Das S Magazin #17

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8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) Steirereck Wien IM KÖNIGREICH DER KARPFEN UND IM
DER SCHLA
LOKALE LOGISTIK, ZÜRICH ERSCHMECKEN UND DIE RÜCKKEHR ZU EINEM BRÜDERPAAR . Ausgabe 17
LANDE
RAFFEN. GUT KIRSCHEN ESSEN UND

Ein Ort für das Schöne um uns herum.

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EDITORIAL

E s ist so eine Sache mit Jubiläen. Einerseits darf man sie nicht vergessen oder – schlimmer noch –ignorieren, andererseits sind sie immer etwas rückwärtsgewandt oder es haftet ihnen etwas Beweihräucherndes an. Und wenn sie einen – wie in unserem Fall mit zehn Jahren S Magazin – selbst betreffen, kommt einem letzten Endes immer irgendwas beziehungsweise irgendwer gealtert vor.

In unserer gastronomischen Welt dreht sich nämlich normalerweise alles um das Morgen, die nächste Saison, die kommenden Entwicklungen oder schlicht den nächsten Service.

Wenn sich der Blick dann doch einmal in die Vergangenheit richtet, überkommt uns auch meist ein hinter fragender Gedanke: Hält das „von damals“ auch wirklich unseren heutigen Ansprüchen stand? Und wie tiefsinnig, zeitlos, vorrausschauend war das Erzeugte wirklich in Anbetracht der Zeit? Und hat das Geschehen der Vergangenheit einen maßgeblichen Einfluss auf das Hier und Jetzt?

Einiges davon wurde uns beim Lesen und Durchblättern der Ausgaben der vergangenen zehn Jahre, wo wir so viel Freudvolles und Wissenswertes wieder entdeckt haben, beantwortet. Zum Jubiläum wollen wir Ihnen die Möglichkeit geben, im digitalen S ­ MagazinArchiv zu blättern – Details dazu auf den kommenden Seiten.

In unserer Jubiläumsausgabe verharren wir aber nicht in unserer Vergangenheit, sondern entführen Sie unter anderem hinter die Kulissen des Steirereck und widmen uns dabei dem einen oder anderen gastronomischen Wellenbrecher. Außerdem besuchen wir Ulli Richter, den Züchter königlicher Fische, in seinem Reich, und gemeinsam reisen wir zu großen Lehrherren ins Salzburger Land.

Doch in Wahrheit denken wir schon wieder intensiv an das Morgen, das Übermorgen und das Irgendwann. Vieles wird verwirklicht werden, manches in den Schubladen verharren und ganz weniges kommen, das man vielleicht besser hätte bleibenlassen sollen. Und doch sind gerade diese seltenen Irrwege wichtig und notwendig, um den Fokus wieder auf das Wesentliche zu richten und unsere Sinne zu schärfen, um unsere Zukunft zu nähren.

BIRGIT UND HEINZ REITBAUER

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Freude mit unserer Jubiläumsausgabe anlässlich des zehnten Magazin ­ Geburtstags.

17
13 S MAGAZIN VOR-SÄTZE I

VERLAGSPOST

S Magazin, Ausgabe

Wenn man mehr als zwei Jahrzehnte Gast eines Lokals ist, kommt man einander unweigerlich näher. Und das hat uns vor gut zehn Jahren im Zuge unserer vielen Gespräche mit Birgit und Heinz Reitbauer dazu inspiriert, ein Magazin mit den beiden zu machen. Ein Magazin, das in erster Linie Produzentinnen und Produzenten, deren Schaffen und die Produkte vor den Vorhang holt, denn eitle Selbstdarstellung entspricht dem Wesen der beiden Gastgeber so ganz und gar nicht. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass seit der ersten Ausgabe stets ein Produkt das Cover ziert, dem wir im Blattinneren eine entsprechende Bühne bieten. Diesmal, in der Jubiläums ausgabe, ist es – haben Sie das auf dem Cover erkannt? – der Spargel.

Zuallererst aber galt es, einen Namen zu finden. S wie Steirereck hat uns allen gefallen, zumal man beim Buchstaben S ja ein Ess hört, und so erschien im Frühjahr 2014 das erste S Magazin. Ein Magazin, das heute als eines der besten Food ­ Magazine im gesamten deutschsprachigen Raum gilt, worauf wir durchaus ein wenig stolz sind.

Mehr als 300 Reportagen und Geschichten sind seit dem ersten Tag in Druck gegangen, geschrieben von Autorinnen und Autoren, deren Anspruch auf Qualität vergleichbar ist mit jenem von Heinz Reitbauer an sich und seine Küche, und in Szene gesetzt von Fotografinnen und Fotografen, die zu den allerbesten ihrer Zunft zählen. Geschichten, die die Welt des Steirereck und seiner großartigen Betreiber Birgit und Heinz widerspiegeln. Und dass wir als Verleger heute ebenfalls ein Teil dieser Welt sein dürfen, erfüllt uns mit großer Freude.

Zehn Jahre S Magazin, das kann sich wahrlich sehen lassen. Und so möchten wir an dieser Stelle all jenen ganz herzlich danken, die mitgewirkt haben am Entstehen, am Weiterentwickeln und die auch in Zukunft dafür sorgen werden, dass wir unseren Leserinnen und Lesern Vergnügen bereiten dürfen.

Ganz herzlich und auf weitere schöne Jahre,

ALEXANDRA
UND REINHOLD GMEINBAUER
17 15 S MAGAZIN VOR-SÄTZE II

INHALT

20

DIE GROSSE KOCHSHOW

De r Schriftsteller Franz Schuh beschäftigt sich mit den Varianten der Esskultur.

Von Franz Schuh

22 EIN JAHRZEHNT DEM GENUSS

AUF DER SPUR

Da s S Magazin feiert runden Geburtstag – eine Lesereise.

1

Wer & warum

58 IM LANDE DER SCHLARAFFEN

I talien liegt vor den Toren Wiens. Zumindest in Sachen Kulinarik. Ein Reisebericht.

Von Uschi Korda

66 WASSER, HIMMEL, FEUER, FISCH

Zu Be such im Steirischen, wo in den Teichen der Richters köstliche Karpfen gedeihen.

Von Sebastian Hofer

74 SO SÜSS UND SO SAUER

Frisch vom Baum: gut Kirschen essen von A– Z.

Von Katharina Seiser

80 DER PFIRSICH- POINT OF NO RETURN

Wie man beste Lebensmittel aufspüren kann. Ein Essay.

Von Katharina Seiser

2 Wovon & wie viel

82 DIE SPEISE DER KAISER UND KÖNIGE

Ers t geduldig und dann sehr schnell sein. Der Spargel ruft.

Von Ute Woltron

90 FRÜHLINGSBOTE

Von roten Stängeln, die mehr können als Kuchen & Kompott. Vier Rezepte mit Rhabarber.

3 Wie & für wen

96 DIE STUNDEN

DER WELLENBRECHER

Wie die Küche des Steirereck bei Hochbetrieb funktioniert.

Von Michael Hufnagl

104 ESSEN ALS TROST, ALS WELT, ALS ZEITMASCHINE

Autorin Valerie Fritsch über Geschmäcker. Ein Essay.

Von Valerie Fritsch

106 FESTMAHL

Neun neue Gänge zum zehnten Geburtstag.

126 WEIN UND ZEIT

D ie Herrin des Hauses und der Sommelier in Kostlaune.

Von Sebastian Hofer

16 S MAGAZIN THEMEN-VIELFALT

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4 Wohin & zurück

136 YIN UND YANG UND EIN LEHRBUB AUS WIEN Rei tbauers bei Obauers, wo Heinz einst geprägt wurde. Von Achim Schneyder

146 IM ELEGANZGETÜMMEL

Ein S tadtbummel durch Zürichs großartige Küche. Von Christian Seiler

156 EIN LEBEN FÜR

DIE WUCHTEL UND EIERSPEIS ZU WEIHNACHTEN Di e kulinarische Karriere des Herbert Prohaska. Von Michael Hufnagl

158 ANDERSWO RESERVIERT

B irgit und Heinz Reitbauer verraten, wo es ihnen besonders schmeckt.

Impressum

MEDIENINHABER:

Gaumen Hoch GmbH

GESCHÄFTSFÜHRENDE

GESELLSCHAFTER: Alexandra Seyer-Gmeinbauer, Reinhold Gmeinbauer

Seilerstätte 7, 1010 Wien, www.gaumenhoch.at

HERAUSGEBER:

Birgit und Heinz Reitbauer

CHEFREDAKTEUR: Achim Schneyder

CHEFIN VOM DIENST: Ursula Macher

AUTORINNEN, AUTOREN:

Valerie Fritsch

Sebastian Hofer Uschi Korda

Achim Schneyder Franz Schuh

Christian Seiler

Katharina Seiser Ute Woltron

FOTOGRAFEN: Klaus Fritsch

Philipp Horak

Thomas Schauer Mirco Taliercio

PROP STYLIST: Sammy Zayed

BILDNACHWEIS:

Seite 68 Unsplash (Isabella Fischer), Seite 71 Unsplash (Ioana Scholler), Seite 72 Pexels (Irina Iriser)

DESIGN: brand unit – network for branding, design and content, brand-unit.com

KREATIVDIREKTION: Albert Handler

ARTDIREKTION: Vanessa Buchschacher

ANZEIGEN: Reinhold Gmeinbauer Matthias Führer

LEKTORAT: Claudia Werner

LITHOGRAFIE: Mario Rott

DRUCK: Print Alliance HAV Produktions GmbH Druckhausstraße 1, A-2540 Bad Vöslau FN 426711t – LG Wr. Neustadt printalliance.at

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DIE GROSSE KOCHSHOW

TEXT: FRANZ SCHUH

Alles, was einprägsam sein soll, muss in der Mediengesellschaft auch inszeniert werden. Das gilt nicht zuletzt für die Gastronomie. Inszenierungen sind nicht per se schlecht, sogar die Reklame kann einen Kern von Information haben. Das Verhältnis von Qualität und Aufmerksamkeitsökonomie beschäftigt den Autor in seinem Text über Varianten der Esskultur.

Eine Zeit lang unterrichtete ich am Max Reinhardt Seminar Philosophie. Es war eine schöne Zeit. Eine Zeit lang arbeitete ich als Restaurantkritiker für den „Kurier“. Es war eine schöne Zeit. Jüngst habe ich einen Schauspieler über Wolfram Siebeck reden hören. Wer Siebeck noch kennt, weiß, er war ein führender Restaurantkritiker, ein guter Schreiber. Man muss sagen, heute ist er fast vergessen: Dem Restaurantkritiker flicht die Nachwelt keine Kränze.

Der Schauspieler, der über Siebeck sprach, erzählte eine Geschichte. „Herr Siebeck“, hatte er den Meister gefragt, „Sie haben doch alles gegessen, was es gibt. Was interessiert Sie noch an der Gastronomie?“ Siebeck soll geantwortet haben: „Das Essen? Nein. Mich interessiert die ganze Präsentation, das Restaurant, der Service ...“

Essen als Theater. „Die Präsentation des Selbst im Alltag“ heißt ein berühmtes Buch des Soziologen Erving Goffman. Aus dem Titel kann man herauslesen, dass sich alltägliches Verhalten nach dramaturgischen Regeln aufschlüsseln lässt. Ich war in der Rolle des Kritikers nicht wirklich gut: Ein richtiger Kritiker schreibt auch und gerne Verrisse. Ich hatte es darauf angelegt, nur Lob zu veröffentlichen – aus Dank dafür, dass das Essen gut war. Hinter diesem Prinzip steckt allerdings meine Auffassung, dass das Essen in österreichischen Restaurants oft nicht gut ist. Manchmal richte ich mich nach Lobgesängen im Internet und erlebe meine Wunder.

Siebeck war auch deshalb ein guter Restaurantkritiker, weil er selbst kochen konnte. Mit Kritik und Kochkunst verkörperte er die Küchenvariante eines kulturellen Ideals, des Ideals der Einheit von Theorie und Praxis. Ich kann nicht kochen und doch nehme ich mir heraus, einem Siebeck zu widersprechen: Dass die Präsentation im Restaurant so wichtig, ja am Ende entscheidend wäre, glaube ich ganz und gar nicht.

Es gibt einen Typus von Restaurants, in dem alles stimmt. Die Kellner stellen das Staatsopernballett in den Schatten und an den Wänden hängen Kunstwerke, die den Chef der Albertina erblassen lassen. Messer, Gabel und Teller sind von erlesenem Design, nur Rowdys erlauben sich, sie zu benützen. Einen kleinen Fehler hat die Chose allerdings: Das Essen ist schlecht. Die Inszenierung bringt es zustande, dass kaum einer es merkt. So ein Phänomen gibt es auch am Theater: Die Eintrittskarten sind teuer, der Besucher will davon etwas gehabt haben, es gefällt ihm, was die Schauspieler an Zeichen für gutes Theater abliefern.

Restaurants, die auf besagte Art funktionieren, nenne ich pseudogut. Wirklich gute Restaurants wie das Steirereck, das so eine Art aristokratische Rolle in der Wiener Gastronomie spielt, haben mich zu einer müßigen Frage geführt: Ist Kochen eine Kunst? Diese Frage ist ein Glasperlenspiel: Beim Kochen –anders als beim Theater – kommt es nicht darauf an,

20 S MAGAZIN KULTUR-GUT

ob es eine Kunst ist. Der gebildete Theaterbesucher bedarf der Kunst des Dargebotenen, um daran Geschmack zu finden. Kochen muss keine Kunst sein, wenn nur das Essen schmeckt.

Mit der Kunst ist es so eine Sache. Es ist schwierig, das Netz von Beziehungen und Zusammenhängen parat zu haben, um erklären zu können, was man für Kunst hält. Früher hätte man gesichert behaupten können: Nein, Kochen ist keine Kunst, denn der Koch schafft ja kein bleibendes Werk – wie übrigens auch der Schauspieler, dessen Kunst in dem Moment schon vorbei ist, in dem sie ausgeübt wird. Die Produkte der Kochkunst sind überhaupt einer Art von Verschwinden gewidmet, der auch etwas Rohes anhaften kann, nämlich dem Einverleiben, einem offensichtlichen Machtverhältnis zum Gegebenen.

Sogenannte moderne Kunst arbeitet mit einer Erweiterung des Kunstbegriffs. Mir kommt der Brotwagen im Steirereck als Kunst vor. Ich sehe ihn als eine verschiebbare Montage eines typischen, grundlegenden Nahrungsmittels. Wenn man den Wagen so ansieht, ist er Kunst. Aber seine Kunst liegt im Auge des Betrachters, der man ja nicht bleiben möchte. Man will das Brot, man braucht es, mit dem Wagen weniger, aber in dieser Welt oft sehr und ganz ohne Wagen.

Kunst braucht der Mensch nicht zum Überleben. Dass Kunst ein „Lebensmittel“ sei, halte ich für die Propaganda von Kulturfunktionären. Die eventuelle Notwendigkeit der Kunst liegt anderswo als im Verweis auf Nahrungsmittel, deren Status die Unbedingtheit und deren Katastrophe das Verhungern ist. In der sogenannten Bedürfnispyramide liegt die Nahrung tief unten, und gerade weil sie absolut notwendig ist, versuchen Menschen, sie zu kultivieren, also aus der Nahrung etwas Höheres, etwas ihrer Wahl Offenstehendes zu machen. Menschen werden wählerisch und distanzieren die Not, die möglicherweise allen ihren Bestrebungen zugrunde liegt.

Ich komme aus einer Schicht, in der das Essen vor allem im Stillen des Hungers bestand. Das senkt das Anspruchsniveau: Ich war glücklich mit Fischstäbchen. In Italien, im Geschäft eines Greißlers, habe ich zum ersten Mal erkannt, welche Mühe und welchen Aufwand die Menschheit in die Kultivierung und Differenzierung ihrer Nahrungsmittel investiert. Dabei tritt ein soziales, moralisches und ästhetisches Problem in Kraft, das sich wahrscheinlich allein durch eine Haltung in der Mitte ausbalancieren lässt: Auf der einen Seite ist die Gleichgültigkeit gegenüber den einzunehmenden Nahrungsmitteln primitiv, unkultiviert. Das berühmte Butterbrot mit Schnittlauch allerdings – in seiner Einfachheit –ist gerade durch den Wert, der auf sein andächtiges Verspeisen gelegt wird, sehr kultiviert.

Unkultiviert wiederum ist die Überfeinerung des Geschmacks, die Essgewohnheiten werden geschmäcklerisch und dann schmeckt einem kein Butterbrot mehr. Den überfeinerten Geschmack kann man auch dekadent nennen, und Dekadenz schraubt die Ansprüche hinauf und senkt die Genussfähigkeit.

Die Köche sind uns teuer. Das Theater, das um sie und um ihre Küchenschlachten gemacht wird, ist befremdlich. Im Fernsehen verfehlen die Köche ja ihre wahre Funktion: Was sie dort kochen, servieren sie einem nicht. Sie kochen einem was vor, und ich kann nicht leugnen, dass ich es nicht für unmöglich halte, dass die Fernsehstars mit Kochmütze gar keine guten Köche sind, sondern bloß pseudogute. Sie sind die Schausteller einer Branche, bei der man manchmal im Ernst glauben möchte, dass sie von echten Künstlern betrieben wird.

21

EIN JAHRZEHNT DEM GENUSS AUF DER SPUR

TEXT: ACHIM SCHNEYDER

COVERFOTOGRAFIE: KLAUS FRITSCH

Im Frühling 2014 war’s, da erblickte das S Magazin aus den Häusern Steirereck und Alba Communications das Licht der Medienwelt. Und dass es inklusive der vorliegenden bis dato nur 17 und nicht 20 Ausgaben wurden, ist einem lästigen Virus und einigen Lockdowns geschuldet. An uns lag es nicht. Anlässlich des Jubiläums schenken wir Ihnen nun geballten Lesestoff, denn mittels der QR-Codes auf den kommenden Seiten können Sie jedes einzelne Exemplar herunterladen und wann immer Sie Appetit darauf haben darin schmökern.

Viel Vergnügen, Mahlzeit und zum Wohl.

22 S MAGAZIN NACH-LESE

AUSGABE 1

LEIDENSCHAFT FÜR ZITRUSFRÜCHTE. HUNGER AUF AUBARC-RINDER. LIEBESERKLÄRUNG AN DEN SAIBLING. FREUDE AM BLAUSCHIMMEL. APPETIT AUF EIN MENÜ DAHEIM.

LEIDENSCHAFT FÜR ZITRUSFRÜCHTE. HUNGER AUF

AUBRAC-RINDER. LIEBESERKLÄRUNG AN DEN

SAIBLING. FREUDE AM BLAUSCHIMMEL. APPETIT AUF

EIN MENÜ DAHEIM.

Ein Magazin und Augenschmaus – dank Kreativdirektor Albert Handler und Coverfotograf Klaus Fritsch, die beide noch heute mit an Bord sind. Ebenfalls seit Ausgabe 1 dabei: Ute Woltron, Katharina Seiser (Autorinnen) und Thomas Schauer (Fotograf).

Das S Magazin Ausgabe 1 zum Nachlesen

Ausgabe 01 8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) AUSGABE 01 Steirereck Wien Steirereck Wien 91 9000 1 017143 01
23

AUSGABE 2

TAGLILIEN-KNOSPEN. EINE ODE AN DIE BUTTER. EINE VERBEUGUNG VOR DEM SALZ. IN STIMMUNG AUF FERMENTIERTE RINGLOTTEN. MUT ZUM NACHKOCHEN.

TAGLILIEN-KNOSPEN. EINE ODE AN DIE BUTTER.

EINE VERBEUGUNG VOR DEM SALZ. IN STIMMUNG AUF FERMENTIERTE RINGLOTTEN.

MUT ZUM NACHKOCHEN.

Die Resonanz ist derart positiv, dass sich das Team von Ausgabe 1 gleich mit doppelt großer Freude auf Ausgabe 2 stürzt. Gastautor Rainer Nowak, damals Chefredakteur der „Die Presse“, trauert in einem Essay seiner Zeit als Restaurantkritiker nach.

Das S Magazin Ausgabe 2 zum Nachlesen

AUSGABE 02 Steirereck Wien Steirereck Wien Ausgabe 02 8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) 91 9000 10 1 714 3 02
24 S MAGAZIN NACH-LESE

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AUSGABE 3

IN EINEM GEHEIMEN GARTEN. WILD GEZEICHNET UND UMGURRT VON DER TAUBE. DAS BIER IN MIR. CHAMPAGNER VOM WINZER. SCHNEE UND SORBET. UND MEHR VOM MEER.

UND MEHR VOM MEER. Ausgabe 03

IN EINEM GEHEIMEN GARTEN. WILD GEZEICHNET UND

UMGURRT VON DER TAUBE. DAS BIER IN MIR.

CHAMPAGNER VOM WINZER. SCHNEE UND SORBET.

Es kommt zum ersten Führungswechsel im Team. Noch während der laufenden Produktion löst Achim Schneyder die bisherige Chefredakteurin Nicole Adler ab. Und was soll die Feder auf dem Cover? Georges Desrues gurrt mit heimischen Speisetauben …

Das S Magazin Ausgabe 3 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Steirereck Wien
26 S MAGAZIN NACH-LESE

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AUSGABE 4

EIN DUFTENDER WALD UNTER GLAS. WILDER FISCH UND EIN BETT AUS BASALT. DAS KREUZ AUF DEM BROT, DER KLEE FÜR DEN WEIN. SPÄTE FRÜCHTE UND TRÄNEN IM FASS.

EIN DUFTENDER WALD UNTER GLAS. WILDER

FISCH UND EIN BETT AUS BASALT. DAS KREUZ AUF

DEM BROT, DER KLEE FÜR DEN WEIN. SPÄTE

FRÜCHTE UND TRÄNEN IM FASS.

Steirereck Wien

Erstmals seit Magazinstart sind nur vier Fotografen für alle Bilder einer Ausgabe verantwortlich. Neben den bereits erwähnten Herren Fritsch und Schauer drücken nun auch Mirco Taliercio und Philipp Horak ab. Dieses famose Quartett ist seither gesetzt.

Das S Magazin Ausgabe 4 zum Nachlesen

AUSGABE 04 Steirereck Wien
04 8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Ausgabe
28 S MAGAZIN NACH-LESE

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AUSGABE 5

DIE LIEBE ZUR SCHÖNEN DISTEL, DIE LIEBE FAMILIE UND LIEBE ZUM WEIN. LAMMOURÖSE ABENTEUER UND GULASCH – MIT LIEBE GEWÜRZT.

LIEBLICHES SUMMEN UND SOMMER IM GLAS.

Freilich wird in den ersten Ausgaben noch getüftelt und gefeilt und adaptiert, spätestens seit dieser aber zeigt das S Magazin sein finales und unverwechselbares Gesicht. Großer Dank dafür an Albert Handler und sein Kreativteam der „brand unit“.

Das S Magazin Ausgabe 5 zum Nachlesen

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AUSGABE 6

ANTIKER FRUCHTGENUSS UND HOCHPROZENTIGES VOM DAUERBRENNER. WO DELIKATE ENTEN HAUSEN UND DAS ANDERE MEHL STAUBT. WENN’S 14 SCHLÄGT UND SICH EINE LEGENDE AM SPIESS DREHT.

Ausgabe 06

ANTIKER FRUCHTGENUSS UND HOCHPROZENTIGES VOM

DAUERBRENNER . WO DELIKATE ENTEN HAUSEN UND DAS ANDERE MEHL STAUBT. WENN’S 14 SCHLÄGT UND

SICH EINE LEGENDE AM SPIESS DREHT.

Wien

Künstlertreff in Nr. 6: Der 2019 verstorbene Werner Schneyder erzählt in einem Essay, warum er nicht kostet und niemals jemanden kosten lässt, Kollege Andreas Vitásek erinnert sich an seine Fett ­ und Flachsen­Phobie und wie er zum Tubenzuzler wurde.

Das S Magazin Ausgabe 6 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Steirereck
AUSGABE 06 Steirereck Wien
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AUSGABE 7

WILDE KERLE AUS DER ERDE UND ZIEGEN, DIE IHR BESTES GEBEN.

SAURE TRAUBEN, SÜSSE BEEREN UND TEICHE VOLLER FISCHGENUSS.

EIN TROPFEN-WEISER UND EINE KOSTPROBEFAHRT ZUM NACHBARN.

Ausgabe 07

WILDE KERLE AUS DER ERDE UND ZIEGEN , DIE IHR

BESTES GEBEN. SAURE TRAUBEN, SÜSSE BEEREN UND

TEICHE VOLLER FISCHGENUSS. EIN TROPFEN ‒ WEISER

UND EINE KOSTPROBEFAHRT ZUM NACHBARN.

Wien

„Meister Adis Gespür für Wein“ – so lautet der Titel der letzten großen Reportage über Österreichs Sommelier ­ Legende Adi Schmid. 40 Jahre lang prägt Adi das Steirereck mit, ehe er nach Erscheinen von Ausgabe 7 in Pension geht. In die wohlverdiente …

Das S Magazin Ausgabe 7 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Steirereck
34 S MAGAZIN NACH-LESE
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AUSGABE 8

DER VATER ALLER ESSIGMÜTTER UND KRIECHTIERE IM HÄUSLICHEN VORWÄRTSGANG. JAPAN VOR DEN TOREN WIENS, WEINEN VOR FREUDE UND BIERSCHAUM VORM MUND. UND BEEREN, HOLLER-DARO…

DER VATER ALLER ESSIGMÜTTER UND KRIECHTIERE

IM HÄUSLICHEN VORWÄRTSGANG. JAPAN VOR DEN

TOREN WIENS, WEINEN VOR FREUDE UND BIERSCHAUM

VORM MUND. UND BEEREN, HOLLER-DARO

Mit ihrem Porträt über „Essigvater“ Erwin Gegenbauer feiert Autorin Uschi Korda ihr Debüt im S Magazin. Und Severin Corti trifft in Philip Rachinger s Mühltalhof Küchengrößen wie René Redzepi oder Ana Roš. Zwei Reportagen vom Allerfeinsten.

Das S Magazin Ausgabe 8 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Steirereck Wien
Ausgabe 08 AUSGABE 08 Steirereck Wien
36 S MAGAZIN NACH-LESE

AUSGABE 9

KALTGEPRESST UND HEISS BEGEHRT UND WO IM WALD

DAS WILDE WÄCHST. PERSONELLE LEHRBEISPIELE UND NATÜRLICHKEIT IM GLAS. UND EINE SCHLEMMERLANDPARTIE AN EINEN SCHILLERNDEN ORT…

KALTGEPRESST UND HEISS BEGEHRT UND WO IM WALD

DAS WILDE WÄCHST. PERSONELLE LEHRBEISPIELE UND NATÜRLICHKEIT IM GLAS. UND EINE SCHLEMMERLAND-

PARTIE AN EINEN SCHILLERNDEN ORT…

Steirereck Wien

Die Idee zu „ Reitbauer s Reisen“ wird in die Tat umgesetzt. Zum Start dieser Serie, in der Birgit und Heinz ab sofort ehemalige Mitarbeiter des Steirereck in deren Betrieben besuchen, geht es zu Gerhard Schiller in dessen Landgasthaus in Sommerein.

