Heft 2 Februar 2011

Page 1

Agrar forschung schweiz 2 0 1 1

|

H e f t

2

Agroscope | BLW | SHL | AGRIDEA | ETH Zürich

F e b r u a r

Nutztiere

Automatisches Messen der Kaubewegungen bei Wiederkäuern

Umwelt

Bestandsentwicklung der einheimischen ­Brutvögel im Landwirtschaftsgebiet

Pflanzenbau

Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels bei ­Bio-Weizen

Seite 60

Seite 88

Seite 66


Inhalt Februar 2011 | Heft 2 Die Wiederkauaktivität gilt als wichtiger Parameter für die Früherkennung von Stoffwechselproblemen bei Milchkühen. Die Forschungsgruppe Bau, Tier und Arbeit an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART hat in Zusammenarbeit mit der ­Firma MSR Electronics Sensoren für die Messung der Kauaktivität entwickelt. (Foto: Olivier Bloch, ALP)

Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART) b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern b Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofen b Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / ­Recherche Agro­ nomique Suisse, Forschungs­anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch

59 60

Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder info@agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

Nutztiere

A utomatisches Messen der Kaubewegungen bei Wiederkäuern mit Hilfe eines Drucksensors Franz Nydegger, Lorenz Gygax und Wendelin Egli

Umwelt 66 Bestandsentwicklung der einheimischen

­Brutvögel im Landwirtschaftsgebiet 1990–2009 Simon Birrer, Markus Jenny und Niklaus Zbinden Pflanzenbau 72 ENDURE – ein Netzwerk für nachhaltigen

­Pflanzenschutz in Europa Franz Bigler, Ursula Aubert, Pierre-Henri Dubuis, Frank Hayer, José Hernandez-Rivera, Gabriele Mack, M ­ ichael Meissle, Patrik Mouron, Andreas Naef und Jörn Strassemeyer Pflanzenbau 80 Konsumententest mit

Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz

Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).

Editorial

Felix Decurtins, Claudia Good, Christine Brugger, Lucie Franck und Markus Kellerhals Pflanzenbau 88 Alternative Bekämpfung des

Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei ­Bio-Weizen Heinz Krebs, Irene Bänziger, Robert J. Legro und Susanne Vogelgsang Kurzbericht 96 Gesamtmelioration: multifunktional

und ­nachhaltig Karin Bovigny-Ackermann 98

Aktuell

103

Veranstaltungen

Sortenlisten Beilagen Listen der empfohlenen Soja- und

Eiweiss­erbsensorten für die Ernte 2011 Jürg Hiltbrunner und Christian Streit Liste der empfohlenen Sonnenblumen-

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

sorten für die Ernte 2011 Didier Pellet

Erfasst in: Web of sience, CAB Abstracts, AGRIS

Berner Fachhochschule Haute école spécialisée bernoise Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL Haute école suisse d’agronomie HESA


Editorial

Die Welt neu entwerfen – ­Systeminnovation Liebe Leserin, lieber Leser

Urs Gantner, Bundesamt für Landwirtschaft BLW

«Mehr desselben» – darunter versteht der Psychologe und Philosoph Paul Watzlawick das sture Festhalten an Lösungen, die durchaus ausreichend, erfolgreich, oder vielleicht die einzigen möglichen waren. Aber eben nicht mehr sind. Er veranschaulicht dies mit der Geschichte eines Mannes, der auf seinem nächtlichen Heimweg den Schlüssel verliert und trotz offensichtlicher Erfolglosigkeit seine Suche auf das Umfeld der Strassenlaterne beschränkt. Auf die Frage, ob er denn den Schlüssel hier verloren habe, antwortet er: «Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.» «Mehr desselben» lässt sich auf unsere technische Welt übertragen. Noch schnellere Rechner und noch stärkere Autos, noch schnellere Maschinen und noch multifunktionalere Handys. Weil die Suche nach Neuerungen immer unter demselben Scheinwerfer stattfindet, kommen wir nicht wirklich weiter. «Mehr desselben» ist auch nicht wirklich innovativ. Innovation steht leider meistens für nichts anderes als die lineare Weiterentwicklung des bereits Bekannten. Sprechen wir von Innovation, so ist die entscheidende Frage: Nützt sie dem Kunden, der Kundin? Kundenbedürfnis im Mittelpunkt Systeminnovation versteht sich als Neuerung, die sich weder an vorgegebenen Strukturen noch an vorgegebenen technischen Lösungen orientiert, die den Blickwinkel des Kunden, des Marktes einnimmt: Was will der Kunde? Und wie können wir ihn unterstützen? Nicht mehr die Technik steht im Vordergrund, sondern die vernetzten Bedürfnisse des Kunden. Damit sind drei Begriffe relevant: die Menschen, die Infrastrukturen, die Technologien. Mittelpunkt jeder Systeminnovation sind die individuellen Bedürfnisse des Menschen. Wie zum Beispiel sich selbst zu verwirklichen, sich wohl zu fühlen, soziale Kontakte zu pflegen, Zugang zu Bildung und Wissen zu haben. Und die Möglichkeit, diese Bedürfnisse auch finanzieren zu können. Die Infrastrukturen sind auf die individuellen Bedürfnisse des Menschen auszurichten. Technologien dienen dem Aufbau der Infrastrukturen. Dazu braucht es weiterhin den Chip, den Werkstoff, die Mikroelektronik etc. Diese Basisprodukte werden immer besser werden müssen, werden aber an Marktbedeutung verlieren, denn sie werden irgendwo auf dieser Welt als Module hergestellt werden. Wichtig wird die Zusammensetzung dieser Module sein. Der Erfolg am Markt wird dabei nicht primär an der Technologie hängen, sondern an ihrer kundenorientierten Umsetzung. Systeminnovation zugunsten des Menschen Systeminnovation kann nur dort umgesetzt werden, wo Wissen und Handeln geschickt zu neuen Gesamtsystemen beziehungsweise deren Anwendungen verknüpft werden. Beispiel: Wenn das Fleischstück, das Sie in den Backofen legen, via einen Barcode schon weiss, wie lange es bei welcher Temperatur gegart werden muss. Es gilt, die vielen Informationen zu nutzbarem Wissen zu verdichten. Denn Ziel der Systeminnovation ist es, Wissen zugunsten des Kunden respektive der Nutzerin einzusetzen.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 59, 2011

