Das S Magazin #16

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8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) Steirereck Wien ZITRUS UND WONACH EIN HAHN KRÄHT , WEIN, DER VOR DEN VORHANG DRÄNGT UND PRAG , WIE ES AM BESTEN SCHMECKT. TEAMSPIELER UNTER SICH UND EIN FERNRUF AUS DEM MÜHLTALHOF . Ausgabe 16

EIN ORT FÜR SCHÖNE PFLANZEN UND INDIVIDUELLE GÄRTEN

Kramer und Kramer verbindet handwerkliche Perfektion und höchste Ansprüche an gutes Design mit der Liebe zur Natur. Vom Garten mit (Natur)Pool bis zur urbanen Dachterrasse. Unser Concept Store und unser Garden of uniqueTrees® in Zöfing bei Tulln bieten ein breites Sortiment an exklusiven Outdoor-Möbeln, besonderen Pflanzen, hochwertigen Pflanzgefäßen und originellen Accessoires.

Hauptstraße 18 / 3441 Zöfing bei Tulln / www.kramerundkramer.at

GARTENARCHITEKTUR UND FLORISTIK IM PALAIS HARRACH

In den Kuppelräumen und dem Innenhof des geschichtsträchtigen Palais Harrach finden Sie reich ausgestattete Wohnlandschaften von Paola Lenti, handgefertigte Keramik von Domani und künstlerisch arrangierte Floristik.

Freyung 3 / 1010 Wien / www.kramerundkramer.at

KRAMER UND KRAMER

GUTE IDEEN UND GROSSE PLÄNE

DESIGN UND

ARCHITEKTUR

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CONCEPT STORE

Das rahmenlose Premium-Schiebefenster ermöglicht ein grenzenloses Raumerlebnis voller Licht, Luft und Atmosphäre.

Schweizer Perfektion seit 1886 | swissfineline.com

LIVING THE BEST VIEW.

In einer Welt, die sich schneller und schneller dreht und das nachweislich nicht immer in die richtige Richtung, stellen sich – speziell junge – Menschen die für sie immer bedeutsameren Lebens- und Sinnfragen.

Trotz – oder wegen? – aller technologischen Innovationen leben wir in einem Zeitalter der zunehmenden Entfremdung des Menschen von der Natur. Und der Entfremdung von sich selbst. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir viel zu häufig unsere Lebenszeit für oberflächliche und inhaltsleere Bedürfnisse opfern und dabei unsere innerste Stimme regelmäßig überhören.

Intuitiv allerdings erkennt diese Stimme bleibende Werte, erinnert uns an glückliche Momente und speichert sie in unserem Unterbewusstsein. Häufig verbinden wir diese Erinnerungen mit Orten, an denen all unsere Sinne positiv stimuliert wurden. Wo wir von Schönheit umgeben waren, wo gute Gespräche uns einander näherbrachten, wo wir lachten, fühlten, Bekanntes rochen, Gewohntes und Unbekanntes schmeckten und die Macht der Gemeinschaft diese Zeit für uns zu einer unvergesslichen werden ließ.

Diese magischen Stätten des Glücks finden wir genauso am heimischen Familientisch wieder wie auch an vielen gastfreundlichen und kulinarischen Plätzen, ob Beisl, Wirtshaus oder Restaurant. Und dass wir dort verwöhnt werden, haben wir nicht allein Köchinnen und Köchen zu verdanken, sondern nicht zuletzt jenen, die diese beliefern: Menschen, die einen respektvollen Umgang mit der Natur und ihrem Umfeld pflegen. Und um einmal mehr solche Personen vor den Vorhang zu holen, haben wir für diese Ausgabe des S Magazins Heimo Karner und seine Zitrusfrüchte in Schönbrunn besucht und Hannes Scheibl, der in Frankenburg in Oberösterreich die seltenen Kapaune züchtet. Und kulinarisch verwöhnt haben uns Philip und Helmut Rachinger im Mühltalhof und im Fernruf 7. Allen vieren sei großer Dank.

Für diese Menschen sowie für uns ist eines auf jeden Fall gewiss: Wir sollten keine Gelegenheit verstreichen lassen, gemeinschaftlich an einem Tisch zu sitzen. Hier lernen wir intuitiv zu genießen, zu teilen, zu hinterfragen und unsere Welt auch durch die Augen unseres Gegenübers zu sehen.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und uns allen eine gute Zeit,

BIRGIT UND HEINZ REITBAUER
EDITORIAL S Magazin, Ausgabe 16
11 S MAGAZIN VOR-SÄTZE

16 DER PERFEKTE TAG

Was könnte schöner sein, als an Tagen ohne Wirtshaus vom Wirtshaus zu träumen?

Von Christian Seiler

18 FUND-STÜCKE

Edles, Schönes, Schmackhaftes: Tipps für ein genussvolles Sein

1 Wer & warum

48 IM NAMEN DER OMA

Zu Be such bei Hannes Scheibl und den wohl glücklichsten Hühnern des Landes.

Von Sebastian Hofer

56 EIN STAATSGEHEIMNIS UND SEIN HÜTER

Ende einer Ära: Heimo Karner war 25 Jahre lang Herr über die Zitrusfrüchte von Schönbrunn.

Von Katharina Seiser

64 GEBEN SIE SENF DAZU

Er i st ein wahres Multitalent: Erklärungsversuche von A – Z.

Von Katharina Seiser

70 ENDLICH

De r große Traum vom kleinen Laden gleich um die Ecke – ein Essay.

Von Katharina Seiser

2 Wovon & wie viel

72 STRUNK, BLATT, BLÜTE

D ie Großfamilie Kohl erlebt eine kleine Renaissance. Von Ute Woltron

80 EDEL UND ROSS

P ferde mögen Rosskastanien, wir schätzen Esskastanien –vier Rezepte mit Maroni.

3 Wie & für wen

86 OHNE SIE LÄUFT GAR NICHTS

Sec hs gute Geister im Porträt –die stillen Helden des Steirereck. Von Uschi Korda

94 S AG NIEMALS NIE Wie eine Schüssel Paradeiser neue Türen öffnete – ein Essay. Von Achim Schneyder

96 TISCHGESPRÄCHE

G uten Appetit – neun neue Rezepte aus dem Steirereck.

116 WIR SIND NOCH NEU HIER Weine, die noch kaum jemand kennt – René Antrag schenkt ein.

Von Sebastian Hofer

INHALT
12 S MAGAZIN THEMEN-VIELFALT
Perfektion für die Ewigkeit KRONE 1010 Wien, Kärntner Straße 41, T 01 512 33 22 und An den besten Adressen Deutschlands und in New York, Paris, London, Madrid – WEMPE.COM

4 Wohin & zurück

126 OIS UND NOCH EIN BISSERL MEHR

Reitbauers bei Rachingers: ein Ausflug ins Wochenendglück. Von Achim Schneyder

134 MAN ISST NUR EINMAL

Wie Tschechiens Metropole Prag seine Gäste kulinarisch verwöhnt.

Von Rainer Nowak

144 V ON KREBSEN IN DEN HOSENTASCHEN UND EINER FLUCHT AN DEN GARDASEE Geschmackserinnerungen von Unternehmer Hans Peter Haselsteiner. Von Achim Schneyder

146 ANDERSWO RESERVIERT B irgit und Heinz Reitbauer verraten, wo es ihnen besonders schmeckt.

Impressum

MEDIENINHABER:

Alba Communications GmbH

GESCHÄFTSFÜHRENDE

GESELLSCHAFTER:

Alexandra Seyer-Gmeinbauer, Reinhold Gmeinbauer

Seilerstätte 7, 1010 Wien, albacommunications.at

HERAUSGEBER:

Birgit und Heinz Reitbauer

CHEFREDAKTEUR:

Achim Schneyder

CHEFIN VOM DIENST:

Ursula Macher

AUTORINNEN, AUTOREN:

Sebastian Hofer

Uschi Korda

Ursula Macher

Rainer Nowak

Achim Schneyder

Christian Seiler

Katharina Seiser

Ute Woltron

FOTOGRAFEN:

Klaus Fritsch

Philipp Horak

Thomas Schauer

Mirco Taliercio

BILDNACHWEIS:

Seite 64 ff: https://archive.org/

DESIGN:

brand unit – network for branding, design and content, brand-unit.com

KREATIVDIREKTION:

Albert Handler

ARTDIREKTION:

Annija Česka

Ula Krzyżak

ANZEIGEN:

Reinhold Gmeinbauer

Matthias Führer

LEKTORAT:

Romana Gillesberger, Claudia Werner

LITHOGRAFIE:

Mario Rott

DRUCK:

Print Alliance

HAV Produktions GmbH

Druckhausstraße 1, A-2540 Bad Vöslau

FN 426711t – LG Wr. Neustadt printalliance.at

14 S MAGAZIN THEMEN-VIELFALT / IMPRE SSUM

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DER PERFEKTE TAG

Was könnte schöner sein, als an Tagen ohne Wirtshaus vom Wirtshaus zu träumen?

Meine Tage lassen sich einteilen in Tage mit und Tage ohne Wirtshaus. Über die Tage mit Wirtshaus müssen wir nicht weiter nachdenken, außer natürlich, welches Wirtshaus, wann und warum. Die schwierigen Tage sind die ohne.

Ich meine damit nicht, dass es so anstrengend ist, selbst eine Mahlzeit herzustellen. Ich dilettiere gern am Herd, meistens aber unter Anweisung großer Vorbilder, soll heißen, sklavisch am Rezept entlang. Die Stufe, in der das Kochen zur Improvisation wird, zur Kunst, die über dem vorgegebenen Motiv der vorhandenen Lebensmittel zur Entdeckung neuer Facetten, Ideen, kulinarischer Melodien führt, bleibt eben den ganz Großen vorbehalten. Sie, die dieses Heft in der Hand halten, wissen so ungefähr, von wem ich rede.

Was ich hingegen gut kann, ist mich erinnern. Die Erinnerung ist die beste Verbündete, wenn es um Geschmack geht. Ich sehe ein Bild, höre eine Melodie, spüre einen besonders milden Wind im Gesicht und schon erinnere ich mich an Mahlzeiten, an Momente, die mir in ihrer Einzigartigkeit besonders ans Herz gewachsen sind. Kulinarische Augenblicke, die mich, um es ein bisschen pathetisch zu sagen, zum wahrnehmenden Menschen gemacht haben, indem sie jene Übereinstimmung aus Platz, Gesellschaft, Stimmung und Angebot herstellten, die für die tiefe, elementare Bereitschaft zum Genuss Voraussetzung ist.

Wir wissen alle, dass ein noch so gutes Essen nicht schmeckt, wenn wir verärgert oder abgelenkt Messer und Gabel in die Hand nehmen, während es ganz zauberhaft sein kann, heiter in einer Strandbude einzukehren, wo die Bouillabaisse vielleicht

nicht die beste der Welt ist, aber der Sand zwischen den Zehen warm und freundschaftlich und über die Anlage ein alter Hadern von den Commodores läuft oder irgendwas von Biolay.

An den Tagen ohne Wirtshaus erinnere ich mich besonders gern ans Wirtshaus und weil ich aus allem gern ein Spiel mache, erinnere ich mich zu verschiedenen Tageszeiten an verschiedene Wirtshäuser, wo die jeweiligen Mahlzeiten mir ganz besonderen Eindruck gemacht haben. Das Herrliche an diesem Spiel ist, dass weder die beschwerlichen Fortbewegungsmittel noch allfällige Budgetgrenzen eine Rolle spielen, wobei ich merke, dass die teuersten meiner Mahlzeiten in den Charts der Erinnerungen gar nicht die vordersten Plätze belegen.

Woran erinnere ich mich also besonders gern? Es sind Teile eines großen, sich ständig verändernden kulinarischen Puzzles und die Tageszeit spielt natürlich auch eine Rolle. Wenn ich mir also das ideale Frühstück wünsche, ohne selbst Semmeln holen zu müssen, dann wäre es das Frühstück im Fäviken Magasinet, Nordschweden. Das ehemalige, aus grobem Holz gezimmerte Elchfondue-Restaurant in Järpen, das der schwedische Koch Magnus Nilsson zum Wallfahrtsort für Foodtouristen hochgejazzt hatte, bevor er es 2019 wieder schloss, war, sagen wir, sehr okay bis super. Aber das Frühstück dort war Weltklasse. Tee von getrockneten schwedischen Blättern, Wald- und Wiesenkräutern, frisches, zwei Zentimeter dick geschnittenes Sauerteigbrot, eine von den Carotinoiden des frischen Grases tiefgelbe, köstliche Butter, nur leicht geräucherter Schinken, ein frisches Ei mit Forellenrogen und ein dicker, cremiger Joghurt mit Moltebeeren. Das alles im gelben Halblicht des oberen Fäviken-Stockwerks und im

16 S MAGAZIN KOPF-KINO

Bewusstsein, dass niemand in der Nähe ist, der dich stören kann, außer vielleicht der Koch, der draußen gerade einen Elch schießt.

Wenn ich nach diesem ausführlichen Frühstück wider Erwarten wieder Hunger bekomme, denke ich an ein Mittagessen bei Biquet Plage, Südfrankreich. Das ist der Ort, von dem meine zu Beginn deponierte Strandfantasie stammt. Denn Biquet ist kein normales Restaurant, eher eine verschwenderisch dekorierte Strandbaracke in Leucate, direkt am Meer. Mit dem Mittagessen kriegst du dort auch den Sommer, den Süden, einen leisen Wind, der diese unersetzliche Frische in den Raum weht. Du kannst in Badehosen und barfuß am Tisch sitzen, bekommst frische Scampi mit Knoblauch aus der Pfanne, Muscheln mit Ingwer, Sardinen, kühlen Weißwein aus den nahen Pyrenäen. Gleichzeitig läuft im Hintergrund, mit den Geräuschen des Strands und der Brandung zu einem unübertrefflichen Sound verwoben, wunderschöne, schon etwas abgestandene Independent-Musik, José González, Calexico, diese Richtung. Immer weiteressen und sitzen bleiben und reden und hören und wenn es kurz still ist, schnell was bestellen, damit das Mittagessen noch nicht vorbei ist.

Wenn ich von diesem imaginären Mittagstisch aufstehe, bin ich von einer tiefen Ruhe erfüllt, die erst nachmittags wieder einer gewissen Anspannung Platz macht. Ich muss dann von einem High Tea im Peninsula in Hongkong träumen oder gleich aufs Abendessen umschwenken. Das fände jedenfalls im Antiche Carampane in Venedig statt. Winziges Restaurant zwischen Rialto und Bahnhof, Motto: „No Lasagne, no Pizza, no Menu turistico“.

Zuerst die Tagliolini granseola, eine anbetungswürdig geschmeidige Pasta mit Meeresspinne und Chiliflocken, dann die Tagliolini coi zotoi mit den kleinen Tintenfischen (und ja, ich weiß, dass man zum Abendessen selbst in Italien nicht zweimal Pasta bestellt. Aber warum eigentlich nicht? Es ist mein perfekter Tag und der braucht zwei Portionen von diesen Tagliolini). Rotwein dazu, bis die Backen glühen und dann ja sagen zumTiramisu, denn auch das gibt es nirgendwo besser. Noch mehr Rotwein und jetzt zur unhörbaren Melodie von Paolo Contes „Una giornata al mare“ durch die Gassen tanzen, bis irgendwo eine Bar offen hat, wo ich mir den ersten Grappa seit Jahrzehnten genehmige.

So verbringe ich meine Tage ohne Wirtshaus: im Wirtshaus.

17

NOBEL-HOBEL

WER, WENN NICHT DIE TRÜFFEL, HAT ES VERDIENT, AUF EDLE WEISE IHREM ZWECKE ZUGEFÜHRT ZU WERDEN? MEINT AUCH LUCA MILIFFI, EIN WAHRER EXPERTE AUF DEM GEBIET, UND LIESS EIGENS DAFÜR EINEN HOBEL KREIEREN.

Wer ein teures Auto kauft, überlässt in puncto Ausstattung nichts dem Zufall. Wer aber eine Trüffel, immerhin den teuersten Edelpilz der Welt, stilecht über Speisen hobeln wollte, war lange auf Massenprodukte angewiesen. Genau diese Tatsache brachte Luca Miliffi, einen international anerkannten Trüffelexperten, der auch das Steirereck beliefert, auf den Plan: Ein präziser, eleganter und auch effizienter Hobel musste her und damit ein Messer, das hauchdünn schneiden kann, ohne den Pilz zu verletzen. Mit Cristiano Rapetti wurde in Castello di Guarene, nicht weit vom Trüffel-Mekka Alba im Piemont, ein herausragender Messermacher gefunden, der gemeinsam mit seiner Frau, einer Designerin, für Tuberio und Tuberia (nach tuber, dem lateinischen Wort für Trüffel) verantwortlich zeichnet – zwei Trüffelhobel, die nicht nur durch Eleganz bestechen, sondern auch durch Funktionalität. Die „Ferraris der Trüffelhobel“, wie Miliffi sie nennt, verfügen über einen glatten Holzgriff und ein ebensolches Messer, prinzipiell kann man damit jede Trüffel hobeln, wobei Miliffi rät, sie vor allem für die weiße zu verwenden. „Denn die wird – im Gegensatz zu Winter- und Sommertrüffel – nie gerieben, sondern nur gehobelt.“

Tuberio und Tuberia Trüffelhobel sind um € 62 im Steirereck-Shop erhältlich, Trüffel nach Vorbestellung.

18 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Ferrari Approved – Zertifizierte Gebrauchtwagen

Ferrari Approved ist das Zertifizierungsprogramm für Fahrzeuge aus Vorbesitz. Dies verleiht höchste Sicherheit für all diejenigen, die ein Ferrari-Modell erwerben, das vor weniger als 14 Jahren erstmals zugelassen wurde. Das Programm umfasst einen 201 Punkte-Check und eine Herstellergarantie von bis zu 24 Monaten.

Entdecken Sie die Ferrari Pre-Owned Modelle und starten Sie Ihre außergewöhnliche Reise: preowned.ferrari.com

Scuderia Gohm GmbH

Laxenburger Straße 155-161 2331 Vösendorf

T. +43 1 3613939 info@scuderia-gohm.at wien-gohm.ferraridealers.com

ferrari.com

Verbrauchs- und Emissionswerte Ferrari SF90 Spider: Kraftstoffverbrauch (gewichtet, kombiniert) 6,1 l/100 km, CO2-Emissionen (gewichtet, kombiniert) 149 g/km, Stromverbrauch (gewichtet, kombiniert) 13,6 kWh/100 km.

KEKS IN DER KUGEL

DASS DIE VANILLEKIPFERL IM STEIRERECK SO BESONDERS SIND, LIEGT NICHT NUR AM GESCHMACK UND AM WAGERL, AUF DEM SIE SERVIERT WERDEN. LÄNGST IST AUCH DAS BEIWERK – EINE STILVOLLE SCHNEEKUGEL – ZUM KLASSIKER GEWORDEN.

Die Geschichte beginnt fast zeitgleich mit der Einführung des Vanillekipferlwagerls vor zehn Jahren. Zur Präsentation ruht das süße Gebäck seither in der Vorweihnachtszeit in einem Meer von Staubund Vanillezucker, aus dem es sorgfältig und Stück für Stück auf den Teller gehoben wird. Eine durchdachte Präsentation, aber nicht perfekt genug für den Chef. Also kam Heinz Reitbauer auf die Idee, kurzerhand passende Schneekugeln als Deko zur Seite zu stellen. Den Sockel bastelte er am Anfang selbst „aus alten Dingen“, und logischerweise wollten auch bald die ersten Gäste die eigentlich unverkäuflichen Einzelstücke erwerben. Da das mit der zeitlichen Kapazität bei Heinz Reitbauer aber so eine Sache ist, hatte eine Mitarbeiterin vor drei Jahren die zündende Idee, die Produktion an die Expertinnen und Experten der Original Wiener Schneekugel Manufaktur zu übergeben. Seither stehen die Kugeln, die ein täuschend echtes Vanillekipferl beherbergen, auf einem Sockel aus Buchenholz und sind im Steirereck-Shop in zwei Größen erhältlich.

Vanillekipferl-Schneekugel der Original Wiener Schneekugel Manufaktur, 80 mm hoch um € 27, 120 mm hoch um € 38, erhältlich im Steirereck-Shop

20 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Investieren Sie Seite an Seite mit unserer Eigentümerfamilie

Wer dieselben Ziele verfolgt, kommt gemeinsam besser voran. Vertrauen Sie auf unsere jahrzehntelange Erfahrung und legen Sie bei der LGT nach derselben Strategie an wie unsere Eigentümerin, die Fürstliche Familie von Liechtenstein. lgt.com/at

© LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

SOLO FÜR DREI

KANTIGE HÜLLE, WEICHER KERN: DER MASSIVE CHAMPAGNERKÜHLER „ENZO“ BRINGT GEGENSÄTZE IN EINKLANG UND SCHMÜCKT JEDE TAFEL.

In der Welt der Champagnerkühler ist die Auswahl groß: Es gibt sie in verschiedenen Formen und Größen, aus verschiedenen Materialien gefertigt und dementsprechend auch in verschiedenen Preiskategorien. Architekt Martin Mostböck hat den Kühler 2021 nochmals neu interpretiert und „Enzo“ erschaffen – einen Champagnerkühler aus feinstem Calacatta oder Nero Marquina Marmor. Das Besondere daran: An seiner Außenseite ist der runde Marmorkorpus in drei identisch große Stufen gegliedert, die sich jeweils nach unten leicht verjüngen, während die Innenseite über weiche Rundungen verfügt und damit Raum schafft. So passen in diagonaler Ausrichtung zwei Flaschen in den Kühler, stehend auch drei Flaschen. Das gesamte Volumen wird in rund sechs Stunden aus einem massiven Steinblock gefräst und anschließend zehn Stunden lang geschliffen. Nur so erhält der Kühler, den es in hellem und dunklem Marmor gibt, seine markante, matte Oberfläche.

Champagnerkühler

2021 aus Calacatta oder Nero Marquina Marmor, CNC gefräst, gebürstet und poliert, weitere Infos über www.breitwieser.com/martin-mostboeck/

22 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
THE NEW BMW Group Niederlassung Wien Filiale Heiligenstadt Heiligenstädter Lände 27 1190 Wien www.bmw-wien.at ANGEBOT ANFORDERN Filiale Donaustadt Rautenweg 4-6 1220 Wien Freude am Fahren. 100% Elektrisch. BMW i5 eDrive40: Kraftstoffverbrauch 0,0 l/100 km, CO2-Emissionen 0,0 g/100 km Stromverbrauch: 15,9–18,8 kWh/100 km; Elektrische Reichweite: 500–581 km Angegebene Verbrauchs- und CO2-Emissionswerte ermittelt nach WLTP.

VON HAND UND MIT HERZ

WIE SCHMECKT EIN WEIN, FÜR DEN MIT RENÉ ANTRAG UND THOMAS REITHER ZWEI DER BESTEN SOMMELIERS ÖSTERREICHS VERANTWORTLICH ZEICHNEN?

WER DAS WISSEN WILL, MUSS SCHNELL SEIN.

Es ist ein Traum, den sich die Freunde René Antrag und Thomas Reither schon lange erfüllen wollten. Der Traum, Wein nicht nur als Sommeliers zu beurteilen und zu kredenzen, sondern auch selbst zu machen. Also pachteten die beiden 2020 einen Weingarten in Perchtoldsdorf, der 1991 vor allem mit Welschriesling und Neuburger ausgepflanzt wurde, in dem man aber auch ein paar Stöcke Zierfandler und Rotgipfler fand – perfekt für einen Gemischten Satz. Die Größe des Weinguts ist übrigens auch mitverantwortlich für dessen Namen: 0,18 Hektar sind umgerechnet 18 AR und passenderweise auch die Anfangsbuchstaben der Nachnamen der beiden Nebenerwerbswinzer. Die legen zudem großen Wert darauf, alle Arbeiten selbst und per Hand zu machen –vom Schneiden über Pflanzenschutz bis hin zur Begrünung. Vinifiziert wurde der 2022er-Jahrgang bei Johannes Gebeshuber in Gumpoldskirchen, gereift ist er in einem gebrauchten 772-Liter-Holzfass vom Stockinger, insgesamt wurden 920 Flaschen abgefüllt. Antrag: „Der Wein lag bis Ende Juni komplett auf der Vollhefe und wurde ohne Zusätze spontan vergoren, unfiltriert und händisch abgefüllt und verkorkt.“ Das Etikett spiegelt den Jahrgang und den Weinstil wider – mitsamt den vier Faktoren, die dafür ausschlaggebend sind: Wärme, Wind, Wasser und Boden.

G’mischter 2022, Weingut 18 AR, erhältlich bei Weinskandal um € 24,79 (Gastro) bzw. € 35,– (Endverbraucher)

24 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

“LET’S SET THE PACE TOGETHER”

DIE NEUE BMW R 1300 GS

PROBEFAHRT VEREINBAREN

DURCH DICK UND DÜNN

ES IST EINE ART LIEBESBEZIEHUNG, DIE EIN KOCH MIT SEINEM MESSER UNTERHÄLT. DIE LILIENSTAHL-PRODUKTE DES SCHMIEDS FLORIAN STOCKINGER HABEN DAS POTENZIAL, DASS DIESE LIAISON AUCH EIN LEBEN LANG WÄHRT.

Was für den Schneider das Maßband, ist für den Koch das Messer. Beim wichtigsten Arbeitsutensil werden keinerlei Kompromisse gemacht, das Beste ist gerade gut genug. Das kommt Florian Stockinger gerade recht, denn der Messerschmied aus dem niederösterreichischen Ernstbrunn schafft mithilfe erstklassiger „Zutaten“ und einer Extraportion Leidenschaft exklusive Schneidwerkzeuge, die für noch mehr Spaß in der Küche sorgen. Wie zum Beispiel das Deba (li.), ein japanisches Hackmesser mit einer aus 270 Lagen handgeschmiedetem Damaszenerstahl gefertigten Klinge, das sich perfekt zum Zerteilen von Fleisch und Fisch eignet. Regionalität pur verspricht wiederum sein Bog Oak Gyuto-Messer (Mi., San-Mai-Dreilagenstahlklinge, Griff aus einer uralten Donau-Mooreiche), während das Integralgyuto das Zeug hat, zum Herzstück der Messersammlung zu avancieren. Mit ihm kann man dank eines ausgewogenen Klingenprofils nahezu alle Arbeiten in der modernen Küche erledigen, eine Klingenstärke von 2,5 Millimetern und ein Gewicht von nur 242 Gramm machen den Umgang damit kinderleicht.

Weitere Infos und Produkte finden Sie auf der Website des Herstellers: lilienstahl.at

26 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Menü zur Zeit

Wir bieten eine erlesene Auswahl an feinen Zeitmessern für Freunde der Uhrmacherkunst. Geschmackvolle Kompositionen und edle Zutaten zubereitet von den besten Uhren-Manufakturen der Welt. Ein Fest für Auge und Handgelenk. Als ausgewiesener Uhrenspezialist und als Familienunternehmen sind wir mit unserem Team und unseren Uhrmachern mit Leidenschaft für alle Horlogerie-Feinschmecker da - seit über 100 Jahren.

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UNENDLICHE SCHÖNHEIT

EINE SCHMUCKLINIE FREI VON KONVENTIONEN, PASSEND ZU JEDEM LOOK UND FÜR JEDEN TAG – JUWELIER WEMPE HAT SEINER KOLLEKTION EINEN NAMEN GEGEBEN:

PLAYLIST BY KIM.