Das S Magazin Ausgabe 9 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Ausgabe 09 AUSGABE 09 Steirereck Wien
38 S MAGAZIN NACH-LESE

Exzellenz ohne Allüren

Die Parallelen zwischen Spitzenküche und Private Banking

In der von Exklusivität und Raffinesse geprägten Welt der Spitzenküche, wo jedes Detail sorgfältig ausgearbeitet wird, um anspruchsvolle Gaumen zu erfreuen, tauchen Parallelen zum Private Banking auf. Silvia Richter und Christian Nemeth, Vorstände einer österreichischen Privatbank mit Schweizer Wurzeln, reflektieren über die Kunst, höchste Qualität mit Leidenschaft zu verbinden.

Das Streben nach Exzellenz und Bodenhaftung gleichermaßen

Silvia Richter, in der Spitzenhotellerie ausgebildet und heute Mitglied des Vorstands der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, betont das gemeinsame Streben nach Exzellenz ohne Abgehobenheit. „Höchstes Niveau ohne Starallüren,“ beschreibt sie die Essenz ihres Ansatzes, der auf persönlicher Nähe und einem ganzheitlichen Blick auf das Kundenbedürfnis beruht.

Vermögensarchitektur

in fünf Gängen

Die erfahrene Private Bankerin vergleicht die Gestaltung von maßgeschneiderten Finanzlösungen gerne mit dem Kochen eines raffinierten Menüs: Jeder Schritt ist gut durchdacht, erfordert Leidenschaft, Präzision und das Bewusstsein für das große Ganze. In ihrem Fall ist Letzteres der Blick auf die unterschiedlichen Lebensphasen ihrer Kundinnen und Kunden und die damit einhergehenden Bedürfnisse. Und eine Vermögensarchitektur, die genau das widerspiegelt.

Christian Nemeth, CEO und Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, unterstreicht die Bedeutung für herausragenden Service und Top-Ergebnisse: „Know-how ist nur die Basis. Exzellenz entsteht erst durch Haltung.“ Sein Team orchestriert Anlagestrategien mit der gleichen Sorgfalt und Hingabe wie ein Küchenchef, der eine Symphonie von Aromen komponiert.

Eine Erfahrung zum Genießen

Die Zürcher Kantonalbank Österreich AG ist als Tochter einer der weltweit sichersten Banken Schweizer Qualität verpflichtet. Seit 2011 in Österreich angesiedelt, ist die Privatbank in den letzten Jahren überdurchschnittlich gewachsen. Dass das Bankhaus mit Standorten in Wien und Salzburg immer noch eine Art Geheimtipp ist, hat einen Grund: „Wir konzentrieren uns auf das, was wir wirklich gut können – die Vermögensverwaltung“, sagt Silvia Richter „und das ist dann wie beim Steirereck: Begeisterte Kundinnen und Kunden kommen gerne wieder und empfehlen uns weiter.“

Wenn Silvia Richter und Christian Nemeth die Parallelen zwischen Private Banking und Haute Cuisine aufzeigen, spürt man Emotionen, die man selten mit der Finanzwelt verbindet. In beiden Bereichen wird Exzellenz nicht nur erreicht, sondern genossen. Mit jeder maßgeschneiderten Lösung, die entwickelt wird, jeder persönlichen Interaktion, die gestaltet wird, definieren sie Luxus neu. „Wer glaubt, Elitedenken hätte hier Platz, der irrt. Denn ohne Menschlichkeit und Demut vor dem Vertrauen von Gast und Kunde, erreicht man höchstens guten Durchschnitt, sagt Silvia Richter. Die Ergebnisse geben ihr recht.

Zürcher Kantonalbank Österreich AG

Standort Salzburg: Getreidegasse 10 Standort Wien: Hegelgasse 6 info@zkb-oe.at; www.zkb-oe.at

Anzeige Foto: Siegrid Cain
Christian Nemeth und Silvia Richter

AUSGABE 10

FISCH & FANG AM BODENSEE UND STEIRERBLUT IN BOHNENFORM. GETREIDE WIE FRÜHER, EINE BESPRECHUNG DER LAGE UND EINE REISE NACH PARIS. UND HERR RESSI, DER FAND DAS GLÜCK…

FISCH & FANG AM BODENSEE UND STEIRERBLUT IN BOHNENFORM . GETREIDE WIE FRÜHER, EINE BESPRECHUNG DER LAGE UND EINE REISE NACH PARIS.

UND HERR RESSI , DER FAND DAS GLÜCK…

Wien

Alle Zehne – ein erstes Jubiläum! Verleger Reinhold Gmeinbauer s chreibt in einem Brief an die Leserschaft: „Das S Magazin ist eine Haltung. Ein Statement! Produzenten, Lieferanten und Mitarbeiter –sie sind die Stars, denen wir dieses Magazin widmen.“

Das S Magazin Ausgabe 10 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) Steirereck
Ausgabe 10 10 9 190001017143
40 S MAGAZIN NACH-LESE

Auszeit auf höherer Ebene

ANKOMMEN, EINTAUCHEN, ERHOLEN, GENIESSEN

Zimmer und Suiten mit traumhafter Aussicht • regionale Kulinarik aus der vielfach prämierten Naturküche Alminarium mit der Kraft der Almkräuter • Weintresor mit 8.000 Flaschen und Weinverkostungen • namhafte Gastköche und ausgezeichnete Winzer bei Kulinarikevents • brandneues Pop-up Restaurant • 5.000 m² Almspa mit Whirlpools, Infinitypool, Innenpool • Saunalandschaft • individuelle Rückzugsorte • tägliches Yoga- und Aktivprogramm • Almwellness-Behandlungen • Almboutique für feine Sachen.

www.almurlaub.at

Almwellness Hotel Pierer 8163 Fladnitz Teichalm 77 T +43 3179 71 72 hotel.pierer@almurlaub.at

AUSGABE 11

BITTERE SALATE, SÜSSE PARADEISER. ZWEI BRÜDER UND IHR KÄSE, EIN BRITE UND SEIN WIENER SCHMÄH. LUST AUF INNEREIEN, WEINE AUS NACHBARS GARTEN. UND, SO SCHÖN, ALLERLEI LIEBESG’SCHICHTEN.

BITTERE SALATE, SÜSSE PARADEISER. ZWEI BRÜDER

UND IHR KÄSE, EIN BRITE UND SEIN WIENER SCHMÄH.

LUST AUF INNEREIEN, WEINE AUS NACHBARS GARTEN.

UND, SO SCHÖN, ALLERLEI LIEBESG’SCHICHTEN.

Steirereck Wien

Für diese und für Ausgabe 12 übernimmt Michael Hufnagl interimistisch die Chefredaktion, weil Kollege Schneyder kurz fremdgeht und nur Autor ist. Apropos

Autor: Kabarettist Florian Scheuba erklärt in einem wunderbaren Essay seine Liebe zum Steirereck.

Das S Magazin Ausgabe 11 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Ausgabe 11 11 9 190001017143
42 S MAGAZIN NACH-LESE

Rosé aus Österreich

ROSÉ AUS ÖSTERREICH: DER ALLESKÖNNER

Österreich ist noch ein kleiner Geheimtipp für Freunde dieses Weintyps. Jene, die ihn kennen, möchten ihn am liebsten weiterhin geheim halten, um in Ruhe seine Vielfalt entdecken zu können. Denn wofür Österreichs Rotund Weißweine bekannt sind, das gilt auch für den Rosé: eine einzigartige Balance aus Frucht, Körper und Frische.

Aperitif, Terrassenwein, Speisenbegleiter

Damit sind die heimischen Roséweine nicht nur gewinnende Solo-Player als Aperitif oder am Abend auf der Terrasse, sondern begleiten auch gerne lokale sowie exotische Köstlichkeiten.

Dank ihrer frischen Struktur und aromatischen Vielfalt sind Roséweine aus Österreich herrliche Speisenbegleiter, beim Kombinieren sind quasi keine Grenzen gesetzt: vom gebratenen Geflügel, gegrillten Fisch und Meeresfrüchten über pikante Salate und geschmortes Gemüse mit mediterraner Würze, besonders, wenn Olive, Tomaten oder Knoblauch dabei sind, bis zum traditionellen Jausenbrot mit Liptauer, Schmalz oder Verhackert reicht ihr Einsatzgebiet. Sogar in der fernöstlichen Küche von Indien bis China ergeben sich gelungene Paarungen.

Heimat großer Rosés

Hervorragende Rosés kommen aus allen Weinbaugebieten des Landes und präsentieren sich in vielerlei Gestalt: vom charmanten Jungwein über frische Vertreter aus Zweigelt und St. Laurent aus Niederösterreich bis hin zum rassigen Schilcher aus der Weststeiermark oder zu würzigem Blaufränkisch- oder Zweigelt-Rosé aus dem Burgenland.

Die Tradition reicht in manchen Gebieten sogar so weit, dass ihre roséfarbenen Köstlichkeiten durch das DAC-System herkunftsgeschützt sind. Sieht man auf einem Etikett den Namen des Weinbaugebietes gefolgt vom Kürzel „DAC“ kann man sich sicher sein, einen Wein typisch für dieses Gebiet in der Hand zu halten.

Rosalia DAC Rosé: Das malerische Weinbaugebiet Rosalia liegt im Burgenland. Hier entsteht Roséwein mit Charme, Frucht, Frische und Würze.

Weststeiermark DAC Schilcher: Einst rustikaler Bauernwein, hat sich der Schilcher aufgrund des stetigen Qualitätsstrebens der lokalen Winzer zu einem feinen, fruchtigen Getränk mit animierender Säure entwickelt.

Rosésekt: Wem auch bei prickelndem Genuss die Regionalität wichtig ist, greift am besten zu Sekt Austria (mit geschützter Ursprungsbezeichnung). Die rot-weiß-rote Banderole auf der Kapsel garantiert, wie bei Qualitätswein, höchste Güte aus Österreich.

Mehr Infos zu Rosé-Wein aus Österreich: österreichwein.at

© ÖWM / Carletto Photography (Tisch), © ÖWM / WSNA (Rosalia, Weststeiermark)

AUSGABE 12

EIN FISCH, EIN SCHWEIN UND EIN TRAUM VOM GEMÜSEPARADIES.

BILDER EINES JUBILÄUMS UND DER WEIN ALS ZEITZEUGE. EINE REISE NACH KIEW UND IN ALLERLEI GEDANKENWELTEN.

EIN FISCH, EIN SCHWEIN UND EIN TRAUM VOM

GEMÜSEPARADIES . BILDER EINES JUBILÄUMS UND

DER WEIN ALS ZEITZEUGE . EINE REISE NACH KIEW

UND IN ALLERLEI GEDANKENWELTEN

Wien

Es erscheint eine Geschichte über acht Seiten, die ausschließlich mit alten Fotos aus dem Archiv bebildert ist. Der Grund für diese Zeitreise: Das Steirereck, „erfunden“ von Margarethe und Heinz Reitbauer sen., feiert 2020 seine ersten 50 Jahre.

Das S Magazin Ausgabe 12 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Steirereck
Ausgabe 12 AUSGABE 12 Steirereck Wien 12 9 190001017143
44 S MAGAZIN NACH-LESE
www.gobelsburg.at

AUSGABE 13

GROSSES MECKERN, SCHARFE SACHEN UND EIN AUSFLUG MIT DEM TEAM. EIN SATZ IM GLAS, EIN UMWEG AUF DEM HEIMWEG, SIEBEN HÜGEL GENUSS UND EINE DIVA MIT GUTEM GESCHMACK.

Ausgabe 13

GROSSES MECKERN, SCHARFE SACHEN UND EIN

AUSFLUG MIT DEM TEAM. EIN SATZ IM GLAS, EIN

UMWEG AUF DEM HEIMWEG, SIEBEN HÜGEL GENUSS

UND EINE DIVA MIT GUTEM GESCHMACK.

Steirereck Wien

Längst überfällig, wird nun Sebastian Hofer vor den Vorhang geholt. Der exzellente Schreiber bespielt in diesem Magazin nebst anderen die Wein ­ Bühne und tritt dort regelmäßig mit Steirereck ­ Sommelier René Antrag auf. Diesmal im Glas: Gemischter Satz.

Das S Magazin Ausgabe 13 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
46 S MAGAZIN NACH-LESE

Das Wasser zum Essen.

nachhaltig #jungbleiben

AUSGABE 14

DIE GURKE GEBEN, DEM HOLLER HULDIGEN UND DEN SCHAFEN HINTERHERZACKELN. EIN KUNSTKOCH UND EINE OFENBARUNG, HERZBLUT UND GENUSS IM SÜDEN UND WIE DER WEIN DER ZUKUNFT SCHMECKT.

DIE GURKE GEBEN, DEM HOLLER HULDIGEN UND DEN

SCHAFEN HINTERHERZACKELN . EIN KUNSTKOCH UND

EINE OFEN BARUNG, HERZBLUT UND GENUSS IM SÜDEN

UND WIE DER WEIN DER ZUKUNFT SCHMECKT.

Steirereck Wien

Essays gibt’s in diesem Magazin seit Anbeginn. Und weil er so herausragend schreibt, haben wir Christian Seiler mehrfach um Beiträge gebeten. Hier erzählt er unter dem Titel „Kommet her zu mir, ich will euch erquicken“ eine kleine Kulturgeschichte.

Das S Magazin Ausgabe 14 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) Ausgabe 14
48 S MAGAZIN NACH-LESE

AUSGABE 15

BÜHNE FREI FÜR DEN WILDEN KERL, WASSER MARSCH FÜR FRISCHEN FISCH UND SÜSSER DIE WEINE NIE SCHMECKEN. AUF DEN WEG MACHEN, IM ESSZIMMER SPASS HABEN UND SCHAFNASEN SCHNUPPERN.

BÜHNE FREI FÜR DEN WILDEN KERL , WASSER MARSCH

FÜR FRISCHEN FISCH UND SÜSSER DIE WEINE NIE

SCHMECKEN. AUF DEN WEG MACHEN, IM ESSZIMMER

SPASS HABEN UND SCHAFNASEN SCHNUPPERN.

Steirereck Wien

Wer Steirereck sagt, muss auch Pogusch sagen. Und die Wirtshaus ­ Außenstelle im Steirischen kam und kommt auch immer wieder im S Magazin vor. In diesem Heft erkunden wir den prächtigen Bründlweg, den Heinz sen. und Karl Wenzel erdacht haben.

Das S Magazin Ausgabe 15 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) Ausgabe 15 AUSGABE 15 Steirereck Wien
50 S MAGAZIN NACH-LESE

Nähere Infos zu unseren Sparprodukten in allen Filialen in Niederösterreich und Wien.

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Stand 04/2024. Werbung. Eine Information der HYPO NOE Landesbank für Niederösterreich und Wien AG, Hypogasse 1, 3100 St. Pölten.
Die Ihr Traum ist unser Kaffee

AUSGABE 16

ZITRUS UND WONACH EIN HAHN KRÄHT, WEIN, DER VOR DEN VORHANG DRÄNGT UND PRAG, WIE ES AM BESTEN SCHMECKT. TEAMSPIELER UNTER SICH UND EIN FERNRUF AUS DEM MÜHLTALHOF.

ZITRUS UND WONACH EIN HAHN KRÄHT , WEIN, DER

VOR DEN VORHANG DRÄNGT UND PRAG , WIE ES AM

BESTEN SCHMECKT. TEAMSPIELER UNTER SICH UND

EIN FERNRUF AUS DEM MÜHLTALHOF

Wien

Ein fixer Bestandteil aller bisherigen Ausgaben sind auch die „Geschmackserinnerungen“, in denen bekannte Persönlichkeiten von ihrem kulinarischen Werdegang erzählen. In Heft 16 ist’s Hans Peter Haselsteiner, der Krebse in Hosentaschen schmuggelte

Das S Magazin Ausgabe 16 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
Steirereck
Ausgabe 16
52 S MAGAZIN NACH-LESE

AUSGABE 17

IM KÖNIGREICH DER KARPFEN UND IM LANDE DER SCHLARAFFEN. GUT KIRSCHEN ESSEN UND LOKALE LOGISTIK, ZÜRICH ERSCHMECKEN UND DIE RÜCKKEHR ZU EINEM BRÜDERPAAR.

Ausgabe 17

IM KÖNIGREICH DER KARPFEN UND IM LANDE

DER SCHLARAFFEN. GUT KIRSCHEN ESSEN UND LOKALE LOGISTIK, ZÜRICH ERSCHMECKEN UND

DIE RÜCKKEHR ZU EINEM BRÜDERPAAR

Steirereck Wien

Das Jubiläumsheft! Sie halten es gerade in Händen. Blättern Sie also weiter, reisen Sie nach Italien bei Wien, begleiten sie Birgit und Heinz Reitbauer zu den Obauers oder seien Sie dabei, wenn Sommelier René Antrag seiner Chefin einschenkt …

Das S Magazin Ausgabe 17 zum Nachlesen

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI)
54 S MAGAZIN NACH-LESE

Vom Guten – Teil 1: Bekanntlich liegt es so nah, aber tut’s das auch, wenn es weit weg ist? Italien beispielsweise. Okay, Italien grenzt zwar an Kärnten und Tirol, aber ums Eck von Wien ist es nicht. Süditalien schon gar nicht. Oder doch? Ja, ist es, denn kulinarisch betrachtet liegt quasi ganz Italien vor den Toren der Stadt. In Niederösterreich nämlich. In einem Schlaraffenland. Blättern Sie um und reisen Sie hin. Oder reisen Sie eine Geschichte weiter ins Steirische. Nach Turnau. Dort wiederum gibt’s nicht nur guten Karpfen, sondern einen der allerbesten im Land. Von Züchtern, mit denen gut Kirschen essen ist.

Wer &  warum

S. 68 SO SÜSS UND SO SAUER
52 IM LANDE DER SCHLARAFFEN
S.
74 DER PFIRSICH- POINT OF NO RETURN
S.
60 WASSER, HIMMEL, FEUER, FISCH 57 S MAGAZIN NACHBARLAND & KARPFENTEICH
S.

IM LANDE DER SCHLARAFFEN

TEXT: USCHI KORDA

LUCA MILIFFI BRINGT DIE BESTEN DELIKATESSEN SEINER ITALIENISCHEN HEIMAT NACH ÖSTERREICH. IN EINER QUALITÄT, DIE MAN SELBST DORT NICHT ÜBERALL KENNT. UND DABEI SPRECHEN WIR JETZT NICHT NUR VON DER TRÜFFEL.

FOTOS: PHILIPP HORAK
58 S MAGAZIN FEIN-KOST

01–02 „Es gibt eine kulinarische Sprache, das ist die der Leidenschaft”, sagt Luca Miliffi, dem wir in dieser Disziplin einen imaginären Professorentitel verleihen wollen.

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60 S MAGAZIN FEIN-KOST

03–04 Hinter diesen Toren verstecken sich an die 10.000 italienische Spezialitäten von A wie Alici bis Z wie Zuppa. Darunter auch feinste Würste und Schinken wie dieser Prosciutto Crudo, der auf der Zunge zergeht.

Manchmal ist es gut, die Augen zu schließen und sich etwas vorzustellen. Das Schlaraffenland zum Beispiel. Vermutlich tauchen dann Landschaften wie aus dem Bilderbuch auf. In saftigem Grün, sanft hügelig, es plätschern Bäche voller Milch, von den Bäumen tropft Honig und durch die Luft fliegen kross gebratene Hühner. Es riecht nach den besten Gewürzen dieser Welt und nach Würsten, Käsen und Delikatessen, die einem allesamt auf der Zunge zergehen. In der realen Welt liegt dieses Schlaraffenland mitten im Industriegebiet Vösendorf. Und nur wer durch die mächtigen Tore einer schmucklosen Lagerhalle gebeten wird, darf es entdecken.

Zeremonienmeister dieser Wunderwelt des Geschmacks ist Luca Miliffi. Er dirigiert ein exklusives Sortiment von etwa 10.000 der besten Lebensmittel aus seiner Heimat Italien mit einer Leidenschaft, die das schlichte Umfeld im Nu vergessen macht und in einen fantastischen Delikatessenladen verwandelt.

„Kommen Sie, kommen Sie, das müssen Sie probieren, das ist ein Tropfen vom Paradies“, sagt er gleich zur Begrüßung. Dabei wirbelt er durch die geöffnete Türe und fuchtelt aufgeregt mit den Armen, damit wir ihm nur ja schnell folgen. Schließlich hat er gerade ein paar Flaschen Apfelsaft von einer Bäuerin aus einem kleinen Dorf bei Treviso geliefert bekommen, die er vor ein paar Jahren entdeckt hatte. Sie produziert ihre Säfte wie edle Weine nach Jahrgängen, Lagen und Sorten, darunter auch einen Auro Gialla, der nur alle vier Jahre abgefüllt wird.

Während wir jetzt ein paar Schlückchen davon, Jahrgang 2018, über unsere Gaumen perlen lassen dürfen, erzählt Luca Miliffi die Geschichte der Produzentin. Wie er sie entdeckt hat, über ihren Vater, der mit seinem akribischen Wissen den Apfelgarten angelegt hat und dass sie bei einer Apfelverkostung ihre 13 Sorten herausschmecken kann. Und weil Luca Miliffi Italiener bis in die Haarwurzeln ist, verleiht er dieser Geschichte eine Dramatik, die erstens das Begehren nach diesem Getränk ins Uner messliche steigert und zweitens den Wunsch weckt, sofort aufzubrechen, um den Apfelgarten zu besuchen.

Es ist wohl diese ansteckende Begeisterung für allerbeste Qualität, wie sie oft nur kleine Landwirte und Lebensmittelproduzenten zusammenbringen, die einen Teil des Erfolgs von Luca Miliffi ausmachen. Sein Name steht bei Köchen in den besten Restaurants Österreichs und bis nach Bayern für ein exklusives Angebot an Zutaten, das sonst niemand bietet, ja niemand bieten kann. Schließlich hat der Mann in jahrelanger Kleinarbeit alles, was gut ist, selbst gesucht, entdeckt und zu einem geschmackvollen Lebensmittelpaket gebündelt. Was es dazu braucht, ist neben einer gehörigen Portion Neugierde und Leidenschaft für gutes Essen auch ein Fundament, das einem von klein auf ermöglicht, in diese Welt hineinzuwachsen. Da hatte Luca Miliffi richtig Glück.

Seine Familie stammt aus einem kleinen Dorf in den Marken, wo er täglich von seiner Großmutter bekocht wurde. „Sie war meine Universität“, sagt er mit dem warmen Glanz in den Augen, den Italiener haben, wenn sie über Familie und Essen sprechen. Während ihn die Großmutter in die Geheimnisse der italienischen Küche einweihte, entführte ihn sein Vater in die ganz große Welt des guten Geschmacks.

61
62 S MAGAZIN FEIN-KOST

05–06 In Sachen Trüffel vertrauen

Luca Miliffi die besten Köche. Und er vertraut seinen Trüffelsuchern, die er alle persönlich kennt. Auch seine Produzenten besucht er immer wieder, wie den Imker aus dem Trentino, von dem dieser Honig stammt.

„Er hat mir die Sprache der Kulinarik beigebracht, die eine Sprache des Herzens ist“, sagt Luca Miliffi über seinen Vater Arnoldo, der ursprünglich Jetpilot war. Als er Probleme mit den Augen bekam, musste er umsatteln, absolvierte ein Ingenieurstudium und heuerte bei Eni an. In den 1980ern schickte ihn das Unternehmen nach Wien, um die erste Pipeline zwischen Russland und Italien zu planen. Hier steckte die Nouvelle Cuisine noch in den Kinderschuhen, und die späteren großen Namen wurden einander nur in eingeschworenen Feinschmeckerzirkeln hinter vorgehaltener Hand zugeraunt. Doch Arnoldo Miliffi spürte sie bald auf, schließlich wollte er auch unter der Woche gut essen und nicht nur am Wochenende, wenn daheim im italienischen Dorf groß aufgekocht wurde.

Nun ja, was soll man sagen, beim Pendeln entdeckte Arnoldo, den wir uns als Genussmenschen erster Güte vorstellen dürfen, immer wieder gute Sachen in kleinen Dörfern am Wegesrand und brachte bald Delikatessen von hüben nach drüben und umgekehrt. Vor allem hatte er etwas für drüben, also für Österreich und Bayern, das heiß begehrt wie Gold war: Trüffel aus den Marken und dem Piemont. Diese transportierte er in einer Fliegertasche direkt von den Trüffelsuchern zu den Köchen und nahm dabei oftmals Sohn Luca mit. So wurde dieser erstens mit einem der exklusivsten Lebensmittel vertraut und lernte zweitens Österreichs Koch ­ Elite kennen.

„Ich habe oft nicht einmal über die Schank gesehen“, sagt Luca Miliffi, der im Schlepptau seines Vaters vom Steirereck übers Landhaus Bacher, die Obauers bis ins Korso und Hilton in die Küchen hineinschnupperte. Es dauerte wohl nicht lange, bis er so fasziniert von diesem kulinarischen Universum war, dass er es nicht mehr verlassen wollte.

Was sein Vater als Hobby nebenbei betrieb, machte Luca Miliffi mit 18 Jahren zu seiner Profession. Er eröffnete einen Lebensmittelhandel und schrieb stolz ins erste Firmenbuch: Trüffellieferant. Damit legte er 1996 den Grundstein für sein Spezialitätenparadies. „Die Trüffel ist ein Teil meines Lebens“, sagt Luca Miliffi, „mit ihr bin ich daheim in den Marken aufgewachsen.“ Er kennt jeden Trüffelsucher und jeden Trüffelhund persönlich, und natürlich weiß er ganz genau, unter welchen Bäumen die Stradivaris unter den Trüffeln wachsen. Bei den edlen Knollen macht er die einzige Ausnahme in seinem ansonsten ausschließlich italienischen Repertoire: Er hat auch welche aus dem französischen Perigord in seinem Koffer.

„Wenn Heinz Reitbauer mir am Abend sagt, dass er Trüffeln braucht, weiß ich genau, wen ich anrufe. Derjenige zieht dann noch in der Nacht mit seinem Hund los und am nächsten Vormittag sind die frischen Trüffel im Restaurant“, sagt Luca Miliffi mit stolzem Unterton, weil er weiß, dass niemand ihm bei Qualität und Liefertempo das Wasser reichen kann.

„Die Trüffel ist mein Leben“, sagt Luca Miliffi, den sein Vater von klein auf mit dem Aroma vertraut gemacht hat.
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07–08 In der sogenannten scuola (links) führt ein Team vor, was man aus all den italie n ischen Delikatessen so machen kann. Frische Pasta zum Beispiel oder Focaccia, Pizza, Polenta, Mascarponecreme mit Granola di nocciola, Kaffeelikör, Biskotten aus Sizilien und Cantucci. Oder einfach einen Ricotta (unten) – pur und klar im Geschmack, wie man ihn vermutlich nur in Italien zusammenbringt.

Wohl auch nicht bei seinem Wissen über Lebensmittel. Wenn man mit ihm die Regale abschreitet, ist es, als würde man neben einem wandelnden Lexikon spazieren. Er weiß über seine 300 Mehlsorten, die Nudeln aus den Marken und den Radicchio Ceriolo aus dem Friaul genauso Bescheid wie über die Pistazien aus Sizilien, die Haselnüsse aus dem Piemont oder die Alici aus Palermo, um nur ein paar dieser Köstlichkeiten zu nennen. Und weil man bei jedem Wort sein Herzblut spürt, erzählt er die dazugehörigen Geschichten der Produzenten so, dass sie wie kleine Filme vor dem geistigen Auge ablaufen.