59


N u t z t i e r e

Automatisches Messen der Kaubewegungen bei Wiederkäuern mit Hilfe eines Drucksensors Franz Nydegger1, Lorenz Gygax 2 und Wendelin Egli3 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen 2 Zentrum für tiergerechte Haltung von Wiederkäuern und Schweinen, Forschungsanstalt Agroscope ­Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen 3 MSR Electronics GmbH, 8444 Henggart Auskünfte: Franz Nydegger, E-Mail: franz.nydegger@art.admin.ch, Tel. +41 52 368 33 16

1

Stoffwechselstörungen wie subakuter oder akuter Pansenazidose führen. Die Kau-, Wiederkau- und Fressaktivität hat als bedeutender Verdauungs- und Stoffwechselparameter hohe Aussagekraft. Eine automatische Erfassung der Kau- und Wiederkauaktivität von Wiederkäuern kann deshalb frühzeitig Hinweise auf Fütterungsfehler geben und somit die Entscheidung für eine Anpassung der Ration erleichtern. Die auf dem Markt erhältlichen Geräte sind entweder für den Einsatz in Laufställen mit Selbstfangfressgittern nicht geeignet, oder sie lassen keine Erfassung der einzelnen Kauschläge zu. Deshalb wurde an ART in Zusammenarbeit mit der Firma MSR Electronics, der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft (ZHAW) und der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP ein neuer Kausensor entwickelt.

Material und Methoden

Die Erfassung der Kauaktivität dient der Früherkennung von Stoffwechselproblemen. (Foto: ART)

Einleitung Die Leistungssteigerung in Milchviehherden führt zu einem vermehrten Einsatz von Futtermitteln mit einer hohen Energiedichte. Bei der Grundfutterkonservierung wird mit dem Ziel einer besseren Verdichtung das Siliergut stark zerkleinert. Dies kann zu einer Senkung der Strukturkomponenten der Ration und somit einer verringerten Kau- und Wiederkauaktivität führen. Ein hoher Anteil fermentierbarer Kohlenhydrate bei gleichzeitig verminderter Kau- und Wiederkauzeiten kann zu

60

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 60–65, 2011

Beschreibung und Funktionsweise Der neu entwickelte Kausensor erlaubt die Messung der Kauaktivität am Tier, ohne dieses dabei in seinem natürlichen Verhalten zu beeinträchtigen (Abb. 1). Ein Halfter dient zur Aufnahme der Messeinheit bestehend aus einem Nasenbandsensor (NBS) und einem MSR Logger 145. Der NBS besteht aus einem mit pflanzlichem Öl gefüllten Silikonschlauch mit eingebautem Drucksensor und wird in die Schutzhülle über dem Nasenrücken der Kuh eingeführt. Durch die Kieferbewegungen der Kuh wird die Krümmung des Nasenbandes verändert, was eine Druckänderung im Silikonschlauch bewirkt. Der Drucksensor ist mit einem Kabel am MSR-Logger angeschlossen. Der Logger befindet sich in der Schutztasche auf der linken Seite der Halfter. Der Logger registriert den Druck im NBS mit einer Frequenz von 10 Hertz. Die Speicherkapazität der eingesetzten Logger beträgt rund 2 Mio. Messwerte, was für eine Aufzeichnungsdauer von rund 40 Stunden ausreicht. Die Start- und Endzeiten für die Aufzeichnung können über die Ver-


