Das S Magazin #12

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8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) Steirereck Wien EIN FISCH, EIN SCHWEIN UND EIN TRAUM VOM GEMÜSEPARADIES . BILDER EINES JUBILÄUMS UND DER WEIN ALS ZEITZEUGE . EINE REISE NACH KIEW UND IN ALLERLEI GEDANKENWELTEN . Ausgabe 12 12 9 190001 017143

Wandel kann gut beseelt und etwas ganz Wunderbares sein. Er entstaubt, erstaunt, verwirrt, überrascht, befreit, ermutigt, motiviert und manchmal verärgert er auch, enttäuscht oder macht traurig.

So oder so ist der Wandel für die Gastronomie jedoch etwas Unverzichtbares. Die ständige Veränderung treibt uns an, stärkt uns, bringt neue Produkte oder Arbeitsweisen. Und sie erweitert den Horizont. Unseren Gästen werden neue Geschmäcker und Gerüche nähergebracht. Und Dinge, die vielleicht schon vergessen oder gar nie entdeckt wurden.

Man nehme: ein bisschen vom Alten und ganz viel vom Neuen. Natürlich bevorzugt man seine Lieblingsgerichte gerne als sofort wiedererkennbaren Genuss, und es ist Behutsamkeit geboten bei Experimenten mit dem Geschmack, der fest im Kopf verankert ist. Aber sonst kann … nein … muss sich immer etwas rühren.

Apropos rühren: Die Zeit sorgt für viel Bewegung und sie hat uns zusammenwachsen lassen mit einer ganzen Menge Menschen. Mit den Besuchern, die als Stammgäste und Neuankömmlinge, als Wiederkehrer und Einzeltäter über die vielen Jahre in unserem Haus willkommen waren. Ihnen allen gebührt Dank.

Wie auch unseren Lieferanten, die tagtäglich ihr Herzblut einbringen, um außergewöhnliche Qualität offenbaren zu können. Die sich freuen und stolz sind, wenn Ihre Produkte mit Respekt und Anerkennung behandelt und verarbeitet werden.

Und natürlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die über all die Jahrzehnte Teil unseres Teams gewesen sind. Manche kürzer, viele länger. Einige davon stehen heute im eigenen Wirtshaus und machen stolz ob ihrer Tüchtigkeit und ihres Erfolges. Sie tragen ein kleines Stück Steirereck im Herzen, und der mehr oder weniger regelmäßige Kontakt lässt die Familie teilhaben an ihrer Entwicklung.

Sie alle waren maßgeblich daran beteiligt, dass aus einem einfachen, gutbürgerlichen Ecklokal in 50 Jahren dieses Restaurant mit Seele geworden ist. Und wir glauben keinesfalls, schon am Ende unseres Wissensweges zu sein. Denn immer wieder werden wir aufs Neue überrascht und stellen, frei abgewandelt nach Sokrates, fest: „Wir wissen, dass wir nichts wissen.“

Das ist gut so. Denn die vergangen 50 Jahre sind so schnell verflogen, dass wir uns schon jetzt auf die nächsten freuen.

EDITORIAL S Magazin, Ausgabe 12 BIRGIT UND HEINZ REITBAUER
5 S MAGAZIN VOR-SÄTZE

8 DIE ENTDECKUNG DES GENUSSES

Der lange Weg zur Erleuchtung.

Von Vea Kaiser

10 FUND-STÜCKE

Edles, Schönes, Schmackhaftes –Tipps für ein genussvolles Sein.

1 Wer & warum

INHALT 2 Wie & für wen

30 LAICH UND SCHÖN

Wenn die Reinanken zu Weihnachten ans Ufer kommen, um Kinder zu kriegen.

Von Sebastian Hofer

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GEERNTET WIRD IMMER ERST SPÄTER

Das Kräuter- und Gemüseparadies von Evi und Mario Bach – eine Besonderheit.

Von Uschi Korda

46 DIE FRUCHT AUS TAUSENDUNDEINER NACHT

Eine Köstlichkeit, deren Sortenvielfalt entdeckt werden will – die Aubergine.

Von Ute Woltron

56 SAUWIRTSCHAFT

Es ist im kulinarischen Erbe Österreichs als Liebling fix verankert: Schweinefleisch.

Von Katharina Seiser

62 LEBENSLANGE LIEBE

Wie die Schweinsbratenliebe wieder zum schönen Ritual wurde – ein Essay. Von Katharina Seiser

64 50 JAHRE STEIRERECK

Vom Wirtshaus zum GourmetParadies – eine Zeitreise zum Jubiläumsfest.

Von Michael Hufnagl

72 SPEISEN UND GEDRÄNGE

Warum Essen das wichtigste Bindemittel in der Liebe ist.

Von Polly Adler

74 SINFONIE

Eine Ode an die kulinarische Freude.

Von Michael Hufnagl

94 RENDEZVOUS ZUM RUNDEN GEBURTSTAG Adi & René, zwei Sommeliers und die besten Weine aus fünf Jahrzehnten.

Von Sebastian Hofer

6 S MAGAZIN INHALT / IMPRESSUM

3 Wovon & wie viel

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SÜSSE VERFÜHRUNG

Die Magie der Schokolade –wer fängt dabei nicht zu träumen an?

4 Wohin & zurück

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WEINVIERTLER WIRTSCHAFTSWUNDER

Zwei junge Menschen fanden im Weinviertel ihr Restaurant-Glück. Von Achim Schneyder

118

126

CHICKEN KIEV WAR GESTERN

Die ukrainische Hauptstadt ist eine der angesagtesten Adressen in Osteuropa.

Von Severin Corti

DIE DOMPTEURIN ZWISCHEN ERBSENREIS UND CARPACCIO

Geschmackserinnerungen von Moderatorin Claudia Reiterer. Von Michael Hufnagl

128

ANDERSWO RESERVIERT

Birgit und Heinz Reitbauer verraten, wo es ihnen besonders schmeckt.

Impressum

MEDIENINHABER:

ALBA Communications GmbH

GESCHÄFTSFÜHRENDE GESELLSCHAFTER:

Mag. Alexandra Seyer-Gmeinbauer

Reinhold Gmeinbauer

Stubenring 24/3/9, 1010 Wien albacommunications.at

HERAUSGEBER:

Birgit und Heinz Reitbauer

CHEFREDAKTION:

Michael Hufnagl

CHEFIN VOM DIENST:

Christina Grießer

AUTORINNEN, AUTOREN:

Severin Corti

Christina Grießer

Angelika Hager

Sebastian Hofer

Michael Hufnagl

Vea Kaiser

Uschi Korda

Achim Schneyder

Katharina Seiser

Ute Woltron

FOTOGRAFIN, FOTOGRAFEN:

Klaus Fritsch

Philipp Horak

Maria Pavliuk

Thomas Schauer

Mirco Taliercio

FOODSTYLING:

Sammy Zayed / Tatendrang

DESIGN:

brand unit – network for branding, design and content, brand-unit.com

KREATIV- UND ARTDIREKTION:

Albert Handler

GRAFIKDESIGN:

Vanessa Buchschacher

ANZEIGEN:

Reinhold Gmeinbauer

Angela Kindermann

Gernot Zerza

PRODUKTION:

Clemens Niederhammer –ALBA Communications

Mandana Tischeh – brand unit

LEKTORAT:

Romana Gillesberger

LITHOGRAFIE:

Mario Rott

DRUCK:

Grasl FairPrint

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DIE ENTDECKUNG DES GENUSSES

TEXT: VEA KAISER

Bevor ich lernte, den Genuss guten Essens und Trinkens zu schätzen, konnte ich Auto fahren, segeln, Latein und Altgriechisch verstehen, auf Spanisch, Englisch und Italienisch Touristen führen, Klavier wie Gitarre spielen und Räder schlagen. Ja, mein Weg zur Erleuchtung war lang und steinig. Jesus verbrachte vierzig Tage in der Wüste, ich hingegen ein Vierteljahrhundert.

Das würde ich gern meinen Nachfahren ersparen. Aber auch aus Eigeninteresse bete ich schon jetzt, niemals Kinder zu bekommen, die so werden, wie ich es war: haglich und stur. Ich weiß wirklich nicht mehr, warum, aber ich weigerte mich, irgendetwas zu essen, das nicht die Form einer Kugel hatte. Zu meinem Glück wuchs ich in Niederösterreich auf: Dort weiß man fast alle Lebensmittel zu Knödeln zu verarbeiten. Da ich nur wenige Freunde hatte, machte es mir auch nichts aus, am Wochenende stundenlang vor meinem Teller zu sitzen, weil mir mein Vater, ein strenger Anhänger der Gegessenwird-was-auf-den-Tisch-kommt-Philosophie, erst aufzustehen erlaubte, wenn ich die mir völlig unsinnig erscheinenden Knödel-Beilagen namens Fleisch und Salat runtergewürgt hatte. Meist war es allerdings er, der nach drei Stunden einknickte. Entweder, weil die Rufe meiner Mutter, er solle endlich den Rasen mähen, unüberhörbar wurden, oder weil er aus Frust selbst Hunger bekam und meine unberührten Portionen verspeiste.

Die Kugel-Knödel-Obsession mündete in einen pubertätsbedingten Vegetarismus, der wiederum in dem noch pubertäreren Vogelbaby-Essverhalten vieler spindeldürrer Mädchen gipfelte, deren Diät man mit folgendem Satz zusammenfassen kann: „Nein, das ess’ ich nicht, ich bin eh schon so dick.“ Dass meine Eltern darüber hinaus am Sonntag um die für Teenager viel zu frühe Uhrzeit von 13 Uhr das große Sonntagsmahl zelebrierten, zu dem mich mein

Bruder weckte, indem er Tischtennis gegen meine Zimmertür spielte, trug auch nicht gerade dazu bei, dass ich das genussvolle gemeinsame Speisen zu schätzen lernte.

All das änderte sich ausgerechnet, als ich zum Studium in die gastronomische Steppe zog, ins letzte unbekochte Niemandsland Europas, in die kulinarische Finsternis: nach Hildesheim in Niedersachsen. Dort lernte ich, dass es für erschreckend viele Menschen selbstverständlich ist, sich von Würstchen aus der Dose, Lachscreme aus der Tube und ähnlichen Beiprodukten einer anständigen Nahrungsmittelproduktion zu ernähren, die man hierzulande Hunden verfüttert.

Ich begann, mich nach der Küche zu Hause zu sehnen, die ich so lange abgelehnt hatte. Ich lernte zu schätzen, wie frisch, wie hingebungsvoll, wie regional und saisonal, kreativ und wunderbar zu Hause gekocht wurde. Und vor allem: mit wie viel Tradition und Liebe. An den Sonntagen alleine in der Ferne vermisste ich die zuvor so quälenden Essen mit der Familie. Ich fragte mich, was mich einst geritten hatte, das nicht zu schätzen? Alleine zu essen, schmeckt fahler und bitterer, als mit den Liebsten zu genießen. Vor allem, wenn man, so wie ich damals, arm wie eine Kirchenmaus ist und sich abwechselnd von Spaghetti mit Butter und Reis mit Sojasauce, jeweils begleitet von einem halben Eisbergsalat, ernährt.

8 S MAGAZIN WERT-SCHÄTZUNG

Das erste Weihnachten nach meinem Umzug brachte die Wende. Zurück zu Hause, aß ich mit einem Appetit, der meine Familie verblüffte. Ich genoss nicht nur Speisen und Weine, sondern vor allem das Zusammensein mit diesen wunderbaren, verrückten Menschen, die mir, und das macht ja Familie aus, immer zuhören und mich immer lieb haben werden. Ich sah unseren prall gedeckten Wohnzimmertisch von da an als den Ort, an dem Geschichten ausgetauscht werden. Wo im Zuge langer, mehrgängiger gemeinsamer Essen jeder und jede so sein darf, wie er oder sie ist, weil alle zusammen sind. Die Einsamkeit der Ferne hatte mich gelehrt, das Zuhause zu schätzen. Und Zuhause, das ist weniger ein spezieller Ort mit geografischen Koordinaten: Zuhause ist vielmehr ein Gefühl, ein Geschmack, ein Geruch. Etwas Sinnliches, nichts rational Erklärbares.

Bei meiner Abreise zurück ins Exil nahm ich fünfzehn Kilo dieses Zuhauses mit: G’selchtes, Eingelegtes, Estragonsenf, Brot, Kren, Apfelstrudel, Marmeladen, Wein – alles, was ich neun Stunden im Zug transportieren konnte. Bis ich im darauffolgenden Sommer zurück nach Wien siedelte, richtete mein Großvater sogar eine Luftbrücke ein und schickte mir, wann immer meine Vorräte zur Neige gingen, schmackhafte Packerl. Die genoss ich nicht allein, sondern lud meine Hildesheimer Freunde in Ermangelung eines anständigen Tisches zu Picknicks in meine kleine Einzimmerwohnung ein. Manche Speisen sind schlichtweg viel zu gut, um sie alleine zu genießen.

Fortan war alles anders. Ich hatte ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass Geschmack und Genuss nicht einfach nur der Befriedigung des elementaren Bedürfnisses nach Nahrung dienen. Geschmäcker und Gerüche wecken Gefühle in uns und funktionieren als wichtige Unterstützerinnen des Gedächtnisses. Für mich waren es die Geschmäcker meiner Kindheit, die in der Ferne das Gefühl der Geborgenheit eines Zuhauses wachriefen. Genauso aber kann es das Dessert sein, das man beim ersten Date aß, welches noch lange danach die Schmetterlinge im Bauch flattern lässt, oder das eigene Hochzeitsmenü, bei dem man auch Jahrzehnte später vor Glück kaum zu lächeln aufhören kann. Der schale Geschmack von Freibadpommes, der an all den Spaß endloser Sommer erinnert. Das Kribbeln eines Schluckes Champagner, den man nach dem Kauf des ersten eigenen Hauses oder Grundstücks oder der Wohnung trank. Gewürze, die wir mit lieben Menschen assoziieren und die diese wieder lebendig machen, auch wenn wir sie schon lang verloren haben. Der Magen und das Herz liegen nahe beieinander. Auch wenn es von der Forschung noch nicht belegt ist: Ich bin mir sicher, dass die beiden sich lebhaft austauschen. Nicht von ungefähr kommt der Spruch: Liebe geht durch den Magen.

Für mich gibt es mittlerweile keinen Weg mehr an diesem Spruch vorbei. Vor einigen Jahren datete ich einen sehr gut aussehenden und erfolgreichen Journalisten aus Berlin. Ich liebte unsere stundenlangen Telefonate, in denen wir den Zustand der Welt erörterten, doch wenn wir uns sahen, knirschte es im Gebälk. Er war ein Mann der Theorie. Er ernährte sich von Zeitungen, Milchkaffee und schnellen Imbissen zwischendurch, die er am allerliebsten im Gehen verschlang. Geld auszugeben, um ein gutes Abendessen in einem tollen Restaurant zu genießen, widerstrebte ihm, was mir wiederum widerstrebte, weswegen ich ihn kurzerhand verließ.

Ein Leben zu zweit ist lang. Man sollte es nicht mit jemandem verbringen, der die schönste Möglichkeit, zusammen Zeit zu verbringen, nicht schätzen kann. Beim gemeinsamen Essen tauscht man sich aus, bespricht profane Angelegenheiten wie Haushaltsversicherungspolizzen genauso, wie man Meilensteine der Beziehung feiert, den Geburtstag etwaiger Kinder oder die erfolgreiche Kastration des Katers. In der Hektik des Alltags ist es das gemeinsame Essen, das erdet, das verbindet, weil es alle Beteiligten aus ihren jeweiligen Sphären herausholt und an einen gemeinsamen Punkt zu einem gemeinsamen Genuss bringt. Bekannte hatten neulich die erste Sitzung ihrer Paartherapie. Die Therapeuten, ein seit dreißig Jahren verheiratetes Psychiater-Ehepaar, überreichten ihnen zum Abschluss den Flyer eines Stundenhotels und eine Liste mit ihren persönlichen Tipps umliegender romantischer Restaurants. Sie meinten, Paare, die beides regelmäßig (und in dieser Reihenfolge) frequentierten, hätten meist einen positiveren Therapieverlauf.

Essen und Genießen verbinden uns eben. Selbst wenn man sonst nichts zu reden hat, kann man über aufgetischte Speisen und Getränke reden. Und sogar einen lange bestehenden Groll zu hegen, wird schwer, wenn köstliche Speisen oder erlesene Weine zeitgleich das Herz erwärmen. Nicht zufällig wurden wichtige Friedensschlüsse oder diplomatische Durchbrüche meist bei einem hervorragenden Menü erreicht. Der Mensch ist eben nur ein Mensch. Und dieser Mensch hat Kopf, hat Herz, hat Bauch. Alles zusammen gebraucht er selten so intensiv wie bei einem genussvollen Mahl. Da leben alte Erinnerungen auf und werden neue gemacht, kann die romantische Liebe genauso ihre Entfaltung finden wie das Wohlwollen zwischen Geschäftspartnern, fühlt man sich fernab der Heimat zu Hause oder macht eine Reise, ohne sich wegzubewegen, sind Geschichten genauso angebracht wie genießendes Schweigen, fühlt man die Verbundenheit zur Familie oder kommt einfach bloß bei sich selbst an.

Wer braucht schon Superfoods? Ein gutes Essen zu genießen, das ist doch die eigentliche Superpower des Menschen.

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DER NEUE WELTLINER

EDITION NO. 2 DES HAUSEIGENEN WEINS HAT IM STEIRERECK EINZUG GEHALTEN. EIN GRÜNER VELTLINER. EIN WEIN AUS NIEDERÖSTERREICH. BIOLOGISCH GEARBEITET. EIN TRINKGENUSS. EIN WELTENVERBINDER. EIN STEIRERECK WELTLINER.

Das Steirereck hat einen Neuzugang im Weinkeller. Er ist die zweite Edition des hauseigenen Steirereck-Weins. Der Neue stammt aus dem Weinviertel, aus Breitenwaida, vom Weingut Groiss. Dabei ist er kein einfacher Grüner Veltliner, sondern ein echter Wein von Welt. Ein Wein, der verbindet. Deshalb auch der Name: Steirereck Weltliner.

Die Winzerin heißt Ingrid Groiss. Sie hat einiges mit dem Wein gemeinsam. Selbst Weltenbummlerin, hat sie sich nach einigen Jahren im Ausland aber wieder auf ihre Wurzeln besonnen und ist nach Österreich zurückgehkehrt. Raus aus der Großstadt, in die Natur. Grund: Die Leidenschaft für den Wein.

Sowohl bodenständig als auch voller Lebensfreude, Gefühl und Weitsicht – eben wie der Steirereck Weltliner. Der zeichnet sich durch eine leichte, gelbfruchtige Note aus, mit einem Hauch von weißem Pfeffer. „Er ist leicht, saftig und animierend. Es macht einfach Spaß, ihn zu trinken“, erklärt Groiss. „Ein Trinkgenuss!“, stimmt auch Birgit Reitbauer zu. „Der Wein passt einfach immer.“ Als köstliche Begleitung in geselligem Ambiente, als Aperitif oder Digestif, aber auch zum Hauptgang. Davon zeugt auch das kleine Emblem auf der Flasche. Ein Messer. Sein Vorgänger hatte eine Gabel. Der Nachfolger einen Löffel? Das bleibt abzuwarten. Jetzt wird erst einmal der Steirereck Weltliner in vollen Zügen genossen.

Den Steirereck Weltliner gibt es im Steirereck-Shop. Preis: € 17,–

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MAIWIPFERL-FLAVOURIT

EIN WALDIGER DUFT DURCHSTRÖMT DAS STEIRERECK. DAS NEUE FLAVOURIT-BIER SCHMECKT NACH MAIWIPFERLN. GEBRAUT WURDE ES PASSENDERWEISE IM WALDVIERTEL. IN DER BRAUEREI SCHREMS. IN FEINSTER HANDARBEIT.

Es muss nicht immer Hustensaft sein. Dass sich Maiwipferln auch besonders gut im Bier machen, beweist das neue Steirereck-Bier. Braumeister Karl Theodor Trojan von der Traditions-Brauerei Schrems im Waldviertel hat das Bier in feinster Handarbeit exklusiv für das Restaurant gebraut. Die Geheimzutat ist der im Steirereck hausgemachte Maiwipferl-Sirup. Dazu kommen Waldviertler Braugerste, österreichischer Hopfen, frische Maiwipferln, Maiwipferlauszug sowie Loomi – und fertig ist das Flavourit-Bier Vol. 4.

500 Flaschen hat das Steirereck davon vorrätig. Mit seinem waldig-grünen Wipferlaroma eignet sich das Bier besonders gut als Aperitif. Ob es auch bei Erkältungen hilft, muss wohl jeder für sich selbst herausfinden.

Das Flavourit-Bier Vol. 4 ist im Steirereck-Shop erhältlich. Preis: € 18,50

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Am liebsten schlafe ich direkt am See.

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JAPANISCHES BARBECUE

GRILLEN NACH JAPANISCHER ART IST BESONDERS HEISS UND SCHMACKHAFT.

DIE KUNST NENNT SICH YAKITORI, DER GRILL KONRO. DIE KOMPAKTEN GRILLS GIBT ES AUCH FÜR ZU HAUSE.

Gegrillt wird mittlerweile nicht nur das ganze Jahr über, sondern auch auf der ganzen Welt. Auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Mit eigenen Traditionen und Rezepten. So auch in Japan. Yakitori nennt sich dort eine beliebte Form des Grillens. Vorzugsweise werden dabei Spieße mit verschiedenen Sorten Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchten auf einem speziellen japanischen Holzkohlegrill zubereitet –dem Konro Grill. Der Vorteil: Es ist möglich, mit sehr hohen Temperaturen zu grillen. Dafür zeichnet die Hülle aus Kieselgur verantwortlich. Das Material aus den Ablagerungen abgestorbener Kieselalgen hat nicht nur wärmedämmende Eigenschaften, sondern hält auch großer Hitze stand. Deshalb kann

problemlos die japanische Binchotan-Holzkohle fürs Grillen Verwendung finden, die Temperaturen bis zu 1.000 °C entwickeln soll.

Die Konro Grills werden in Japan noch von Hand hergestellt. „Sie sind wie eine kleine, hochwertige Küche und deshalb auch ideal für zu Hause“, erklärt Heinz Reitbauer. „Die Grills eignen sich aber nicht nur für Yakitori, sondern auch für alltägliche Gerichte. Zum Beispiel kann man damit auch wunderbar Gemüse zubereiten.“ Das heißt, den Grillkünsten sind beim japanischen BBQ keine Grenzen gesetzt –solange die Gerichte von leckeren Saucen und Dips begleitet werden.

Weitere Informationen: foodconnection-shop.de

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© Harald Eisenberger

EIN GESCHENK ZUM GENIESSEN

GESCHENKE ZU MACHEN, IST FAST SO SCHÖN, WIE GESCHENKE ZU BEKOMMEN. VOR ALLEM, WENN SIE MIT ZEIT ZU TUN HABEN ODER MIT ESSEN. DIE STEIRERECK-GUTSCHEINE VERBINDEN BEIDES.

Weihnachten steht vor der Tür und auch der nächste Geburtstag kommt bestimmt. Die Frage der Fragen: Was schenken? Das will wohlüberlegt sein. Man möchte dem Beschenkten schließlich eine kleine Freude bereiten. Die Lösung aus dem Steirereck: Mit einem Gutschein macht man nie etwas verkehrt. Wenn sowohl die Liebe als auch die Freundschaft durch den Magen gehen, dann empfiehlt Birgit Reitbauer ganz klassisch eine Einladung zum Essen.

„Das Frühstück in der Meierei gehört bei uns zu den beliebtesten Geschenken. Aber auch Dinner-Gutscheine werden gerne angenommen.“ Zum Jahresoder Hochzeitstag darf es schon einmal exklusiver sein. Eine Übernachtung am Pogusch, umgeben von Natur, sorgt für Erholung und Romantik pur. Wer sich alle Eventualitäten offen halten will, kann auch zu einem Wertgutschein greifen. Alle Gutscheine sind bequem online zu bestellen und werden postalisch zugestellt.

