue Licht, grüne Wälder, duftende Äcker, Gräser, Felder und immer wieder lächelnde Augen, Hände voller Sorgen ... Komm’, traut euch zu leben, vielleicht sogar wieder zu lieben!

Bitte, vergiss mich nicht

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K O M ... Radeloos staan zij, kinderen, angstig en schuw bij de open poort, zonder prikkeldraad. Niemand schiet, niemand brult, schreeuwt geen slagen, geen honden, geen bloed, geen lijken meer ... Achter hen de zwartbruine dood, duisternis, ouders in de ovens, in de graven, ergens in de asgrauwe beklemmende ademloze lucht ... Voor hen het nieuwe licht, groene bossen, geurende akkers, weiden, velden, en telkens weer lachende ogen, handen vol zorgen ... Kom, durf te leven, misschien zelfs lief te hebben!

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Bitte, vergiss mich nicht


C O M E ... Desperate they stand, children, fearful, timid at the open gate, without barbed wire. Nobody shoots, no one roars, shouts, no strokes, no dogs, no blood, no more dead bodies ... Behind them the black brown death, darkness, the parents in the ovens, the graves, the ashen narrow breathless air ... Before them the new light, green woods, smelling fields, meadows, grounds and always again smiling eyes, hands full of care ... Come on, dare to live, Maybe even to love again!

Bitte, vergiss mich nicht

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ИДИТЕ

С Ю Д А ...

Они стоят растерянно, Робко, пугливо, Дети, У открытых ворот, Без колючей проволоки. Никто не стреляет, Не рычит, не орет, Не бьют, нет собак, Нет крови, нет больше трупов ... За ними черно-коричневая смерть, Мрак Родители в печах и могилах В бездыханном воздухе-пепле ... Перед ними новый свет, Зеленые леса, Благоухающие поля, луга и травы Снова улыбки, Добрые глаза, Заботливые руки ... Идите сюда! Дерзайте жить, Можеть быть, даже снова любить!

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Bitte, vergiss mich nicht


VENID… Desamparados están, niños, con miedo, tímidos en el portón abierto, sin alambre de púas. Nadie dispara, nadie vocea, nadie chilla, ningún azote, ningún perro, ninguna sangre, no más cadáveres ... Detrás de ellos la muerte negro-marrón, tinieblas, padres en los crematorios, en las fosas, aire ceniciento, apretado, asfixiante ... Delante de ellos la nueva luz, bosques verdes, cultivos fragantes, hierbas, campos y repetidas veces ojos sonrientes, Manos colmadas de ansiedades ... Venid, atreveos a vivir, ¡Quizás hasta amar otra vez!

Bitte, vergiss mich nicht

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Bitte, vergiss mich nicht


LICHT (ERZÄHLUNG)

DES

L E B E N S ...

Vor mir das Tor: Eine verlogene Sprache lädt ein: „Arbeit macht frei“! Gleise, Bahnsteig, Waggons, Baracken und immer wieder Gleise, immer wieder Baracken … Zum Verrücktwerden! Ich sehe den Transport, die Selektion, die Arbeit … Ich sehe die Menschen, die Opfer, auch die Henker, die Täter … Was für ein System! Verwirrung führt mein Auge! Es sammelt die Augenblicke. Sie sind meine gestammelte Sprache … Ich dringe ein, erlebe Beton, Stahl, Enge, Fäulnis, Verzweiflung, Finsternis … Dann auf einmal ein Lichtstreifen! Licht fällt durch ein schmales Fenster, durch eine Mauerritze in die Baracke … Ich frage mich: „Auch damals? Haben die Menschen es damals auch gesehen, gespürt? War es, ist es – jenes Licht – ein Hinweis Gottes? Ein Zeichen des Vertrauens, der Befreiung, der Rettung, der Hoffnung in dieser menschlosen Unmenschlichkeit? Auschwitz heute … Schwarzweiße Finsternis oder doch auch… Licht? Ich erlebe den Stacheldraht … Ich sehe hinter dem Stacheldraht von Macht, von Diktatur, Willkür, Hass ein Sterbender, verzweifelt … Ein selektiertes, verhasstes, krepierendes Ungeziefer! Ich höre den Aufschrei: „Warum? Was habe ich euch getan?“ Ich sehe im blauen Gas vollkommene Weiblichkeit, die Auflösung vollendeter Schönheit! „Warum hasst ihr mich? Was stört euch? Meine jüdischen Brüste, meine jüdische Scham? GOTT hat mich so geschaffen …“