Zusammenfassung

Automatisches Messen der Kaubewegungen bei Wiederkäuern mit Hilfe eines Drucksensors | Nutztiere

Abb. 1 | Das Mess-Set besteht aus einem Drucksensor und einem Datalogger (MSR145) die in einem Futter und einer Tasche am Nasenband der Halfter untergebracht sind. (Fotos: ART)

bindungssoftware im Logger programmiert werden. Die Datenübertragung auf einen PC erfolgt über einen USB-Anschluss mit der Software MSR Reader. Datenauswertung Für die Auswertung erstellte Andreas Scheidegger (ZHAW) eine auf «R» basierte Software. Das Verhalten der Kuh wird anhand der gemessenen Druckdaten in vier Gruppen eingeteilt: «Wiederkauen», «Fressen im Stall», «Weiden» und «Andere Aktivitäten». Erstellen von Lerndateien Die Software MSR-Viewer erlaubt eine erste Sichtung der Druckverläufe. Die Druckverläufe der verschiedenen Aktivitäten lassen sich am Bildschirm optisch gut unterscheiden. Von jedem File erstellt die auswertende Person Lerndateien (rund 10 Minuten Länge) der vier Aktivitäten speichert diese ab und setzt die File-Namen in einer Steuertabelle ein, auf die die Software bei der Auswertung zugreift. Klassifikation der Druckdaten Da die Druckdaten eine Zeitreihe bilden, müssen für die Klassifikation daraus zuerst geeignete «Objekte» gebildet und mit Variablen beschrieben werden. In diesem Fall werden die einzelnen Kauschläge klassifiziert. Dann kann die Klassifikation auf die zu den Kauschlägen gehörigen Ausschnitte übertragen werden. Bei der Auswertung werden zuerst die Kauschläge identifiziert. Als Kauschlag wird im Folgenden eine eindeutige Kieferbewegung bezeichnet, die sich im Druckverlauf als Peak zu erkennen gibt. Die Erkennung erfolgt ähnlich, wie Rutter (1997) sie für die Software Graze 0,8 beschrieben hat: Damit ein Peak im Druckverlauf als Kauschlag erkannt wird, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

Die Wiederkauaktivität gilt als wichtiger, nicht invasiv messbarer Parameter für die Früherkennung von Stoffwechselproblemen bei Wiederkäuern. Herkömmliche Wiederkausensoren weisen vor allem beim Einsatz im Stallbereich Nachteile auf. Der neu entwickelte ART-Wiederkausensor enthält einen Nasenbandsensor bestehend aus einem mit Flüssigkeit gefüllten Schlauch und Drucksensor, einem Datalogger und der Software für die Auswertung. Die Daten werden über eine USB-Schnittstelle auf den PC übertragen. Die auf R basierende Software weist aufgrund von Lerndateien die einzelnen Kauschläge den Aktivitäten «Wiederkauen» «Fressen» und «Andere Aktivitäten» zu. Die Validierung hat ergeben, dass die Geräte zuverlässig arbeiten und dass die Übereinstimmung der optischen Auswertung mit der automatischen Auswertung sehr hoch ist. Der ART-Wiederkausensor eignet sich für den Einsatz zu Forschungs- und Beratungszwecken. Für den Einsatz in der breiten Praxis sind weitere Entwicklungsschritte notwendig und in Arbeit.

1. Die Amplitude des Peaks muss genügend gross sein. Es wird ein Medianglätter durch die Druckdaten gelegt. Dabei wird an jedem Punkt der Median der 101 umliegenden Punkte als Glätterwert genommen (an den Rändern wird die Breite immer mehr verringert, damit auch dort ein Wert berechnet werden kann). Alle lokalen Maxima müssen mindestens um 25 Millibar über dem Glätter liegen, damit sie als Kauschlag erkannt werden können. Der zeitliche Abstand zwischen zwei Peaks darf nicht geringer als 0,6 Sekunden sein. Wenn zwei Peaks Bedingung 1 erfüllen, aber zu nahe beieinander stehen, wird nur der grössere der beiden

t. min c

a

d Glätter + ampl. min. Glätter

e

b ampl. min

Abb. 2 | Bestimmung der Kauschläge. Nach dem ersten Kriterium der minimalen Amplitudenhöhe (ampl.min) fällt der Peak b als Kauschlag weg. Da der zeitliche Abstand der Spitzen c und d kleiner als der Mindestabstand (t.min) ist, wird nur der grössere Peak als Kauschlag erkannt. Für den Peak e ist nun der Abstand zu Peak c massgeblich.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 60–65, 2011

