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Radelnd, klimaverträglich und hautnah die Welt erkunden

Ein Bericht über eine lang ersehnte Radreise: von der Gastfreundschaft muslimischer Länder, von der Freude und Herausforderung eines Zuhauses im Zelt und auf dem Rad und von der Vielfältigkeit des menschlichen Zusammenlebens.

Text und Fotos: Theresa Doppelbauer und Stefan Üblinger

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Die Idee, mit dem Fahrrad die Welt zu erkunden, hatte Stefan bereits vor einigen Jahren. Dafür brauchte es aber erstmal ausreichend Ersparnisse. Als wir beide uns 2017 kennenlernten war auch Theresa gleich begeistert von diesem Vorhaben. Sie ist auch eine begeisterte Radfahrerin und liebt es, neue Kulturen und Länder zu besuchen.

Start: Von Wien in die Welt auf zwei Rädern

Den ursprünglich geplanten Start unserer gemeinsamen Radreise mussten wir coronabedingt um ein Jahr verschieben.

Theresa hatte sich in den Wochen vor der

Abreise noch mit allem nötigen Equipment für die große Reise ausgestattet und durfte dabei auf den Erfahrungswert von Stefans vorangegangener halbjähriger Radreise zurückgreifen. Einen Equipment-Check haben wir gemacht, indem wir wenige Wochen vor der geplanten Abfahrt mit unseren vollbeladenen Rädern von Wien nach Oberösterreich und zurück geradelt sind, um uns von unseren Familien und Freund*innen zu verabschieden. Danach haben wir nochmal viel bewusster jede Nacht im warmen Bett geschlafen. Beim Gang ins Badezimmer und in die Küche war uns bewusst, dass wir diese bisher als selbstverständlich angesehenen Annehmlichkeiten nun für längere Zeit nicht haben werden. Pünktlich zum Frühlingsbeginn ging‘s am 21. März 2021 los. Wir verabschiedeten uns von unseren Mitbewohner*innen und Freund*innen und ab ging‘s von Wien aus über den Semmering in Richtung Süden. Auf die ersten Tage in Österreich folgte Slowenien. Die ersten Nächte im Zelt waren teilweise noch frisch und wir waren froh, bei unserer Ausstattung in gute Qualität investiert zu haben. So war nur das morgendliche Herauskriechen aus dem warmen Schlafsack eine Herausforderung und abends konnten wir es kaum erwarten, uns in die Daunenfedern kuscheln zu dürfen.

Aufgrund der damals komplexen Coronasituation und den vielen Grenzen am Balkan beschlossen wir spontan über Italien in den Süden zu gelangen, in der Hoffnung, der Fährverkehr möge bis in den Frühling wieder Fahrt nach Griechenland aufnehmen. Auch später auf unserer Reise passten wir unsere Route immer wieder den entsprechenden Bedingungen an. Wir wollen uns nur auf dem Land- und wenn nötig Seeweg fortbewegen. Aufs Fliegen wollen wir aus Klimaschutzgründen weitestgehend verzichten.

Die erste Zeit in Italien war von menschenleeren Städten geprägt, dafür begegneten wir in den Wäldern umso mehr Wildschweinen. Während eines mehrtägigen Aufenthalts auf einem Bauernhof mit Schafen lernten

wir, wie man den italienischen Peccorino (Schafkäse) herstellt. Nachdem wir die atemberaubende Amalfiküste entlanggeradelt waren, genossen wir in Neapel, genauso wie die Einheimischen, erleichtert und glücklich das erste kühle Getränk auswärts nach dem langen Lockdown.

In Griechenland gehörten wir zu den ersten Tourist*innen nach langer Zeit und wurden überall freudig empfangen. Da noch nicht Hauptsaison war, konnten wir die wunderschönen Strände abseits des Massentourismus kennenlernen.

Generell ist es etwas ganz anderes, mit dem Fahrrad zu reisen, als mit einem anderen Verkehrsmittel. Man erlebt viel mehr von der Umgebung, spürt die Außentemperatur, hört unzählige Geräusche, nimmt alle möglichen Gerüche wahr, tritt mit den Menschen am Straßenrand in Kontakt, stoppt nicht nur an den touristischen Attraktionen, sondern erlebt auch alles, was zwischen diesen liegt. Wir lieben es, auf unserer Reise autonom unterwegs zu sein. Dafür sind wir zwar etwas schwerer und dadurch langsamer, können aber jederzeit unser Zelt aufbauen und unser Essen mithilfe unserer mobilen Küche zubereiten. Wir essen gerne vegetarisch, gesund und frisch und versorgen uns an Marktständen mit Obst, Gemüse und weiteren Zutaten.

Bei 40 Grad und mehr radelten wir durch die Türkei und duschten uns in regelmäßigen Abständen bei allen auffindbaren Wasserstellen von oben bis unten ab. Überwältigt waren wir von der Gastfreundschaft in der Türkei und generell allen muslimischen Ländern, durch die wir radelten. Im Islam gilt der Gast als ein Geschenk Gottes und genauso wurden wir behandelt. Mehrmals täglich wurden wir von Menschen am Straßenrand zum Çay (Tee) gerufen.