Die Gutscheine sind auf steirereck.at zu finden.

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ZUM KORKENZIEHEN

EIN ULTIMATIVER KORKENZIEHER FÜR ÄLTERE WEINE. IM STEIRERECK HAT DER THE DURAND VINTAGE CORK-KORKENZIEHER SCHON MANCHEN SENSIBLEN KORKEN AUS GEREIFTEN WEINEN GEZOGEN.

Ein echter Weinretter: Mit der Entwicklung des The Durand Vintage Cork-Korkenziehers hat Weinliebhaber Mark Taylor aus den USA Gastronomen und Weinsammlern auf der ganzen Welt einen großen Gefallen erwiesen. Der Weinheber ist vor allem für das Entkorken älterer Weinflaschen geeignet. Denn durch die spezielle Kombination aus Spirale und Federzangen-Korkenzieher greift er auch brü-

chige und mürbe Korken ganz leicht auf, ohne dass sie stecken bleiben, abreißen oder in die Flasche bröckeln. Auch die Sommeliers im Steirereck wissen die besonderen Eigenschaften des The Durand Vintage Cork-Korkenziehers zu schätzen und haben mit ihm schon manche Flasche von einem widerspenstigen, festsitzenden oder sensiblen Korken befreit, ohne den Wein zu beschädigen.

Weitere Informationen: ungerweine.de

18 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
S T E I R E R E C K C E L E B R A T I N G 5 0 Y E A R S

SWEET: PILZ MEETS AHORN

DAS STEIRERECK VERMENGT PILZE UND AHORN ZU EINEM BESONDEREN ELIXIER.

DAS ERGEBNIS: EIN SIRUP. EIN FERMENTIERTER PILZ-AHORN-SIRUP, DER NACHSPEISEN EINE GANZ BESONDERE NOTE VERLEIHT.

Wenn das Steirereck-Team rund um Heinz Reitbauer die Köpfe zusammensteckt und an einer neuen Gaumenfreude tüftelt, sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Im Fokus steht nur der Geschmack. Der neueste Streich: ein natürliches Süßungsmittel für Nachspeisen. Dafür kombiniert das Team Ahorn mit Pilzen, das Ganze wird fermentiert und zu einem köstlichen Saft verarbeitet. Optisch erinnert der fermentierte Pilz-Ahorn-Sirup an Honig, geschmack -

lich an Karamell mit einer malzigen Note. „Das ist Exotik am Gaumen“, schwärmt Heinz Reitbauer. „Es schmeckt hervorragend zu Milchreis und Vanilleeis. Aber auch zu Bratäpfeln und Dörrobst passt der Saft ganz ausgezeichnet.“ Gerade in den Wintermonaten ist der Sirup damit eine echte Alternative zu kandierten Früchten und eine Delikatesse für Feinschmecker abseits der Wintermärkte.

Der fermentierte Pilz-Ahorn-Sirup ist im Steirereck-Shop erhältlich. Preis: € 14,50 pro 100 ml

20 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
Inserat salvatorikaffee.at Exklusiv aus der NABER Kaffee Manufaktur

RAN ANS GEMÜSE

DAS KRAUTWERK IST NICHT NUR AM KARMELITERMARKT, SONDERN AUCH IN DER HEIMISCHEN SPITZENGASTRONOMIE NICHT MEHR WEGZUDENKEN. DER GEMÜSEANBAUBETRIEB ÜBERZEUGT MIT GESCHMACK, OPTIK UND PERFEKTION.

Vom IT-Manager zum Gemüsebauern. Robert Brodnjak startete seinen Traum vom Krautwerk ganz klein. Privat. Auf seiner Terrasse. „Ich war mit dem Gemüseangebot und dem Geschmack einfach nicht zufrieden und wollte es besser machen“, erzählt Brodnjak. Das hat er geschafft. Mittlerweile bebaut der gelernte Koch mit seiner Familie drei Hektar Land in Großmugl im Weinviertel. Dabei begeistert das Krautwerk nicht nur mit Qualität, sondern auch mit Sortenvielfalt. Von Karotten über Kohl bis hin zu Kartoffeln ist im Gemüsebeet alles dabei. Auch ein paar besondere Gemüsesorten sind zu finden, wie die Kerbelrübe oder Flower Sprouts, die in Zusammenarbeit mit der Arche Noah gezogen werden.

Die Spitzengastronomie ist von dem Angebot begeistert. Das Steirereck ist bereits 2013 auf den Gemüseanbaubetrieb aufmerksam geworden und war der erste Gastro-Kunde. Die Erbsenvielfalt hat sie damals zusammengebracht. Heute geht die Gemüsebeziehung weit über die Hülsenfrucht hinaus. „Das Krautwerk ist einzigartig. Und gehört meiner Meinung zu den besten Gemüselieferanten in ganz Europa“, schwärmt Heinz Reitbauer.

Für alle, die sich selbst überzeugen möchten: Jeden Samstag ist das Krautwerk mit einem plastikfreien Stand am Karmelitermarkt im 2. Bezirk zu finden – Koch- und Kombinationstipps gibt es inklusive.

Weitere Informationen: krautwerk.at

22 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Lust auf Schmetterlinge im Bauch?

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GENUSS UM DEN ERDBALL

RUNGIS EXPRESS IST DAS REISEBÜRO FÜR DEN GUTEN GESCHMACK.

ALS PARTNER FÜR DAS GANZ BESONDERE GENUSSERLEBNIS LIEFERT DAS UNTERNEHMEN FRISCHE LEBENSMITTEL AUS ÜBER 60 LÄNDERN DER WELT BIS VOR DIE TÜR.

Es ist Zeit für eine Entdeckungsreise zu ausgewählten Food-Terrains rund um den Erdball: RUNGIS express bietet einzigartige Genusserlebnisse quer durch die Welt. Aus über 60 Ländern, verteilt auf vier Kontinente. Dafür sorgt ein Netzt aus 700 Lieferanten. Sie kümmern sich darum, dass Kunden ihre Lebensmittel von ihrem Wunschstandort erhalten, ob vom Bauern nebenan oder vom Farmer am anderen Ende der Welt. Frische hat dabei absolute

Priorität. Deshalb wird eine reibungslose Abwicklung im Transport ohne Zwischenlagerung stets sichergestellt, sodass die Ware nach kurzer Zeit schon beim Kunden ist. Dabei dürfen Klimaschutz und Nachhaltigkeit nicht zu kurz kommen. Verantwortung für Umwelt, Mensch und Tier zu übernehmen sowie transparent und ökologisch in Bezug auf Herkunft, Produktion und Transport zu sein, ist Teil der Unternehmensphilosophie.

Weitere Informationen: rungisexpress.com

24 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

IT’S TIME TO FLY

MIT DEM HOT BALLOON HAT L’ÉPÉE 1839 EIN ECHTES UHRMACHERKUNSTWERK GESCHAFFEN. EINE UHR IN FORM EINES HEISSLUFTBALLONS. EINE UHR MIT SCHWEBENDER PRÄSENZ. ZU SEHEN BEI UHRMACHERMEISTER HÜBNER.

Bitte einsteigen in den Hot Balloon. Die neue mechanische Pendeluhr der Schweizer Großuhrenmanufaktur L’Épée 1839 hat ihrem Namen entsprechend die außergewöhnliche Form eines Heißluftballons. Verantwortlich für das Design zeichnet der Masterstudiengang Advanced Studies in Design for Luxury and Craftsmanship der École cantonale d'art de Lausanne (ECAL), einem offiziellen Partner von L'Épée 1839, in enger in Zusammenarbeit mit der talentierten Design-Studentin Margo Clavier. Inspiriert von dem Luftfahrzeug, symbolisiert sie Abenteuer, Entdeckungslust, Freiheit – und vor allem Reisen.

Das Uhrmacherkunstwerk besteht aus 207 Komponenten, die alle von Hand in der hauseigenen Manufaktur hergestellt und zusammengebaut werden. Prägnantes Merkmal ist der blaue Ballon. Die kinetische Skulptur kann einfach auf den Tisch gestellt oder an der Decke aufgehängt werden. Damit vermittelt der Hot Balloon tatsächlich den Eindruck, zu fliegen.

Der Hot Balloon ist in limitierter Auflage von nur 50 Stück erschienen. Wer sich das besondere Stück anschauen möchte, ist bei Uhrmachermeister Hübner an der richtigen Adresse.

Weitere Informationen: zeit.at

26 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

DER VIP-TRAVELLER

VERREISEN WIE DIE SUPERSTARS: DER VIP-TERMINAL DES WIENER FLUGHAFENS BIETET NICHT NUR ROCKSTARS UND STAATSOBERHÄUPTERN LUXUS PUR. IN DEN NEU DESIGNTEN SALONS DES TERMINALS IST JEDERMANN HERZLICH WILLKOMMEN.

Der VIP-Terminal im Wiener Flughafen checkt seine Gäste in eine ganz besondere Wohlfühl-Reisewelt ein. Im neuen, edlen Wiener Jugendstil-Ambiente können die Passagiere die Zeit vor ihrem Abflug im eigenen VIP-Salon entspannt genießen. Gemütliche Polstermöbel laden zum Verweilen ein. Wer lieber den Weitblick bewahrt, der erholt sich in der schicken Skyview Lounge mit großer Terrasse und lässt sich mit kulinarischen Köstlichkeiten und feinen Getränken verwöhnen. Während der Gast die Vorzüge des VIP-Terminals auskostet, kümmern

sich bestens geschulte Mitarbeiter um alle Formalitäten – vom Check-in über die Pass- bis hin zur Zollkontrolle. Wenn dann alles erledigt ist, geht es auf Wunsch mit der Luxus-Limousine direkt zum Flugzeug. Man muss kein Superstar sein, um hier im VIPTerminal zu landen. Jedermann kann den VIP-Service in Anspruch nehmen, egal ob ein Flug mit dem Privatjet oder Plätze in der Business- oder EconomyClass gebucht sind. Mit dem exzellenten Service der VIP-Terminal-Team wird das Abfliegen zum Genuss. Ein stressfreies Ankommen am Ziel ist garantiert.

Weitere Informationen: viennaairport.com/VIP

28 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Es war Albert Einstein, der wusste: „Es gibt nur zwei Arten zu leben. Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.“ Was spricht daher dagegen, die Möglichkeit zwei zum Credo zu machen? Sich dem Genuss, der Sinnlichkeit, dem Frohsinn hinzugeben? Zu nehmen, was das Universum bereithält? Daran zu denken, mag für Entzückung sorgen – wenn auf dem Tisch die Reinanke lockt. Oder ein fein herausgebackenes Schweinsschnitzel. Oder ein buntes Arrangement von frischem Gemüse. Wie wäre es mit Melanzani, von der kaum jemand ahnt, in welcher Vielfalt sie uns erscheinen kann? Fast möchte man ihr zurufen: „Sieh an, ein Wunder!“

Wer &

warum

S. 30

LAICH UND SCHÖN

S. 56

SAUWIRTSCHAFT

S. 38

GEERNTET WIRD

IMMER ERST SPÄTER

S. 62

LEBENSLANGE LIEBE

S. 46

DIE FRUCHT AUS TAUSENDUNDEINER NACHT

1 29 S MAGAZIN ERNTE & GENUSS

LAICH UND SCHÖN

EINMAL IM JAHR, KURZ VOR WEIHNACHTEN, KOMMEN DIE REINANKEN VOM MILLSTÄTTER SEE ANS UFER, UM KINDER ZU

KRIEGEN. ALEXANDER MOSER, FISCHER IN DELLACH, HILFT IHNEN GERN DABEI.

TEXT: SEBASTIAN HOFER

FOTOS: PHILIPP HORAK

S MAGAZIN 30 BERUFS-FISCHER
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Das Wunder geschieht verlässlich einmal im Jahr, meistens Mitte Dezember.

Natürlich nerven die Schwäne, ganz gewaltig sogar. Haben einfach keinen Respekt vor Alexander Moser, 31, und seiner Mutter Anita. Schnappen schamlos zu, oft hinterrücks und bis ins Boot hinein. Schnappen nach Fischbeuschl, nach Herz und Nieren von der Reinanke, Wildfang, beste Ware. Man kann sie, so gesehen, verstehen. Trotzdem: Muss das jetzt sein?

Jetzt, das ist ein Samstag im Oktober, sieben Uhr früh, Millstätter See. Alexander und Anita Moser sind in aller Stille hinausgefahren, der Tag war noch nicht angebrochen, der See ein klarer Spiegel, die Nockberge im Dämmerlicht. Dann haben sich die ersten Sonnenstrahlen über den Mirnock gewagt. Einer uralten Sage nach lebte dort oben einmal ein Riese, der sich in eine Fischerstochter vom Millstätter See verliebte, das Mädchen entführte, am Ende aber über sein Faible für Kräuterschnaps stolperte und schließlich vor lauter Zorn den halben Berg zerlegte.

Umso atemberaubender kann heute die Sonne über den Kamm steigen, und es sind Augenblicke wie dieser, in denen Alexander Moser seinen Beruf besonders gerne macht, Schwäne hin, Kälte her. Alexander ist Berufsfischer in Dellach und als solcher Protagonist eines Zwei-Personen-Stücks, das von März bis Oktober fast täglich gespielt wird. Zweite Hauptdarstellerin: Anita Moser. Erster Akt: Hinausfahren vor Sonnenaufgang, Stellnetze heben, Fang des Tages entnehmen. Akt 2: Fische putzen, Schwäne ignorieren. Akt 3: Telefonieren.

Im dritten Teil wird es stressig für Alexander Moser. „Du weißt ja erst im Verlauf des Vormittags, wie viel Fisch du heute zu verkaufen hast. Natürlich hast du eine Ahnung, aber es kann auch sehr viel mehr sein oder sehr viel weniger. Auf jeden Fall musst du dann möglichst rasch versuchen, deine Abnehmer zu erreichen. Das ist bei Köchen in der Spitzengastronomie nicht immer leicht. Erfahrungsgemäß geht es um elf Uhr am besten. Und ab zwölf sitzt du im Auto und lieferst.“

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Ein Herbstmorgen am Millstätter

See. Die Schwäne wissen schon, dass sie ein Festmahl erwartet.

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03 Alexander Moser, Berufsfischer in Dellach: Dem Ruf der Natur lauschen.
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Alexander Moser setzt sich in Dellach ins Auto, am Nordufer des Millstätter Sees, am Fuß der Nockberge. Der Ort hat keine 200 Einwohner, aber eine lange Fischereitradition. Seit mehr als tausend Jahren ist die Fischerei hier historisch dokumentiert. Erstmals wird sie in einem Diplom des Karolingerkönigs Arnulf von Kärnten aus dem Jahr 891 als Herrenrecht genannt. 1457 erteilte Kaiser Friedrich III. dem Kloster Millstatt umfassende Fischereirechte im Gegenzug zur Lieferung von nicht weniger als 200 Lachsforellen pro Jahr an die Residenz in Wien. Die Nachfahren der letzten k. & k. Hoffischer vom Millstätter See besitzen bis heute ausgedehnte Fischereirechte am Südufer. Alexander Mosers Großvater hat das Seelehen in Dellach nach dem Zweiten Weltkrieg erworben und an die Kinder weitergegeben. „Als Bub hab ich natürlich immer mit den Eltern gefischt, aber es war nie mein Berufswunsch“, erinnert sich Moser, wobei sich die Frage zwischenzeitlich auch gar nicht gestellt hat. Durch allzu intensive Befischung waren die Bestände im See in den Jahren 2009 bis 2014 drastisch zurückgegangen, war das natürliche Gleichgewicht durcheinandergeraten. Dann aber schlug das Pendel wieder in die Gegenrichtung aus: „Auf einmal war der Bestand so hoch, dass die Mutter gar nicht mehr nachgekommen ist mit dem Fischen.“ Alexander, eigentlich längst in Wien zum Studium (Umwelt- und Bioressourcenmanagement), fuhr heim, half aus, blieb da, fand neue Kunden. Inzwischen ist Mosers Wildfang in der heimischen Spitzengastronomie längst über den Status eines Geheimtipps hinaus. Im Steirereck werden seine Reinanken etwa in einem Gericht mit Wassermelone, Fenchel und grünen Mandeln verarbeitet. Heinz Reitbauer: „Die Filets werden dabei nur ganz zart gegart, indem wir sie in einem Würzöl konfieren. Das kommt diesem Fisch sehr zugute, er hat einen besonders subtilen Garpunkt. Man kann die Reinanke natürlich auch braten, aber dabei muss man schon wirklich sensibel vorgehen.“

Alexander Moser selbst isst seine Reinanken übrigens am liebsten roh, zum Beispiel als Ceviche. „Kein Problem, weil das Wasser so rein und der Fisch so frisch ist.“ Im nächsten Jahr will Alexander Moser seinen Wildfang verstärkt an Privatkunden in Wien vertreiben, vorher muss aber noch etwas geschehen, und zwar ein Wunder. Dieses Wunder geschieht zum Glück verlässlich einmal im Jahr, meistens Mitte Dezember, rund zwei Wochen vor Weihnachten: Die Reinanken kommen ans Ufer des Millstätter Sees. Das ist sonst gar nicht ihre Art. Das ganze restliche Jahr über schwimmen sie weit draußen, im tiefen Wasser, in der sogenannten Sprungschicht des Sees, wo die Temperatur umschlägt und das meiste Plankton siedelt. „Die Reinanke ist der schnellste Fisch im See, sie braucht Platz und tiefes Wasser“, erklärt Moser. Die Reinanke, lateinisch Coregonus, Familie der Salmoniden, wird in freier Natur im Schnitt 30 bis 50 Zentimeter lang und ist an ihrem spitzen Kopf und der tief eingekerbten Schwanzflosse erkennbar. Ursprünglich eine Eismeerbewohnerin, ist sie nach der letzten Eiszeit in die österreichischen Alpenseen immigriert. Man kennt sie auch als Felchen oder Renke, hierzulande kommt sie in zwei unterschiedlichen Varianten vor: als kleinerer Blaufelchen und größere Maräne, wobei sich in Österreichs Seen verschiedene regionaltypische Formen gebildet haben.

04-06 „Jeder See hat seine eigenen Reinanken“, sagt Alexander Moser. Zur Befruchtung des Laichs wird der Samen der männlichen Fische, die sogenannte Milch, beigefügt.

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„Jeder See hat seine eigenen Reinanken“, sagt Alexander Moser. Würde er denn auf Anhieb merken, woher eine Renke kommt? „Nein, aber die aus dem Millstätter See würde ich schon erkennen.“ In ökologischen Maßstäben ist die Reinanke im Drautal eine relativ frisch zugereiste Art: Laut den Österreichischen Bundesforsten, die den Großteil des Fischereireviers Millstätter See bewirtschaften, kommt sie in dem Gewässer erst seit dem Jahr 1906 vor, andere Quellen setzen die Besiedlung sogar noch später an. Seither kam es immer wieder zu großen Schwankungen im Fischbestand. Auch deshalb ist Alexander Moser zur Stelle, wenn die Natur im Dezember ihren Lauf nimmt. Denn wenn sich die Fische vor Weihnachten dem Ufer nähern, folgen sie ihrem Fortpflanzungsinstinkt. Weil Reinanken ihre Eier im freien Wasser befruchten, ziehen sie dabei aus Treffsicherheitsgründen das Flachwasser vor. Die Fischer vom Millstätter See sind ihnen gern behilflich.

Dann greift Alexander Moser ins Netz und macht etwas, was er nur im Dezember macht: Fisch für Fisch tastet er nach einem gewölbten Bauch ab, was auf einen entwickelten weiblichen Rogen hindeutet. Danach streift er vorsichtig vom Kopf nach hinten, der Rogen wird gewissermaßen aus dem Fisch herausmassiert. „Das ist im Grund nicht schwierig. Es ist halt eine Gefühlssache, dass du kein Blut oder keinen Dreck mit herausstreichst.“ Für alle zehn bis 15 Ladungen Rogen wird der Samen von einem Männchen dazugegeben, die sogenannte Milch, anschließend der Laich gereinigt und gespült und in frischem Wasser gelagert. So kommen die Fischeier zur Fischerbrütung Brugger in Dellach, also zu Alexanders Cousin Georg. Die Familie hat einen ziemlich umfassenden Bezug zur Fischerei: Tante Ingrid Brugger ist Fischereimeisterin in Österreich, Cousine Carina betreibt einen Fischimbiss in Dellach, Cousin Georg betreibt die Fischzucht, fischt beruflich, und seine Mutter fährt mit der Ware auf die Märkte der Umgebung.

In der Fischerbrütung wird der befruchtete Laich unter kontrollierten Bedingungen so lange im Wasserbad gehalten, bis die Bedingungen im See, also Wassertemperatur und Planktonvorkommen, für die Fischlarven ideal sind. In der Regel ist es im März so weit. Ab dem Zeitpunkt sind die Fischlarven ganz sich selbst überlassen. Von Millionen Larven übersteht meist nur ein kleiner Teil die ersten, lebensgefährlichen Tage. Aber denen, die es schaffen, steht ein pralles Leben bevor. Der Millstätter See ist ein Traumrevier für Reinanken: im Schnitt 90 Meter tief, wegen seiner großen Wassermasse sehr temperaturstabil und durch die gut 200 Zuflüsse auch ausgesprochen sauerstoffreich, was wiederum dazu führt, dass sich das zarte weiße Fleisch dieser Fische hier zu höchster Delikatesse entwickeln kann. Nur einen Nachteil haben die Tiere: Den Sonnenaufgang verpassen sie da unten in der Tiefe. Aber man kann halt nicht alles haben.

07–08 Den Winter verbringen die werdenden Fische bei Alexander Mosers Cousin Georg in der Fischerbrütung.

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Die Natur nimmt ihren Lauf –mit ein bisschen Hilfe.

09 Ausstreichen des Rogens: „Eine Gefühlssache“, sagt Moser.
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GEERNTET WIRD IMMER ERST SPÄTER

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In Wien Donaustadt haben Evi und Mario Bach ein kleines Gemüse- und Kräuterparadies erschaffen. Ganz langsam und ohne großes Tamtam wurde ihre Gärtnerei vom Geheimtipp zur ersten Adresse für das Besondere.

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TEXT: USCHI KORDA, FOTOS: MIRCO TALIERCIO

Es hat ein bisschen etwas von einer Entdeckungsreise. Die Wienerin, die die Donau Richtung Nordosten überquert, begibt sich bald auf unbekanntes Terrain. Wer nicht hier wohnt, wagt sich üblicherweise gerade einmal bis zur Alten Donau oder in die Lobau vor, dahinter hat er selten etwas zu suchen. Dort hinten, wo sich ständig wachsende Gewerbeparks bequem ins Brettlebene ausdehnen, durchzogen von mehrspurigen Schnellstraßen, deren monotone Geradlinigkeit ab und zu von einem Kreisverkehr unterbrochen wird. Dort hinten, wo der Stadtrand locker ins Marchfeld ausfranst und kleine Einfamilienhaus-Siedlungen in die Felder gestreut sind, immerhin mit so schönen Adressen wie Pfingstrosen-, Orchideen- oder Schafgarbenweg.

Sollte man keinen Orientierungssinn haben, erkennt man zumindest daran, dass die Richtung stimmt, vor allem, wenn man Wiens außergewöhnlichste Gärtnerei ansteuert. Eveline und Mario Bach logieren in Transdanubien mit ihrem Zaubergarten in der Hänischgasse, die – und das fällt jetzt schon unter fortgeschrittenes Wien-Wissen – nach Aloys Hänisch (1866–1937) benannt ist, einem Mitgründer der Wiener Secession, der künstlerisch auf Bilder von Gärten und Blumen spezialisiert war.

Auf dem Weg dorthin schummeln sich mehr und mehr Glashäuser ins Bild, wobei die der Familie Bach leicht nostalgisch anmuten. Zierlich ducken sie sich ins Gelände, beinahe verschämt lassen sie das Hitech-Brimborium rundum noch wuchtiger erscheinen, das in Zinshausgröße für Paradeiser mit ewiger Saison sorgt. Hitech ist in der Bach’schen Oase der Gemüse- und Kräuterspezialitäten so gar nicht das bestimmende Element. Nicht, dass man sich hier technischer Hilfsmittel gänzlich verwehren würde, man lebt ja schließlich nicht im vorvorigen Jahrhundert. Der alles entscheidende Faktor ist und bleibt aber die Natur.