61


Nutztiere | Automatisches Messen der Kaubewegungen bei Wiederkäuern mit Hilfe eines Drucksensors

Weiden

Fressen im Stall

Keine Klasifikation

Druck (mbar)

Druck (mbar)

Druck (mbar)

Druck (mbar)

Wiederkauen

Abb. 3 | Aufzeichnung und Analyse der Wiederkau- und Fressaktivität einer Kuh über 22 Stunden.

als Kauschlag erkannt. Nahe aufeinander folgende Kauschläge werden zu einem Block zusammengefasst. Es wird davon ausgegangen, dass eine Kuh während eines Blocks nicht verschiedenen Aktivitäten nachgehen kann. Beim Wiederkauen bilden die Kauschläge für einen Bolus jeweils einen Block. Blöcke werden nach ­folgender Regel gebildet (Abb. 2): 1. Alle Kauschläge die näher als 0,3 Sekunden beieinander liegen werden demselben Block zugeordnet. 2. Blöcke müssen mindestens zehn Kauschläge aufweisen. Hat ein Block weniger Kauschläge, werden die Kauschläge keinem Block zugeteilt. Um die Kauschläge klassifizieren zu können, wird ihre Umgebung mit 13 Variablen beschrieben. Es sind dies zum Beispiel die Streuung der Höhe der Ausschläge der 20 vorhergehenden und 20 nachfolgenden Kauschläge, die Variabilität des Druckverlaufs zehn Sekunden vor und nach dem Kauschlag, die Regelmässigkeit der Kaufrequenz etc. Validierung der Auswertesoftware Damit die Auswertung der Aktivitäten durch die Software überprüft werden konnte, wurden Messungen mit vier Rationen und zwei Tiergruppen mit 12 bis 15 Milchkühen durchgeführt.

Lerndateien In einem ersten Schritt wurde überprüft ob eine Lerndatei mehrfach verwendet werden kann. Dies wurde durch das Vergleichen eines Tagesdruckverlaufs, der mit unterschiedlichen Lerndateien klassifiziert wurde für folgende Fälle geprüft. Zwei unterschiedliche Lerndateien eines Tieres von einem Tag. Dazu wurde vom gleichen Tag ein zweiter Satz Lerndateien für Fressen, Wiederkauen und andere Aktivitäten erstellt. Zwei unterschiedliche Lerndateien eines Tieres von zwei verschiedenen Tagen. Die Klassifikation des Tagesdruckverlaufes erfolgte dabei mit Lerndateien eines anderen Tages derselben Kuh. Zwei unterschiedliche Lerndateien von zwei verschiedenen Tieren bei gleicher Futterration. Der Tagesdruckverlauf wurde mittels Lerndateien einer anderen Kuh aus derselben Futtergruppe klassifiziert. Zwei unterschiedliche Lerndateien von zwei verschiedenen Tieren bei unterschiedlicher Futterration. Der Tagesdruckverlauf wurde mittels Lerndateien einer anderen Kuh aus der anderen Futtergruppe klassifiziert. Verwendung einer Standardlerndatei für andere Aktivitäten. Für alle Tage und alle Kühe wurde dieselbe Lerndatei für die Klassifizierung von anderen Aktivi­ täten verwendet.

Tab. 1 | Beispiel der Resultate zu Kauaktivität Gruppe

Kuh

Datum

Futter

WK-Dauer

Boli

WK-Schläge

min

Anzahl

23.03.09

Mais

447,1

476

Nr. G2

62

2

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 60–65, 2011

Fressdauer

Fressen Kauschläge

Anzahl

min

Anzahl

28 127

307,6

18 812


Automatisches Messen der Kaubewegungen bei Wiederkäuern mit Hilfe eines Drucksensors | Nutztiere

Kauschläge Fressen

F DKS %

25

10

-5

Abb. 4 | Abweichung der automatisch ausgewerteten Kauschläge in Prozent (F DKS %) des optisch erfassten Werts beim Fressen im Stall.

Die Ergebnisse zeigen, dass alle Individuen mit einer einzigen Lerndatei für andere Aktivitäten klassifiziert werden können. Es ist aber nicht möglich, alle unterschiedlichen Individuen mit lediglich einem Lerndatensatz auszuwerten. Es müssen also für jede Messung Lerndateien für Fressen und Wiederkauen jedes Individuums erstellt werden. Vergleich optische mit automatischer Beurteilung Aus 145 Messfiles wurden 60 Zufallsstichproben von jeweils fünf Minuten gezogen. Die Stichproben wurden danach einerseits optisch mit Hilfe des MSR-Viewer beurteilt und andererseits automatisch ausgewertet. Beurteilt wurde die Übereinstimmung der Aktivitätszuteilung, die Kauschläge bei den Aktivitäten «Fressen im Stall» (Kauschläge in der Stichprobe) und «Wiederkauen» (Anzahl Kauschläge je Bolus in der Stichprobe).