Playlist By Kim ist eine avantgardistische Schmucklinie zum Sammeln und spontanen Kombinieren, die grafische und organische, moderne und klassische, feminine wie maskuline Formen vereint. Unterschiedliche Legierungen, Diamantschliffe und Fassungen wechseln einander in dieser neuen Linie ungezwungen ab. Ringe, Armreifen, Armband und Creolen ergeben unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten, sodass jede Frau ihre einzigartige Schmuck-Playlist zusammenstellen und so ihren Stil Tag für Tag neu erfinden kann. Der Fokus liegt dabei auf den Ringen, die aufgrund ihres markanten Profils wahlweise auch als ausdrucksstarke Anhänger an einer Kette getragen werden können. Die verschiedenen Modelle sind so konzipiert, dass sie sich im Stacking-Konzept mal aneinanderschmiegen, mal anecken, sich gegenseitig durchdringen wie Puzzleteile oder buchstäblich über sich hinauswachsen zu räumlichen Skulpturen. Dabei entstehen unterschiedliche Looks, die immer überraschend anders wirken: modern, architektonisch, minimalistisch, opulent, klassisch, glamourös oder rockig. Ihren vollen Klang entfaltet die Schmucklinie im Zusammenspiel – und doch ist auch jeder Ring für sich ein Solokünstler.

Weitere Infos unter www.wempe.com bzw. bei Juwelier Wempe Kärntner Straße 41, 1010 Wien

28 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
Österreichische TraditionsweingüterERSTE LAGEN 1ÖT W www.gobelsburg.at

BRAND AUS!

NEBEN BRATPFANNE UND BUTTER, MUSKATNUSS UND MESSER, GEHÖRT AUCH EINE HEILSAME SALBE AUS KÄRNTEN LÄNGST ZUR GRUNDAUSSTATTUNG IM STEIRERECK.

Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und wo gekocht wird, kommt es dann und wann zu kleinen Hoppalas in Form von Schnittwunden oder Verbrennungen. Für letztere hat Birgit Reitbauer aber ein wahres Wundermittel parat, das ihr einst von ihrer Mutter empfohlen wurde: die selbst gemischte Wund- und Brand-Haussalbe aus der Auer-Apotheke, der ältesten Apotheke Klagenfurts, die über wahrlich magische Heilkräfte verfügt. Dexpanthenol beschleunigt die Neubildung der Haut und fördert somit die Wundheilung. Die desinfizierenden Eigenschaften von Ethacridinlactat und der entzündungshemmende Effekt der Hamamelisblätter ergänzen und verbessern die Wirksamkeit. Und das in Windeseile. Reitbauer: „Die schlimmsten Verbrennungen werden mit dieser Salbe sozusagen im Aufflammen erstickt, der Schmerz ist innerhalb kürzester Zeit weg und sie wirkt augenblicklich.“

Apotheker Auers Klagenfurter Haussalbe Wund- und Brandsalbe, um € 19,50 über auer-apo.at

30 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Der Atem der Natur

Biodynamischer Wein als zeitgemäße Interpretation alter Weinkultur

Das Œuvre von 36 Spitzenwinzerinnen - & winzern ist unbestritten. Es eint sie das klare Bekenntnis zur Biodynamie und das Streben nach höchster Qualität und Individualität ihrer Weine. Strenge Produktionsrichtlinien, eine ganzheitliche Philosophie und aufgeklärte Haltung, offener Gedanken- wie Erfahrungsaustausch und jede Menge kollektiver Weiterbildung und Freude am Tun. Und noch eines eint sie: Sie alle sind Mitglieder der Gruppe respekt-BIODYN.

Die Biodynamie wird 2024 hundert Jahre alt und kann als Urform der Kreislaufwirtschaft und ökologischen Landwirtschaft verstanden werden. Sie geht auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurück und versteht sich als „erweiterte Landwirtschaft“, die sich im Betriebsgeschehen, Sozialen und Wirtschaftlichen widerspiegelt. Im Weinbau geht es insbesondere um Bodenvitalität, Humusaufbau, gesunde widerstandsfähige Rebstöcke, eine hohe Biodiversität im und auf dem Boden, um Kreislaufwirtschaft, Einbeziehung der Naturkreisläufe. Um Bäume und Büsche in den Weingärten, damit Vögel, Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten, Niederwild und Kleintiere gefördert werden.

Dies alles versorgt die Rebstöcke und Trauben mit Hefen und Bakterien und begünstigt Bodenlebewesen wie Regenwürmer und Mikroorganismen. Einer der vielen Zusatznutzen ist eine bessere Wasserspeicherkapazität der Böden und Widerstandsfähigkeit der Reben gegen Wind, Trockenheit und neue Krankheiten, die der Klimawandel mit sich bringt.

Im Keller selbst passiert wenig. Die Weine gären spontan ohne Zugabe von Reinzuchthefen, sind vegan und werden so gut wie nicht manipuliert. Sie können über viele Jahre im Keller reifen und halten auch in der offenen Flasche länger frisch.

” respekt-BIODYN ist ein lebendiger Organismus und in sich so individuell wie jeder Wein.

Man sagt, dass man biodynamische Weine „erschmeckt“, sie sind vitaler, tiefgründiger und haben meist weniger Alkohol. Stilistisch ist alles möglich: von leicht & frisch, über gehaltvoll & reif bis hin zu orange. Trocken und süß. Pet nat und Große Reservesekte.

respekt-BIODYN. 36 Weingüter in Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien und Ungarn.

Paul Achs • Judith Beck • Clemens Busch • Christmann • Christmann & Kauffmann • Diwald • Domaine Caveau • Ebner-Ebenauer • FeilerArtinger • Foradori • Fritsch • Georg Fußer • Andreas Gsellmann • Gernot & Heike Heinrich • Hirsch • Jürgen Leiner • Loimer • Manincor • Hans & Anita Nittnaus • Ott • Gerhard & Brigitte Pittnauer • Claus Preisinger • Ökonomierat Rebholz • Sattlerhof • Schnaitmann • Schödl • Am Stein • Tement + Domaine Ciringa • Dr. Wehrheim • Weninger + Weninger Pincészet • Wieninger + Hajzan Neumann • Wittmann • Herbert Zillinger

www.respekt-biodyn.bio

© andreas hofer © MANFRED KLIMEK

ESSENZ EINER LANDSCHAFT

VOR KNAPP ZEHN JAHREN SCHLOSS SICH EINE GRUPPE VON LANDSCHAFTSIMKERN ZUSAMMEN, UM KONSUMENTINNEN UND KONSUMENTEN JENE WERTSCHÄTZUNG ZU VERMITTELN, DIE DEM HONIG GEBÜHRT. EINE VON IHNEN IST HILDEGARD BURGSTALLER.

Honig ist nicht gleich Honig. Denn wie der Wein ist auch er abhängig von Boden und Klima, dazu kommen die in der Gegend vorhandenen Pflanzen und freilich auch die Honigbiene. Genau diese Umstände waren dann auch der Grund, warum 2014 die Gemeinschaft Landschaftshonig Österreich gegründet wurde, deren oberstes Ziel es ist, eine echte Wertschätzung für das flüssige Gold zu vermitteln, das weit mehr kann als nur Brotaufstrich. Heute umfasst die Gemeinschaft 15 Mitglieder, Hildegard Burgstaller war eine von vier der ersten Stunde und produziert Honig in unterschiedlichen Regionen wie der Wiener Gstettn, dem Leopoldsberg, dem Höllental und dem Wienerwald – eben dort, wo es gute Standorte für Honigbienen gibt. „Pro Kaffeelöffel Honig“, rechnet die Wienerin vor, „sind zwischen fünf- und siebentausend Blütenbesuche notwendig, die Bienen legen dafür weite Strecken zurück. Insofern ist jeder Honig die Essenz einer Landschaft.“ Und die schmeckt man auch. „Neben Farbe und Geruch ist auch das Aroma jedes Jahr anders – sogar zu jeder Jahreszeit.“

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Hildegard Burgstallers Honige gibt es im Steirereck bzw. über landschaftshonig.at.

STEYR MONOBLOC

THE RIFLE OF A NEW GENERATION

KRÄUTER MIT BISS

DER FERNET HUNTER GRANIT IST DIE ZWEITE GENERATION EINES AMARO, DER IM OBERÖSTERREICHISCHEN BRUNNWALD SEINE WIEGE HAT. RAPHAEL HOLZER ENTWICKELTE DAS GEHEIME FAMILIENREZEPT WEITER, INSPIRIERT VON DER GETRÄNKEKULTUR HONGKONGS.

Bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert befindet sich inmitten der üppigen Natur des Mühlviertler Hochlands die Brennerei Fernet Hunter Holzer. Hier prägen atemberaubende Granitwege die Landschaft, hier wachsen Kräuter wie Arnika, Iriswurzel und Lavendel, die auch die Essenz von Fernet Hunter bilden, der 2016 auf den Markt kam und eine zeitgenössische Version eines klassischen italienischen Bitters darstellt. Der Fernet Hunter Granit ist nun der zweite Wurf, der Raphael Holzer gemeinsam mit seinem Vater gelang. Holzer junior, die vierte Generation der Brenner-Familie, ließ sich beim Granit von seiner langjährigen Wahlheimat Hongkong inspirieren und kreierte einen Bitter, der sich in puncto Trockenheit, intensiver Bitternoten und einem reduzierten Zuckergehalt klar von seinem Vorgänger unterscheidet. Zudem ist auch Kamille mit im Spiel und verleiht dem Likör eine stark aromatische Note und Komplexität. Auch der Name kommt nicht von ungefähr, er bezieht sich auf die massiven Granitfelsen, die man in der Region findet. Holzer: „Wir wollten einen Bitter schaffen, der die Essenz und Trockenheit von Granit wirklich einfängt.“ Übung gelungen, zum Wohl!

Fernet Hunter Granit, 0,7 Liter um € 37,80 über shopvolumenprozent.at

34 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Die besser leben Bank.

Als nachhaltige Regionalbank setzen wir bei der HYPO NOE vieles um, was das Leben in Österreich besser macht: mit maßgeschneiderten, nachhaltigen Wohnkrediten, flexiblen Kontomodellen und persönlicher Beratung auf Augenhöhe. Mehr dazu auf hyponoe.at

Stand 10/2023. Werbung. Eine Information der HYPO NOE Landesbank für Niederösterreich & Wien AG, Hypogasse 1, 3100 St. Pölten. D I ELANDESBANKFÜ R G HCIERRETSÖZNA .

EINE RUNDE SACHE

EINEN STEIRERECK-KLASSIKER ZU HAUSE GENIESSEN?

DAS GEHT. DIE SCHOKOLADEKNÖDEL SIND DEFINITIV EINEN VERSUCH WERT.

Wenn es ein Gericht gibt, von dem der Chef höchstpersönlich auch nach vierzig Jahren noch so schwärmt, als hätte er es gestern selbst erfunden, muss es schon etwas ganz Besonderes sein. Und das sind sie auch, die Schokoladenknödel aus dem Steirereck. Kreiert wurden sie damals noch in der Rasumofskygasse von Heinz Reitbauer senior und dem damaligen Patissier, das alte Familienrezept ist bis heute streng geheim. Nur dass die Teigbasis Grieß ist, so viel sei verraten. Am Pogusch sind die schmackhaften, mit Zartbitterschokolade gefüllten Knödel nach wie vor fixer Bestandteil der Karte, im Stadtpark kann man sie für daheim mitnehmen, inklusive Kokosbröseln und Himbeersoße. Die Zubereitung jedenfalls ist kinderleicht: Wasser zum Kochen bringen, die Knödel einlegen und leicht wallend 15 Minuten ziehen lassen. Sobald sie an der Oberfläche schwimmen, die Knödel vorsichtig herausnehmen, in den Kokosbröseln wälzen und auf einem Himbeerspiegel servieren. Tipp: Die Knödel eignen sich auch gut zum Einfrieren.

Schokoladeknödel mit Kokosbröseln & Himbeersoße für zu Hause, 4 Stück um € 12,50

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Wo Tradition auf Innovation trifft und ein gesunder Boden auf ein subtiles Mikroklima, entstehen feine Weine.

Wie jene des Weinguts Prager in der Wachau.

SO KRUMM, SO SÜSS

WENN ALLE DAS GLEICHE MACHEN, WIRD ERWIN GEGENBAUER ERST SO RICHTIG KREATIV. ALSO VERABSCHIEDETE ER SICH VON DER KLASSISCHEN BALSAMICO-PRODUKTION UND STECKTE LEIDENSCHAFT UND WISSEN IN SEINE SÜSSEN HAUSESSIGE. EINER DAVON IST DIE BANANE.

Jahrelang schon hat’s den Wiener Essigpapst Erwin Gegenhuber gewurmt, dass die Produktion von Balsamico derart inflationär betrieben wurde und wird, dass die Qualität desselben in allzu vielen Fällen ziemlich leidet. Also musste etwas Neues her, und so hat Gegenbauer das Thema weiterentwickelt und jetzt gibt es die sogenannten süßen Hausessige, dreizehn an der Zahl, akribisch ausgetüftelt und aromatisch unschlagbar. Das hat damit zu tun, dass der Saft auf Niedrigtemperatur eingekocht wird, „weil die Primärfrucht bei hoher verdampfen würde“, so Gegenbauer. Seit eineinhalb Jahren ist auch die Banane Teil der süßen Familie, die ihren konzentrierten, satten Geschmack der Tatsache verdankt, dass der eingekochte Bananensaft im eigens kreierten Fermenter vergoren wird. Zehn bis zwölf Kilo der krummen Früchte braucht es für einen Liter Essig, in puncto Reife sollten sie kurz vor dem Faulwerden stehen. Dann ist sie perfekt, die süße Banane, die im Steirereck zum Abschmecken von Cremen, Linsen und Dashi verwendet wird.

Haus Essig süße Banane, 250 ml, um € 31,82 über gegenbauer.at, im Geschäft am Naschmarkt bzw. in der Wiener Essig Brauerei, Waldgasse 3, 1100 Wien

38 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

ANDERS SEIT

1770

Lackner Tinnacher Weine waren schon immer mehr als das Ergebnis ihrer primären Inhaltsstoffe. Sie waren schon immer mehr als die Moral einer langen und traditionsreichen Familien- geschichte. Sie sind das Ergebnis davon, Dinge anders zu betrachten und anders zu machen.

EIDENSCHAFT RADITION

tinnacher.at

KLEIN, ABER OHO

DER NAME KOMMT NICHT VON UNGEFÄHR: DER HEINZELMANN-CHEF-X IST EINE MULTIFUNKTIONALE KÜCHENMASCHINE, DIE HEUTE IN DEN BESTEN KÜCHEN IM EINSATZ IST. SO AUCH IM STEIRERECK.

Er ist sicher der kleinste Mitarbeiter in der Küche im Stadtpark, aber einer mit ganz viel Potenzial: Der Heinzelmann-CHEF-X wurde von TopKöchen und -Ingenieuren maßgeschneidert auf die Anforderungen der gehobenen Profiküche – und erledigt ebendort in Windeseile Tätigkeiten, die im Normalfall ordentlich Zeit verschlingen. Mixen, karamellisieren, emulgieren, aromatisieren und entsaften sind nur ein paar Talente dieses schnittigen wie stylishen Küchenhelfers, der neben einem leistungsstarken Motor auch über eine titangehärtete vierkantige Winkelklinge verfügt, die besonders feine Ergebnisse garantiert. Das Gerät lässt sich unkompliziert von einem Arbeitsplatz zum nächsten transferieren, gefällt dank der flexiblen Temperatur- und Geschwindigkeitseinstellung und ist manuell steuerbar – zwecks Kontrolle und Sicherheit, aber auch Qualität und Flexibilität.

Weitere Infos unter www.heinzelmannpro.com 40 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

AUS ALT MACH NEU

SIE HABEN LUST, IHREM ZUHAUSE NEUES LEBEN EINZUHAUCHEN?

PALAIS INTERIORS IM WIENER PALAIS FERSTEL BIETET EINE VIELZAHL AN KLEINEN VERÄNDERUNGEN MIT GROSSER WIRKUNG.

Jeder Raum hat seine eigene Persönlichkeit. Und schreit dann und wann nach Veränderung. Ein neues Kunstwerk vielleicht? Oder eine neue Wandfarbe? Oder doch ein paar alte Möbel neu interpretiert? Vor allem bei Lampenschirmen und Couchtischen ist die Auswahl mittlerweile so groß, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen glaubt. Palais Interiors hat sich auf diese Produkte spezialisiert und erweckt sie im Handumdrehen zu neuem Leben. Alte Lampenschirme und Couchtische werden dabei individuell nach Kundenwunsch restauriert, wobei jegliche Stoffe, Formen, Innenfolien und Accessoires frei wählbar sind. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch eine große Bandbreite an Geschenkideen, Möbeln, Lampen, Geschirr und vielem mehr. Als Interior Designerin mit jahrelanger Erfahrung in England hilft Ihnen Sophie Clary-Aldringen bei Konzepten für Ihre Projekte.

Weitere Infos über Palais Interiors, Herrengasse 14, Passage Palais Ferstel, 1010 Wien

42 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

VON FUNKELNDER ELEGANZ

DIE STRAHLENDEN NEUHEITEN DER WAGNER-COLLECTION RIVIÈRE GARANTIEREN GLANZVOLLE AUFTRITTE.

Mit einer wahren Fülle eng aneinander liegender Diamanten zieht die Collection Rivière in diesem Winter die Blicke auf sich. Stilechte Eleganz und das schmeichelnde Tragegefühl jedes einzelnen Schmuckstücks lassen die Frau von Welt in all ihrer unwiderstehlichen Schönheit erstrahlen. In puncto Design wurde bei diesen Neuheiten ein besonderes Augenmerk auf die perfekte Fassung der Diamanten sowie auf den Emerald-Cut gelegt, der auch als Smaragdschliff bekannt ist. Der Flächenglanz, die dementsprechende Politur und die damit einhergehende Reinheit der Diamanten machen die Collection zu einer optischen Attraktion.

Seit mehr als hundert Jahren und über Generationen hinweg beschäftigt sich das Wiener Familienunternehmen intensiv mit der exklusiven Juwelierkunst, die vom Design und der Kreation der Kollektionen bis hin zur Gestaltung der Ehrenringe der Wiener Staatsoper und des Burgtheaters reicht. Synonym für dieses einzigartige generationsübergreifende Juwelendesign, feinste Materialien und höchste Qualitätsmerkmale wurde die Signatur des Hauses: der Blaue Wagner-Saphir mit eingraviertem Wagner-W. Seit 1990 werden Schmuckstücke damit signiert, der Wagner-Saphir wurde so zu einem anerkannten Qualitäts- und Wiedererkennungsmerkmal in der Juwelenbranche.

Weitere Infos unter juwelier-wagner.at/schmuck/wagner-juwelen/riviere/

44 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

TIERWOHL UMWELT SOZIALES

Wir setzen den Standard für Fisch und Meeresfrüchte

HARMONIE VON HIMMEL & ERDE

Genau wie ihre Reben ist das Winzerehepaar Katrin und Kurt Feiler tief und fest im Weinbau und in der Freistadt Rust verwurzelt.

Ihre Weine streben qualitativ nach den höchsten Sternen.

Biodynamische Bewirtschaftung seit 2008 ermöglicht Weinbau im Einklang mit der Natur

Nicht der Boden oder die Lage allein, sondern erst das Zusammenspiel mit der richtigen Sorte und dem Klima machen Weine einzigartig. Himmel und Erde haben ihren Einfluss. Der Weinbauer ist der Vermittler zwischen all diesen natürlichen Voraussetzungen. Die biodynamische Bewirtschaftung, die wir seit 2008 in unserem Betrieb anwenden, unterstützt mit ihrer ganzheitlichen Sicht und den Methoden und Präparaten den Einklang von Himmel und Erde. Sechs Präparate machen unseren Kompost vom Mist der eigenen Mutterkühe qualitativ noch besser und lebendiger, zwei Präparate (Hornmist und Hornkiesel) werden direkt in den Weingärten ausgebracht. Die Letzteren werden vor der Ausbringung eine Stunde

lang von Kurt Feiler mit seinem »Hexenbesen« dynamisiert. So ist auch der Winzer selbst mit all seinem Bewusstsein und seiner Individualität direkt in die Wachstums- und Reifeprozesse der Reben eingebunden.

Das Weingut Feiler-Artinger liegt mitten in der Freistadt Rust. Typisch für die Herkunft, bieten wir die ganze Ruster Trilogie in höchster Qualität: Weiß-, Rot- und edelsüße Weine (Ruster Ausbruch). Der Neuburger ist die Lieblingssorte und das Steckenpferd unter den Weißweinen. In Rot dominiert der Blaufränkisch. Wir bieten ihn in allen Facetten und Ausbauvarianten an, ganz neu auch einen Leithaberg DAC Ried Ruster Oberer Wald! Ein Geheimtipp des Winzers im Rotwein-Sortiment ist aber der Cabernet Franc!

R USTER AUSBRUCH DAC

Die neue bedeutende Jahreszahl neben 1524 und 1681 für die Freistadt Rust und den Ruster Ausbruch ist 2020. Die Ruster Spezialität wurde als erster Süßwein Österreichs ein »regionaltypischer Qualitätswein mit Herkunftsprofil«, besser bekannt unter der Abkürzung »DAC«. Bei uns im Weingut gibt es mit dem heuer neu auf den Markt kommenden Jahrgang 2018 gleich vier Ruster Ausbruch DAC. Rust am Neusiedler See besuchen und himmlische Weine von Feiler-Artinger genießen!

Weitere Informationen unter

falstaff 45 mai 2021 WEINGUT FEILER-ARTINGER ADVERTORIAL Fotos: © Martin Fülöp; beigestellt INFO
feiler-artinger.at

Früher, Teil I: Früher, als Sie und ich, die wir keine Teenager, ja leider nicht einmal mehr Twens sind, noch Kinder waren und eines Tages, als vielleicht auch schon Schnee auf den Gehsteigen lag, aus der Schule nach Hause stiefelten, empfing uns ein irgendwie vertrauter, aber schon monatelang nicht mehr gerochener

Duft, der sich vom Obstkorb aus verbreitete. Mandarinen! Irgendwer hatte Mandarinen gekauft, die ersten der Saison. Heute eine ganzjährige Alltäglichkeit, früher eine vorübergehende Besonderheit. Das kann man natürlich gutheißen. Man kann es aber auch ein bisserl schade finden …

Wer &  warum

1 S. 64 GEBEN SIE SENF DAZU S. 48 IM NAMEN DER OMA S. 70 ENDLICH S. 56 EIN STAATSGEHEIMNIS UND SEIN HÜTER 47 S MAGAZIN FEDERVIEH & ZITRUSFRUCHT

FOTOS:

01 Kapaune, diese stillen Giganten und ungekrönten Könige des Hausgeflügels, stellen sich seelenruhig ans Ende der Hackordnung und wachsen dort zu einem kulinarischen Schatz heran.

IM NAMEN DER OMA

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Auf Hannes Scheibls Bauernhof im Hausruck tummeln sich die wahrscheinlich glücklichsten Hühner des Landes –und zwischen ihnen ein selten gewordener Schatz:

Kapaune, die stillen Könige der Hendlwelt. Ein Treffen mit dem Geflügelzauberer von Frankenburg.

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02–06 Insgesamt leben auf der Domäne Wachter 250 Kapaune, durchwegs im Freiland, im prallen Klee. „Die Tiere müssen da draußen natürlich robust sein“, sagt der Züchter.

Hannes Scheibl sagt am Telefon: „Komm einfach vorbei, du findest uns, wo Milch und Honig fließen.“ Er sagt es ein bisschen ironisch und ein bisschen ernst, aber eigentlich mehr ernst, es geht hier schließlich um sein Lebenswerk: um die Domäne Wachter, einen Bauernhof mit Geflügelzucht in Frankenburg in Oberösterreich, wo Milch und Honig wie überall sonst auch von Kühen und Bienen stammen. Das passiert hier, auf den Hügeln des Hausruckviertels, aber halt unter einem spektakulär idyllischen Riesenhimmel, insofern hat Hannes Scheibl allen Grund zur fröhlichen Ironie.

Der Geflügelzüchter ist knapp 50 Jahre alt, wirkt um etliches jünger, trägt lockiges Haar, die Sonne im Herzen und das Herz auf der Zunge. Er hat es nicht nötig, sich zu verstellen, aber noch weniger will er irgendetwas übertreiben, Hannes Scheibl weiß, dass Demut durchaus eine Zier ist, insbesondere dann, wenn man in der Landwirtschaft tätig ist. Das Lebenswerk, von dem hier die Rede sein soll, ist übrigens gerade einmal vier Jahre alt. Und ja, das ist tatsächlich eine rasante Geschichte.

Denn was da im Herbst 2019 begann, ohne großes Vorwissen, ohne Anlauf, als klassischer Quereinstieg, steht heute an der Spitze der österreichischen Geflügelpyramide – zumindest wenn man diese von der Qualitätsseite her anschaut: Mit seiner Domäne Wachter, einem Familienbetrieb, der nach seiner Großmutter benannt ist und in dem neben ihm selbst noch genau zwei andere Menschen tätig sind, nämlich seine Frau Elfi und sein Sohn Michael (zumindest bis Michael die Matura hat, denn dann wird er zum Studium nach Wien gehen), produziert Hannes Scheibl Geflügel auf Weltniveau: Hühnereier in einer Qualität, wie man sie hierzulande kaum sonst irgendwo kriegt; Stubenküken, Wachteln, Hendln und Kapaune, nach denen unter heimischen Spitzenköchen ein regelrechtes Griss herrscht, also unter den Reitbauers, Filippous, Günzels, Rachingers und Hubers dieses Landes: „Beim Geflügel tun sich die in Österreich ja gar nicht so leicht, dass sie ein gutes Produkt kriegen“, sagt Scheibl, er könne da aber inzwischen durchaus am oberen Qualitätsrand mitspielen, also mit der internationalen Konkurrenz mithalten, Label Rouge und so, ganz unbescheiden gesagt. Wobei es eben kaum einen bescheideneren Bauern gibt als Hannes Scheibl, er will nicht den Star-Landwirten mit dem Super-Produkt spielen, er weiß, was er kann, aber er muss es nicht überall hinausposaunen. Dass Heinz Reitbauer ihn für diese Ausgabe des S Magazins vorgeschlagen hat, ehrt ihn aber schon, ganz ehrlich: „Das ist sicher eines der schönsten Dinge, die in den letzten drei, vier Jahren passiert sind.“ So lang ist es her, dass Scheibl so richtig auf die Hühner kam.

Davor hat er eine glänzende Karriere in der Medizintechnik hingelegt, war viel und dauernd unterwegs, in den USA, in Afrika, Europa sowieso, 104 Länder hat er besucht, er kennt die Welt seither ziemlich gut. Umso leichter ist es ihm gefallen, seinen neuen Mittelpunkt in Frankenburg am Hausruck zu finden, Ortsteil Märzigen.

„Der Kapaun ist in Österreich ein bisserl verpönt, weil man das halt heute nicht mehr so kennt.“
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07–08 Die Kapaune sind bei der Schlachtung – die Hannes Scheibl selbst macht, hier mit seinem Sohn Michael – mindestens 210 Tage alt. Das ist betriebswirtschaftlich nicht vernünftig, aber unumgänglich.