Die Eier etwa, die er nach einem Geheimtipp eines italieni schen Spitzenkochs aufgestöbert hat. „Ein außergewöhn licher Hühnerzüchter“, sagt Luca Miliffi mit begeistertem Timbre in der Stimme, „der seine Hühner mit Ziegen milch füttert. Das Ergebnis ist ein perfektes Ei, das man in dieser Einfachheit erst einmal zusammenbringen muss.“ Oder die Geschichte der beiden Damen, die bei Como Tee anpflanzen und ihre handverlesenen Sorten in handgemachte Säckchen füllen. Oder der Sohn einer traditionellen Turiner Schokoladenfamilie, der als schwarzes Schaf in die Weinwelt aufbrach, sich dann auf Säfte spezialisierte und als neuesten Schrei erstklassigen alkoholfreien Wein produziert. Ohne seinen Pfirsichnektar wird übrigens der legendäre Bellini im venezianischen Cipriani nicht serviert.

Und dann gibt es noch ein Produkt, dem Luca Miliffi sein persönliches Gütezeichen Stradivari verpasst. Das ist die Mortadella Simona, die ein Fleischhauer aus Bologna nur mit natürlichen Zutaten und ohne künstliche Zusatzstoffe produziert und nach seiner Tochter benannt hat. „Sie ist einzigartig in Geschmack und Geruch“, sagt der Connaisseur, der uns jetzt in einen Raum führt, den er als scuola, also Schule, bezeichnet.

Hier werden interessierte Gastronomen und Köche in die Geheimnisse seiner Warenwelt eingeführt. Fünf Mitarbeiter, allesamt aus Italien, zaubern in einer winzigen Küche mit den Delikatessen aus der Halle unter anderem Pasta, Focaccia, Polenta, Brot und Dolci. Hier ein bisschen Limone di Sorrento drüber gerieben, da Olivenöl aus Riva am Gardasee mit Honig aus Trient verrührt und dort noch Granola di nocciola draufgestreut: Der Chef persönlich verfeinert jedes dieser Gerichte.

„Ich möchte die Kultur meines Landes weitergeben“, sagt er. Dazu gehört aber auch, dass er sich persönlich aussucht, wen er beliefert. Interessenten, die Miliffis hochwertige Qualitätswelt nicht verstehen und respektieren oder über den Preis verhandeln wollen, werden abgewiesen. „Ich bin klein geblieben und nie mit meinen persönlichen Ansprüchen an ein Produkt runtergegangen“, sagt Luca Miliffi. „Hätte ich es anders gemacht, wäre ich reich geworden und hätte nicht diese Halle hier, sondern könnte mir einen opulenten Laden mitten in der Stadt leisten“, sagt er noch, während er uns zum Abschied nachwinkt und die Türe hinter uns schließt.

Gut so, denken wir, wieder ausgespuckt im kargen Ambiente des Vösendorfer Industriegebiets. Und wenn wir ab jetzt die Augen schließen und ans Schlaraffenland denken, steht mittendrin im pittoresken Gelände diese Lagerhalle, hinter deren Wänden sich ein Geschmacksparadies made in Italy verbirgt.

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WASSER, HIMMEL, FEUER, FISCH

TEXT: SEBASTIAN HOFER, FOTOS: MIRCO TALIERCIO

Der Karpfen und seine Reviere. Besuch beim Turnauer Fischzüchter Ulli Richter, der wie kein anderer weiß, warum der Karpfen ein König der Fische ist. Anschließend Wallfahrt ins Wirtshaus am Pogusch, wo sie mit diesen Tieren umzugehen wissen, wie man es auch nur selten erlebt.

66 S MAGAZIN FRISCH-FISCH

01–02 Fischzüchter Ulli Richter mit seinem Vater Walter in Turnau. Und links ein Karpfen, der im Richterteich nach Schwimmfutter schnappt.

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1.

Der alte König blickt auf sein Reich, es besteht aus elf Teichen am Rand von Turnau, direkt am steirischen Hochschwab, Bezirk Bruck ­ Mürzzuschlag. Er hat es selbst geschaffen, als er vor mehr als fünfzig Jahren damit angefangen hat, diese Teiche zu graben. Ganz am Anfang gar mit den eigenen Händen, später mit allen möglichen Baggern und Baumaschinen, längst verwitterten Oldtimern, die heute noch auf dem Gelände verteilt stehen – er nennt sie seine „Sammlung“. Der König heißt Walter Richter, ist 84 Jahre alt und längst im Ruhestand, trägt das Haar grau und wirr und den Kinnbart zum Zopf geknüpft.

„Mein Vater hat sich da seinen eigenen Spielplatz gebaut“, sagt Ulli Richter, 49. Inzwischen steht er selbst in den Schuhen seines Vaters, es sind schwere Gummistiefel. Er steht darin neben der Fischerhütte vor dem größten der sogenannten Richterteiche: „Das hier war bis 1977 Wiese. Aber mein Vater hatte eine Vision und Wasser gesehen.“ Also hat er gegraben und gebaggert und gestaut und den Widerstand von Behörden und Anrainern überwunden. Man hatte ja alle möglichen Bedenken, Angst vor Insekten, Kröten oder Flutkatastrophen, sie waren

übrigens unbegründet. Heute liegt hier am Rand von Turnau eine der bedeutenden steirischen Fischzuchten, herausragend auch wegen ihrer Hauptdarsteller: Karpfen.

Majestätisch tümpeln drei Vertreter in einem Bottich am Teichrand, Ulli Richter hat sie gerade mit dem Netz aus dem Wasser gefischt: zwei Schuppen, einen Spiegelkarpfen. Feinste Ware – mit immer noch zweifelhaftem Renommee. Der Karpfen (Cyprinus carpio) ist in Europa in seinen vielfältigen Zuchtformen zwar seit der Spätantike heimisch, wird aber kulinarisch fast ebenso lange unter Wert geschlagen, weil die Tiere in der Teichkultur oft in viel zu warmem Wasser viel zu schnell hochgezüchtet und dabei auch noch falsch gefüttert wurden, was in minderer Fleischqualität resultierte, die man durch heißes Herausbacken oder extreme Würzung einigermaßen übertünchte. Ein echter Genuss war das zwar selten, aber es war halt Tradition. Was die Beliebtheit des Karpfens als Weihnachtsessen betrifft, hat Ulli Richter übrigens seine eigene Theorie: Beim Karpfenessen ist es schön ruhig am Tisch, weil sich jeder konzentrieren muss, damit er keine Gräten erwischt – stille Nacht, frohes Fest.

03–04

Der Karpfenzüchter auf Rundgang durch sein Revier. Eine Teichkultur wie die Richter’sche ist ein diffiziles und ungeheuer vielfältiges Ökosystem.

68 S MAGAZIN FRISCH-FISCH
Im

Winter stellt der Karpfen sein Wachstum ein.

Sprich: je länger die Kälteperiode, desto weniger Gewinn für den Züchter. Dafür wächst mit der Zeit – und der Höhenlage am Hochschwab –die Qualität.

In den Richterteichen leben heute bis zu 22 Fischarten nebeneinander, Fried ­ wie Raubfische, kleine und große, Äschen, Zander, Barsche, Sterlets, Hechte, wirklich alles Mögliche, die Bandbreite reicht von der daumendicken Laube bis zum mannshohen Riesenwels. Ulli Richter zeigt eine Markierung am Türstock, wo ein besonderes Prachtexemplar abgemessen wurde, fast zwei Meter lang, fast siebzig Kilo schwer, ein Mördergerät. „Der schwimmt ganz gemütlich unter eine Ente, macht das Maul auf, saugt an, dann macht es platsch und das war es mit der Ente.“ Nein, auch Ulli Richter würde es nicht glauben, hätte er es nicht mit eigenen Augen gesehen. Es sind Augenblicke wie diese, die ihm den Respekt vor der Natur eingegeben haben. Oder der Moment, wenn der Seeadler kommt und sich einen Karpfen schnappt. Oder wenn der Eisvogel im Gebüsch sitzt, ganz ruhig, und auf seine Beute wartet. „Das sind Erlebnisse, da wirst du schon ehrfürchtig.“ Wenn Ulli Richter seine Karpfen schlachtet – mit einem kräftigen Hieb auf den Kopf und anschließendem Herzstich –, bedankt er sich vorher bei dem Tier, dass er es ernten darf. „Das hat nichts mit Religion zu tun, das ist die Hochachtung vor der Kreatur.“

Ulli Richter, ein Bär von einem Mann, trägt tollen Bart und stolzen Bauch, hat Fleischhauer gelernt und arbeitet heute in einem Maschinenbaubetrieb, die Fischzucht ist nur ein Nebengeschäft. Die betreibt er aber mit hauptsächlicher Leidenschaft und sagt: „Alles für die Fisch’“ – und das meint er ernst.

Denn „der Karpfen ist eigentlich leicht zu züchten, er ist ja relativ robust“. Aber die Höhenlage hier am Hochschwab macht die Sache einerseits schwieriger und andererseits besser, weil der Karpfen sein Wachstum im Winter fast komplett einstellt, und

je länger der Winter, desto weniger Zugewinn für den Züchter, logisch. Dafür wächst mit der Zeit die Qualität.

Eine Teichkultur wie die Richter’sche ist ein höchst diffiziles Ökosystem, die einzelnen Teiche sind miteinander verbunden, doch jeder hat seine Eigenheiten und Aufgaben, manche sind von frischem Quellwasser durchspült, andere mooriger und dadurch wärmer, und bevor die Karpfen bei Ulli Richter ins Netz schwimmen, durchlaufen sie viele dieser Stationen in einer natürlichen Kreislaufwirtschaft, die sich weitgehend selbst erhält. Der Züchter muss eigentlich nicht viel tun, obwohl es natürlich immer was zu tun gibt. Die Vielfalt sorgt für Stabilität, die Biodiversität enthält allerdings auch räuberische Elemente. Ungefähr 30 Prozent seines Bestands holen sich Otter, Reiher oder Kormoran, schätzt Richter.

Ulli Richter züchtet hauptsächlich Spiegel ­ und Schuppenkarpfen, aber auch Amurkarpfen, er nennt sie mit einem vermeintlichen Schmähwort „Teichschweine“, aber er meint es respekt ­ , ja liebevoll. Karpfen sind nun einmal Allesfresser, sie wühlen den Boden auf, grasen ganze Areale ab. Sie ernähren sich von Phytoplankton und kleinen Würmern, von Insekten und Larven, Ulli Richter versorgt sie zusätzlich zum Naturfutter mit Gerste und den Presskuchen von Kürbiskernmühlen. Nur das Beste für edle Tiere. In den Richterteichen leben sie mindestens vier Jahre bis zur Schlachtung, können sich in Ruhe entwickeln, ein helles, kompaktes Fleisch entwickeln, das auch nicht mooselt oder lättelt, das gut sieben Prozent Fett enthält, bestens eingebunden, das langsame Wachstum macht sich bemerkbar.

69

05–06

Ulli Richter holt schlachtreife Karpfen aus dem Teich. Beim Filetieren des Schuppenkarpfens wird der Grätenstrang komplett entfernt.

70 S MAGAZIN FRISCH-FISCH
71

07–10 Herr Eslam beim Filetieren eines Karpfens, dazu Rogen und Karpfenmilch. Das „Schankkuchl“ ­ Team vom Pogusch bereitet ein Karpfengericht namens „König oder Bettler“ zu.

2. HIMMEL

Vorsichtig fährt Herr Eslam mit Zeigefinger und Daumen den Grätenstrang entlang, trennt ihn mit sicherer Klinge vom Filet des prächtigen Amurkarpfens, der da vor ihm liegt. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Eslam am Pogusch, und wenn hier oben jemand Fische filetiert, dann ist es meistens er, und beim Karpfen ist das – aufgrund der notorischen Ypsilon ­ G räten im Filet – eine besonders heikle Angelegenheit. Aber Herr Eslam beherrscht den Schnitt, den Heinz Reitbauer als junger Poissonnier perfektionierte und der das traditionelle Schröpfen der Fischfilets ersetzt, bei dem die Gräten zerkleinert und dann durch die Hitze beim Braten unschädlich gemacht werden.

Hier im Wirtshaus am Pogusch standen Karpfen – klassisch zubereitet – immer schon auf der Karte, im Wiener Steirereck sorgte Reitbauers radikale Umstellung auf Süßwasserfische vor einigen Jahren noch für erhebliche Aufregung bei alteingesessenen Luxusessern, die ihre Steinbutte vermissten – aber nicht sehr lange, denn Reitbauer hat sie überzeugt und auch den Karpfen als Delikatesse etabliert. „Er hat ja dieses Image eines Armeleutefischs, aber in Wahrheit ist er so unglaublich vielfältig, hat bei richtiger Behandlung einen hervorragenden, in ­

tensiven Geschmack und lässt sich auch sehr variantenreich zubereiten. Du kannst ihn braten, grillen, du kannst einen Amurkarpfen aber durchaus auch in Sashimi ­ Qualität roh anbieten.“

Das Geschmacksbild eines Karpfens ist von seiner Fütterung und seinem Biotop geprägt, und wenn dies von so hoher Qualität ist wie bei Ulli Richter in Turnau oder beim niederösterreichischen Gut Dornau, von dem die meisten Wiener SteirereckKarpfen stammen, ja dann kann dieser Fisch einen ohne weiteres in den kulinarischen Himmel begleiten. Im Steirereck gibt es zu dem Zweck à la carte etwa einen Amurkarpfen mit Melanzani, junger Kokosnuss, Ananas ­ Kirschen und Anis ­ Ysop, edler wird es wirklich nimmer. Im Wirtshaus am Pogusch werden Schuppen ­ oder Spiegelkarpfen, die sich gut auch mit kräftigeren Röstaromen und intensiveren Aromaten vertragen, mit Schalotten, Knoblauch und getrockneten Paradeisern serviert und mit Kürbiskernöl verfeinert, und Heinz Reitbauer weiß ganz genau, was seine Gäste erleben, wenn sie diese Gerichte serviert bekommen: „Das Feedback, das wir eigentlich immer kriegen, lautet: ‚Wow, wir haben gar nicht gewusst, dass Karpfen so schmecken kann.‘“

72 S MAGAZIN FRISCH-FISCH

3. FEUER

Was viele auch nicht wissen: Der Karpfen ist nicht nur edel, sondern auch gut. Im moralischen Sinn nämlich, ganz konkret: in puncto Nachhaltigkeit. Heimische Karpfen haben tendenziell geringe Transportwege – zwischen Richterteich und Pogusch liegen ungefähr fünf Kilometer – und können auch ohne tierisches Futter rein pflanzlich gezüchtet werden, problemlos auch in Bioqualität. Was das natürliche Gleichgewicht, den Arten ­ und Klimaschutz angeht, ist der Karpfen unter den Speisefischen tatsächlich unschlagbar. Und ja, eben auch als Delikatesse.

Pogusch ­ Souschef Manuel Weißenböck, hauptverantwortlich für die „Schankkuchl“, in der vorwiegend über offenem Feuer und glühenden Kohlen gearbeitet wird, zeigt, worauf es dabei ankommt: auf rustikale Röstung in Verbindung mit eleganten

Elementen. Aus einem Amurkarpfen ­ Filet entsteht hier unter Weißenböcks kundiger Hand ein Gericht mit dem vielsagenden Namen „König oder Bettler“, und das ist natürlich auf das Armeleute ­ Image des Karpfens bezogen, weist aber ganz klar in die royale Richtung: Kräftig auf der Hautseite angegrillt und in der Pfanne fertig gebraten, mit Salz und Sumach gewürzt, mit getrockneten Kapuzinerkresseblüten und frittierten Kapern vollendet, ist dieser königliche Karpfen – zu dem auch ein Gemüsesalat aus gegrillten Babyzucchini, Zuckermelone und Basilikumcreme sowie eine apart scharfe Sauce aus gelber Paprika und Suave ­ Chili serviert werden – wie der letzte Beweis für den Weitblick des alten Herrn Richter, der einst Wasser sah, wo Wiese war, und einen Karpfenteich grub, aus dem nun solche Schätze geholt werden.

Der Karpfen ist nicht nur edel, sondern auch gut. Im moralischen Sinn nämlich, ganz konkret: in puncto Nachhaltigkeit. Unter den Speisefischen ist er in dieser Hinsicht tatsächlich unschlagbar.
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SO SÜSS UND SO SAUER

TEXT: KATHARINA SEISER

Kirschen schmecken im besten Fall nach unbeschwerter Kindheit, flirrender Hitze, aufregend komplex und intensiv mandelig, im schlechtesten enttäuschend fad, picksüß, sind wurmig oder krampensauer. Es gibt sie in süß, Vogel-, Knorpel- oder Herzkirschen, und sauer –Sauerkirschen oder Weichseln. Wir huldigen ihnen, ob so oder so, in 26 Kapiteln.

74 S MAGAZIN KERN-KRAFT

AAMARENAKIRSCHEN

sind theoretisch eine unvergleichliche Köstlichkeit, nämlich in mit Zitrone und Vanille oder Bittermandel gewürztem Sirup eingelegte Sauerkirschen, süß, hocharomatisch, marzipanig, fruchtig und intensiv im Geschmack, saftig, aber noch mit etwas Biss. Praktisch gibt es sie nur als indiskutable Industrieware: gefärbt, klebrig süß und aromatisiert. Zwei Auswege, um die Sucht doch zu befriedigen: italienische Visciole al Sole oder Visciolata (mit Zucker in der Sonne mazerierte winzige Sauerkirschen, eine Delikatesse, die es sich zu bevorraten lohnt, wenn man ihrer einmal habhaft geworden ist) oder selbst mit Zucker, Zitrone und Amaretto oder Vanille eingekochte Weichseln.

BBENZALDEHYD

ist einer der wichtigsten Aromastoffe überhaupt und die Hauptkomponente von Bittermandelöl. Dieses wiederum riecht stark nach Marzipan. Was das mit Kirschen, vor allem Sauerkirschen zu tun hat? Sowohl die Kerne als auch das Fruchtfleisch enthalten Benzaldehyd, weshalb Weichseln nicht nur fruchtig, sondern immer auch mandelig­marzipanig riechen und schmecken. Und daher auch so besonders gut zu Mandeln, aber auch Hasel­ und Walnüssen und Mohn passen. Man denke an Kuchen, Tartes oder Frangipane.

CCLAFOUTIS

ist der französische Klassiker aus dem Limousin zur Kirschensaison. Eine Art flüssiger Schmarrn­ oder Palatschinkenteig wird über unbedingt unentsteinte Kirschen (traditionell keine Sauerkirschen, obwohl Traditionen gern hinterfragt werden dürfen) gegossen und im Ofen gebacken. Die Kirschkerne geben ein wenig Bittermandelaroma ab, aber überzeugen kann der in Deutschland Kirschenmichel genannte Auflauf oder Kuchen nur, wenn die Kirschen reif und aromatisch sind. Braune Butter ist von Nutzen.

DDÖRREN

Einkochen und Tiefkühlen sind jene Techniken, die die kurze Saison verlängern helfen – wenn man überhaupt an gute frische Ware kommt. Wer Kirschenkonserven kauft, was nichts Verwerfliches ist, sollte die Zutatenliste studieren. Aromen und Konservierungsstoffe haben in einem guten Produkt nichts zu suchen. Tiefkühlware sind immer die (aromatischeren) Sauerkirschen und praktischerweise schon entsteint.

EENTSTEINEN

Viel spricht dafür, die trotz eigens dafür gedachter Gerätschaften mühselige Arbeit des Kirschenentkernens auf sich zu nehmen: das Vermeiden von Zahnklinik­Besuchen am Wochenende oder das unbeschwerte Verschlingen großer Stücke vom lauwarmen Kirschkuchen. Dagegen spricht, dass die Kerne viel bittermandeliges Aroma mitbringen und dass entsteinte Kirschen Massen (wie für Clafoutis) verfärben.

FFRUCHTLEDER

aus Weichseln ist eine im Iran, aber auch in Georgien weitverbreitete Köstlichkeit. Für Lavashak (persisch) oder Tklapi (georgisch) wird Fruchtpüree, meist ungesüßt, manchmal gesalzen, flach aufgestrichen und – früher in der Sonne – zu einer Art zähem Leder gedörrt. Es wird in großen Stücken, gerollt oder schon in kleine Happen geschnitten, als säuerlicher Snack verkauft. Quasi die Ur­Gummibärchen.

GGELB

können Kirschen ebenso sein wie bunt (gelb­rötlich gefleckt), hellrot, knallrot, dunkelrot, bräunlich oder fast schwarz. Erstaunlicherweise sind helle Sorten (die gelben werden auch als weiße bezeichnet) oft aromatischer als die leuchtend roten. Zum Grießschmarrn, der auch zu diesem Buchstaben passt, schmecken sie in Form von saftigem, mit zarter Säure abgeschmecktem Kompott aber alle.

HHORITSCHON

ist neben dem Leithagebirge die zweite burgenländische Gegend, die für ihre Kirschen berühmt ist. Obwohl die meisten österreichischen Kirschen aus der Steiermark kommen, hat sich das Burgenland einen Namen damit gemacht. Ebenso eine Delikatesse ist der immer cremige Kirschblütenhonig, der besonders duftig und zart marzipanig schmeckt. Und auch das Holz von Vogelkirschbäumen ist begehrt: Homogen und mit seinem rötlichen Schimmer eignet es sich für Möbel, Vertäfelungen und hochwertige Schneidbretter.

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IINSEKTIZIDE

sind die dunkle Seite des Kirschenanbaus. Vor allem die Kirschfruchtfliege ist ein dermaßen großes Übel, weil sie ihre Eier in die Früchte legt, die sich dort zu Maden – das, was gemeinhin als Würmer bezeichnet wird – entwickeln. Niemand will sie, aber sie sind so verbreitet, dass für den Handel mit Kirschen sogar Toleranzgrenzen von bis zu zwei Prozent Madenbefall bei ansonst makelloser Ware gelten. Bitte um Entschuldigung, dass Sie jetzt wissen, was Sie vielleicht lieber nicht wissen wollten.

JJAPAN

ist für zwei Kirschen­Phänomene im Frühling bekannt: zum einen das Großereignis Kirschblüte (Hanami), deren rosa Verlauf von Süden nach Norden in Parks und Gartenanlagen mit beinahe Breaking News in allen Medien verfolgt wird. Und die typischen Frühlingszubereitungen aus zuvor eingesalzenen und eingelegten Kirschblüten und ­blättern. Man erkennt diese, egal ob bei Süßigkeiten wie Mochi oder Tee, am Wort „Sakura“.

KKORNELKIRSCHEN

In Österreich auch Dirndln genannt, sind Hartriegelgewächse und mit Kirschen gar nicht verwandt. Die im Spätsommer reifen, kräftig roten, ovalen Früchte teilen aber eine intensive Fruchtigkeit und Säure vor allem mit Sauerkirschen. Außerdem sind sie beinahe leichter zu bekommen als Weichseln. Das ist der Grund, warum in der Steirereck­Küche Kornelkirschen häufig zum Einsatz kommen.

LLEITER

Das wichtigste Werkzeug zum Kirschenpflücken, entweder menschenimmanent als sogenannte Räuberleiter oder aus einem Material wie Aluminium oder Holz. Jüngere oder gut in Schuss befindliche Semester kraxeln auf den Baum, aber bitte auf eigene Gefahr.

MMAHLAB

sind gemahlene Samen der Steinweichsel oder Felsenkirsche. Es handelt sich um ein in Griechenland, Syrien, der Türkei und dem Libanon verbreitetes Gewürz, das behutsam dosiert für Gebäck – häufig aus Germteig, etwa Striezel –, Milchreis und Kekse verwendet wird und diesen ein unverwechselbares, zart bitteres, marzipanigvanillig­tonkabohniges Aroma mit einer rosigen Note verleiht.

NNELKEN

Natürlich sind nicht die Schnittblumen, sondern die sehr aromatischen Gewürznelken gemeint. Sie passen ebenso wie Zimt, Anis, Sternanis, grüner Gewürzfenchel, Fenchelpollen und Kardamom hervorragend zu Kirschen. Je nach Aroma der Früchte lieber zu zart als zu hoch dosiert, damit sich kein Christkindlmarkt­Feeling, sondern nur jene geheimnisvolle Harmonie einstellt, die fades Kompott von schillerndem unterscheidet. An frischen Kräutern und Blüten sind es beispielsweise Rosenblüten, Argentinischer Minzstrauch (ein Verwandter der Zitronenverbene) und Shisoblätter, die Heinz Reitbauer im Steirereck gern mit Kirschen kombiniert.

OOHREN

Wer hat nicht sofort das Bild vor Augen? Sobald sich beim Kirschenpflücken zwei zusammengewachsene Stängel vom Ast lösen, werden sie kichernd sich selbst oder dem Gegenüber ans Ohr gehängt. So will es das Kirschbaumkraxelgesetz. Zu den olympischen Disziplinen seit der Antike gehört das eng verwandte Kirschkernweitspucken.

PPIEMONT-KIRSCHE

ist ein ziemlich erfolgreicher Marketing­Schachzug des italienischen Süßwarenherstellers Ferrero, denn die Unmengen an benötigten Kirschen für die berühmte Praline stammen gar nicht aus dem Piemont, sondern nicht zuletzt aus Deutschland, Polen und Chile. Im piemontesischen Alba ist nur der Firmensitz.

QQUARK

muss hier stellvertretend für Topfen stehen, denn Topfen und Kirschen, egal ob süß oder sauer, sind ein Match made in heaven. Denken Sie nur an Topfenstrudel mit Weichseln, an Topfenknöderl mit Weichselröster, an Topfencreme mit frischen oder eingekochten Kirschen, an Topfenpalatschinken mit ein paar versteckten eingelegten Weichseln (nicht zu verwechseln mit der Industrieware Amarenakirschen). Und in Form von Ricotta als römisch­jüdischer Klassiker Crostata ebraica: Mürbteig, Weichselmarmelade, Ricotta, schön braun gebacken. Schmeckt so herrlich, wie’s klingt.

76 S MAGAZIN KERN-KRAFT

Die Kirschblüte – Hanami – wird in Japan so herbeigesehnt und gefeiert wie bei uns die Marillen- oder Birnenblüte: als Zeichen, dass es jetzt mit der Vegetation, den Temperaturen und Ärmelsäumen wieder unaufhaltsam in die Höhe geht.

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Nicht jede reife Kirsche oder Weichsel liefert, was satte Farbe und pralle Haut verheißen. Viele sind bewohnt, andere schmecken fad. Aber wenn Reife, Süße, Säure und Aroma stimmen, ist der Genuss eine der größten Sommerwonnen.

78 S MAGAZIN KERN-KRAFT

RREIS

ist vielleicht nicht gerade jenes Lebensmittel, das einem bei Kirschen als erstes in den Sinn kommt, aber: Milchreis mit Weichselkompott! Gefüllte Weinblätter mit Reis und getrockneten Sauerkirschen! Persischer, afghanischer oder türkischer Pilau mit Weichseln und Safran, gerne zu gegrilltem Huhn oder Lammfleischbällchen! Apropos Fleisch: Auch im Steirereck werden Kirschen gerne damit kombiniert, vor allem zu Wild, Maibock beispielsweise.