Wenn nichts mehr wächst, gibt’s nichts, sagt Mario Bach und leistet sich dabei den grantelnden Blick eines Wiener Marktstandlers, von dem man jetzt unbedingt, sagen wir einmal, Spaghettibohnen haben möchte, wo es doch grad keine gibt. Gepflanzt und geerntet wird hier streng nach Saison, obwohl es dem Ehepaar Bach gelungen ist, diese bei manchen Sorten auf natürliche Weise ein wenig zu verlängern. Durch jahrelanges Experimentieren, Forschen und Learning by Doing gibt es frisches Gemüse und Kräuter von Ende März bis Ende Oktober, dann ist Schluss. Im Winter ruht die Natur im Allgemeinen, da hat auch die Erde in der Gärtnerei Pause. Danach lassen es selbst die beiden Gärtner ruhiger angehen, mit Betonung auf „-er“. Schließlich müssen jetzt Saatgut, Stecklinge und überhaupt so einiges für das nächste Jahr vorbereitet werden, was auch nicht von alleine passiert.

Zu zweit mit lediglich zwei Mitarbeitern schupfen Eveline, die von allen Evi gerufen wird, und Mario Bach die ca. 8.000 Quadratmeter Freiland plus Glashäuser mit etwa derselben Fläche. Das ist nicht viel, und den Handel könnte man damit nicht bedienen, was die beiden aber sowieso nicht interessiert. In ihrer Größe können sie es sich leisten, jede Melanzani, Gurke, Bohne oder Zucchini, jedes Salat- oder Minzeblatt einzeln bis zur händischen Ernte zu betreuen. Eine Qualität, die, gepaart mit einer nahezu paradiesischen Sortenvielfalt, die Gärtnerei zur ersten Anlaufstelle für Spitzenköche im Osten Österreichs macht. Ein Geheimtipp quasi, der vieles ist, aber sicher nicht mehr geheim.

Wir haben nie laut Hier geschrien, sagt Mario Bach und kokettiert im Unterton noch immer mit dem Grantler, der allerdings das goldene Wienerherz jetzt schon sehr auf der Zunge trägt. Selbstverständlich sei er ein typischer Wiener, sagt er noch, schließlich ist er hier geboren und aufgewachsen mit einer griechischen Mutter und einem Wiener Vater. Eine Mischkulanz also, so wie sie in der Stadt seit Jahrhunderten Tradition hat.

01 Selbst im Oktober kann man sich über die Melanzani-Vielfalt und Melothria, kleine Cocktailgurken, freuen.
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02 Das Gärtnerische liegt Evi Bach im Blut, Ehepartner Mario musste sich erst einleben. Er ist der Mann fürs Technische in diesem üppigen Pflanzenparadies.

Auch die Gärtnereien in Donaunähe haben seit ewig Tradition, versorgen von Simmering, Jedlesee und Hirschstetten aus die Stadt mit frischem Obst und Gemüse. Die Vorfahren von Evi Bach kamen einst aus dem Waldviertel in die Hauptstadt und gründeten 1899 in Hirschstetten ihre Gärtnerei. Das war Handwerk, davon konnte man leben, sagt Evi, während sie hier ein welkes Blatt von den Flügelbohnen zupft und dort noch kleine, reife Melanzani entdeckt. Das wird dem Heinz Reitbauer gefallen, sagt sie, und schon wieder bimmelt das Handy, weil ein Koch seine Bestellung aufgeben möchte.

In ihrem Imperium kennt Evi Bach wohl jede Pflanze persönlich.

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03-04 Rechts: Wenn Mitarbeiter Vassily mit Mario Bach spricht, haben alle anderen Pause. Der Bulgare und sein Chef parlieren am liebsten Griechisch. Oben: Buntblättriger Mangold.

Das

lernt man hier fürs Leben: Es geht nicht immer alles, auch wenn man es noch so sehr will.

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Wir streifen jetzt durch die Glashäuser, wo es sich der Herbst schon sehr gemütlich gemacht hat. Am Boden zwischen den Reihen, in denen in jeder etwas anderes angebaut wird, liegen die Bewässerungsrohre bereits blank, das Grün der letzten Monate ist längst verblasst. Selbst die tröpfchenweise Bewässerung wird hier händisch gesteuert, weil ja nicht jede Pflanze gleich viel Wasser braucht. Das würde kein automatisiertes Computerprogramm der Welt hinbekommen.

Im Sommer, am Abend, wenn alles üppig grün und es noch hell ist, gehe ich gerne hier durch die Reihen, sagt Evi, das gibt mir Energie. Selbst wenn sie wollte, könnte die 60-Jährige ihre Liebe zur Gärtnerei nicht verleugnen. Man hat das Gefühl, in ihrem Imperium kennt sie jede Pflanze persönlich, weiß ganz genau, in welcher Ecke sie jetzt noch reife Gurken von einer exotischen Sorte in Fingerkuppengröße findet und aus welcher der vertrockneten Bohnen sich am besten Samen ziehen lassen.

Vermutlich hatte sie als Jugendliche gar keine andere Wahl, als das zu werden, was sie wurde. Mit fünfzehn begann sie ihre Gärtnerei-Lehre und wuchs langsam in den Betrieb der Eltern hinein. Ihr Vater, seit Beginn LGV-Mitglied, einer Genossenschaft zu der sich 1946 über 1.000 Wiener Gärtner zusammengeschlossen haben, setzte aus wirtschaftlichen Gründen auf großflächigen Anbau mit wenigen Gemüsesorten. Das war nicht mein Ding, sagt Evi, und dass ihre Geschichte viel mit der Stadterweiterung zu tun habe.

In den 1970er-Jahren wuchs Wien im Norden und Osten enorm an, mit dem Zuzug junger Familien stieg die Nachfrage nach frischem Gemüse und dem Direktverkauf in der Gärtnerei. Das wiederum war ganz nach meinem Geschmack, sagt Evi, und weil auch immer mehr Wirte aus dem Bezirk kamen, begann sie, ihr Sortiment zu erweitern und die Qualität zu verbessern. Weg von der Masse, hin zum Individuellen, zum Speziellen. Den Eltern war das natürlich nicht so recht, dass die Tochter stetig ins Kleinstrukturierte abdriftete, die aber ging beharrlich ihren Weg.

Österreichs Kräuterpäpstin Miriam Wiegele entfachte mit ihrem unbändigen Wissen zusätzlich noch Evis Begeisterung für Küchenkräuter, während Ehemann Mario, ein HTL-Absolvent, an technischen und handwerklichen Veränderungen tüftelte. An einem Folientunnel für Zucchini zum Beispiel, der die Erntezeit bis in den Herbst verlängert und in dem die Blüten so zart wachsen und sauber bleiben, dass sie in der Steirereck-Küche für Anerkennung und Bewunderung sorgen.

Aus Liebe zur Natur und aus Neugierde sammelten Evi und Mario Bach im Laufe der Jahre auch überall, wo sie auf der Welt hinkamen, Pflanzen und Samen ein und probierten, was daheim aufging. Vom mexikanischen Pfefferblatt über thailändischen Wassersalat bis zu Rosetten-Pak Choi oder ägyptischem Spinat. Nicht alles klappte wie gewünscht, manches rentierte sich einfach nicht. Buschbohnen im Freiland-Anbau etwa oder Zuckermelonen im Glashaus oder Physalis, die trotz chemiefreier Schädlingsbekämpfung der Spinnmilbe zum Opfer fielen. Das lernt man in einer Gärtnerei fürs Leben, sagt Mario, dass nicht immer alles geht.

Einer der Ersten, der auf die wunderbare Vielfalt der Gärtnerei Bach aufmerksam wurde, war Spitzenkoch Meinrad Neunkirchner, der zeit seines Lebens das Beste aus Kräutern und Gemüse herausholte und als Meister der Essenzen bekannt war. Das muss vor etwa zwanzig Jahren gewesen sein, so genau können sich die Bachs nicht mehr erinnern. Heute weiß jeder, der in der Spitzenküche etwas Besonderes oder Ausgefallenes sucht, dass er zuerst beim Ehepaar Bach anrufen muss. Wenn da nichts geht, geht’s nirgends.

Wir stehen jetzt zwischen den Glashäusern und schauen über abgeerntete Beete und Felder in den weiten Horizont. Es war die richtige Entscheidung, sagt Evi, dass wir uns so spezialisiert haben und immer kleiner geworden sind. Dadurch hatte man mehr Freiheiten, die Grenzen setzte nur die Natur. Und die Stadt, die sich seit ein paar Jahren wieder kräftig ausweitet und dafür immer mehr von den Bach’schen Grundstücken in Hirschstetten benötigte. Deshalb ist die Gärtnerei vor zwei Jahren noch weiter an den Rand, nach Essling, übersiedelt, auf Grundstücke, die schon seit den 1960er-Jahren in Familienbesitz sind.

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05 Sprößlinge beim Keimen: Bald werden daraus Zuckererbsen.

06 In den Glashäusern hat es sich der Herbst schon gemütlich gemacht. Wo bis vor kurzem Schlangenhaar-, Zitronen- und indische Netzgurken geerntet wurden, liegen die Bewässerungsrohre blank.

Wir hatten Zweifel, ob wir uns das noch antun sollen, sagt Mario, der mit seinen 59 Jahren aber nicht so aussieht, als wolle er ab sofort nur mehr auf einer Bank sitzen und in den Sonnenuntergang träumen. Vielmehr hat er sein ganzes technisches Wissen und seine jahrelangen Erfahrungen gebündelt und hier mit Solarthermie, Pellets und mechanischen Bewässerungsanlagen einen umweltschonenden Betrieb konstruiert, wie er im Bilderbuch steht. Selbstverständlich ist in der Gärtnerei alles Bio, allerdings nicht zertifiziert, weil für das Administrative einfach keine Zeit bleibt. Die widmet man

lieber dem Gemüse, den Kräutern und den essbaren Blüten, die seit geraumer Zeit ebenfalls zu den gärtnerischen Leidenschaften von Evi zählen.

Kalt ist es mittlerweile geworden und die Donau schickt schon leichte Nebelschwaden herüber. Zeit wird’s, sagen Evi und Mario Bach, es gibt noch einiges zu tun. Schließlich müssen sie jetzt schon an die Vorarbeiten fürs 2020er-Jahr gehen. Das kann man übrigens noch von der Gärtnerei fürs Leben lernen, sagt Mario zum Abschied, geerntet wird immer erst später. Auch der Erfolg.

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Eine der nächsten Köstlichkeiten, deren Sortenvielfalt erst entdeckt werden will, ist die Aubergine, die im Übrigen nicht fetttriefend sein muss, sondern die reinste Gaumenverführerin sein kann, wenn man sie denn zuzubereiten weiß.

OPHELIA

Makellos glänzend muss sie sein, die Aubergine, erst dann wird sie von der Pflanze geschnitten und möglichst rasch verarbeitet. Der Name Aubergine stammt aus dem Arabischen, so hat die Pflanze unser Sprachvokabular gleich doppelt, weil auch als extravaganter Lila-Farbton, bereichert.

Die Frucht aus

Tausendundeiner Nacht

FOTOS: KLAUS FRITSCH 47
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Freunde der Gemüsevielfalt durften sich in den vergangenen Jahren über ein steigendes Angebot freuen und in den bereits vergessen geglaubten Sortenreichtum der verschiedensten Gemüsearten eintauchen. Spätestens seit der Renaissance der Tomate, deren abwechslungsreiche Spielarten bereits seit geraumer Zeit wieder zelebriert werden und die mittlerweile selbst aus den Gemüseregalen der Supermärkte nicht mehr wegzudenken sind, versuchen sich Meister- wie Hobbyköche daran, die interessanten Geschmäcker und Texturen etwa diverser Karotten- und Kartoffelsorten auszuloten und auch das Obstangebot ist deutlich bunter und vielgestaltiger geworden. Doch eine Frucht wartet immer noch darauf, gründlich erkundet, getestet und gepriesen zu werden, und auf die darf sich die diesbezüglich weitgehend doch noch unerfahrene hiesige kulinarische Gemeinschaft ebenfalls freuen: Die Aubergine ist der nächste Geheimtipp für experimentierfreudige Gemüseliebhaber.

Apropos – märchenhaft ist auch ihre Geschichte. Das wärmeliebende Nachtschattengewächs stammt ursprünglich nicht aus Italien, wie viele meinen, so wie auch die weltberühmte Märchensammlung der Scheherazade nicht in Arabien ihren Ursprung hat. Beide haben ihre Wurzeln vielmehr in Indien. In Scheherazades „Geschichte vom Zauberpferde“ beispielsweise kommt die Frucht sogar vor. Da taucht ein hundertjähriger Greis auf und dem hat man die jüngste und natürlich schönste aller Prinzessinnen als Gemahlin versprochen. Doch er ist nicht nur alt, sondern wird auch als ausnehmend hässlich geschildert. „Er hatte eine Nase wie Bedindjan“, steht da geschrieben, und hinter dieser Beschreibung verbirgt sich nichts anderes als eine länglich geformte Auberginenart.

ORIENT EXPRESS

Sie ist zwar wohl jedem ein Begriff, wird jedoch weit unter ihrem wahren Wert gehandelt. Denn was kaum jemand über sie weiß: Die hierzulande hauptsächlich in ihrer schwarzblauen, keulenförmigen Variante anzutreffende und gerne, aus dem Italienischen abgeleitet, Melanzani genannte Frucht gibt es in zahllosen Sorten und die Geschmacks- und Texturunterschiede der Auberginenvarietäten, die auf den ersten Blick nur wenig mit den gewohnten lila Giganten gemeinsam haben, sind enorm. Aubergine ist also nicht gleich Melanzani, könnte man sagen. Sie ist vielmehr eine vielgesichtige Delikatesse und ihr Sortenangebot ist so abwechslungsreich wie die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht.

Länger und schmäler als die meisten anderen Auberginen ist diese aus Asien stammende Sorte. Sie ist vergleichsweise klein und hat auch eine dünnere Haut als die voluminöseren Kolleginnen. In der asiatischen Küche wird sie gleich mitgegessen, weil sie gar so zart und noch dazu mitunter auberginefarben ist.

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Die Araber brachten die uralten Erzählungen sowie die seit zumindest 4000 Jahren in Indien und auch in China kultivierte Pflanze aus dem Subkontinent bereits vor mehr als tausend Jahren in ihre Kultur ein. Sie schrieben die bis dahin nur mündlich weitererzählten Märchen nieder und verleibten sich sozusagen auch die Aubergine als eine der wesentlichen Zutaten ihrer Küche ein. Mit den Arabern gelangte die Vielseitige schließlich nach Spanien und verbreitete sich rasch im gesamten Mittelmeerraum. Insbesondere die griechische und italienische Küche wissen mit der Melanzani bereits seit dem frühen 16. Jahrhundert einiges anzufangen. Doch erst seit wenigen Jahren setzt sich auch bei uns die Erkenntnis durch, dass die wahre Qualität der Frucht, die biologisch betrachtet eigentlich eine Beere ist, in der Erkundung und Auslotung ihrer so unterschiedlichen Sorten liegt und das wiederum ist experimentierfreudigen Gärtnern zu verdanken.

EASTER EGG

Eine, die darüber wahrscheinlich bereits Sorten- und Rezeptbücher schreiben könnte wie andere über die Tomate, ist Eveline Bach. Sie zählt zu den zurzeit noch wenigen Spitzengärtnerinnen und -gärtnern, die an der Aubergine forschen und immer neue Sorten testen. Sie betreibt das MelanzaniZiehen seit etwa zwanzig Jahren in großer Bandbreite. Die Samen holt sie aus aller Herren Länder, aus Italien, Thailand, Indien, und nicht selten bringen auch manche Stammkunden Sämereien von ihren Reisen mit. In den Wiener Glashäusern der Gärtnerei Bach wachsen alljährlich an die fünfzig Auberginensorten heran und kaum eine gleicht der anderen. Wer den Auberginenbereich betritt und die wie poliert glänzenden Früchte in Lila, Weiß, Rot, in Streifen und Mustern sieht, wer ihre länglichen, runden und keulenartigen Formen betrachtet, kann sich wie Aladin in der Höhle fühlen, in der die Früchte aus Edelstein aufbewahrt sind. Besonders hübsch sind auch die rundlichen, kleinen weißen Exemplare, die aussehen, als ob Eier auf der Staude hängen würden und die für den ebenfalls gebräuchlichen internationalen Namen Eierfrucht, Eggplant, verantwortlich sind.

So unterschiedlich die Eierfrüchte sind, ihnen allen ist gemeinsam, dass sie recht aufwendig zu ziehen sind, zu stattlichen, großblättrigen Pflanzen heranwachsen und wunderschön in zartem Lila blühen. In warmen Ländern sind die Pflanzen mehrjährig, in der hiesigen Kälte müssen sie alljährlich neu angebaut werden. Die exakte Genealogie der verschiedenen Unterarten samt deren Sorten, die noch dazu oft gleich mehrere Namen tragen, ist eine Wissenschaft für sich, doch Eveline Bach hat mittlerweile Erfahrung und kann ein paar Hauptmerkmale an Form und Farbe festmachen.

Der Name passt perfekt zu diesem Ei von einer Frucht, da muss man nicht lange überlegen. Die kleinen, eiförmigen Auberginensorten, von denen es zahllose gibt, so wie eben diese hier, sind eine Spezialität Asiens. Dort schätzt man sie insbesondere für Pickles, Chutneys und weil sie besonders gut fürs Einlegen geeignet sind.

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Die weißen Sorten, meint sie, verfügten meist über ein vergleichsweise festes Fruchtfleisch, die lila Varianten seien eher weich und für Pürees geeignet. Kleinere und länglich-schmale Auberginen wiederum lassen sich gut einlegen, und besonders attraktive Früchte finden sogar in der Floristik Verwendung. Das Geschmacksspektrum reicht von süß, mild bis zu pfeffrig, leicht scharf und fruchtig, wobei moderne Sorten kaum je bitter schmecken, im Gegensatz zu manchen ursprünglicheren, die für unsere entwöhnten Gaumen sehr bitter sind. In Thailand oder Indien gelten die kleinen, bitteren Varietäten hingegen als Delikatesse. Auch die Köche des Steirereck machen sich diese Unterschiede zunutze. Eine ihrer Lieblingssorten heißt Rossa di Rotonda und man muss schon sehr genau hinschauen, um die runde knallrote und vergleichsweise kleine Frucht nicht mit einer Fleischtomate zu verwechseln. Im Gegensatz zu anderen Auberginen legt diese Sorte ihre Farbe auch im gegarten oder eingelegten Zustand nicht ab. Außerdem verfügt sie über ein besonders feines, festes Fleisch, das eine gewisse Fruchtigkeit in sich trägt.

ROSSA DI ROTONDA

Selbst das geübte Auge des professionellen Kochs kann mitunter auf den ersten Blick an der Königin unter den Auberginen scheitern und die rundliche Beerenfrucht mit einer Fleischtomate verwechseln. Das fesche Paradeisrot schaut nicht nur auf der Pflanze appetitlich aus, es bleibt auch nach dem Kochen oder Braten ebenso intensiv.

Die zweite Lieblingssorte heißt Rotonda Bianca, ist ebenfalls rundlich geformt, leicht gerippt und apart weiß-lila gefärbt. Ihr weiches Fruchtfleisch lässt sich ebenfalls gut einlegen, doch die Steirereck-Köche verleihen ihm gerne noch einen etwas aufwendigeren Kick. Die in Scheiben geschnittenen Rundlinge werden erst im Fonds gegart, sie saugen die Aromen auf, um anschließend angetrocknet, vielleicht sogar angedörrt, mit aufregender Kompaktheit und Geschmacksintensität aufzuwarten. Selbst die Kerne der reiferen Auberginen sind Delikatessen und kommen weich gedämpft auf den Tisch. Für Heinz Reitbauer ist die Aubergine „eine kleine Wunderfrucht“, die sich mit fast allem bestens verträgt. Mit Fleisch und Fisch, als Vorspeise und selbst als Mittelpunkt des Mahles macht sie, richtig behandelt, einiges her. Den erstaunlichen Unterschieden der einzelnen Sorten, so meint er, spüre man idealerweise bei einer Parallelverkostung nach, und das Geschmackspendel schlage hier überraschenderweise gar noch weiter aus als bei den Tomaten. Große Unterschiede also.

Die Küchen Arabiens und Asiens machen sich das bereits seit Langem zunutze und so vielfältig wie die Früchte ist auch deren Verwertung. Diverse Klassiker wie etwa Baba Ghanoush, ein arabisches Auberginen-Sesam-Püree, erfreuen sich mittlerweile jedoch auch in der heimischen Küche gesteigerter Beliebtheit. Bei der nunmehrigen Entdeckung der Aubergine hat eindeutig der Zuzug von Menschen Hilfe geleistet, die mit der Melanzani bereits viel länger vertraut sind als wir und die verstärkt auch spezielle Sorten nachfragen. Dem ist das Angebot etwa der Supermärkte zwar noch kaum gefolgt, doch immerhin gibt es Spezialgärtnereien wie die der Bachs, die dem Rechnung tragen und die in diese Tradition als Produzenten gern einsteigen. Das älteste schriftlich überlieferte Rezept, in dem die Melanzani eine der Hauptrollen spielt, stammt übrigens aus dem chinesischen Qimin Yaoshu, einem landwirtschaftlichen Handbuch der Ess- und Trinkkultur der Wei-Dynastie. Es wurde im sechsten nachchristlichen Jahrhundert verfasst und enthält neben Kulturanleitungen auch eine Menge Rezepte. Hier wird die Aubergine gemeinsam mit anderem Gemüse gebraten wie eine Ratatouille.

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Unsereiner, die wir noch unbedarfte Anfängerinnen sind, mag die Aubergine als eine besonders gern das Bratenfett aufsaugende Frucht erscheinen. Tatsächlich ist das nicht die ideale Variante der Verarbeitung, doch wir sind eben noch keine MelanzaniProfis. Tatsächlich kommt eine der raffiniertesten Zubereitungsarten ganz ohne Fett aus, doch auch sie hat ihre Tücken. Im Ofen im Ganzen über lange Zeit gegart, wird das Fruchtfleisch zu einer schmelzend weichen Angelegenheit, die sich zu ganz Unterschiedlichem veredeln lässt. Doch eines darf der Auberginenkoch niemals vergessen, und zwar, die Frucht vor dem Erhitzen rundum anzustechen. Wer das nicht tut, begeht diesen Fehler mit Sicherheit nur ein Mal. Denn die in ihrem eigenen Saft schmorende Frucht explodiert, wenn der Dampf nicht über die vorbereiteten Löcher entweichen kann.

Melanzani im eigenen Garten zu ziehen, ist nicht immer erfolgreich, denn wie bereits erwähnt sind die Pflanzen recht anspruchsvoll und leider auch bei Insekten beliebt, so beispielsweise bei Kartoffelkäfern. Die Aufzucht kann jedoch recht gut funktionieren, wenn man ein Glashaus zur Verfügung hat oder wenn die Sommer sehr lang, warm, die Nächte jedoch nicht zu heiß sind. Das langsame Reifen der Früchte bedingt eine frühe Aussaat unter Glas im Januar oder Februar. Dann wird ein paarmal umgetopft und erst frühestens Ende Mai darf die kälteempfindliche Asiatin ins Freie übersiedeln. Dort benötigt sie einen windgeschützten und sonnigen Platz, sie braucht sogar noch mehr Wärme als die Tomate. Die ersten Früchte reifen Ende Juni und auch hier fehlt es unsereiner meist noch an Erfahrung. Eveline Bach, in Sachen Auberginenreife mittlerweile mit einem Argusauge ausgestattet, erkennt den perfekten Erntezeitpunkt am Glanz der Schale, an der Farbe und an der Druckprobe. Das Fruchtfleisch muss leicht nachgeben, dann ist die Aubergine reif. Unreife Früchte, auch das ein sehr brauchbarer Tipp, verfärben sich nach dem Aufschneiden rascher als reife, und wenn die Schale noch an der Pflanze hängender Früchte gelb wird, ist es für sie zu spät. Doch dann kann man immer noch die Samen ernten.