Bitte, vergiss mich nicht

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Ich sehe auf den Knien im Gas den ausgenutzten, missbrauchten Menschen! Nackt, voller Furcht, in höchster Not! „Was macht ihr mit mir, was wollt ihr von mir? Wie geht ihr mit mir um? Ich flehe euch an, lasst mich leben. Meine Frau, mein Kind! Sie brauchen mich!“ Wer rettet den vergewaltigten, verängstigten, verunsicherten Menschen? Nicht Gott, nicht Engel, nicht Gebet! Nein, nur die Sprache, ein Wort: Ort und Hort der Liebe, der Wahrheit, des Vertrauens! Das wahre Wort! Es hält den Absturz in Angst, Tod, Verzweiflung auf. Es holt den Menschen zurück ins Licht des Lächelns, der Sicherheit, der Ruhe … Es schenkt uns Bilder der Kraft und Fülle: ursprünglich, unmissverständlich, wahrhaft, ehrlich, voller Mitgefühl, Güte, Schönheit … Licht! Die Augen des Bösen, des Hasses versprühen tiefste Finsternis. Dunkelheit, Tod zieht vor die Sonne der Welt! Wir leben im Schatten … Mensch! Tritt hervor! Finde wieder zum Wort miteinander, zum Lächeln, zum Gespräch, damit wieder werde Licht, damit du wieder spielst und singst, hell und heiter, unbefangen, frei … Mensch! Lass dir nicht Glück und Licht verbauen. Löse dich von jener verwalteten, konstruierten Welt, entferne dich aus jenen verschlossenen Häusern mit ihrem drückenden, drohenden Gebälk der Macht. Finde wieder den freien, offenen Himmel mit den Melodien von Seen und Vögeln, mit dem jubelnden Rauschen der Bäche und Flüsse, mit den goldenen und silbernen Farben der Wälder, mit dem Gesang der Gletscher und Winde … Mensch! Funktioniere nicht länger, distanziere dich von jeder Verfremdung, von jedem Bau, der Architektur der Unmenschlichkeit oder Menschenleere. Empöre dich! Rege dich auf!

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Bitte, vergiss mich nicht


Bei allem sollst Du wissen: das Licht ist immer da! Lasse es zu, im Gespräch, im Wort, in der klingenden, singenden Sprache der Bewohnbarkeit von Menschen miteinander. Wende dich gegen Verwaltung, Konstruktion und deren Gewalt … Wende dich dem Menschen, seinem Augenlicht, seiner Seele zu. Hüte, hege, pflege die Augenblicke von Schönheit, von Wahrheit. Schaue, erlebe, umarme sie! Ihre Musik hört man immer: Es gab sie in Auschwitz, es gibt sie heute, in den ewigen, unendlichen Bildern vom Licht des Lebens …

Bitte, vergiss mich nicht

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LEVENSLICHT… (VERTELLING)

Voor mij de poort: Een huichelachtige spreuk nodigt uit: “Arbeid maakt vrij”! Spoorstaven, een perron, wagons, barakken en telkens weer spoorstaven, telkens weer barakken … Om gek van te worden! Ik zie het transport, de selectie, het werk … Ik zie de mensen, de slachtoffers, ook de beulen, de daders … Wat voor een systeem! Verwarring leidt mijn ogen! Het neemt de momenten op. Zij vormen mijn gestamelde taal … Ik dring binnen, doorleef beton, staal, engte, ontbinding, vertwijfeling, duisternis … Dan Opeens een streepje licht! Licht valt binnen door een smal raam, door een rits in een muur van de barak … Ik vraag me af: “Toen ook? Hebben de mensen het toen ook gezien, ervaren?” Was het, is het – dat licht – een teken van god? Een teken van vertrouwen, bevrijding, redding, hoop in deze mensenloze onmenselijkheid? Auschwitz nu … Zwart-witte duisternis of toch ook … licht? Ik voel het prikkeldraad … Ik zie achter het prikkeldraad van macht, dictatuur, willekeur, haat een stervende, vertwijfeld … Een geselecteerd, gehaat, creperend ongedierte! Ik hoor de schreeuw: “Waarom? Wat heb ik jullie gedaan?” Ik zie in het blauwe gas volmaakte vrouwelijkheid, de ontbinding van volmaakte schoonheid! “Waarom haten jullie mij? Wat stoort jullie? Mijn joodse borsten, mijn joodse schaamstreek? GOD heeft mij zo geschapen …” 102