SSAISON

Kirschsorten haben eine eigene Einteilung nach Reife respektive Erntesaison, die sogenannten Kirschwochen. Sie können sich pro Jahr und Breitengrad je nach Witterung deutlich unterscheiden. Sie sind nicht an ein Datum gebunden, sondern beziehen sich auf die Reife der Sorten untereinander, im Zeitraum von Anfang Mai bis Ende August. Und um das Ganze noch komplizierter zu machen: Eine Kirschwoche kann auch nur fünf Tage oder bis zu zwei Wochen dauern.

TTORTE

Es kann nur eine geben: Schwarzwälder Kirschtorte. Wird gern als altmodisch belächelt, ist aber zu Recht einer der ganz großen Tortenklassiker, weil (Sauer­)Kirschen und Schokolade ein perfektes Paar zur Kaffeejause abgeben. Kleinster gemeinsamer Nenner aller Rezepte: Schokomasse, Weichselkompott, Obers, Kirschwasser oder ­likör, Schokospäne, eingelegte Weichseln obenauf.

UUSBEKISTAN

baut nach der Türkei, den USA und Chile die meisten Kirschen weltweit an. Deshalb wird man auch bei getrockneten Kirschen öfter den zentralasiatischen Staat als Herkunftsland lesen. Weltkirschenmarktführer ist aber mit großem Abstand die Türkei.

VVERGÄNGLICH

Das Aroma von Kirschen ist so volatil, dass man es nur kurz erhascht. Wenn es sich um ein aromatisches Exemplar handelt, kann der fruchtig­mandelige, süß­säuerliche Geschmack aber so einen bleibenden Eindruck in der Erinnerung hinterlassen, dass man genau diesem immer wieder hinterherjagen will. Wegen der kurzen Saison ist das eine Aufgabe fürs Leben.

WWEICHSEL

ist die in Österreich geläufige Bezeichnung für Sauerkirsche. Ein Elternteil ist vermutlich die süße (oder Vogel­)Kirsche. Weichseln sind weicher als Süßkirschen, wirken oft ein wenig glasig und schmecken ziemlich sauer. Obwohl man sie roh essen kann, entwickeln sie erst beim Garen (am besten mit Kern wegen des Bittermandelaromas) ihren ganzen Zauber. Egal, ob in einem Weichselstrudel mit Butterbröseln, in einem schokoladigen Kuchen, in Sirup als Amarenakirschen eingelegt, als Kompott oder Marmelade.

XXS BIS XL

Size matters auch bei Kirschen nicht, weder den süßen noch den sauren. Sie ist eine reine Sortenfrage. Es gibt winzige wilde Sauerkirschen (in Italien: visciole) mit unverschämt großem Kern, aber ebenso gutem Aroma, und es gibt riesige Herzkirschen in dramatischem Dunkelbordeaux, aber beim Biss hinein viel Saft um nix.

Yim Kirschgarten ist ebenso ein Geschäftsmodell wie Yogamatten mit Kirschblütendekor. Wohltuend ist auch das Kirschkernkissen, das im Ofen erwärmt wird und diese Wärme lange hält. Hilft dann, wenn man’s beim Kirschbaumkraxeln einmal übertrieben hat.

ZZADAR ODER ZUG

Die kroatische Stadt und der kleinste Schweizer Kanton sind für ihre Spirituosen aus Kirschen berühmt: Der berühmte Maraschino aus Maraska­Weichseln, ein im besten Falle fantastisch fruchtig und mandelig schmeckender, meist klarer Likör kommt ursprünglich aus der dalmatischen Küstenstadt Zadar und feiert als duftende Geheimwaffe für herrlich altmodischen Obstsalat ein kleines Revival. Und der Zuger Kirsch ist ein seit 400 Jahren bekannter, herkunftsgeschützter Obstbrand – Kirschwasser – mit hervorragendem Ruf, mit dem auch die Zuger Kirschtorte und das Käsefondue aromatisiert werden.

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YOGA

DER PFIRSICH- P OINT OF NO RETURN

Außergewöhnlich gute Lebensmittel sind keine Zufallstreffer, sondern die Früchte hingebungsvoller Arbeit. Man muss sie nur aufspüren wollen.

Am 6. August 2011 aß ich einen Pfirsich. In dem Moment wusste ich noch nicht, welche Folgen das haben würde. Viel zu oft hat das Steinobst meine Erwartungen enttäuscht, die meisten Exemplare haben auf gut Wienerisch „nix g’heißen“. Aber der Weinviertler Red ­ Haven ­ Pfirsich, den ich an jenem Samstag im Begriff war zu essen, fühlte sich anders an. Prall, aber doch ein wenig nachgiebig. Er ließ sich ohne Fitzelei die pelzige Haut einfach mit den Fingern abziehen. Das gelborange Fruchtfleisch darunter sah perfekt aus, aber ich war zu abgebrüht, um mich davon bezirzen zu lassen. Der Pfirsich drohte mir aus der Hand zu rutschen, drum führte ich ihn reflexhaft zum Mund und biss über die Küchenbudel gebeugt groß ab. Mit der glatten Saftigkeit, der Süße, der zugleich vorhandenen Fruchtsäure, dem so vergänglichen, aber in dem Moment so intensiven Aroma, das sich satt in meinem Mund ausbreitete, hatte ich nicht gerechnet. Ich war angefixt und wusste: Das ist der Pfirsich ­ Point of No Return.

In der Woche darauf wollten wir beim selben Marktstand dieselbe Sorte kaufen – es gab keinen einzigen Pfirsich mehr. Saisonende. Ich war enttäuscht, so kurz vor dem Pfirsichsieg! Man erbarmte sich meiner und nannte mir zumindest den Namen des Biohofs. 2012 ging dann als das Jahr der PfirsichSchmach in meine Geschichte ein, weil ich Anfang August bestens gelaunt beim Obstbauern anrief, der sich königlich über mich amüsierte, dass ich schon wieder zu spät dran sei. Es dauerte also exakt zwei Jahre vom ersten perfekten Pfirsich bis zum nächsten. Das passiert mir nicht noch einmal. Seit einem Jahrzehnt werden Mitte Juli erste elektronische Depeschen ausgesendet, hochsommerliche Kurzurlaubspläne nach dem Pfirsichreifestadium ausgerichtet, weil: Die kostbare Ware muss, nein, darf persönlich abgeholt werden.

Ich gebe zu, so Spitz auf Knopf geht es selten her. Aber das Muster ist immer gleich: Habe ich ein für mich perfektes Lebensmittel erschmeckt, das auch meinen anderen Mindestanforderungen entspricht (Bio­Landwirtschaft zum Beispiel), wird sofort recherchiert, notiert und kontaktiert. Seit den Pfirsichen lasse ich nix mehr anbrennen. Die perfekten Piemonteser Haselnüsse fand ich zufällig im Untergeschoß eines Eissalons in Turin. EU und Webshop sei Dank, komme seither nicht nur ich in den Genuss, sondern auch jene, die sich von meiner Begeisterung anstecken lassen. Mein liebster Zweigelt ­ Essig stammt aus dem Burgenland (falls Sie jetzt ob der vermeint ­

lichen Banalität dieses Produkts schmunzeln: Haben Sie schon einmal versucht, richtig guten Weinessig zu bekommen?). Droht er auszugehen, bekommt der Nachkauf trotz Dutzender Essigalternativen im Würzschrank höchste Priorität. Die besten, weil perfekt gereiften Meyer ­ Zitronen liefert ein kroatischer Betrieb im November und Dezember nach Wien, größeres Glück kaum vorstellbar. Ich lagere sie in einer eigenen Zitruslade im Kühlschrank – und rationiere bis März.

Bei anderen Produkten bin ich noch nicht ganz am Ziel meines Begehrs. Die winzigen sonnengetrockneten Sirup ­ Weichseln, die ich im April 2022 in Parma in einer Slow ­ Food ­ Osteria zu einer Panna cotta bekam, samt Adresse des Produzenten aus den Marken und Verkostungsschluck seines Weichselweins, sind noch in Verhandlung. Bei Weichseln hege ich heftige Erinnerungen an die dunkelglänzende, irrsinnig aromatische Marmelade meiner Schwiegermutter. Die Früchte waren vom Baum einer Freundin in Döbling. Die Freundin lebt nicht mehr, der Kleingarten wurde schon lange davor aufgegeben. Seither stapeln sich Vintage ­ Weichselmarmeladen in unserer Speis – so rede ich mir die allesamt unbefriedigenden Versuche aus burgenländischen, niederösterreichischen oder steirischen Weichseln schön. Jene Weichseln in Parma waren seit vielen Jahren die ersten, die mich an diese Marmelade erinnerten. Als ich mich dem Kirschen ­ ABC auf den vorigen Seiten widmete, holte mich das Verlangen nach diesem Geschmack wieder ein. Ersatzhandlungen haben noch nie geholfen. Ich nahm also den Faden aus Parma wieder auf. Das Obstgut hat mir bereits grünes Licht für eine Belieferung gegeben und eine Preisliste geschickt, ist aber seit Wochen am Eruieren der Versandmodalitäten nach Österreich. Ich betrachte das als beinahe schon geliefert.

Als junger Mensch sagt einem ja niemand, wie großartig dieses Älterwerden ist: herausfinden zu dürfen, was einem wirklich taugt. Einen feuchten Kehricht darauf zu geben, ob die Glücksbringer irgendeiner Norm entsprechen oder für jemanden anderen auch so außergewöhnlich sind. Sich eben nicht wie bei Marcel Prousts in den Tee getauchter Madeleine wie ein Kind einem plötzlichen Sturm an Erinnerungen ausgesetzt zu fühlen, sondern in der Lage zu sein, selbst Erinnerungen zu schaffen. Schönes reproduzieren zu können. Die Spur eines intensiv geschmeckten Aha­Moments zu verfolgen. Auch wenn es manchmal Jahre dauert: Es zahlt sich immer aus.

80 S MAGAZIN GLÜCKS-TREFFER

Vom Guten – Teil 2: Die Menschen aus Niederösterreich meinen es gut mit uns. Sie bewirtschaften nämlich gleich 65 Prozent der bundesweiten Anbaufläche von – Stand 2023 – insgesamt 762 Hektar und sorgen damit für mehr als die Hälfte des schmackhaften Frühlingsboten. Aber auch die Oberösterreicher (18 Prozent), Kärntner (7), Steirer (5) und Burgenländer (4) beteiligen sich Jahr für Jahr am munteren Stechen. Und gemeinsam bringen sie es dann auf – ebenfalls 2023 –2.300 Tonnen. Und zwar Spargel. Übrigens: Der österreichische Mensch verputzt während der Spargelzeit pro Kopf im Schnitt ein halbes Kilo. Guten Appetit!

Wovon &

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2
wie
S. 76 DIE SPEISE DER KAISER UND KÖNIGE
81 S MAGAZIN SPARGEL & RHABARBER
S. 84 FRÜHLINGSBOTE
82 S MAGAZIN FELD-STECHER

TEXT: UTE WOLTRON

FOTOS: KLAUS FRITSCH

Die Speise der Kaiser und Könige

Der Spargel ist das delikate Gemüse des Frühjahrs, doch um ihn zart zu erhalten und genau zum richtigen Zeitpunkt servieren zu können, muss der Spargelbauer erst jahrelang Geduld aufbringen und dann sehr schnell sein. Denn das Spargel-Ziehen ist ein präzises Termingeschäft, das erst in Jahren, dann in Minuten gemessen wird.

RHIZOME

Der Spargel ist eine mehrjährige Staudenpflanze. Den Sommer über wächst sie meterhoch und entwickelt eine stattliche Krone mit feinen Blättchen, über die sie Kraft sammelt und in den Rhizomen eines mächtigen Wurzelstocks einlagert. Wenn die ersten Fröste kommen, zieht die Spargelpflanze ein und scheint zu verschwinden, um im Frühling wieder durchzustarten. Diese ersten Triebe sind die Delikatesse, um die es geht.

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Augustus war nicht nur der erste Kaiser Roms, er dürfte auch ein recht ungeduldiger Geselle gewesen sein. Denn wichtige Befehle würzte er mit einem berühmt gewordenen Beisatz, und darin kombinierte er kurz und knapp die Botanik mit der Kulinarik: „Citius quam asparagus coqunatur“ solle der erteilte Auftrag erfüllt werden, also schneller, als der Spargel zum Kochen brauche. Die Vorliebe für das zu römischen Zeiten bereits veredelte und herangezüchtete Gemüse hatte er wohl von seinem Großonkel Julius Cäsar übernommen, der den Spargel ebenfalls schätzte und dem Vernehmen nach am liebsten mit MyrrheSauce übergossen verspeiste.

Der Spargel, die Speise der Kaiser und Könige, des Adels und der Aristokratie. Seit zumindest mehr als zwei Jahrtausenden wird dieser Delikatesse gehuldigt, und tatsächlich sind die Faktoren Zeit und Geschwindigkeit in jeder Hinsicht maßgeblich, wenn es um den Anbau, die Pflege und erst recht um die Ernte des Asparagus officinalis geht. Dabei ist die heikle Zeitspanne des nur wenige Minuten dauernden Kochprozesses der empfindlichen Pflanzensprossen lediglich das Ende und die Krönung eines aufwendigen und langwierigen Prozesses. Denn der Spargelanbau ist, im Vergleich zum Gurken ­ Ziehen oder Salat ­ Pflanzen, eine Wissenschaft für sich. Er e rfordert viel Geschick und vor allem Geduld, und die wird in Jahren gemessen. Zum Zeitpunkt der Ernte muss dann jedoch alles sehr schnell gehen,

und gelegentlich zählen hier sogar die Minuten. Doch eins nach dem anderen, die Welt des Spargels will nicht so hastig erkundet wie erkocht werden.

Seit wann der Mensch die jungen, knackigen Austriebe dieser ausdauernden, krautigen Pflanze erntet und genießt, weiß niemand so genau. Fest steht jedoch, dass die Römer den Spargel bereits im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in ihren Gemüsegärten zogen. Aus dieser fernen Zeit stammt eine genaue Beschreibung von Cato dem Älteren, in der er sich im Detail dem optimalen Anbau des damals noch ausschließlich grün geernte

ten Spargels widmet. Auf noch älteren ägyptischen Fresken haben Historikerinnen und Historiker Abbildungen gefunden, die sie als Bündel frischen Spargels deuten, und auch die Griechen schätzten den Spargel bereits in vorrömischen Zeiten. Allerdings verwendeten sie wahrscheinlich lediglich die getrockneten und zu Pulver gemahlenen Wurzeln des wilden Asparagus als harntreibende Arznei.

Apropos Gesundheit: Obwohl der Spargel zu etwa 95 Prozent aus Wasser besteht, gilt er als recht gesundes Gemüse. Neben jeder Menge Ballaststoffe ist er reich an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Er wirkt harntreibend und entwässernd, außerdem kann man ihn guten Gewissens in reichen Mengen schlemmen, denn vom Spargel ist noch niemand dick geworden. Nur etwa 18 Kalorien stecken in 100 Gramm.

Die Römer brachten ihn wie so viele andere Kulturpflanzen auch in die nördlichen Regionen Europ as, wo er erst ein Schattendasein führte und jahrhundertelang lediglich in Klostergärten als Medizinpflanze wuchs. Erst ab dem 16. Jahrhundert wurde er als Bereicherung der Tafel wiederentdeckt. Das dokumentiert unter anderem ein Eintrag im anno 1560 gedruckten „Kreütterbuch“ des Hieronymus Bock, der den Spargel als „ein lieblich speiß für die leckermeüler“ beschreibt. Hundert Jahre später listet Jakob Theodor Tabernaemontanus seinerseits in seinem Kräuterbuch bereits zwei für die Küche geeignete sowie drei Arten von Wildspargel auf.

BLÄTTCHEN

Oberirdisch ähnelt der Asparagus officinalis, also der Gemüsespargel, mit seinen sehr feinen Blättchen diversen Zierpflanzen derselben Gattung. Hier sind die Blüten einer männlichen Pflanze zu sehen. Die zahlreichen Glöckchen werden gerne von Bienen angeflogen, doch um die Monokultur aufzubrechen und die Artenvielfalt zu erhalten, sät Spargelbauer Werner Magoschitz zwischen den Spargelreihen seit einigen Jahren bunte Streifen von Wildblumen.

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Vor allem der Adel begann sich damals mit Begeisterung an der wiederentdeckten Pflanze zu delektieren, allen voran Sonnenkönig Ludwig XIV., bekanntermaßen leidenschaftlich am Obst ­ und Gemüsebau interessiert und zudem ein ausgewiesener Gourmet und Gierschlund. In den berühmten Gemüsegärten von Versailles ließ er rund 6.000 Spargelpflanzen setzen und forderte von seinem Chefgärtner Jean ­ Baptiste de La Quintinie die Lieferung frischen Spargels selbst zur Weihnachtszeit. Mit der Wärme verrottenden Pferdemists beheizte Orangerien machten das sogar möglich.

Als Speise der Betuchten und der Aristokraten forderte der Spargel auch die Produzenten edlen Tafelgeschirrs und Bestecks zu fantasievollen Kreationen heraus. Fayence­ und Porzellan­Manufakturen griffen das Spargelmotiv auf und produzierten etwa prächtige Deckeldosen in Form von Spargelbündeln. Die berühmteste davon stammt von der Manufaktur in Meissen, und eines der beiden letzten erhaltenen Exemplare ist im deutschen Spargelmuseum zu Schrobenhausen ausgestellt. Auch anderes spezielles Geschirr huldigte der Delikatesse wie beispielsweise aufwendig bemalte und geformte Spargelplatten, auf denen die zarten Köstlichkeiten in sanft geschwungenen Liegen samt Löchern und darunter montierten Abtropfplatten ruhten und formvollendet serviert werden konnten, etwa mit Hilfe von versilberten und vergoldeten Spargelzangen, Spargelscheren und speziellen Spargelhebern.

Angesichts dieses Aufwands mutet es heute etwas seltsam an, dass man den Spargel die längste Zeit über, ja sogar bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, nicht mit Messer und Gabel, sondern mit den Fingern aß. So lautete in einem Benimmbuch aus den 1950ern die Anleitung dafür folgendermaßen: „Der Spargel wird nicht geschnitten, sondern mit Hilfe der rechten Hand verzehrt, die die Spargelstange am Ende ergreift, während die linke mit der Gabel hilft, den Spargelkopf zum Munde zu führen. Das Ende, das ohnehin nicht selten holzig ist, kommt auf den Tellerrand.“ So verspeisten ihn auch die Habsburger, und es wird kolportiert, dass am Hofe Maria Theresias so gut wie jeden Tag Spargel auf die kaiserliche Tafel kam.

Heute liegt der Schwerpunkt der heimischen Produktion im Marchfeld, wo viele Sonnenstunden, milde Temperaturen und vor allem auch die geeigneten Böden den Spargelanbau begünstigen. Einer dieser Marchfelder Spargelproduzenten ist Werner Magoschitz. Schon seit 1975 betreibt er das schwierige Geschäft, anfangs aus Liebhaberei und weil er selbst immer schon gerne Spargel speiste, mittlerweile ist der Familienbetrieb zu einem stattlichen Unternehmen angewachsen. In den Zeiten der Spargelernte von Mitte März bis Juni herrscht hier von früh bis spät Hochbetrieb, und zwar sowohl auf den Spargeläckern selbst als auch in den Hallen, in denen der frisch geerntete Spargel sofort sortiert, geschnitten, gewaschen, verpackt und verladen wird.

Magoschitz erklärt erst einmal, wie der Anbau der zweihäusigen Pflanze überhaupt funktioniert. Das beginnt damit, dass nur männliche Spargelpflanzen in die Erde kommen, da sie im Gegensatz zu den Spargeldamen etwas früher austreiben und auch gleichmäßig dicke, schöne Triebe bilden. Eingesetzt wird der Wurzelstock, der zu diesem Zeitpunkt etwa ein Jahr alt und rund 70 Gramm leicht ist. Nach einem weiteren Jahr hat die Pflanze mächtig an Rhizomen und somit an Kraft zugelegt und wiegt mittlerweile etwa fünf Kilo.

DURCHBRUCH

Es gibt mehrere hundert Sorten des Gemüsespargels, doch sie unterscheiden sich geschmacklich nicht so deutlich voneinander wie etwa verschiedene Apfelsorten. Manche treiben früher aus, andere bilden mehr Chlorophyll oder die für die violette Färbung verantwortlichen Anthozyane. Doch die Umfärbung passiert erst, wenn der Spargelspross das Sonnenlicht erreicht hat, wie man hier erkennen kann.

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Erst ab dem dritten Jahr ist die Spargelpflanze stark genug, um in der Spargelsaison über mehrere Wochen hinweg die frischen Triebspitzen für unsereins opfern zu können, ohne entkräftet einzugehen. Spätestens im Juni ist damit aber Schluss. Jetzt darf die Pflanze endlich austreiben, ihr buschig ­ feines Laub entfalten und Richtung Sonne strecken, wieder neue Kraft tanken und in ihrem mächtigen Wurzelstock für die kommende Saison einlagern, wo sie auch bereits unterirdisch Knospen anlegt. Dieser Prozess wird sich in den folgenden fünf, sechs Jahren wiederholen, dann war’s das. Sowohl mit den nunmehr erschöpften Pflanzen als auch mit dem Spargelanbau auf diesem Acker. Der Boden muss sich jetzt erst einmal erholen und ein paar Fruchtfolgen durchlaufen. In 20 Jahren kann er wieder mit Spargel bepflanzt werden.

Erst im 19. Jahrhundert hatte man entdeckt, dass man Spargeltriebe auch bleichen kann. Abgeschirmt vom Sonnenlicht bleiben sie blass und zart. Deshalb türmt der Spargelbauer alljährlich etwa 40 Zentimeter hohe Erdwälle auf, durch die sich der Bleichspargel erst einmal bohren muss. Bevor ihm das gelingt, wird er händisch geschnitten, was einen ungeheuren Arbeitseinsatz bedeutet. Außerdem ist Hurtigkeit gefragt, denn die Pflanze wächst bei richtiger Temperatur und Bodenfeuchte bis zu zehn Zentimeter pro Tag. Um diese idealen Bedingungen zu gewährleisten, befleißigt man sich eines Tricks mit

Folien, die auf der einen Seite schwarz, auf der anderen weiß gefärbt sind. Bei kühler Witterung liegt die wärmende schwarze Seite oben. Unterirdische Sensoren messen die Temperatur in 20 Zentimetern Tiefe, denn wenn es da unten zu warm wird, müssen die Folien sofort gewendet werden, sonst blüht der Spargel auf.

Grüner Spargel ist vergleichsweise weniger mühsam zu ziehen. Er wird nicht angehäufelt, sondern oberirdisch zum optimalen Zeitpunkt geerntet. Der Purpurspargel, eine besonders nussig ­ süße Delikatesse, entsteht aus bestimmten Sorten, die Anthozyane entwickeln. Er wird erst als Bleichspargel gezogen und verfärbt sich unter der Sonne violett. Deshalb tragen die Erntehelferinnen und Erntehelfer auch lichtundurchlässige Körbe, um diesen Prozess nicht zu weit voranschreiten zu lassen. In der Produktionshalle kommen die bereits lila gefärbten Spargel sofort für eine Stunde in vier Grad kaltes Eiswasser, um die Verfärbung zu entschleunigen. Magoschitz erklärt, dass sogar das Licht im Supermarkt ausreicht, um den Spargel weiter erröten zu lassen. Allerdings ist Vorsicht geboten: „Wenn er länger als sechs Stunden im Wasser war, ist er physiologisch tot, dann schmeckt das Wasser nach Spargel und der Spargel nach Wasser.“ Deshalb sollte man von weitgereister Ware eher Abstand nehmen.

Spargel ist auch nicht sehr lange haltbar, man erkennt seine Frische, wenn man zwei Triebe aneinander reibt. Wenn es quietscht, ist alles gut. Auch an den Schnittstellen erkennt man die Güte. Sie dürfen nie eingetrocknet aussehen und die Stangen sollten knackig fest und nicht zu biegen sein. Dann steht dem Festmahl nichts mehr im Wege, es sei denn, man übersieht die Kochzeit.

FÄRBUNG

Je nach Sorte verfärbt sich frischer Spargel unter Lichteinfluss, wobei die bunten Stangen die gesünderen sind. Der grüne Spargel enthält mehr Vitamine, insbesondere Vitamin B, Folsäure und anderes mehr als der Bleichspargel. Er schmeckt auch etwas kräftiger. Intensiv, nussig und etwas süß ist der Geschmack des noch bekömmlicheren Purpurspargels. Dafür sorgen die als besonders gesund geltenden Anthozyane.

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FRÜHLINGSBOTE

Im rohen Zustand ist Rhabarber ungenießbar. Und wer mit dem Verzehr zu lange in den Sommer hinein wartet, könnte es auch rasch bereuen. Trotzdem lohnt es sich, dem knackigen Gemüse, das Jahr für Jahr den Frühling einläutet, einmal so richtig zu huldigen. Denn die roten Stängel können weit mehr als Kuchen und Kompott.

FOTOS: PHILIPP HORAK
90 S MAGAZIN GEMÜSE-KLASSIKER

RHABARBER-KALTSCHALE

4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 1750 g Rhabarber (rosa)

- 500 ml Rhabarbersaft

- 40 ml Limoncello

- 100 ml Läuterzucker 1:1

- 40 g Himbeeren

- ½ TL Vanillezucker

- 50 ml Verjus Zweigelt

- 1 Msp. Guarkernmehl

- 1 Spritzer Zitronensaft

ZUBEREITUNG

Den Rhabarber waschen, schälen und in fingerdicke Stücke schneiden. 250 g für die Einlage beiseitestellen und die restlichen Stücke entsaften.

TIPP

Die Schalen für Rhabarberzucker beiseitelegen.

Rhabarbersaft zusammen mit den restlichen Zutaten aufkochen, von der Hitze nehmen und 15 Minuten ziehen lassen.

Abermals kurz erhitzen, mit etwas Guarkernmehl binden und im heißen Zustand durch ein feines Sieb über die geschnittenen Rhabarberstücke gießen. Etwas durchziehen lassen, mit Zitronensaft abschmecken und eiskalt servieren.

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RHABARBER-VINAIGRETTE

4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 600 g Rhabarber

- 2 EL Kristallzucker

- 1 Prise Karpatensalz

- 1 EL Koriandersaat

- 1 EL Fenchelsaat

- 1 EL Senfsaat

- 1 TL Bockshornklee

- 100 g Kokosöl

- 50 g Tomatenmark

- 5 Knoblauchzehen (angedrückt)

ZUBEREITUNG

Rhabarber-Fond: den Rhabarber waschen, mit einem Sparschäler schälen und anschließend in fingerdicke Stücke schneiden. Den geschälten Rhabarber entsaften und den Trester bestmöglich ausdrücken.

TIPP

Die Schalen für Rhabarberzucker beiseitelegen.

Alle Zutaten zusammen aufkochen und anschließend durch ein belgisches Sieb passieren.