Begonnen hat es, damals, im Herbst 2019, mit ein paar Hendln, als eine Art Zuverdienst für Sohn Michael zwecks Finanzierung von dessen aufkeimender Rennradleidenschaft. Dann kam die Pandemie, das Nebengeschäft rückte ins Zentrum und wurde – für die ganze Familie –zum Haupterwerb und aus der Handvoll Legehennen eine Geflügelzucht, die ihresgleichen sucht, eben weil die Scheibls keinen Aufwand scheuen, um maximale Qualität zu erzeugen. Auf der Domäne Wachter werden nicht aus einer Massenhaltung irgendwelche Margen im Centbereich herausgequetscht, hier steht jedes Tier für sich und als solches im Zentrum der Aufmerksamkeit. „Es geht mir um eine respektvolle, regenerative Landwirtschaft, die auch die einfachsten Produkte, das Ei oder das Hendl, mit aller Wertschätzung behandelt.“

Das heißt nicht, dass auf der Domäne Wachter nicht auch Platz für Spezielles wäre. Auftritt: Scheibls Kapaune. Es sind prächtige Tiere, stille Giganten, die ungekrönten Könige des Hausgeflügels: kastrierte Hähne, die sich seelenruhig ans Ende der Hackordnung stellen und dort, in aller Ruhe gehegt und gepflegt, zu einem kulinarischen Schatz heranwachsen. „Vom Habitus sind sie schon eher ängstlich, obwohl das wirklich imposante Viecher sind, die kommen auf 4,5 Kilo Lebendgewicht“, schwärmt Hannes Scheibl. „Und das Fleisch ist ganz weiß.“ Der französische Geschmacksgelehrte Jean Anthelme Brillat-Savarin kam über die Kapaune schon vor 200 Jahren ins Philosophieren: „Wir bescheiden uns nicht mit den Eigenschaften, die die Natur den Hühnervögeln verliehn; die Kunst hat sie ergriffen und unter dem Vorwande, sie zu verbessern, machen wir Märtyrer aus ihnen.“

Man muss an dieser Stelle hinzufügen: glückliche Märtyrer, weil überlebende Hähne. Noch einmal Hannes Scheibl: „Der Kapaun ist in Österreich ein bisserl verpönt, weil man das heute nicht mehr so kennt. Dabei ist das ein tolles Produkt, auch vom moralischen und vom Nachhaltigkeitszugang her.“ Denn die männlichen Küken werden in diesem Fall eben nicht, wie es sonst so oft geschieht, geschreddert, sondern aufgezogen und mit rund acht Wochen kapaunisiert. Einst war dies üblich, damit sich die männlichen Tiere auf dem Hof nicht gegenseitig in die Quere kommen, aber auch aus kulinarischer Perspektive bringt die Praxis Vorteile. Kapaune entwickeln bei entsprechender Haltung dieses besonders makellose, weiße, markant strukturierte Fleisch. In Frankreich und Italien sind les chapons, gli caponi gefragte Delikatessen und seit Jahrhunderten Weihnachtsbraten allererster Wahl.

In Österreich ist die Kapaunisierung als solche seit 2005 verboten; die Haltung von Kapaunen jedoch legal – Scheibl bekommt seine Tiere vom Züchter seines Vertrauens in Norditalien, wo sie unter tierärztlicher Aufsicht kastriert werden. Und dann beginnt erst das Leben in Saus und Braus: „Jeden Tag in der Früh – außer donnerstags, da liefere ich aus – bekommen sie einen Maisbrei mit frisch gemolkener Ziegenmilch.“ Die Spezialdiät hat sich Scheibl vom italienischen Eierpapst Paolo Parisi abgeschaut, zunächst für die Legehennen, damit der Dotter diese besonders seidige Struktur erhält, aber auch den Kapaunen bekommt das Frühstück ganz hervorragend: Die Ziegenmilch liefert Proteine und fördert die Bildung von interzellulärem Fett. Hier in Frankenburg stammt sie von zehn Saanenziegen, die sich Hannes Scheibl extra zu diesem Zweck zugelegt hat und die er täglich melkt. Weil, wie gesagt: Qualität über alles, Aufwand muss sein.

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09–13 Bei Hannes Scheibl dürfen die Tiere ein bisschen mehr Charakter entwickeln als das typische Masthendl aus dem Supermarkt – das merkt man dann auch am Geschmack.

Insgesamt stehen auf der Domäne Wachter derzeit (neben 700 Legehennen und ein paar Hundertschaften Hühnern und Wachteln) gut 250 Kapaune, außerdem fünf Stück beim Steirereck am Pogusch, „denen geht’s dort super“, weiß Scheibl. In Frankenburg geht’s ihnen aber auch nicht schlecht: Auf den Feldern rund um den Hof stehen sie im prallen Weißklee, haben ein ruhiges Leben und einen mobilen Stall zum Unterstellen. „Die Tiere müssen da draußen natürlich robust sein, die sind den Elementen ausgesetzt. Die üblichen Zuchtrassen kannst du nicht auf die Wiese stellen, eine Ross 308 geht dir dort schnell einmal ein.“ Dafür entwickelt das typische Masthendl halt in wenigen Wochen auch eine riesige Brust, die dann schön dick und einfoliert im Supermarktregal zu liegen kommt. Bei Hannes Scheibl dürfen die Tiere ein bisschen mehr Charakter haben und ihr Leben ein bisschen ausführlicher genießen. Die Kapaune sind bei der Schlachtung – die Hannes Scheibl natürlich selbst macht, ganz stressfrei, ohne großes Trara quasi direkt von der Weide – mindestens 210 Tage alt. Das ist aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nicht ganz vernünftig, aber aus Scheibls Perspektive unumgänglich, denn nur so kann sich das Fleisch der Tiere perfekt entwickeln, und weniger als perfekt taugt ihm nicht. „Da geht es nicht nur um den Geschmack, da geht es auch um Struktur, um Textur, um Dinge, die ich erst schätzen lernen musste.“

Qualitätsbewusstsein ist eine Erfahrungssache, das gilt für den Züchter wie für seine Kundschaft: „Wir haben mit Bressehühnern angefangen und die am Anfang auch an Privatkunden verkauft. Aber irgendwann hat mir eine Kundin erklärt, dass ihr das Fleisch viel zu fest ist, das könne sie ja nur zu Coq au Vin verkochen. Gut, da hab ich mir schon gedacht, ihr könnt mich gernhaben, wenn ihr den Aufwand so gar nicht zu schätzen wisst, den ich da betreibe.“ Denn genau darum geht es ja: dass das Fleisch einen Biss hat, eine Struktur. „Das ist halt was anderes als das Masthendl, das du im Supermarkt kriegst und das dir schon beim Anblick im Mund zergeht.“

Also hat er sich Leute gesucht, die das zu schätzen wissen. Hannes Scheibl ist Geflügelzüchter und ein bisschen auch ein Romantiker, außerdem ein Zahlenmensch, „da kann ich nicht aus meiner Haut heraus“. Das wiederum hilft ihm bei der Buchhaltung sowie beim Philosophieren. Er kann deshalb nämlich aus dem Stand vorrechnen, dass ein Mann in Österreich ungefähr 78 Jahre alt wird, „das sind gut 29.000 Tage. Jetzt hab ich schon 18.000 Tage hinter mir, da bleiben mir also statistisch gesehen noch ungefähr 10.000 Tage. Und die will ich sinnvoll verbringen, nicht mit Gfrastern verschwenden.“

Wenn das kein geflügeltes Wort ist.

„Es geht um eine respektvolle Landwirtschaft, die auch die einfachsten Produkte mit aller Wertschätzung behandelt.“
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Das Herzstück der Zitrussammlung der Österreichischen Bundesgärten bilden Bitterorangen wie diese gefurchte Sorte. In Schönbrunn sind zumindest 25 historische Sorten identifiziert, darunter so ungewöhnliche wie die Bizzarria oder die Deutsche Landsknechthose.

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EIN STAATSGEHEIMNIS UND SEIN HÜTER

Im Schlossgarten Schönbrunn geht unbemerkt eine Ära zu Ende.

Zitruskultivateur Heimo Karner hat 25 Berufsjahre der historischen Zitrussammlung der Österreichischen Bundesgärten gewidmet – und diese wieder zu einer der bedeutendsten Europas gemacht. Jetzt geht er in Pension.

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TEXT: KATHARINA SEISER FOTOS: PHILIPP HORAK
Seit 1647 werden in Schönbrunn nachweislich
Zitruspflanzen kultiviert. Vor 300 Jahren, 1718, waren es 2.606 Bäume, 1998 nur mehr 45, heute sind es wieder rund 450.

„Das ist ein Blender!“, sagt Zitrusgärtner Heimo Karner über den fünf Meter hohen Pomelobaum, dem er im mehr als 250 Jahre alten Orangeriegebäude in Schönbrunn gerade einen Fensterplatz für die Überwinterung zugeteilt hat. Die Pomelo in Topfkultur (wie alle in der historischen Zitrussammlung) ist nämlich erst 60 Jahre alt. Nichts im Vergleich zu ihren zwei Nachbarinnen, den Pomeranzen. Die dürften mindestens 150 Jahre alt sein, gekauft in den 1860er-Jahren auf Sizilien. Sie könnten aber auch deutlich älter sein, Inventarlisten gibt es keine. Oder zumindest wurden sie noch nicht gefunden. „Wer weiß, was das Staatsarchiv noch an Informationen birgt“, ergänzt Bau- und Gartenforscher Thomas Baumgartner.

Dass Menschen auch außerhalb der Anbaugebiete seit Jahrhunderten die Nähe zu Zitruspflanzen suchen, ist kein Wunder. Sie gehören zu jenen raren

immergrünen Gewächsen, an denen zugleich überirdisch duftende Blüten, Fruchtstände mit winzigen Fruchtknoten, unreife grüne und reife Früchte von hell- über dottergelb, grün, gestreift, orange bis blutrot gedeihen, was sie unendlich faszinierend macht. Das hat zu einem Aufrüsten an den Höfen geführt, Wien war ganz vorn dabei. Seit 1542 gibt es hier nachweislich Zitrusbäume, damals noch in der Hofburg, seit 1647 in Schönbrunn. 1718 waren es laut Aufzeichnungen sogar 2.606 Exemplare, 1808 noch mehr als 1.500. Kosten und Aufwand für die nicht frostharten Bäume müssen exorbitant gewesen sein. Dass man damals hauptsächlich Pomeranzen kultiviert hat, ist deren ornamentaler Sortenvielfalt zu verdanken. Heute zählt die Sammlung wieder rund 450 Pflanzen in knapp 100 Sorten. Heimo Karner hat sie in 25 Jahren aufgepäppelt und um das Zehnfache vergrößert. „Entscheidend ist nicht die Sammlung, sondern der Gärtner, der sie pflegt“, sagt Baumgartner dazu und

03-05 Zitrusgärtner Heimo Karner hat 25 Jahre an einem der schönsten Orte des Landes gearbeitet: Den Sommer über steht ein Teil der Sammlung windgeschützt im Kronprinzengarten, direkt am Westflügel des Schlosses Schönbrunn.

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ergänzt, dass es auch auf europäischer Ebene kaum einen Orangeriegärtner wie Heimo Karner gebe.

Karner ist das zu viel der Lorbeeren, er erzählt lieber, dass es den Beruf Zitrusgärtner gar nicht gebe und er nur durch Zufall zu seiner Bestimmung gekommen sei. Er machte seine Gärtnerlehre hier in Schönbrunn. Es ging um Blumen, von den historischen Pflanzensammlungen war keine Rede. Mit seiner Mama habe er aber schon damals erfolgreich Wildlinge aus Zitrussämlingen gezogen. 1982 schloss er seine Ausbildung in der Gartenbauschule ab und

hatte dort ein prägendes Erlebnis: In einem Glashaus stand ein privates Zitronenbäumchen eines Lehrers, eine einzige, sorgsam gepflegte Frucht hing daran. Heimo Karner, noch keine 20, war fasziniert, mit welcher Wertschätzung der Lehrer die Zitrone behandelt hatte. Karner ging dann ein paar Jahre in den Augarten, kam 1989 zurück nach Schönbrunn und wollte seine mittlerweile gewachsene Sammlung an „Unterlagen“, wie er seine Zitruspflanzen gärtnerisch bezeichnet, mitbringen. Er wusste noch immer nichts von der historischen Zitrussammlung oder dem, was von ihr übrig war. Der damalige

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06 Kaum zu glauben, dass bis 2006 alle Früchte weggeschmissen wurden. Seit damals darf das Steirereck (und wenige andere Gastronomiebetriebe) zig Sorten Zitrusfrüchte beziehen und damit Gästen aus aller Welt den Kopf verdrehen.

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SÜSS-SAUER
Die kostbaren Zitruspflanzen werden in aufwändiger Topfkultur gehalten, weil sie zum Überwintern in Glashäuser und in die Große Orangerie verbracht werden müssen.

Verwalter kannte jedoch die hauseigene, in peinlich schlechtem Zustand befindliche Sammlung – und nun auch Karners über die Jahre prächtig gedeihende Pflanzen.

So wurde Heimo Karner im Herbst 1998 gefragt, ob er die Zitrussammlung übernehmen wolle. Ein Danaergeschenk. Bis heute ist er nicht sicher, ob man damals nicht nur einen Verantwortlichen suchte, der die Sammlung endgültig zu Grabe kultivierte. Und er sagt: „Es tut mir heute noch leid, dass ich nicht alle durchgebracht habe.“ Die Sammlung bestand aus 45 Bäumen, überwiegend Pomeranzen, aber auch Zitronen, Mandarinen, Grapefruits und Pomelos. Genaue Sorten unbekannt, keine Aufzeichnungen vorhanden, Zustand bemitleidenswert. Karner nahm sich ein Herz und die Pflanzen unter seine Fittiche. Im neu gebauten 12er-Haus, einem Glashaus im Feldgarten, hat er sie zwei Jahre behalten. „Die Pflanzen waren dankbar“, sagt er. Dass er damit in bester historischer Tradition arbeitete, wusste er nicht. Hofgartendirektor Adolf Vetter päppelte die Sammlung 1864 in einem eigens errichteten Orangeriespital auf. Er ergänzte die Sammlung im Auftrag des Kaisers um 224 Zitrusbäume aus Palermo. Vom Pouvoir dieser Größenordnung ist Heimo Karner weit entfernt. Aber in Fachkreisen gilt seine Arbeit als Referenz, der gerettete Altbestand könnte noch jener von Vetter angekaufte sein. In Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft – mit Kunst- und Gartenhistorikerin Claudia Gröschel und Gartentechnikerin Elisabeth Kalous – wurden in jahrelanger Arbeit anhand überlieferter Abbildungen Sorten bestimmt, mehr als 25 historische, überwiegend Bitterorangen, konnten zweifelsfrei identifiziert werden. Die Sammlung gedieh, der damalige Direktor der Bundesgärten, Peter Fischer-Colbrie, wurde zum Unterstützer. Seit 2000 werden die Wiener Zitrustage veranstaltet, die Öffentlichkeit bekam langsam Wind vom Schönbrunner Zitruswunder. Die Eigentümerin der Sammlung, die Republik Österreich, hat aber bis heute nicht erkannt, was da für ein gefundenes Fressen für Tourismus und kulinarisches Erbe gedeiht.

Ohne den Arbeitskreis Orangerien in Deutschland, in dem sich alle wichtigen Orangerien, Schlösser, Sammlungen, Gärtner und Gärtnerinnen, Forscher und Forscherinnen in Mitteleuropa zusammengeschlossen haben, hätte er keine Chance gehabt, die Zitrus so erfolgreich zu kultivieren, zu vermehren

und die Sammlung auszuweiten, sagt Heimo Karner. Nur dort gebe es das Fachwissen, aufgeschrieben sei so gut wie nichts davon, über die Jahre konnte er ein bisschen etwas zurückgeben. Er veredelt beinahe alles selbst aus Mutterpflanzen, weil er damit gesunde, standortangepasste Pflanzen in genau der richtigen Größe für die Topfkultur erhält. Er mischt die Erde aus Schönbrunner Buchenlaub, Pferdemist und anderen Komponenten, erst nach fünf Jahren ist sie für die kostbaren Pflanzen bereit. Das Umtopfen – je nach Pflanze alle 15 bis 20 Jahre nötig – ist eine Staatsaffäre, seit Jahren werden die bestellten grünen Holzkübel nicht nachgeliefert, in Plastik stehen die hohen Bäume aber nicht so stabil. Und sind nicht ausstellungswürdig, wie Karner schulterzuckend nachsetzt.

07 Nicht jede der Tausenden in Schönbrunn über den Sommer wachsenden und im Herbst und Winter ausreifenden Zitrusfrüchte ist makellos. Manch eine wie diese Buddhas HandZitronatzitrone hat ihren Zenit schon überschritten.

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08-10 Zitruspflanzen in Topfkultur müssen alle 15 bis 20 Jahre umgetopft – korrekt: umgekübelt – werden. Heimo Karner hat dafür eine eigene Erde entwickelt, die fünf Jahre Reifezeit braucht. Das Umkübeln gleicht einem kräfteraubenden Staatsakt.

Nach den Zitrustagen im Mai werden die Pflanzen nämlich ausgewintert. An der westlichen Schönbrunner Schlossmauer im Kronprinzengarten stehen 120 der schönsten Bäume bis in den Oktober hinein. Unbeschriftet, um Vandalismus vorzubeugen. Man glaube nicht, wie viele Leute brutal Edelreiser von seinen Schützlingen reißen würden, leidet der Zitruskultivateur. Im Sommer ist er überwiegend mit Gießen beschäftigt, jeder Topf wird in Sektoren unterteilt, je nach Beschattung braucht ein Quadrant mehr oder weniger Wasser. Das Wasser lässt er am Vortag in Bottiche laufen, damit es temperiert, noch besser sei Regenwasser. Nasse Füße dürften Zitrus keinesfalls haben, Wind mögen sie auch nicht. Während er spricht, hat Karner seine Hände ständig an den Pflanzen. Er befühlt Blätter und Erde, klopft auf Töpfe, zieht seine Gartenschere aus der Arbeitshose, zwickt da ein Ästchen ab, dort ein Blatt, das ihm nicht gefällt. Deutet auf eine ungewöhnlich ausgebildete Frucht, weiter zum nächsten Baum, die Zeit drängt, überall sieht er Arbeit, er will die Sammlung bestmöglich übergeben.

Über die Sommermonate gedeihen die Früchte, ab spätem Herbst können sie geerntet werden. Nichts wird abgerissen, alles geschnitten. Seit 2006 darf das Steirereck (und ein paar wenige andere Gastronomie-

betriebe) Früchte beziehen, auch das war ein Zufall. Heinz Reitbauer hatte genug von den ewig gleichen unreifen Zitrusfrüchten, da müsse es doch mehr geben. Er fragte einen seiner auf rare Zutaten spezialisierten Lieferanten, ob der nicht was wisse. Der war zufällig Heimo Karners Bruder Helmut. Er verbandelte die beiden, der Rest ist Steirereck-Geschichte.

Ab Herbst ist aber die eigentliche Arbeit des Zitrusgärtners das Einwintern. Dicht an dicht stehen die Pflanzen dann in drei Glashäusern, die ganz hohen in der Orangerie, die schon lange hauptsächlich andere Pflanzen zum Überwintern beherbergt. Zitrus vertragen bis zu null Grad, brauchen aber Licht und gute Belüftung. Es sind eigentlich zu viele Pflanzen, der Schädlingsdruck steigt, behandeln kann er sie nur mit für Lebensmittel zugelassenen Präparaten, weil Früchte, Blätter und Blüten kulinarische Verwendung finden, egal ob Pomeranzen, Zedrate, Calamansi, Meyerzitronen, Persische Limetten, Buddhas Hand und viele andere. Im Winter muss nach der Ernte auch geschnitten werden. Ab März temperiert er die Glashäuer langsam auf zwölf bis 15 Grad, die Pflanzen beginnen durchzutreiben, der Schädlingsdruck steigt wieder, Nützlinge kommen zum Einsatz. Fürs Genießen der beginnenden Blüte bleibt ihm keine Zeit.

S MAGAZIN 62 OBST-GARTEN
SÜSS-SAUER

Seine Bilanz: „Zitrus faszinieren mich, weil sie ein mediterranes Lebensgefühl vermitteln. Aber ich habe sehr, sehr viel Arbeit damit gehabt. Ich hätte mir erträumt, dass man da heroben im Feldgarten ein eigenes großes Glashaus baut, wo man die Zitrus in die Erde pflanzen kann, im Sommer schiebt man es auf, im Herbst wieder zu. Man hätte Verkostungen machen können, Führungen, Vorträge, kochen. Eine eigene Abteilung für Zitrus, mehr Platz, damit man sie im Winter optimaler aufstellen kann und als Folge schönere Pflanzen hat.“

Der einzige Zitruskultivateur der Republik Österreich wird die von ihm zu neuer Pracht gepflegte Sammlung ein letztes Mal sorgfältig einräumen. Heimo Karner wird sich an einem Winternachmittag, die Tausenden reifen Früchte leuchten im letzten Tageslicht, von seinen Pflanzen verabschieden, seine Hände ein letztes Mal über die Blätter, Stämme, Erde und Früchte gleiten lassen. Und ein letztes Mal die Schiebetüren zu jenen Glashäusern schließen, in denen eines der bestgehüteten Geheimnisse des Landes einer ungewissen Zukunft entgegenwächst.

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GEBEN SIE SENF DAZU

TEXT: KATHARINA SEISER

01 Weißer Senf (der wegen seiner Blüten auch gelber Senf genannt wird), Sinapis alba, hat die größten Körner –und ist der mildeste. Er stammt aus Mitteleuropa und ist zum Beispiel für Estragonsenf unverzichtbar.

ER IST DAS UNIVERSALTALENT UNTER DEN GEWÜRZEN,

IN EUROPA WIE IN ASIEN HEIMISCH UND – OBWOHL UNSCHEINBAR –

IN VIELEN KÜCHEN DER WELT UNVERZICHTBAR. DER VERSUCH EINER ERKLÄRUNG SEINER POPULARITÄT IN 26 KAPITELN.

64 S MAGAZIN SCHÄRFE-GRADE

AApicius, der angeblich das älteste bekannte Kochbuch der römischen Antike verfasste, kannte Senf und verwendete ihn in seinen Rezepten, gemörsert, mit Most verrührt, mit Pinienkernen verfeinert. Senf war auch deshalb über Jahrhunderte so populär, weil lange Zeit das schärfste in Europa verfügbare Würzmittel.

BBordeaux-Verfahren wird auch deutsches Verfahren zur Senfherstellung genannt. Es kommt weißer (aka gelber) Senf zum Einsatz, der nicht geschält und gröber vermahlen wird. Nach diesem Verfahren hergestellter Senf ist nicht so scharf wie Dijonsenf und wird meist zusätzlich mit Zucker oder Honig gesüßt.

CCumberland ist eine als altmodisch geltende Soße zu Wild, Pasteten oder Rohschinken, die eigentlich alles für ein Revival hätte: süß-säuerlichbittere Frucht inklusive Pomeranzen, die Würze und Schärfe vom Senfpulver und vom Ingwer und das alles ganz einfach selbst gemacht. Senfkörner kommen auch in anderen Chutneys gern zum Einsatz, wobei sie, wenn sie ganz verwendet werden, keine Schärfe entwickeln.

DDijon

Keine andere Stadt der Welt wird so sehr mit Senf assoziiert wie Dijon im französischen Burgund. Seit dem 13. Jahrhundert wurde dort Senf erzeugt, heute ist die

Würzpaste in Dijons Wirtschaft nur mehr eine Marginalie. Dijonsenf war aber nie eine Herkunftsbezeichnung, sondern ist nach wie vor ein Verfahren zur Senfherstellung, quasi eine Rezeptur. Beim Dijon-Verfahren wird schwarzer oder heute fast nur mehr brauner Senf verwendet, die Schalen der Körner werden nach dem Einmaischen abgesiebt. Deshalb ist Dijonsenf sehr fein und sehr scharf. Davon unterschieden wird das Bordeaux-Verfahren. Dijonsenf ist der übliche für Mayonnaise, Dressings und Ähnliches.

EEstragonsenf

ist der mit Abstand wichtigste Senf in Österreich. Ohne ihn kein Erdäpfelsalat, keine heißen Würstel, keine Grillerei, keine Brettljause, keine gefüllten Eier, kein Liptauer, kein kaltes Schnitzerl. Er wird meist aus weißen (gelben) und braunen Senfsamen gemischt hergestellt, ist deshalb nicht extrem scharf, immer mit Essig, Zucker und Gewürzen, darunter der namensgebende Estragon, in Österreich seltsamerweise kaum frisch bekommt.

FFrankfurter

sind ohne Senf unvorstellbar. In Österreich reicht „a Siaßa“ (Kremser Senf) oder „a Schoafa“ (Estragonsenf) aus, damit sich der Würstlstandbetreiber auskennt. Lustig, dass Kren zur selben Familie wie Senf und beides untrennbar zur österreichischen Würsteltradition gehört. Nach dem Motto: Doppelt schärft besser. Senf passt aber selbstverständlich zu beinahe jeder Wurst, ob gekocht, gebraten oder gegrillt: von süß über grob zu scharf oder extrascharf (mit Chili) oder für Furchtlose in Gestalt von Zwiebelsenf. Und manche Senfe sind sogar nach ihrer Wurst-Liai-

son benannt, etwa der bayerische oder Münchner Weißwurstsenf.

GGrober Senf kommt in mehreren Ausprägungen daher: als eingelegte Senfkörner, genannt Senfkaviar, dessen Herstellung gar nicht so banal ist, weil etwa braune Senfkörner beim Kochen zu Bitterkeit neigen. Außerdem als nicht besonders scharfer Meaux-Senf, eine Mischung aus grob geschrotetem und ganzem Senf, der besonders gern zum Bestreichen von Fleisch vor dem Braten und für Soßen zu Fisch oder Geflügel verwen det wird. Und unter grobem Senf verstehen manche als Unterscheidung zur Paste auch die ganzen trockenen Senfkörner, die etwa bei Essiggurkerln als „Sichtgewürz“ (denn Schärfe können sie, wenn sie intakt sind, gar keine entwickeln) dienen.

HHering und Senf sind ebenso beste Freunde wie Senf und Honig, was der schwedische Klassiker Hering in Senfsoße beweist. Wer eine Marke ohne zugesetzte Aromen und Süßstoffe gefunden hat oder besser die Soße selbst zubereitet, braucht für ein perfektes Mahl nur mehr heiße Erdäpfel oder gebuttertes Knäckebrot.

IIndien hat in Sachen Senf mehrfache Bedeutung: Brauner Senf heißt auch Sarepta- oder indischer Senf. Er ist der schärfere der beiden weltweit wichtigsten Senfarten weißer/ gelber und brauner, denn der dritte im Bunde, schwarzer Senf, ist

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kaum mehr von Bedeutung. In der südindischen Küche spielt Senf eine wichtige Rolle: Die Körner werden in heißem Fett geröstet und sind dann zwar sehr würzig, aber nicht scharf. Auch das fette Öl aus dem Senf kommt zum Einsatz. Es ist aus ernährungsphysiologischer Sicht wegen der darin enthaltenen Erucasäure umstritten. In Indien gibt es aber lange tradierte Techniken (erhitzen über den Rauchpunkt), um es ungefährlich zu machen. Dass aus Senfsaat ein beliebtes Bratöl gewonnen wird, lässt sich anhand seiner engen Verwandtschaft zu Raps leichter verstehen. Und Senfpulver ist wichtiger Bestandteil in vielen Masalas, die hierzulande Currypulver genannt werden.

JJapan

kennt neben Wasabi ein zweites sehr scharfes Würzmittel: Karashi, ein ziemlich puristischer Senf. Ohne ihn sind Speisen wie Tonkatsu (dicke gebackene Schweinsschnitzel) und Natto (fermentierte Sojabohnen) undenkbar.

KKäse

und Senf unterhalten beste diplomatische Beziehungen. Auf den ersten Blick wirkt das kulinarisch zweifelhaft, aber wer an Mostarda oder Feigensenf, Schinken-KäseToast oder Welsh Rarebits oder an Piccalilli zum/im Sandwich denkt, wird spätestens beim ersten Bissen in eine der genannten Kombinationen einen Aha-Moment haben.