ZUFALLSSORTE

Wenn unterschiedliche Auberginensorten nebeneinander blühen dürfen, dann verheiraten sie sich auch sogleich und bilden in ihren Samen eine neue Generation. Wer daraus Pflanzen zieht, wird mit Hybridsorten beglückt, die verschiedene Züge ihrer Eltern tragen. Das kann so hübsch und geschmackvoll enden wie hier.

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Sauwirtschaft

Es ist fix im kulinarischen Erbe Österreichs verankert und der Liebling aller Klassen: Schweinefleisch. Aber Schweine werden so miserabel gehalten wie keine Tierart sonst. Ein Plädoyer für Genuss mit Gewissen in 26 Kapiteln.

TEXT: KATHARINA SEISER, FOTOS: MIRCO TALIERCIO
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AAuslauf

Will niemand wissen, ist aber wahr: so gut wie alle Schweine, die in Österreich (oder sonst wo in der EU) gegessen werden, haben noch nie in ihrem Leben Gras unter den Klauen oder Sonne auf ihrem Rücken gespürt, noch nie die Gangart Galopp ausprobieren oder mit ihrem Rüssel in der Erde graben können. Das ist in der konventionellen Schweinemast nicht vorgesehen. Ausnahme: Bio-Freilandhaltung.

BBratlfettn oder Beinschinken? Beim Bratlfett versteckt sich im Unterschied zum reinen Schweineschmalz darunter eine Schicht gelierter Bratlsaft, dessen kümmel-knofelige Röstaromen sich mit dem Schmalz auf Roggenbrot aus dem Holzofen zu einem Geschmack verbinden, der es an Ewigkeitsgültigkeit locker mit Tomaten mit Basilikum aufnehmen kann. Beinschinken wiederum, handgeschnitten, saftig und mild, verführt zu einer eleganten Feiertagsjause auf gebuttertem Handsemmerl. Vorausgesetzt, frischer Kren ist im Haus.

CChina

Schweinefleischnation Nr. 1 weltweit ist China. Von den rund 110 Millionen Tonnen Schweinefleisch, die jedes Jahr „produziert“ werden, stammen knapp 50 Millionen Tonnen aus China. Weniger abstrakt ist die Tatsache, dass die vielen berühmten Schweinefleischgerichte der chinesischen Regionalküchen in Restaurants so gut wie nie mit Fleisch aus anständiger Tierhaltung zu bekommen sind. Aber Sichuan-Schweinebauch mit fermentierter Bohnenpaste z. B. ist keine Hexerei und auch zu Hause leicht hinzukriegen.

DDuft

Vom Schweinsbraten hat man mindestens drei Tage was: Am Vorabend muss das Bratl mit Knoblauch und Kümmel eingerieben werden und verschafft auf diese Weise süßere Träume als so manche Mehlspeise. Am Tag des langsamen Bratens strömen die verheißungsvollen Gerüche allmählich von der Küche hinaus bis ins Stiegenhaus. Hoffentlich stammen sie aus der eigenen Wohnung und nicht aus der vom Nachbarn. Und am nächsten Tag locken kaltes Bratl und Bratlfettnbrot.

EEichelschwein, besser bekannt unter dem alten Namen des aus ihm gewonnenen Rohschinkens Pata Negra. Auf spanischen Eichenweiden – den Dehesas –leben die meist schwarzhäutigen IbéricoSchweine und ernähren sich überwiegend von Eicheln. Der daraus gereifte Rohschinken hat einen sensationellen Duft und Geschmack. Aber nur „Jamón Ibérico de Bellota“ ist der echte Stoff – und sauteuer.

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FFiletgesellschaft

Dass ein Schwein nicht nur aus Extrawurst, Speck und Filet besteht, hat sich in den 10.000 Jahren der Schweinehaltung noch nicht überall herumgesprochen. Richtig zubereitet kann Schweinefilet, auf gut Österreichisch Schweinslungenbraten, eine Delikatesse sein, aber das beste Stück des Tieres ist er sicher nicht. Das Beste ist das Ganze.

GGeselchtes, Grammelknödel und Guanciale, die Dreifaltigkeit des Verruchten. Geräuchertes steht am Index, weil möglicherweise gesundheitsgefährdend. Grammelknödel detto, weil bauchumfangserweiterungsgefährdend. Guanciale auch, weil der sündhaft gute Goderspeck unabdingbare Zutat für echte Spaghetti Carbonara ist, und von denen kann man nicht genug bekommen.

HHausschlachtung

ist bei Schweinen erlaubt, aber nur für den Eigenbedarf. Traditionell werden beim winterlichen Sautanz Wurstdärme gefüllt und Grammeln ausgelassen, Speck eingesalzen und Sulz gekocht, sprich: das ganze Tier verwertet.

IIslam

Schweinefleisch ist im Islam und im Judentum ein Nahrungstabu, Strenggläubigen der Verzehr verboten. Das führt zu gesellschaftlichem Sprengstoff, wenn z. B. Kindergärten freiwillig auf Schweinefleischspeisen verzichten, um muslimische Kinder ohne Mehraufwand versorgen zu können. Eine weniger konfliktträchtige und nachhaltigere Lösung wäre, täglich verpflichtend ein vegetarisches Gericht anzubieten. Das ist in allen Religionen erlaubt.

JJause

Das Ost-West-Gefälle in Österreich äußert sich auch in vermeintlich klaren Begriffen wie der Jause. Während man in der Hauptstadt Kaffee und Kuchen darunter versteht, ist spätestens ab Oberösterreich stets Schwein im Spiel. In Form von Speck nämlich, denn im Westen ist die Jause pikant: Brot, Speck und Gurkerl zumeist, von Ausschweifungen in Form von Erdäpfelkas, kaltem Bratl und Schnaps wird berichtet.

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KKastenstand ist weder religiös noch ein Adelstitel, sondern ein Euphemismus der schlimmsten Sorte: Darunter wird in der üblichen Schweinezucht der eiserne Korb verstanden, mit dem die Muttersau während des Säugens fixiert wird, damit sie ihre Ferkel nicht erdrückt (und die Gewinnspannen der Betriebe verringern würde), so die offizielle Lesart. Die Muttersau kann sich darin wochenlang nicht einmal umdrehen. Vorbildliche FreilandSchweinehaltungsbetriebe haben ganz andere Erfahrungen. Eine Sau, die genug Platz und Einstreu hat, kümmert sich selbstverständlich um ihre Jungen und legt sich nicht zu Fleiß auf sie drauf.

MMangalitza

Ungarische Wollschweinerasse mit ordentlich Fett. War fast vergessen, wurde aber über den Umweg der großen Nachfrage nach spanischem Rohschinken wiederentdeckt und ist nun das Synonym für extensiv gehaltene Schweine.

LEs ist schon erstaunlich: Steht wo Italien drauf, ist es super und weckt Begehrlichkeiten, ein ähnliches Produkt aus dem Innviertel kennt kein Mensch. Beides ist weißer Rückenspeck (also die „ledige Fettn“, wie man am Land sagen würde)

vom möglichst fetten Schwein. Lardo di Colonnata wird traditionell in Marmorwannen gewürzt und eingesalzen, Innviertler Kübelspeck in Holzkübeln oder Steinwannen, beide reifen dann mehrere Monate.

Lardo schmeckt hauchdünn geschnitten, auf Röstbrot oder Fisch erwärmt, köstlich. Kübelspeck auch, aber seine wahre Bestimmung sind Innviertler Speckknödel: fein gewürfelt in einer dünnen Hülle aus Mehl- oder Schwarzbrotteig.

NNeugierig

sind Schweine extrem, und klug ebenso. Was ihnen zum Nachteil gereicht. Sie bekommen „Beschäftigungsmaterial“ bestenfalls in Form eines Balles an einer Eisenkette, knabbern aber ansonsten mangels Alternativen die Schwänze ihrer Leidens genossen ab und vegetieren über den scharfen Dämpfen ihrer Ausscheidungen auf Betonböden dahin. Das ist gesetzlich erlaubt.

OOstereier

wurden früher nach dem Färben noch mit Speckoder Schinkenschwarten zum Glänzen gebracht. Heute landet oft das Fett samt der Schwarte im Müll. Schade, weil diese Stücke sich zum Parfümieren winterlicher Suppen und Ragouts ganz hervorragend eignen, ähnlich wie Parmesanrinden.

Lardo
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RRassen

Edelschwein und Pietrain dominieren den Markt. Bentheimer, Duroc, Mangalitza, Schwäbisch-Hällisches und Turopolje z. B. sind klingende Namen für jene, die gern Schweinefleisch aus guter Haltung essen.

PProsciutto

oder Serrano sind nicht per se gute Produkte, nur weil sie nach mediterraner Lebensart klingen. Dafür müssten sie auch aus guter Tierhaltung stammen, was bei den wenigsten Antipastitellern oder Feinkosttheken der Fall ist.

QQualität

Bei Lebensmitteln wird Qualität meist auf den Geschmack reduziert. Dabei hat der Herstellungsprozess wesentlichen Anteil am Wert. Beim Schweinefleisch reicht ein selbst verliehenes Gütesiegel oder Qualitätsprogramm jedenfalls nicht aus. Nur weil das Futter ohne gentechnisch verändertes Soja auskommt oder weil die Schweine Stroh eingestreut bekommen, ist das Fleisch nicht automatisch besser.

SSchinkenfleckerln

Warum spielt bei den Schinkenfleckerln allerweil das Fleisch Versteckerln? Oder bin ich blind, dass ich nie den Schinken find? Auf so ein Haufen Schinkenfleckerln kommen ein paar kleine Breckerln und die wern direkt von den Fleckerln ganz verdeckt.

Und bild ich mir schon ein, ich hab a Fleisch, ich hab a Fleisch, ich hab a Fleisch, dann merk ich bald darauf, dass ich mich täusch, dass ich mich täusch, dass ich mich täusch. Drum lass ich mich nicht länger häckerln von den dummen Schinkenfleckerln, denn ich hab schon gnua von der Schinkenfleckerlsekkatur. (aus dem gleichnamigen Lied von Hermann Leopoldi, 1935)

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TTransport

Würden Schweine in der Umgebung, in der sie aufgewachsen sind, geschlachtet werden, wie das bei Weideschlachthäusern (z. B. dem Vorzeigeprojekt von Labonca in der östlichen Steiermark) der Fall ist, wäre das Thema Tiertransporte zumindest beim meistgegessenen Fleisch in Österreich schlagartig Geschichte. Was einmal normal war, ist heute nur mit großer Willens- und Finanzkraft umzusetzen.

UUngarn

Gemeinsam mit Italien Synonym für Salami, und die ist üblicherweise aus Schweinefleisch. Jede hat ihren unverwechselbaren Charakter, je nach Würzung, Reifung und Edelschimmel.

VVollspaltenboden

Das bedeutet: Schweine stehen und liegen, fressen und schlafen Tag und Nacht auf kalten Betonböden mit Spalten, durch die ihre Exkremente abfließen. Nicht in Ausnahmefällen, sondern knapp 60 Prozent aller heimischen Mastschweine, das sind 1,5 Millionen Tiere (Schätzungen des Vereins gegen Tierfabriken basierend auf Daten der Statistik Austria). Fürs Schnitzel und den Speck, für die Extra- und die Bratwürstel. Weil es billig sein soll. Wer das nicht will, muss Fleisch vom Strohschwein, noch besser Bio-Freilandschwein kaufen. In der Gastronomie hilft nur konsequentes Nachfragen nach der Haltungsform.

WWurzelfleisch

ist ebenso wie Klachlsuppe ein steirischer Klassiker, aber garantiert mehrheitsfähiger. Schopf, Schulter oder Bauch (oder alle drei) werden in einem gut gewürzten und mit Essig gesäuerten Sud mit Wurzelgemüse gekocht, zum Schluss kommt reichlich frisch gerissener Kren darüber. Weitere fast vergessene Lieblingsgerichte mit Schwein: Reisfleisch und Szegediner Krautfleisch im Winter, Sulz und Saure Wurst im Sommer.

Xist in der Pflanzenund Tierzucht immer ein Hinweis auf eine Kreuzung. Üblich in der Schweinezucht sind Kreuzungen aus Edelschwein/Landrasse x Pietrain. Der überwiegende Anteil der Schweine hat diese Genetik.

YYunnan

ist zwar nicht der nächste Weg, weil die Provinz im Südwesten Chinas liegt. Angeblich ist der dort luftgetrocknete Xuanwei-Schinken aber dem spanischen ebenbürtig.

ZZunge

Ein unterschätzter Muskel, über den oft nur gewitzelt wird „ich esse nicht, was wer anderer schon im Mund gehabt hat“. Bleibt mehr für die Auskennerinnen übrig: klassisch mit buttrigem Erdäpfelpüree und zart-süßen Erbsen, die Zungenreste kalt zur Jause.

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LEBENSLANGE LIEBE

Wie meine Schweinsbratenliebe entstanden ist, sich fast aufgehört hat und letztendlich zu einem schönen Ritual geworden ist.

Als 7/8 Oberösterreicherin und 1/8 Kärntnerin ist mir die Liebe zum Schwein in die Wiege gelegt und wird mir hoffentlich bis zur Bahre erhalten bleiben. Die schönsten Nächte meiner Kindheit waren die, in denen ich, schon im Pyjama, nochmal hinunter zu meiner Oma in die Küche gestapft bin (gut möglich, dass mein Teddybär Plauli auch dabei war), um sicherzugehen, dass der Geruch, der durchs Haus zog, echt war: jener von Kümmel und Knoblauch, mit Salz und einem schweren Messer von meiner Oma zu einer Paste gewiegt, und das Schweinerne, wie es bei uns hieß, samt geschröpftem Schwartl damit rundum gründlich eingerieben. So durfte es bis zum nächsten Tag marinieren und ich von der Lieblingsspeise – mit Erdäpfelknödeln und warmem Krautsalat – träumen.

Häufig kam das Fleisch dafür vom stattlichen Vierkanthof meiner Tante, die mit ihrer Familie einen Schweinemastbetrieb führte. Als Kind ging ich ungern zu den Schweinen in den Stall, obwohl ich Viecher und Ställe sonst über alles liebte. Aber mich erschreckte, wenn die Schweine erschraken, hochstoben und laut zu quieken, fast zu schreien begannen. Und nach wenigen Sekunden im Stall stank das Gewand tagelang. Hoffentlich spielt mir die Erinnerung keinen Streich, wenn ich behaupte, dass abseits der engen Schweinebuchten mit Vollspaltenböden noch ein Schwein für die Familie zumindest auf Stroh gehalten wurde. Meine Tante kochte fantastisch und die Tage, an denen eine Sau abgestochen wurde, waren Festtage. Ich durfte mit meiner Freundin vom Küchenfenster aus zusehen. Das Schwein wurde in den Hof gelassen und dort per Bolzenschuss betäubt und abgestochen. Danach folgte für die Erwachsenen sehr viel Arbeit und für uns Volksschulkinder eine unendliche Warterei. Dann gab es frische Blunzen und Grammeln und nein, ich hatte damals mit acht oder neun keine Ahnung, dass die Tiere nicht adäquat gehalten wurden. Wobei: Vielleicht doch, denn das unangenehme Gefühl beim Betreten des Stalles war ja immer da.

Neben Bratl gab es sonntags auch gern Geselchtes oder Zunge. Unter der Woche beschränkte sich Fleisch eher auf ein Speckbrot. Den Kärntner Speck schickte die Schwester meiner Oma: kernig, aromatisch, aber nicht zu salzig, das Fett weiß wie ein Leintuch. Richtig aufgeschnitten muss Speck bei mir immer noch werden: von einer kleinfingerdicken Scheibe des luftgetrockneten Bauchspecks mit einem großen, sehr scharfen Messer quer in sehr dünne Streiferl, auf dem schweinderlförmigen Holzbrett meiner Oma. Mehr als gutes Brot braucht es dazu nicht. Vielleicht ein Glas herben (gerbstoffreichen) Apfelmost.

In der Zwischenzeit hatte meine Mama einen Bioladen gegründet und ich wurde als Teenager Bio in der Wolle gefärbt. Lebensmittelqualität zu hinterfragen, war und ist seither selbstverständlich. Mit dem Wissen stieg die kognitive Dissonanz bis zu dem Punkt, an dem ich aufhörte, in der Gastronomie oder sonst wo außer Haus Schwein (und Geflügel) zu essen. Das Verlangen nach dem geliebten Geschmack aus der Kindheit blieb. So war es klar, dass ich Betriebe wie Labonca in der östlichen Steiermark mit ihrer ganzjährigen Bio-Freilandhaltung und Weideschlachtung unterstützen musste. Alleine aus Egoismus, um zumindest einmal im Jahr ein gescheites Bratl (und immer besten Naturspeck) zu Hause haben zu können. Irgendwann im tiefsten Winter ist es so weit: Da werden Bauch, Schopf und Karree vom Sonnenschwein am Vorabend so, wie es meine Oma schon gemacht hat, mit der Paste aus Kümmel, Knoblauch und Salz eingerieben. Ein paar sehr gute Freundinnen und Freunde dürfen mitessen, aber nie zu viele, damit ich noch ein paar Tage vom Duft und Geschmack des kalten Bratls und der Bratlfettn zehren kann. Heute weiß ich nämlich, dass es dem Schwein gut gegangen ist. Vielleicht hat es sogar an meinen Hosenbeinen geknabbert, als ich das letzte Mal bei Norbert Hackl auf Labonca war. Dort gibt es keine Ställe und deshalb stinke ich auch nicht, nachdem ich die neugierigen Viecher auf der Weide besucht habe, deren Fleisch ich liebend gern esse.

62 S MAGAZIN GAUMEN-FREUDE

Es war Mark Twain, der wusste: „Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.“ In diesem Sinne sei der Tisch immer wieder aufs Neue mit Hingabe gedeckt, der Ofen mit Leidenschaft angeworfen, der Appetit mit Liebe und Zeit angeregt. Und dazu ein edler Tropfen, so verlangt es das Leben mitunter. Der Wein ist stets ein treuer Begleiter. Man muss ihm nur mit Respekt und Wertschätzung begegnen. Und im Augenblick des ersten Schlucks vielleicht sogar das Gefühl vom schönsten Tag entwickeln. Die zwei Sommeliers Adi & René haben das zu ihrer Mission erklärt. Und die besten Weine aus 50 Jahren gesucht, geöffnet und – eh klar – beinahe melancholisch verkostet.

Wie &  für wen

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S.

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JAHRE STEIRERECK–EINE ZEITREISE
94 WEINE AUS FÜNF JAHRZEHNTEN
72 SPEISEN UND GEDRÄNGE
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S.
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63 S MAGAZIN ERLEBNIS & ERINNERUNG

50 JAHRE STEIRERECK –

EINE ZEITREISE

TEXT: MICHAEL HUFNAGL, FOTOS: STEIRERECK ARCHIV, REPRODUKTION: KLAUS FRITSCH

DIE ERFOLGSGESCHICHTE DER GOURMET-KUNST

BEGANN 1970 MIT EINEM RUSTIKALEN BEISL.

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01-02 Steirer, die ein Wiener Ecklokal im Laufe von Jahrzehnten zum Refugium des Genusses entwickelten. In den 1980er-Jahren baten Margarethe und Heinz Reitbauer zum großen Gruppenbild mit dem Erfolgsteam.

„Liebe ist das wichtigste Gewürz“, sprach Justine Kirchengast einst. Und damit hat die leidenschaftliche Köchin und Oma von Heinz Reitbauer die Erfolgsgeschichte des Steirereck vermutlich besser auf den Punkt gebracht als so manche hymnisch zubereitete Buchstaben-Suppe, die in den Medien über die Jahrzehnte kredenzt wurde. Liebe also.

Klingt einfach, ist es aber bei genauer Betrachtung gar nicht. Denn die Liebe zum Kochen ist das eine. Aber darüber hinaus gibt es auf dem Weg zum viel gerühmten Restaurant auch noch die Liebe zum Experimentieren und zum Produktbewusstsein, die Liebe zur Ästhetik und zum Detail, die Liebe zum Service und zum Teamspirit, die Liebe zum Mut und zur immerwährenden Weiterentwicklung.

Die vielen Hauben und Sterne, die als Auszeichnungen seit Jahrzehnten zum Steirereck gehören wie die Panier zum Wiener Schnitzel, sind in diesem Sinne vor allem wahre Liebesbeweise. Auch wenn das möglicherweise wieder einer jener Sätze ist, die Heinz Reitbauer im eigenen Magazin gar nicht so gerne lesen mag. Zurückhaltung ist ihm wichtig.

So viel Applaus kann es für ihn und sein kulinarisches Kunstverständnis gar nicht geben, dass

er irgendwann beginnen würde, unübersehbar mit der Großartigkeit zu kokettieren. Eher im Gegenteil. Aber zu einem Jubiläum wie „50 Jahre Steirereck“ wird es Österreichs wichtigster Herd-Botschafter schon aushalten, eine Zeit lang vor dem Vorhang ausharren zu müssen.

2005 übernahm Heinz Reitbauer („Dem Erdapfel widmen wir die gleiche Sorgfalt wie dem Kaviar“) nach neun erfolgreichen Jahren am längst legendären Pogusch die Küche des Steirereck von Helmut Österreicher, der aus dem einfachen Wirtshaus in 28 liebevollen Jahren ein Gourmetparadies erschaffen hatte. Im gleichen Jahr folgte die Übersiedlung aus der Rasumovskygasse in den Stadtpark – fünfzehn Gehminuten entfernt, und doch eine völlig neue Dimension, zumal mit der Meierei eine erlebenswerte Erweiterung des Genusskonzepts umgesetzt werden konnte.

2014 wurde im großen Stil umgebaut: größere Küche, größerer Weinkeller, eine moderne PavillonArchitektur mit Spiegelfassade. Und das S Magazin erschien zur Neueröffnung im Juni übrigens auch zum ersten Mal. Nur die Zahl der Sessel blieb gleich. Neunzig Menschen finden auch heute noch Platz. Es ging nicht um Expansion, sondern um Optimierung. Als wär’s ein Credo der Familie.

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Denn kaum etwas begleitet die Reitbauers so sehr wie das Sehnen nach Verbesserung. Und wer Heinz senior und Ehefrau Margarethe zuhören darf, wie sie das Wollen, das Wirken und das Werden schildern, beugt sich gespannt nach vorne. Wie sie die Entschlossenheit formulieren, das steirische Turnau (trotz des Vorsatzes „Alles, nur nicht Wien“) Richtung Wien zu verlassen. Wie sie ihr Erweckungserlebnis, das zum i unter dem Tüpfelchen werden wollte, offenbaren. Da wundert es nicht mehr im Geringsten, dass heute, 50 Jahre nach Eröffnung des ersten gemeinsamen Beisls, jedem Autor reflexartig das banale „Lebe deinen Traum“ in den Kopf schießt.

„Meine Mutter war so talentiert, die wäre garantiert eine Vier-Hauben-Köchin gewesen“, sagt Heinz senior in der Ö1-Sendung zum Steirereck-30er. „Dabei hat sie keine Rezepte aufgeschrieben, sondern alles im Kopf gehabt. Intuition pur.“ Dieses Bewusstsein sowie das Aufwachsen im Milieu mit Landwirtschaft, Fleischerei und Wirtshaus ließen aus dem jungen Mann einen Visionär werden. An der Seite des „frechen Mädels“ Margarethe, ebenso mit gastronomischen Wurzeln (Hochzeit 1968), versuchten sie erst in der Heimat ihr Glück – er führte am Sonnenhof die Kegelbahn, sie die Pension –, ehe sie genug von der Pacht hatten und sich aufmachten, die

Spurensuche nach dem eigenen Ideal in Angriff zu nehmen.