Die Ergebnisse werden zudem wie in Abbildung 3 grafisch dargestellt. Validierung der Auswertung Damit die Auswertung der Aktivitäten durch die Software überprüfbar war, wurden Messungen mit vier Rationen und zwei Tiergruppen mit 12 bis 15 Milchkühen durchgeführt. In einem ersten Schritt wurde geprüft, ob eine Lerndatei mehrfach verwendet werden kann. Dies wurde durch das Vergleichen eines Tagesdruckverlaufs geprüft, der mit unterschiedlichen Lerndateien klassifiziert wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass alle Individuen mit einer einzigen Lerndatei für «andere Aktivitäten» klassifizierbar sind. Es ist aber nicht möglich, alle unterschiedlichen Individuen mit lediglich einem Lerndatensatz auszuwerten. Es müssen also für jede Messung Lerndateien für Fressen und Wiederkauen eines jeden Individuums erstellt werden. Im zweiten Schritt erfolgte ein Vergleich zwischen optischer und automatischer Beurteilung. Als erstes Kriterium wird die Zuordnung der Verhaltensweisen durch die automatische Auswertung aufgrund der optischen Zuordnung beurteilt. Die Zuordnung der Aktivitäten durch die automatische Auswertung war in allen Fällen zutreffend (Tab. 2). Als zweites Kriterium wird die Differenz von optisch zu automatisch gezählten Kauschlägen (KS) herbeigezogen. Die Differenz wird ausgedrückt in Prozent des optisch erfassten Werts. Differenz in Prozent (F DKS %) = KS opt. – KS aut. / KS opt. * 100. Beim Fressen im Stall beträgt der Mittelwert der Abweichungen 12,0 % in einem Bereich von +31,4 bis –1,91 % und einer Standardabweichung von 9,0 % (Abb. 4), wobei die Überschätzung unabhängig vom absoluten  Wert ist (Abb. 5).

Resultate Messung der Kauaktivität Die Resultate einer Messphase werden einerseits in ein Textfile und als Grafik ausgegeben. Erfasst werden die Kauschläge und deren Zuteilung zu den Aktivitäten «Wiederkauen» (WK), «Fressen» und «Andere Aktivitäten» und es werden die Wiederkaudauer (WK-Dauer), die Anzahl Boli, die Fressdauer und die Anzahl Kauschläge während dem Fressen berechnet. Daraus lassen sich die durchschnittliche Anzahl Wiederkauschläge pro Bolus berechnen (Tab. 1).

Tab. 2 | Vergleich der Zuordnung der Aktivitäten nach optischer und automatischer Auswertung in der Stichprobe (zirka 5 Minuten). Automatisch erfasst

Optisch erfasst

Aktivität

Fressen

Wieder­ kauen

Andere Aktivität

Fressen

18

0

0

Wiederkauen

0

16

0

Andere Aktivität

0

0

26

100

100

100

Korrekt %

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 60–65, 2011

63


Nutztiere | Automatisches Messen der Kaubewegungen bei Wiederkäuern mit Hilfe eines Drucksensors

Diskussion Für Forschungszwecke wurden in verschiedenen Versuchen im In- und Ausland Wiederkaumessgeräte des Typs IGER eingesetzt (Rutter 1997). Ihr Einsatz hat gezeigt, dass diese beim Aufenthalt der Kühe im Stall häufig beschädigt werden und dass der Logger die Kühe beim Zugang und beim Verlassen des Fressgitters behindert und die Dauer der Aufzeichnung auf gut 24 Stunden beschränkt ist. Erhältlich ist ein weiteres System (VocalTag) zur Erfassung der Wiederkauzeit und des Wiederkaurhythmus (Ungar 2005, Schirmann 2009). Das von Scheibe (2006) beschriebene System WAS kann Verhaltensdaten (Stehen, Gehen, Grasen und Wiederkauen) von frei lebenden Tieren erfassen und bis zu 200 Meter drahtlos übermitteln (Scheibe 2006). Vocal-Tag und WAS können jedoch keine Informationen zur Anzahl Kauschläge pro Bolus und während dem Fressen liefern und sind deshalb für die detaillierte Erfassung des Kauverhaltens nicht geeignet.