TIPP

Je nachdem, wie die Vinaigrette kombiniert wird, kann der Zucker auch durch Holunderblütensirup bzw. Himbeersirup ersetzt werden.

Gewürzöl: Die Gewürze zusammen trocken in einer Pfanne rösten, bis die ätherischen Öle gelöst sind.

Tomatenmark und Kokosöl mit einem Schneebesen verrühren, die gerösteten Gewürze hinzufügen und ebenfalls kurz mitrösten.

Von der Hitze ziehen und kurz überkühlen lassen. Nachdem das Öl leicht abgekühlt ist, den angedrückten Knoblauch zufügen und ca. eine Stunde auf kleinster Stufe simmern lassen. Anschließend durch ein belgisches Sieb passieren.

TIPP

Der Knoblauch sollte dabei keine Farbe annehmen, aber weich gegart werden.

Fertigstellen: Vor dem Gebrauch den Rhabarbersaft mit dem Gewürzöl gut vermengen.

TIPP

Diese Vinaigrette passt im Frühjahr ideal zu fetten, aromatischen Fleisch teilen von Schwein, Lamm oder Rind sowie zu gekochter Zunge.

92 S MAGAZIN GEMÜSE-KLASSIKER

RHABARBER-ZUCKER

ZUTATEN

- 1 Teil Rhabarberschalen

- 2 Teile Kristallzucker

ZUBEREITUNG

Die gewaschenen Rhabarberschalen im Dehydrator bei 35 °C für ca. sechs Stunden vollkommen austrocknen lassen.

Anschließend die getrockneten Schalen in einer Kaffeemühle fein vermahlen, Kristallzucker zufügen, für zwei Sekunden mitmahlen und durch ein mittelfeines Sieb sieben. Dunkel und trocken bis zum Gebrauch lagern.

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IN KIRSCHBLÜTEN-VINAIGRETTE EINGELEGTER RHABARBER

12 PORTIONEN

ZUTATEN

- 1000 ml Verjus

- 20 g Kirschblütentee

- 1000 g rosa Rhabarber (dicke Stangen)

- 1000 g Kirschblüten-Verjus

- 200 g Kristallzucker

TIPP

ZUBEREITUNG

Kirschblüten-Verjus: Verjus und Kirschblütentee bei 85 °C acht Minuten bedeckt ziehen lassen. Von der Hitze nehmen und zugedeckt erkalten lassen.

Die Enden des Rhabarbers entfernen und mit einem Küchenmesser die äußere rote Haut gründlich abziehen. Anschließend die Stangen in 8 cm lange Stücke schneiden.

TIPP

Die Stiele mit einer kleinen Nadel rundum einstechen, damit der Verjus besser aufgenommen werden kann.

Den Zucker im Verjus vollständig auflösen und mit den Rhabarberstücken in eine Kasserolle einlegen. Auf 75 °C erhitzen und für ca. vier Minuten auf dieser Temperatur halten. Vom Feuer ziehen und bedeckt mindestens drei Stunden gekühlt durchbeizen lassen.

Den Rhabarber nicht zu weich garen. Er sollte noch einen schönen Biss aufweisen.

94 S MAGAZIN GEMÜSE-KLASSIKER

Vom Guten – Teil 3: Was kann man als Gast im Steirereck tun? Schauen und staunen, fröhlich sein und fasziniert, riechen und schmecken, essen und trinken. Kurzum: Man kann es sich so richtig gut gehen lassen. Aber wie funktioniert eine Küche wie die von Heinz Reitbauer? Was sorgt für den stets reibungslosen Ablauf? Das verrät der Hausherr auf den kommenden Seiten. Und dass auch stets nur Gutes im Glas ist, dafür sorgt der Sommelier. Gemeinsam mit Birgit Reitbauer öffnet René Antrag anlässlich zehn Jahre S Magazin zehn erlesene Tropfen aus dem vergangenen Jahrzehnt. In diesem Sinne: Guten Durst!

Wie &  für wen

S. 90

DIE STUNDEN DER WELLENBRECHER

S. 100 FESTMAHL

S. 98 ESSEN ALS TROST, ALS WELT, ALS ZEITMASCHINE

S. 120 WEIN UND ZEIT

3 95 S MAGAZIN KÜCHENPLAN & TRINKVERGNÜGEN

Bitte, wie geht das? Wenn 90 Menschen im Steirereck nahezu zur selben Zeit auf höchstem Niveau kulinarisch umsorgt sein wollen, sind Planung, Präzision und Teamwork die Gebote des Genusses. Mit jedem Teller Kochkunst wird auch das Ergebnis einer faszinierenden Logistik serviert. Die Geschichte eines Zusammenspiels.

FOTOS: PHILIPP HORAK
DER WELLENBRECHER
DIE STUNDEN
96 S MAGAZIN PLAN-WIRTSCHAFT
01–03 Heinz Reitbauer und sein Anrichteteam (rechts). Um eine Speise fertig fürs Serviertablett zu machen, braucht es viel Fingerspitzengefühl. Zwei Teller schafft ein geschulter Anrichter in fünf Minuten. Das Jonglieren von Zutaten ist Routine.
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98 S MAGAZIN PLAN-WIRTSCHAFT

Es ist ungefähr so, als würde Quentin Tarantino die Scripts seiner Drehbücher offenbaren, um die Symbolik jedes Regie ­ Takes mit dem scharfen Auge des Meisters zu kommunizieren. Oder so, als würde Pep Guardiola zu einer Flipchart ­ Performance laden, um über die Flexibilität seines 3 ­ 2 ­ 2 ­ 3 ­ Spielsystems als Erfolgsformel für Manchester City zu referieren. Was beide gemeinsam hätten: Der Zauber könnte sich dem staunenden Publikum nur bedingt erschließen, so ist das eben mit der Genialität. Ein Rest Fassungslosigkeit muss bleiben.

Als Heinz Reitbauer aus seinen Ordnern zwei überdimensionale Pläne holt und sie auf dem Tisch

sammenspiel mit einem hochkonzentrierten Service versorgt werden können? „Die Ausgangslage war extrem schwierig“, erinnert sich der SteirereckHausherr. Was vor allem daran lag, dass er sich als Gastronom für ein umfangreiches À ­ la ­ carteAngebot entschieden hat – und nicht, was in der Abwicklung wesentlich einfacher gewesen wäre, für das Credo: ein Menü für alle Gäste und aus. Stattdessen die Königsdiziplin: Wahlmöglichkeit.

Darüber hinaus sah sich das Duo einst mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert. Jene der Vision nämlich. „Kochen bedeutet nicht nur Flexibilität im Moment“, erzählt Reitbauer. „Wir

ausbreitet, leuchten seine Augen, als würde er in diesem Augenblick den Heiligen Gral des Steirereck präsentieren. Da liegt sie quasi, die Küche – ein architektonisches Wunderwerk der Akribie, der Präzision, der Fünf­Hauben­Logistik. Diese überdimensionalen Bögen Papier bergen das Geheimnis dafür, wie es sein kann, dass Menschen an einem Tisch sitzen, unterschiedlich viele Gänge aus zwei großen Menüs oder à la carte bestellen und sich von diesem Zeitpunkt weg eines uhrwerkmäßigen Hochgenusses sicher sein können.

Vor 20 Jahren verbrachten Reitbauer und sein Freund, der Küchenplaner Werner Redolfi, dutzende Tage und vor allem Nächte, um einen perfekten Ort für die große Idee vom Topniveau zu erschaffen. Wie kann es reibungslos funktionieren, dass rund 90 Gäste in der Spitze eines Abends im richtigen Rhythmus und mit unzweifelhafter Qualität im Zu ­

mussten einplanen, dass sich Ansprüche, Trends oder die Verfügbarkeit von Produkten im Lauf der Jahre verändern, und dass wir menschlich und technisch auch bereit sein müssen für die Transformation der gesamten Stilistik.“

Billig ist so ein Antizipieren nicht. Bis zu 100.000 Euro kostet eine moderne Herdanlage, die alle Stück’ln spielt. Am Ende der Planung war klar, dass es sich für den Traum einer kulinarischen Erlebniswelt um eine Millioneninvestition handeln sollte. Mittlerweile existieren zwei große Arbeitsebenen, 250 Quadratmeter Produktionsküche unter dem Restaurant und 100 Quadratmeter Service ­ und Endfertigungsküche direkt neben dem Entree – offen gestaltet, eine Art Showküche. Außerdem gibt es zur Versorgung von Steirereck und Meierei insgesamt neun gut gefüllte Kühlhäuser für Tagesfrisches, Eingelegtes und Fermentiertes. „Einige Lebensmittel

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04–07 Zum Haareraufen ist es in der kleinen Kommandozentrale des Chefs selten. Die Abläufe funktionieren auch dank ausgeklügelter Pläne minutiös. An den Kochstationen herrscht genauso Ordnung wie in den Kühlhäusern, wo jede einzelne Box beschriftet ist.
„Wir mussten einplanen, auch bereit zu sein für die Transformation der gesamten Stilistik.“

verarbeiten wir in großem Stil, wenn sich das Produkt am saisonalen oder geschmacklichen Höhepunkt befindet. Nur so können wir den Geschmack bestmöglich einfangen und ihn für die unterschiedlichen Basisrezepte selbst prägen“, sagt Reitbauer.

„Da braucht es viel Erfahrung, genaue Rezepturen, Vorausdenken, penibel geführte Bestandslisten und ein effizientes Beschriftungssystem.“

Am Ende des Kochprozesses der einzelnen Gänge wartet das so genannte Anrichte­Team, bereit für den Final Countdown. Etwa zehn Leute stehen bereit, während die Gerichte im Fünf ­ Minuten ­ Takt bei ihnen eintreffen – auf Platten und Unterlagen für ein letztes Entfetten und Entsaften. Dann muss unter den Wärmelampen alles sehr schnell gehen. Noch einmal kosten, auf die Teller, Marinaden oder

Die Struktur in der Küche mit insgesamt 40 Leuten ist klar definiert. Neben Küchenchef Michael Bauböck und Souschef Ji Jiajian leiten fünf Postenchefs an fünf Stationen das Großprojekt Genuss. An jeder Station (von Fleisch und Fisch bis Gardemanager für kalte Speisen und Patisserie) sind fünf bis acht Mitarbeiter mit jeweiligen Spezialaufgaben und mit je einem Amuse ­ Gueule betraut. Die Herdlandschaften in der Serviceküche sind jeweils als zwei eigenständige Küchen angelegt, um im Doppelmodus die Flut der eingehenden Speisewünsche abzufangen. Reitbauer: „Ich sage immer, dieses System ist in dem schmalen Korridor, wo es die meisten Bestellungen gibt, ein bewährter Wellenbrecher.“ Ein Ablauf, der Erfahrung und Harmonie benötigt. Auch deshalb ist es dem Chef so wichtig, dass die personelle Fluktuation nicht zu groß ist. Eineinhalb Jahre Teamzugehörigkeit sind Bedingung, damit das Werk’l rennen kann.

Soßen beifügen, Gewürze oder Blüten arrangieren, Ordnung und Sauberkeit auf dem Geschirr gewährleisten … und raus! In Spitzenzeiten werden hier rund 15 bis 20 Speisen gleichzeitig fertiggestellt.

„Für einen perfekten Showdown schafft ein Mensch nur zwei Teller, umso wichtiger ist es an dieser Stelle, dass keine Fehler passieren“, sagt Reitbauer.

So weit, so beeindruckend. Aber wie kann in einem so komplexen Ablauf die sichere Zuordnung aller Speisen zu allen Tischen gewährleistet werden? „Die Zeit des Zurufs ist jedenfalls vorbei“, erklärt der Chef. „Einmal Amurkarpfen und Lauchherz für Tisch 14, aber pronto“ spielt’s so nicht. „Zu viele Fehlerquellen, mit dem Stress tät’ ich nicht alt werden.“

Verblüffende Conclusio: In der Steirereck­Küche wird kaum geredet. Auf höchstens fünf Prozent schätzt der Chef die prozessbezogene Kommunikation. Der Rest ist Programm. Und was für eines!

08–10 Raffinesse mit Köpfchen, zeigt her eure Mützen! Für das finale Arrangement sind zu Spitzenzeiten acht bis zehn Menschen im Einsatz, um zu gewährleisten, dass alle Speisen im selben Moment pünktlich und präzise auf den Tischen landen.
100 S MAGAZIN PLAN-WIRTSCHAFT
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102 S MAGAZIN PLAN-WIRTSCHAFT
„Wir wollten die Konversation der Gäste nicht mehr bei jedem Gang mit endlosen Vorträgen unterbrechen.“

Schon vor langer Zeit hat sich Reitbauer darüber Gedanken gemacht, welche ausgeklügelte Software ein gefülltes Restaurant benötigt. Die hohe Kunst der Rezeptur, der kulinarischen Besonderheit, der geschmacklichen Explosion ist das Eine. Aber es nützen die großartigsten Kreationen nix, wenn sie zu früh oder zu spät beim falschen Tisch oder falschen Gast landen. Wer im Steirereck isst, zahlt nicht nur

Bleibt noch das raffinierte Servieren: Auch dabei sind logistische Tricks notwendig, sodass die Teller auf den richtigen Plätzen landen, auch dann, wenn Kellnerin und Kellner bei der Aufnahme der Bestellungen gar nicht anwesend waren. Deshalb liegt auf jedem Tablett bei jedem Gericht ein Würfel, der die Position am Tisch definiert. Jeder Tisch hat eine imaginäre Nummer 1, die Ausgabe erfolgt

für Genusserlebnisse, sondern für ein Rundum ­ Sorglos ­ Paket. Also musste der Computer ein zugeschnittenes To­do entwickeln. Und das geht so: Die Speisen mit allen Sonderwünschen werden aufgenommen und dann in ein eigens programmiertes Bestellsystem getippt. Samt Zeitplan, der fünf verschiedene Tempovarianten (vom schnellen Businessdinner bis zum opulenten Verweilen) vorsieht. Sowie die einzelnen Zubereitungszeiten aller Gerichte berechnet und hinterlegt – die Einschätzung der Zeitbedürfnisse trifft der Service nach Bauchgefühl. Und so steht dann auf dem Bon z. B.: Tisch 17 express, 1. Gang 18:42 Uhr mit den Gerichten A, B, C, D. 2. Gang 19:07 Uhr mit den Gerichten E, F, G, H, usw. Diese Anordnung wird an jedem Posten in Küche und Service ausgedruckt. Heißt: Die Köche wissen mit der Bon ­ Stafette vor Augen auf die Minute genau, was jeder Gast bekommt. Zu welcher Zeit. Und wann sie mit welcher Speise beginnen müssen, um es pünktlich fertig zu haben.

im Uhrzeigersinn. Den Gästen ein ungestörtes Vergnügen bereiten, das ist die Mission – die Frage „Wer kriegt den Wilden Brokkoli?“ verbittet sich, Wissen ist alles. Im Übrigen ist das einer der Gründe für die längst legendären Tischkärtchen im Steirereck. Reitbauer: „Abgesehen vom Sammelwert haben wir erkannt, dass wir die Konversation der Gäste nicht mehr bei jedem einzelnen Gang mit endlosen Vorträgen über die vielen Gerichte, Zutaten und Zubereitungsarten unterbrechen wollen. Wer will, kann es gleich oder später nachlesen. Bewusst dezent, auch das ist Konzept und Gastfreundschaft.“

Und in gewisser Weise befreiend. In der Überlieferung soll der legendäre und gut bewachte Heilige Gral übrigens Glückseligkeit und Speisen in Hülle und Fülle bieten. In einer modernen Erzählung wäre er also leicht zu finden … im Wiener Stadtpark.

11–14 Ein Sommelier mit Bodenhaftung findet immer den richtigen Wein. Die Voraussetzungen für eine reibungslose Fünf ­ Hauben ­ Logistik sind unter anderem ein revolutionäres Bon ­ System, Arbeitsteilung auf zwei Kochebenen oder ein simpler Würfel.
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ESSEN ALS TROST, ALS WELT, ALS ZEITMASCHINE

Jeder Geschmack ist mehr als er selbst, und am trostvollsten ist das Essen, das einem jemand anderer zubereitet, der damit sagt: Ich kümmere mich um dich, mit Salz und Pfeffer, mit Zwiebel und Zucker.

VALERIE FRITSCH

Als Kind war ich in einem kleinen Hochhaus in einer kleinen Stadt daheim, in dem das Essen oft merkwürdige Wege nahm und auf höchst eigenwillige Art und Weise von einem zum anderen gelangte. Meine Familie wohnte im vierten, eine unverwandte Großtante im neunten und meine Großmutter im dreizehnten Stock, bereits mitten im Himmel. Oft kam es vor, dass um die Mittagszeit, Schlag zwölf, ein Tablett mit Suppe, Schweinsbraten und Nachtisch mutterseelenalleine mit dem alten Lift nach unten fuhr, und stieg ein Nichteingeweihter zu, stand er verwirrt neben dem duftenden, herrenlosen Mahl und musste denken, es handle sich um nichts Geringeres als eine Gespenster ­ Zustellung. Im neunten Geschoß aber öffneten sich die Türen und eine alte, dürre Dame nahm die auf dem Boden stehenden Speisen mit großer Selbstverständlichkeit an sich. Meine Großmutter nämlich verließ das dreizehnte Stockwerk nie, kochte mit gebeugtem Rücken für alle, die ihr zu dünn aussahen, und verschickte ihre Gerichte nach einem Telefonklingelsignal Tag für Tag mit dem Aufzug.

Nachmittags zur Jausenzeit dann donnerten kleine Pakete vollgestopft mit Süßigkeiten und Zwieback in den Hof, die sie für uns spielende Kinder vom Balkon warf. So geschah es, dass mitten in einem

Fußballspiel eine Packung Kekse im Staubfeld einschlug, wo die Mädchen und Buben erst in Deckung gegangen waren und dann im Kreis sitzend zerbrochene Schnitten und die anderen Himmelsfallherrlichkeiten aßen. Sie waren der süße Hagel meiner Kindheit. Und wann immer meine Familie in diesen Jahren von einer kurzen Reise oder auch nur einem langen Ausflug nachts zurückkam, erwartete uns Hungrige ein Kochtopf vor der Wohnungstür, denn meine Großmutter predigte, dass, wer nach Hause komme, nie hungern dürfe. Dieses HeimkehrerGulasch, das wir noch stehend in der Küche verzehrten, schien mir stets das verlässlichste Willkommen, ein wärmendes Ritual aus Liebe und Zwiebeln.

Jeder Geschmack ist mehr als er selbst, verbirgt eine ganze Welt, ist die Trägersubstanz für Erinnerung und Geborgenheit. Manche Speisen sind gar Zeitmaschinen, überlisten die Uhren: Mit einem Bissen wird es unversehens Sommer, wird man selbst wieder Kind, wird die Welt eine bessere. Auf einem schmalen Löffel lässt es sich in einen schönen Tag reisen. Eine Gabel reicht aus, um zu Hause zu sein. Ein Mundvoll genügt mitunter für eine Verwandlung. Darum findet der Mensch an dunklen Tagen oftmals Trost in den Lieblingsspeisen seiner Kindheit, nimmt Obdach unter Puddinghäuten und

TEXT:
104 S MAGAZIN GLÜCKS-MOMENTE

Schlagobershauben, versinkt in großmütterlichen Eintöpfen, will sich gleich selbst in die Erbsenschote des großväterlichen Gartens legen, deren kleine grüne Kugeln er sich einst noch mit erdschwarzen Fingern zwischen den Ranken in den Mund gesteckt hat. In den nostalgischen Gerichten, bei denen man manchmal Zuflucht sucht, begegnet man nicht nur dem Glück seines früheren Ichs, aber auch jenen, die es glücklich gemacht, glücklich gekocht haben.

Die Köchinnen und Köche sind in unseren Kind heitsspeisen gespeichert. Und so sehe ich bei jedem Gulasch reflexhaft meine uns stets vor dem Verhungern bewahren wollende Großmutter im Reich des dreizehnten Stocks vor mir, ihre hausumspannenden Bekümmerungen, ihre Sorge, dass man nicht genug, und ihre Freude, wenn man zu viel aß. Sie rückt mir nah und ich kehre heim. Es ist ein köstliches, organisches Andenken, und oft nehme ich den letzten Bissen zum Anlass, sie noch beim Herunter s chlucken in ihrem Pflegeheim anzurufen. Mein Großvater hingegen lässt sich nicht mehr über das Telefon erreichen, um mit ihm in Verbindung zu bleiben, esse ich, wenn er mir sehr fehlt, mitunter seine Lieblingsspeise, eine Breinwurst oder ein saures Rindfleisch – auch das ist ein Trost und ein kleiner Widerstand gegen Tod und Vergessen und all die anderen Unhöflichkeiten.

Am trostvollsten scheint Essen, wenn es einem ein anderer zubereitet, der einen in einem echten Unglück oder bloß in einem üblen Augenblick wis

sen lässt: Ich koche für dich, ich kümmere mich mit Salz und Pfeffer, Erdbeeren und Paradeisern, Zwiebel und Zucker um dich. Nie werde ich vergessen, wie eine alte Dame im Rollstuhl, die ich besuchte, einmal, als sie fand, ich sehe traurig aus, für eine Sekunde vergaß, dass sie nicht mehr gehen konnte, und aufspringen wollte, um mir ein Brot zu richten, das mich zum Lächeln bringen würde. In einem guten Restaurant erweckt man unauffällig dieses alte Gefühl des Umkümmertseins im Gast, schont ihn aber mit der Intimität der privaten Erfahrung.

Irgendwann kommt stets der Moment, in dem sich auch die Rituale der Kindheit und jene des Trostes verkehren. Als ich als junge Frau längst in eine eigene Bleibe in der Nachbarschaft gezogen war, wurde ich es, die einmal in der Woche für meine Großeltern kochte, sich an ihren Lieblingsspeisen versuchte, und Gurkensauce, Einbrenns uppe, faschierten Braten zubereitete und oft mit einer dampfenden Bratpfanne oder einem Kochtopf in der Hand Schlag zwölf über die Straße und bis in den dreizehnten Stock hinaufmarschierte. Wir aßen gemeinsam und hatten es schön und waren mit vollem Mund ein wenig getröstet darüber, dass nichts je bleiben kann, wie es immer war.

Heute lebt meine Großmutter, eine kokette Fünf undneunzigjährige mit glasklarem Verstand und tiefroten Lippen, in einem Heim, und ich spüre, wie sehr es sie kränkt, die Hoheit über das Essen verloren zu haben, die Freiheit, nicht mehr entscheiden zu können, was es zur Jause oder zum Nachtmahl gibt, welches Gericht ihrem kranken, schmalen Körper bekommt, welcher Geschmack sie zu trösten vermag. Noch mehr, als dass sie sich selbst nichts mehr kochen darf, aber stört sie, dass sie es auch für andere nicht kann, dass sie, die Kümmerin, ihrer Zuneigungsgeste beraubt ist. Immer aber findet sie Wege, die Menschen um sie herum mit kulinarischen Kleinigkeiten zu verwöhnen: Im Nachttisch hütet sie stets süße Bonbons für ihre Ure nkeltochter, die Braunschweigerwürste, die ihr ihre Besucher mitbringen, teilt sie und schickt mit herrischen Handzeichen in Zeitungspapier verpackte Stücke an ihre hungrigen Zimmernachbarn. Und hin und wieder bestelle ich, die heute längst in die Hauptstadt fortgezogen ist, aber alle Wochen heimkehrt ins Heim, uns beiden mit einem Fahrradliefer service ein Backhendl ins Krankenzimmer, dann essen meine Großmutter und ich wie früher: gemeinsa m, genussvoll, und haargenau das, worauf sie Appetit hat.

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FEST

Heinz REITBAUER tischt auf. Und das seit nunmehr zehn Jahren. Nein, in Wahrheit natürlich schon viel länger, aber als Koch für ein Magazin – sein Magazin – stehen er und sein Team seit einem Jahrzehnt am Herd, begleitet von einem der ebenfalls allerbesten seiner Zunft, von Thomas SCHAUER. Der steirische Foodfotograf, der zwischen seinen Ateliers

REDAKTION: ACHIM SCHNEYDER
106 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

MAHL

in New York und Wien pendelt, rückt die Gerichte seit der ersten Ausgabe ins rechte Licht und prägt somit den Stil der Bildsprache entscheidend mit. Und nun gilt es, zehn Jahre S MAGAZIN zu zelebrieren, weshalb Koch und Künstler neuerlich zur Tat geschritten sind. Blättern Sie also weiter und genießen Sie die neuen Gänge – quasi eine FEIERSPEIS.

FOTOS: THOMAS SCHAUER PROP STYLIST: SAMMY ZAYED
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108 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

EINE REISE DURCH ÖSTERREICH UND DARÜBER HINAUS

1 Gebackene Hühnerhaut mit Risi-Pisi, Salzzitrone und argentinischem Minzstrauch

2 Knuspriger Safran mit Apfel und Kren

3 Geräucherte Bachforelle mit Weichsel und Forellenkaviar

4 Gebeizter Amurkarpfen mit Sanddorn und Fenchelpollen

5 Staudengemüse mit Brennnesseln und Melisse

ESSKULTUR:

Im Laufe von Jahrhunderten hat Österreich eine vielfältige kulinarische Identität entwickelt. Verwurzelt in der K. ­ u. ­ k. ­ Monarchie, ist sie ihrer Entwicklungsgeschichte nach durch die Einflüsse der Kronländer und Königreiche eine Vielvölkerküche mit eigenständigen regionalen Spezialitäten, die sich nicht auf einige wenige Gerichte oder Regionen reduzieren lässt. Viele Geschmäcker, Produkte oder Zubereitungsarten können wir heute geografisch zuordnen. Diese verschiedenen Geschmäcker schaffen aber auch grenzübergreifende Verbindungen zu unseren Familien und zu unserer Geschichte und sind wiederum ein Spiegelbild unserer Lebenskultur – eine Reise durch Österreich und darüber hinaus.

IM ÜBRIGEN:

Die Wiener Küche ist die einzige weltweit, die einen Städtenamen trägt. Sie entstand vor mehr als 200 Jahren beim Wiener Kongress an den Wiener Herden, wo die verschiedensten Küchen in friedlicher Mission ihre Traditionen und Geschmäcker teilten und somit den Ruhm der Wiener Küche begründeten.

GEBEIZTER AMURKARPFEN, 20 PORTIONEN

ZUTATEN

2 g Pfeffer schwarz

7 g Fenchelsamen

4 g Koriandersaat

3 g Wacholderbeeren

2 Stk. Lorbeerblätter

300 g Karpatensalz

200 g Kristallzucker

15 g Pökelsalz

1 Stk. Amurkarpfen ­ Filet

Meersalz grob

Fischbeize

ZUBEREITUNG

Fischbeize:

Die Gewürze in einer Kasserolle bei mittlerer Hitze für ca. 1 Min. ohne viel Farbe trocken rösten.

Anschließend die Gewürze im Thermomix grob zerkleinern.

Die Gewürze mit dem Salz ­ Z ucker ­ G emisch vermengen.

Amurkarpfen beizen:

Das entgrätete Karpfenfilet mit der Hautseite nach unten auf ein Blech mit grobem Salz legen und die Fleischseite mit der Beize gut bedecken.

