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Klettern auf dem Vulkan

Wie ein begeisterter Kletterer zufällig auf Kap Verde landete und dort ein Paradies für Kletter*innen in einer atemberaubenden Vulkanlandschaft errichtete.

Text und Fotos: Mustafa Lopes Eren, Einleitung: Verena Burger

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Von Kirgisistan über die Türkei, Deutschland und die entlegensten Klettergebiete der Welt schließlich nach Kap Verde … Mustafa Lopes Eren ist ein faszinierender Mensch: ausgebildeter Diplomingenieur, Kletterer (ehem. deutsches Speed-Nationalteam und Europa-Champion), Bergführer, Sportklettertrainer und Routenbauer mit eigener Klettergriffreihe (Revolution climbing). Ihm bei seiner Lebensgeschichte zu lauschen und mit ihm zu klettern, waren besondere Erlebnisse für mich auf der Kap-Verde-Reise. Dank Mustafa konnte ich mein Bewerbungsgespräch für die Stelle eurer Vereinsmanagerin in einem Vulkankrater auf der Insel Fogo abhalten. Er hat mir versprochen, wenn ich den Job bekomme, dann schreibt er einen Artikel übers Klettern auf Fogo. Hier also sein Beitrag: :)

23. November 2014, 10.03 Uhr: Am Vormittag stand ich auf dem Dach unseres kleinen Hotels im Vulkankrater der Insel Fogo, Kap Verde, und schraubte an einigen locker gewordenen Solarpaneelen, als eine

Mega-Explosion mich aus meinen Gedanken riss. Am Fuße des Pico Do Fogo schoss bereits eine dichte Rauchwolke in die Höhe und bildete einen Pilz. Der Vulkan brach aus!

Ich hatte viele Geschichten von den Vulkanausbrüchen 1951 und 1995 gehört und mich oft gefragt, wie das wohl ist, dabei zu sein. Nun wusste ich es …

Der Vulkanausbruch hat zwar sehr viele Häuser und landwirtschaftliche Flächen zerstört, aber es kam niemand körperlich zu Schaden. Die einheimische Bevölkerung hat sich erstaunlich schnell und gut wieder erholt. Der aktive Vulkan ist integrierter Teil der Kultur und des Rhythmus der Einheimischen hier. Es ist ihnen sehr bewusst, dass er nicht nur eine Bedrohung, sondern auch der Wohltäter der Insel ist.

Sieben Jahre vor dem letzten Vulkanausbruch, Jänner 2007, bin ich selbst als Diplomingenieur im Auftrag der deutschen Entwicklungshilfe nach Kap Verde gekommen. Die Dauer meines Auftrages war kurz, aber mir hat es hier gut gefallen, in dem Krater von Fogo, sodass ich beschloss, „etwas länger“ zu bleiben. Inzwischen bin ich hier verheiratet und habe Familie.

Kap Verde ist ein kleiner Inselstaat, der zu Afrika gehört (600 Kilometer vom senegalesischen Festland entfernt). Dieses Land hat der Weltgemeinschaft viel zu geben! Neben schönen Felsen zum Klettern und einer umwerfend eindringlichen Musik ist es vor allem ein Beispiel für eine geradezu unzerstörbar gute Laune und deren Macht, das Leben schöner zu machen – egal was das Schicksal bringen mag.

Kapverdianer*innen, ein Volk von Lächelnden Trotz oder vielleicht gerade wegen der schmerzhaften Geschichte und den harten Lebensbedingungen begegnen die Kapverdianer*innen ihren Besucher*innen immer mit einem Lächeln, das eine erfrischende, freundliche, unvoreingenommene Neugier offenbart.

So auch mir, meinen Freund*innen und dem Klettern gegenüber.

Klettern auf dem Vulkan Selbst leidenschaftlicher Kletterer, Bergsteiger und Routenbauer habe ich in meinen 15 Jahren auf der Insel um mich herum selbstverständlich viele Klettereien eingerichtet:

In Zahlen schaut es auf der Insel Fogo so aus: » ca. 2.500 Boulder (von Fb 2 bis 8b+) » ca. 160 Sportkletterrouten (Französisch 3 bis 8c+) » einige Mehrseillängenrouten (Sport), alpine Klettereien » außerdem insgesamt über 2.000 Meter

Klettersteige

Seit Beginn gibt es auch eine kleine aber eingeschworene Klettergemeinschaft von Einheimischen. Diese bekommt nun viel Nachschub aus den Reihen der jungen Kapverdianer*innen, vor allem derer, die bei mir die Ausbildung zu BergwanderFührer*innen machen.