Und ausgerechnet in der Hauptstadt sah der Annoncenjäger Heinz Ecke Rasumovskygasse/Weißgerberlände einen Schanigarten, in dem zahlreiche Leute saßen, um ihr Bier zu trinken und ihr Gulasch zu essen: „Und das an einem Mittwoch um vier Uhr am Nachmittag. Unglaublich, das kannte ich nicht.“ Und wer ein Bauchgefühl hat, der ruft dann eben: „Jössas, das wäre was!“ Gesehen. Gestaunt. Gekauft.

03-06 Der Pogusch (linke Seite) wurde von 1996 an auch als Naturerlebnis zur viel gerühmten Dependance. Begonnen hat aber alles am 1. Jänner 1970 mit einem rustikalen Wirtshaus. (Rechts oben: der erste Ofen im Steirereck.) Im gleichen Jahr, als Heinz junior geboren wurde. Ehe er in dem junger Mann die Koch-Kunst entdeckte.

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S MAGAZIN 68 RÜCK-BLICK

07-09 Helmut Österreicher erschuf in 28 Jahren ein HaubenParadies. Eine Menü-Karte von einst dient als Beleg für seine Art, Kulinarik neu zu denken. Das Steirereck nach dem Umbau –der beste Ort für zahllose Gourmet-Rendezvous.

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Am 1. Jänner 1970 wurde das Steirereck eröffnet („Der Name Reitbauer war zu schwach, die Kombination aus Steirer und Ecklokal gefiel uns besser“). Nach dem Motto: Große Portionen, kleine Preise. „Die Schnitzel sind übern Tellerrand g’hängt“, erinnert sich Heinz. „Wir hatten von Anfang an viel Zuspruch“, sagt Margarethe. „Wir waren beide in der Küche, obwohl wir nicht Koch gelernt haben. Wir wollten das so sehr. Mehr als fünf Stunden Schlaf gab es aber nicht.“

Zu Beginn standen zwei Menüs auf der Karte, eines um 14, eines um 16 Schilling. Es gab Leberknödel und Gulasch, Karree und Pommes, und jeden Freitag („ein echter Hit“) Gemüsesuppe und Germknödel. Alles ganz einfach. „Die Leute haben uns gerne gehabt“, sagen beide. Fünf Jahre lang funktionierte die gastronomische Selbstverwirklichung so gut, dass sich Heinz einen Mercedes und einen Grund in Turnau kaufen konnte.

Bis zu diesem Urlaub 1975. Ein Urlaub, der alles veränderte. Ein Urlaub, der als Wegweiser heute noch als zarter Hauch Nostalgie durch das Steirereck weht. Denn damals besuchte das Ehepaar auf einer Europareise die besten Restaurants, von Mailand über Brüssel bis Paris. Um zu erkennen, dass jene

Tradition, die sie erfolgreich kultivierten, von Feinschmeckererlebnissen so weit entfernt war wie ein Extrawurstsemmerl von einem Filetsteak.

„Wir sind draufgekommen, dass wir nix Besseres haben als einen Würstelstand“, lächelt Margarethe. Und Heinz legt nach: „Wir wussten, dass wir etwas ändern müssen. Nein, nicht etwas … alles.“ Es ging um Befreiung und Befriedigung. Und so entsorgte Heinz jene Fritteuse, die er kurz zuvor um 45.000 Schilling gekauft hatte, weil: „Ein Schnitzel macht man mit Butterschmalz im Pfandl.“

1972 hatten die Reitbauers noch in eine rustikale Ausstattung investiert, 1980 wurde nach Jahren ordentlicher Weiterentwicklung („mit indischer Reisplatte, Piccata Milanese oder Saltimbocca“) alles rausgerissen und neu gemacht. Zuvor war aber 1976 noch Adi Schmid als Sommelier engagiert worden (der dem Restaurant 41 Jahre lang die Treue halten sollte), 1978 via Inserat ein innovativer Jungkoch gesucht („weil einen Arrivierten musst du erst wieder zum Verlernen bringen“) … und Helmut Österreicher gefunden. Heinz Reitbauer: „Plötzlich haben wir angefangen, frische Zutaten zu kaufen. Denn wir waren in Wahrheit nur Dosenöffner.“

70 S MAGAZIN RÜCK-BLICK

Der neue Küchenchef wurde auf Exkursionen ins Ausland geschickt, wo er sich für große Taten inspirieren lassen sollte. Das Reitbauer-Resümee lautet noch Jahrzehnte später: „Man muss ein Einfamilienhaus verfressen, um etwas von Geschmack zu verstehen.“ Die Investitionen lohnten sich. Nach einer zwischenzeitlichen Gäste-Empörung, weil es kein Cordon Bleu mehr gab, und einem ersten GaultMillau-Verriss der Nouvelle Cuisine im Jahr 1981 („Die herbe Kritik hat uns gutgetan“), folgte 1983 die erste Haube.

1984 wurde Adi Schmid Sommelier des Jahres, 1986 kam die zweite Haube, 1987 war dann Herbert Schmid Käse-Sommelier des Jahres, 1988 Helmut Österreicher Koch des Jahres. 1992 folgte der Höhepunkt: 19 von 20 Gault-Millau-Punkten und vier Hauben, das gab es in diesem Land noch nie. „Es war einst ein Aufjaulen, als wir unsere berühmten Vorspeisen- und Dessertwagen aus dem Programm strichen, aber am Ende war uns klar, dass wir für den Erfolg jeden Tag etwas verändern müssen.“

Und sei es die Idee des Pogusch, der als ländliche Dependance ab dem Jahr 1995 zum nächsten Erfolgsprojekt reifen sollte. Immerhin hat sich Heinz junior auch dort zwei Hauben erkocht. Sein Vater, der mittlerweile in der steirischen Heimat als Wirt

untrennbar mit dem Pogusch-Charakter verbunden ist und der als Pionier den kulinarischen Weg Österreichs entscheidend geprägt hat, sagt gerne: „Die Gesellschaft verändert sich, und die Gastronomie hat eine große Zukunft.“

Heinz junior, der verlässlich Kollegen lobt, Talente fördert und vor drei Jahren zum Koch des Jahrzehnts gekürt wurde, hat diese Haltung ohne Zweifel verinnerlicht. An der Seite von Birgit, die ihm 2002 das Ja-Wort schenkte und Seele und Gesicht des Hauses ist, gilt für ihn heute wie damals: „Nie stehen bleiben.“ Daran wird ein 50er nix ändern. Weder jener des Restaurants im Jänner, noch der eigene im August. In der deutschen FAZ stand über das Steirereck einmal geschrieben: „Ein kulinarisches Zauberreich, wie es kein Staatsopernbühnenbildner schöner hätte erschaffen können.“ Das sollten wir zum großen Jubiläum genau so wirken lassen.

10-12 Adi Schmid, 41 Jahre lang Steirereck-Sommelier. 2005 erfolgte nach intensivem Umbau die Übersiedlung in den Stadtpark. Die Reitbauers: Margarethe & Heinz Reitbauer sen. mit Birgit. & Heinz jun.

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SPEISEN UND GEDRÄNGE

Warum Essen das verlässlichste Bindemittel in der Liebe und eigentlich in jeder Form von Beziehung ist.

Schon lange vor Ikea war man bereits seelisch Schwedin. Denn Bullerbü und Lönneberga waren Orte, in denen Mütter die Würste selber machten, sich kleine Schwestern schon ab und zu an der Fahnenstange hochgezogen wiederfanden und vor hohen Feiertagen über Tage Vorbereitungsfieber herrschte. Da wurde im Kollektiv gepökelt, mariniert, gebacken, geschmort, wurden Grützen angerührt und Rentierkeulen geräuchert, was das Zeug hielt. Auch wegen ihres orgiastischen Sinns für Festmahle liebte ich das Universum der Astrid Lindgren, in dem Kinder in dieser wunderbaren Mischung aus Geborgenheit und Freiheit durch ihren Alltag brettern durften. Der sich biegende Familientisch, um den sich vor allem um die Feiertage auch jene drängen, die sich sonst vielleicht nicht so gut riechen können, schafft das oft schier Unmögliche: Hier werden zumindest phasenweise Eintracht und Harmonie simuliert und fröhlich bis zur Sofareife gefuttert – im besten Fall unter obsessiven Begleitseufzern, die ansonsten nur „bei der schönsten Sache, die man ohne zu lachen haben kann“ (Woody Allen) in dieser Hingabe zu hören sind.

Wie sehr die gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten einen aus dem Alltag in ein hedonistisches „Leo“ entführt, wie wichtig die kollektive Nahrungsaufnahme als Beziehungs-Bindemittel und sozialer Spielplatz ist, darüber haben inzwischen ganze Armeen von Soziologen, Psychologen, Kulturhistorikern und Alltags-Theoretikern nachgedacht.

„Wenn wir nicht zusammen essen, geht uns Sicherheit verloren und Geborgenheit“, schreibt der Psychologe Marshall Duke, „gemeinsames Essen ist das Rückgrat des menschlichen Miteinanders.“ Essen dient aber auch als Ablenkungsmanöver und Konfliktentschärfer. Im Zuge seiner Forschungsprojekte fand Duke heraus, dass sich 30 Prozent der Unterhaltungen bei Tisch um die dargebotenen Gerichte drehen. So können Erbschaftsstreitereien, diplomatische Verwicklungen oder atmosphärische Verstimmungen – zumindest temporär – im aus den dampfenden Tellern aufsteigenden Rauch verschwinden.

Tatsächlich muss man jetzt ein kleines Lamento über den Kulturverfall anstimmen, der mit sich bringt, dass immer mehr Zivilisationsflüchtlinge die Nahrungsaufnahme durch einen Klick auf der FoodoraApp abhandeln und das Ritual des Kochens als unnötige Zeitverschwendung abtun. Das sind aber auch dann die, die an „Foodpornitis“ laborieren und im Restaurant ihre Speisen posten, posten und nochmals posten und beim achtlosen Verzehr derselben die Gefällt-mir-Daumenentwicklung beobachten.

Vor einiger Zeit ist meine Tochter nach Berlin gezogen und ich lebe allein. „Kochst du überhaupt noch für dich?“ werde ich oft gefragt. Und wie! Natürlich! Kochen hat immer auch etwas mit Zärtlichkeit zu tun, die man auch gegenüber sich selbst nicht vernachlässigen sollte. Aber klarerweise ist es lustiger, für eine exzentrisch durchmischte Truppe zu braten

72 S MAGAZIN MAHL-ZEIT

und zu schnippeln. Meistens stehe ich noch in Auflösung am Ofen, wenn die ersten Gäste eintrudeln und mich mit dem Mitleidsbonus „Können wir dir was helfen?“ bedenken wollen. Bloß nicht!

Als meine über alles geliebte Großmutter im 96. Lebensjahr starb, tat sie das so, wie ich es auch auf meiner Wunschliste stehen habe: Sie briet für die Familie Erdäpfel und fiel vor dem Herd um. Besser geht’s nicht. Die Trauer bretterte mich damals so nieder, dass ich wie wild Freunde einzuladen und zu kochen begann. Eine drei Stunden lang blubbernde Bolognese eignet sich in solchen Situationen beispielsweise als treffliches Trostpflaster.

Meine hedonistische Ausbildung erhielt ich durch Länder und Meisteresser. Ich danke meiner Mutter an dieser Stelle noch einmal, dass sie mich in meiner Spätpubertät nach Italien und Frankreich zu Au-pair-Frondiensten verschickte. Unvergessen die herrlichen Sonntagmittag-Gelage, die in Frankreich gegen zwei begannen und in der Abenddämmerung ihr Ende fanden.

Jeder neu aufgetragene Gang wurde bei diesem Zelebrieren des Daseins wie ein gelungener Elfmeter bejohlt. Wobei man sich in Frankreich auch wochentags nicht aus der Ruhe bringen lässt, wenn das Hochamt des Mittagessens eingeläutet wird. In den Restaurants sind die Tische dicht besetzt und die Hektik der Selbstoptimierung scheint zumindest zwischen eins und drei außer Kraft gesetzt zu sein. Dass die Französinnen dennoch mit einer fragilen Statur gesegnet sind, soll damit zusammenhängen, dass sie angeblich in den eigenen vier Wänden über Tage an einem Magerjoghurt löffeln und es zur Meisterschaft im Blattsalat-Konsum gebracht haben. Nur in der Außenwirkung lassen sie sich davon nichts anmerken. Als ich einmal in einem Pariser Museum um die Mittagszeit anmerkte, dass man die Besucherschlangen durch das Öffnen eines zweiten Kassenschalters erheblich abkürzen könnte, sah mich die Dame im Glasverhau wie eine von der Liane geplumpste Wilde an und ließ mich in gebotenem Pathos wissen: „Aber Madame, es ist die Stunde der Mahlzeit.“

In Italien, auf einem alten Gutshof im pittoresken Valpolicella, brachten mir meine Au-pair-Arbeitgeber die Liebe zu den Produkten bei. Wir streichelten gemeinsam Kräuter, ich pflückte Tomaten im Garten und passierte sie mit einer „flotten Lotte“, bis meine Bizepse Straußeneiergröße hatten. Wir kannten die

Vornamen der Schweine und Schafe, deren Keulen und Filets wir langsam in riesigen Kupfertöpfen in der Küche, deren Kamin noch aus der Renaissancezeit stammte, schmorten. Wenn man mich auf meinem Sterbebett fragen sollten, was die göttlichste Geschmackskombination, der ich je habhaft werden konnte, gewesen sei, kann ich ohne zu zögern antworten: Ein Stück reife Birne, eine Scheibe Wildschweinsalami, und das alles auf einem heißen Polentaziegel aus dem Holzofen, in Begleitung von eiskaltem Weißwein. Ein Mensch, dem Essen einer Glaubensgemeinschaft gleichkam, und ein entsprechend guter Lehrmeister war der Satiriker und Autor Werner Schneyder. Ein Hedonist bis zum Anschlag, wie man ihn nur selten findet, und einer der wenigen Menschen, die beim ausufernden Verzehr einer Mahlzeit bereits von den kommenden Nahrungsaufnahmen ins Schwärmen geraten. Das verdankte er, wie er gerne und oft erzählte, der Anna Berzkowitsch, seiner geliebten Großmutter. Für seine Gastgeber gab es angesichts der kredenzten Speisen nur eine Höchstnote: „Das kommt der Anna Berzkowitsch in die Nähe!“

Die Großmütter, die uns die Sinne schärften, sie mögen hochleben!

Herr Schneyder hat es übrigens vorgezogen, nach Verzehr eines Drachenkopfs in üppiger Weißweinbegleitung im vergangenen März von dieser Erde zu gehen. Auch eine Art Fünfstern-Tod für einen solchen Meisteresser.

Auf seinen Grabstein hätte der Torberg-Spruch „Essen war seine Leibspeise“ wie maßgemacht gepasst.

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Die Frau hinter der Kurier-Freizeit-Kolumnistin Polly Adler heißt ANGELIKA HAGER und leitet das Ressort Gesellschaft bei „profil“.

SINFONIE

„FREUDE heißt die starke Feder in der ewigen Natur. Freude, Freude treibt die Räder in der großen Weltenuhr.“ So dichtete es der große Friedrich Schiller in seiner „Ode an die Freude“. Und wer sich dem Werk mit der notwendigen Freiheit im Kopf nähert, der mag vielleicht sogar daran glauben, dass auch

74 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

SINFONIE

der Glanz der Kulinarik von Götterfunken begleitet wird. Ludwig van Beethoven hat die Worte einst in Musik verwandelt, und seine neunte Sinfonie wurde weltweit zum Ausdruck von Zuversicht und Frohsinn. Was liegt daher näher, als ein opulentes Menü zur Sinfonie der Sinne zu erklären?

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FOTOS: THOMAS SCHAUER
76 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

EINE REISE DURCH ÖSTERREICH UND DARÜBER HINAUS

1 Germknödel mit Salz-Zwetschke, Mohn & Perilla

2 Fermentierte Vanille-Kohlsprosse mit Walnuss & Pastinake

3 Rösti mit Hechtleber & Krenblatt

4 Forono-Rübe mit gesäuertem Rahm

5 Blattln mit Kraut

6 Brokkoli mit Meyer-Zitrone & Walnussblatt

ESSKULTUR:

Im Laufe von Jahrhunderten hat Österreich eine vielfältige kulinarische Identität entwickelt. Verwurzelt in der K.-u.-k.-Monarchie, ist sie ihrer Entwicklungsgeschichte nach durch die Einflüsse der Kronländer und Königreiche eine Vielvölkerküche mit eigenständigen regionalen Spezialitäten, welche sich nicht auf einige wenige Gerichte oder Regionen reduzieren lässt. Viele Geschmäcker, Produkte oder Zubereitungsarten können wir heute geografisch zuordnen. Diese verschiedenen Geschmäcker schaffen aber auch grenzübergreifende Verbindungen zu unseren Familien und zu unserer Geschichte und sind wiederum ein Spiegelbild unserer Lebenskultur. Eine Reise durch Österreich und darüber hinaus.

Im Übrigen: Die Wiener Küche ist die einzige weltweit, die einen Städtenamen trägt. Sie entstand vor mehr als 200 Jahren beim Wiener Kongress an den Wiener Herden, wo die verschiedensten Küchen in friedlicher Mission ihre Traditionen und Geschmäcker teilten und somit den Ruhm der Wiener Küche begründeten.

ZUTATEN

- 250 g Mehl (glatt)

- 55 g Butter (zimmertemperiert)

- 1 Bio-Eigelb

- 100 ml Milch

- 1 Prise Karpatensalz

- Mehl zum Ausrollen

- 50 % Butterschmalz

- 50 % Pflanzenöl

ZUBEREITUNG

Die Zutaten vermengen und die Milch langsam einlaufen lassen. Anschließend zu einem homogenen Teig kneten. In Frischhaltefolie einschlagen und bedeckt für 60 Minuten bei Zimmertemperatur rasten lassen.

Auf einer mit Mehl bestäubten Fläche den Teig 2 mm dünn ausrollen und mit einem 4 cm-Rundausstecher Teigscheiben ausstechen.

Butterschmalz und Pflanzenöl zusammen erhitzen und das Gebäck darin schwimmend ausbacken.

Tipp: Dabei die Kasserolle immer schwenken bzw. das Gebäck mit dem Fett übergießen, um ein gleichmäßiges Soufflieren zu gewährleisten.

Das Schmalzgebäck aus dem Fett heben und auf Küchenpapier abtropfen lassen.

Rasch servieren.

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78 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

MARCHFELDER

ARTISCHOCKEN MIT MOHN, PFIRSICH & TÄUBLING

1 Mit Graumohn und Madeira geschmorte, frittierte, glacierte Marchfelder

Artischocken mit Graumohn-Miso

2 Schlangenbohnen mit Verbene & Pfirsich

3 Gedämpfte Täublingskappen

4 Gebratene, eingelegte Vigamor-Schalotten

5 Artischocken-Nage mit Blaumohn

Wein 2010 Ex Vero I (SB, CH), Werlitsch-Ewald Tscheppe / Leutschach, Südsteiermark

TÄUBLINGE:

Sie zählen mit etwa 750 Arten zu den artenreichsten Pilzgattungen weltweit. Die oft recht großen Fruchtkörper besitzen eine meist auffällig bunt gefärbte, dünne Huthaut sowie ein weißes, feinfasriges Pilzfleisch mit fast immer leicht splitternden Lamellen. Ihr Stiel fasert nicht wie bei den allermeisten Pilzarten, sondern ist querbrüchig. Die beliebtesten Täublinge wie Apfeltäubling, Frauentäubling, grüngefelderter Täubling, brauner Ledertäubling, Pfirsichtäubling und Speisetäubling werden von Florian Kogseder für die Steirereck-Küche gesammelt.

ZUTATEN

- 23 g Graumohnöl (Gressl)

- 7,5 g Knoblauch (geschält & klein geschnitten)

- 5 g Ingwer (geschält & klein geschnitten)

- 230 g Schalotten (geschält & klein geschnitten)

- 1 Msp. Chili, rot, frisch (klein geschnitten)

- 400 ml Geflügelfond

- 125 g Miso hell

- 1/2 Limette (Abrieb & Saft) - Karpatensalz

ZUBEREITUNG

Knoblauch, Ingwer und Schalotten bei mittlerer Hitze im Graumohnöl für 15 Minuten anschwitzen.

Chili und gequetschten Graumohn beigeben und kurz mitschwitzen.

Mit Geflügelfond ablöschen, Miso einrühren und bei mittlerer Hitze für 50 Minuten einkochen.

Anschließend im Thermomix auf höchster Stufe für zehn Minuten glatt pürieren.

Mit Karpatensalz, Limettenzesten und -saft abschmecken.

GRAUMOHN-MISO, 12 PORTIONEN
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80 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

RÄUCHERAAL MIT JUNGEN KAROTTEN, KOHL &

MEYER-ZITRONE

1 Mit jungen Karotten glacierter & geflämmter Bodensee-Räucheraal

2 Kohl-Meyer-Zitronen-Crème

3 Ochsenherz-Karotten-Kohl-Salat mit Hanföl

4 Mit Räucheraal, Ingwer & Physalis geschmorte junge Karotten

5 Eingelegte Perlzwiebeln

6 Mit Hanföl mariniertes Eiskraut

7 Knuspriger Kohl

8 Gesäuerte Buttermilch

Wein 2016 Welschriesling „Saybritz“, Franz Weninger / Horitschon, Burgenland

OCHSENHERZ-KAROTTE:

Alte, intensiv schmeckende Karottensorte in Form eines Ochsenherzes. Von Michael Bauer, Stetten / NÖ.

EINGELEGTE PERLZWIEBELN, 12 PORTIONEN

ZUTATEN

- 400 ml Tonic Water (Schweppes)

- 20 g Ingwer (geschält & in Scheiben geschnitten)

- Karpatensalz

- Kristallzucker

- 300 g Perlzwiebeln (klein)

ZUBEREITUNG

Alle Zutaten miteinander einmal aufkochen.

Die Perlzwiebeln halbieren und schälen. In die heiße Marinade einlegen und gemeinsam einmal aufkochen lassen. Anschließend noch heiß in Einmachgläser abfüllen, verschließen und bis zum Gebrauch gekühlt lagern.

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82 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

FLUSSKREBSE MIT PARADEISERN, MONARDE & OLIVENKRAUT

1 Mit Krebsenfond glacierte Flusskrebse

2 Eingelegte, leicht gedörrte Paradeiser

3 Mit Krebsenfond marinierte Paradeiser

4 Mit Balsamessig & Olivenkrautöl mariniertes Paradeiser-Herz

5 Staudensellerie-Gurken-Apfel-Salat mit Senfkörnern, Monarde & Olivenkraut

6 Monardenblüten & Blattspitzen

7 Flusskrebs-Sauce

Wein 2012 Riesling „Wunderburg“, Pichler-Krutzler / Oberloiben, Wachau

MONARDE:

Die Monarde gehört zu den Taubnesselgewächsen unter den Lippenblütlern. Die schmucke Staude mit wunderschönen Blüten-Quirlen hat ein scharf-würziges, herbes, oreganoähnliches Aroma.

Die feinen, fransigen Blütenkelche eignen sich hervorragend zum Würzen und zur Sirupherstellung.

Die jungen Blätter können auch für die Teezubereitung verwendet werden.

Aus dem Steirereck-Garten.

ZUTATEN

- 25 g Olivenkraut

- 250 ml Traubenkernöl

- 200 ml Verjus (aus Rotweintrauben)

- 4 g Wilde Monardenblüten

- 200 g Äpfel (geschält & fein gewürfelt)

- 200 g Gurke (geschält & fein gewürfelt)

- 100 g Staudensellerie (geschält & fein gewürfelt)

- 100 ml Monarden-Verjus

- 40 g Olivenkrautöl

- 2 TL Staudensellerie-Grün (Julienne)

- Limettenabrieb & -saft - Chiliöl

- Cayennepfeffer - Karpatensalz

ZUBEREITUNG

Olivenkrautöl: Das Olivenkraut mit dem Öl gemeinsam vakuumieren. Leicht andrücken, sodass die ätherischen Öle gelöst werden.

Für zwei Stunden bei 67 °C im Wasserbad garen und anschließend 48 Stunden gekühlt ziehen lassen.