Darauf achten, dass auch die Zwischenräume der entfernten Gräten gut mit der Beize bedeckt werden, um eine gleichmäßige Beizung zu erreichen. Mit Backpapier abdecken und gekühlt je nach Fischgröße 8–12 Std. durchbeizen lassen.

Nach der Beizdauer die Beize kurz abspülen, Das Fischfilet trocken tupfen und auf Stufe 7 vakuumieren. Für mind. 12 Std. gekühlt lagern.

Aus dem Vakuum nehmen, die Haut abziehen und portionieren.

Tipp: Durch das Vakuumieren verklebt das durch den Grätenschnitt getrennte Fleisch wieder.

Rezept
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Rezept

MARCHFELDER SOLOSPARGEL MIT FEIGENBLATT UND RHABARBER

1 Gekochter, glacierter weißer Marchfelder Solospargel

2 Rhabarber-Spargel-Feigengemüse

3 Gedämpfte Lauchherzen

4 Mit Hot-Lemon-Chili eingelegter Rhabarber

5 Mit Spargelessig mariniertes Herzblatt

6 Junge Feigenblätter

7 Spargelsaft

8 Feigenblatt-Öl

Wein 2019 Blanc „Pierre Préscieuse“ (Sauvignon Blanc), Alexandre Bain/Loire, Frankreich

FEIGENBLÄTTER:

Die Feige gehört zur Familie der Maulbeergewächse und bringt, je nach Sorte, jedes Jahr bis zu drei Generationen hervor. Die Blätter besitzen einen sehr aromatischen Feigenschalen ­ Geschmack mit einem zart ­ herben, leicht adstringierenden Mundgefühl – aus den Steirereck ­ Gärten.

SPARGELSAFT, 4 PORTIONEN ODER 290 ml

ZUTATEN

1000 g Solospargel/Bleichspargel (Spargelbruch mit Schale)

450 ml Spargelrohsaft

270 ml Spargelsaft (gegart und fein passiert)

20 ml Spargelessig (Gegenbauer)

3 g Karpatensalz

2 g Kristallzucker

1 Msp. Guakernmehl (Guarzoon)

ZUBEREITUNG

Spargelrohsaft:

Den Spargelbruch mithilfe eines Entsafters entsaften.

Den entstehenden Trester erneut entsaften.

Anschließend den Trester nochmals in einem Spitzsieb ordentlich ausdrücken.

Gesamte Saftmenge durch ein belgisches Sieb seihen.

Ergibt ca. 450 ml Spargel Rohsaft.

Den passierten Saft in einen Kochvakuumbeutel leeren und bestmöglich vakuumieren. (Achtung, Überlaufgefahr!)

Die Beutel im Wasserbad bei 80 °C für mindestens 4 Std. garen.

Durch den Garprozess „flockt“ der Spargelsaft etwas aus.

Anschließend erneut durch ein belgisches Sieb passieren.

Der daraus gewonnene Saft beträgt 270 ml.

Anmerkungen:

Der mehlig schmeckende Spargelrohsaft verändert durch das Garen seinen Geschmack und entwickelt sich zu einem süßlich ­ milchigen, leicht gebundenen Saft.

Der Saft darf nicht aufkochen!

Mit Essig, Salz und Zucker leicht süß ­ säuerlich abschmecken.

Im Thermomix/Heinzelmann bei 80 °C mit dem Guakernmehl leicht binden.

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Rezept

BLACK-PEARL-AUSTERNPILZE MIT YUZU, KOCHSALAT UND LIEBSTÖCKEL

1 Gekochte, gepresste, gedörrte und gebratene Black-Pearl-Austernpilze, glaciert mit Kürbiskern-Shoyu und Yuzu

2 In Nussbutter confierter Sellerie mit Limette

3 Glacierter Kochsalat

4 Knuspriger Strudelteig

5 Mit Yuzu und Sauerrahm-Molke eingelegter Sellerie

6 Mit Liebstöckel-Öl und Balsamessig marinierte Kochsalatherzen

7 Sauerrahm-Molke-Yuzu-Saft

8 Liebstöckel-Öl

Wein 2022 Vino de Pasto „La Escribana Macharnudo“, Luis Pérez/Andalusien, Spanien

KÜRBISKERN-SHOYU:

Diese Sauce ist das österreichische Pendant zur klassischen Sojasauce. Die Würzsauce wird aus Weizen und dem Kürbiskern ­ Presskuchen, der bei der Herstellung für Kürbiskernöl anfällt, gewonnen –von LUVI Ferments, Lenzing, Oberösterreich.

SAUERRAHM-MOLKE-YUZU-SAFT , 8 PORTIONEN ODER 300 ml

ZUTATEN

450 g Sauerrahm

300 ml Sauerrahm ­ Molke

5 g Zitronengras (angedrückt und fein geschnitten)

4 g Ingwer (fein geschnitten)

1 S tk. Makrutlimetten ­ Blätter (fein geschnitten)

1 Msp. Knoblauchzehe (fein geschnitten)

3 g Karpatensalz

7 ml Yuzusaft

1 TL Kristallzucker

5 g Maizena

ZUBEREITUNG

Langsam zum Kochen bringen, bis der Sauerrahm gerinnt.

Durch ein Passiertuch abseihen und am besten über Nacht abhängen lassen. Benötigte Menge fürs Weiterverarbeiten sind 300 ml Molke Flüssigkeit.

Tipp: Den Sauerrahmbruch für andere Verwendungen beiseite geben.

Alles gemeinsam zum Kochen bringen und für 10 Min. ziehen lassen, anschließend durch ein belgisches Sieb passieren.

Die Molke damit abschmecken.

Sauce zum Kochen bringen und mit der Maisstärke leicht binden.

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114 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

AMURKARPFEN MIT MELANZANI, JUNGER KOKOSNUSS, ANANASKIRSCHEN UND ANIS-YSOP

1 Knusprig gebratener Amurkarpfen

2 Gedämpfte, mit Ahornsirup, Chili und Kokos ofengeschmorte Rosa-Bianca-Melanzani

3 Kohlrabigemüse mit junger Kokosnuss und Verbene

4 Fermentierte Rettich-Velouté mit Ananaskirschen und Anis-Ysop-Öl

Wein 2017 Grüner Veltliner „Käferberg“, Jurtschitsch/Langenlois, Kamptal

ANANASKIRSCHEN:

Dieses ursprünglich aus Nordamerika stammende Nachtschattengewächs mit kleinen Früchten, welche von papierenen Lampions umschlossen werden, besitzt knackige, aromatisch süße Früchte mit deutlichem Ananasaroma – von Michael Bauer/Stetten, Niederösterreich.

ANIS-YSOP:

Dieser Lippenblütler stammt ursprünglich aus Mittelamerika. Die intensiv magentafarbigen Blüten besitzen ein harmonisches Anis ­ Zitrus ­ Rosenaroma. Die feinspitzigen Blätter können frisch oder getrocknet als Tee verwendet werden – aus dem Steirereck ­ Garten.

GEDÄMPFTE, MIT AHORNSIRUP, CHILI UND KOKOS OFENGESCHMORTE ROSA-BIANCA-MELANZANI, MENGE: 2 STK.

ZUTATEN

400 ml Kokosmilch

100 ml Ahornsirup

40 ml Limettensaft

40 g Karpatensalz

2 S tk. Melanzani (Rosa Bianca) geschält

ZUBEREITUNG

Kokos-Einlegefond: Kalt vermengen.

1000 ml Kokoswasser

100 ml Ahornsirup

5–10 g Chilipaste (Gochujang)

Maizena zum Abziehen

Pflanzenöl zum Braten

Karpatensalz

Die geschälte Melanzani mit dem Kokos ­ Einlegefond in Kochbeutel geben, vakuumieren und je nach Melanzanigröße für 60–80 Min. bei 93 °C steamen.

Die warmen Melanzani aus dem Kochbeutel nehmen, Flüssigkeit ableeren und aufheben.

Die Melanzani in ein tiefes Blech legen, mit einer Platte beschweren und die austretende Flüssigkeit entfernen.

Nach dem Ableeren der Flüssigkeit die Melanzani nochmals mit dem Blech sowie etwas Gewicht beschweren und gekühlt für 4–6 Std. pressen.

Tipp: Die gepressten Melanzani anschließend ohne Flüssigkeit nochmals vakuumieren und für 4–6 Std. gekühlt lagern.

Ahornsirup-Chili-Glacage: Auf 200 ml einkochen.

Die Zutaten mit dem eingekochtem Kokoswasser aufkochen, mittelscharf abschmecken und mit Maizena pastös abziehen.

Die gepressten Melanzani in die gewünschte Stückgröße portionieren und im Dampf für ca. 8 Min. steamen. Die „butterweichen“ Melanzanistücke in einer beschichteten Pfanne einseitig anbraten und leicht salzen.

Anschließend aus der Pfanne heben, mit der Ahornsirup ­ Chili ­ Glacage nappieren und unter einem Salamander goldbraun überbacken.

Kurz vor dem Servieren aus der Hitze nehmen und nochmals mit der Glacage nappieren.

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116 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

HENDLHAXLN UND MORCHELN MIT GRIESSNOCKERL UND BERGAMOTTE

1 Knusprig gebratene Hendlhaxln

2 Confierte Hühnerherzen

3 In Butter sautierte Morcheln

4 Sauerampfer

5 Petersilien–Liebstöckel-Mayonnaise

6 Chinakohlsalat mit Bergamotte und karamellisiertem Kümmel

7 Hühnerkraftsuppe mit Grießnockerl

8 Bergamotte-Öl

Wein 2015 Rioja Blanco „Viña Gravonia Crianza“, Lopez de Heredia/Haro, Spanien

BERGAMOTTE: eine orangengroße Zitrusfrucht mit gelblicher Schale und gelbem Fruchtfleisch. Die Schale ist hocharomatisch, und die ätherischen Öle werden besonders zum Aromatisieren von Tee verwendet. Das Fruchtfleisch ist sauer, aber nicht bitter – aus der Schönbrunner Orangerie.

CHINAKOHLSALAT MIT BERGAMOTTE UND KARAMELLISIERTEM KÜMMEL, 4 PORTIONEN

ZUTATEN

20 g Kümmel (ganz)

Staubzucker

1 Stk. Chinakohl (mittelgroß)

1 EL Bergamotte ­ Mark

1/2 TL Kümmel (karamellisiert)

Karpatensalz

50 g Senfgurke (eingelegt)

ZUBEREITUNG

Kümmel karamellisieren:

Den Kümmel in eine beschichtete Pfanne geben.

Kurz trockenrösten, anschließend nach und nach immer wieder Staubzucker mit Hilfe eines Siebs in die Pfanne streuen.

Auf mittlerer Hitze karamellisieren lassen.

Den karamellisierten Kümmel auf einem Blech mit Backpapier auskühlen lassen und in einzelne Segmente zerteilen.

Tipp: Den Kümmel mithilfe einer Gummispachtel immer etwas in Bewegung halten, damit er nicht klumpt.

Den Chinakohl und die Senfgurken in feine Julienne schneiden und mit Karpatensalz, karamellisiertem Kümmel und dem Bergamotte ­ Mark abschmecken. Je nach Art des Bergamotte ­ Marks ev. mit etwas Honig nachsüßen.

Rezept
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118 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

REHBOCK MIT SPINAT-VIELFALT, YACON UND STACHELBEEREN

1 Sanft gebratener Rehbock

2 Spinatcreme

3 Gedämpfter junger Spinat

4 Gegrillte, eingelegte Yacon-Wurzeln

5 Gedörrte Achilles-Stachelbeeren

6 Mit Stachelbeeressig und Leinöl marinierter Madeirawein- und Herzblattspinat

7 Geröstete Leinsaat

8 Reh-Distel-Sauce

Wein 2019 Etna Rosso „San Lorenzo“, Tenuta delle Terre Nere/Sizilien, Italien

STACHELBEERE ACHILLES: violett ­ rote Frucht mit süß ­ säuerlichem Geschmack. Im Volksmund wird sie auch liebevoll „Ogrosl“ b ezeichnet.

YACON:

Ursprünglich aus den Anden kommend, entwickelt die mit der Sonnenblume verwandte Yacon große, auffällig saftige Knollen. Durch die Lagerung im Hellen erhalten die empfindlichen Knollen ihre charakteristische Süße, die an Nashi ­ Birnen erinnert.

GERÖSTETE LEINSAAT, 10 PORTIONEN

ZUTATEN

5 0 g Leinsamen

500 ml Wasser

Pflanzenöl (zum Frittieren)

ZUBEREITUNG

Die Leinsamen für 24 Std. in Wasser einweichen.

Tipp: Die Leinsamen bilden eine schleimige Schicht um das Korn und quellen um ca. 1/3 ihrer Größe auf.

Am nächsten Tag die Samen durch ein Haarsieb gut abtropfen lassen.

In einer hohen Kasserolle das Öl auf ca. 180 °C erhitzen und die Leinsamen in kleinen Mengen im Sieb ausfrittieren.

Anmerkungen:

Di e Leinsamen kleben durch die gebildete schleimige Stärkeschicht zu Beginn des Frittiervorgangs relativ stark zusammen.

Mit einem Kochlöffel im Sieb etwas umrühren, um eine gleichmäßig frittierte Oberfläche zu erhalten.

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120 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

HOLUNDERBLÜTEN-BUTTERMILCH-EIS MIT HOLLERKOCH UND MINZE

1 Holunderblüten-Buttermilch-Eis

2 Hollerkoch mit Schönbrunner Limette

3 Gedörrte Holunderbeeren und Blüten

4 Kandierte Veilchen

5 Holunderblüten-Staub

6 Junge Frühlingskräuter und Blüten

7 Minzöl

8 Holunderblüten-Limettensaft

Wein 2021 Poiré XO, Stefan Vetter/Franken, Deutschland

VEILCHEN:

Das Duftveilchen oder wohlriechende Veilchen gehört zur Familie der Veilchengewächse (Violaceae), zu der 500 Arten wie Stiefmütterchen und Hornveilchen zählen. Das wohlriechende Veilchen ist das einzig duftende seiner Gattung in Europa. Veilchenparfüms werden heutzutage leider aus der Wurzel der florentinischen Schwertlilie gewonnen, die wesentlich einfacher zu ernten ist als die kleinen blauen Blüten des Veilchens. Unser Duftveilchen verströmt einen süßen, vanilleartigen Duft und wir verwenden es frisch, kandiert oder als Sirup angesetzt.

HOLUNDERBLÜTEN-BUTTERMILCH-EIS, MENGE: 850 ml

ZUTATEN

400 ml Bio ­ Heumilch

40 g Kristallzucker

0,4 g Guarkernmehl

120 g Bio ­ Eigelb

24 g Kristallzucker

160 ml Buttermilch

80 g Joghurt

120 ml Holunderblütensirup

32 g Holunderblüten (getrocknet)

ZUBEREITUNG

In einer Kasserolle Heumilch mit Zucker und Guarkernmehl zusammen vorsichtig aufkochen.

Eis-Grundmasse:

In einem großen Schneekessel Dotter und Zucker mit einem Schneebesen schaumig aufschlagen.

Nun die heiße Milch unter ständigem Rühren nach und nach der geschlagenen Eimasse zufügen.

Gleichzeitig den Schneekessel auf ein heißes Wasserbad setzen und unter ständigem Rühren die Eismasse zur Rose abziehen.

Vom Wasserbad nehmen und auskühlen lassen.

Alle Zutaten der ausgekühlten Eis ­ Grundmasse zufügen und für mind. 24 Stunden bedeckt und gekühlt durchziehen lassen.

Anschließend durch ein belgisches Sieb passieren und in der Eismaschine frieren.

Anmerkung: Gekaufter Holunderblütensirup ist meist süßer als selbst hergestellter Sirup. Hier sollte die Zuckermenge bei der Heumilch um 2/3 reduziert werden.

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122 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

EINKORN-SOUFFLÉ MIT ZITRUSVIELFALT, RÜBEN UND LIMONCELLO

1 Mit Limoncello marinierte Zitrusvielfalt

2 In Hot-Lemon-Chili-Sirup eingelegte Chioggia-Gold und Rote Rübe

3 Kandierte Zitrusscheiben

4 Zitronenmelisse

5 Gepuffter Einkorn

6 Limoncello-Rüben-Sauce

7 Einkorn-Soufflé mit Cru-Virunga-Schokolade

8 Bitterorangen-Rote-Rüben-Sorbet

EINKORN-SOUFFLÉ MIT CRU-VIRUNGA-SCHOKOLADE, 12 PORTIONEN Rezept

VIRUNGA-SCHOKOLADE:

Diese dunkle Schokolade mit 70 Prozent Kakaoanteil besitzt feine, erdige Schwarzteenoten sowie Anklänge an Sauerkirschen – aus dem Nationalpark Virunga, Ostkongo.

ZUTATEN

8 0 g Bio ­ Einkorn (Biohof Sigl)

370 ml Heumilch

40 g Einkorn (geröstet)

260 ml Einkorn ­ Milch

20 g Rohrzucker

50 g Bio ­ Eigelb

26 g Maizena

20 g Cru ­ Virunga ­ Schokolade 70 %

80 g Einkorn (gekocht)

140 g Soufflé ­ Basismasse

100 g Eiweiß

40 g Kristallzucker

10 g Maizena

ZUBEREITUNG

Einkorn (kochen und rösten): Den Einkorn unter fließendem Wasser kurz abwaschen und in einer Kasserolle gut mit Wasser bedeckt weich kochen.

Abseihen, gekochten Einkorn auf Backpapier flach auflegen und anschließend im Ofen bei 180 °C goldgelb rösten.

Einkorn-Milch: Die Heumilch aufkochen und den gerösteten Einkorn für 30 Minuten darin ziehen lassen. Abseihen und Milch und Einkorn separieren.

Soufflé-Basis: Die Einkorn ­ Milch mit dem Rohrzucker in einer Kasserolle aufkochen.

Eigelb und Maizena miteinander vermischen.

Ein Teil der warmen Einkorn ­ Milch der Eigelb ­ Maizena ­ Masse zugeben, anschließend diese Masse wieder der Einkorn ­ Milch zugeben und auf kleiner Hitze einen Pudding kochen.

Den Pudding in einen Thermomix/Heinzelmann ­ Becher geben und mit der Schokolade sowie dem gekochten Einkorn zu einer glatten Masse mixen.

Basismasse abkühlen und anschließend auf 3 × 140 g ­ Einheiten abfüllen

Soufflé fertigstellen: Das Eiweiß mit dem Zucker und der Stärke halbsteif aufschlagen. Die temperierte Soufflé ­ Basismasse vorsichtig unterheben und in kleine (6,5 cm runde und 5 cm hohe) ausgebutterte und gezuckerte Porzellanschalen abfüllen.

Die gefüllten Schalen glatt abstreifen und bei 230 °C im Wasserbad für etwa 12 Minuten backen.

Tipp: Das saubere Abstreifen der Porzellanschalenränder verhindert das Festkleben der Soufflé ­ Masse. Somit wird ein gleichmäßiges Aufgehen der Masse gefördert.

Anmerkungen:

Die Backzeit variiert je nach Formgröße und Ofen.

Diese Mengenangabe ist für gut 4 Backformen wie oben beschrieben.

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124 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

150 JAHRE WIENER WELTAUSSTELLUNG

1 Kaiserschmarrn-Praline mit Rumrosine

2 Schokoladen-Reis-Schaumkuss

3 Geeiste Mieze Schindler mit Verbene

4 Knuspriger Apfelstrudel mit Zitronenbohnenkraut

5 Veilchenblütensorbet mit Schaumwein

VEILCHENBLÜTENSORBET, MENGE: 1000 ml

ZUTATEN

2 80 ml Verjus Grüner Veltliner (Öhlzelt)

750 ml Sekt Brut Tradition (Schloss Gobelsburg) ­ 140 ml Verjus

Reduktion

32,5 ml Glukosesirup

87,5 ml Wasser

4,5 g Pektin NH Nappage

4,5 g Kristallzucker

100 ml Veilchensirup

50 g Veilchenzucker

ZUBEREITUNG

Verjus-Reduktion: Den Verjus auf die Hälfte einkochen.

Sorbetbasis: Alle Zutaten in einer Kasserolle kurz aufkochen.

Pektin und Zucker zusammen abmischen, in die aufgekochte Sorbetbasis einrühren und nochmals kurz aufkochen lassen. Von der Hitze nehmen und anschließend durch ein belgisches Sieb passieren.

Die Sorbetbasis leicht überkühlen lassen, dann Veilchensirup und Veilchenzucker mit einem Schneebesen gut einrühren.

Anschließend in der Eismaschine frieren.

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126 S MAGAZIN GLAS-WEISE

01–02 René Antrag und Birgit Reitbauer bei der Verkostung unserer Weine des Jahrzehnts. Das Leitmotiv dieser Zeitreise steht auch schon klar vor uns: Es ist die Vielfalt.

WEIN UND ZEIT

Seit zehn Jahren – so lange also, wie es dieses Magazin nun schon gibt – empfiehlt René Antrag Weine, spricht über Winzerinnen und Winzer, Weinstile und Getränkemoden, verrät Geheimnisse und gibt gute Ratschläge. Zum Jubiläum hat er seine Chefin Birgit Reitbauer auf ein paar Gläser eingeladen –und zehn Flaschen herausgesucht, die in dieser Dekade stilprägend waren.

TEXT: SEBASTIAN HOFER FOTOS: PHILIPP HORAK
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03 „Es gab Momente, da ist der René beleidigt weggestürmt, wenn der Gast einen Wein nicht gut fand“, erinnert sich Birgit Reitbauer an die fors cheren Anfänge ihres Sommeliers.

René Antrag redet nicht besonders gern über die Vergangenheit, viel lieber würde er nämlich dar über sprechen, was die Zukunft bringt, aber der Anlass ist halt einfach zu gut, also warum nicht, ausnahmsweise: „Ich hab’ mir noch einmal alle Ausgaben des S Magazins durchgeblättert. Schon megaspannend, womit man sich so beschäftigt hat, was sich davon etabliert hat und was nicht. Einiges hatte man ja tatsächlich schon wieder vergessen.“

Zehn Jahre können eine lange Zeit sein, beim Thema Wein sogar eine mittlere Ewigkeit, und in den vergangenen zehn Jahren hat sich in diesem Bereich so unendlich viel getan, man kommt kaum hinterher mit dem Erzählen, aber dazu gleich, zuerst einmal: Champagner. Genauer: Ruppert-Leroy, Fosse Grely Brut Nature, Ernte 2019. Birgit Reitbauer kommt gerade vom Mittagsservice, Gelegenheit für ein Prosit auf zehn Jubeljahre (und auf die Zukunft). René Antrag: „Das hier war einer der ersten neuen Winzerchampagner, die damals nach Österreich geschwappt sind – konsequent bio, ganz klar dem Terroirgedanken verbunden. Bénédicte Ruppert und Emmanuel Leroy leben wirklich mit ihren Kindern in einer Blockhütte im Weingarten und betreiben da eine ganz urtypische, biodynamische Landwirtschaft. Man hat diesen Stil von Champagner damals überhaupt nicht am Schirm gehabt, das ist ja wirklich sehr anders als bei den klassischen Häusern.“ Birgit Reitbauer ist ihrer seits herzlich froh über diese Entwicklung – auch wenn man den Gästen vor zehn Jahren noch manchmal etwas länger erklären musste, warum sie jetzt dies und nicht das trinken sollen, was sie immer schon getrunken hatten, „aber inzwischen sind die Konsumenten nicht nur kundiger, sondern auch mündiger geworden, sie können die Qualität einschätzen, auch weil die Herkunft und die Machart transparenter geworden sind. Und unsere Gäste vertrauen uns, wenn wir Dinge empfehlen, die sie noch nicht kennen. Das ist schließlich der Anspruch in einem Haus wie dem Steirereck, dass man hier Dinge probieren kann, die eben nicht gängig sind.“

Womit wir auch schon beim Bier wären, konkret: dem Waldbier 2015, Edition „Fichte“, bernsteinfarben im Glas, Genussraunen bei den Verkostern. René Antrag: „Bier war auch ein Thema, das in Öster reich vor zehn Jahren einen gewaltigen Schub erlebt hat und das wir hier schon sehr früh forciert haben.“ Antrag baute verschiedene Biere in seine Getränkebegleitung ein, es gab eine eigene Bierkarte, sogar eine Steirereck ­ Bier serie wurde ins Leben gerufen, mit Maiwipferl und Schönbrunner Zitrusfrüchten. Birgit Reitbauer erinnert sich: „Auch da wurde am Anfang die eine oder andere Augenbraue gehoben, aber der Geschmack hat überzeugt, die Vielfalt – und gerade beim Waldbier auch die Geschichte dahinter.“ Diese Geschichte geht so: Seit dem Jahr 2011 produziert der Obertrumer Braumeister Axel Kiesbye für die Bundesforste jährlich ein Spezialbier mit Zutaten aus heimischen Wäldern, von der Elsbeere bis zur Zirbe, im Jahr 2015 wurde Fichtenharz aus dem Bundesforste ­ Revier auf dem Traunstein verarbeitet. Dass man solche Biere auch gereift trinken kann, findet Birgit Reitbauer noch einmal speziell interessant: „Dann rückt das Aromenspiel in den Vordergrund, während die Kohlensäure zurückgeht wie bei sehr reifem Champagner. Das bekommt eine großartige Geschmacksvielfalt und auch einen ganz anderen Einsatzbereich als ein Pils oder Märzen.“ René Antrag ergänzt: „Das kannst du hervorragend zwischen Fischgang und Hauptgang servieren, das belebt die Getränkebegleitung und macht noch einmal völlig neue Welten auf.“

128 S MAGAZIN GLAS-WEISE
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Dieses Öffnen neuer Welten gehört zum Hauptgeschäft des Steirereck ­ Sommeliers, er tut es für die Gäste, aber auch für sich selbst, der Job soll schließlich spannend sein und die sieben Gänge des Menüs – jeweils in zwei Varianten – wollen auch möglichst abwechslungsreich begleitet werden. „Und das muss nicht zwangsläufig Wein sein, das kann auch Bier sein, Tee, Säfte, Fortifieds. Spannendes Thema übrigens!“

René Antrag wäre nicht René Antrag, hätte er aufs Stichwort nicht auch eine passende Rarität in der Hinterhand, in diesem Fall einen Madeira Barbeito Verdelho Frasqueira 1995, eine von nur 1030 produzierten Flaschen, unter Kennern entsprechend begehrt, wobei man die Kenner in Österreich immer noch mit der Lupe suchen muss: „Madeira, Sherry, Masala, Portwein – das ist im englischsprachigen Raum eine Riesengeschichte, bei uns immer noch stark unterbelichtet. Dabei sind aufgespritete Weine ganz tolle Pairing ­ Partner, zum Käse, zum Dessert, aber auch für Zwischengänge, die mehr in die Herzhaftigkeit hineingehen. Da haben wir hier im Steirereck sicher auch Pionierarbeit geleistet, das hat sich bei uns wirklich etabliert.“

Das Leitmotiv dieser Zeitreise steht inzwischen ganz klar vor uns. Es ist die Vielfalt. Wein im Restau rant, das war jahrzehntelang eine relativ klare Sache: leichter Weißwein zur Vorspeise, etwas Kräftigeres zwischendurch, zum Fleischgang ein schwerer Roter. Heute ist das Bild ein völlig anderes. Auch die Küche hat sich ja entwickelt, gerade im Steirereck mit Heinz Reitbauers klarer, filigraner, gemüsiger Küche. René Antrags Getränkebegleitung hat eine ähnliche Evolution hinter sich, der Sommelier hat unbekanntes Terrain, neue Weinbauregionen erschlossen, teils tatsächlich auf eigene Faust: „Wir sind nach Ungarn gefahren, auch in die anderen östlichen Nachbarländer, da ist eine junge Generation von Winzern nachgekommen und hat alte Rebflächen wieder rekultiviert. Wenn man einmal dort war, am Balaton, im Tokaji, in Sopron, dann sieht man erst, was dort an Qualität vorhanden ist. Das war historisch alles schon einmal da, wurde aber teils völlig vergessen.“ René zieht die nächste Flasche aus seinem Präsentekorb: Tokaji Furmint Rany 2018 von Attila Homonna. „Attila war sicher der Pionier, der schon früh dafür gesorgt hat, dass Tokaji auch als trockener Weißwein wieder auf die Landkarte kam. Anfang der 2000er hat ihn damit noch jeder belächelt, aber heute ist er ein Star und hat nicht nur in Ungarn ein neues Bewusstsein geprägt für Rebsorten, die in einer Region herkunfts typisch sind und deshalb dorthin gehören.“ Er könnte bei der Gelegenheit auch über den Wiener Gemischten Satz reden oder über den Furmint im Burgenland, die beide grandiose Erfolgsgeschichten hinter sich haben, er verweist aber, und da ist der Sommelier jetzt wieder ganz in Richtung Zukunft orientiert, auf den (noch) hidden champion unter den heimischen Herkunftssorten, den Zierfandler, im konkreten Fall auf einen Zierfandler Spiegel 2016 vom Weingut Johanneshof Reinisch. Ein Wein, der klar mit seiner Herkunft verwachsen ist – der Thermenregion – und der das auch zeigen darf, weil die Winzer ihn im Keller nicht irgendwie herge r ichtet oder modifiziert haben, sondern so gelassen haben, wie er ist (also ganz fantastisch).