Schlussfolgerungen

1200 1000 800

[n]600

200 1200

Abb. 5 | Zusammenhang zwischen optischer Auszählung (x-Achse) und automatischer Auszählung (y-Achse) für die Anzahl Kauschläge pro Stichprobe beim Fressen (Punkte, gestrichelte Linie) im Vergleich zur y = x Geraden (grau gepunktet).

64

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 60–65, 2011

-1

-2,5 Abb. 6 | Abweichung der automatisch ausgewerteten Kauschläge in Prozent des optisch erfassten Werts bei der Anzahl Kauschläge pro Bolus (WK DKS %).

fort für das Tier und die Handhabung für die Bedienungsperson aus. Die Geräte arbeiteten während der ganzen Versuchsperiode mit zirka 25 Messungen während 24-Stunden pro Gerät zuverlässig und störungsfrei. Die Speicherkapazität der MSR 145 Logger reicht für rund 40 Stunden und damit gut für Messungen während eines Fütterungstages. Neuere Logger derselben Firma mit Speicherkarten weisen zudem eine wesentlich grössere Kapazität auf und erlauben somit mehrtägige Aufzeichnungen. Die Validierung hat gezeigt, dass die Übereinstimmung der automatischen Auswertung der Kauaktivitäten vor allem beim Wiederkauen (Kauschläge pro Bolus) hohen Ansprüchen genügt. Beim Auswerten der

80 75 70 65 60

55 automatisch [n] 50 Kauschläge pro Bolus 45

400

Kauschläge in der Stichprobe automatisch 0 0 200 400 600 800 1000 Kauschläge in der Stichprobe optisch [n]

0,5

Kauschläge pro Bolus automatisch [n]

Kauschläge in der Stichprobe automatisch [n]

Der ART-Wiederkausensor weist gegenüber den IGERGeräten deutliche Vorteile in Bezug auf den Tragkom-

Wiederkauschläge pro Bolus

WK DKS %

Der Mittelwert der Abweichungen zwischen optischer und automatischer Auszählung der Kauschläge pro Bolus beträgt –0,24 %, in einem Bereich von +1,09 bis –2,36 % (Abb. 6) mit guter Übereinstimmung der beiden Methoden (Abb. 7). Die Übereinstimmung bei den Kauschlägen während dem Fressen kann als genügend eingestuft werden, zumal eine Verfeinerung der Einstellparameter in der Auswertesoftware noch möglich ist.

40 40

45

50 55 60 65 Kauschläge pro Bolus optisch [n]

70

75

Abb. 7 | Zusammenhang zwischen optischer Auszählung (x-Achse) und automatischer Auszählung (y-Achse) für die Anzahl Kauschläge pro Bolus (Punkte, gestrichelte Linie) im Vergleich zur y = x Geraden (grau gepunktet) .


Automatisches Messen der Kaubewegungen bei Wiederkäuern mit Hilfe eines Drucksensors | Nutztiere

Misurazione automatica della masticazione nei ruminanti con l'ausilio di un sensore di pressione La ruminazione è considerata un parametro importante, misurabile in modo non invasivo, per la diagnosi precoce di problemi del metabolismo nei ruminanti. I sensori tradizionali presentano degli svantaggi soprattutto se utilizzati nella stalla. Il nuovo sensore sviluppato da ART per misurare la masticazione consta di un sensore da applicare sul naso composto da un tubo riempito di liquido e da un sensore di pressione, un datalogger e il software per l'analisi dei dati. I dati vengono trasferiti al PC mediante un'interfaccia USB. Sulla scorta di dati predefiniti, il software basato su R associa i movimenti della bocca alle attività «ruminare», «mangiare» e «altre attività». Dalla validazione è emerso che gli apparecchi sono affidabili e che la valutazione automatica corrisponde quasi sempre a quella visiva. Il sensore di ART si presta ad essere impiegato nei settori della ricerca e della consulenza. Per l'utilizzo nella pratica sono necessari ulteriori aggiustamenti, peraltro già in fase di sviluppo.

Literatur ▪▪ Rutter S.M., Champion R.A. & Penning P.D., 1997. An automatic system to record foraging behaviour in free-ranging ruminants. Applied animal behaviour science,. 54, 185–195. ▪▪ Ungar E.D. & Rutter S.M., 2005. Classifying cattle jaw movements: Comparing IGER Behaviour Recorder and acoustic techniques. Applied animal behaviour science, 98, 11–27.

beratung geeignet. Für den Einsatz in der breiteren Praxis sind Weiterentwicklungen speziell zur Verbesserung der Handhabung und zur Datenübertragung auf das Herdenmanagementprogramm notwendig. n