Abseihen und lichtgeschützt sowie gekühlt lagern.

Monarden-Verjus:

Verjus und gesäuberte Blüten auf Stufe 7 vakuumieren und bei 72 °C im Wasserbad für 30 Minuten garen. Herausnehmen, abkühlen und bis zur Verwendung verschlossen und gekühlt lagern.

Salat fertigstellen: Alle Zutaten miteinander vermengen und abschmecken.

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STAUDENSELLERIE-GURKEN-APFEL-SALAT, 4 PORTIONEN
Rezept
84 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

REHHERZ MIT GETREIDE, STOCKSCHWAMM & PILZKRAUT

1 Konfiertes Rehherz mit fermentierter, gedörrter Forono-Rübe

2 Gedämpftes, souffliertes Getreide mit knusprigen Leinsamen

3 Gekochter, fermentierter und getrockneter Stockschwamm

4 Gerösteter Rehsaft

5 Pilzkrautöl

Wein 2013 Furmint „Garten Eden“, Michael Wenzel / Rust, Neusiedler See-Hügelland

EUROPÄISCHES STOCKSCHWÄMMCHEN:

Es wächst hauptsächlich auf Buchen und Eichen und ist ein naher Verwandter des Japanischen Stockschwämmchens. In Asien ist es ein beliebter Speisepilz und wird vor allem in MisoSuppen gegessen. Die jungen Fruchtkörper weisen auf den Pilzhüten feuchte Stärkeabsonderungen auf, welche sich allerdings beim Kochen zersetzen. Das Stockschwämmchen besitzt einen würzigen, leicht nussigen Geschmack und eine feste, knackige Textur.

Gezüchtet von Florian Kogseder / Oberösterreich.

KNUSPRIGE LEINSAMEN, 10 PORTIONEN

ZUTATEN

- 50 g Leinsamen

- 500 ml Wasser

- Pflanzenöl (zum Frittieren)

ZUBEREITUNG

Die Leinsamen für 24 Stunden in Wasser einweichen.

Anmerkung: Die Leinsamen bilden eine schleimige Schicht um das Korn und quellen um ca. 1/3 ihrer Größe auf.

Am nächsten Tag die Samen durch ein Haarsieb gut abtropfen lassen. In einer hohen Kasserolle das Öl auf ca. 180 °C erhitzen und die Leinsamen in kleinen Mengen im Sieb ausfrittieren.

Tipp: Die Leinsamen kleben durch die gebildete schleimige Stärkeschicht am Beginn des Frittiervorgangs relativ stark zusammen. Mit einem Kochlöffel im Sieb etwas umrühren, um eine gleichmäßig frittierte Oberfläche zu erhalten.

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Rezept

SCHNEEBERGLAND-ENTE MIT SAMTFUSSRÜBLING, HOLUNDER & LAVENDEL

1 Am Knochen gebratene Entenbrust mit Koriander & Lavendel

2 Konfierter & gebratener Samtfußrübling

3 Entenzungen-Salat mit Yuzu

4 Mit Holunderblüten eingelegter Red Meat-Rettich

5 Samtfußrübling-Crème

6 Enten-Natursaft mit Lavendel

Wein 2012 Cornas „Billes Noires“, Domaine du Coulet – Matthieu Barret / Rhône

SCHNEEBERGLAND-ENTE:

Acht Wochen alte Bio-Peking-Ente aus Rohr im Gebirge, Schneebergland / NÖ.

WINTERPILZ / SAMTFUSSRÜBLING:

Gesammelt von Oktober bis April, da er für die Fruchtkörperbildung zumindest einmal Frost bekommen muss. Sein spezielles Eiweiß schützt die Zellen vor Frost und ermöglicht sein Wachstum.

MIT HOLUNDERBLÜTEN EINGELEGTER RED MEAT-RETTICH, 12 PORTIONEN

ZUTATEN

- 2 Stk. Red Meat-Rettich

- 180 ml weißer Balsamessig (Gölles)

- 100 ml Holunderblüten-Sirup (Steirereck)

- 70 ml Limettensaft

- 1/2 Stk. Zitronengras (geklopft & geschnitten)

ZUBEREITUNG

Den Rettich schälen und in dünne Scheiben blättrig schneiden. Alle Zutaten gemeinsam aufkochen und über die geschnittenen Rettichscheiben gießen. Anschließend sofort luftdicht verschließen und bis zum Gebrauch gekühl lagern.

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88 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

SCHAFNASEN & SCHAFPORLING MIT MELISSE & KASTANIEN

1 Mit Melisse & Meyer-Zitrone eingelegte steirische Schafnasen-Äpfel

2 Gedämpfter Schafporling mit fermentiertem, geliertem Ahornsirup

3 Heumilch Royal

4 Knusprige Edelkastanien

5 Gedörrte Kletzen

6 Schafnasen-Melissen-Sud

7 Geröstetes Kastanienöl

Wein 2017 Trois Pepins, Cidrerie du Vulcain – Jaques Perritaz / Schweizer Jura

SCHAFNASEN-APFEL:

Die Form des Lieblingsapfels von Erzherzog Johann ist schmal kegelförmig, sein Fruchtfleisch weiß bis grünlich-weiß und besitzt einen süßsäuerlich-aromatischen, leicht herben Geschmack. Ein leider nur mehr selten zu bekommender Herbst-Winter-Apfel.

Von Fam. Josef Kirchengast / Feldbach.

SCHAFPORLING:

Dieser sehr wohlschmeckende, milde Pilz besitzt ein feinporiges weißlich-cremefärbiges Fleisch, welches sich beim Garen gelb verfärbt. Er fruchtet von Juli bis November im Mittel- bis Hochgebirge im Nadelwald unter Fichten und Kiefern.

MIT MELISSE & MEYER-ZITRONE EINGELEGTE STEIRISCHE SCHAFNASEN-ÄPFEL, 12 PORTIONEN

ZUTATEN

- 2500 ml Donnerwetter (Apfel-Birnen-Saft von Wetter)

- 22 g Meyer-Zitrone groß, Schale

- 350 ml Apfelschnaps

- 2500 ml Wasser - 75 g Zitronenmelisse (frisch) - 7 g Verbene-Tee (getrocknet)

- Schafnasen-Äpfel (Pogusch)

ZUBEREITUNG

Einlegefond: Zusammen aufkochen und 20 Minuten ziehen lassen.

Aufkochen und flambieren, bis sich der Alkohol verflüchtigt hat. Dem Fond zufügen.

Melissen-Tee: Wasser aufkochen, Zitronenmelisse samt Stängeln grob schneiden. Melisse und Verbene für fünf Minuten im Wasser ziehen lassen, anschließend durch ein Haarsieb abseihen und zum restlichen Fond zufügen.

Den Fond auf Raumtemperatur abkühlen lassen.

Die Schafnasen-Äpfel schälen und samt Stiel halbieren. Mit einem 20 mm-Parisienne-Ausstecher das Kerngehäuse entfernen.

Tipp: Die Äpfel nach dem Schälen direkt in den überkühlten Fond geben, um eine Oxidation zu verhindern!

Die entkernten Apfelhälften in große Vakuumbeutel schlichten und mit dem Apfel-Einlegefond mittelfest vakuumieren.

In kleinen Einheiten bei 100 °C für ca. 18-25 Minuten dämpfen. Anschließend sofort in Eiswasser abschrecken.

Tipp: Die Dauer der Garung ist sehr von der Größe der Äpfel abhängig – darauf achten, dass man die Äpfel in gleich große Einheiten vakuumiert, um eine möglichst gleichmäßige Garung zu erhalten.

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90 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

MISPELN MIT WALDMEISTER, MALZ & REIS-KOJI-SOUFFLÉ

1 Reis-Koji-Soufflé mit Mispel-Malzessig-Marmelade

2 Leicht geräuchertes Mispel-Kompott mit Waldmeister

3 Waldmeister-Malzbier-Eis

4 Gepuffter Waldmeister-Reis

Wein NV Sercial „10 Years aged – Reserva Velha“, Barbeito / Câmara de Lobos, Madeira

KOJI:

Als Koji bezeichnet man Getreide oder Reis, welches / welcher mit einem Schimmelpilz versetzt wurde. Der flaumig heranwachsende Schimmelmantel verströmt einen süßlich-fruchtigen Geruch. Koji wird hauptsächlich im asiatischen Raum verwendet und dient unter anderem zur Herstellung von Miso, Sojasauce, Mirin und Sake. Aus der Steirereck-Küche.

WALDMEISTER:

Diese Heil- und Würzpflanze mit ausgeprägtem, würzig-bitterem Geschmack ist in lichten Laubwäldern zu finden. Ab Mitte April wird sie, knapp vor oder während der Blüte, geerntet, gebündelt und zum Trocknen an einem luftigen, schattigen Ort aufgehängt. Die frische Pflanze ist noch geruchlos, erst angewelkt oder getrocknet entfaltet sie ihren charakteristischen Geruch, der vor allem dem Inhaltsstoff Cumarin zu verdanken ist. Die positive Wirkung von Waldmeister wird auch heute noch in der Naturheilkunde genützt.

WALDMEISTER-MALZBIER-EIS, 12 PORTIONEN

ZUTATEN

- 100 g Malzbier

- 500 g Bio-Heumilch

- 200 g Obers

- 50 g Malzbier-Reduktion - 15 g Waldmeister

- 112 g Kristallzucker - 20 g Glukose

- 250 g Bio-Heumilch - 52 g Maizena

- Waldmeister-Malzbier-Eis-Basis - 87 g Joghurt

ZUBEREITUNG

Malzbier-Reduktion: Auf die Hälfte einkochen.

Waldmeister-Malzbier-Eis-Basis: Alle Zutaten zusammen aufkochen und für mindestens zwei Sunden ziehen lassen.

Milch und Maizena verrühren.

In der Zwischenzeit die Eis-Basis aufkochen und mit der Milch-Maizena-Mischung abziehen.

Tipp: Maizena benötigt einige Minuten Kochzeit, um seinen Stärkegeschmack zu verlieren.

Das Joghurt in die überkühlte Eismasse einmixen und passieren. Anschließend in der Eismaschine frieren.

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92 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

SCHÖNBRUNNER ZITRUS-VIELFALT MIT WILDFRÜCHTEN

1 Gin Fizz mit Meyer-Zitrone & Bitterorangenblüte

2 Pomelo mit Dirndl-Zitruskräuter-Zucker

3 Holunder & Wiener Eukalyptus mit gebackenem Topfenknödel

4 Hagebutten-Sorbet mit Bergamotte

5 Jaina-Schokolade mit Sanddorn

6 Kandierte Schönbrunner Zitrus-Vielfalt

7 Vogelbeeren & Verbene mit geeister Schönbrunner Zitrone

GIN FIZZ MIT MEYER-ZITRONE & BITTERORANGENBLÜTE, 24 PORTIONEN

ZUTATEN

- 250 g Meyer-Zitrone groß, Saft (passiert)

- 150 g Bitterorangenblüten-Sirup

- 150 ml Bombay Sapphire Gin

- 150 g Eiweiß (pasteurisiert)

- 130 g Zitronensaft (passiert)

- 70 g Bombay Sapphire Gin

- 145 g Läuterzucker 1:1

ZUBEREITUNG

Kalter Fizz:

Alles vermengen, frieren und in gefrorenem Zustand mixen, bis zum Gebrauch tiefgekühlt lagern.

Die gefrorene, gemixte Masse in einen vorgefrorenen Mörser abfüllen.

Heißer Zitronenschaum:

Das Eiweiß mit einem Schneebesen brechen und anschlagen.

Die restlichen Zutaten zufügen und mit einem Trichter in eine Siphonflasche füllen.

Mit zwei Gaspatronen befüllen, kräftig schütteln und in ein 80 °C-Wasserbad stellen.

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EDEL-TROPFEN 94 S MAGAZIN

„OHO!“ „Wahnsinn.“ „WOW.“

PROTOKOLL: SEBASTIAN HOFER

FOTOS: PHILIPP HORAK

WEINBESCHREIBUNGEN: RENÉ ANTRAG

01–02 René Antrag und Adi Schmid betrachten fünf Jahrzehnte österreichischer Weingeschichte.

Das Steirereck wird 50 Jahre alt. Ein guter Anlass für Adi Schmid und seinen Nachfolger René Antrag, ein paar Weine aus fünf Jahrzehnten zu kosten und ein bisschen zu philosophieren – über die Schilchersteinzeit, weggesperrte Kellermeister, stressige Weinbegleitungen und die Rückkehr zur Natur (und etliches mehr).

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96 S MAGAZIN EDEL-TROPFEN
03 Adi Schmid war mehr als 40 Jahre im Steirereck, die meisten davon als Chefsommelier. Nach seiner Pensionierung 2017 ist er „bescheidener geworden“, sagt er selbst.

Später Nachmittag, Anfang November, Stunde der Steirereck-Legenden. Adi Schmid, von 1976 bis 2017 im Haus, die meiste Zeit davon als Chefsommelier, macht mit seinem kongenialen Nachfolger René Antrag ein paar Flaschen auf: große, wichtige, prägende österreichische Weine aus fünf Jahrzehnten, Geschichte hinter Glas. Den Anfang macht ein 1989er Grüner Veltliner Hoher Rain, Geyerhof, Kremstal.

ANTRAG Ich habe ja schon einige reife Weine vom Geyerhof kosten dürfen. Die haben einen wunderbaren alten Keller, in dem wirklich noch Raritäten liegen.

SCHMID Die Ilse Mayer war übrigens einmal Weinkönigin.

ANTRAG Dieser Wein strahlt ja noch richtig!

SCHMID Damals wurde noch mehr Schwefel beigegeben, das wirkt sich aus. Ich habe ein Buch von Lenz Moser, in dem eine Empfehlung für Schwefelbeigabe steht, für die du heute in den Häfen gingest.

ANTRAG Der Herr Schmid kann wahrscheinlich mehr über die 1970er- und 1980er-Jahre erzählen als ich.

SCHMID Ich könnte auch über die 1960er-Jahre etwas erzählen. Und über den aktuellen Stand.

ANTRAG Sie sind einfach on point!

SCHMID Ich bin allerdings auch bescheidener geworden. Seit meiner Pensionierung verkoste ich nebenbei auch für einen Supermarkt-Wein-Guide. Dadurch habe ich zur Demut gefunden. In meiner Zeit im Steirereck war ich wohl ein wenig präpotent.

„Es gibt heute keine fehlerhaften Weine mehr. Die sind sauber, klar, präzise.“

ANTRAG Wie bitte?

SCHMID Das merkt man selber gar nicht. Aber wenn ein Weinbauer mit einem Sauvignon Klassik daherkommt, sagst du: Danke, aber nein, danke. Inzwischen, nachdem ich auch viele kleinere Weine gekostet habe, denke ich: Da sind gute Sachen dabei.

ANTRAG Das sind gut gemachte Weine.

SCHMID Die sind nicht nur gut gemacht. Das sind gute Weine.

ANTRAG Die Kellertechnik hat sich so weiterentwickelt, dass es heute keine fehlerhaften Weine mehr gibt. Die sind sauber, klar und präzise. Dafür gibt es aber auch genügend Hilfsmittel: gekühlte Stahltanks, Reinzuchthefen, Holzchips.

SCHMID Zugleich hat sich aber auch das Wissen um Lesezeitpunkte, passende Sorten und Böden professionalisiert. Was war früher ein toller Wein? Ein Glücksfall. Bis in die 1970er gab es fast ausschließlich gemischte Landwirtschaften: Kühe, Schweine, Getreide, Erdäpfel – und einen Weingarten. Der Weingarten hat das Pech gehabt, dass er als Letzter dran war. Wenn alles andere geerntet war, hat man den Wein gelesen. Wenn der Jahrgang gepasst hat, konnte ein großer Wein entstehen. Oder eben nicht.

1989 GRÜNER VELTLINER

„HOHER RAIN“ KABINETT, GEYERHOF / OBERFUCHA Ein Veltliner, der den säuregetragenen Jahrgang widerspiegelt und mit viel Limette, Hefe, weißen Blüten mit feiner Pikanz spielt. Ein Purist, der die leisen Töne spielt.

1988 CABERNET SAUVIGNON / MERLOT, JOHANNESHOF-REINISCH / TATTENDORF

Deutliche Einflüsse des Bordeaux in Österreich. 65 Prozent Cabernet Sauvignon, Ausbau in kleinen französischen Barriques. Reifes Cassis, balsamische Würze und weihnachtliche Gewürze wie Nelke, Anis und Zimt. Die Gerbstoffe wirken etwas strapaziert und bringen eine gewisse Rustikalität mit.

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ANTRAG Viele Winzer gehen heute aber bewusst wieder zur gemischten Bewirtschaftung zurück. Geyerhof etwa, oder Ernst Triebaumer. Man geht wieder zurück zu den Wurzeln.

SCHMID Gut so. Ich verurteile die Entwicklungen, die es dazwischen gab, aber keineswegs – den Barrique-Hype, die internationalen Sorten, Cabernet und so weiter. Wenn man das alles nicht gemacht hätte, wäre man heute nicht so weit. Aber langsam kommen wir wieder dorthin, wo wir einmal waren. Gott sei Dank. Die Winzerschaft ist ein Vorreiter in Richtung biologische Landwirtschaft.

ANTRAG Weil sich auch das Bewusstsein der Konsumenten entwickelt hat.

SCHMID Man darf nicht vergessen, dass Österreich bis weit in die 1960er-Jahre hinein ein armes Land war. Und dann kriegst du diese Mittel, die dir wirklich helfen. Du hast eine sichere Ernte, die Schädlinge sind hin. Natürlich verwendest du das.

Die Verkostung läuft en parlant weiter, man ist gerade beim 1971er Blaufränkisch Steinzeiler vom Weingut Kollwentz/Römerhof. Vorsichtiges Herausdrehen des Korkens, Einschenken, Strahlen.

ANTRAG Den hat der Andi Kollwentz vorige Woche vorbeigebracht. Weltklasse.

SCHMID Das ist schon sehr reif, eher von der Sekundäraromatik geprägt. Aber trotzdem Blaufränkisch, eindeutig.

ANTRAG Super elegante Säure. Der Gerbstoff ist noch nicht müde und sehr zart.

SCHMID Ein toller Wein. Der Anton Kollwentz war immer ein gescheiter Bursch. 1971 war kein schlechtes Jahr. Der Wein hat damals auch nichts gekostet. Vielleicht mehr als bei den Nachbarn, aber nicht viel Geld.

S MAGAZIN Als Sie beim Steirereck angefangen haben, im Herbst 1976, hat hier der Schilcher dominiert.

SCHMID Es war unglaublich. Das war nach heutigen Maßstäben untrinkbar. Sauer. Aber die Leute haben es getrunken. Damals war das Steirereck noch ein Wirtshaus mit rustikaler Küche.

S MAGAZIN Hätte man denn in Österreich damals schon große Weine entdecken können?

SCHMID Im Rotweinbereich noch nicht. Beim Weißwein gab es in den 70er-Jahren Jamek, Prager und Salomon, in der Steiermark noch Tscheppe und Sattlerhof. Das war es eigentlich. Dazu gibt

1971 BLAUFRÄNKISCH „STEINZEILER“, RÖMERHOF / GROSSHÖFLEIN

Mein persönlich ältester Rotwein aus Österreich – und dann gleich so ein Hochkaräter. Puristisch und zerbrechlich, ganz zarte Anklänge von Dörrzwetschken, getrockneten Himbeeren. Trotz der feinen Sekundäraromatik von Rauch und Tabak verführerische Rosenblüten. Die Gerbstoffe sehr zart und tänzelnd, gepaart mit einer animierenden Frische. Öffnen und schnell trinken (was bei dieser Qualität nicht schwerfällt)!

1990 MORILLON „ZIEREGG“ KABINETT, TEMENT / BERGHAUSEN

Einer der besten Jahrgänge, die es in Österreich gegeben hat. Verspielte, florale Anklänge mit Litschi, Passionsfrucht. Am Gaumen fällt er nicht ab und spielt mit zarter Exotik, zusätzlich etwas Limettenabrieb, und salzigen Anklängen.

1977 GRÜNER VELTLINER „WIEDEN“ SPÄTLESE, SALOMON / STEIN A.D. DONAU Nase unfassbar ausdrucksstark, dicht und konzentriert. Reife Quitten, Birnen, die etwas mostiger wirken, viel Brioche und Waldhonig. Spürbare Süße, die aber mit der Reife etwas austrocknend wirkt und mit viel Würze gepaart ist. Zarte Tee-Aromen bringen zusätzlich Komplexität und Spannung.

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04 Einige der verkosteten Weine haben schon ihren Zenit überschritten. Aber alle haben etwas zu erzählen.
05 René Antrag verantwortet seit 2017 im Steirereck die Weinkarte. Die Gäste seien heute offener für Überraschungen als früher, meint er. 100 S MAGAZIN EDEL-TROPFEN

es eine wichtige Geschichte: Reitbauer senior hat bei Josef Jamek angerufen und Wein bestellt. Ried Klaus, Riesling Kabinett, Veltliner Achleiten Kabinett. Eine Zeit danach kam an einem späten Mittag ein Herr ins alte Steirereck, hat links an einem Katzentisch Platz genommen, gegessen, zwei Gläser Wein getrunken und dann nach dem Herrn Reitbauer gefragt. Und dann: Grüß Gott, Jamek, Sie haben bei mir Wein bestellt. Ich liefere.

S MAGAZIN Jedem hätte er ihn nicht verkauft?

SCHMID Nein. Er hat sich das vorher genau angesehen. Danach hatten wir – und das war eigentlich ein Handicap – im Doppler jahrelang einen Veltliner von Jamek – Stein am Rain – für uns abgefüllt. Die Stammgäste haben gesagt: „Bevor ich mir da eine Bouteille kaufe, trinke ich den, der ist genauso gut.“ Und es hat natürlich gestimmt. Wenn ich Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre mittags eine Bouteille Wein verkauft habe, war ich der Michael Jackson. Das war die Steinzeit. Und dann ist dieser unsägliche Skandal gekommen.

S MAGAZIN 1985, Weinskandal: Alles zurück auf Null.

SCHMID So war das Gefühl, ja. Alles wurde in Frage gestellt. Wir haben ordnerweise Analyseberichte gesammelt. Falls ein Gast Bedenken hatte. In Strass ist die Kläranlage übergegangen. Angeblich wurde der Kellereiinspektor eine Nacht lang in einen Keller gesperrt, während man die Weine entsorgte. Das wäre heute nicht mehr möglich. Der hätte aus dem Keller heraus gepostet.

S MAGAZIN Und dann?

„Und dann ist das Wunder passiert: Ernst Triebaumer, Blaufränkisch „Mariental“ 1986.“

SCHMID Dann ist das Wunder passiert. Ernst Triebaumer, 1986er Blaufränkisch „Mariental“, Höchstnote bei einer internationalen Verkostung. Das war in allen Nachrichten. Und dann hat die Rakete abgehoben. Es wurde auf Qualität gesetzt. Danach haben die Leute, nicht nur Triebaumer, einen Preis für ihren Wein verlangen können.

S MAGAZIN Herr Antrag, wie kann man sich die Weinwelt der 70er-, 80er-Jahre als junger Sommelier aneignen? Hat Ihnen Herr Schmid denn im Steirereck-Keller noch genügend Weine aus dieser Zeit hinterlassen?

ANTRAG Nein, das war und ist einfach nicht möglich. Wir haben aber sehr viel privat miteinander verkostet und ich durfte viele Geschichten und Weine kennenlernen. Herr Schmid hat früh begonnen, Wein zu sammeln, und diese Leidenschaft teile ich, natürlich mit einem anderen Fokus.

2010 RIESLING „SCHÜTT“

SMARAGD, KNOLL / UNTERLOIBEN Parade-Riesling aus einem vermeintlich schwächeren Jahrgang. Kein Schwergewicht. Vibrierende Säure und Präzision, sehr jugendlich. Fängt gerade an, richtig Spaß zu machen.