Bitte, vergiss mich nicht


Ik zie geknield in het gas de uitgebuite, misbruikte mens! Naakt, angstig, in hoogste nood! “Wat doen jullie met mij, wat willen jullie van mij? Hoe gaan jullie met mij om? Ik smeek jullie, laat mij leven. Mijn vrouw, mijn kind! Zij hebben mij nodig!” Wie redt deze verkrachte, angstig en onzeker gemaakte mens? God niet, de engelen niet, gebed niet! Nee, alleen de taal, een woord: oord en toevluchtsoord van de liefde, de waarheid , het vertrouwen! Het ware woord! Het roept de val in angst, dood, vertwijfeling een halt toe; Het haalt de mens terug in het licht van lach, veiligheid, rust … Het schenkt ons beelden van kracht en rijkdom: oorspronkelijk, waarachtig, eerlijk, vol medegevoel, goedheid, schoonheid … Licht! De ogen van het kwaad, van de haat verspreiden diepste duisternis. Donkerte, dood trekt voor de zon van de wereld! We leven in de schaduw … Mens! Kom te voorschijn! Vind weer het woord met elkaar, de lach, het gesprek, opdat het weer licht wordt, opdat je weer speelt en zingt, luid en vrolijk, onbevangen, vrij … Mens! Laat je niet geluk en licht ontnemen. Maak je los uit die overbestuurde, -geconstrueerde wereld, verlaat die gesloten huizen met hun bedrukkende, bedreigende machtgeblaat. Vindt opnieuw de vrije open hemel met zijn melodieën van zee en vogels, met het uitbundige ruisen van beken en rivieren, met de goud- en zilverdraden van de bossen, met het gezang van gletsjers en het suizelen van de wind … Mens! Functioneer niet langer, distantieer je van die vervreemding, van dat bouwsel, die architectuur van de onmenselijkheid of mensenleegte. Kom in opstand! Recht je rug! … Bitte, vergiss mich nicht

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Bedenk hierbij: het licht is er altijd! Laat het toe, in het gesprek, in het woord, in de klinkende, zingende taal van bewoonbaarheid van mensen met elkaar. Keer je tegen bureaucratie, geconstrueerdheid en hun geweld ‌ Wend je tot de mens, het licht in zijn ogen, zijn ziel. Bescherm, koester de ogenblikken van schoonheid, van waarheid. Neem ze waar, doorleef en omarm ze! Hun muziek hoor je altijd: Zij was er in Auschwitz, ze is er nu, in de eeuwige, oneindige beelden van het levenslicht ‌

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Bitte, vergiss mich nicht


LIGHT (NARRATIVE)

OF

LIFE…

in front of me: the gate, false language “Arbeit macht frei” (“Work sets you free”) rails, platforms, waggons, huts ... again and again ... rails, huts Enough to drive you mad! I see the arrival of the train, the selection, the work ... I see the human beings, the victims, the perpetrators, the murderers. What a terrifying system! Confusion guides my eyes ... They collect moments. They are my stuttering language ... I force my way into this nightmare, I sense concrete, steel, decay, despair, darkness ... Then all of a sudden a strip of light! Light falls into the hut through a narrow window, through a crack in the wall ... I ask myself: Was this there then, too? Did the prisoners see and feel this, too? Was it, is it ... this light, a sign given by God? A sign of confidence, of liberation and rescue, a sign of hope in this desert of inhumanity? Auschwitz today ... Black and white darkness or – in spite of everything – light, too? I feel the barbarity of the barbed wire ... and behind this wire of power, despotism and hatred I see a dying man ... selected, utterly hated vermin dying a wretched death! I hear the shriek of despair: “Why? What have I done to you?” In the blue gas I see perfect femininity, the dissolution of perfect beauty! “Why do you hate me? What causes your disdain? My Jewish breasts, my Jewish mount of Venus? God created me like this ...” Bitte, vergiss mich nicht