Summary

Riassunto

Kauschläge beim Fressen liegt die Übereinstimmung noch etwas tiefer, sie kann aber als genügend eingestuft werden, zumal eine Verfeinerung der Einstellparameter in der Auswertesoftware noch möglich ist. Die Ergebnisse deuten auf einen systematischen Versatz hin, der durch das Anpassen der Auswerteparameter korrigierbar sein sollte. Dies hat in einem weiteren Schritt zu erfolgen. Die Geräte sind somit insbesondere für den Einsatz zu Forschungszwecken und für die Fütterungs-

Automatic measurement of jaw movements in ruminants by means of a pressure sensor Ruminant activity is considered an important non-invasive measurable parameter for the early identification of metabolic problems in ruminants. Traditional rumination sensors have drawbacks, particularly when used in the cowshed area. The newly developed ART rumination sensor incorporates a noseband sensor comprising a fluid-filled tube and pressure sensor, a data logger, and the evaluation software. The data are transmitted to the PC via a USB interface. The R-based software allocates individual jaw movements to «rumination», «eating» and «other activities» on the basis of learned data. Validation has shown that the equipment works reliably, and that visual and automatic evaluation are extremely consistent with one another. The ART rumination sensor is suitable for research and advisory purposes. It will need to go through further stages of development – already in progress – before becoming widely used in practice. Key words: jaw movement, ruminating, feeding, grazing, pressure sensor.

▪▪ Scheibe K.S. & Gromann C., 2006. Application testing of a new three-­ dimensional acceleration measuring system with wireless data transfer (WAS) for behavior analysis. Behavior Research Methods, 38, 427–433. ▪▪ Scheidegger A., 2008. Klassifikation des Fressverhaltens von Kühen. D ­ iplomarbeit, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft, ­W interthur.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 60–65, 2011

65


U m w e l t

Bestandsentwicklung der einheimischen ­Brutvögel im Landwirtschaftsgebiet 1990–2009 Simon Birrer, Markus Jenny und Niklaus Zbinden Schweizerische Vogelwarte, 6210 Sempach Auskünfte: Niklaus Zbinden, E-Mail: niklaus.zbinden@vogelwarte.ch, Tel. +41 41 462 97 25

Abb. 1 | Der Kiebitz brütet vor allem auf feuchten Ackerflächen. Wie viele andere UZL-Zielarten zeigt er einen rückläufigen Bestand. In den Neunzigerjahren brüteten in der Schweiz noch 400–500 Paare, heute sind es rund 100 Brutpaare. (Foto: M. Jenny)

Einleitung Seit den 1990er Jahren ist die Erhaltung und Förderung der Biodiversität eines der Ziele der Agrarpolitik. Der ökologische Leistungsnachweis verpflichtet die Landwirte, auf 7 % ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) ökologische Ausgleichsflächen anzulegen. Damit sollen die Artenvielfalt und wertvolle Lebensräume im Kulturland erhalten respektive in Defizitgebieten gefördert werden. Heute weisen Landwirte durchschnittlich rund 11 % der LN als ökologische Ausgleichsfläche (öAF) aus, wobei zur Zeit knapp 30 % davon qualitativ hochwertig sind (Qualität gemäss ÖQV oder Buntbrachen, BLW 2009a). Der Bund entschädigt die ökologischen Ausgleichsflächen mit jährlich rund 166 Mio. Franken (Stand 2008, BLW 2009a).

66

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 66–71, 2011

Ob und wie stark selten gewordene Tier- und Pflanzenarten im Kulturland durch den ökologischen Ausgleich tatsächlich gefördert werden, ist aber kaum bekannt. Zwar gibt es inzwischen etliche positive Fallbeispiele, aber es fehlen einfache Kennzahlen zur landesweiten Bestandsentwicklung von einheimischen Tierund Pflanzenarten im Kulturland. 2008 publizierten BAFU und BLW die «Umweltziele Landwirtschaft» UZL (BAFU und BLW 2008). Dieser Bericht definiert Ziel- und Leitarten für das Kulturland und formuliert grobe Bestandsziele. So sollen die Bestände der Zielarten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet «erhalten und gefördert» werden, jene der Leitarten «werden gefördert, indem geeignete Lebensräume in ausreichender Fläche und in der nötigen Qualität und räumlichen Verteilung zur Verfügung gestellt


Bestandsentwicklung der einheimischen ­B rutvögel im Landwirtschaftsgebiet 1990–2009 | Umwelt

Zusammenfassung

werden» (BAFU und BLW 2008). Mit dem UZL-Bericht liegt nun eine Liste mit Indikatorarten vor, welche auf Basis der geltenden rechtlichen Regelungen abgeleitet wurde. Darunter figurieren 27 Brutvogelarten als Zielarten (Abb.1) und 20 Brutvogelarten als Leitarten. Wir prüften nun mit einem neu berechneten Index, wie sich die Bestände dieser Arten in der Zeitspanne von 1990– 2009 entwickelt haben.