2007 PARADIGMA (ZW, BF, M), CLAUS PREISINGER / GOLS

Eine Cuvée, mit der Claus in den 2000ern den Durchbruch hatte. Kraftvolle, kräutrige Würze, saftiger Gerbstoff. Länge, die von viel Extrakt getragen ist. Zarte Anklänge von Leder, Tabak, Schwarztee sorgen für viel Spannung und Nervenkitzel.

2005 SCHRAMMLER

„GRANDE RESERVE“ (GV, CH, GB), FRITZ WIENINGER / STAMMERSDORF

Die erste Komposition von Adolf Schmid, Fritz Wieninger und Andreas Großbauer. Trauben von den Rieden Nussberg und Kaasgraben. Sehr viel Kraft, Anklänge von Tabak und weißem Pfeffer. Kein Leichtgewicht, aber mit viel Charme und Länge.

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S MAGAZIN Spielen reife Weine auch im Restaurant eine Rolle?

ANTRAG Kaum. Der Großteil der klassischen österreichischen Gäste trinkt mit Vorliebe leichte, frische Weißweine und möglichst kräftigen, opulenten Rotwein. Wobei die Tendenz der letzten Jahre zu mehr Ausgewogenheit geht und sich Weißwein und Rotwein annähern. Weißwein wird weiniger, stoffiger, Rotwein eleganter. Das wissen auch immer mehr Gäste zu schätzen –weil sie es im Rahmen der Getränkebegleitung im Restaurant entdeckt haben. Heute nehmen etwa 60 bis 70 Prozent unserer Gäste die Getränkebegleitung. Das ist eine hohe Rate.

SCHMID Das ist eine sehr hohe Rate. Da kannst du als Sommelier ganz schön ins Schwimmen kommen.

ANTRAG Das Vorurteil besagt ja, dass die Getränkebegleitung reine Geschäftemacherei sei oder eine Möglichkeit, ungeliebte oder überreife Weine loszuwerden. Das Gegenteil ist der Fall, man macht sich immer mehr Gedanken und versucht, stimmig durch den Abend zu begleiten. Der Aufwand steigt enorm, die Vorbereitung, die Zeit am Gast.

SCHMID Die vielen Gläser!

ANTRAG In Wirklichkeit brauchst du dafür einen Mitarbeiter mehr.

SCHMID Das Restaurant ist bummvoll und du musst von der ersten Sekunde schauen: Wann kommt der erste Gang auf Tisch sieben, was ist auf Tisch drei los, wie steht es mit den À-la-carte-Gerichten auf Tisch fünf? Du fetzt herum wie ein Irrer. Und wenn du dann noch einen Tisch hast, der mit dir reden will – gute

„Weißwein wird tendenziell weiniger, stoffiger, Rotwein eleganter.“

Nacht! Ich hatte es zu meiner Zeit noch leichter. Da wurde mehr flaschenweise getrunken.

ANTRAG Das war sicher eine der wesentlichen Entwicklungen der letzten Jahre. Es wird immer mehr glasweise getrunken, man ist neugieriger geworden, lässt sich auch gern überraschen.

Letzte Flasche, terra incognita: 1988 Sauvignon Blanc, Weingut Schneckenkogler, Ingenieur Prünte, Südsteiermark.

SCHMID Das Weingut gibt es heute nicht mehr. Die Prünte-Tochter hat den Walter Polz geheiratet.

ANTRAG Oho! Das ist ja noch lauter, frischer als der 1990er vorhin.

SCHMID Das ist irre! Wahnsinn. Das ist rauchig. Das ist unglaublich.

ANTRAG Wow!

SCHMID Davon habe ich noch ein paar Flaschen im Keller. Auf die freue ich mich jetzt. Hoffentlich werde ich alt.

2012 BLAUFRÄNKISCH „REIHBURG“, UWE SCHIEFER / WELGERSDORF Aus dem Südburgenland nicht mehr wegzudenken. Stoffigkeit, Konzentration, trotzdem sehr trinkanimierend. Reifer, zupackender Gerbstoff als Rückgrat eines fleischig-würzigen Rotweins.

1997 BLAUFRÄNKISCH „MARIENTAL“, ERNST TRIEBAUMER / RUST Jugendlich, sehr präsent und in der Entwicklung im Anfangsstadium. Die reifen, dunklen Beeren dominieren, begleitet von Aromen von getrocknetem Fleisch, Rauch, Leder und zarter, balsamischer Würze.

102 S MAGAZIN EDEL-TROPFEN

Es war Arthur Schnitzler, der wusste: „Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt – und nicht, was wir ersehnt haben.“ Wenn das keine Ode an den Müßiggang ist, keine Aufforderung, das Dolce Vita nicht als ferne Hoffnung, sondern als Auftrag im Hier und Jetzt zu begreifen? Die Tage werden kürzer, die Sonne wird zur Diva und grüßt nur noch nach Lust und Laune. Und dennoch offenbart sich der Herbst im bunten Kleid, als wollte er uns sagen: Ein Zauber überall, man muss ihn nur sehen wollen. Und das süßeste aller Lächeln aufsetzen, wenn uns die Versuchung zublinzelt. Zum Beispiel als Schokolade. Deren Glanz uns versichert: Kein Sehnen. Nur augenblicklich auf der Zunge zergehen lassen.

Wovon &

wie viel 3

S. 104 SÜSSE VERFÜHRUNG S MAGAZIN SINNLICH & FEIN
103

SÜSSE VERFÜHRUNG

SIE IST WIE EINE ELFE, DIE ALS ZARTES UND ZAUBERHAFTES WESEN STETS VERLÄSSLICH DAFÜR SORGT, DASS WIR ZU LÄCHELN BEGINNEN. UND ZU TRÄUMEN –VON DEN VIELEN GESICHTERN DER SCHOKOLADE.

FOTOS: PHILIPP HORAK
DESSERT-TRAUM S MAGAZIN 104

KAKAO-KOSKOSWASSER-SORBET

10 PORTIONEN

ZUTATEN

- 2 junge Kokosnüsse

- 600 ml Kokoswasser

- 80 g Kristallzucker

- 95 g Kakaopulver

- 80 g Bitterschokolade

- 1 Msp. Karpatensalz

ZUBEREITUNG

Die jungen Kokosnüsse öffnen und das Kokoswasser durch ein Haarsieb auffangen.

Nur ca. 100 ml des Kokoswassers erwärmen um darin Zucker, Salz, Kakao und Schokolade zu schmelzen bzw. aufzulösen. Anschließend das restliche Kokoswasser in die zimmertemperierte Schokoladen-Kokos-Flüssigkeit einrühren.

Die erkaltete Masse in der Eismaschine frieren.

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ZWETSCHKEN-SCHOKOLADE-SAUCE

4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 75 g Rohrzucker, braun

- 75 g Kristallzucker

- 4 g Pektin NH

- 1 Vanilleschote

- 60 g Portwein, rot

- 45 g Rotwein

- 80 g Orangensaft

- 10 g Zwetschkenschnaps

- 4 g Karpatensalz

- 2 g Zitronensäure

- 400 g Zwetschken-Würfel, (Steirereck TK)

- 120 g Bitterschokolade

ZUBEREITUNG

Die Hälfte der beiden Zucker langsam mit der Vanille karamellisieren lassen.

Die andere Hälfte mit dem Pektin vermischen und bis zur weiterenVerwendung beiseitestellen.

Das Karamell zunächst nur mit Rot- und Portwein ablöschen, stark einkochen und anschließend das Zucker-Pektin-Gemisch zufügen.

Orangensaft sowie die restlichen Zutaten hinzufügen und etwas einkochen.

Die Vanilleschote entfernen und die Sauce sehr fein mixen.

Die Schokolade zufügen, auflösen und anschließend die pürierte Sauce durch ein Haarsieb passieren. Warm servieren.

TIPP

Passt

gut zu Mohnkuchen, süßen Aufläufen sowie Germgebäck.
S MAGAZIN 106 DESSERT-TRAUM

TRINKSCHOKOLADE (GEEIST)

10 PORTIONEN

ZUTATEN

- 84 g Kristallzucker

- 42 g Wasser

- 4 Bio-Eidotter (groß)

- 6 g Kristallzucker

- 1½ Vanilleschoten (Mark)

- 150 g Bitterschokolade (geschmolzen)

- 1½ Bio-Orangen (Abrieb)

- 4 g Ingwer (frisch gerieben)

- 150 g Obers

- 40 % Kakaobutter

- 60 % Bitterschokolade

ZUBEREITUNG

Zusammen ca. fünf Minuten schwach kochen lassen (107 °C). Von der Hitze nehmen und für fünf Minuten auf 80 °C abkühlen lassen.

Die Dotter mit dem Zucker und dem Vanilleschoten-Mark schaumig aufschlagen. In die geschlagene Masse den gekochten Zucker langsam einlaufen lassen und kaltschlagen.

In die geschmolzene Bitterschokolade ein Viertel der Eimasse zufügen, gut verrühren, Orangen-Abrieb sowie den geriebenen Ingwer einarbeiten und anschließend unter die restliche Dottermasse heben.

Das Obers halbsteif aufschlagen und vorsichtig unter die Schokoladenmasse heben.

In Portionsformen abfüllen und bedeckt frieren.

Glasur:

TIPP

Bevor das Obers eingearbeitet wird, muss die Masse erkaltet sein.

Kakaobutter und Schokolade vermengen, schmelzen und auf Körpertemperatur abkühlen. Die gefrorenen und zuvor auf einen Holzspieß aufgespießten Schokoladen-Portionen darin tunken. Sofort wieder einfrieren und bedeckt bis zur Verwendung lagern.

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SCHOKOLADENSALZKARAMELL-TARTE

ZUTATEN

- 300 g Mehl (glatt)

- 75 g Staubzucker

- 3,5 g Karpatensalz

- 1 Bio-Ei (groß)

- 190 g Butter (kalt)

- 2 Bio-Eidotter (groß)

- 135 g Kristallzucker

- 90 g Wasser

- 125 g Bio-Obers

- 210 g Butter

- 1 EL Karpatensalz

- 250 g Bio-Milch

- 250 g Bio-Obers

- 105 g Bio-Eidotter

- 75 g brauner Zucker

- 250 g Zartbitterschokolade

- 1 Blatt Gelatine (eingeweicht)

- Mürbteig/Tarteboden

- Salzkaramell

- Schokoladen-Tarte-Fülle

ZUBEREITUNG

Mürbteig/Tarteboden:

In einem Rührkessel vermengen. Die kalte Butter kleinwürflig schneiden und zufügen. Mit dem Knethaken auf Stufe 2 so lange vermengen, bis aus der Masse haselnussgroße Stücke entstanden sind.

Zugeben und rasch einarbeiten. Unmittelbar danach die Masse händisch zu einem flachen Block ausformen, folieren und für ca. 30 Minuten kühl stellen.

Salzkaramell:

In einer tiefen Kasserolle zu dunklem Karamell kochen.

Auf voller Hitze ablöschen und richtig sämig einkochen lassen.

Die Butter einmontieren und wiederum die ganze Flüssigkeit auskochen, sodass eine zähflüssige Masse entsteht.

Schokoladen-Tarte-Fülle:

Alle Zutaten zusammen im Thermomix auf Stufe 10 für 18 Minuten bei 70 °C mixen.

In der noch warmen Dottermasse auflösen.

Schokoladen-Salzkaramell-Tarte fertigstellen:

Tarteböden backen: Den Mürbteig ca. 3 mm dünn ausrollen, 14 cm große Kreise ausstechen und 9,5 cm große, ausgefettete Tarte-Förmchen damit auslegen.

Den Teig sorgfältig in die Form drücken und anschließend mithilfe einer Spachtel den überschüssigen Rand abschneiden.

Den Teig mit Backpapier bedecken und mit Kieselsteinen, Hülsenfrüchten oder Ähnlichem beschweren.

Die Tartes bei 180 °C Umluft etwa 13 Minuten goldgelb backen. Die Steine sowie das Backpapier entfernen und eventuell für einige wenige Minuten nachbacken.

Das Salzkaramell auf die Tartböden gießen und kurz kalt stellen, sodass das Karamell stockt.

Die Schokoladen-Masse auf die Salzkaramell-Tartes gleichmäßig verteilen und mindestens drei Stdunden kühl stellen.

FÜR 4 KLEINE TARTELETTE-FORMEN S MAGAZIN 108 DESSERT-TRAUM

Es war Seneca, der wusste: „Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück. Es kommt nicht darauf an, wie lange es ist, sondern wie bunt.“ Nun denn, her mit der Zeit, die wir benötigen, um zu sehen, zu riechen, zu schmecken!

Um den Blick für das Besondere zu entdecken! Um die Kulinarik als Abenteuer zu verstehen! Und dann können sich die Sinne auf Reisen begeben, um Impressionen entstehen zu lassen, die wie ein Schatz in unserem Gedächtnis gehütet werden – vom kleinen Mailberg in Niederösterreich bis nach Kiew. Am Ende bleiben Erinnerungen an den Genuss. Oder auch nur an den Geschmack der Kindheit, wie ihn Claudia Reiterer in vielen Facetten erlebt hat.

Wohin &  zurück

S.

S. 126

S.

110 WEINVIERTLER WIRTSCHAFTSWUNDER
128 ANDERSWO RESERVIERT
S. 118 CHICKEN KIEV WAR GESTERN
4 109 S MAGAZIN NAH & FERN
DIE DOMPTEURIN ZWISCHEN ERBSENREIS UND CARPACCIO

Weinviertler WIRTSCHAFTSWUNDER

TEXT: ACHIM SCHNEYDER, FOTOS: MIRCO TALIERCIO
110 S MAGAZIN HAUS-BESUCH
Dies

ist die Geschichte von zwei jungen Menschen, Verena und Christoph, die gemeinsam etwas schaffen wollten. Was ihnen schließlich gelang. Birgit und Heinz Reitbauer können’s bezeugen.

01-02 Zwei, die sich erst privat und dann beruflich gefunden haben: Verena Schneider und Christoph Schüller.

Kennen Sie Mailberg? Nein? Macht nichts. Obwohl: Macht eigentlich schon was, denn die Genusswirtschaft sollten Sie kennen. Und die befindet sich in Mailberg. Und warum sollten Sie die Genusswirtschaft kennen? Weil man dort ganz besonders gut isst.

Gewissermaßen ist die Geschichte der Genusswirtschaft auch ein bisserl eine Liebesgeschichte. Und die ist’s wert, erzählt zu werden. Auch das Steirereck spielt eine Rolle. Und dessen inzwischen im Ruhestand befindlicher Sommelier, der legendäre Adi Schmid. Und Birgit Reitbauer, die SteirereckChefin, die ist auch weit mehr als bloß Statistin in dieser Geschichte. Aber vorweg noch ein paar Informationen zu Mailberg an sich. Also: Mailberg befindet sich im nördlichen Weinviertel, Bezirk Hollabrunn, also in Niederösterreich. In Mailberg gibt’s ein Schloss, das wird in dieser Geschichte ein wenig später eine Rolle spielen, sowie einige, teils nicht ganz unbekannte Winzer. Der bekannteste unter ihnen ist Wolfgang Hagn. Ein guter Mann. Und die Mailberger Kellergasse, die Kellergasse Zipf, besteht

aus einer unteren und einer oberen Kellergasse, wobei die obere unter Denkmalschutz steht. Insgesamt finden sich in Mailberg übrigens fast 200 Weinkeller. Was in Relation zur Einwohnerzahl relativ viel ist, denn Einwohner sind’s gerade einmal 557, so zumindest der offizielle Stand am 1. Jänner 2019.

Apropos Datum: Am 4. Juli 2006, zwei Tage nach ihrer Rückkehr von der Maturareise, trat eine gewisse Verena Schneider im Steirereck ihren Dienst an. Niedere Dienste im Service waren es zu Beginn, die die damals 19-jährige Absolventin der HLW Mistelbach, der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe, zu verrichten hatte. Heute erinnert sich die immer noch junge Frau wie folgt: „Vor der Maturareise hab’ ich rasch noch zwei Bewerbungen ausgeschickt, darunter eine an das Steirereck. Ohne mit einem Echo zu rechnen. Aber Birgit Reitbauer hat nicht nur postwendend geantwortet, sondern mich auch gleich zu einem Gespräch eingeladen. Noch vor der Maturareise. Und plötzlich hatte ich einen Job, obwohl ich so schnell nie und nimmer mit einem gerechnet hätte.“

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Tja, oft geht’s schnell. Auch in der Liebe. Denn zwei Jahre zuvor, als die 17-jährige Schülerin Verena in Tirol ihr Pflichtpraktikum zu absolvieren hatte, lief sie einem um sieben Jahre älteren Koch über den Weg – und die beiden liefen einander gleichermaßen direkt in die Arme. Christoph hieß der Mann, und heißt er immer noch, Christoph Schüller. Und die beiden sind heute – richtig erkannt – Herrin und Herr über die Genusswirtschaft im niederösterreichischen Nirgendwo, pardon: in Mailberg.

Zeitensprung. Wir schreiben den 20. Oktober 2019. Das Mittagsg’schäft in der Genusswirtschaft ist vorbei und Verena zieht auf der Terrasse vor dem Lokal ein bisserl nervös an ihrer Zigarette. „Die Chefin weiß nicht, dass ich rauche“, sagt sie, und jeden Moment könnte die Chefin um die Ecke biegen und sie ertappen. Die Chefin? „Ja, so sag’ ich heut noch zu ihr. Komisch eigentlich, denn das Steirereck hab’ ich 2012 verlassen. Aber diese großartige Frau wird immer eine Art Autorität für mich bleiben, denn von niemandem in meinem Leben hab’ ich so viel gelernt wie von ihr. Das Steirereck, das war mein Leben.“

Dann läutet Verenas Telefon. Birgit ist dran. „In einer halben Stunde sind wir da“, sagt die Chefin, „und dann brauch’ ich bitte gleich ganz, ganz dringend ein Glas eiskalten Champagner. Den hab’ ich mir heute verdient.“ Dienst hatte sie, die Birgit, SonntagDienst in der Meierei, nachdem sie für einen erkrankten Mitarbeiter eingesprungen war, womit sie nicht gerechnet hatte. „Den Champagner wird sie kriegen“, sagt Verena.

Hochzeit ist derzeit kein Thema. Mit Hochzeiten haben die Wirtsleut’ nicht die besten Erfahrungen gemacht…
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112 S MAGAZIN HAUS-BESUCH
Im Restaurant wird stilvoll und elegant eingedeckt. Wobei: In Wahrheit ist dieses Restaurant nicht mehr als ein kleines Esszimmer mit vier Tischen, das direkt an das Bistro mit der offenen Küche anschließt.
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05 Verena Schneider, die Dame des Hauses, lebt und liebt ihr Dasein als nicht mundfaule Gastgeberin. Birgit Reitbauer war ihr lange Zeit Lehrmeisterin im Steirereck, von Birgit hat sie sich sehr viel abgeschaut. „Ich bin, wie sie, ein Alphatier.“ 06 Gutes von ums Eck. Christoph Schüller bezieht so viel wie möglich aus der unmittelbaren Umgebung. Fasan etwa oder Kaninchen. Ausnahmen macht er, weil die rund um Mailberg nicht vorkommen, bei Meeresfischen.
114 S MAGAZIN HAUS-BESUCH
„Die Leute wollen einfach hin und wieder Branzino.“

Ein bisserl Zeit haben wir also noch, ehe Birgit und Heinz Reitbauer den Weg nach Mailberg gefunden haben werden. „Die beiden kommen zum ersten Mal“, sagt Verena und schenkt nach. Weißwein aus dem Weinviertel. „Darf ich einen Blick in die Weinkarte werfen?“, frage ich. „Logisch“, sagt Verena. „Aber du wirst nicht alle Winzer kennen, denn rund 90 Prozent der Winzer sind Winzer aus dem Weinviertel, zum Teil noch wenig bekannte.“

Regionalität ist also auch hier in der Genusswirtschaft ein – zugegebenermaßen oft strapaziertes – Zauberwort. Aber es fühlt sich hier so echt, so richtig und so stimmig an. Denn ausgerechnet heute, an diesem 20. Oktober, hat ein befreundeter Jäger dem Koch, also dem Chef, also dem Christoph, 35 eben geschossene Hasen und 20 Fasane gebracht, die nun im Keller hängen und ihrer Verarbeitung harren. „Ich stell’ mir den Wecker auf fünf Uhr in der Früh“, sagt Christoph, dessen Kühlhaus voll ist mit Köstlichkeiten, die in der Genusswirtschaft – wie’s so schön heißt – auch über die Gass’n zum Verkauf stehen. Selbst gemachtes Ketchup etwa, verschiedene eingelegte Gemüse oder Marmeladen. „Und wenn ich Rehe bekomme von unseren Jägern, dann verwerte ich auch da alles. Die Felle etwa bringe ich zum Gerber und mache Putztücher draus, die man bei uns kaufen kann.“ Und weil die Reitbauers noch

immer nicht da sind, plaudern wir weiter rauchend auf der Terrasse über die Vergangenheit. „Wir haben immer vom eigenen Lokal geträumt“, erzählt Verena. Und dann erzählen Verena und Christoph die Geschichte vom Schlosskeller.

Das Restaurant im Schlosskeller von Schloss Mailberg, in dem sich auch ein Hotel befand – und heute noch befindet –, das war zu pachten. Und Verena, die im rund 25 Fahrminuten entfernten Michelstetten groß geworden war, war das Schloss nicht fremd. „Das machen wir“, beschlossen die beiden immer noch sehr Verliebten, aber da sie – vielleicht auch der Jugend geschuldet – doch ein bisserl unsicher waren, sah der Plan so aus: Der Schlosskeller wird gepachtet, Christoph kocht, aber Verena bleibt vorerst im Steirereck und pendelt am Wochenende, zumal sie zu diesem Zeitpunkt längst Birgits rechte Hand im Service und auch als Gastgeberin war. Sprich: Sie hatte ein perfektes Standing und einen perfekten Job. „Das erschien uns so unglaublich sicher“, erzählt Verena, „aber dann kam Adi Schmid, der Sommelier, ins Spiel. ,Verena‘, hat er zu mir gesagt, ‚wenn ihr wirklich etwas Gemeinsames machen möchtet, dann müsst ihr das auch wirklich gemeinsam tun.‘ Und dann hat er mir so lange zugeredet, bis ich mich entschieden habe.“

07-08 Gleich hinterm Haus, wo sich das Weinviertel so richtig breit zu machen beginnt, marschiert der Koch mit seiner Gemüsebäuerin durchs weite Feld und inspiziert das Angebot des Tages. Rechts: Kräuter im Hinterhof.
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Der Abschied vom Steirereck war anno 2012 schnell vollzogen. Und durchaus kein leichter. „Wir haben beide sehr geheult“, erinnert sich Birgit, die inzwischen gemeinsam mit Heinz in der Genusswirtschaft eingetroffen ist und den Champagner genießt.

Am 1. April 2012 eröffneten Verena und Christoph den Schlosskeller. Ein halbes Jahr später hatte Christoph eine Gault-Millau-Haube erkocht. „Die war ich aber – exakt 29 Hochzeiten, zwei Bälle und vier riesengroße Feste später – auch schon wieder los, denn plötzlich waren wir hier im Schloss kein Restaurant mehr, sondern eine Eventlocation.“ Also zogen die beiden einen Schlussstrich, setzten dem bunten Ja-Sage-Treiben ein Ende und konzentrierten sich wieder aufs Wesentliche: aufs Kochen und aufs Gastgeben. Die Folge: zwei Hauben 2015. „Aber es war einfach noch immer nicht unser eigenes Restaurant“, erzählt Verena. Und dann tat sich die Sache mit der ehemaligen Greißlerei im Ort auf. „Die stand 40 Jahre leer und war zu kaufen. Und da haben wir uns drübergetraut.“

Von Grund auf saniert, eröffneten Verena und Christoph im September 2017 das heiß ersehnte eigene Lokal, das zudem über drei Gästezimmer im ersten Stock verfügt. Groß ist es nicht, aber ungemein stimmig. Tritt man ein, steht man in einem – so nennen es die beiden – Bistro. Blick auf die offene Küche. Angrenzend das Esszimmer mit lediglich drei Tischen. Das Restaurant. 40 Sitzplätze insgesamt. Klein also, aber sehr oho.