LLeberkäse

ist ohne Senf wie ein Tisch mit drei Beinen, beim Lachs denkt man vielleicht nicht sofort an das

Würzmittel, beim Stichwort DillSenf-Soße mit Honig zu Gravad Lax dafür sofort. Und auch in Linsensalat und Liptauer versteckt sich Senf. Zurückhaltend, aber unverzichtbar.

MMostarda

sind norditalienische, ziemlich süße, leicht scharfe, irritierend anziehende Senffrüchte und seit mindestens 400 Jahren bekannt. Sie werden aus Birnen, Orangen, Feigen, Weintrauben, Melonen, Pfirsichen, Quitten, Marillen oder Mandarinen gemacht und passen besonders gut zu Bollito misto, in die Fülle von Kürbis-Tortelli und in ähnlicher Form – fein püriert etwa als Feigensenf – zu Käse. Wer selbst Mostarda machen möchte, braucht für den echten Stoff unbedingt ätherisches Senföl (nicht zu verwechseln mit dem fetten Senföl), das in italienischen Apotheken als „Essenza di senape“ verkauft wird, aber nur in Kleinstmengen und mit Gefahrenhinweis, weil es die Atemwege und Schleimhäute stark reizt. Mit Senfpulver bekommt man die Transparenz (und intensiv scharfe Würze) aber nicht hin. Diese Senfessenz kommt auch –nach einem kleinen Beschaffungsmarathon von Heinz Reitbauer in Rom – in der Steirereck-Küche wegen ihrer aromatischen Schärfe gern zum Einsatz: beim Einlegen von Gemüse und Früchten, für Marinaden – und beim hausgemachten Ananassenf. Wenig verwunderlich bei einem Chef, der Schärfe wie Säure gleichermaßen liebt.

NNepal ist jenes Land, in dem am meisten Senf angebaut wird. Mehr als 40 Prozent der Welternte stammen von dort. In Asien ist Senf sehr beliebt, und zwar nicht nur als Gewürz. Einige Senfarten werden auch als Blattgemüse gegessen.

Das bekannteste Gericht kommt aus der chinesischen Provinz Sichuan: Dandan-Nudeln werden mit fermentiertem Senfkohl zubereitet. Bei uns immer populärer werden Senfkohle als würzige Wintersalate, oft unter Asia-Salate subsumiert.

OOfengemüse aus Wurzeln und Knollen wie Karotten, Pastinaken, Sellerie, Topinambur oder Roten Rüben verträgt sich sehr gut mit der Freundschaftskombi Ahornsirup und Senf, egal ob fein und scharf (wie Dijon) oder grobkörnig. Wie Senf auch zu allen genannten Gemüsen in kalten wie warmen Zubereitungen hervorragend ins Dressing passt.

PPiccalilli

Uralter, sehr würziger, curryduftender und scharf-saurer britischer Pickles-Klassiker mit indischen Wurzeln, der zum Käsebrot ebenso gegessen wird wie zum Brathendl, zu Würsteln, zur Sulz und im Sandwich mit Schinken oder kaltem Braten. Gemüse wie Karfiol, Karotten, Gurken und Perlzwieberln werden nach einer Nacht im Salzwasser in einem sehr würzigen Sud mit viel Senfpulver knackig gekocht und einige Wochen ziehen gelassen. Schaut komisch aus, klingt lustig, schmeckt aber super.

QQuark oder Topfen wird, wenn mit fein geschnittenen Kräutern, ein paar Tropfen Zitrone, vielleicht ein wenig Kümmel und jedenfalls etwas Estragonsenf verrührt, zu einem Universalaufstrich aufs Brot ebenso wie zu heißen speckigen Erdäpfeln.

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SCHÄRFE-GRADE

Was haben Japan, Italien, Nepal, England, Österreich, Südindien, Frankreich, China und Schweden – und viele weitere Länder rund umdie Welt – gemeinsam? Überall wird Senf geliebt, ob als Pulver, Körner, Paste, Öl oder Gemüse.

02 Schwarzer Senf, Brassica nigra, stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum, hat sehr kleine dunkelbraune, fast schwarze Körnchen, ist sehr scharf – und mittlerweile rar. Seine Ernte ist nämlich schwieriger als die von braunem Senf.

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03 Brauner Senf (auch Indischer oder Sarepta-Senf genannt), Brassica juncea, stammt aus Asien. Seine braunen Körner sind klein und sehr scharf, weshalb er die Basis von zum Beispiel Dijonsenf bildet. Manche Sorten werden als Gemüse und Salat gegessen.

Hätten Sie’s gewusst? Ganze Senfkörner und trockenes Senfmehl schmecken gar nicht scharf, die Schärfe entsteht erst beim Kontakt mit Flüssigkeit. Und: Senf und Kren, die unverzichtbaren Würstelbegleiter, sind eng verwandt.

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SCHÄRFE-GRADE

RRostbraten wird für Zwiebelrostbraten vor dem Braten mit Senf bestrichen. In England isst man zum Roastbeef frisch aus dem berühmten Senfpulver zu einer Paste gerührten Senf, der auf diese Weise nach zehn Minuten sehr scharf, aber ganz anders als etwa französischer Senf schmeckt. Und zum kalten, dünn aufgeschnittenen Roastbeef passt Sauce tartare auf Basis von Mayonnaise, die, richtig, mit Senf zubereitet wird.

SSchärfe

ist beim Senf eine spannende Sache: Trockene Senfkörner riechen nämlich nach nichts und schmecken beim Draufbeißen bestenfalls würzig, aber nicht scharf. Denn die für die spätere Schärfe verantwortlichen Senfölglykoside werden in den Samen getrennt vom Enzym Myrosinase gespeichert. Erst wenn die Körner zerkleinert werden und Flüssigkeit dazukommt, egal ob Wasser, Verjus, Essig, wird die Myrosinase freigesetzt, aktiviert und kann die eigentlichen Scharfstoffe aus den Senfölglykosiden – Senföle – bilden. Nebenbei fällt bei diesem enzymatischen Vorgang Glucose an, weshalb Senf (als Paste) von Haus aus eine gewisse Süße mitbringt. Senf gilt wegen seiner Scharfstoffe als verdauungsanregend, außerdem senkt er nachweislich das Krebsrisiko, je schärfer, desto besser. Schön, wenn sich Genuss und Gesundheit ergänzen.

TToast ist ein guter alter Bekannter von Senf, egal ob SKT (Schinken-Käse-Toast), reiner Käsetoast (auch in Form britischer Welsh Rarebits) oder Toast Hawaii: In jedem Fall macht sich eine zarte Schicht Senf

(nach Vorliebe Dijonsenf oder weniger vorlauter Estragonsenf) auf der Butter als kleiner Geschmacksbooster hervorragend. Bei Welsh Rarebits kann von „zart“ keine Rede mehr sein, für den walisischen Klassiker wird eine schmelzende Käsecreme mit reichlich Senfpulver und Bier gewürzt, auf Brotscheiben gestrichen und gratiniert.

UUmami ist nur eine der vielen Qualitäten von Senf. Der Wunderwuzzi hat beinahe alles: Schärfe, Süße, leichte Bitterkeit und in zubereiteter Form fast immer auch Säure und Salzigkeit. Dieser Geschmacksreichtum macht ihn so populär –und zu so vielen Speisen passend.

VVerjus

war ähnlich jungem Traubenmost eines der frühesten Säuerungsmittel für Senf. Die Säure sorgt zwar für das heute gewohnte Senf-Geschmacksbild, hat aber bei industriell hergestelltem Senf eine noch viel wichtigere Bedeutung: Säure und Salz stabilisieren die Schärfe, die sonst sehr rasch wieder abbauen würde. Üblich ist mittlerweile längst Essig, weil billiger.

WWeiß ist eine der drei wichtigsten Senfarten, die auch wegen ihrer Blüten gelber Senf genannt wird. Gemeint ist der helle (eher weißlich-beige) mit den größten Körnern von allen. Egal ob man ihn weiß (botanisch korrekt von Sinapis alba) oder gelb nennt: Er ist in jedem Fall der mildere. Brauner Senf (indischer, Sarepta-, Brassica juncea) ist kleiner und schärfer. Schwarzer Senf

(Brassica nigra) hat die kleinsten Körnchen, ist ebenso scharf und würzig, aber mittlerweile eine Rarität, weil schwieriger anzubauen, da die Samen dazu tendieren, unterschiedlich aus den Schoten zu purzeln, was sich ungünstig auf den Ertrag auswirkt.

XXanthan oder andere Bindemittel braucht Senf nicht, die hat er nämlich schon von Natur aus eingebaut, weshalb Senf auch als Emulgator in Vinaigrette und Mayonnaise und als Verdickungsmittel in Soßen dient.

YYak-fleisch dürfte als Rinderart ein gutes geschmackliches Einvernehmen mit Senf haben. Die Beweise fehlen (der Autorin) aber noch.

ZZusätze aus der chemischen Industrie braucht Senf theoretisch keine, weil er ja selbst ein Universalwürzmittel ist, das außer Säure und Salz zur Schärfe-Konservierung keine weiteren Zutaten braucht. Warum dann trotzdem viele Senfzubereitungen Aromen und Stabilisatoren wie beispielsweise Sulfite enthalten, bleibt ein Rätsel, auf das, wie so oft bei Zusatzstoffen, nur die Nahrungsmittelindustrie eine Antwort weiß.

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ENDLICH

Ein One-Stop-Shop für all jene seltenen Lebensmittel, die zwar nicht besonders teuer, aber, wenn überhaupt, dann nur mit großem Aufwand zu finden sind.

Es gibt ein kleines Lebensmittelgeschäft – manche würden es Feinkostladen nennen, aber damit verbinde ich eher ein Relikt aus Kolonialwarenhandelszeiten mit viel schön verpackter Ware, Charcuterie und Käse aus halb Europa, aber ohne übergeordnete Qualitätscharta – ganz in meiner Nähe, das ich in letzter Zeit immer mehr zu schätzen gelernt habe. Es heißt „Endlich“. Die Inhaberinnen füttern ihre App jeden Morgen mit frisch eingetroffener Ware, die ich als appetitanregenden Alert zum Frühstück serviert bekomme. Neuerdings nützen sie dafür auch KI, ich bin skeptisch. Aber als mir die App heute vorschlägt, doch die „kleinfruchtigen burgenländischen Isabellatrauben“ zu reservieren, weil ich bei den Walderdbeeren im Sommer (es gab nur wenige Kilo) zugeschlagen hatte und die Trauben ein ähnliches Aroma hätten, bin ich schon überzeugt. Ich lasse mir ein Kilo für den Abholslot von 16 bis 18 Uhr reservieren.

Später im Geschäft sehe ich die Erdäpfelraritäten mit QR-Codes samt Rezeptideen dahinter. Die Bäuerin wird zum nächsten Mittwochstalk kommen –gibt’s wie jede Woche aufgenommen als Podcast zum Nachhören. Eine befreundete Sensorikerin wird auch dabei sein. Sie hilft uns Kundinnen bei der Beschreibung der Erdäpfelkostproben, damit wir nächstes Jahr noch genauer formulieren können, welche wir gern hätten. Jede Saison gibt’s Umfragen zu Lieblingsund Wunschprodukten.

Als ich meine Trauben mittels Code aus dem Kühlfach hole, sehe ich eine offensichtlich neue Kundin, die etwas zu suchen scheint. Sie fragt, wo denn hier die Zwiebeln seien und die Paradeiser, sie sehe nur ungewöhnliche Erdäpfelsorten, Blattgemüse mit spargelähnlichen Trieben in der Mitte, sehr weiche Feigen in komischen Formen und überhaupt, wo seien Krauthappel und Paprika? Ich muss schmunzeln, weil es uns am Anfang allen so ging. Ich beschreibe ihr das Konzept: „Hier gibt es nur solche Lebensmittel, die man sonst kaum bekommt. Nichts, was weit herumgereist oder besonders teuer ist, sondern eigentlich ganz einfache Dinge, die viele von uns noch aus der Kindheit oder anderen Gegenden des Landes kennen. Bäuerliche Spezialitäten, die nur mehr in manchen Regionen hergestellt oder angebaut werden. Alles ist aus Bio-Landwirtschaft oder wild gesammelt, gefangen oder gejagt. Nichts enthält Aromen, Geschmacksverstärker oder andere unnötige Zusatzstoffe. Die ,normalen‘ Zutaten bekommt man eh überall.“

Und dann erzähle ich ihr noch von den MiezeSchindler-Erdbeeren im Juni, nach denen der ganze

Laden roch, die man aber über die App zwei Tage vorher reservieren musste, weil sie erst nach Bestellung gepflückt werden. Von den Reinanken und der einmaligen Rehleber, die ich mit ein bisschen Glück ergatterte. Von den schwarzen Ribiseln, Stachelbeeren in allen Farben, heuer sehr wenigen Pfirsichen und Brombeeren und meinen Lieblingen, den Jostabeeren. Alle Beeren seien auf diesen innovativen Tabletts mit Pfand einlagig aufgebreitet, die man gestapelt ganz oben im Obstfach im Kühlschrank lagern und im Geschirrspüler waschen könne.

Sie ist nachdenklich geworden und sagt, das klinge zugleich retro und voll modern, aber sie wisse nicht, ob sie das gut fände, nur so spezielles Zeug. Dann sieht sie die frisch ausgelösten roten Walnüsse, ihre Oma hätte so einen Baum gehabt! Wir verabschieden uns, werden uns wohl wiedersehen.

Ich gehe an der kleinen Fleischtheke vorbei, schaue, welche Schlachtungen demnächst anstehen, von denen ich mir ein Mischpaket reservieren lasse: Wasserbüffel aus Niederösterreich? Pustertaler Sprinzen aus Oberösterreich? Sonnenschwein aus der Steiermark? Alle ganzjährig im Freien gehalten, alle auf der Weide stressfrei geschlachtet. Dann wird es auch wieder Selchzüngerln geben! Und Grammeln! Ich bin versucht, zwei dicke Radeln Kalbspariser im Naturdarm für Wurstschüsserl mitzunehmen. Oder doch die milden Augsburger? Schnell im Käseregal noch Kärntner Bröseltopfen geschnappt, der Graukas schaut schon schön glasig aus, einen Pinzgauer Schottenkegel haben wir noch im Kühlschrank. Bei den Trockenwaren sehe ich erfreut, dass der grobe Holzhackergrieß, der beste für Grießknödel zum Geselchten, wieder da ist. Getrocknete Nudelminze habe ich noch reichlich, der fassgelagerte Zweigelt-Rotweinessig geht aber bald aus.

Vor der Kassa dann wie immer sehr verlockend: die Kräuter und Blumen. Letztere von Wiener und Weinviertler Slow-Flower-Feldern, zu wunderschönen Sträußen gebunden, im Frühjahr waren Pfingstrosen in einem unpackbaren Purpur dabei, die Dahlien heute können aber locker mithalten. Von den kleinen, in Phiolen (Pfand, sind aber nette Vasen) mit etwas Wasser verkauften Kräuterbüschelchen müssen Liebstöckel, straffer Schnittlauch und französischer Estragon mit. Moment, ich habe grünen Anis und Kletzen für die Weihnachtsbäckerei vergessen! Ach so, Sie möchten noch wissen, wo Sie das „Endlich“ finden? Derzeit leider nur in meinem Kopf. Aber schön wär’s, oder?

70 S MAGAZIN WUNSCH-TRAUM

Früher, Teil II: Früher, als sich Mädels und Buben mangels Handys und Videogames selbst im nebeligen Herbst – deutlich lieber als heute – gerne im Freien vergnügten, übten Kastanien eine große Faszination aus. Da schleuderten sie kleine Holzprügel hinauf ins Geäst der Bäume und freuten sich, wenn’s gleich darauf rund um sie plopp, plopp, plopp machte, die stacheligen Hüllen aufplatzten und die glänzenden Früchte zum Vorschein kamen. Und wenn dann etwas später auch erste Maronibrater ihre Stände mit den Esskastanien öffneten, war eines klar: Bald ist Advent, bald Weihnachten, die Vorfreude groß …

Wovon &  wie viel

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S. 72 STRUNK, BLATT, BLÜTE S. 80
71 S MAGAZIN KOHL & CO.
EDEL UND ROSS
72 S MAGAZIN GROSS-FAMILIE

Strunk, Blatt, Blüte

Über Jahrtausende hat sich aus der ursprünglichen wilden Kohlpflanze, einer bitteren mediterranen Blattstaude, dank Selektion und Züchtung eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Gemüsepflanzen entwickelt. Kaum zu glauben, dass Kohlrabi und Brokkoli, Rotkraut und Palmkohl eigentlich Geschwister sind. Gerade erlebt die Kohlvielfalt als schmackhaftes, kulinarisch frisch interpretiertes Superfood eine kleine Renaissance.

GRÜNKOHL

Brassica oleracea var. sabellica

Diese hübsche Variante des Kohls war bei uns früher kaum bekannt, erfreut sich aber seit ewigen Zeiten vor allem in Norddeutschland, aber auch in Spanien und Portugal größter Beliebtheit. Dem Grünkohl zu Ehren werden Feste gefeiert und Kohlkönige gekrönt. Es gibt zahllose Sorten. Der Grünkohl ist zudem der Gemüseweltmeister, was den höchsten Gehalt an Betacarotin anlangt und gehört zu den Vitamin-C-reichsten Lebensmitteln überhaupt.

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TEXT: UTE WOLTRON FOTOS: KLAUS FRITSCH
74 S MAGAZIN GROSS-FAMILIE

Möglicherweise erinnern auch Sie sich an eine längst vergangene Zeit, als man in der Schule die Jausenbrote von zu Hause verschlang, oft schon vor der großen Pause. Zu Mittag kehrte man entsprechend hungrig und in freudiger Erwartung heim. Nudeln, Marillenknödel, Kaiserschmarren oder andere Delikatessen könnte es geben – und dann roch es schon vor der Eingangstüre nach Kohl. Nach eingebranntem, matschigem, braungrünem Seim, denn das war die damals hierzulande übliche Vernichtung eines der köstlichsten Gemüse, die es überhaupt gibt –der viel zu lang zerkochte Kohl. Doch zum Glück gehört er der Vergangenheit an.

Wie Unrecht tut man doch der Gattung Brassica, wenn man sie auf den Kohlstampf und auf das sprichwörtliche Arme-Leute-Essen von früher reduziert. In den vergangenen Jahren hat dieses muffige Image denn auch einen erfreulichen Wandel erfahren. Das Kohlgemüse ist zu einer geradezu avantgardistisch-schicken Bereicherung der Kulinarik geworden. Das liegt einerseits an den unterschiedlichen Spielarten, in denen er mittlerweile fast rund um das Jahr zu haben ist, sowie an der wieder aufgekeimten Kultur verschiedener Sorten. Nicht zuletzt ist es auch der alten und wiederentdeckten Erkenntnis geschuldet, dass die diversen Kohlgemüse allesamt ausgesprochen gesund sind. Superfood nennt man das heutzutage, doch diese mittlerweile wissenschaftlich hinlänglich erwiesene Tatsache war bereits den Köchen und Gourmets der Antike bekannt.

Denn die Geschichte der Kohlgemüse ist uralt und vielfältig und geografisch kaum festzumachen. Fest steht, dass aus den Wildformen in mehreren Weltgegenden bereits vor Jahrtausenden diverse Kohlgemüse veredelt und gezüchtet wurden. In China etwa begann man bereits zumindest im 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, nicht nur Kohlgemüse anzubauen, sondern auch schon milchsauer zu einer frühen Art des Sauerkrauts zu vergären und somit zu konservieren. Die europäische Kohlgeschichte wiederum beginnt aller Wahrscheinlichkeit nach mit den alten Griechen. Die Wissenschaftler sind sich weitgehend darüber einig, dass der europäische Ur-Kohl eine Pflanze aus der Gegend des östlichen Mittelmeers war und von dieser Pflanze stammen all die unterschiedlichen Brassicae ab, die wir heute verspeisen.

Vor etwa 3000 Jahren begannen die Griechen, aus einer reich- und großblättrigen, doch noch recht bitteren Staude durch Selektion eine Vielzahl unterschiedlicher Gemüsesorten zu züchten, deren Bekömmlichkeit allseits Wohlgefallen fand. Hippokrates etwa pries die gesunde, selbst heilende Wirkung und von Aristoteles wird berichtet, dass er sich an Kohlgemüse gelabt haben soll, um den Kater zu bekämpfen, wenn er am Vorabend über die Stränge geschlagen hatte. Der Kohl fand sogar Einzug in die griechische Mythologie. Aus dem Schweiß, der Gottvater Zeus von der Stirn tropfte, soll die Pflanze gewachsen sein.

Auch die Römer pflegten eine reiche Kohl-Kultur und konsumierten ihn in Massen. Sie säuerten ihn unter anderem ein, kochten Suppen daraus und brachten ihn schließlich als Besatzungsmacht nach England und auf die nördliche Seite der Alpen. Das heute als Kraut- und Kohl-Mekka bekannte Deutschland entdeckte den Kohl jedoch so richtig erst im Mittelalter als vorzüglich lagerbares Gemüse, das in langen Wintern oftmals das Überleben sicherte. In dieser Zeit bekam der Kohl übrigens seine dichte Kugelform angezüchtet. Der Winter ist überhaupt eine wichtige Zeit für den Kohl, denn viele seiner Spielarten entwickeln erst mit der Kälte, sogar mit dem Frost den rechten Geschmack. Doch der Reihe nach und zuerst zu den so unterschiedlichen Varietäten, die im Laufe der Jahrtausende entstanden.

PALMKOHL

Brassica oleracea var. palmifolia

Dieser je nach Sorte mitunter sogar mehrere Meter hohe Geselle ist ein waschechter Italiener, auch wenn sein Anbau, so wie der des Grünkohls, in Deutschland und Portugal ebenfalls beliebt ist. Doch der Palmkohl wurde erst vor rund 250 Jahren in Italien entwickelt, vor allem die Toskana ist für das attraktive Blattgemüse berühmt. Er ist etwas zarter und milder als der Grünkohl und wird ebenso in diversen Sorten angebaut. Die bekannteste von ihnen ist vermutlich der dunkle, aromatische Cavolo nero.

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Die sind so vielfältig, dass man ihnen die enge Verwandtschaft oft gar nicht mehr ansieht. Wer würde etwa im Kohlrabi einen engen Verwandten des Palmkohls erkennen? Kaum ein anderes Gemüse ist durch Mutation und gezielte Züchtung derart verändert und nach Menschenwillen geformt worden wie der Wild-Kohl Brassica oleracea var. oleracea. Doch wie kam es dazu? Eigentlich ist die Angelegenheit bei genauer Betrachtung recht logisch: Botanisch besehen besteht die Pflanze oberirdisch aus einer Sprossachse, also dem Stamm, aus Blättern, Blütenknospen und schließlich den Blüten. Man könnte sagen, dass die Kohlzüchter über die Jahrtausende aus jedem einzelnen dieser Teile das Beste hervorgekitzelt haben. Der sogenannte Kopfkohl, zu dem etwa das Weiß- und das Rotkraut gehören, in Deutschland meist Weiß- oder Rotkohl genannt, sowie der Kohl, der dort verwirrenderweise Wirsing heißt, entstanden, indem die Sprossachse verkürzt und gestaucht, die Blätter hingegen vergrößert und zu einer dichten, knospenartigen Kugel gezüchtet wurden.

Beim Kohlrabi stand wiederum die verdickte Sprossachse im Mittelpunkt der Begehrlichkeit und je zarter und knackiger sie sich rundete, umso besser. Bei Karfiol, Brokkoli und Romanesco waren die Blüten das wichtigste Element, sie zeichnen sich durch eine Überproduktion zahlloser, dicht wachsender Blütenknospen aus. Und die Kohlsprossen, in Deutschland Rosenkohl genannt, sind die kugelig gestauchten Seitentriebe, die wie grüne Perlen rund um einen kräftigen, oft meterhohen Strunk angeordnet sind. Es wird angenommen, dass diese Variante aus einer spontanen Mutation einer Grünkohlsorte entstand. Zu guter Letzt zum Blattkohl, dessen prominenteste Vertreter Palmkohl und Grünkohl sind, beide hierzulande erst vor nicht allzu langer Zeit so richtig in Mode gekommen. Hier kommt es auf die je nach Sorte mitunter sogar meterlangen gewellten oder gerippten Blätter an. Noch zu erwähnen sind die asiatischen Varianten Pak Choi und der möglicherweise jedoch etwas weitschichtigere Verwandte, der Chinakohl. Die Wissenschaft debattiert noch darüber. Der Name Kohl stammt übrigens vom lateinischen Begriff Caulis, also Stängel, und wandelte sich vom germanischen Chol zum heutigen Kohl. Das nur der Ordnung halber.

Jedem Teil des Kohls wohnen also andere Qualitäten inne und man isst dennoch stets den guten alten Kreuzblütler Brassica oleracea, aus dem all diese prachtvollen Gewächse gezüchtet wurden. Denn die meisten von ihnen sind außerdem wunderschön. Rein diätetisch betrachtet liefern die Kohlgemüse kalorienarme, doch inhaltsreiche Speisen. Neben Ballaststoffen, vielen Vitaminen und Spurenelementen, die man an dieser Stelle gar nicht alle aufzählen kann, gelten vor allem die mittlerweile berühmt gewordenen Senfölglycoside als Hauptverantwortliche für die gesundheitsfördernde Wirkung. Nur Kreuzblütler produzieren diese entzündungshemmenden, antimikrobiellen und das Immunsystem stärkenden schwefelhaltigen Verbindungen. Man muss keine Chemikerin sein, um sofort den Verdacht zu haben, diese seien für den typischen Kohlgeruch verantwortlich. Der Grünkohl und der Karfiol enthalten die größten Mengen davon und gelten deshalb auch als die gesündesten Kohlvarianten.

ZIERKOHL

Brassica oleracea var. acephala

Wer würde angesichts dieser hübschen Gemüseröschen nicht eher an edle Rosen als an einen Eintopf denken? Doch der ausgesprochen attraktive Zierkohl wird zwar gerne als Ornamentpflanze in den herbstlichen Blumengarten geholt, ist aber auch nichts anderes als ein anmutig gefärbter Gemüsekohl und kann genauso gut verspeist werden. Dass er viel bitterer wäre als die grün gefärbte Variante, ist ein Vorurteil. Die schöne Pflanze gibt es in vielen Sorten, Formen und Farben von Lila, Rosa, Weiß bis Cremegelb.

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Doch nun endlich zu den wichtigen, den kulinarischen Aspekten der diversen Kohle, Kraute, Sprossen, Blätter, denn hier tut sich ein Universum auf. Insbesondere zu Beginn der kalten Jahreszeit reift in den meisten Kohlgewächsen erst der rechte Geschmack heran. Wenn sich die Fröste über die Felder legen und anderes Gemüse nur noch im Glashaus gezogen werden kann, wandeln sich komplexe Kohlenhydrate in den Pflanzenzellen zu diversen Zuckern um, wie etwa Fructose, Maltose, Raffinose, Melibiose. Bevor es jedoch zu chemisch wird: Die Pflanzen werden dadurch süßer, aromatischer und verlieren auch einen Teil des im noch unreifen Zustand nicht von allen geschätzten intensiven Kohlgeschmacks. Sie schützen sich mit den Zuckern, die im Zellwasser gelöst sind, vor dem Frost.