Auch kulturell hat die Türkei viel zu bieten. Wir besuchten zahlreiche Ausgrabungsstätten an der Westküste, bevor‘s ins Landesinnere nach Kappadokien und Konya ging.

Abschließend erkundeten wir, trotz gut gemeinter Warnungen, den kurdischen Teil im Osten des Landes. Wie so oft auf unserer Reise, beruhen derartige Warnungen auf der unbegründeten Angst vor dem Unbekannten. Die vermeintlich gefährlichen Menschen waren sogar noch gastfreundlicher und herzlicher als jene, die die Warnung ausgesprochen haben.

Hier, an der Grenze zu Armenien, bestiegen wir den Ararat, Türkeis höchsten Berg mit 5137 m. Seit dem Genozid an den Armenier*innen können diese ihr Nationalsymbol tragischerweise nur mehr aus der Ferne bewundern.

In Georgien waren wir überrascht und beeindruckt, wie frei Nutztiere wie Kühe, Schafe, Ziegen und Schweine auf den Straßen und in der Landschaft rumlaufen dürfen. Neben der sympathischen Hauptstadt Tiflis verbrachten wir in Georgien auch viel Zeit im Kaukasus, mit dem Fahrrad und zu Fuß.

Armenien besteht aus einer bergigen Landschaft, was auch unsere Wadln erfahren durften. Abseits der Hauptstadt Jerewan geht’s noch sehr ursprünglich zu. Den nach

Was braucht man alles für eine so lange Radreise? Natürlich ein gutes Fahrrad, das einen stabilen Rahmen und qualitativ hochwertige Räder hat, die das Gewicht vollbeladener Fahrradtaschen aushalten. Denn es sind schon mal 30 bis 40 Kilo, die man für so eine Radreise einpackt. Kleidung für alle Witterungen und Temperaturen, Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Hitze, Regen, Frost und Schnee, ein Zelt, Luftmatratze, Schlafsack, Campingkocher, Kochausstattung und viele weitere Dinge. Unsere mobile Küche besteht aus Campingkocher, Töpfen und allerlei Gewürzen. wie vor andauernden Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan erlebten wir, als wir unsere Fahrräder im Süden des Landes ließen, um zur Abholung unseres Iran-Visums nochmal per Sammeltaxi zurück nach Jerewan zu fahren. Plötzlich waren wir aufgrund eines neu auflodernden Konfliktherds nicht sicher, ob die einzige passierbare Straße in den Süden vom aserbaidschanischen Militär eingenommen werden würde. Wir hätten dadurch womöglich unsere Fahrräder und unsere Ausstattung verloren. Armenier*innen und Aserbaidschaner*innen hingegen verlieren regelmäßig Familienangehörige und Freund*innen.

Von der iranischen Gastfreundschaft hat man uns bereits vorab erzählt. Welche Ausmaße diese annimmt hätten wir uns aber nicht erträumt. Dabei müssen wir an ein bezeichnendes Erlebnis im Nordwesten Irans denken, als wir in unserem Zelt gerade schlafen gehen wollten und plötzlich ein junger Mann und sein Schwiegervater kamen und sich nicht davon abhalten ließen, dass wir unbedingt mitkommen: Ihre Frauen warten zu Hause, das Abendessen stehe bereit und es sei viel zu kalt, bei diesen Temperaturen draußen zu schlafen. Aller Widerstand war zwecklos wir bauten unser Zelt ab, packten alle Sachen ein und folgten ihnen radelnd durch die Nacht. Unzählige weitere Einladungen dieser Art folgten und jedes Mal wurden wir dabei mit bestem Essen gemästet bis zum Umfallen.

Dass es in der iranischen Gesellschaft brodelt und viele Iraner*innen mit ihrem Regime extrem unzufrieden sind, erlebten auch wir (Winter 2021 / 22). Für Theresa als Frau war es ungewohnt und erdrückend, ständig mit langer Kleidung radeln zu müssen und das Haar zu bedecken. Wir waren aber aus eigenen Stücken im Iran. Die Bevölkerung ist tagein-tagaus mit den Repressalien ihrer Regierung konfrontiert.

Mit Pakistan verbinden wir ebenfalls überschwängliche Gastfreundschaft und schwer bewaffnete Polizeieskorten. Das atemberaubende Karakorum-Gebirge und starrende Männer und Burschen. Frauen trafen wir in vielen Regionen nur schwer und dann meist nur in ihrem Zuhause an. Manchmal durfte auch nur Theresa die Frauen kennenlernen.

Umso mehr freuten wir uns, als wir nach dem Grenzübertritt nach Indien wieder Frauen auf den Straßen sahen. Vor der extremen Hitze, dem bevorstehenden Monsun und dem Trubel der indischen Städte flohen wir ins Himalaya-Gebirge, wo wir im hinduistisch und muslimisch geprägten Jammu & Kaschmir und im buddhistisch geprägten Ladakh und Spiti-Valley unzählige Pässe, die meisten davon auf über 4000 und 5000 m, erradelten.

Nun sind wir gespannt auf die Bergwelt Nepals, wollen um den Annapurna wandern und weitere 8000er bestaunen.

Wer Lust auf mehr Bilder und Geschichten unserer Reise hat und wissen will, wie es weitergeht, kann uns auf polarsteps.com/ therehoppel und auf Instagram @biristefan und @therehoppel folgen.

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