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On his knees in the gas I see man – abused, exploited, naked, in greatest pain! “What are you doing to me, what do you want from me? I beseech you: let me live! My wife, my child, they need me!” Who saves man – terrified and raped? No God, no angel, no prayer! Nothing but a spoken word – the treasure of love, truth and confidence! A true and honest word! It holds back the fall into fear, despair, death. It takes man back into the light of rest and safety ... It gives us images of trust and strength: clear, original and honest, full of empathy, goodness and beauty ... Light! The eyes of evil and hatred send out deepest darkness. Blackness and death eclipse the sun of the world. We live in the shade ... Man, come forward! Rediscover the path to language, to a smiling word that there will be light again, that you may sing and play – serenely and freely. Man, do not let anybody block your way to light and happiness. Leave behind this world constructed and managed, Get out of those locked houses held by oppressing and threatening timbers of power. Find the way to the free and open sky reverberating with the joyous melodies of birds and lakes, resounding with the jubilant murmur of brooks and rivers and with the sound of the winds and glaciers, reflecting the golden colours of the forests.

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Bitte, vergiss mich nicht


Man, do not function any longer, distance yourself from alienation, from the architecture of deserted spaces and inhumanity. Fly into a rage, be annoyed! You must know: the light is always there. Let it shine in your way of talking to other people, Let your singing words make the world a habitable place again! Turn against the violence of cold structures, Turn towards man, his heart, his soul! Take care and cultivate the moments of beauty and truth! Live and embrace them! Their music is always there. It was there in Auschwitz. it is here today ... ... in the eternal and indefinite images of the light of life

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Bitte, vergiss mich nicht


ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG ABSCHIED ODER ... EINE ANDERE SPRACHE ... (ERZÄHLUNG)

Ich hatte Auschwitz, das Lager verlassen. Saß im Zug, alleine. Überwältigt nach einer zunächst schlaflosen Nacht, dann aufgewacht aus einem tiefen, schweren, kurzen Morgenschlaf! Draußen schien die Sonne. Sie hüllte Wälder, Seen, Felder, Blätter, hie und da ein Haus, ein Dorf in einen rötlichen Schimmer. Ab und zu hellte es im Abteil auf und sah ich – geblendet vom Licht – nichts mehr, obgleich … Aus der Helligkeit trat in aller Heftigkeit das dunkle Lager hervor …! Drei Tage war ich dort gewesen. Ich hatte im kleinen Dorf in der Nähe eine einfache Wohnung bei sehr freundlichen älteren Leuten gehabt, die jedoch nicht sprachen … Sie wollten es nicht … , spürte ich. Sie wussten, wo ich jeden Tag hinging, warum ich gekommen war. Sie hatten mich wunderbar versorgt. Ihr Lächeln war mit einem großen Ernst verbunden. Auch diese Leute, die mit Auschwitz verbunden waren, konnten nicht vergessen. Ihr Leben war seriös, nachdenklich, mitfühlend … Während der Zug rollte und die Landschaft hinter sich ließ, blieb ich da. Die Tage, die Bilder, die Gebäude, der Geruch … Sie hatten sich gleichsam in mir festgefressen, sie überrollten mich immer wieder, sie blitzen in mir auf, waren nicht aufzuhalten, stauten sich … Es waren keine chronologischen Erinnerungen, die sich erzählen, ordnen ließen. Manchmal kam alles auf ein Mal. Und immer wieder sah ich die Menschen, die Alten, die Kinder, die dort gelebt hatten, die dort leben, arbeiten, sterben mussten … Hungernd lagen sie in den Baracken, gepeinigt schleppten sie sich im Steinbruch, ab und zu blickend gen Himmel, Gottes Hilfe erwartend, darum flehend, es nicht verstehend, warum er das zuließe. Ich hörte ihre leises und lautes Beten, ich sah ihre Augen der Angst und der Sehnsucht, ich hörte ihren letzten Atemhauch, ihren Aufschrei, ihr Schweigen. In mir, in diesem Zug des Abschieds, wühlte sich alles auf. Heute noch mehr, noch stärker als in den Tagen und Stunden als ich da war, über den Platz lief, die Ausstellung sah, die Monumente, die Gedenkstätten. Aus allem griffen Menschen nach mir ...