Die Spitzengastronomie darf jedenfalls schwelgen. Den Kohl dürfe man keinesfalls ewig kochen, so wie früher einmal, sagt Heinz Reitbauer. Im Steirereck wird das Gemüse vielmehr ganz schonend behandelt, etwa frisch gedämpft oder erst blanchiert, dann trockengetupft und kurz frittiert, damit dem Weichen auch das Knusprige zur Seite gestellt werden kann, was gleich ein ganz anderes Gaumenvergnügen bereitet. Die verschiedenen Kohle werden auch gern mit anderen herbstlichen Delikatessen und Wildfrüchten wie den säuerlichen Berberitzen versetzt. Überhaupt tut dem Kohlgemüse etwas Säure gut. Die darf durchaus zart sein und von Kräutern stammen: von Zitronenbohnenkraut beispiels weise, von Zitronenverbene, Liebstöckel oder MakrutLimette. Das Frische, Leichte hebt den doch etwas schweren Kohlgeschmack.

Auch kommt es darauf an, welche Teile zur Anwendung gelangen. Im Steirereck verwendet man gerne die zarten Kohlherzen und zieht die den gröberen äußeren Blättern vor. Von manchen Kohlarten lassen sich auch die Stämme schälen, blanchieren oder kurz andämpfen. Andere werden in Tempura getaucht und frittiert und obwohl er auch als alleinstehendes Gericht Furore mache, ließe er sich, so Heinz Reitbauer, wunderbar mit Fleisch und Fisch kombinieren, mit Pilzen wie Judasohren und Leistlingen, aber auch mit Deftigem wie einem Kalbskopf. Auch pikante Süße kann man dem Kohlgemüse einjagen, etwa indem Kohlsprossen fermentiert und mit Vanille veredelt werden.

Kurzum: Der Kohl, so lange schon auf unserem Speiseplan, erlebt derzeit eine kleine Renaissance und aus dieser Zeit, aus der Epoche des Übergangs zur Aufklärung, stammt auch ein Kohl-Zitat von Michel de Montaigne, der bekanntlich ein recht begnadeter Gärtner gewesen sein soll. Er meinte: „Ich will wohl, dass man tätig sei, dass man die Pflichten des Lebens so weit ausdehne, wie man kann; und dass der Tod mich dabei antreffe, dass ich meinen Kohl pflanze – aber gleichgültig über seinen Zuspruch und noch mehr darüber, dass mein Garten nicht völlig in Ordnung ist.“

KOHLSPROSSEN Brassica oleracea var. gemmifera

Alles darf man mit Kohlsprossen anstellen, nur eines bitte nicht: Niemals soll man sie zu lange kochen, denn mit jeder überflüssigen Minute verlieren sie mehr an Farbe, Knackigkeit und Geschmack. Der Rosenkohl, wie er in Deutschland heißt, ist eine echte Herbst- und Winterdelikatesse, die erst nach den ersten Frostnächten das charakteristische würzige Aroma entwickelt. Wahrscheinlich entstand die Mutation Mitte des 16. Jahrhunderts in der Region des heutigen Belgien, was auch die Bezeichnung Brussels Sprout erklärt.

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EDEL UND ROSS

Schmecken tun sie den Pferden, die Rosskastanien, die nicht zuletzt deswegen so heißen. Für uns sind sie nicht genießbar, und doch mögen wir sie sehr, jedenfalls die Bäume, auf denen sie wachsen, denn die sind beliebte Schattenspender in Gastgärten. Uns wiederum schmecken Edelkastanien. Und was man mit Maroni machen kann, erfahren Sie hier.

FOTOS: PHILIPP HORAK
80 S MAGAZIN NUSS-FRUCHT

MARONI-KNUSPER

ZUTATEN

ZUBEREITUNG

Die frischen Maroni mithilfe eines kleinen Messers schälen. Anschließend die geschälten, rohen Maroni mit einer feinen Reibe flächig auf 2 Stück Backpapier reiben.

Jeweils ein leicht mit Pflanzenöl benetztes Backpapier darüberlegen und bei 160 °C auf die Grillplatte bzw. in eine flache, große Pfanne legen.

Mit einem Bratgewicht/Sofistep oder einem Topf beschweren und leicht andrücken.

Für ca. 4 bis 5 Minuten goldgelb braten. Von der Hitze nehmen, etwas überkühlen lassen und anschließend das Backpapier entfernen.

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SALZMARONI-CR È ME KARAMELLISIERT

ZUTATEN

- 500 g Maroni (frisch), ca. 35 Stück

- 175 g Kristallzucker

- 50 g Wasser

- 250 ml Wasser

- 250 ml Obers

- 10 ml Rum

- 450 g Maroni (gegart & geschält)

- Karpatensalz

ZUBEREITUNG

MARONI GAREN

Die frischen Maroni mit einem scharfen Messer auf der flachen Seite kreuzweise einschneiden und anschließend für 60 Minuten in lauwarmem Wasser einweichen.

ANMERKUNG

Alternativ gegarte, geschälte Ware kaufen

Die eingeweichten Maroni für 25 Minuten weich dämpfen.

Die Maroni unmittelbar nach der Garung aus der Schale lösen und sorgfältig alle pelzigen Zwischenwände mithilfe eines Messers entfernen.

In einer Kasserolle beide Zutaten zum Kochen bringen und so lange kochen, bis sich ein gleichmäßiges Karamell bildet.

Aufgießen und das Karamell langsam auskochen.

Die Maroni mit einem Messer grob schneiden und dem Karamell-Fond zufügen.

ANMERKUNG : Die Crème sollte nussig, salzig-süß sein und an gesalzene Karamellbonbons erinnern.

Die Maroni samt Karamell-Fond im Thermomix zu einer feinen Crème mixen und rasch in Einkochgläser abfüllen.

S MAGAZIN 82 NUSS-FRUCHT

MARONI-EIS

ZUTATEN

- 335 ml Bio-Heumilch

- 250 ml Obers

- 66 g Kristallzucker

- 1/2 Vanilleschote

- 130 g Eigelb

- 66 g Kristallzucker

- 115 g Maroni-Püree

- 4 g Rum

ANMERKUNG

Wenn man die Eismasse zur Rose abzieht, kann man den Vorgang kontrollieren, indem man einen Löffel mit Masse benetzt und sich auf der Rückseite bei etwas Pusten eine Art Rose bildet.

ZUBEREITUNG

Die Vanilleschote auskratzen, inklusive Schale mit den restlichen Zutaten aufkochen und für 20 Minuten ziehen lassen.

Das Eigelb mit dem Zucker schaumig aufschlagen. Dabei sollte sich das Volumen etwa verdoppeln.

Nun das aufgeschlagene Eigelb unter stetigem Rühren der noch heißen Milch zufügen.

Gleichzeitig den Schneekessel auf ein heißes Wasserbad setzen und unter ständigem Rühren die Eismasse zur Rose (78 °C) abziehen.

Anschließend das Maroni-Püree und den Rum einrühren und gleichmäßig vermengen.

Die Eismasse über Eiswasser abkühlen, Vanilleschote entfernen und in der Eismaschine frieren.

83

NUSS-FRUCHT

WALDORF-MARONI-SALAT

ZUTATEN

- 1 Sellerieknolle

- 250 g Waldorfsalat-Marinade

- 1 Prise Karpatensalz

- 1 Stange Staudensellerie (geschält und in mundgerechte Stücke geschnitten)

- 2 Rote Mond-Äpfel - 1/2 Zitrone (Saft)

- 1 Prise Karpatensalz

- 1 Prise Pfeffer (aus der Mühle)

- 10 Maroni (im Ofen gebacken & ausgelöst, in nussgroße Stücke zerteilt)

- 1 Stangensellerie

- 4 EL Wildfrüchte (Preiselbeeren, Brombeeren, Walderdbeeren, Heidelbeeren, etc.)

- 1 EL Walnussöl - 1/2 Zitrone (Saft)

ZUBEREITUNG

Die Sellerieknolle schälen.

Anschließend mit der Aufschnittmaschine in 1 mm dicke Scheiben und danach mit dem Messer in dünne Streifen schneiden.

Für 2 Minuten in Salzwasser bissfest blanchieren.

Den geschälten, geschnittenen Staudensellerie ebenfalls für 2 Minuten im Salzwasser blanchieren.

Beides gut abtropfen lassen, mit der Marinade vermengen und etwas durchziehen lassen.

Äpfel schälen und auf der Mandoline dünn hobeln. Mit Zitronensaft und Karpatensalz beträufeln und wellenförmig anrichten.

Wildfrüchte mit etwas Zitronensaft und Walnussöl marinieren. Alles gemeinsam auf dem Teller anrichten und mit Staudensellerie-Grün und marinierten Wildfrüchten ausgarnieren.

S MAGAZIN 84

Früher, Teil III: Früher gab es Weinregionen, die entweder sehr klein waren oder sehr weit abseits lagen oder wo die Menschen einfach Besseres zu tun hatten, als auf sich und ihre Weine aufmerksam zu machen, weshalb diese Regionen oft in Vergessenheit gerieten. Die Abruzzen etwa, Dalmatien oder die Sierra de Gredos bei Madrid. Heute werkt an vielen dieser Orte eine neue Generation von Weinmachern, die einiges ganz ähnlich machen wie ihre Vorgänger, etliches aber auch vollkommen anders, mit mehr Schmäh, mehr Zug zur Qualität, mehr Selbstvertrauen, und das, wie wir ab Seite 116 sehen werden, mit Recht …

Wie &  für wen

S. 86

OHNE SIE

LÄUFT GAR NICHTS

S. 96

TISCHGESPRÄCHE

S. 94

S. 116

WIR

SIND NOCH NEU HIER
SAG NIEMALS NIE
85 S MAGAZIN GUTE GEISTER & SELTENE SCHLUCKE
3

OHNE SIE

SIE BETRETEN DAS ENTRÉE DES STEIRERECK UND WERDEN SOFORT VOM SERVICETEAM UMSORGT, DAS SIE DEN GANZEN ABEND BEGLEITEN WIRD. WER ABER HAT ZUVOR DAFÜR GESORGT, DASS DIE TISCHE PERFEKT EINGEDECKT SIND? WER KÜMMERT SICH UM BLÜTENWEISSE TISCHWÄSCHE UND BLITZBLANK POLIERTES BESTECK?

TEXT: USCHI KORDA
86 S MAGAZIN TEAM-SPIELER

LÄUFT GAR NICHTS

ES SIND DIE UNSICHTBAREN MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER IM HINTERGRUND, DIE MIT ZAHLLOSEN

HANDGRIFFEN EINEN RESTAURANTBESUCH ZU EINEM PERFEKTEN ABEND MACHEN. WIR HABEN SECHS VON IHNEN VOR DEN VORHANG GEHOLT.

FOTOS: PHILIPP HORAK
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„Es ist ein neues Leben und ich bin sehr zufrieden“, sagt Abdullah mit sanfter Stimme und bar jeglichen Anflugs von Zorn oder Wehmut. Seit sechs Jahren arbeitet der Syrer im Steirereck und ohne ihn, so hört man aus dem Team, wäre die Servicetruppe aufgeschmissen. In seinem früheren Leben war Abdullah Rechtsanwalt in der Nähe von Damaskus, in einer Stadt auf 2.000 Metern Höhe im Grenzgebiet von Syrien, Israel und dem Libanon. „Es gab Schnee dort“, sagt er und dass das Wetter nicht unähnlich dem in Österreich wäre.

Vor über sieben Jahren zwang ihn der syrische Bürgerkrieg zur Flucht und er landete zunächst in Graz. Da es damals dort kein Angebot für Deutschkurse gab, brachte er sich die Sprache selbst bei und machte nach einem Jahr einen Pflichtschulabschluss mit Zeugnis. „Das Arbeiten hier hilft mir sprachlich enorm“, sagt Abdullah in perfektem Deutsch und erinnert sich daran, wie er sich im Steirereck beworben hat, ohne zu wissen, dass es das beste Restaurant in Österreich ist. Erschrocken sei er damals, keine Chance, dachte er und war entsprechend überglücklich, als es trotzdem klappte.

Abdullah ist der Herr im sogenannten Office des Restaurants. Bei ihm landen die Bons mit den Bestellungen, nach denen er für die jeweiligen Tische das Besteck für den ganzen Abend zusammenstellt. „Wir haben ein komplexes System“, sagt er und ergänzt, dass das Besteck nicht nur pro Gang variiert, sondern auch für Damen (zierlicher) und Herren (massiver) unterschiedlich ist. Das bereits saubere Silberbesteck wird von Abdullah nochmals in heißes Wasser getunkt, mit einem Tuch poliert und mit den Infokärtchen der Gerichte in einem Kisterl zu den Tischen gebracht. Von 16.30 Uhr bis halb eins in der Früh ist er im Einsatz und kümmert sich nebenbei noch um den Nachschub sauberer Gläser.

An seinen freien Vormittagen hilft er beim Roten Kreuz am Telefon als arabischer Dolmetscher bei Familienzusammenführungen von Flüchtlingen aus. Seine eigene Familie konnte er nach drei Jahren zu sich nach Wien holen. Jetzt kann er mit seiner Frau jedes Wochenende Ausflüge in den Wienerwald oder eine Radtour machen. „Das ist gut“, sagt Abdullah, „alles andere ist Schnee von gestern.“

DER MANN FÜR DIE ESS-WERKZEUGE

ABDULLAH, 51 Jahre, Besteck und Gläser
88 S MAGAZIN TEAM-SPIELER

„Ich mag meinen Job. Ich kann in Ruhe arbeiten, alles läuft ganz routiniert ab“, sagt Dajana und man merkt ihr an, dass sie nichts mehr verabscheut als viel Trubel rundherum. Den kann sie bei ihrer Arbeit kaum gebrauchen, schließlich ist sie im Steirereck dafür verantwortlich, dass die Gäste an blütenweiß eingedeckten Tischen, die genau auf die Personenzahl abgestimmt sind, Platz nehmen können. Gleich in der Früh checkt sie am Computer die Reservierungen für Mittag in den beiden Pavillonflügeln. Dann holt sie die passenden Tischplatten für 2 bis 12 Personen und aus der Wäscherei die jeweiligen Tischdecken und Servietten. Ist ein Tischtuch aufgelegt, sorgt Dajana mit einem Bügeleisen für eine perfekte Glätte. Dann noch Servietten falten und Wassergläser postieren –fertig ist ein Tisch.

Doch davon gibt es viele, vor allem für die Abendgäste im Restaurantsaal. Diese werden im Gegensatz zu den Pavillontischen dreischichtig belegt: zu unterst eine runde Tischdecke, darauf ein Molton in Plattengröße und darüber eine rechteckige Tischdecke. „Am Anfang war ich manchmal aufgeregt, ob alles gerade

liegt und die Servietten richtig gefaltet sind“, sagt Dajana. Aber mittlerweile könnte sie einen Steirereck-Tisch wohl mit geschlossenen Augen decken.

Knapp 30 Jahre arbeitet die gebürtige Bosnierin bereits im Restaurant und begann, gleich nachdem sie nach Wien gekommen war, als Geschirrwäscherin, damals noch im 3. Bezirk in der Rasumofskygasse. Später wechselte sie in die Steirereck-Wäscherei und als sie nach ihrer Karenzzeit zurückkehrte, war erstens das Steirereck in den Stadtpark übersiedelt. Und zweitens bot ihr Heinz Reitbauer den Job als Eindeckerin an. „Darüber bin ich heute noch glücklich, die Wäscherei wäre mir jetzt zu anstrengend“, sagt Dajana und lächelt zufrieden. Aber nun hat sie bitte keine Zeit mehr. In den Pavillonflügeln müssen die Mittagstische ab- und für die Abendgäste neu eingedeckt werden.

DIE DAS TISCHLEIN DECKT

DAJANA, 52 Jahre, Tischeindeckerin
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„Ach, ich spiel halt oft die Schnell-Feuerwehr“, sagt Elfriede und wirkt mit der begleitenden Handbewegung wie jemand, der gerne bescheiden sein Licht unter den Scheffel stellt. In Wahrheit ist ihr Aufgabenbereich im Steirereck so riesig, dass man ihn kurz vielleicht so am besten beschreiben kann: Die Frau, die im Hintergrund den Überblick behält. Sie kümmert sich, wenn Elektriker, Mechaniker oder Installateure gebraucht und dass Wartungstermine eingehalten werden, kurzum, dass alles funktioniert, damit das Restaurantteam reibungslos arbeiten kann.

Dann ist Elfriede noch täglich die Erste, die um sechs Uhr morgens aufsperrt und die Lieferungen vom Bäcker oder Fleischhauer entgegennimmt, die allesamt froh sind, wenn sie so zeitig vorbeikommen dürfen. Jeden Montag arrangiert sie den Blumenschmuck für Restaurant und Meierei und täglich nachmittags auf dem Heimweg liefert sie bei der Post Pakete und Briefe ab. Und wenn es zwischendurch schnell etwas zu holen oder zu bringen gibt, springt sie ebenfalls ein.

Ihre eigentliche Agenda ist aber das Personal. Zwar hat ein Betrieb in der Größenordnung des Steiereck die Personalverrechnung ausgelagert, aber Elfriede ist diejenige, die vor Ort alles in Ordnung hält und die Daten für An- und Abmeldungen, Stundenlisten, Arbeitszeiten, Krankenstände und Verträge abliefert. „Natürlich kenne ich alle Mitarbeiter von Wien und vom Pogusch persönlich“, sagt Elfriede, denn immerhin haben alle, die sich vorstellen kommen, als Erstes mit ihr Kontakt.

Es war vor 18 Jahren, als ihre Tochter Birgit Reitbauer sie um Unterstützung bei der Wäsche am neuen Standort im Stadtpark bat. Seither ist sie immer mehr hineingewachsen, sagt Elfriede, die bis zu ihrer Pensionierung Assistentin der technischen Betriebsleitung einer Herrenbekleidungsfirma in Wien war. Am Rande von Wien bei Langenzersdorf hat die gebürtige Kärntnerin längst ihre Heimat gefunden. Hier erholt sie sich in der Freizeit bei der Arbeit im Gartenhaus, trifft Freunde oder besucht Konzerte in Wien. „Klassik ist zu einem richtigen Faible von mir geworden“, sagt Elfriede und ihr beschwingter Tonfall lässt diesen Satz ein klein wenig nach Musik klingen.

DER GUTE GEIST

ELFRIEDE, 76 Jahre, zuständig für Personal und was sonst noch alles anfällt

90 S MAGAZIN TEAM-SPIELER

„Textilreiniger war und ist mein absoluter Traumberuf“, sagt Mark und das zarte Vibrieren in seiner Stimme lässt die Leidenschaft für seinen Beruf erahnen. Knapp mehr als fünf Jahre arbeitet er jetzt in der Steirereck-Wäscherei im Untergeschoß, über die er seit zwei Jahren auch der alleinige Herrscher ist. Davor hatte Mark einen Mitarbeiter, da man in Wien auch noch für die Wäsche vom Pogusch zuständig war. Seit dem großen Umbau gibt es im steirischen Steirereck aber eine eigene Reinigung.

Einsam fühlt sich der Dirigent von zwei 10-Kilound einer 20-Kilo-Maschine aber nicht. Zum einen hat er sein Radio, zum anderen seine Passion für blitzsaubere Wäsche. „Neben den Baumwolltischtüchern haben wir wertvolle aus Leinen, mit denen muss man schonend umgehen“, sagt Mark. Damit dabei auch alle Flecken rausgehen und sie dann mit sanftem Schwung über den Tisch fallen, hat er eine eigene Strategie entwickelt. Sie werden bei 40 Grad im Schonwaschgang unter Zugabe von umweltschonender Bleiche und einem Schuss Fettlöser gewaschen, kommen anschließend bei 40 Grad eine halbe

Stunde in den Trockner und werden dann von Mark gebügelt. So verschwinden selbst Rotweinflecken und durch den Fettlöser wird der Stoff weich.

Ursprünglich hat der gebürtige St. Pöltner auf Wunsch seiner Eltern eine Lehre als Koch und Kellner absolviert. „Lern was Gscheit’s, haben sie gesagt“, sagt Mark. Da ihm aber das Fleckenentfernen mehr Spaß machte, ließ er die Gastronomie bald hinter sich und heuerte in der Wäscherei eines Pflegeheims an. Das Know-how von dort kam ihm später im Steirereck zugute, vom Privaten gar nicht erst zu reden. „Ich bin sehr streng mit meiner Wäsche“, sagt Mark und dass er da nicht aus seiner Haut könne. Von seiner Gastrozeit ist ihm vor allem die Liebe zum Backen geblieben. Und wann immer er Zeit hat, schaut er sich die weite Welt an. Nur auf Reisen erlaubt er sich vermutlich, den einen oder anderen Fleck zu übersehen.

DER WÄSCHERJUNGE

MARK, 27 Jahre, Wäscherei

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„Es kann nicht nur Häuptlinge geben und Starkoch war nie mein Ziel“, sagt Peter mit einem geraden, festen Blick, der nicht einmal den Ansatz eines Zweifels an dieser Feststellung zulässt. Diese Bodenständigkeit, gepaart mit einem umfangreichen Know-how des Kochhandwerks und einer Prise gesunden Schmähs, machen ihn zu einem der wichtigsten Hintergrundspieler im Steirereck-Team. Ein Allrounder, auf den auf vielen unterschiedlichen Positionen Verlass ist.

Ins Steirereck kam der Hollabrunner vor knapp 30 Jahren zum ersten Mal, da war er bereits von der Pike auf als Koch in einem Hotel-Restaurant ausgebildet und hatte im Palais Schwarzenberg erstmals in die Spitzengastronomie hineingeschnuppert. Zweimal hat er seither das Haus verlassen, kam aber immer wieder zurück. Beim ersten Mal lockte ihn das Ausland und er ging ein Jahr lang nach Portugal zu Dieter Koschina in die Vila Joya. Beim zweiten Mal holte ihn Helmut Österreicher ins MAK.

Rückblickend gab es für ihn in den vergangenen Jahren zwei große Herausforderungen. Zunächst die Übersiedlung vom alten Steirereck in den Stadtpark,

die das Team enorm in Anspruch nahm. „Meinen ersten Fisch auf Induktion werde ich nie vergessen“, sagt Peter. „Er war schwarz.“ Ebenfalls einschneidend war die Zeit der Pandemie. „Zuerst war große Verunsicherung, aber dann hat die Chefin gleich das Kochen für Einsatzkräfte organisiert,“ sagt Peter und als kurz darauf noch Gläser für den Straßenverkauf abgefüllt wurden, hatte sowieso keiner mehr Zeit zum Grübeln.

Schon länger nicht mehr im À-la-carte-Geschäft, kümmert er sich heute hinter den Kulissen um einen reibungslosen Ablauf. Er ist der Mann, der darauf schaut, dass genug Zucker, Mehl und sonstige Vorräte im Haus sind, er kocht Gulasch, Suppen und Beuschel für alle Standorte, holt Obst und Gemüse vom Markt und von ausgewählten Lieferanten sowie die Blumen für das Wiener Restaurant und den Pogusch. Und weil er auch noch fürs Einkochen, Einlegen und Konservieren zuständig ist, muss er jetzt nach hinten. Gerade wurden 60 Kilo unreife Nüsse geliefert, die Peter schneidet und zu Nussschnaps und schwarzen Nüssen verarbeitet. „Morgen werde ich schwarze Hände haben“, sagt Peter. Eine Petitesse, die ihn allerdings nur einen kurzen Lacher kostet.

DER MANN IM HINTERGRUND

PETER, 52 Jahre, Marmelade-, Gulasch- und Beuschelkoch und Marktfahrer

92 S MAGAZIN TEAM-SPIELER

„Mein Job hat sich sehr verändert, das Unternehmen Steirereck ist ständig gewachsen“, sagt Ursula mit dieser leisen, aber festen Stimme, wie sie nur Menschen haben, die nahezu sämtliche Details eines Betriebes in- und auswendig kennen. Seit 23 Jahren weiß sie über jede Entscheidung der Familie Reitbauer Bescheid, sorgt im Hintergrund für reibungslose bürokratische Abwicklungen und liefert die Rohbilanz an den Steuerberater.

Dabei wollte sie als junges Mädchen alles werden, nur nicht Buchhalterin. Am liebsten Kindergärtnerin, die Wienerin hatte sogar schon die entsprechende Aufnahmeprüfung bestanden. Doch ihre Eltern drängten sie in die HAK, wo sie Buchhaltung gehasst und auch nicht verstanden hat. „Aber Theorie und Praxis sind zwei Paar Schuhe“, sagt Ursula und muss über sich selbst lachen.

Nach ihrem ersten Job bei einer deutschen Elektronikvertretung in Österreich und einer Karenzzeit fiel ihr eine Stellenannonce des Steirereck in die Hände. Sie stellte sich bei Margarethe Reitbauer in der Rasumofskygasse vor und wurde prompt als

erste eigene Buchhalterin des Hauses engagiert. „Dann musste ich mich erst einmal zwei Monate beim Steuerberater einarbeiten“, sagt Ursula und dass Buchhaltung in der Gastronomie viel schwieriger sei als in anderen Betrieben.

Auch die letzten Jahre waren für Buchhalterinnen eine Herausforderung. Es mussten Lockdowns und Kurzarbeit bewältigt und dazu Fristen für Förderungen und Einreichungen im Auge behalten werden. In einem Unternehmen mit 150 Mitarbeitern verlangt das äußerste Akribie.

„Es wird nie fad“, sagt Ursula, die immer auch ein offenes Ohr für die Belegschaft hat. Gerade nach der Unsicherheit der turbulenten Jahre war es wichtig, wieder Ruhe ins Team zu bringen, allen hilfreich zur Seite zu stehen und die Kollegialität, für die das Steirereck bekannt ist, aufrechtzuerhalten. „Das mach’ ich gerne“, sagt Ursula, die sich privat beim Wandern, in ihrem Garten oder bei Theater- und Musicalbesuchen entspannt. Und bei einem Kabarettabend mit Klaus Eckel, dessen trockener Humor einem ja so manche Herausforderung erleichtert.

DER RUHEPOL

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URSULA, 56 Jahre, Buchhalterin

SAG NIEMALS NIE

Es gibt Dinge, die einem nicht schmecken. Nie geschmeckt haben und nie schmecken werden. Oder etwa doch? In meinem Fall lenkten eine Schüssel Salat in Grado, ein Blatt Papier und ein Zwischenstopp bei einem Wirten am Fuße des Reinischkogels mein kulinarisches Leben in erfreulich neue Bahnen.

Und dazu einen gemischten Salat, aber bitte ohne Paradeiser. Ich weiß nicht, wie oft in meinem Leben ich diesen Satz in einem Restaurant, Stadtbeisl oder Landgasthaus gesagt habe. Und auf Reisen auch in Sprachen, die ich kaum oder gar nicht beherrsche. …ma senza pomodori per favore in einer Trattoria, … mais sans tomates s’il vous plaît in einem Bistro, …pero sin tomate por favor in einer Posada.

Paradeiser mochte ich also nicht. Absolut nicht, zumindest nicht in rohem Zustand. Vielmehr graute mir, und das würde sich, dessen war ich mir absolut sicher, auch niemals in meinem Leben ändern. Warum das so war? Keine Ahnung, denn Kindheitstrauma hatte ich definitiv keines und Spaghetti al Pomodoro schmeckten mir schon als Bub.

Aber dann, ich war Anfang 30, geschah etwas Wundersames, etwas geradezu Magisches. Ich saß in Grado nicht weit vom alten Hafen in einer dieser alten Gassen in einem dieser alten Lokale mit ein paar Tischen vor der Tür auf unebenem Terrain und überflog die Speisekarte zum wiederholten Mal,

obgleich ich ohnehin ungefähr wusste, was ich essen würde. Tagliatelle al ragù vorweg, das mit hoher Wahrscheinlichkeit, als Hauptgericht eine Saltimbocca, vielleicht aber doch ein Fritto misto oder frischen Fisch vom Grill – Branzino, also Wolfsbarsch, mochte ich schon immer –, und als Zwischengang würde es – wie fast immer in Italien – eine Insalata mista senza pomodori werden.