130 S MAGAZIN GLAS-WEISE

„Alles, was wir hier tun, hat im Grunde mit Herkunft zu tun, natürlich bei den Lebensmitteln, aber natürlich auch beim Wein“, sagt René Antrag: „Die Küche hat sich dabei in Richtung Eleganz und Leichtigkeit entwickelt, das beeinflusst auch die Weinbegleitung. Du kannst nicht zu einem zarten Stück Kalbsbries eine Blockbuster ­ Cuvée servieren.“ Gerade beim Rotwein hat sich in diesen zehn Jahren vielleicht am meisten getan, gefragt sind nicht mehr die ganz fetten Bordeaux, sondern Weine mit Frische, Eleganz und Drinkability, Weine wie der El Sarrat 2015 der Domaine Matassa. Die Domaine, 2001 von dem jungen Wilden Tom Lubbe gegründet, hat vom Roussillon im Süden Frankreichs aus die Naturwein ­ Welt ganz erheblich mitgeprägt, hier fließen die Themen dieser Zeitreise auch längst ineinander, die neuen Weine und die unbekannten Regionen, die ja ihrerseits meistens eine lange Tradition haben, aber halt im Dornröschenschlaf lagen, Roussillon eben oder das Jura, wo der Arbois Guille-Bouton 2015 der Domaine des Cavarodes des genialischen Jungwinzers Etienne Thiebaud herstammt, oder auch das ewig unterschätzte Teneriffa: Regionen, die schon eine Geschichte haben, die aber von einer neuen Generation neu interpretiert wird, die keine Blockbuster ­ oder Bewertungsweine mehr macht, sondern authentische Weine. „Ah geil, den machen wir jetzt auf!“, sagt René Antrag und macht den jetzt auf: Candio 2017 vom Weingut Suertes del Marqués, –ein leichtfüßiger, würziger Rotwein aus der Sorte Listan Negro, gewachsen auf sehr alten Reben, teils wirklich uralt, nämlich 200 Jahre, im nördlichen Teneriffa, auf steilen Hängen 600 Meter über dem Meer, hoch in den Wolken und doch vom Atlantik geprägt. Birgit Reitbauer kostet und wäre jetzt womöglich überrascht, wenn sie nicht schon gewusst hätte, wie herausragend dieser Wein ist. „Als ich ins Steirereck gekommen bin, waren noch die großen, massiven Spanier angesagt, Vega Sicilia, Rioja, und nach zwei Gläsern warst du hinüber. Heute hast du auch in Spanien einen neuen Stil, der eben nicht mehr nur warm und fett ist, sondern straff und elegant – und der einen Zug hat, dass man gern mehr davon trinkt.“

Natürlich muss man nicht zwangsläufig über den Atlantik schauen, um das Besondere zu entdecken, es reicht auch ein Blick in die Steiermark. René kippt eine Flasche kopfüber in die Karaffe, nicht ganz die feine Sommelier ­ Klinge, aber der Wein verträgt auch die etwas strengere Behandlung. Es handelt sich um den Sauvignon Blanc Gräfin 2014 von Sepp Muster, diesem stillen Weltstar aus Leutschach, der in Kopenhagen und London schon gefeiert wurde, als ihn in Wien noch kaum jemand kannte. Im Steirereck freilich zählen seine Weine seit Jahren zu den Topsellern, auch wenn diesem Weinstil am Anfang doch viele Gäste skeptisch gegenüberstanden. Antrag erinnert sich: „Biodynamie, maischevergorene Weine, Orangeweine, das ging ab 2010/2011 richtig los und hat sich seither auch fantastisch entwickelt.“ Was damals oft noch Experiment war, hat sich etabliert und stabilisiert, und auch die Gäste haben viel gelernt, manchmal mit leichtem Widerstand, aber das ist der Auftrag und die Kunst des Sommeliers: „Neugier wecken, Spannung erzeu gen, aber nicht überfordern.“ Die Gratwanderung zwischen Überforderung und Überraschung ist René Antrags täglicher Spazierweg.

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132 S MAGAZIN GLAS-WEISE

04–05 „Ah, geil, den machen wir jetzt auf“, sagt René Antrag. Birgit Reitbauer ergänzt: „Du erkennst einen guten Wein daran, dass er ausgetrunken wird.“

Das Eröffnen neuer Welten gehört zum Hauptgeschäft des Steirereck-Sommeliers. René Antrag tut es für die Gäste, aber auch für sich selbst, der Job soll schließlich spannend sein – und bleiben.

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„Jeder Schritt war ein wichtiger. Und wenn einer davon einmal in die falsche Richtung ging, hat er uns trotzdem geprägt“, sagt Birgit Reitbauer voller Überzeugung.

Die Balance dafür hat er allerdings auch erst finden müssen: „Eine gewisse Ignoranz war bei mir am Anfang sicher vorhanden. Man ist jung, motiviert, will alles zeigen, was man kennt, und vergisst manchmal, dass der Gast noch ganz wo anders steht.“ Birgit Reitbauer muss bei dem Gedanken ein bisschen grinsen: „Es gab schon Momente, da ist der René beleidigt von einem Tisch weggestürmt, weil der Gast einen Wein nicht gut fand.“ Frau Reitbauer fühlt sich beim Thema Naturwein immer auch ein bisschen an die Molekularküche erinnert: „Auch da haben ja, als es modern wurde, viele mitgemacht, aber nicht alle haben es wirklich gut gemacht. Darum sind manche Gäste immer noch skeptisch. Weil sie vielleicht Weine serviert bekommen haben, die echt fehlerhaft waren. Wenn mir heute jemand sagt: Bitte nur ja keinen Orange ­ Wein, dann erfülle ich diesen Wunsch gerne. Aber ich frage schon nach, ob man sich nicht doch auf das Experiment einlassen mag, in Kombination mit einem Gericht, bei dem sich eine wunderbare Harmonie ergibt.“ Und wer sich darauf einlässt, der bereut es selten. „Wir haben Stammgäste, die waren eingefleischte Smaragd ­ Trinker, und heute trinken sie nur mehr Andreas Tscheppe.“

Den Kult ­ Winzer aus Glanz hat das Steirereck auch schon sehr früh für sich entdeckt, und ja, auch Restaurants haben Lieblingswinzer. Zu denen gehört im Steirereck ganz bestimmt und ohne Einschränkung auch der südburgenländische Blau fränkisch ­ Pionier Christoph Wachter-Wiesler. Sein Blaufränkisch Deutsch-Schützen 2019 bildet das große Finale unserer Zeitreise, Betonung auf „groß“. René Antrag: „Das ist ein geiler Wein, das muss man einfach einmal so sagen. Ich liebe diese Stilistik, das ist Blaufränkisch so authentisch, wie es nur geht, so saftig, würzig, pfeffrig, das hat Kernigkeit, das ist druckvoll, das ist einfach eine unfassbare Qualität, zu einem sehr fairen Preis obendrein. Das ist ein ehrlich gemachter Wein, das schmeckst du bei jedem Schluck.“ Birgit Reitbauer bittet nur um eine kleine Ergänzung: „Du erkennst einen guten Wein daran, dass er ausgetrunken wird. Das ist bei diesem hier definitiv der Fall.“

Eine letzte Frage noch – schon ein bisschen philosophisch ge stimmt: Was haben wir nun, nach ein paar Gläsern Wein, über die Zeit gelernt? Über das Zusammenspiel von Vergangenheit und Zukunft, von Werden und Sein? Birgit Reitbauer fasst zusammen: „Jeder Schritt war ein wichtiger. Und wenn einer davon einmal in die falsche Richtung ging, dann hat er uns trotzdem geprägt. Ohne die Vergangenheit wären wir nicht, was wir heute sind. Dinge können ruhig schiefgehen. Man muss nur daraus lernen.“

Und die Balance halten, wenn möglich.

134 S MAGAZIN GLAS-WEISE

Vom Guten – Teil 4: Auch wenn’s am Anfang sehr schwierige waren, letzten Endes waren es gute Zeiten, diese zwei Jahre, die Heinz Reitbauer als Lehrling bei den Obauer-Brüdern in Werfen im Salzburgischen verbracht hat. Sehr gute sogar. Nicht minder gute Zeiten erlebte auch unser Autor Christian Seiler. Und zwar in Zürich. Liest man nun, was er aus den Küchen der Schweizer Metropole zu berichten hat, ist man auch schon auf den Geschmack gekommen. Auf den guten. Und dann wäre da noch Fußball-Legende Herbert Prohaska, der sich an seine kulinarische Karriere erinnert. Und er erinnert sich gut.

Wohin &

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S. 130 YIN UND YANG UND EIN LEHRBUB AUS WIEN

S. 148

EIN LEBEN FÜR DIE WUCHTEL UND EIERSPEIS ZU WEIHNACHTEN

135 S MAGAZIN LEHRJAHRE & LOKALAUGENSCHEIN
4
S. 150 ANDERSWO RESERVIERT S. 138 IM ELEGANZGETÜMMEL
136 S MAGAZIN HAUS-BESUCH

Reitbauers bei Obauers – eine Zeitreise nach weit zurück.

Denn hier in Werfen im Salzburger Pongau wurde der heutige Patron des Steirereck in jungen Jahren geerdet, geprägt und hin und wieder auch ein bisserl gedrillt, wenn’s der Fitness wegen hinauf ging zur Eisriesenwelt.

YIN UND YANG UND EIN LEHRBUB AUS WIEN

TEXT: ACHIM SCHNEYDER
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FOTOS: MIRCO TALIERCIO

Nur lächelnde Gesichter, nur sichtlich Spaß am Tun.

„Das ist“, sagt Karl, „alter Stil: Arbeit, Fleiß, Freude.“
Ein Stil, der hier ab 1. Mai 1979 zu pflegen begonnen wurde.

Der Winter wirkt bereits ein wenig kraftlos in diesen Tagen im späten Februar, dafür lugt der Frühling schon erstaunlich energiegeladen ums Eck. „Morgen soll’s erstmals an die 20 Grad kriegen“, sagt Karl Obauer. „Also werden wir, wenn sie gegessen haben, in den Garten übersiedeln und dort ein Glaserl mit ihnen trinken“, sagt Bruder Rudi. „Für wann haben sie sich denn angekündigt?“ – „Am späten Vormittag sollten sie da sein, je nach Verkehr. Sie kommen vom Pogusch.“

Die, die da am morgigen Sonntag gegen Mittag in Markt 46 in 5450 Werfen eintrudeln werden, sind die Reitbauers, und es geht bei dieser Zusammenkunft nicht allein um ein Wiedersehen befreundeter Gastronomen, es geht wie nebenbei auch um die Produktion einer weiteren Folge der Serie „Reitbauers Reisen“ für das vorliegende Magazin. Diesmal ist in Sachen Geschichte aber insofern alles ein bisserl anders, als Birgit und Heinz nicht wie bisher üblich einen ehemaligen Mitarbeiter des Steirereck besuchen, der sich eines Tages der Selbstständigkeit verschrieben hat, diesmal wandeln Birgit und Heinz auf Heinz’ alten Pfaden. Freilich nicht zum ersten Mal seit dessen Zeit als Obauer ­ Lehrling, aber erstmals sind in Werfen ein Fotograf und ein Autor mit von der Partie, die quasi als Vorhut schon am Samstagabend ein bisserl häferlgucken, Anekdoten lauschen und in den Genuss der wahrlich unsagbar guten Küche der Obauers kommen.

„Ein sehr dürrer, sehr blasser Bursch war der Heinz“, erinnert sich Karl Obauer an den damals gerade einmal 16 ­ jährigen Wiener, während er eine Lammniere im Ganzen im eigenen Fett brät. „Die ist für dich“, sagt er zu mir und macht mich sehr glücklich. „Und g’raucht hat er auch nicht wenig“, wirft Bruder Rudi ein, „irgendwelche französischen Filterlosen.“ – „Nein, keine französischen“, widerspricht Peter Buchegger, seit unglaublichen 40 Jahren Souschef der Obauer ­ Brüder und nach wie vor gut befreundet mit dem heuer 54 ­jährigen und längst nichtrauchenden Heinz Reitbauer. „Camel ohne waren’s.“ –„Das hat man g’merkt, wenn wir raufmarschiert sind zum Eingang der Eisriesenwelt in 1.640 Metern und der Heinz hinter uns hergehechelt ist. Für ihn war das eine ziemliche Qual, ein regelrechter Drill, aber es hat ihm gutgetan“, erzählt der begeisterte Berg ­

steiger und Kletterer Karl. Heinz Reitbauer wird den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung am nächsten Tag übrigens augenzwinkernd in Abrede stellen und festhalten, dass er die Anstrengung gespielt hätte und den Älteren einfach nur den Vortritt lassen wollte – es steht Aussage gegen Aussage …

Obwohl’s buchstäblich heiß hergeht in der Küche an diesem Samstagabend und das von Rudis Sohn Berthold geleitete Restaurant bis auf den letzten Platz gefüllt ist, ist die Stimmung rund um die Töpfe und Pfannen außergewöhnlich entspannt, amikal und stressbefreit, was sich auch auf das gesamte Servicepersonal überträgt. Nur lächelnde Gesichter, nur sichtlich Spaß am Tun. „Das ist“, sagt Karl, „alter Stil: Arbeit, Fleiß, Freude.“ Ein Stil, der hier ab 1. Mai 1979 zu pflegen begonnen wurde, nachdem Karl, mit seinen jung gebliebenen 70 der um siebeneinhalb Jahre ältere der beiden Brüder, das Gasthaus Lebzelter von seinem Onkel Rudolf Färbinger gekauft und das neu entstandene Restaurant Obauer von da an schrittweise runderneuert hatte. „In den ersten fünf Jahren gab’s hier nur die Sommersaison, denn im Winter war ich als Küchenchef im Hotel Zürser Hof am Arlberg“, erzählt Karl.

Bruder Rudi, der eigentlich technischer Zeichner werden wollte, war in den Anfängen noch nicht mit an Bord. Der entschied sich 1976 entgegen seinem ursprünglichen Berufswunsch auf Karls Anraten hin schließlich doch für eine Lehre zum Koch, absolvierte diese in Salzburg, danach das Bundesheer, und in weiterer Folge ging er Karl im Winter am Arlberg zur Hand. „Im Winter 1982, dem vorletzten Jahr, in dem Karl und ich im Winter noch im Zürser Hof waren, bin ich dann endgültig voll im heimischen Betrieb eingestiegen, nachdem ich 1981 für einige Zeit auch in Frankreich war.“ Und diese Zeit in Frankreich sollte richtungsweisend sein, denn damals arbeitete Rudi im Städtchen Roanne für die berühmten Brüder Troisgros. „Die waren als Brüder eine regelrechte Marke, und da haben Karl und ich uns gesagt: Das schaffen wir auch.“ Der Rest ist kulinarische Erfolgsgeschichte.

Inzwischen sind die Lichter in der Küche ausgegangen, die Brüder aber noch nicht zu Bett, und so erzählen sie bei einem Glas Wein weiter von sich.

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03–05 Am Vormittag wird Brot gebacken. Weil bei den Obauers eben nur wenig dem Zufall überlassen, sprich so wenig wie möglich zugekauft wird. Und die Damen vom Service beobachten das Treiben in der Küche.

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06–07 Groß ist die Wiedersehensfreude, die Birgit sogleich für die Ewigkeit festhält, als Rudi Birgits Mann Heinz in den Arm nimmt. Rudis Bruder Karl wirft derweil einen messerscharfen Blick auf das Besteck.

„Wir sind wie Yin und Yang“, sagt Rudi, „und wenn wir nicht siebeneinhalb, sondern vielleicht nur eineinhalb oder zwei Jahre auseinander wären, würde es die Brüder Obauer in dieser Form nicht geben.“ –„Das stimmt“, sagt Karl. „Denn damals war er der junge Wilde, ich der Überlegte. Wären wir einander, was erst im Laufe der Jahre passierte, weil man erst im Älterwerden mehr und mehr zusammenschmilzt, schon damals ähnlicher gewesen, unser Konzept hätte nicht funktioniert. Aber so war’s ein gegenseitiges Befruchten. Der Drang des Jungen trifft auf die Erfahrung des Älteren, das war eine perfekte Voraussetzung für den Erfolg. Eine zweite war unsere Erziehung, denn unsere Eltern, die ein paar Häuser weiter eine Pension betrieben haben,

haben uns nicht zuletzt eines erfolgreich gelehrt, nämlich bedingungslos zusammenzuhalten.“ – „Und Yin und Yang bedeutet auch, dass es im Falle von Reibereien automatisch und sehr rasch zu Kompromissen kommt“, sagen beide. „Zu keinen faulen, wohlgemerkt.“

Auch die Rollenverteilung ist klar definiert. „Rudi ist der verantwortliche Küchenchef, er ist ein Besessener, er ist ein Tüftler, er zählt zu den ganz Großen, er ist ein Kochgenie. Und ich bin sein Beikoch, der sich am Vormittag auch um Dinge wie die Buchhaltung kümmert.“ Jetzt schenkt Rudi noch einmal nach und bringt, weil der wichtig ist für die Geschichte und den Werdegang der Salzburger Brüder,

„Buam,

merkt euch eines, ohne Vernunft wird euch dieser Erfolg nicht weiterhelfen.“ So sprach Vater Obauer zu seinen Söhnen nach der ersten Haube. Und die Buam haben sich’s gemerkt.

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08–09
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Das Restaurant Obauer feiert heuer 45. Geburtstag, und seit unglaublichen 40 Jahren begleitet Peter Buchegger die Brüder als Souschef. Links und einfach zum Reinbeißen: eine Sulz von Wildhuhn und Gänseleber.
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„Wenn ich jetzt aufgebe, dann renne ich auch in Zukunft vor allen Herausforderungen davon. Und mit dieser Erkenntnis begann es zu laufen.“ Heinz R. über schwierige erste Wochen.

einen weiteren Rudi ins Spiel: Rudolf Bayr. „Der Rudi war gewissermaßen unser Entdecker, weil der Rudi, der Schriftsteller war, Lyriker, Dramatiker, Journalist, aber auch ein bekannter Restauranttester und ­ kritiker und von 1975 bis 84 Intendant des ORFLandesstudios Salzburg, im Jahr 1981 den ersten und gleich sehr positiven Bericht über die zwei Brüder aus Werfen gemacht hat. Das tat unserem Bekanntheitsgrad gut und trug in weiterer Folge sicher mit dazu bei, dass wir 1982 die erste Haube vom Gault&Millau bekommen haben. Der Rudi Bayr war eine Instanz, und das hat österreichweit das Interesse an uns geweckt.“ – „Als wir die Haube bekommen haben, haben wir uns noch ein Zimmer geteilt, der Rudi und ich“, erzählt Karl und erinnert sich noch gut, was der Vater damals sagte. „Der kam in der Früh in unser Zimmer, hat berichtet, was er soeben Erfreuliches in der Zeitung gelesen hat und gemeint: Buam, merkt euch eines, ohne Vernunft wird euch dieser Erfolg nicht weiterhelfen. Das haben wir uns zu Herzen genommen …“ Bis heute, bis zu den aktuell fünf Hauben.

Ein paar Jahre später war es abermals Rudi Bayr, der gewissermaßen mitschuldig war an einer großen Karriere. Und davon wird während des Mittagessens Heinz Reitbauer erzählen, denn inzwischen ist schon morgen, sprich Sonntag, die Obauer­Brüder sind längst ausgeschlafen und wieder an der Arbeit –der eine noch im Büro, der andere schon längst am Herd – und die Reitbauers in Werfen eingetroffen. Leichter Weißwein wird eingeschenkt, und Birgit und Heinz nehmen an einem Tisch am Fenster mit Blick Richtung Garten Platz. Die Sonne scheint verführerisch. „So überschwänglich ist der Heinz selten, das muss also wirklich überragend gut sein“, sagt die lachende Birgit, als Heinz gerade den zweiten Gang über alle Maßen lobt. Ein „betrunkener“ Saibling ist’s, einer, der vor dem Dämpfen für längere Zeit in Rum eingelegt war. Dazu Rettich, Frisée und Kapernblätter. „Unglaublich“, sagt Heinz noch einmal. Und dann erinnert er sich an seinerzeit. „Ich war 16, hatte die Hotelfachschule inklusive eines Lehrjahrs hinter mir und war wieder zu Hause in Wien im alten Steirereck. Aber da war ich nicht wirklich glücklich. Dann wollte es der Zufall, dass Rudi Bayr eines Abends bei uns im Lokal war und ich diesem Rudi Bayr, der bekannt war mit meinem

Vater, offenbar mein Leid klagte. Er hätte eine Idee für mich, meinte Bayr, stellte den Kontakt zu den Obauers her, die mein Vater natürlich auch kannte, und vermittelte mich als Lehrling. Und dann bin ich für zwei Jahre hier gelandet.“

Das Erwachen in Werfen war allerdings ein böses, denn der junge Heinz lebte im Glauben, sehr reif und sehr weit zu sein. „Ich fühlte mich jedem meines Alters um Jahre überlegen“, gesteht er heute. „Bloß war dem nicht so. An meinem ersten Arbeitstag bei den Obauers wusste ich, dass das Illusion war, dass ich in Wahrheit patschert bin ohne Ende und nix kann. Ich war in der Realität angekommen …“ Und so kam es, dass sich Heinz in den ersten Wochen und Monaten in seinem kleinen Personalzimmerchen nicht selten in den Schlaf weinte. „Nämlich wirklich, mit ganz echten Tränen. Aber irgendwann war mir plötzlich klar: Wenn ich jetzt aufgebe, dann renne ich auch in Zukunft vor allen Herausforderungen davon. Und mit dieser Erkenntnis begann es zu laufen. Aber auch dank der Freunde, die ich fand. Der damalige Oberkellner sollte später mein Trauzeuge werden und mit dem Peter, der schon damals Souschef war, verbindet mich die gute Freundschaft immer noch. Und natürlich nicht zuletzt dank Karl und Rudi, die sich unglaublich um mich gekümmert, mich Demut und Respekt gelehrt und mich so richtig geerdet haben.“ – „Auch wenn’s am Anfang nicht leicht für ihn war, aber wir haben sein Potenzial sehr bald gespürt“, sagt Karl. Tja, auch in diesem Fall ist der Rest kulinarische Erfolgsgeschichte weit über Österreichs Grenzen hinaus.

Draußen an einer Hauswand stehen eine Bank und ein paar Sessel in der Sonne, Champagner wird eingeschenkt und Heinz beteuert grinsend, damals nur so getan zu haben, als habe ihn der Aufstieg zur Eisriesenwelt so richtig fix und fertig gemacht. Die Obauers lächeln milde. „Erfolg hin oder her, als Mensch hat sich der Heinz keinen Deut verändert“, sagt Karl Obauer. „Auch die Obauers sind heute noch so geerdet, bescheiden und umgänglich, wie sie es immer waren“, sagt Heinz Reitbauer.

Darauf lässt es sich wunderbar anstoßen. Zum Wohl.

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Rudis Sohn Berthold legt mit dem Bügeleisen Hand an, einer aus dem Küchenteam widmet sich dem Fleisch und zwischendurch kommt’s zum sonnigen Obauer ­ Reitbauer ­ Anstoßen im Garten hinter dem Haus.

ZÜRICHS ERSTAUNLICHES KULINARIKANGEBOT: VOM NEUEN

SUPER-CHEF’S-TABLE BIS ZUR WELTBESTEN KALBSBRATWURST. UND IMMER WIRD HALTUNG BEWAHRT.

IM ELEGANZGETÜMMEL

TEXT: CHRISTIAN SEILER

FOTOS: MIRCO TALIERCIO

01–03 Blick auf Helmhaus, Storchen und Limmat (rechts), Servicebriefing in der „Kronenhalle“ und feinste Kalbsbratwurst vom Sternengrill.

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Gleich einmal ein paar Superlative zum Start: Der Bauernmarkt auf dem Bürkliplatz, dort, wo die Bahnhofstraße auf den Zürichsee trifft, ist einer der schönsten der Welt. Die Straßenbahn – „das Tram“, wie die Zürcherinnen und Zürcher ihr Lieblingsverkehrsmittel zärtlich nennen – überquert hier die Schmalstelle, wo die Limmat, Zürichs Stadtfluss, aus dem Zürichsee austritt. Ich kenne keinen Ausblick aus einem Tramfenster, der so prachtvoll ist wie der von der Seebrücke über Zürichsee und Glarner Alpen im Vormittagslicht.

Der Ort heißt nicht von ungefähr Bellevue. Kein Wunder, dass hier die „Kronenhalle“ zu Hause ist.

Dieses wundersame Etablissement ist die Verkörperung des Superlativs, ein Ort von nahezu vollkommener Schönheit. Sie entstand vor exakt hundert Jahren durch den Umbau eines Pferdestalls. Die reichen Schweizerinnen und Schweizer ließen es sich dort bald gut gehen, während Inhaberin Hulda Zumsteg mit dem, was die wohlhabende Kundschaft übrig ließ – „s Voorig vo de Riiche“ –, eine ganze Emigranten ­ Generation durchfütterte, unter ihnen viele Maler und Schriftsteller. Es war jedoch ihr Sohn Gustav, der das bewundernswerte Gespür für Kunst mitbrachte, wodurch die „Kronenhalle“ von einem guten Restaurant in einen der schönsten Plätze der Welt verwandelt wurde. Gustav machte sein Geld im

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Seidenhandel und gab es für Bilder von Segantini, Giacometti, Miró oder Picasso aus. Als die Wände seiner Wohnung, die direkt über dem Restaurant lag, zu klein für seine Sammlung wurden, hängte er die Bilder einfach ins Lokal – und begründete damit jene Aura, die die „Kronenhalle“ bis heute umgibt: das Schöne, das Wertvolle und das Unerreichbare.