Und nun sitzen die Reitbauers da, gedeckt wurde im Restaurant, und Christoph verwöhnt mit einem neungängigen Überraschungsmenü. Reh gibt’s unter anderem, rote Rüben, Huchen, Taube oder Dorade… Es schmeckt. Es schmeckt so richtig gut. Und Verena brilliert als Gastgeberin. So, als wäre sie bei Birgit in die Schule gegangen. Und das ist sie ja auch. „Eines Tages“, erzählt Verena, „hat die Chefin zu mir gesagt, dass wir möglicherweise hin und wieder aneinanderkrachen werden, weil wir zwei Alphatiere sind. So kam’s dann auch, aber ich möchte keinen Krach mit ihr missen, denn jeder einzelne hat mich ein Stück weitergebracht.“

Sehr weit gebracht, ist man als Gast geneigt zu sagen, denn Verena ist heute eine Gastgeberin wie aus dem Bilderbuch. Und ihr Liebster, Christoph Schüller, ein Koch aus der Oberliga. Drängt sich nur noch eine Frage auf: Warum haben die beiden noch nicht geheiratet? „Er hat mich noch nicht gefragt“, sagt Verena. Und lacht. „Hochzeiten“, sagt er und erinnert an den Schlosskeller, „haben uns kein Glück gebracht.“ Und dann lacht auch er.

Schuld an der Selbstständigkeit war letztlich Adi Schmid, die Sommelier-Legende.
09 Bitte zu Tisch. Birgit und Heinz, Verena und Christoph. Letzterer hat den Reitbauers bei ihrem Premierenbesuch ein Überraschungsmenü in acht Gängen gezaubert.
116 S MAGAZIN HAUS-BESUCH
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10-11 Die Küche, in der Christoph werkt, ist nach vorne hin offen und vom gesamten Bistro aus einzusehen. Man ist quasi live dabei, wenn Herrlichkeiten wie beispielsweise Rote Rüben fantasievoll auf dem Teller angerichtet werden.

CHICKEN KIEV WAR GESTERN

FOTOS: MARIA PAVLIUK
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DASS SICH DIE UKRAINISCHE HAUPTSTADT KIEW

DEN POLITISCHEN WIRREN ZUM TROTZ

ZU EINER DER ANGESAGTESTEN DESTINATIONEN OSTEUROPAS ENTWICKELT HAT, LIEGT NICHT ZULETZT AM HERAUSRAGENDEN ESSEN.

SEVERIN CORTI WAR DEM GESCHMACK DER STADT AUF DER SPUR – DIE BERÜCHTIGTE HENDLBRUST MIT DEM KERN AUS FLÜSSIGER BUTTER HAT ER DABEI GEKONNT UMSCHIFFT.

Wie bitte? Eine Fresstour durch Kiew, die ohne jenes Gericht auszukommen meint, das den Namen der Stadt in der weiten Welt überhaupt bekannt gemacht hat? Noch dazu, wo am Chreschtschatyk, dem sechsspurigen Pracht-Boulevard der Stadt, ein Restaurant neben dem anderen steht, das die Spezialität schon von Weitem in kreativen Sprachvarianten („Kiewsker Heunerchen“) anpreist?

Das Problem ist halt einerseits, dass „Côtelettes de volaille à la Kiev“, so der ursprüngliche Name des Gerichts, gar nicht aus Kiew stammt, sondern in einem Aristokraten-Klub im St. Petersburg der Zarenzeit erfunden wurde – aller Wahrscheinlichkeit nach von einem französischen Koch. Und dass es andererseits einfach keinen Sinn ergibt, eine kraftlose Brust vom Batteriehendl mit einem Torpedo aus Fett zu füllen, um sie dann in Industrieöl herauszubacken, auf dass sich dem ahnungslosen Gast beim

Aufschneiden eine Fontäne aus flüssiger, meist nur mit Knoblauchgranulat aromatisierter Butter über Schoß und Rock ergieße.

Neineinein! Im Ursprung, als die Brust noch von einem akkurat abgehangenen wilden Haselhuhn zu sein hatte und die Butterfarce mit allerhand Trüffel angereichert war, da wäre so ein Hühnchen à la Kiew die Sünde wohl wert gewesen. Aber heute? Hat Kiew deutlich Spannenderes zu bieten. Die Stadt oszilliert zwischen charmant verwittertem Jahrhundertwende-Flair mit prächtigen Pflasterstein-Alleen und glitzernder Modernität, deren dick aufgetragener Material-Protz vom eher extrovertierten Naturell der örtlichen Oligarchen-Brieftaschen kündet. Die frisch vergoldeten Zwiebeltürme orthodoxer Kathedralen und die erhabene Weite des Dnjepr, an dessen Ufern die Stadt erbaut wurde, sorgen für geradezu exotisches Flair.

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RESTAURANT KHUTOROK

Ziemlich exotisch wirkt auch das Restaurant Khutorok in einem hölzernen Schiff, das am Ufer des Stroms vertaut ist. Das Boot sieht aus, wie man gelernt hat, sich die Arche Noah vorzustellen. Im Inneren widmet man sich der Rettung vom Verschwinden bedrohter lokaler Traditionen. Vom eher folkloristischen Stil der Einrichtung sollte man sich nicht täuschen lassen: Hier wird authentische ukrainische Küche auf richtig hohem Niveau zelebriert.

Das ahnt man schon, wenn man gleich hinter der Eingangstür von einem massiven Holzkohlegrill empfangen wird, auf dem allerhand Schaschliks, souverän würzige und saftige Spieße vom Lamm und Schwein, brutzeln. Und das wird spätestens bei den Sakuski klar, jenen kalten Vorspeisen, die traditionell mit einer ganzen Batterie aus im Haus angesetzten Kräuter- und Gewürz-Wodkas aufgefahren werden. Der eingelegte Hering ist Weltklasse, die sieben verschiedenen Variationen vom Salo, wie der landestypische, geräucherte, marinierte und luftgetrocknete Rückenspeck vom Schwein genannt wird, sorgt für die entsprechende Unterlage. In Kombination mit fermentiertem Gemüse, von ganz frischen Salzgurken über allerhand Rüben bis zu Paradeisern, die lustig auf der Zunge prickeln, sind das aber erste Bissen, die einem allzu leicht den Hunger auf das, was noch kommt, rauben könnten – nicht jeder ist schließlich mit slawischem Appetit gesegnet. Wer im Sommer kommt, darf, bevor es an die Schaschliks geht, die unerhört erfrischende SauermilchGurkensuppe Akroschka mit hocharomatischen Kräutern nicht verpassen – die noch dazu in einer Schüssel aus dickem Eis serviert wird.

120 S MAGAZIN GENUSS-REISE

RESTAURANT KANAPA

Ukrainische Rezepte aus präsowjetischen Zeiten sind die Spezialität im Restaurant Kanapa, das in einem alten Holzhaus inmitten der Altstadt eröffnet hat. Borschtsch, wie es sich gehört, mit Schweinsohren garniert, ist hier unvermeidlich. Wareniki, wunderbar bissfeste Teigtaschen, werden mit Zander und geräuchertem Salo gefüllt – die Kunst der gefüllten Pasta wird keineswegs nur in Italien gepflogen. Die Fasanen-Wildhasensulz mit Oberskren wird gar fest geliert, dafür ist der Erdäpfelpuffer mit einem Topping aus Kalbshirn-BriesWaldpilzragout eine köstlich-deftige Kombination aus schmalzigem Knusper und tiefgründigen Aromen.

BÄCKEREI KHLEBNIY

Dem Stalinismus, oder zumindest seiner Kunst und Architektur, wird hingegen in der ganz frisch eröffneten Designer-Bäckerei Khlebniy gehuldigt. Das in einem stalinistischen Prachtbau untergebrachte Lokal wird von einem überlebensgroßen Wandgemälde einer ukrainischen Bäuerin in einem Kornfeld dominiert, die Baguettes sind großartig. Und so butterschmalzige Krapfen, wie sie hier über den Ladentisch gehen, hätten wir in Wien auch gern!

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Das europäische Erbe wird dagegen im Zigzag-Café der TV-Journalistin Lyubov Tsybulskaya hochgehalten. Der Treffpunkt der Kiewer Kunst- und Medienszene entzückt mit sehr aufmerksam gemixten Drinks, mit einer extrem gut kuratierten JazzPlaylist – und mit kleinen, saisonal wechselnden Köstlichkeiten, die den kulinarischen Reichtum der Region auf ganz entspannte Art hochleben lassen. Handgeschnittenes Tatar mit Waldkräutern ist Pflicht, die BriochePofese mit wild gesammelten Heidelund Walderdbeeren darf man sich aber auch nicht entgehen lassen.

ZHYTNIY-MARKTHALLE

Dass solche Herrlichkeiten aus Wildsammlung in Kiew problemlos zu bekommen sind, lässt sich in der Zhytniy-Markthalle nachprüfen. Lokale Bauern liefern großartiges Gemüse an, das augenscheinlich noch aus samenfester Zucht stammt. Die Stände mit geräuchertem Fisch und Kaviar in zahllosen Varianten zeugen vom – hoffentlich ungebrochenen –Artenreichtum der Ströme, Seen und Küstengewässer des Landes. Salzgurken in allen Reifegraden sind gerade nach wodkaschwangeren Nächten willkommen. Und die Körbe mit Walderdbeeren, Heidelbeeren, Waldhimbeeren und -brombeeren wirken auf den westlichen Besucher sowieso wie geradewegs aus dem Märchen – von der unglaublichen Vielfalt an Schwammerln gar nicht zu reden, die hier in makelloser Qualität feilgeboten werden.

ZIGZAG-CAFÉ
122 S MAGAZIN GENUSS-REISE
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Kiew kann aber auch ganz anders, richtig nobel und ausgefeilt nämlich. Okay, ein Besuch in der Win Bar, die mit erheblichem Aufwand in einer antiken Apotheke etabliert wurde, lässt einen vor allem mit den Jungen, Schönen und Reichen der Stadt auf Tuchfühlung gehen. Zu –vorzugsweise französischen – Weinen und Schaumweinen wird hier allerhand mediterran angehauchtes (aber richtig gut gemachtes!) Essen gereicht.

RESTAURANT SHOTI

Ein Restaurant wie das Shoti hingegen wäre jederzeit eine Bereicherung auch für ausgereifte Metropolen wie London oder New York. Hier wird auf höchstem Niveau georgisch gekocht und in noblem, zurückgenommenem Ambiente die Crème georgischer Amphorenweine gereicht. Ein mächtiger offener Kamin mit stets prasselndem Feuer dominiert dieses wohl faszinierendste Restaurant Kiews. In einem massiven Lehmofen wird dazu traditionell georgisches Brot gebacken. Die herrlich saftigen, mit Fleisch und unendlich aromatischer Suppe gefüllten Chinkali-Teigtaschen sind wahre Kunstwerke, die klassischen ChatschapuriKäsefladen (in sechs Variationen!) von deftiger Eleganz, die Salate mit einer Fülle taufrischer Kräuter eine Wohltat. Etliche Zutaten werden extra aus Georgien geliefert.

WIN BAR
124 S MAGAZIN GENUSS-REISE

Und hinterher? Stellt man sich mit lauter überdurchschnittlich attraktiven jungen Menschen im düsteren Hinterhof eines renovierungsbedürftigen Gebäudes bei einer rostigen Eisentür an, um irgendwann ins Loggerhead eingelassen zu werden. Das klassische Speakeasy offenbart sich im Inneren als schummrige, hochexklusiv aufgemascherlte Cocktailbar. Der Loggerhead ist ein Metallstößel, der in einem Spezialgerät zum Glühen gebracht wird, um dann mit fauchendem Zischen in einige der Drinks getaucht zu werden, damit der darin gelöste Zucker mit Showeffekt karamellisiert.

HOTEL BURSA / BAR 1818

In warmen Nächten empfiehlt sich die Bar 1818 am Dach des sehr individuell geführten Boutiquehotels Bursa, das mit zeitgenössischer Kunst ausgestattet ist. Die Bar ist winzig, umso prächtiger dafür die Terrasse mit Blick auf die Altstadt. Aber Vorsicht: Die Barkeeper hier sind extra-hip und mit solch ernstem Berufsethos erfüllt, dass man dringend einen der durchaus avantgardistischen Cocktails ordern sollte – wer sich bloß an einem Bier festhalten will, wird schnell einmal schief angeschaut!

LOGGERHEAD
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CLAUDIA REITERER

GESCHMACKSERINNERUNGEN, AUFGEZEICHNET VON MICHAEL HUFNAGL

DIE DOMPTEURIN ZWISCHEN ERBSENREIS UND CARPACCIO

Von einem Hexenhäuschen im Wald hat sie als Kind geträumt. Von einem kleinen Refugium, in dem sie alleine leben kann. Mit den kulinarischen Geschenken der Natur. Eine kunterbunte Gedankenwelt, die sich ganz anders gedreht hat als jenes grelle Medien-Karussell, auf dem Claudia Reiterer heute durchs Leben rauscht.

Jeden Sonntag muss die 51-jährige Steirerin in der politischen Diskussionssendung „Im Zentrum“ die Rolle der Dompteurin einnehmen, um die gereizten Persönlichkeiten in der politischen Wildbahn unter Kontrolle zu halten. Als blonde Eremitin in ihrem Reich zwischen Vogelzwitschern und WildGetrappel hätte sie bestenfalls darauf achten müssen, dass genügend Beeren und Kräuter im Haus sind.

Aber die idyllischen Visionen eines kleinen Mädchens, das im oststeirischen Fersten (Gemeinde St. Johann in der Haide) aufgewachsen ist, wo es einst 17 Häuser, 56 Einwohner, nur ein Ortsschild und den Satz „Du musst rote Rüben essen, damit Du rote Wangerln bekommst“ gab, sind eben meist nicht mehr als ein Spiegelbild dessen, was man hat.

Oder nicht hat. Claudia Reiterer stammt aus einfachen Verhältnissen („Was auf den Tisch kommt, wird gegessen … und zwar auf“), dementsprechend bescheiden war der Lebensentwurf. Schon früh half sie bei den Bauern der Umgebung bei der Ernte mit, von Äpfeln oder Erdbeeren, um sich ein wenig Geld zu verdienen. „Am liebsten habe ich Fisolen gepflückt. Die wachsen auf großen Stauden und das war am bequemsten.“

Der Kontakt mit Obst und Gemüse, wie es erdiger und ehrlicher nicht hätte sein können, war früh hergestellt. „Fleisch gab es bei uns nur am Sonntag. Ich erinnere mich mit Freude an das Rindsschnitzerl mit dieser dicken Rahmsauce.“ Und danach Kuchen, Kekse oder eine Biskuitroulade. „Am liebsten waren mir aber die Spagatkrapfen zu Weihnachten. Wie die gemacht wurden, das war faszinierend.“

So wie das Bauernbrot. Aus Sauerteig, eh klar. Die Erinnerung an den alten gusseisernen Ofen lässt die ORF-Moderatorin fast melancholisch werden. Und als der Brot-Andi im Steirereck um die Ecke biegt und seine Wecken-Rufe erklingen lässt, beginnen ihre Augen zu leuchten. „Gutes Brot ist für mich völlig unverzichtbar“, sagt sie.

Um gleich danach für Verblüffung zu sorgen. Denn während Reitbauer-Feinheiten wie Flusskrebse mit Paradeiser & Olivenkraut, Aal mit Limette & Erdnuss oder Wildhase mit Leistlingen & Berberitzen auf den Tisch kommen, schwärmt sie von Erbsenreis mit Endiviensalat: „Das war als Kind meine Lieblingsspeise. Und ich esse es heute noch oft. Ein Geschmack, mit dem ich nur Gutes verbinde. Den Salat habe ich auch gerne mit Krumpan, so haben wir daheim die Erdäpfel genannt.“

Die gleiche Hingabe empfindet sie für das kalte Sauerkraut mit Kernöl oder die sogenannte Bettlersuppe, ein genussvoller Gruß aus der Vergangenheit. Mit Krumpan und Karotten … „und selbstverständlich ohne Suppenwürfel. Diese Suppe isst auch mein Sohn leidenschaftlich gern“.

Was Reiterer hingegen gar nie wollte, waren Kürbisse, in keiner Form. Eine Ablehnung, die in der Steiermark irgendwo zwischen Frevel und Groteske angesiedelt ist. Aber die Zeit heilt alle schiefen Blicke und so lächelt sie beglückt, als sie erst den Sellerie und dann den Fenchel à la Steirereck serviert bekommt, weil auch die waren stets auf der Liste „Muss ich gar nicht haben“.

Aber die besonderen Geschmacksarrangements, die Gewürze und nicht zuletzt die Ästhetik auf dem Teller sorgen eben dafür, dass sich so manche Vorurteile im Küchendampf auflösen. „Großartig“, sagt sie und beginnt nachzudenken.

Denn unter solchen Voraussetzungen wären vielleicht sogar Hirn und Nieren, Beuschel und Bries

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einen zweiten Versuch wert. Die Abkehr von den Innereien („außer Leber, die mag ich in allen Varianten“) liegt lange zurück, und wer weiß? Ein Zauberer am Herd könnte Claudia Reiterer vielleicht in eine neue Dimension befördern.

„Probieren muss man alles, das ist wie im Leben“, sagt sie beinahe philosophisch. „Essen ist Nahrung für die Seele. Und ein Sinnbild dafür, immer wieder den Versuch zu unternehmen, neue Wege zu beschreiten. Umdrehen kann man am Ende immer noch. Aber wer die Trampelpfade nicht verlässt, wird nie erfahren, was ihm möglicherweise entgeht.“

In diesem Sinne übersiedelte sie nach zwei Semestern in der Haushaltungsschule („Für meine Prüfung musste ich Fittatensuppe, Leber und Kirschenstrudel machen, aber leider sah mein Teig aus wie ein Siebdruck“) nach Graz. Wo sie im Schwesterninternat mit Magerkost leben musste: „Das Essen war furchtbar. Aber ich sehe noch den silbernen Wagen mit dem verlockenden Grammelschmalz-Topf vor mir … dort haben wir uns heimlich zum Kosten hingeschlichen.“

Später arbeitete Claudia Reiterer als Krankenschwester mit abgeschlossenem Studium auf der Herz-Chirurgie, ehe sie sich beim Fernsehen bewarb –und prompt genommen wurde. Ende der 1990er-Jahre folgte sie dem ORF-Ruf aus Wien und im Herbst 2016 wurde sie nach Jahren der Moderation von „Hohes Haus“, „Report“ und „Konkret“ auserkoren, den wichtigen Sonntagabend-Talk zu übernehmen.

Interessantes Detail: Sie musste 25 Jahre alt werden, um in einem Restaurant erstmals in ihrem Leben Fisch zu essen. „Bei uns daheim gab es nie Fisch und ich habe erst für mich entdecken müssen, wie herrlich Saibling, Forelle und auch Wels sind.“ Und so vieles andere. Mit dem Aufstieg zur unverzichtbaren TV-Persönlichkeit entwickelte sich auch ein neues Bewusstsein. Für Genuss und Küchenmagie. „Plötzlich habe ich auch den Reiz von Trüffel oder Carpaccio erfahren und heute weiß ich, dass es wahrer Luxus ist, sich gutes Essen leisten zu können. Das habe ich mir hart erarbeitet.“

Die Bodenhaftung hat sie dennoch nie verloren. Und auf diese „Erdung“ legt Claudia Reiterer auch in einem Unternehmen, wo mitunter unbequeme Durchsetzungskraft und Willensstärke gefordert sind, großen Wert. Nie zu vergessen, woher man kommt und wer man ist, wurde zu einem Credo.

Und so kocht sie selbst auch am liebsten schnelle und einfache Gerichte. „Wenn mein Sohn sagt ‚Ich habe Hunger‘, sollte am besten in zwanzig Minuten ein halbes Wildschwein auf dem Tisch stehen.“ Die leidenschaftliche Fernsehjournalistin steht nicht gerne lange in der Küche, lieber genießt sie die Künste ihrer Freunde, die ihre grenzenlose Herd-Liebe offenbaren. „Ich kann eindeutig besser essen als kochen“, sagt Claudia Reiterer. Dann nimmt sie einen Schluck Rosé, beißt vom Blunzenbrot ab und lächelt. Man möchte meinen: wie eine Prinzessin im Hexenhäuschen.

CLAUDIA REITERER – eine Steirerin, die vom Leben im Wald träumte, nie vergessen hat, woher sie kommt, und ihrer Liebe zum Endiviensalat die Treue hält.
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EMPFEHLUNGEN VON BIRGIT UND HEINZ REITBAUER TEIL 12

Keine Stadt der Welt ist als kulinarischer Place to be medial so formidabel ausgeleuchtet wie Paris. Umso erstaunlicher erscheint es, wenn dann doch immer wieder besondere Empfehlungen auftauchen. Und weit davon entfernt, ist längst auch Singapur mehr und mehr eine Reise voller Geheimtipps wert.

BURNT ENDS

Singapur

Wenn man an der Bar des Burnt Ends in Singapur Platz nimmt, ist man augenblicklich gefangen von der Atmosphäre, die dieses Lokal ausstrahlt. Das geschäftige Treiben rund um den Ofen ist faszinierend, und die drei Grillplätze lassen die Zeit im Nu verfliegen. Ob Gemüse, Fisch oder Fleisch, superfrische Meerestiere, alles wird im holzbefeuerten Ofen oder auf den Grillern gegart. Mit viel Gespür wird eine Köstlichkeit um die andere serviert. Der Grillmeister und das aufmerksame Service sind immer zu Scherzen aufgelegt und sorgen für eine entspannte Stimmung.

NOURI

Singapur

Ein kleines Lokal, versteckt in einer ruhigen Seitenstraße Singapurs, lässt von außen nicht vermuten, welch grandiose Gerichte im Inneren gereicht werden. Einst bei Heston Blumenthal engagiert, hat Ivan Brehm heute sein eigenes Lokal und offenbart leichte, elegante kosmopolitische Küche, die wunderbar kreativ und abwechslungsreich serviert wird. Die Einflüsse aus aller Welt sind vielfältig und werden geschickt mit asiatischen Geschmäckern verwoben. Immer leicht und geschmackvoll umgesetzt.

CLAMATO

Paris

Das Clamato in Paris ist die kleine Schwester des bekannten Septime. Das Wohltuende hier ist, dass man jederzeit ohne Reservierung vorbeikommen kann und mit etwas Geduld immer ein Plätzchen bekommt, vor allem am Sonntag, der in Paris ein Joker ist. Das Sharing-Prinzip wird hier gefördert und zelebriert – ob ganz frische Austern oder Meeresschnecken, Muscheln in einem himmlischen Fond, dass einem fast das Brot zum Tunken ausgeht, oder eine klassisch gebratene Seezunge. Dazu eine wohl überlegt zusammengestellte Weinkarte, die (sowohl glas- als auch flaschenweise) eine feine Vielfalt bereithält.

FULGURANCES

Paris

Im Fulgurances wird ein außergewöhnlicher Brauch kultiviert: Alle sechs Monate steht ein neuer Küchenchef am Herd und zeichnet für die Karte verantwortlich. Das Konzept bietet jungen (Sous-) Chefs die Möglichkeit, aus dem Schatten anderer zu treten und selbst die „Stars“ zu sein. Eine Spielwiese, die alle Möglichkeiten bietet, um nach Lust und Laune zu experimentieren, zu testen und auszuloten. Die Carte Blanche übergibt die Verantwortung in die Hände des Kochs oder der Köchin. Und diese wissen, gekonnt geschmackvoll damit umzugehen. Schön, einmal nichts entscheiden zu müssen, sondern nach dem Motto zu genießen: Es kommt, wie es kommt.

ADRESSEN

BURNT ENDS

20 Teck Lim Road, Singapur 088391 burntends.com.sg

NOURI

72 Amoy Street, Singapur 069891 nouri.com.sg

CLAMATO

80 Rue de Charonne, 75011 Paris clamato-charonne.fr

FULGURANCES

10 Rue Alexandre Dumas, 75011 Paris fulgurances.com

• 128 S MAGAZIN RESTAURANT-TIPPS
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