Am Nebentisch saßen vier Italiener. Die erste Karaffe Weißwein war schon so gut wie leer, da brachte der Kellner eine große, gläserne Schüssel und stellte sie in die Mitte. Und diese Schüssel war voll mit geviertelten Paradeisern, recht grob gehacktem Zwiebel und ein paar Blättern Basilikum. Dann machte sich einer der vier Freunde ans Marinieren, griff zur Mühle mit dem Meersalz, zur Flasche mit dem weißen Balsamico und schließlich zum Olivenöl, und just in dem Moment, als das grüne Öl über die tiefroten Paradeiser rann, stieg die Sonne über die Dächer und tauchte diese Schüssel in ein Licht, das kein Künstler dieser Welt je so malen könnte. Sinnlichkeit pur.

94 S MAGAZIN WENDE-PUNKTE

Ich weiß nicht mehr, wofür ich mich damals vor gut 25 Jahren letzten Endes tatsächlich entschieden hatte, ob’s Fleisch war oder Fisch und ob die Pasta vorweg Spaghetti aglio e olio waren oder doch Tagliatelle al ragù, aber den Zwischengang werde ich mein Leben lang nicht vergessen: eine Insalata di pomodori in einer nicht sehr kleinen Schüssel.

Nachdem der Kellner diese Schüssel gebracht hatte, machte sich wider Erwarten immer noch keine Skepsis breit, im Gegenteil, ich freute mich unbändig auf den ersten puren Paradeissalat meines Lebens und tat es den vier Freunden vom Nebentisch gleich: Salz, Balsamico, Olivenöl. Letzteres nicht zu knapp. Die Sonne stand inzwischen höher am Himmel und die vor der Hitze schützenden Schirme waren aufgespannt, aber auch der Schatten konnte meiner fast schon kindlichen Neugierde keinen Abbruch tun, denn das farbenprächtige Gemälde von vorhin hatte sich schon für immer eingebrannt auf meiner kulinarischen Festplatte.

Und dann kam es, wie es kommen musste. Oder jedenfalls sollte. Ich führte die Gabel zum Mund, schob zwei große Stücke Paradeiser hinein, kaute, schmeckte und war … selig, richtiggehend im Glück. So also, dachte ich, schmecken rohe Paradeiser! So herrlich bissfest, so sommerlich frisch, so die Sinne betörend. Ergo beschloss ich, Paradeiser fortan zu lieben, jedenfalls gute, denn dass sie auch anders konnten, nämlich völlig geschmacklos, wässrig und letschert, würde ich in weiterer Folge leider auch immer wieder erfahren.

Als ich wenig später mit einem Bier in der Hand an einer Bar am Strand saß, galt es, das Erlebte gedanklich zu verarbeiten, zu verdauen quasi. Und mir wurde bewusst, was ich doch für ein unglaublicher Depp war. Etwas nicht zu mögen, vielmehr sogar zu verachten, ohne überhaupt zu wissen, warum man das tut, ist an Blödheit und Ignoranz wahrlich nur schwer zu übertreffen. Und dann überlegte ich, was ich noch alles – vermeintlich – nicht leiden konnte. Das war viel. Das war erstaunlich viel. Also bat ich das Mädchen hinter dem Tresen um ein Blatt Papier und einen Stift und begann, all die Dinge aufzuschreiben, die ich seit Kinder- oder Jugendtagen oder überhaupt schon seit immer glaubte, kategorisch ablehnen zu müssen. Nierndln oder Leber zum

Beispiel oder Oliven, Zucchini oder Hering, Karfiol oder Bries, Aal oder Kapern. Als das Papier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – vollgeschrieben war, faltete ich es zusammen und steckte es in mein Geldbörsel, wo es über Jahre wohnen sollte, so lange, bis alles abgearbeitet, sprich alles Aufgeschriebene mit einem Plus, einem Minus oder einer Welle versehen und das Papier schon ziemlich zerfleddert war.

Ein paar Tage später, ich befand mich auf dem Rückweg nach Wien, überfiel mich auf Höhe der Pack ein plötzlicher Hunger und ich beschloss, bei Steinberg abzufahren und am Fuße des Reinischkogels Station zu machen, wo befreundete Gastronomen, die Familie Goach, den Jagawirt betreiben und wo die Waldschweine, diese Kreuzung aus Haus- und Wildschweinen, so unglaublich gut schmecken. Und einen solchen Braten hatte ich vor Augen, als ich mich dem Wirtshaus Kilometer für Kilometer näherte.

„Was willst denn eigentlich essen?“, erkundigte sich der Wirt, nachdem wir ein Wiedersehensbier getrunken hatten. „Schweinsbraten.“ „Vorher nix?“ „Eine Sulz hätt’ ich gern.“ „Nein, du kriegst g’röstete Nierndln vom Waldschwein.“ „Nierndln mag ich nicht und ess’ ich nicht“, sagte ich. „Diese wirst essen und mögen“, sagte er. „Aber gib mir bitte wirklich nur eine Vorspeisenportion.“

Aus der einen Vorspeisenportion wurden zwei. Und dann fingerte ich erstmals meinen dafür angelegten Zettel aus dem Börsel und fügte dem allerersten Plus gleich einmal ein dickes Rufzeichen hinzu. Wie konnte ich nur über 30 Jahre so verbohrt gewesen sein, geröstete Nierndln, sofern von erstklassiger Qualität und ebenso exzellent zubereitet, aus Prinzip zu verschmähen? Was bitte hab’ ich da mein bisheriges Leben außer Paradeiser noch versäumt?

Gut, einiges, aber nicht sehr vieles, mag ich auch heute noch nicht, aber wenn man’s mir hinstellt, koste ich’s zumindest immer wieder aufs Neue. Weil ich mir einst in Grado beigebracht habe, niemals mehr nie zu sagen. Und dafür bin ich mir heute noch verdammt dankbar.

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TISCHGE

Früher noch gab’s mitunter Gerichte, deren Bestandteile sich gerne miteinander unterhielten, zumindest auf so manchen Speisekarten konnte man bisweilen von Dialogen lesen. „Dialog von Edelfischen“ ist so ein Beispiel und nicht selten tauchten auch Unterhaltungen auf, in denen nicht artverwandte Zutaten plauderten – im

96 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

REDAKTION: ACHIM SCHNEYDER

FOTOS: THOMAS SCHAUER

SPRÄCHE

„Dialog von Gänseleber und Trüffel“ etwa. Doch diese Form der Speisekartenlyrik verschwindet mehr und mehr. Heute sehen Tischgespräche ganz anders aus, heute sprechen nur Menschen miteinander. Und Gerichte gerne für sich. Und oft erzählen diese Gerichte Geschichten, dass dem Genießer die Worte fehlen …

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98 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

EINE REISE DURCH ÖSTERREICH UND DARÜBER HINAUS

1 Physalis mit Soave-Chili-Sticks & Wermut

2 Rote Rübe & marinierter Wildschweinkopf mit Oberskren & Makrut-Limette

3 In Johannisbeeren gekochte, gedörrte Karotte mit Calamansi & Kiefernzapfen

4 Topinambur-Tartelette mit Yacón, Roter Mond-Apfel & Sauerklee

5 Mit Hot-Lemon-Chili gekochte, gedörrte Quitte mit Zitrussalat & Minze

ESSKULTUR:

Im Laufe von Jahrhunderten hat Österreich eine vielfältige kulinarische Identität entwickelt. Verwurzelt in der K.-u.-k.-Monarchie, ist sie ihrer Entwicklungsgeschichte nach durch die Einflüsse der Kronländer und Königreiche eine Vielvölkerküche mit eigenständigen regionalen Spezialitäten, welche sich nicht auf einige wenige Gerichte oder Regionen reduzieren lässt. Viele Geschmäcker, Produkte oder Zubereitungsarten können wir heute geografisch zuordnen. Diese verschiedenen Geschmäcker schaffen aber auch grenzübergreifende Verbindungen zu unseren Familien und zu unserer Geschichte und sind wiederum ein Spiegelbild unserer Lebenskultur. Eine Reise durch Österreich und darüber hinaus.

IM ÜBRIGEN:

Die Wiener Küche ist die einzige weltweit, die einen Städtenamen trägt. Sie entstand vor mehr als 200 Jahren beim Wiener Kongress an den Wiener Herden, wo die verschiedensten Küchen in friedlicher Mission ihre Traditionen und Geschmäcker teilten und somit den Ruhm der Wiener Küche begründeten.

SOAVE-CHILI-STICKS, CA. 80 STÜCK

ZUTATEN

- 2 10 g Soave-Chili frisch (entkernt und entstielt, Scheidewände entfernt)

- 150 Cocktail-Paradeiser (gelb)

- 6 0 g Staubzucker

- 75 g Isomalt

- 15 g Glucose-Sirup

- 2 m l Xanthan

ZUBEREITUNG

Die entkernten Soave-Chili fein hacken, gemeinsam mit den Paradeisern zu einer homogenen Paste mixen und diese anschließend durch ein Haarsieb passieren.

Masse etwas überkühlen lassen und danach mithilfe einer 4,5 × 4,5 cm großen Schablone auf Silikonkautschuk-Matten dünn aufstreichen.

Im Anschluss bei 45 °C im Dehydrator einen Tag lang dörren.

Anmerkung: Nicht mehr Hitze verwenden, ansonsten karamellisiert der Zucker und die Sticks werden braun.

Am nächsten Tag die gedörrten Platten vorsichtig von den Matten lösen und unter der Wärmelampe zu Sticks eindrehen.

Bis zum Gebrauch trocken und lichtgeschützt lagern.

Tipp: Die Sticks sollten wie kleine Röhrchen, die an einem Ende etwas dünner zulaufen, eingedreht werden.

Anmerkungen:

- Sobald die Sticks wieder heiß werden, werden sie elastisch und lassen sich einrollen.

- Im raumtemperierten Zustand werden die Sticks knusprig und fest.

- Immer ganz trocken und luftdicht lagern, ansonsten werden sie klebrig und feucht.

Diese Rezeptur ist für ca. 80 Röllchen. Kleinere Einheiten sind produktionstechnisch nur sehr schwer herstellbar.

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100 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

BITTERSALAT MIT YACÓN, PISTAZIEN & WALDMEISTER

1 Ceriolo-Bittersalat mit Kapernblättern & Yacón

2 Kohlrabi-Chili-Crème

3 Geschmorter Spitzkraut-Wickler mit Kohlrabi & in Kardamom eingelegtem Yacón

4 Geröstetes Pistazien-Mark

5 Karamellisierte Pistazien

6 Waldmeister-Verjus-Marinade

Wein 2019 Grüner Veltliner, Wachter Wiesler/Deutsch Schützen, Burgenland

WALDMEISTER:

Diese Heil- und Würzpflanze mit ausgeprägtem würzig-bitterem Geschmack ist in lichten Laubwäldern zu finden. Ab Mitte April wird Waldmeister, knapp vor oder während der Blüte, geerntet, gebündelt und zum Trocknen an einem luftigen, schattigen Ort aufgehängt. Die frische Pflanze ist noch geruchlos, erst angewelkt oder getrocknet entfaltet sie ihren charakteristischen Geruch, der vor allem dem Inhaltsstoff Cumarin zu verdanken ist. Die positive Wirkung von Waldmeister wird auch heute noch in der Naturheilkunde genützt.

WALDMEISTER-VERJUS-MARINADE, 12 PORTIONEN ODER 205 ml

ZUTATEN

- 3 0 ml Limettensaft

- 5 0 ml Verjus GV

- 100 ml Waldmeister-Sirup

- 5 0 ml Waldmeister-Öl

- Karpatensalz

ZUBEREITUNG

Den Verjus auf die Hälfte einkochen und vollständig erkalten lassen.

Limettensaft, Verjus, eine Prise Karpatensalz und Waldmeister-Sirup in einen hohen Mixbecher füllen und das Waldmeister-Öl mithilfe eines Stabmixers langsam einlaufen/emulgieren lassen.

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102 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

POMPOEN-KÜRBIS MIT ROTER RÜBE, CHUPETINHOS & FENCHELSAAT

1 Geschmorter & gegrillter Pompoen-Kürbis

2 Mit Verjus, Honig & Fenchelsaat eingelegter Pompoen-Kürbis

3 Mit Verjus, Honig & Kümmel infundierte Rote Rübe

4 Mit Schönbrunner Zitrus eingelegte gelbe Chupetinhos

5 Knuspriges Kürbiskern-Fenchelsaat-Gebäck

6 Kürbis-Paradeisersaft mit kalt gepresstem Kürbiskernöl

Wein 2018 Zierfandler „Spiegel“, Johanneshof Reinisch/Tattendorf, Thermenregion

KALT GEPRESSTES KÜRBISKERNÖL:

Bei diesem Herstellungsverfahren werden die Kürbiskerne ganz kalt verpresst und nicht wie bei der klassischen Pressung zuerst gemahlen und geröstet. Die kalte Pressung erwirkt einen klaren, naturbelassenen Geschmack mit typischer Kernaromatik. Von Familie Blaich/NÖ

KÜRBISKERN-FENCHELSAAT-GEBÄCK, 20 PORTIONEN

ZUTATEN

- 5 0 g Fenchelsamen

- Staubzucker

- Karpatensalz

ZUBEREITUNG

Fenchel-Gewürz:

Die Fenchelsamen in einer Pfanne trocken rösten.

Sobald die Pfanne auf Temperatur ist, mit einem Sieb den Staubzucker nach und nach auf die Fenchelsamen stäuben.

Die Fenchelsamen schön karamellisieren. Dabei langsam mit nicht zu großer Hitze arbeiten.

Die karamellisierten Fenchelsamen auf ein Blech mit Backpapier leeren und auskühlen lassen.

Anschließend im Mixer mit einer Prise Salz mixen, sodass ein grobes Pulver ensteht.

- 6 0 g Kürbiskern-Mehl

- 15 g Trisol

- 5 0 g Tapioka-Mehl

- 6 g Karpatensalz

- 9 0 ml Wasser

- 10 g Albumin

- 1 E L Kernöl

- P flanzenöl zum Ausbacken

Kürbiskern-Fenchelsaat-Gebäckteig: Alle Zutaten zusammen in eine KitchenAid-Schüssel geben und mit dem Bischof-Aufsatz gut durchrühren.

Sobald eine zähflüssige Masse entstanden ist, kann der Teig weiterverarbeitet werden.

Nun den fertigen Teig in einen Spritzsack abfüllen und die Spitze leicht öffnen.

Eine breite, flache Kasserolle mit Pflanzenöl aufstellen und auf 180-190 °C erhitzen. Die Gebäckmasse in das heiße Öl in Form von Schleifen dressieren. Sind die Schleifen goldbraun gebacken, herausheben, auf ein Papier zum Abtropfen geben und sofort großzügig mit dem Fenchel-Gewürz bestreuen.

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104 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

WALLER MIT BOHNEN, MISPELN & CALAMANSI

1 Über Holzkohle gegrillter Waller

2 Risina-Saubohnen-Ragout mit Mispeln & weißem Pfeffer

3 Geröstetes Weißbrot

4 Eingelegte Calamansi

5 Junger Spinat

6 Calamansi-Paradeiser-Pulver

7 Fermentierte gelbe Paradeiser-Sauce mit Makrut-Limette & Dill

Wein 2019 Anjou Blanc (Chenin Blanc), Thibaud Boudignon/Loire, Frankreich

RISINA-BOHNE:

Obwohl die Vorläufer der Risina-Bohne bereits von den Römern angebaut wurden, galt sie seit den 1950er-Jahren als ausgestorben. Mit einer Handvoll Saatgut, viel Leidenschaft und Geduld wurde sie von Augusto Antonelli wieder zum Leben erweckt. Die Mini-Augenbohne ist nur wenig größer als ein Reiskorn, ihre Haut ist hauchdünn und sie ist äußerst geschmackvoll.

EINGELEGTE CALAMANSI, 8 PORTIONEN

ZUTATEN

- 3 00 ml Wasser

- 2 00 g Kristallzucker

- 5 00 g Calamansi

ZUBEREITUNG

Läuterzucker herstellen.

Die Calamansi waschen und kurz blanchieren.

Anschließend mit einer Spitzzange oder einer Pinzette die Früchte vom Stielansatz befreien (dabei den Stielansatz rasch herausreißen, damit gleichzeitig auch etwas vom Mittelalbedo entfernt wird).

Mit einer Pinzette die Kerne entfernen (1-3 Stück), dabei den Saft auffangen.

Calamansi, Saft und Läuterzucker auf mittlerer Stufe vakuumieren und im Wasserbad bei 80 °C 30 Minuten garen.

Herausheben, kühl stellen und 24 Stunden durchbeizen lassen.

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106 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

KOHLWICKLER MIT HAFERWURZEL, RADICCHIO TARDIVO & PÉRIGORD-TRÜFFEL

1 Mit Waldpilzen, Kohl & Macadamia-Nüssen gefüllter Kohlwickler

2 Bittersalat-Crème

3 Eingelegte grüne Pfefferoni

4 Konfierte, gebackene Haferwurzel

5 Mit Honig-Verjus marinierter Radicchio Tardivo

6 Périgord-Trüffel

7 Fermentierte Waldpilz-Sauce

Wein 1999 Gabarinza, G. Heinrich/Gols, Burgenland

HAFERWURZEL:

Diese aus Südeuropa stammende Wurzel wurde bereits von den Römern angebaut. Kulinarisch wurde die Haferwurzel in den letzten Jahrhunderten durch die größere Schwarzwurzel ersetzt. Die 10–20 cm langen, spitzen Wurzeln sind leicht säuerlich und erinnern im Geschmack an Austern.

BITTERSALAT-CRÈME, MENGE: 300 g

ZUTATEN

- 6 0 g Schalotten (in feine Streifen geschnitten)

- 100 g Bittersalat-Abschnitte (in feine Streifen geschnitten)

- 100 g Rotkraut (in feine Streifen geschnitten)

- Karpatensalz

- 40 ml Apfelsaft

- 25 g Butterwürfel (kalt)

- Xanthan

- P flanzenöl zum Anschwitzen

ZUBEREITUNG

In einer flachen Kasserolle die Schalotten in etwas Pflanzenöl goldbraun anschwitzen, anschließend Bittersalat und Rotkraut zugeben und salzen.

Gemeinsam zügig anschwitzen, bis das erste Wasser vom Gemüse verdunstet ist.

Anschließend den Apfelsaft zufügen, aufkochen und zugedeckt auf kleiner Stufe weichkochen.

Wenn das Gemüse gar ist, den Deckel abnehmen und die verbleibende Flüssigkeit vollständig einkochen. Vom Feuer nehmen und anschließend das trockene Gemüse im Thermomix heiß auf Stufe 10 mixen.

Nach und nach etwas Butter zugeben und am Ende mit einer Messerspitze Xanthan abbinden.

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108 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

SCHNEEBERGLAND-ENTE MIT SCHWARZWURZELN, ELSBEEREN & CHICORÉE

1 Am Knochen sanft gebratene Schneebergland-Entenbrust

2 Elsbeeren-Mark

3 Gebratene & gedämpfte Schwarzwurzeln

4 Gebratener & marinierter Chicorée-Salat mit Apfelpaprika, Curry-Rosinen & wildem Brokkoli

5 In Verjus & Bittermandellikör eingelegte Elsbeeren

6 Mit Elsbeer-Trester aromatisierter Enten-Natursaft

Wein 2017 Sangiovese „Costa del Pievano“, Podere lʼAssunta/Toskana, Italien

ELSBEERE:

Sie ist das größte aller einheimischen Rosengewächse. Die Vitamin C-reichen, ca. zwei Zentimeter großen Früchte sind rötlich-braun gefärbt, hell punktiert und reifen bis Oktober zu cremig-weichen Früchten heran. Da die Früchte nicht abfallen, ist ihre Ernte in bis zu zwölf Metern Höhe äußerst zeitaufwendig und anstrengend. Von Familie Wetter/Missingdorf, NÖ

CURRY-ROSINEN, 25 PORTIONEN

ZUTATEN

- 125 g Rosinen

- 1 Knoblauchzehe (fein gewürfelt)

- 1,5 Bananen-Schalotten

- 1 E L Paprikapulver

- 1 E L Kurkuma

- 1/2 TL Kümmel, ganz

- 1/2 EL Fenchelsaat

- 1/2 EL Koriandersaat

- 10 g frischer Ingwer/Galgant

- 2 Msp. Cayenne

- 3 Msp. Zimtpulver (Ceylon)

- 1 E L Currypulver Columbo

- 2 ,5 g Curryblätter (getrocknet)

- 250 g Gemüsefond

- Rapsöl

- 1 Bio-Zitrone (Saft & Zeste)

- Karpatensalz

ZUBEREITUNG

Die Schalotten und den Knoblauch schälen. Anschließend mit fein gewürfeltem Ingwer in Rapsöl für 15-20 Minuten karamellisieren und mit dem Gemüsefond auffüllen.

Die Gewürze trocken bei mittlerer Hitze rösten und hinzufügen.

Alles um etwa ein Drittel einkochen und anschließend durch ein Spitzsieb passieren.

Mit Zitronensaft und -zeste sowie Karpatensalz abschmecken.

Die Rosinen in Einweckgläser füllen und mit dem noch heißen Curryfond bedecken, umgehend verschließen und für 10 Minuten bei 85 °C dämpfen.

Rasch abkühlen und bis zum Gebrauch gekühlt lagern.

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110 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

GEEISTER SCHAF- & ZIEGENMILCH-JOGHURT MIT GIN-DIRNDLN & SCHÖNBRUNNER GRAPEFRUIT

1 Geeister Schaf- & Ziegenmilch-Joghurt

2 In Gin-Dirndln infundierte Grapefruit

3 Gedörrte Dirndln

4 Eingelegte Gin-Dirndln

5 Schönbrunner Grapefruit-Schale

6 Dirndl-„Schokolade“

7 Gin-Dirndl-Grapefruit-Saft

Wein 2017 Sämling 88 Beerenauslese, H. Tschida/Illmitz, Burgenland

DIRNDL-„SCHOKOLADE“:

getrocknete, gemahlene und conchierte Dirndln mit Kakaobutter, Magermilchpulver & Kristallzucker

DIRNDL:

Die Dirndl gehört zur Familie der Hartriegelgewächse, ist frosthart, robust und genügsam. Die Früchte reifen ab September nach und nach und man sollte sie im fast überreifen, dunklen bis schwarz-roten Zustand ernten. Sie sind reich an Vitamin C, saftig-säuerlich, leicht herb und erinnern an Moosbeeren und Sauerkirschen. Unsere Gin-Dirndln reifen in Blue Gin für 2–3 Jahre. Aus der Steirereck-Speis.

GIN-DIRNDLN, MENGE: 500 g

ZUTATEN

- 350 ml Gin

- 125 g Kristallzucker

- 5 00 g Kornelkirschen/Dirndln (vollreif)

ZUBEREITUNG

Abmischen und warten, bis sich der Zucker vollständig aufgelöst hat.

Mit einer Nadel die Dirndln beim Stielansatz einstechen.

In Schraubverschlussgläser schlichten und mit dem Gin-Zucker-Sirup übergießen.

Deckel schließen und gekühlt für mindestens 6 Monate durchbeizen lassen. Ideal wären 12 Monate.

Tipp: Die Dirndln müssen dunkelrot und absolut vollreif sein. Im Frischverzehr sind sie weich und angenehm süß-säuerlich.

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112 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

ZWETSCHKE & ARTISCHOCKE MIT KAPUZINERBLÜTE & KAKAO

1 Geschichteter Zwetschkenstrudel mit karamellisierten Gewürznüssen & eingelegten Berberitzen, getränkt mit Lavendelblüten-Sirup

2 Mit Kapuzinerblüte marinierter Zwetschken-Marchfelder Artischocken-Salat

3 Kakaobohnen-Crème

4 Mit Zimtblüte & Kardamom gekochte, glacierte, junge Marchfelder Artischocken

5 Knusprige Artischocken-Chips

6 Kapuzinerblüten & -blätter

7 Kakao-Eis

8 Artischocken-Gewürzsud mit Lavendelblüte & Zitronenverbene

Wein NV Ratafia Champenois „Solera 15-19“, Eric Rodez/Ambonnay, Frankreich

JUNGE MARCHFELDER ARTISCHOCKEN:

Die Distelpflanzen werden seit einigen Jahren auch im Marchfeld angebaut. Von Familie Theuringer/Raasdorf, NÖ

KAKAO-EIS, 10 PORTIONEN

ZUTATEN

- 2 j unge Kokosnüsse

- 6 00 ml Kokoswasser

- 8 0 g Kristallzucker

- 95 g Kakaopulver

- 8 0 g Bitterschokolade

- 1 Msp. Karpatensalz

ZUBEREITUNG

Die jungen Kokosnüsse öffnen und das Kokoswasser durch ein Haarsieb auffangen.

Nur ca. 100 ml des Kokoswassers erwärmen, um darin Zucker, Salz, Kakao und Schokolade zu schmelzen bzw. aufzulösen.

Anschließend das restliche Kokoswasser in die zimmertemperierte Schokoladen-Kokos-Flüssigkeit einrühren.

Die erkaltete Masse in der Eismaschine frieren.

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114 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

SCHÖNBRUNNER ZITRUS-VIELFALT

1 Mit Yuzu gefüllte Mandarine

2 Geeiste Bergamotte mit Orangen-Thymian-Blüten

3 Kandierte Limonade-Zitrone

4 Frische, eingelegte & gedörrte Moro-Blutorange

5 Persische Limetten-Erdnuss-Curd

6 Kakaobrot mit Meyer-Zitrone

GEEISTE BERGAMOTTE MIT ORANGEN-THYMIAN-BLÜTEN, 25 PORTIONEN

ZUTATEN

- 250 ml Wasser

- 25 g Earl Grey

- 12,5 g Zitronenmelisse (getrocknet)

- 1 S tk. Femminello-Bergamotte

- 375 g Bergamotte-Mark

- 125 g Zitronensaft

- 375 g Verbene-Sirup

- 6 Zweige Orangen-Tymian-Blüten

ZUBEREITUNG

Tee-Ansatz: Wasser mit Tee auf 95 °C erhitzen und für 150 Sekunden ziehen lassen.

Anschließend durch ein belgisches Sieb abseihen.

Von der Bergamotte die Schalen ohne Albedo herunterschneiden, mit der Melisse dem Tee beigeben und bei 85 °C für 8 Minuten mitziehen lassen.

Anschließend wiederum durch ein belgisches Sieb abseihen.

Bergamotte-Masse (fertigstellen):

Den Tee-Ansatz mit Bergamotte-Mark, Zitronensaft und Verbene-Sirup abschmecken, die Masse in Slushy-Becher einfüllen und frieren.

Kurz vor dem Servieren in geeiste Gläser abfüllen und mit den Thymian-Blüten bestreuen.

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WIR SIND NOCH NEU HIER

RENÉ ANTRAG EMPFIEHLT WEINE, DIE NIEMAND KENNT, ABER JEDER SCHLEUNIGST KENNENLERNEN SOLLTE. SIE STAMMEN VON KNORRIGEN REBEN UND AUS VERGESSENEN REGIONEN, WERDEN VON JUNGEN TALENTEN ODER ÄLTEREN STURSCHÄDELN GEMACHT, AM RAND DER WEINWELT PRODUZIERT ODER EH MITTENDRIN –ABER HEIMLICH. KURZFASSUNG: SO SCHMECKT DIE ZUKUNFT.

TEXT: SEBASTIAN HOFER

FOTOS: PHILIPP HORAK

GLAS-WEISE S MAGAZIN 116

01-02 „Spannend“, nickt sich René Antrag, der Chefsommelier des Steirereck, gewissermaßen selbst zu. Sein Entdeckerehrgeiz ist geweckt.