Bitte, vergiss mich nicht

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Während der langen Fahrt, nach mehrmaligem Umstiegen gelang es mir, langsam eine Art Lücke, Bresche, Loch oder Kerbe in diese mich überwältigende Bilderflut des Grauens, der menschlichen Zerstörung zu schlagen, eine Art Ordnung zu finden. Ich versuchte diesem unmenschlichen Gräuel einen Platz, eine Position, eine Stelle in meinem jetzt neuen Leben zu geben. In einem Leben nach Auschwitz! Ich dachte an zukünftige Aufgaben, an die Arbeit, die demnächst wieder anstünde und zu verantworten wäre, an die Verpflichtungen gegenüber den Menschen heute, mit denen ich jeden Tag privat und beruflich zu tun hatte. Ich wusste, dass ich das Gesehene, das Erlebte, die Kälte und Wärme mit ihnen teilen musste. Ich hoffte, dass es möglich sei … Es wäre so wichtig, gerade junge Menschen in den Schulen, Studenten an den Universitäten – dort wo sich Persönlichkeiten entwickelten, wo sich Charaktere bildeten und prägten – mit diesem „Treiben“ des menschlichen Wesens zu konfrontieren. Noch im Zug nahm ich meinen Laptop und fing an zu planen, zu schreiben, wie, wann, wo, was, bis wann, für wen, wieweit … und ich spürte während dieser Arbeit, wie ich mich wieder ins sogenannte normale Leben zurückbrachte … Während dieser langen Fahrt. Aber ich spürte auch, dass ich ein neues Gefühl von dort mit mir mitgenommen hatte … Es sollte mir nahe bleiben. Das war mein Vorsatz, mein Wille, mein Glaube … gewesen! Nach einiger Zeit – es war unbewusst geschehen, erst später war es mir bewusst geworden – merkte ich, dass ich begann zu vergessen, dass sie, jene Bilder, jene Menschen, deren Leben, an dem ich so Teil gehabt hatte, sich zurückgezogen hatten, dass ich sie zurückgenommen hatte … Und als ich es merkte, ärgerte ich mich, weil ich – wenn ich gefragt wurde – nur noch erzählte, berichtete … Ich ertappte mich dabei, dass ich die „Dinge“ auf die Reihe brachte, dass ich versuchte, sorgfältig zu informieren: chronologisch, begreiflich, vernünftig, verständlich, vielleicht ästhetisch interessant und nachvollziehbar, aber …! Die Worte, Begriffe, die Verbindungen, die Sätze waren grammatisch, syntaktisch, semantisch richtig. Sie gaben meine Reise, meinen Aufenthalt, das, was ich gesehen, gefühlt hatte, wahrscheinlich haargenau wider, aber es fehlte meine damalige Verbundenheit, meine Beziehung, mein ErfülltSein. Das Leben, die Wirklichkeit, die gelebte Situation, meine eigne Konkretheit waren zu einem Faktum geworden, während es im Grunde nach wie vor tief in mir quoll, brodelte. Ich hatte diese Quelle jedoch mit den Steinen des Alltags, mit dessen Aufgaben und Verpflichtungen ab-, zugedeckt! 110

Bitte, vergiss mich nicht


Wie tief war ich nicht berührt worden, hatte ich mich damals berühren lassen. Wie sehr waren die Saiten meiner Seele nicht in Bewegung geraten! Ich hörte den Satz, den Aufruf wieder: „Bitte, vergiss mich nicht!“ … Und ich wusste: Ich musste mich wieder auf dieses tiefe Gefühl, welches damals zur Entdeckung gekommen war, einlassen und aus ihm heraus eine ANDERE Sprache sprechen, die Sprache der Liebe, eine „umarmende“ Sprache!