Über die Insel verteilt entstanden inzwischen über 30 Sektoren. Die meisten sind Sportklettereien und Boulder am Fuße der Felsen.

Besonders zu erwähnen ist die Schlucht bei Cabessa Monte, eine Entdeckung der ersten Tage. Hier findet man athletische Kletterei an den Blöcken im Schluchtgrund und außerordentliche technische Probleme an den vom Wasser der Regenzeiten glattgeschliffenen Seitenwänden.

Mimiso im Krater, einer der größten Sektoren mit weit über 200 Problemen, bietet sehr schöne Felsqualität und hohe Reibung. Ein absolutes Muss sowohl für Boulder*innen als auch Seilkletter*innen ist Fonte Galinha, nur 15 Minuten zu Fuß von der zentralen Siedlung entfernt, bietet diese Schlucht feinstes Klettern und Bouldern in fast allen Schwierigkeitsgraden.

Generell ist das besondere Merkmal der Felsen auf Fogo die Vielfalt. An zwei Blöcken nebeneinander oder sogar am selben Block selbst findet man stark unterschiedliche Felseigenschaften. Richtig steile Klettereien stellen zwar eine Minderheit dar. Aber wer sucht, der findet auch.

In der Anfangszeit hatten wir lediglich ein kleines Crashpad bei uns. Das hat zu einer außerordentlich guten Spotter-Kultur geführt. Inzwischen haben wir ein halbes Dutzend Crashpads, die auch geliehen werden können. Es ist eine lange Reise nach Kap Verde und das Gepäck ist recht limitiert. Was auf jeden Fall mitgebracht werden sollte, sind Schuhe, gerne auch ein Paar für die hiesigen Sportler*innen, gebraucht, kein Problem – und Chalk. (Chalk ist knapp und nicht zu kaufen.) Wer gern eine Route erschließen möchte, ist herzlich eingeladen, sollte aber natürlich Bohr- und / oder Klebehaken mitbringen, bitte nur A4-Edelstahl: Wir sind auf einer Insel und nahe am Meer. Hardware, wie Bohrmaschinen, et cetera ist vorhanden und verfügbar.

Tipps Unterkünfte: Casa Marisa ist die Anlaufstelle für Klettergäste, als Unterkunft und / oder als Verleihstelle für Ausrüstung, Topos und Kontaktstelle zwischen Kletter*innen. Zimmer kosten zwischen 30 und 100 Euro (bis zu Vier-Bett-Zimmer). Und es ist bis dato eines der wenigen Häuser mit Strom (Solar) und Wi-Fi (über Handynetz).

Kontakt: info@fogo-marisa.com, +2389792322 (auch WhatsApp, Viber etc.). Ihr könnt auch auf Deutsch, Englisch oder Französisch schreiben.

Von Sao Filipe fahren mittags Aluguer, Sammeltaxis, hinauf in die Calderas (10 Euro pro Person). Private Transfers für die 40 Kilometer (60 Euro) und Mietwagen sind relativ teuer (ca. 60 bis 90 Euro pro Tag).

Anreise: Einige Fluglinien, wie TUI und TAP, bieten Flüge nach Kap Verde. Meistens nach Sal oder Santiago, von dort gelangt man mit zwei kurzen Inlandsflügen (Sal) bzw. einem Inlandsflug oder einer Fähre nach Fogo. Achtung: Die Reisen zwischen den Inseln sind limitiert und schwer privat zu buchen. Unbedingt rechtzeitig über eine lokale Agentur gehen (Qualitur, Zebra-Travel sind zu empfehlen und im Netz gut zu finden).

Weitere Erlebnisse auf Fogo: Klettern braucht auch Ruhetage und es wäre jammerschade, hierher zu kommen und nur zu klettern und dann abzureisen. Eine Besteigung des Pico und den Klettersteig über die Kraterwand solltet ihr unbedingt machen.

Die Hauptattraktion hier aber sind und bleiben die Menschen – und der Kontakt ist sehr leicht: Einfach zurücklächeln und los geht’s.

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