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Es rumort, es klirrt, ein großer Spaß bahnt sich an. Man spürt René Antrags Freude, als er die neun Weine einstellt, über die er heute erzählen möchte. Der Chefsommelier des Steirereck grinst, zeigt und deutet, wischt sanft über Etiketten, zückt den Korkenzieher und beginnt zu erklären. Und es gibt einiges zu erläutern diesmal, denn die neun Flaschen, die da nun vor uns stehen, sind – jede für sich – etwas Besonderes und – zusammen – ein Zeichen. Und zwar: für eine neue Zeit, für die Zukunft, aber auch für eine Renaissance, wenn man so will.

Ja, ganz unverkennbar: René Antrag hat richtig Spaß an der Sache. Die Sache ist die: Weine, die nicht auf jeder Karte zu finden sind, Weinregionen, die man nicht oder ganz anders kennt. Es geht um Kommendes und Wiederkehrendes, um die Abruzzen, um Dalmatien, um Katalonien, um uralte Weingärten und blutjunge Winzer – und um Weine, die völlig quer stehen zu dem, was man immer glaubte, ganz sicher zu wissen: um einen stillen Rotwein aus der Champagne oder um einen Wein aus Jerez, der so ganz und gar kein Sherry ist. „Spannend“, nickt sich René Antrag gewissermaßen selbst zu, sein Entdeckerehrgeiz ist geweckt, die Sommeliersynapsen laufen hochtourig. Es geht also um Geheimtipps – und solche, die es nicht mehr lange bleiben sollen. Denn René Antrag teilt seine Entdeckungen gern. Zukunft kann nur entstehen, wenn man sie auch erkennt.

Ein Eck von dieser Zukunft liegt in Andalusien, wo der Guadalquivir in den Atlantik mündet, im Dorf Sanlúcar de Barrameda, keine fünf Kilometer von Jerez gelegen. Freilich ist der Lumière 2018 vom Weingut Muchada-Léclapart kein Sherry, genau das ist ja das Zukunftsträchtige an diesem Wein, den der renommierte Champagnerproduzent David Léclapart gemeinsam mit dem jungen spanischen

Winzer Alejandro Muchada macht: Palominotrauben aus uralten Rebstöcken, gewachsen auf kalkigen, tonigen, sandigen Albarizaböden, ohne große Intervention ausgebaut, unfiltriert, kaum geschwefelt, trocken, elegant, strahlend, mit einem Wort: „Wow. Das ist supersalzig, superkarg, aber auch weißblütig und ganz leicht hefig. Trockene Kräuter, Heu, da merkst du erst, was Palomino kann, wenn du nicht in Richtung Sherry gehst. Das ist heiß und kalt, Meer und Land, du hast den Wind, die kargen Böden. Es gibt da so tolle Lagen, aber dieses Terroir bekommst du nur mit einem modernen, puristischen Ansatz auch so elegant in die Flasche. So gut.“ Antrags Begeisterung steigert sich laufend und es besteht keine Aussicht, dass sie bald abebbt, denn es steht auch schon der nächste Wein vor ihm: Chiroubles Les en hauts 2020 von Frédéric Cossard, der normalerweise mit seiner Domaine de Chassorney im Burgund einigen Staub aufwirbelt – aber auch dieser Wein überschreitet Grenzen, nicht zuletzt solche der Appellation. Chiroubles liegt im Beaujolais und wer jetzt an billigen Jungwein denkt und dankend abwinkt, den hat René Antrag auch schon kalt erwischt: „Jeder kennt Beaujolais als letscherten, fruchtigen Wein, aber es geht halt auch ganz anders, nämlich so wie hier. Damit kannst du Gäste wirklich überraschen.“ Antrag schenkt einen Kostschluck ein und muss jetzt gar nicht mehr viel sagen: „Merkst du ja. Diese kernige Textur, mit zartem Gerbstoff dahinter, das hat Finesse, Spannung, Knochigkeit.“ Dieser Chiroubles besteht appellationstypisch aus 100 Prozent Gamay und zeigt, was diese Sorte (auch) kann:

„Das ist ein Stil, der gerade groß im Kommen ist: leicht und kühl, auch für die ersten zwei, drei Gänge im Menü, für eine filigrane Gemüseküche. Da gibt es, gerade im Beaujolais, schon einige interessante Winzer und es werden noch mehr werden, das wird eine Kettenreaktion.“

118 S MAGAZIN GLAS-WEISE

Am anderen Ende des Spektrums, das René Antrag diesmal für uns entdeckt, steht der Montepulciano d’Abruzzo 2018 Prologo vom Weingut de Fermo: die Region eher no-name, die Winzer sowieso, der Wein eine echte Entdeckung. Wir befinden uns in Loreto Aprutino, einem uralten Steindorf in den Abruzzen, westlich von Pescara, ziemlich genau in der Mitte zwischen Adria und Gran Sasso. Hier wird aus Altem Neues gewonnen: Stefano Papetti lebte mit seiner Frau Eloisa de Fermo in Bologna, beide erfolgreich als Juristen tätig, aber dann war doch die Liebe zu der Landwirtschaft stärker, die Eloisas Familie in Loreto Aprutino seit vielen Generationen, aber in letzter Zeit nur mehr sehr halbherzig betrieb. Und so machen Eloisa und Stefano hier und heute wieder selbst Olivenöl, Pasta aus eigenem Weizen –und Wein. Ihr Montepulciano d’Abruzzo heißt Prologo, weil es der erste Wein war, den Stefano und Eloisa vor etwas mehr als zehn Jahren vinifizierten, unter urtümlichen Umständen, wie René Antrag aus eigener Anschauung weiß: „Das Weingut war jahrelang kaum gepflegt, der Keller eigentlich eine Ruine, aber die Reben waren da, die Anlagen vorhanden.“ Man musste sie nur – mit viel Arbeit und Liebe – wiederbeleben; eine Renaissance all’Abruzzese. „Und wenn du da einmal drinstehst, in diesen alten Weingärten, das ist schon echt krass.“

Und vergleichbar nur mit einem Besuch in den Sibillinischen Bergen, im geheimen Herzen Italiens, also den Marken. Kaum 700 Flaschen seines Tomassucci Marche Bianco produziert Andrea Polidoro mit der Contrada Contro jährlich. Eigentlich arbeitet Polidoro auf einem Weingut in Montalcino, drüben in der Toskana, dieses hier ist sein Herzensprojekt und wenn man die Bilder sieht, die René Antrag jetzt auf seinem Handy zeigt, dann versteht man schnell, was den Winzer zum Pendler machte:

ein uralter Weingarten unter Obstbäumen, die Reben wachsen buchstäblich die Bäume hinauf, es sind Trebbiano- und Malvasia-Trauben, die sich da hochranken, „das ist Symbiose“, jubelt der Sommelier, „irre geil“. Urigkeit wie aus einer anderen, besseren Welt – und ein Wein, der aus der Vergangenheit in die Zukunft strahlt.

Dazu ist jetzt vielleicht eine kurze Erläuterung nötig, Herr Antrag, bitte: „Was wir hier vor uns haben, sind alles zukunftsweisende, in diesem Sinn neue Weine. Aber nicht, weil die Regionen so neu wären, aus denen sie kommen. In Wirklichkeit gibt es dort zum Teil schon seit Ewigkeiten Weinbau. Aber jetzt kommt eben eine neue Generation dazu, die das Potenzial der alten Rebflächen und Rebsorten erkennt und etwas daraus macht. Dabei schauen sie aber nicht in die Vergangenheit, sondern nach vorn und das ist eben die Zukunft.“ Dass sie damit am Markt überhaupt eine Chance bekommen, ist auch diesem selbst zuzuschreiben: Traditionell prestigeträchtige Regionen, allen voran Bordeaux und Burgund, sind mit der steigenden globalen Nachfrage längst in Richtung Unerschwinglichkeit entschwunden, Alternativen immer interessanter geworden. Und dabei scheut sich heute niemand mehr, ein bisschen weiter über den Tellerrand zu blicken.

Heute im Glas: die Zukunft der Weinwelt mit einem Nachklang aus der Geschichte.
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03-04 René Antrag hat richtig Spaß an der Sache. Die Sache ist die: Weine, die nicht auf jeder Karte zu finden sind, aus Weinregionen, die man nicht oder ganz anders kennt.

Zum Beispiel nach Primošten: südliches Kroatien, ein extrem pittoresker Küstenort in der Nähe von Split, bekannt für stabiles Hochsommerwetter, sprich Sonnenschein von März bis Oktober, Regenwahrscheinlichkeit praktisch null. Das ist ein gutes Argument für Urlaubsreisen, aber ein Problem, wenn man Wein anbaut, aber auch kein so großes, wenn man weiß, worauf es ankommt. Krešo Petreković und Niko Dukan wissen es, auch wenn sie noch gar nicht lange im Geschäft sind: Ihr gemeinsames Projekt Vinas Mora haben sie erst vor drei Jahren gegründet – aber die Reben, aus denen sie ihre Weine keltern, sind uralt, teils jenseits der 70, und eben darauf kommt es an. René Antrag erklärt: „Wir haben hier den Kaamen II, Rebsorte Babic. Die kennt kein Mensch, aber sie ist gerade für solche Terroirs prädestiniert: Sie verträgt Trockenheit extrem gut, die braucht auch diese kargen Böden. Wenn du sie zu sehr hätschelst, bekommst du rustikale, langweilige Weine, aber hier haben wir einen supersaftigen Wein, der hat trotz der Hitze nur zwölf Prozent Alkohol und ist superseidig am Gaumen, floral, feminin, hat auch Würze, Tiefgang, auch etwas Wildes, da ist getrocknete Blutorange, Grapefruit drinnen“, anders gesagt: „Das ist mindblowing.“

Diese Weine sind ein Zeichen: für das, was kommt, aber auch für eine Renaissance.

Die neue Weinwelt, die René Antrag uns hier und heute auf den Tisch stellt, hat – das ist inzwischen klar – mehr überraschende, erstaunliche, atemberaubende Ecken, als man glauben könnte; eine davon liegt ungefähr 1700 Kilometer westlich von Primošten, also gleich bei Madrid, an den Hängen der Sierra de Gredos, in einer Gegend, die auch als Bernabeleva bekannt ist, was so viel heißt wie Bärenwald. Die Weingärten des gleichnamigen Weinguts sind seit 100 Jahren im Familienbesitz, aber erst die Urenkel des Gründers Vicente Álvarez-Villamil haben – in Verbindung mit dem kongenialen katalanischen Winzer Marc Isart – dieses Dornröschen wachgeküsst; seither kommen aus den Bergen von Madrid Weine wie der Carril del Rey 2016: Garnacha, ausnahmsweise nicht in der alten spanischen Schule, sondern modern gemacht, voller Finesse, Kühle, Eleganz, ein Wein, ganz exemplarisch für das spanische Weinwunder insgesamt – also der Tatsache, dass das (flächenmäßig) größte Weinbauland der Welt, das über Jahrzehnte einen (um es positiv zu formulieren) eher sonnenverwöhnten Weinstil pflegte, ausgerechnet mit der Klimaerwärmung zu neuer Coolness findet. Dafür sind auch Leute wie Joan Rubió entscheidend, der als Kellermeister beim Schaumwein-Produzenten

05 Die neue Weinwelt, die wir heute kennenlernen, hat mehr überraschende, atemberaubende Ecken, als man glauben könnte.

122 S MAGAZIN GLAS-WEISE
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Recaredo gezeigt hat, was Cava kann, und der nun auch unter eigenem Namen, aber mit anderen Mitteln seiner Region auf die Sprünge hilft. Wir sprechen hier von Penedès, Katalonien, bekannt für fruchtbetonte, eher charakterschwache Weiß- und Rotweine – aber hallo, Joan Rubiós Essencial 2021 ist ein exemplarischer Wein für den frischen Wind, der in Spanien weht: 100 Prozent Xarel·lo aus einer kalkig grundierten Höhenlage, maischevergoren und in der Amphore gereift. René Antrag öffnet die Flasche und hat schon den Beweis im Glas: „Das ist finessenreich, salzig und kühl, floral, mit einer zarten Gerbstoffstruktur, auch ein wenig zitrusig, das ist so klar und sauber und präzise, das schmeckt jedem. Das wird mir in der Weinbegleitung aus den Händen gerissen. Und niemand käme auf die Idee, dass das aus Spanien kommt.“

Die neue Weinwelt kennt, wir haben es schon geahnt, keine Grenzen. Und wohl auch keine Dogmen, zumindest legt das der nächste Wein nahe: Jean Baptiste Hardy: Fief de Chaintre 2021, ein Weißwein von der westlichen Loire, aus Mouzillon, nahe Nantes, Appellation Muscadet, sprich: Renommee eher überschaubar (und leider auch aus Gründen). Aber: Was der junge Herr Hardy – nach Lehrjahren bei legendären Domaines wie Leflaive oder Roulot – hier aufführt, ist aller Ehren wert. René Antrag formuliert es spontan so: „Boah.“ Es handelt sich erst um den zweiten Jahrgang dieses Winzers, der 2018 nach Mouzillon kam und die Weingärten seiner Familie übernahm, 1960 gepflanzt, vier Hektar Melon de Bourgogne, zwei Parzellen, eine davon eben Fief de Chaintre – „und da schmeckst du erst das Potenzial dieser Region und dieser Rebsorte, das ist Frische und Leichtigkeit, aber auf eine sehr weinige Art, das ist großartig, das passt zu Meeresfrüchten, zu Austern, Ceviche.“ Und noch einmal: „Boah.“

Und dann, zum großen Finale – etwas ganz Besonderes: Cumières Rouge 2015 aus dem Hause Geoffroy. Ein Wein aus der Champagne, 100 Prozent Pinot Noir, aber still. Kein Perlen, kein Prickeln, stattdessen große Burgunderschule. René Antrag kostet und sieht noch einmal in die Zukunft: „Geoffroy gehört heute schon zu den Göttern des Pinot, das ist wirklich High End.“ Die Appellation Coteaux Champenois für Stillweine aus der Champagne existiert schon seit vielen Jahren, spielte freilich immer nur die zweite Geige. Aber? „Aber das ist die Zukunft, das wird in den nächsten Jahren noch ganz stark kommen. Und das ist natürlich dem Klimawandel geschuldet, weil auch in nördlicheren Regionen heute eine höhere Reife erzielt wird, die man für Champagner ja eigentlich nicht haben will.“ Diesen eleganten, feingliedrigen, luxuriösen Roten aus Cumières dagegen – den will man haben. Die Begeisterung des René Antrag ist ansteckend, die Freude ganz unsererseits, die Zukunft kann kommen.

Eine alte Weisheit: Was gestern richtig war, kann heute komplett falsch sein.
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Früher, Teil IV: Früher, als das an historischen Bauten so reiche Prag Hauptstadt der von 1948 bis 1989 kommunistischen Tschechoslowakei war und hinter dem Eisernen Vorhang lag, erinnerte wenig an die goldenen Zeiten um 1900, als die Stadt an der Moldau Zentrum für Künstler und Literateninnen tschechischer und deutscher Sprache war. Seit der Teilung 1993 ist Prag die Hauptstadt der Tschechischen Republik und so weltoffen wie einst, was auch Zahlen belegen: Mit neun Millionen Touristen jährlich zählt Praha zu den 25 meistbesuchten Städten der Welt. Und die kommen – wir haben uns überzeugt – auch kulinarisch auf ihre Kosten …

Wohin &   zurück 4

S.

S.

144 VON KREBSEN IN DEN HOSENTASCHEN UND EINER FLUCHT AN DEN GARDASEE S MAGAZIN NAH & FERN
126 OIS UND NOCH EIN BISSERL MEHR
146 ANDERSWO RESERVIERT S. 134 MAN ISST NUR EINMAL 125
S.

OIS UND NOCH EIN BISSERL MEHR

TEXT: ACHIM SCHNEYDER

FOTOS: MIRCO TALIERCIO

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Reitbauers bei Rachingers. Irgendwo im Nirgendwo in einer herrlich heilen Welt. Ein genussvolles Wochenende im Zeichen des Wohlfühlens und ein nächtlicher Sprung in den Fluss.

01 Zwei Köche, zwei Betriebe, ein gemeinsames Credo: Wir tischen nur vom Feinsten auf! Papa Helmut tut’s in der Taverne Fernruf 7, Sohn Philip im Haupthaus auf der anderen Straßenseite, dem Mühltalhof direkt am Fluss.

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Groß war am Nachmittag die Freude über das Wiedersehen und nicht minder groß die Vorfreude auf das abendliche Menü, bloß sollte es zu den zwölf Gängen nicht kommen. Was geschehen war? Ganz einfach, der Helmut – man kann es augenzwinkernd durchaus so sagen – pfuschte dem Philip ins Handwerk …

Okay, zur Erklärung: Wir befinden uns im Familienbetrieb Mühltalhof, irgendwo im Nirgendwo nordwestlich von Linz in Oberösterreich, einem Hotel mit angeschlossenem Restaurant respektive einem Restaurant mit angeschlossenem Hotel direkt an einem Fluss namens Große Mühl, in dem Philip Rachinger, Jahrgang 1989, seit 2018 in sechster Generation das Küchenzepter schwingt. Zuvor hatte er vier Jahre lang Seite an Seite mit Papa Helmut, Jahrgang 1965, für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt. Und nun also wollte der Junior am Abend dieses sonnigen Sommersamstags Birgit und Heinz Reitbauer zwölfgängige Gaumenfreuden bescheren. Jener Birgit und jenem Heinz, die 2010 und 2011 seine Chefs waren, als er erst im Steirereck am Pogusch und dann in jenem im Stadtpark in Wien sein Handwerk weiter perfektionierte.

Aber, und jetzt kommt’s, weil’s eben oft erstens anders kommt und zweitens als man denkt: Nachdem Birgit und Heinz eingecheckt und ihren ehemaligen Mitarbeiter Philip freudig begrüßt hatten, überquerten die Gäste aus der Hauptstadt die nicht allzu stark befahrene Straße, um auch dem Senior

Hallo zu sagen, der gegenüber vom Haupthaus im ehemaligen Stall die Taverne Fernruf 7 mit den fünf im japanischen Ryokan-Stil eingerichteten Zimmern im ersten Stock betreibt. Und gleich nach der herzlichen Umarmung stand auch schon das erste Achtel Weiß auf dem schweren Holztisch vor dem Haus und bald auch schon das zweite und plötzlich ein Korb mit frischem, im um fünf Uhr in der Früh von Helmut befeuerten Brotbackofen gebackenen Sauerteigbrot und Kräuterpesto und Ziegentopfen und dann Kürbis-Maultaschen und dann eine Forellensuppe mit Fenchel und Safran und dann Cevapcici mit geräuchertem Joghurt und dann ein Masthenderl mit Zucchini und dann Ofenmelanzani und gefüllte Sellerieblätter und dann ein Schweinsbauch auf japanische Art und dann ein Spieß mit Paradeisern und Wassermelone und Ziegenkäse und dann geriebener Blauschimmelkäs und dann gesellte sich auch Philip dazu und schenkte sich ein Achtel ein und dann meinte Philip mit gespieltem Entsetzen: „Papa, was hast du da ang’stellt? Die zwei kriegen am Abend ja keinen Bissen mehr runter.“ „Stimmt, keinen Bissen mehr“, erwiderte Birgit. „Aber morgen ist ja auch noch ein Tag und wir bleiben sowieso bis übermorgen, weil’s so schön ist bei euch“, beruhigte Heinz. „Siehst, Sohn, alles wird gut“, sagte Helmut und grinste. „Zum Wohl ihr Lieben“, wechselte Philip das Thema und grinste ebenfalls. Und dann erzählte Heinz von früher. „1988, also gleich nach meiner Lehre bei den Obauers und vor meinen Jahren in Frankreich und England, hab’ ich im alten Steirereck in der Rasumofskygasse gearbeitet

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02–03 Einfach wohlfühlen und genießen: Auf der Wiese bei der Taverne stehen ein paar Tische und im Nebenhaus wird hin und wieder der Pizzaofen befeuert, während man vom Restaurant hinunter auf die aufgestaute Große Mühl blickt.

Vor der Tür die Große Mühl, im Sommer ein gemächlich dahinfließendes Flussbad, im Winter ein Eislaufplatz, zumindest früher …

und Helmut ebenfalls. Ich war 18, er 23, und wir waren befreundet. Ab und zu sind wir an Wochenenden gemeinsam um die Häuser gezogen und ab und zu war ich mit im Mühltalhof, wenn das Steirereck Ruhetage hatte. Das war schon eine sehr gute und schöne Zeit.“ „Stimmt“, pflichtete Helmut bei. „Ich blieb dann noch ein Jahr ohne Heinz, aber nachdem Philip im April 89 auf die Welt gekommen war, wollten wir wieder aufs Land, also kehrten wir Ende des Jahres nach Hause zurück.“

Und so verging die Zeit an diesem sommerlichen Samstagnachmittag. Heinz und Helmut schwelgten in Erinnerungen und mit Birgit und Philip plauderte man über Alltägliches, ehe Philip wieder rüber ins Haupthaus musste, um vorzubereiten und später seine Gäste glücklich zu machen. Unter denen befand sich an diesem Abend übrigens auch der Winzer Fred Loimer, der tags darauf eine Verkostung durchführen würde, weil im mit vier Gault&Millau-Hauben dekorierten Mühltalhof immer wieder befreundete Köchinnen und Köche und Winzerinnen und Winzer und Künstlerinnen und Künstler Philips Einladungen folgen und ihr Können zeigen. Irgendwann war’s dann stockdunkel, Helmut schloss seine

Taverne und die fröhliche Runde übersiedelte nach Gegenüber, wo Philip quasi auch schon Feierabend hatte und Sommelier Daniel Schicker ein paar gute Ideen. „Ich geh’ jetzt noch in die Mühl schwimmen“, sagte Birgit dann plötzlich und verschwand. Und ja, der Blick aus dem Panoramafenster des Restaurants hinunter zur Mühl bewies, sie ging tatsächlich …

„Ich bin ein Wirtshauskind“, sagt Philip am nächsten Vormittag, als wir abermals in der Sommersonne und schon wieder vor der Taverne sitzen. „Aber es war wunderbar, hier aufzuwachsen. Vor der Haustür die aufgestaute Mühl, im Sommer ein gemächlich dahinfließendes Flussbad, im Winter ein Eislaufplatz, zumindest früher. Und ich wusste auch recht bald, dass die Gastro meine Zukunft sein würde.“ Also besuchte Philip die Hotelfachschule in Bad Ischl und schloss diese nach fünf Jahren als ausgebildeter Koch mit Matura ab. „Wichtig waren die immer zwei Monate dauernden und von der Schule verordneten Praktika und da hatte ich Riesenglück mit den Häusern, in denen ich arbeiten durfte. Waldschänke in Grieskirchen, Döllerer in Golling, Pfefferschiff in Salzburg und zum Schluss das Tantris in München unter dem legendären Hans Haas –

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04–05 Philip und Heinz im regen Austausch. Der junge Rachinger arbeitete zwei Jahre unter seinem Vorbild, Papa Helmut, der Birgit weißen Wein kredenzt, war lange davor ebenfalls im Steirereck tätig. Nicht unter, sondern mit Heinz.

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Die Stimmung in der Küche ist auffallend gut, der Umgang ein respektvoll lockerer, und was Philip und seine Mitarbeiter in ihrem Reich so alles zaubern, schmeckt nicht nur irrsinnig gut, sondern schaut auch so aus.

Die Healthy Boy Band, gegründet 2017 von Philip, Lukas Mraz und Felix Schellhorn, ist eine andere, aber auch verdammt gute Geschichte.

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besser hätt’s wirklich kaum laufen können. Und unmittelbar nach dem Bundesheer bin ich dann auch schon für zwei prägende Jahre im Steirereck gelandet.“ Auf das Steirereck folgten kaum weniger prägende Stationen in London (2012) und Paris (2013) und auf Paris folgte Freundin Johanna und 2015 Töchterchen Miriam und 2018 mit Nora gleich ein zweites. „Drei gute Gründe, zu Hause zu bleiben und sesshaft zu werden“, sagt Philip, der

2017 gemeinsam mit seinen Kochfreunden Lukas Mraz und Felix Schellhorn die schon jetzt legendäre Healthy Boy Band gründete – aber das ist eine andere, allerdings auch verdammt gute Geschichte.

Ein vierter Grund ist freilich, dass der lebenslustige Philip, mit seiner so ungekünstelten wie zugänglichen wie lockeren Art gewissermaßen das Mensch gewordene Gesamtkunstwerk Mühltalhof,

10 Anstatt Trübsal zu blasen oder alles in Zweifel zu ziehen, haben die Rachingers die zähe Zeit der langen Lockdowns überaus sinnvoll genützt und sowohl das Restaurant als auch die Küche komplett umgebaut.

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schalten und walten kann, wie er will. Zumindest in der Küche und im am Abend so stimmungsvoll ausgeleuchteten Restaurant. Und allein diese Küche ist ein Kunstwerk für sich, speziell die Bühne direkt davor. „Wir haben die Zeit der Lockdowns sinnvoll genützt und Küche und Restaurant komplett umgebaut“, erzählt der Chef. So verbirgt sich heute hinter einer riesigen Schiebetür mit einer in Lebensgröße abgebildeten Küchenszene aus vergangenen Zeiten das Reich von Philip und seinem Team und sobald es losgeht mit dem Verwöhnen

der Gäste, geht diese Schiebetür auf und die Brigade kommt zum Vorschein. Und dann treten Philip und ein Teil seiner Leute heraus auf besagte Bühne, in deren Zentrum eine mehrere Meter lange Theke steht, ein Monolith aus traumhaft schönem Grünschiefer, auf dem schließlich vor den Augen der in unmittelbarer Nähe sitzenden Gäste angerichtet wird. „Großes Kino, oder?“, sagt Philip. Ja, großes Kino. Großes Kino in einem Restaurant, das übrigens „Ois“ heißt. Ois ist (ober)österreichischer Dialekt und heißt auf Hochösterreichisch schlicht

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11 Die neue Anrichte ist das Schmuckstück der neuen Küche. Eine Theke aus Grünschiefer, die quasi im Restaurant steht und an der Philip und sein Team vor den Augen der Gäste den Gerichten den letzten optischen Schliff verleihen.

und einfach „alles“. „Und genau das ist unser Motto: Wir versuchen alles, was uns vorschwebt, auch tatsächlich umzusetzen. Und das bezieht sich nicht allein auf die Kulinarik. Kurzum: Es geht um ois und noch ein bisserl mehr.“ Und zu diesem Mehr zählt nebstbei auch das Wirtshaus Hopfen und Schmalz ganz in der Nähe in Neufelden, das allerdings nur im Sommer in Betrieb ist.