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U M A R M U N G ... Ich umarme deine Sorge und spüre die zitternde Angst vor den Schmerzen des Tages, vor dem Ende des Lebens, vor dem Verlust unserer Liebe … Ich küsse und streichle dich … Ich lausche deinen flüsternden Lippen, den Worten, dich doch nicht zu vergessen, dich zu halten, zu umfassen … Meine Finger greifen die deinen, streicheln deine graugewordene Haut, und in deinen weiten, so klaren Augen erlebe ich das ewige, das tiefazurne Blau unserer verbundenen Seelen … Du stehst auf, nimmst mich in deine Arme und voller Vorsicht, zart und inniglich tanzen wir den Walzer des Glücks zur Musik unserer Verbundenheit …

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Bitte, vergiss mich nicht


ОБЪЯТИЕ Я обнимаю твою тревогу и чувствую дрожащий страх от боли дня, перед концом жизни, перед утратой нашей любви… Я целую и глажу тебя, я прислушиваюсь к шепоту твоих губ, к словам, чтобы все же не забыть тебя, удержать тебя, обнять … Мои пальцы хватают твои, гладят твою ставшую серой кожу и в твоих широких таких ясных глазах я переживаю вечную глубокую синеву наших связанных душ… Ты берешь меня за руки, и так осторожно, нежно и искренне танцуем мы вальс счастья под музыку нашего единения…

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RAFAEL RAMÍREZ wurde 1959 in Cima/Peru geboren. Er lernt die Malerei durch seinen Vater, den Maler Antonio Máro. In seinen Bildern erfährt man das Leiden in Auschwitz, den Wahnsinn des Menschen Don Quichotte, die Verzweiflung eines Woyzeck, den Tod im Requiem von Mozart, die Dämonie eines Don Juan, die Offenheit und Vertrauenswürdigkeit von Martin Buber ... Den Menschen zu malen, ihn in seiner grundsätzlichen und unverhüllten Tiefe zu zeigen, ist sein thematisches, formales und farbliches Anliegen. Ruhelos ist er bei der Arbeit, die Begegnung mit “seinen” Menschen zu verwirklichen. WERNER JANSSEN Der 1944 in Mönchengladbach geborene Philosoph, Germanist, Kulturund Gesellschaftswissenschaftler ist Intendant des Internationalen Kulturund Wissen schaftsfestivals EURIADE. Er lehrt, an mehreren Universitäten, liest, hält Vorträge und veröffentlicht zu Philosophie, Kultur und Wissenschaft. Er ist Rektor der IPF Multiversity - Martin Buber University. Unter dem Pseudonym Heinz Hof schreibt er Gedichte.

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“Lieber Werner, Es sind sehr schöne, tief anrührende Gedichte. Ich habe Auschwitz zwei Mal gesehen. Die Bilder von Birkenau haben sich in meinem Gedächtnis eingebrannt. Deine Gedichte bringen sie hervor, ohne dass Grauen, Hilflosigkeit und Widerwillen dominieren. Besonders die von Dir beschriebene Hoffnung, die uns hilft, trotz Trauer und Entsetzen weiterzuleben, ist wichtig. Du beschreibst eine Herbstzeit der Menschheit. Gott sei Dank folgt auf jeden Herbst ein Frühling!” Thomas Wenige, Theologe Europaschule, Herzogenrath, Merkstein

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Der EREBODOS Verlag basiert auf einer Zusammenarbeit zwischen der Stichting EURIADE e.V. und der IPF Multiversity - Martin Buber University. “Die IPF Multiversity - Martin Buber University versteht sich als eine humanpädagogische „Einrichtung“ und möchte in diesem Sinne praktisch orientiert lehren, unterrichten und auch veröffentlichen ... Die pädagogischen Aktivitäten der EURIADE will sie denn auch - entsprechend dieser Ausrichtung - unterstützen, wie hier mit der Realisierung dieser Publikation!” Urs Hauenstein, Präsident, Kanzler der IPF Multiversity - Martin Buber University

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IMPRESSUM © Verlag: EREBODOS Parkstad Limburg (NL) Erzählungen und Betrachtungen: Werner Janssen Gedichte: Heinz Hof Zeichnungen / Gemälde: Rafael Ramírez Übersetzungen: Hebräisch - Hanna Hollinger Niederländisch - Martin Bloemers, Französisch - Arlette Felber Englisch - Josef Backhaus Russisch - Inna Verjbitskaia, Svetlana Krylowa Spanisch - Rafael Ramírez Druck: Multicopy Kerkrade Design: Büro Coumans, Maastricht ISBN:

978-94-90456-00-9



Diese Kinder entkamen den Schrecken von Auschwitz ... Ihre Eltern blieben im Gas, im Stacheldraht, im Massengrab ... Wir wollen es nie vergessen !

EREBODOS


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