Während Zürich zwar reich, dabei aber geradezu zwänglerisch diskret und um die Unsichtbarkeit des eigenen Wohlstands bemüht ist, fungiert die „Kronenhalle“ als Zollfreizone der Zurückhaltung. In den Logen der Brasserie tagen der Geist, der Geschmack und das Geld, Theaterdirektoren, Hollywoodstars und Günter Netzer. Von draußen dringt gedämpftes Licht schräg durch die großen, mit durchsichtigen Vorhängen verhängten Scheiben. Dunkle Holzverschalungen verleihen dem Raum Würde. Die Decke hat nach Jahrzehnten der Imprägnierung durch Zigarren ­ und Zigarettenrauch die Farbe eines blassen Tabakblatts angenommen. Und die Bilder hängen selbstbewusst und wertvoll an den Wänden wie sonst nur in den besten Museen.

Das Zürcher Geschnetzelte so, wie es sein muss. Der Pot au Feu, der vom Wagen serviert wird, erstklassig. Die Rösti – richtig: „die“ Rösti so wie „die“ Geliebte – ist der Urmeter für knusprige Erdäpfel, und wenn der Kellner, selbstverständlich in per ­

fekt sitzender weißer Jacke, irgendwann mit der Mousse au Chocolat ankommt, ist Widerstand bitte zwecklos. Mit einem Löffel Doppelrahm. Und einem „Expresso“.

Zürich ist eine dezidiert internationale Stadt. In vielen Cafés, etwa dem „Monocle“ im Seefeld oder bei den japanischen Kaffeevirtuosen von „Mame“, wird wie in den Headquartern von Google oder der UBS selbstverständlich englisch gesprochen, don’t try this in Schwyzerdütsch. Es gibt eine Vielzahl an bemerkenswerten Ethnoküchen von herrlich altmodischen Italienern („Casa Ferlin“) und Spaniern („Casa Aurelio“) bis zu lässigen Thais, Vietnamesen, Libanesen – und dem grandiosen türkischen Restaurant „Gül“, das die exakte Antithese zum Kebabstand ist, mit dem wir die türkische Küche landläufig verwechseln.

Es ist ein Moment kulinarischer Erleuchtung, der Köchin Elif Askan zuzuschauen, wie sie ihr Team auf den Abendservice einschwört, bei dem hunderte Teller in den großen, schlicht, aber modern eingerichteten Speisesaal des „Gül“ geschickt werden. Es kommen geröstete Pistazien und Kichererbsen, gleichzeitig die legendären Çiğ Köfte, die wie der Griff eines Skistocks im Salatblatt aussehen. Pide, türkische Teigschiffchen, sind mit Brillat ­ Savarin und Trüffel belegt und mit Apfelmelasse glasiert.

04–06 Dürrenmatt ­ Tisch in der berühmten „Kronenhalle“ un d beste türkische Küche in Elif Askans „Gül“.

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07–08 Ein Wunder von einer Quartierbeiz ist das Restaurant „Gamper“: große Kunst der Verfeinerung gut ausgewählter Lebensmittel.

Das Wasser prägt das Leben in Zürich. See und Fluss, links die Münsterbrücke über die Limmat, nehmen die Stadt liebevoll in die Arme. Hier mischen sich Eleganz, Spaß, Trubel und Melancholie.

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Mamas Sarma, hinreißend, und die Hühner­Külbasti, gegrillte und entbeinte Hühnerkeulen mit frischem Kräutersalat und geröstetem Tahini, sollte man besser auch nicht auslassen. Dass Elifs Vater Ali, den alle Baba nennen, im Service hilft, unterstreicht den familiären Charakter des Hauses. Dieser Charme leidet trotz des Trubels und Andrangs nicht eine Sekunde, ein Zeichen höchster gastronomischer Souveränität.

Zürich hat sehr unterschiedliche Gesichter. Da ist einerseits die mittelalterliche Altstadt. Im Ober ­ und Niederdorf findet man auf Schritt und Tritt Bedeutsames, das Geburtshaus von Dada, das „Cabaret Voltaire“, die Bäckerei Vohdin, die hier seit dem 17. Jahrhundert Amaretti bäckt, traditionelle Lokale wie den „Weissen Wind“ oder die „Bodega Española“, vor der alte Herren, die noch nie von der protestantischen Ethik gehört haben, schon vormittags an der frischen Luft ihren Rotwein trinken. Die wundervolle Kolonialwarenhandlung „Schwarzenbach“ ist schon allein wegen des Dufts nach frisch geröstetem Kaffee einen Besuch wert. Wenn Sie schon da sind, sollten Sie aber auch die Schokolade der neuen Zürcher Chocolatiers „Laflor“ und „Garcoa“ probieren, da eröffnen sich gerade neue Welten.

Auf der anderen Seite der Limmat dominiert die Bahnhofstraße mit ihrem einschüchternden

Markenschick. Wer sehr schnell sehr viel Geld in Uhren, Kaschmir oder Kunst investieren möchte, findet hier ideale Bedingungen vor. Man kann sich aber auch zum Trost einen guten Kaffee leisten, im Industrial Chic von „John Baker“ auf Nummer 9 oder sonst bei „Sprüngli“ auf dem Paradeplatz, einem seit Jahrzehnten unveränderten Tea Room mit dem besten Bircher Müsli, das ich je gegessen habe. Schweizerischer – verstehen Sie das, wie Sie wollen – wird’s nicht.

In den früheren Arbeiterquartieren hinter dem Bahnhof, dem Kreis 4 und 5, ist die fast schon arrogante Eleganz Zürichs plötzlich wie weggewischt. Die Stadt wird zugänglich, hip und unterhaltsam. Kein Wunder, dass sich zwischen skandinavischen Möbelgeschäften, Nischenbuchhandlungen und Architekturbüros auch einige der besten neuen Gastrokonzepte angesiedelt haben: Zizi Hattabs veganes Sternerestaurant „Kle“ zum Beispiel oder Marius Frehners „Gamper“, wo die Kunst, aus frischen Zutaten täglich etwas Außerordentliches herzustellen, auf die Spitze getrieben wird.

Ich aß im „Gamper“ eine fantastische Tarte Tatin von der Tropea ­ Zwiebel, grünen Spargel mit einer Vinaigrette aus brauner Butter, Verjus und Haselnüssen, eine kleine Pasta, die keine Pasta war, sondern mit dem Spiralschneider in Spaghettiform

09–10 Amaretti in der Bäckerei Vohdin im Niederdorf, wo seit dem 17. Jahrhundert gebacken wird, sinnvoll gestaltete Tagesfreizeit ebendort.

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überführter Kohlrabi. Ich aß – mit ein paar Freunden, nicht allein – ein überragendes Spanferkel, dessen Teile in eine Art knusprige Mini ­ Porchetta überführt worden waren, samt dem Kopf des Ferkels, über den wir uns am Schluss hermachten. Diese Küche konzentriert sich auf ausgesuchte Bio ­ und Demeter ­ Zutaten und schreckt nicht davor zurück, einfach und verständlich zu sein – und gerade deshalb so außergewöhnlich.

Ebenfalls im Kreis 4 ordiniert Markus Stöckle in seinem angeblich bayerischen Wirtshaus „Rosi“. Wer ins „Rosi“ geht, bekommt nicht nur Obatzten, sondern beste Unterhaltung. Stöckle ist einer der wenigen Köche, die ich kenne, die Humor und Geschmack miteinander versöhnen (ein anderer war Reinhard Gerer). Stöckle serviert tätowierte Schweinshaut, magische Schwammerl, ein Wiener Schnitzel, das wie eine Blumenwiese aussieht, ein mit Kalbfleisch gefülltes Huhn oder sein „Überraschungsei“: Das kommt von der Wachtel, ist von einer Farce vom Fabelwesen – Markus nennt es auf gut bayerisch „Wolpertinger“ – umhüllt, paniert und herausgebacken. Die Präsentation jedes Gerichts ist ein Meisterstück der Heiterkeit. Kein Wunder, dass etwa die anarchische österreichische „Healthy Boy Band“ (Philip Rachinger, Lukas Mraz und Felix Schellhorn) niemals nach Zürich kommt, ohne verlässlich im „Rosi“ einzukehren.

Fine Dining steht in Zürich deutlich weniger im Fokus als in anderen Großstädten. Nach vielen Jahren, in denen man für den Besuch eines Sternerestaurants aufs Land fahren musste, hat Zürich inzwischen nachgebessert. Andreas Caminada eröffnete eine Filiale seines fantasievollen SharingKonzepts „Igniv“ in der Altstadt. Heiko Nieder präsentiert in „The Restaurant“ im hoch über der Stadt gelegenen „Dolder Grand“ eine sensible, eigenwillige Hochküche. Im Hotel „Widder“ am Rennweg hat sich Stefan Heilemann, ein Neoklassiker, etabliert, und im Zürcher Hauptbahnhof, zuletzt jahrelang Baustelle, ist gerade das vielleicht spannendste neue Fine ­ Dining ­ Restaurant an den Start gegangen: „The Counter“, ein Chef’s ­ Table ­ Konzept aus dem Gastro ­ Imperium von Nenad Mlinarevic und Valentin Diem.

Der gelernte Koch Mlinarevic, den ganz Zürich nur bei seinem Vornamen Nenad anspricht, hat sich selbst in der Spitzengastronomie einen Namen gemacht. Als Küchenchef des „Focus“ in Vitznau wurde er nicht nur zum „Koch des Jahres“ gewählt und mit zwei Michelin ­ S ternen ausgezeichnet, er schaffte auch die Umstellung des Restaurants auf mehrheitlich regionale Lebensmittel, womit er den entsprechenden Trend in der Schweizer Hochgastronomie verankerte.

11–12 Mit dem Fondue ­ Tram im Käseduft durch die Stadt, mit Markus Stöckle im „Rosi“ zu einem bayerisch ­ kulinarischen Erlebnis der anderen Art: zwei sehr unterschiedliche Wege zum Glück.

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Als Nenad, das solchermaßen geadelte Wunderkind, Vitznau verließ, setzte er überraschenderweise nicht den eingeschlagenen Weg in Richtung noch mehr Sterne fort. Er organisierte zuerst in Zürich vielbeachtete Pop ­ ups, dann eröffnete er gemeinsam mit Partnern sein erstes eigenes Lokal: die „Bauernschänke“, ein feingliedriges Farm ­ to ­ table ­ Konzept in historischer Kulisse, das bis heute unbedingt empfehlenswert ist. Bald folgte die „Neue Taverne“, ein vegetarisches Lokal, wie ich selten eines erlebt habe, so cool, frisch und kreativ, schließlich das „Neumarkt“, ein bürgerliches „Reschti“, wie Nenad seine Restaurants schweizerdeutsch abkürzt, durch das jetzt frischer Wind weht.

„The Counter“ unter Küchenchef Mitja Birlo ist Nenads vierter Streich, ein modernes, genuines FineDining ­ Restaurant im frisch renovierten Zürcher Hauptbahnhof. Der Name sagt schon alles: 17 Sitzplätze sind an einer monumentalen Messingtheke situiert, die das ganze Lokal durchmisst. Für Gruppen steht ein einziger Tisch für sechs Personen zur Verfügung. Das Menü umfasst 17 Gänge. Der Stil lässt sich nicht ganz leicht verorten, er oszilliert zwischen japanischen, nordischen, französischen, aber auch südamerikanischen Akzenten, etwa der bei 46 Grad gedämpfte und dann mit Honig angebratene Kabeljau mit einer Thai ­ Curry ­ Reduktion, die zu einer Zabaione aufgeschlagen wird. Dazu ein Chut ­

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ney aus getrockneten Marillen und fermentierten Jalapeños sowie ein Stroh aus Kombu ­ Algen. Die Restaurantkritiker sind jedenfalls entzückt, und es scheint durchaus plausibel, dass die Stadt Zürich das neue, entsprechend teure Feinschmeckerlokal liebevoll umarmen könnte.

Gleich nebenan hat, weitaus weniger formell, die „Brasserie Süd“ eröffnet, Nenads fünftes Projekt. Sie verwandelt den Zürcher „HB“ endgültig in ein kulinarisches Eldorado. Es ist, eigentlich unüblich für Zürich, ein dezidiert urbanes Vergnügen, hier unter der sechs Meter hohen, denkmalgeschützten Decke zu sitzen, Weißwein zu trinken und darüber nachzudenken, ob man das Rindsfilet Rossini oder die Jakobsmuscheln mit brauner Butter bestellen soll. Wie in der „Kronenhalle“ ist es übrigens besonders empfehlenswert, hier den Nachmittag zu vertändeln, den andere dafür brauchen, ihr Vermögen zu vermehren oder den Warenfluss an der Bahnhofstraße am Laufen zu halten.

Und nein, Zürich wäre keine komplette Stadt, hätte sie nicht ihre Fluchtorte: Plätze, die auf sympathische Weise aus der Art schlagen, weder teuer noch schick oder wie üblich cool sind. Der „Sternen Grill“ am Bellevue ist so einer, ein Würstelstand mit Dach, allerdings einer, wo es die meiner bescheidenen Meinung nach besten Kalbsbratwürste der

Welt gibt. Dort eine Wurst zu pflücken und sie mit einem knusprigen Sauerteigbürli und sauscharfem Senf im Freien zu verzehren, ist ein eskapistisches Vergnügen.

Und wenn nach ein paar Tagen im Eleganzgetümmel die Sehnsucht nach Stadtflucht aufkeimt, wartet draußen im Arbeiterbezirk Schwamendingen das Ausflugslokal „Ziegelhütte“. Es führen viele Wege dorthin. Ich ging vom Zoo auf dem Zürichberg zu Fuß durch den schattigen Wald und freute mich auf das, was die Ziegelhütte wie keine andere Beiz in Zürich repräsentiert: Wirtshauskultur. Hier wird nicht herumgekünstelt, sondern „währschaft“ ge kocht, wie man in der Schweiz das Deftige nennt, geradeaus und klar, mit Lebensmitteln, deren Herkunft genau aufgeschlüsselt ist und einem Prinzip, das dem Nose ­ to ­ Tail ­ Cooking von Fergus Henderson recht nahe kommt. Ich nehme die Artischocke und die Chässchnitte – wer noch nie eine probiert hat, sollte sie hier bestellen. Nicht gerade leicht, aber ein würziges Vergnügen.

Die Sonne scheint. Im nahen Kloten starten und landen die Flugzeuge. Endlich bin ich zwischen allen Welten angekommen.

13–15 Hochleistungskulinarik im neu eröffneten „The Counter“ (großes Bild), Urbanität in der „Brasserie Süd“ (u. li.), beste Zürcher Wirtshauskultur mit Rose Lanfranchi und Stefan Tamò in der „Ziegelhütte“ (u. re.).

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HERBERT PROHASKA

MEINE GESCHMACKSERINNERUNGEN

AUFGEZEICHNET VON MICHAEL HUFNAGL

EIN LEBEN FÜR

DIE WUCHTEL UND EIERSPEIS

ZU WEIHNACHTEN

FOTO: PHILIPP HORAK

Es ist eine Tücke, mit Herbert Prohaska übers Essen zu reden. Ein Autor, der als Kind von früh bis spät einem Ball nachgelaufen ist, jedes Match der Wiener Austria zum Sinn des Lebens verklärt hat und heute noch in der weiten Welt der Wuchtel seinen Seelenfrieden findet, dürfte bitteschön nie und nimmer den Versuch unternehmen, ausgerechnet mit einem Schneckerl Geschmackserinnerungen aufzufrischen. Das muss scheitern – quasi an der gemeinsamen Leidenschaft.

Weil es nämlich im Namen der Tücke so ist, dass Österreichs Jahrhundertkicker blitzschnell Situationen antizipiert – wie ein Mittelfeld ­ R egisseur, der intuitiv den entscheidenden Pass in die Tiefe des Raumes spielt. Und so beginnt Herbert Prohaska zwar, Gedanken über die Vorlieben am gedeckten Tisch zu formulieren, schlägt aber mit technisch feiner Wortklinge doch immer wieder überraschend jene Haken, die ihn und den dankbaren Zuhörer zurück auf den grünen Rasen führen.

Der Simmeringer beginnt bei der Lieblingsspeise Wiener Schnitzel („das gab’s schon in meiner Kindheit, auch ohne Geld, immer vom Kalb“) und landet bei der Bedeutung von David Alaba fürs Nationalteam. Er erzählt vom Grammelschmalz („das stand immer im Eiskasten und tut es heute noch“) und biegt ruckzuck zum Spielsystem, das sich von Libero und Vorstopper zu Dreier ­ und Viererkette gewandelt hat. Er schildert stolz, wie er einst einen Rochenflügel zubereitet hat („obwohl mich meine Frau und meine Schwiegermutter eigentlich immer aus der Küche verbannt haben“) und verschwindet im selben Atemzug im Labyrinth der Anekdoten – von Hasil bis Krankl, vom Parkettzauber in der Stadthalle bis zur Derbyatmosphäre in San Siro zu Mailand, vom Stürmerdasein bei Ostbahn XI bis zu Andi Herzogs Zeh bei der WM in Frankreich.

Der 84 ­ fache Teamspieler kredenzt eine Fußballerinnerung nach der anderen, fein abgeschmeckt mit profundem Hintergrundwissen, stets gewürzt mit Schmäh und Selbstironie, und gelegentlich mit der Beilage: „Aber hurch, des net schreiben!“ Man muss also den Geschichtenerzähler, der im kommenden Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, immer wieder streng ermutigen: „Herr Schneckerl, bitte zurück zum Thema!“ – eine Art Kabinenpredigt in den kurzen Pausen.

Dann erfährt man, dass Klein ­ Herbert als Kind vom Großvater „wirklich gut“ bekocht wurde, weil die Eltern arbeiten mussten. Dass es das Mittagessen immer Punkt 11:15 Uhr und Fleisch nur am Sonntag gab. Oder, dass der Bub nach gruseligen Darstellungen von Menschen, die an verschluckten Fischgräten gestorben waren, vor lauter Angst den Kabeljau verweigerte: „Ich habe daher als Einziger etliche Jahre lang zu Weihnachten eine Eierspeis bekommen.“

Als 17 ­ jähriges Supertalent kam Prohaska 1972 zur Wiener Austria. Er sollte bis zum Karriereende 1989 im eigenen Land nie für eine andere Mannschaft spielen, 453 Mal geigte er in der Bundesliga für seinen Verein. Von 1980 bis 1983 spielte er in Italien. Und das ist im Vergleich zu heute tatsächlich besonders erwähnenswert, weil es keine EU gab, die eine freie Arbeitsplatzwahl garantierte, sondern nur zwei Legionäre pro Team gesetzlich erlaubt waren. Das macht Prohaska mindestens so stolz wie der Hinweis darauf, dass er zwar keine Froschschenkel isst, aber dafür drei Teller Kochsalat schafft: „Frisch muss er halt sein, dazu eine Waldviertler reinschneiden, und ich bin glücklich.“

Geplant war freilich, dass der Publikumsliebling darüber philosophiert, welche kulinarischen Spuren seine Engagements in Mailand und Rom bei

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ihm hinterließen, aber – tja – es folgen verlässlich die Erinnerungen an den Torriecher von Altobelli bei Inter Mailand und an den Vertragspoker von Falcão bei AS Roma. Gefolgt vom emotionalen Epos zum ersten Meistertitel, der nach 50 Jahren Pause in der Ewigen Stadt auch seinet wegen – grazie all’arte dell’ austriaco – gefeiert wurde.

Jo eh, aber was ist mit der Pasta? Prohaska dribbelt sich erst durch die Schilderungen, wie Trainer und Teamkollegen ihm beibringen mussten, dass man in Italien nicht mit Bier zusammensitzt: „Das war so eine Art Kulturverrat. So bin ich schnell zum Weintrinker und Weinkenner geworden, der ich so gar nicht war.“ Was er augenblicklich durch eine besonders originelle Reminiszenz bestätigt: „Ich hab’ einmal eine Flasche Château Pétrus geschenkt bekommen, und weil ich keine Ahnung hatte, haben meine Frau und ich die irgendwann aus einer Laune heraus für ein Mittagessen aufgemacht … und, pass auf, zu simplen Eiernockerln getrunken. Grad, dass ich ihn nicht g’spritzt hab.“ Dann lacht er wie so oft herzlich über sich selbst und kehrt gedanklich doch zu den Nudeln und zu einer Erkenntnis zurück: „Es gab in Italien hunderte Varianten von Pasta und Risotto, in einer Qualität, das konnte man sich als Österreicher gar nicht vorstellen. Und Fisch, den ich nach dem überwundenen Weihnachtstrauma mittlerweile über alles liebe. Das ist viel mehr als Essen, das ist ein Lebensgefühl.“

Expertisen hören. Da referiert der zweifache Papa (Töchter Barbara, 44, und Birgit, 40) und vierfache Opa, der sich sein spitzbübisches Lachen immerzu bewahrt hat, über … … das grandiose Gulasch seiner Frau Elisabeth und selbstgemachte „Weltklasse ­ Nockerln“; … Scaloppine al limone, das er im Verbund mit dem Enkerl gezaubert hat („frage nicht, wie die Küche aus g ’schaut hat“); … Obst, das er zu wenig isst, was allenfalls daran liege, „dass es früher vor jedem Austria ­ Match Fruchtsalat gegeben hat, der uns wie die Bouillon und das Naturschnitzerl schon bei den Ohren rausgekommen ist“; … Milchreis mit Zimt, den er im Gegensatz zum „schrecklichen Erleb nis Grießkoch“ zwar heiß begehrt, aber meistens sowieso nicht bis zur Nachspeise kommt, weil er zuvor schon so viel Brot mit Butter gegessen hat: „Wenn du den ersten Hunger so gierig stillst, ist für den letzten kein Platz mehr.“

HERBERT PROHASKA versteht es meisterlich, mit Messer und Gabel umzugehen. Und auch sein Gaumen ist ein über Jahre perfekt geschulter.

Ins Steirereck gingen die Prohaskas schon vor Jahrzehnten regelmäßig, als es noch ein Gasthaus in Praternähe „mit dem weltbesten steirischen Wurzelfleisch“ war. Und dann wächst man halt über die Jahre mit und sagt heute: „Dieses Restaurant ist eine Erlebniswelt. Der Name Reitbauer steht für Faszination, Staunen und Kunst.“

Seine Trainerkarriere (Austria Wien und Nationalteam) beendete der Schneck nach nur zehn Jahren, kurz darauf versuchte er sich während der EURO 2000 als TV ­ Experte. 24 Jahre später gehört er immer noch zum Analyseteam des ORF und fällt als „Gute Nacht“ ­ Vermittler längst in die Kategorie Kult: „Dafür bin ich unendlich dankbar, weil Fußball ist alles, was ich kann.“ Was so freilich nicht stimmt. Immerhin lassen sich auch seine Gourmet ­

Kontinuität ist ein Wert – ob es die Treue zu einem Verein, zu einem Lokal oder vor allem zur eigenen Frau ist. Im Dezember haben Herbert und Elisabeth ihren 50. Hochzeitstag. Wo und wie genau „die Goldene“ gefeiert wird, ist noch nicht entschieden. Was aber gesichert scheint: Einer wie Herbert Prohaska wird auch an diesem Tag viel erzählen. Vom goldenen Schuh über die goldene Generation bis zum Golden Goal … und irgendwann – zurück zum Thema, bitte – ganz sicher auch über das goldene Herz seiner Frau.

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ANDERSWO RESERVIERT

EMPFEHLUNGEN VON BIRGIT UND HEINZ REITBAUER TEIL 17

Paris ist bekanntlich immer eine Reise wert. Und auch abseits der bekannten Topadressen hat die Stadt sehr viel zu bieten. Unser jüngster Besuch führte uns einmal mehr in kleine, feine Bistros und Brasserien.

Ein Bistro, in dem ein Italiener hinter dem Herd steht und ein gelernter Winzer, dem die Arbeit im Weinkeller dann doch zu einsam war, an der Front. Ein Menü, täglich wechselnd, der Saison und dem Produktangebot folgend. Französisch mit einem Hauch Italien. Herrlich leicht und frisch. Auf Wunsch gibt es Weinbegleitung, oder aber man lässt sich eine feine Flasche empfehlen, darunter viele Geheimtipps und das Gros bio oder natural.

DATIL

Eine wunderbare Leichtigkeit und Eleganz zieht sich durch einen Besuch im Datil. Die Stimmung ist feinsinnig, der Service aufmerksam und liebevoll, die Küche elegant und geschmackvoll. Durch die Zusammenarbeit mit zwei Landwirten liegt ein starker Fokus auf einer pflanzenbasierten Küche, die immer wieder Fisch und Fleisch geschmackvoll in den Vordergrund stellt. Die Weinempfehlungen sind oft unbekannt und immer harmonisch auf das Essen abgestimmt. Ein Abend im Datil ist wie Kurzurlaub, man lässt die Seele einfach baumeln.

LE SERVAN

Das Servan hat an dieser Stelle schon einmal Erwähnung gefunden. Es ist dort aber immer so gut, dass wir es einfach noch einmal erwähnen möchten. Ein Ort, ein bisschen wie heimkommen. Die Karte wechselt laufend, und doch fallen Klassiker wie Kalbsbries, Muscheln oder Makrele und Brioche nicht der Veränderung zum Opfer. Dazu einen Stillwein aus der Champagne und es kann nur ein großartiger Mittag werden.

LES AMBASSADEURS IM HÔTEL DE CRILLON

Die Bar im Crillon, einer Pariser Hotellegende, sei an dieser Stelle besonders erwähnt. Hotelbars gibt es in einer Stadt wie Paris wahrlich viele, darunter auch viele sehr gute, aber die Bar im Crillon ist doch etwas Besonderes. Einmal Gast im Les Ambassadeurs gewesen, möchte man seinen Pre­ oder Après­DinnerDrink eigentlich nirgends anders mehr genießen. Neben den Klassikern und all ­ time favorites hat man eigene Sense ­ of ­ Taste ­ Cocktails kreiert. Angepasst an die Jahreszeit, werden im Frühling Spargel, Morchel, Rhabarber oder Ringelblume in die Mixturen eingearbeitet. Der Service ist charmant und aufmerksam und freut sich besonders über Wiederholungstäter, die dann, auch ohne Reservierung, besonders liebevoll umsorgt werden.

ADRESSEN

DILIA

1, Rue d’Eupatoria, 75020 Paris +33 9 53562414 www.dilia.fr

DATIL

13, Rue des Gravilliers, 75003 Paris +33 1 80057498 www.datil-restaurant.fr

LE SERVAN

32, Rue St. Maur, 75011 Paris +33 1 55285182 www.leservan.fr

LES AMBASSADEURS IM HÔTEL DE CRILLON

10, Pl. de la Concorde, 75008 Paris +33 1 44711517 rosewoodhotels.com

158 S MAGAZIN LOKAL-FÜHRER

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