Philip ist ein wenig im Stress an diesem Sonntag, was seiner Fröhlichkeit aber kleinen Abbruch tut – im Gegenteil, er liebt’s, wenn’s zugeht. Auf den Wiesen rund ums Hauptgebäude pulsiert das Leben, befreundete Standler vom Münchner Viktualienmarkt etwa kredenzen verschiedene Erdäpfelgerichte, Fred Loimer schenkt Wein aus, Hendln drehen sich am Spieß, Pizza wird gebacken, cooler Sound kommt aus den Boxen und es sind nicht nur Hotelgäste da, sondern auch Leute aus der Gegend, weil heute ist quasi Tag der offenen Wiese. „Ihr entschuldigt mich“, sagt Philip zu den Reitbauers, überquert die Straße und taucht im Geschehen unter. Aber es ist ja auch noch der Helmut zugegen und der erzählt jetzt interessantes Allerlei. So heißt beispielsweise die Taverne deswegen Fernruf 7, weil das einst die erste Telefonnummer war – die Vorwahl plus die Sieben. Der ehemalige Stall mit Schweinen, Rindern und Pferden und den Zimmern für Knechte und Mägde im Heustad’l im ersten Stock sowie

die hauseigene Landwirtschaft bildeten damals die Grundlage für das seit 1887 in Betrieb befindliche Wirtshaus im bereits 1689 erbauten Haupthaus. Früher hieß das Wirtshaus übrigens Gasthof Bad Rachinger, woran heute die Original-Nachbildung einer großen Blechtafel aus den 1940ern erinnert, die an der Tavernenfassade angebracht ist. „Gasthof Bad Rachinger“ steht da ebenso drauf wie der Hinweis „400 Schritte vom Bahnhof“, „Sommerfrische und Eislaufplatz“, „Anerkannt vorzügliche Küche“ oder „Ständig frische, gepflegte Getränke“. „Letzteres bedeutet nichts anderes, als dass es bei uns schon damals gekühltes Bier gab“, sagt Helmut. „Ab den 1950ern hat sich unser Haus dann tatsächlich immer mehr als Sommerfrische etabliert, also haben wir das Hotel in den späten 1960ern ausgebaut und den Betrieb in Mühltalhof umbenannt.“

Jetzt schaut auch der Philip wieder kurz vorbei, schnauft einmal ordentlich durch und gönnt sich einen großen Schluck Bier. Und dann lehnt er sich zurück, blickt versonnen gen himmel und sagt: „Eigentlich könnt’ alles so bleiben, wie es ist …“

Wie recht er doch hat, der Philip, denn der Mühltalhof, diese kleine Welt in der Welt, ist wahrhaft eine ganz wunderbar heile. Eine, in der sich Birgit und Heinz am Abend auf die verspäteten zwölf Gänge freuen …

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12–13 Bisweilen geht’s an Wochenenden schon am Vormittag los, wenn Philip befreundete Köchinnen und Köche einlädt, die etwa auf der Wiese Hendln braten, ehe in weiterer Folge oft bis weit in die Nacht gefeiert wird.
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Zwischen Bier und Champagner, Schinken und Austern, Feld-Menüs und kleinen Fleisch-Orgien:

Prag ist kulinarisch enorm vielseitig, sehr geschichts- und immer selbstbewusst.

TEXT: RAINER NOWAK

FOTOS: MIRCO TALIERCIO

MAN ISST NUR EINMAL

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01–03 Die Schank des vielleicht besten Schlauchs der Welt: Im „Lokal“ geht es passend zur Küche deftig zu. Leichter: Austern haben in Prag eine eigene Geschichte.
„Die Moldau war wie eine Schauspielerin nach der Vorstellung, müde und gedankenverloren.“

aus „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kundera

Nicht nur in vom Guide Michelin mit Sternen versehenen Restaurants essen, haben sie gesagt. Nur das echte Prag verkosten, haben sie verlangt. Nicht die üblichen touristischen Bierlokale besuchen, haben sie auch noch geraten. Echtes Essen für echte Prager also. Dementsprechend ein wenig ratlos stehe ich im Paris des Ostens.

Diese Alias-Bezeichnungen großer Stadtnamen als Kompliment habe ich noch nie verstanden. Ist jetzt Amsterdam das Venedig des Nordens? Oder Venedig das Amsterdam an der Adria? Wien das kulinarische Lissabon ohne Meer? Oder das Kopenhagen der Alpen? Wären wir gerne. Optisch-architektonisch versteht man die Assoziation mit Paris: Mittelalter, Gründerzeit, Jugendstil, Bauhaus, Kubismus und 70er-Kommunismus-Modernismus. Alles da, Haus an Haus. Die Küche ist französisch doch

wohl eher nicht. Aber Moment, wieso gehen die Pragerinnen und Prager so gerne Austern und Meeresfrüchte essen, trinken in eigenen Bars Champagner bis zum Abwinken?

Die Zahl einschlägiger Lokale ist höher als in Wien. Und wieso leugnen nicht wenige die Existenz einer gemeinsamen böhmischen Küche mit Österreich? Warum sind die hier auf Schnecken stolz? Doch wieder Paris? Weswegen kommen Foodie-Asiaten nach Prag? Warum gibt es hier viele Vietnamesen? Komplexe Fragen mit möglichen differenzierten Antworten. Beginnen wir bei der Bestellung der Steirereck-Magazin-Herausgeberschaft und suchen den Hipster-Geheimtipp für Prag, ich dachte da an südmährische vollbärtige Gender-Aktivistinnen, die in einem Vorortkellerlokal streng legal für wenige Tage im Jahre handgerollte Blutwurst-Knödel herstellen

04–06 Das mit dem „Nose to tail“ nehmen sie im „Naše maso“ sehr ernst. Der umfangreichen Fleischhauerei ist ein wunderbarer Imbiss vorgelagert – Tartare und Faschiertes to go. (Bild gegenüber)
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und sieden. Nachdem sich diese bedauerlicherweise nicht finden lassen, lande ich im „Naše maso“, das heißt so viel wie „Unser Fleisch“ und entpuppt sich als geniale Mischung aus Fleischhauerei – natürlich mit einem Angebot sowas von Nose to tail – und einem eher winzigen Imbiss im vorderen Bereich. Die lange Schlange verrät, dass der Geheimtipp schon gelüftet wurde und sogar ein elektronischer Terminal nimmt Beststellungen an. Ich bleibe analog und gebe mir eine kleine Fleisch-Orgie, ein sehr rotes, naturgemäß fleischiges Beef Tartare, einen Medium-Rare-Burger und eine Scheibe des Faschierten Bratens. „Gönnung“ würden die Berufsjugendlichen

Mit der Logik, vom Schweizerhaus direkt ins Steirereck auf Tschechisch, lässt sich ein Abend ganz wunderbar bestreiten: Der gastronomisch beste Schlauch der Welt befindet sich nämlich in Prag. Im Lokal „Lokal“ (sic!) ist das Preisniveau der wunderbaren Gerichte wie einer geräucherten Rindszunge oder in Butterschmalz gebackenem Schweinskotelett, die auf einer Plastiktafel mit Schiebezeilen angepriesen werden, gefühlt in den 1990er-Jahren Wiens stehen geblieben. In langen Räumen und kleinen Hallen drängen sich begeisterte Biertrinker, das frisch Gezapfte mit viel Schaum (übersetzt lokal als „Milch“) schmeckt besser als das übliche Pilsner,

In Reih und Glied hängen nicht nur das Nationalprodukt Schweinefleisch, sondern auch die getrunkenen Bierkrügel, die nach Konsum derselben ordentlich abgehakt und verrechnet werden. Zurückhaltung empfohlen.

auf den sozialen Medien schreiben. Da ernsthaft Gefahr besteht, dass der Eiweißpegel schon bald wieder fällt, geht es in ein kleines Fisch-Restaurant-Kaufhaus, in dem nach Pop-up-Prinzip Meeresgetier, darunter frische Austern, serviert wird.

Vor allem sind wir wegen des Dry Aged Wolfsbarschs gekommen, der nach seiner nicht ganz freiwilligen Einreise aus Kroatien und im Prinzip wie Steaks in trockener Luft altert, je nach Fisch zwei bis mehrere Tage. Das Fleisch bleibt roh, fest und keineswegs staubtrocken, wie man befürchtet. Komisch, dass ich nach Prag fahren musste, um das zu kosten. Mein Fehler. Unser Fotograf Mirco Taliercio, der schon für „Spiegel“ und „Stern“ fotografierte, schwärmt leise von Milan Kunderas „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ und dass er entsprechende Motive sucht. Wir scheinen angekommen zu sein.

dazu gönnt man sich einen Teller Schinken und fetten Oberskren als Unterlage. Ab ins erste Haus am Platz beziehungsweise in der Altstadt: das „La Degustation“, ein Michelin-Stern-Halter und Pionier der neuen tschechischen Fine-Dining-Küche. Chef und Miteigentümer Oldřich Sahajdák widmet sich in dem karg-smart gestalteten Restaurant der Veredelung und Neuinterpretation der böhmischen Küche, wie wir sie in Wien schlicht nicht kennen. Der „Süddeutschen“ verriet er einmal, wie alles anfing: In einem Antiquariat hatte er zufällig ein Kochbuch aus dem Jahr 1894 gefunden, das seine persönliche Kochbibel wurde. Seither bietet er zwei Menüs an, einmal weltgewandter, einmal autochthoner. Mittags wird ein günstigerer Fünf- oder Drei-Gänger geboten. Von erstem punkten einige Gänge besonders: als da wären ein subtil mariniertes rohes Forellenfilet im Tomatensud und Schinken-Streusel. Oder

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„Es gibt Prüfungen und Verführungen, die kommen in der Geschichte nur ab und zu vor, und niemand widersteht ihnen.“

aus „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kundera

09–10

Das eingespielte Küchenteam von Oldřich Sahajdák widmet sich in dem karg-smart gestalteten Restaurant der Veredelung und Neuinterpretation der böhmischen Küche, wie wir sie in Wien schlicht nicht kennen.

ein kleiner Dreikampf um die Geschmacksnerven eines konfiert-gebratenen Entenfilets mit Roten Beten und Kirsch-Sud, wuchtig, sehr fruchtig. Apropos: Geboten wird dazu Weinbegleitung mit Naturweinen, nicht wenigen Bekannten aus Österreich, und eine Saft-Begleitung, die ihresgleichen sucht. Der Sommelier höchstselbst überwacht einen Gefrierprozess mit gewässerten Früchten, deren fachgerechtes Abtauen und Filtern konzentrierte Frucht übriglässt.

Typisch zeigt sich die bewundernswerte Liebe zur Hausmannskost in einem Schweinsbraten mit Grünkohl und schwarzem Trüffel: schön derb das. Man suche ein Michelin-Restaurant in Österreich, das so ein Gericht serviert. Man wird es nicht finden. Weiter so, Herr Sahajdák, mit einer so konsequent regionalen Küche werden die Michelin-Tester den zweiten Stern verweigern. Nennt sich Kompliment,

in Prag misst man „internationalen“ Auszeichnungen weniger Wert bei als der Abstimmung durch die Gäste und Reservierungen.

Das Gegenstück zum „La Degustation“ ist das ebenfalls Stern-erhobene „Fields“, dessen Inneneinrichtung auch wieder Restaurants in Städten wie Kopenhagen oder London zieren könnte und eine Sense als Logo führt. Die bezieht sich weniger auf den Tod als auf das Feld, von dem die Zutaten stammen, obwohl die Lichtverhältnisse im Restaurant durchaus ins Düstere deuten würden. Die Küche von Radek Kašpárek – einem in Prag bekannten Chef und TV-Koch – folgt der radikalen Linie von Saisonen und lokalen Produkten, was immer wieder von einem sehr freundlichen Serviceteam betont wird. Keine Sorge, das bedeutet nicht die übliche Rüben-Küche bei den Saison-Fanatikern, neben den

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Herbstgenüssen finden sich unter den Gängen auch eine Foie gras mit intensivem Sud von schwarzen Ribiseln, Tamarinden und Haselnüssen oder ein Kaviar-Ei mit gehacktem Flusskrebs und Kefir, das alles schmeckt dann nach weiter Welt, auch ein bisschen nach Paris. Geradezu großartig fällt das Kalbsbries mit Mangalitza-Speck und Trüffeln aus, so groß kann ein Geschmacksaroma ausfallen. Die Kombination aus schön säuerlichem Sanddorn, Karamell und Pilzen wird das Saison-Wald-nicht-Wiese-Dessert des Jahres.

kulinarische Entwicklungen zu. Die aktuelle Stimmung in Prag ähnelt der damaligen Zeit ein wenig, zumindest erinnern sich die Bürgerinnen stolz an ihre Erste Republik. Österreich klingt da dieser Tage leider ganz anders, wenn es um die Stimmung und Zukunftsaussicht geht. Dazu passt auch die leichte Distanz, die Tschechen den Österreichern gerne entgegenbringen: Zu lange nahm man die Nachbarn als monarchistische Besatzer wahr, daher endet die böhmische Küche entgegen aller Wahrnehmung in Wien für viele Tschechen an der Grenze zu Österreich.

11–14 Delikatessen aus Schneckenfleisch haben bereits zur Zeit der Ersten Republik gehört. Heute erleben die Schnecken wie im Café Savoy ihre Renaissance. Die Mehlspeisen dort sind garantiert altböhmisch. Kristina Netiková führt mit ihrem Vater das kleine hippe „Bistro No. 19“ für Nachbarn und eingeweihte Touristen.

Natürlich verkosten wir diverse mollige Mehlspeisen in einem der touristisch nicht vernachlässigbaren Jugendstil-Cafés, das vielleicht nicht bis zum letzten Holz authentisch ist: im Café Savoy. In dem schmucken Café-Kästchen gibt es endlich auch die lange gesuchten Schnecken, die hier geschmort mit grünen Kräuter-Bröseln serviert werden. Die Weichtiere erfreuen sich seit mehreren Jahren vor allem in der kalten Jahreszeit großer Beliebtheit und haben analog zu den Meeresfrüchten, den Austern und dem Champagner einen historischen Grund. Wie uns auch der Eigentümer der beliebten Austern-Bar „Zdenek’s“ erzählt, waren die vermeintlich exotischen Delikatessen in einer Ära Tschechiens beliebt, als es dem Land wirtschaftlich besser als vielen in Europa ging: In der Ersten Republik, also zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Besetzung durch die Nazis, boomte das Land, ließ der Wohlstand Bauprojekte und

Natürlich finden nicht alle Gastronomen solche stolzen Geschichten und Lebensmittelimporte logisch. Fragt man etwa Kristina Netiková, die mit ihrem Vater und einer gerade Deutsch lernenden Helferin das kleine hippe „Bistro No. 19“ betreibt, beurteilt sie es doch als sympathischer, wenn man den Nachbarn und eingeweihten Touristen täglich mittags zwei bis drei günstige, frisch gekochte Gerichte anbietet, die – von den Salaten einmal abgesehen – ebenfalls echt tschechisch sind. Kartoffelpuffer gibt es da ebenso wie eine kräftige Hühnersuppe mit bunter Gemüseeinlage. In der angeschlossenen Galerie kann man bei den jungen Künstlerinnen und Künstlern gleich zuschlagen. Und ja, wirklich sympathisch.

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„Je schwerer das Gewicht, desto näher ist unser Leben der Erde, desto wirklicher und wahrer ist es.“

aus „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kundera

Das

den Rahmen für ein kleines Fest mit vielen Freunden. Das Restaurant „SaSaZu“ mit seiner modern asiatischen Küche auf dem alten Markt ist wiederrum der ideale Dating-Place.

Haben wir das echte Prag gefunden? TripAdvisor nennt fast nur indische Restaurants unter den Top 10 seiner User, müssen wir die auch testen? Und was ist mit den vietnamesischen Restaurants, immerhin stellen Vietnamesen die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Tschechien nach Slowaken und Ukrainern, zwischen 56.000 und 200.000 sollen im Land sein. Der Grund ist in der Geschichte der kommunistischen Tschechoslowakei zu finden, die seit 1950 enge Kooperationsverträge mit dem kommunistischen Brudervolk in Nordvietnam hatte und in den 70er- und 80er-Jahren auch Gastarbeiter aus Vietnam ins Land holte. Daher ist die Liebe zu asiatischen Küchen im Land ausgeprägter als etwa beim südlichen Nachbarn.

Vor allem gehört zum prallen Leben auch die Liebe: In welchen Lokalen haben die jungen, schönen Prager ihre Dates? Unser Hotel-Patron Oliver Braun, der das empfehlenswerte Grand Hotel Bohe -

mia (Lage, Lage, Lage!) besitzt, führt uns ins „SaSaZu“, einen sehr schick designten Asiaten auf dem alten Marktgelände an der Moldau. Hier sind die Prager, die gerne feiern, flirten und Dim Sum unter gewaltigen roten Lampen naschen. Und noch ein schneller Tipp für ein wirklich gutes, teils asiatisches Restaurant, das ein wenig einfach daherkommt und einen langen Tisch für alle deckt: Das „Sansho“ bietet etwa ein Satay vom Schweinebauch und Oktopus. Also ab nach Prag.

Oder wie Kundera in „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ schreibt: „Der Mensch kann nie wissen, was er sollen soll, weil er nur ein Leben lebt und keine Möglichkeit hat, es mit seinen früheren Leben zu vergleichen oder es in seinem späteren Leben zu ändern.“ Anders: Man isst und trinkt nur einmal.

15–17 Grand Hotel Bohemia bietet mit dem neobarocken Boccaccio-Ballsaal
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GESCHMACKSERINNERUNGEN AUFGEZEICHNET VON ACHIM SCHNEYDER

HANS PETER HASELSTEINERS VON KREBSEN IN DEN HOSENTASCHEN UND EINER FLUCHT AN DEN GARDASEE

Wenn der so umtriebige wie kunstsinnige wie weltgewandte wie kulinarisch von klein auf wohl umsorgte Unternehmer Hans Peter Haselsteiner, in weiterer Folge kurz HPH, am 1. Februar 2024 seinen 80. Geburtstag feiert, machte man bestimmt keinen Fehler, überraschte man ihn mit einer ganz bestimmten Torte. Und zwar mit einer Oblatentorte. Diese gleichermaßen schmackhafte wie in ihrer Zubereitung watscheneinfache Süßspeise, von Zuckerwarenfabrikant Oskar Pischinger in den 1880er-Jahren als Pischinger Torte in Wien erfunden, ruft bei HPH nämlich eine der wenigen positiven Erinnerungen wach, wenn er an seine Schulzeit im Internat in Lienz in Osttirol denkt. Zumindest was die Nahrungsaufnahme betrifft. „Diese Jahre waren eine kulinarische Wüstenwanderung“, denkt er mit Schaudern zurück, „denn was uns vorgesetzt wurde, war wirklich grauenvoll. Nur die Oblatentorte, die war immer wieder hervorragend.“

Ein bisserl blöd nur, dass eine solche lediglich jene Schüler bekamen – und zwar zur Belohnung und auch nur je ein Stück –, die Einser auf Schularbeiten geschrieben hatten. Und zu dieser Gattung zählte HPH selten bis nie. „Umso wichtiger war es, denen ein Freund zu sein, oder zumindest zu tun als ob, die gut, respektive sehr gut waren. So fiel dann doch oft etwas ab …“

Gut, abgesehen von den Oblatentorten gab’s schon noch eine zweite kulinarische Freude auch, aber für diese sorgten die Schüler, nur Burschen übrigens, selbst. „Wenn Wandertag war, zum Beispiel an den Tristacher See oder zum Tristacher Seebach,

haben wir mit den Händen die damals noch in rauen Mengen vorhandenen Krebse gefangen, sie in die Hosentaschen gesteckt und ins Internat mitgenommen. Dann mussten wir uns nur noch kochendes Wasser und Salz organisieren und bald war das Festmahl fertig. Werkzeug hatten wir freilich keines, also haben wir die Krebse einfach aufgebissen und dann mit den Fingern das Fleisch rausgekratzt und mit den Mündern ausgesaugt“, erzählt HPH, auf dessen Speiseplan die gepanzerten Tiere noch heute immer wieder stehen, „weil sie mir seit damals so wahnsinnig gut schmecken“. Und dann gab’s da noch die Sterz-Tage. „Die waren für die eine Hälfte der Schüler, nämlich für die Kärntner, quasi Feiertage. Für uns Tiroler, die wir Sterz nicht runterbringen, waren es Horrortage, an denen wir froh waren, wenn’s Brot gab.“

Dass HPH die von ihm als kulinarische Wüste bezeichnete Essenslandschaft im Internat als solche erkannte, lag an seiner Grundausbildung, die er vor und während seiner Volksschulzeit in Wörgl genoss, wo er 1944 zur Welt kam und fortan mit Mutter Herma und der Oma lebte. Beide waren gute Köchinnen, da die Mutter aber Lehrerin für Hauswirtschaft und beruflich sehr ausgefüllt war, kümmerte sich in erster Linie die Oma, eine Bauerstochter, um das leibliche Wohl des Buben. „Alles, was mit Erdäpfeln und Erdäpfelteig zu tun hatte, beherrschte die Oma perfekt. Ob Gröstl, Obst- oder Grammelknödel, ich hab’ das alles geliebt. Fleisch war eher rar, am öftesten kam Hendl auf den Tisch, aber wenn ein Schwein abgestochen wurde, gab’s sehr wohl für einige Zeit Fleisch ohne Ende, weil Tiefkühler zum

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HANS PETER HASELSTEINER kennt so gut wie alle Küchen dieser Welt und doch ist er hauptsächlich in einer zu Haus, in der heimischen. Wobei Heimat für ihn auch Südtirol bedeutet, also darf's gern auch italienische Kost sein.

Konservieren hatten wir ja noch keinen. Speck war ebenfalls fast immer da und als Fett verwendete die Oma stets Butterschmalz.“

1954, als HPH zehn Jahre alt war, starb die Oma und der Knabe kam ins Internat, das er selbst an den Wochenenden nicht verlassen sollte. Die Sommer-, Weihnachts- und Osterferien verbrachte er dafür ab sofort – meist gemeinsam mit der Mutter – in Bozen bei Tante Anna, der Schwester des Großvaters seiner Mutter, und auch das war ein lukullischer Glücksfall. „Die Tante Anna war gelernte Köchin und kochte schon deutlich raffinierter als die Oma. Ihren Zwiebelrostbraten mit gerührter Polenta etwa werde ich nie vergessen oder das gekochte Rindfleisch am Samstag, das immer schön durchzogen war, was damals glücklicherweise noch nicht so verpönt war wie heute. Und in Bozen kamen dann natürlich auch immer öfter die italienischen Einflüsse dazu. Ich bin jedenfalls, das kann man durchaus so sagen, auf hohem kulinarischen Niveau aufgewachsen. Und ich leugne auch nicht, dass ich sehr verwöhnt war.“

Maturiert hat HPH schließlich nicht in Lienz, sondern in Klagenfurt, wo er während des letzten Schuljahres privat in einem adeligen Haushalt lebte. „Auch das bildete mich kulinarisch weiter, denn nun gab’s vermehrt Dinge wie das selbst geschossene Wildbret oder Fisch aus den eigenen Teichen. Das Bild des großen Hechts, der mit einer Zitrone im Maul serviert wurde, wird mir ewig in Erinnerung bleiben.“

Nicht zuletzt die berufliche Karriere des HPH brachte es mit sich, dass seine Frau Ulli und er es sich leisten konnten, überall auf dieser Welt stets gut und teuer und fein zu speisen. Und dennoch sind es immer noch – respektive jetzt wieder – die einfachen Dinge, die HPH besonders glücklich machen. „Von Erdäpfelblattln mit Kraut könnt’ ich mich ernähren“, sagt HPH, der sich um Fine Dining schon länger nicht mehr wirklich reißt. Und dann erzählt er die Geschichte von der Reise an die Côte d’Azur. „Ulli und ich hatten den Guide Michelin im Gepäck, wollten zehn Tage bleiben und ein paar Zwei- und Dreisterne-Restaurants ausprobieren. Aber nach fünf Tagen hat’s uns gereicht, diese ganzen fetten, montierten Buttersoßen waren uns rasch zu viel. Was wir wollten, das war ein g’scheites Bistecca vom Grill mit Zitrone und Olivenöl und Rucolasalat und aus. Also haben wir zusammengepackt und sind an den Gardasee zum Essen gefahren. Und sind dann gleich ein paar Tage geblieben.“

Es ist ja ohnehin die italienische Küche, die ihm, nebst der österreichischen, die liebste ist. „Aber ein einfacher Esser bin ich nicht“, gesteht HPH. „Fertige Pasta aus dem Packl etwa geht bis auf wenige Ausnahmen gar nicht, für mich müssen die Nudeln selbst gemacht sein wie einst von meiner Mutter und wie es meine Frau ebenfalls macht. Frische Pasta eben und keine durchgetrocknete. Im Idealfall isst man die Pasta exakt einen Tag nach der Produktion.“ Tja, damit ist er also glücklich zu machen, der HPH. Und mit einer Oblatentorte, sofern es eine so gute ist wie einst in der kulinarischen Wüste …

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ANDERSWO RESERVIERT

EMPFEHLUNGEN

RESTAURANT RICARD CAMARENA Valencia

Spitzenküche in Valencia ist untrennbar mit dem Namen Ricard Camarena verbunden. Ricard lebt für die Suche nach authentischsten Aromen von Lebensmitteln aus der Region und seine Menüs bestehen fast nur aus Meeresfrüchten, Kräutern und Gemüsen. Während des Essens wird man vom Tisch weg zu einem eigenen Counter gebeten, wo Ricard oder einer seiner Chefs Gerichte vor den Augen der Gäste vorbereitet. Wir durften Thunfisch in verschiedenen Cuts und unterschiedlichen Reifestufen kosten – ein beeindruckendes geschmackliches Erlebnis in einem coolen, modernen, aber doch zeitlosen Ambiente.

CASA CARMELA

Valencia

CENTRAL BAR

Valencia

Im Herzen der eindrucksvollen Markthalle von Valencia trifft man schon wieder auf Ricard Camarena. Hier nämlich betreuen er und sein Team die Central Bar, und hier gibt’s neben Meeresfrüchten auch traditionelle spanische Gerichte, wie man sie aus TapasBars kennt. Das Motto ist denkbar einfach und lautet „cero kilómetros“. Soll heißen: Verarbeitet wird nur, was es in der Markthalle gibt. Ricard aber versteht es, alles mit neuen, fremden Aromen zu verfeinern. Wer nicht reserviert hat, meldet sich einfach am Counter und übt sich ein wenig in Geduld. Die Belohnung dafür schmeckt herrlich.

QUIQUE DACOSTA

Dénia, Alicante

Rund eine Stunde südlich von Valencia findet man im Küstenort Dénia das Restaurant von Quique Dacosta. Den Aperitif nimmt man auf der mondänen Terrasse ein und wird dabei auch gleich mit ersten Köstlichkeiten verwöhnt, ehe man an einem der Tische im eleganten, luftigen Restaurant das Menü genießt. Wie auch Ricard Camarena beschäftigt sich Quique intensiv mit den Produkten des Meeres und deren geschmacklicher Veränderung durch Reife. Quiques Küche ist opulent und vielfältig und bildet die verwendeten Produkte aus der Umgebung exzellent ab.

ADRESSEN

RESTAURANT RICARD CAMARENA

Av. de Burjassot, 54, Bombas Gens Centre d‘Art, 46009 Valencia, Spanien +34 963 355 418 ricardcamarena.com

CASA CARMELA

Carrer d‘Isabel de Villena, 155, 46011 Valencia, Spanien + 34 963 710 073 casa-carmela.com

CENTRAL BAR

Mercado Central de Valencia, Pl. de la Ciutat de Bruges, s/n, 46002 Valencia, Spanien +34 963 829 223 m.centralbar.es

QUIQUE DACOSTA

Carrer Rascassa, 1, 03700 Dénia, Alicante, Spanien +34 965 784 179 quiquedacosta.es

Dass die Reitbauers Spanien sehr schätzen, ist hinlänglich bekannt. Diesmal entführen die beiden ihre Gäste – zumindest hier auf dem Papier – nach Valencia und in den Küstenort Dénia, wo Meeresfrüchte vom Feinsten im Mittelpunkt stehen. VON BIRGIT UND HEINZ REITBAUER TEIL 16
Besucht man Valencia, muss man unbedingt auch die regionaltypische Paella probieren. Am besten in der Casa Carmela. Das Restaurant begann als kleine Hütte, die davor als Umkleidekabine für Badegäste diente, die 1920 an den Strand von Malvarrosa kamen. Über Jahrzehnte hinweg wuchs die Bekanntheit des Restaurants unaufhörlich und in den 1970ern wurden schließlich die bis heute existierenden großen Holzkohlegrills gebaut und man spezialisierte sich auf Reisgerichte, auf Paellas, von denen heute 25 verschiede Arten angeboten werden.
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