Methoden Seit 1990 liegen aus den verschiedenen Überwachungsprogrammen der Vogelwarte genügend Daten vor, um jährlich einen Bestandsindex für fast alle regelmässig in der Schweiz brütenden Vogelarten zu berechnen. Das geometrische Mittel aller Art-Indices ergibt den Swiss Bird Index SBI® (Zbinden et al. 2005), der von der Vogelwarte seit 2005 jährlich aktualisiert und publiziert wird (Keller et al. 2010). Neben dem Gesamtindex werden auch Teilindices für verschiedene Lebensräume erstellt. Jede Art wird dabei einem Hauptlebensraum zugeordnet (Keller und Bollmann 2001). Der Teilindex Kulturland umfasst 38 Vogelarten (Zbinden et al. 2005). Darunter sind auch sechs Arten, die nicht in der UZL-Liste aufgeführt sind, insbesondere weit verbreitete und häufige wie Rabenkrähe, Saatkrähe, Star oder Feldsperling. Umgekehrt enthält die Artenliste des UZL-Berichtes 15 Arten, von denen nur ein Teil des Bestands im Kulturland lebt und die deshalb beim SBI® anderen Lebens­ räumen zugeordnet werden. Wir haben nun die Bestandsentwicklung der UZLArten mit der Methode des SBI® von 1990 bis 2009 berechnet. Die UZL-Leitart Halsbandschnäpper, die nur im Tessin, im Misox und Bergell brütet, konnte wegen der zu unsicheren Datenlage nicht in die Berechnung einbezogen werden.

Mit der Publikation der Umweltziele Landwirtschaft UZL liegen erstmals verbindliche Zielwerte für die Artenvielfalt im Kulturland vor. Wir präsentieren einen neu entwickelten Index, der die Bestandsentwicklung der Brutvögel gemäss UZL und damit einen Teilbereich der UZL-Zielerreichung abbildet. Die Situation der Brutvogelbestände im Kulturland ist nach wie vor kritisch. Zwar verläuft der Index für die als UZL-Leitarten aufgeführten Brutvogelarten ohne langfristigen Trend, hingegen zeigt die Bestandsentwicklung der UZL-Zielarten einen deutlichen Rückgang von 1990–2009. Für den Zeitraum 1999–2009 ist hingegen kein Trend ersichtlich. Unter den Einzelarten mit Bestandszunahmen sind vor allem weit verbreitete und opportunistische Arten zu finden sowie solche, die vom Klima der letzten Jahrzehnte oder von Artenschutzmassnahmen profitieren. Wir folgern daraus, dass zum Erreichen der Umweltziele Landwirtschaft unter anderem Instrumente und Massnahmen im Rahmen der Weiterentwicklung der Direktzahlungen verbessert und ergänzt werden müssen.

120

Resultate

110

Der Swiss Bird Index SBI aller regelmässig in der Schweiz brütenden Vogelarten variiert von Jahr zu Jahr beträchtlich, zeigt aber über die Zeit von 1990 bis 2009 keine klare Tendenz (Abb. 2). Der Teilindex Kulturland zeigt ähnliche jährliche Schwankungen und ebenfalls keinen langfristigen Trend. Von den 38 Arten haben 13 einen positiven Trend über die Jahre 1990–2009, zwölf Arten hingegen einen negativen. Dazu gehören etwa Feld­ lerche, Braunkehlchen und Wacholderdrossel. Im Gegensatz zum Teilindex Kulturland verläuft der langfristige Trend aller UZL-Arten signifikant negativ (Regressionskoeffizient = -0,011 ± 0.003; p=0,003; Abb. 3). Die Bestandskurve der UZL-Leitarten (Abb. 3) ®

Index

100 90 80 70 60

alle Brutvogelarten Kulturlandvogelarten

50 1990

1995

2000

2005

Jahr Abb. 2 | SBI ® aller regelmässig in der Schweiz brütenden Arten (n=169) und der Teilindex Kulturlandvögel (n=38) von 1990 bis 2009.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 66–71, 2011

67


Umwelt | Bestandsentwicklung der einheimischen ­B rutvögel im Landwirtschaftsgebiet 1990–2009

fällt durch geringere jährliche Ausschläge auf. Auch bleibt sie über den Untersuchungszeitraum ohne Trend. Gegenüber dem Teilindex Kulturland verläuft die Entwicklung der UZL-Leitarten auf einem höheren Niveau, doch steigt sie in den Jahren nach 1999 weniger an als dieser und deckt sich so ab 2006 praktisch mit dem Teilindex Kulturland. Die Kurve der UZL-Zielarten zeigt sehr starke jährliche Schwankungen und weist einen klar negativen langfristigen Trend auf (Regressionskoeffi­ zient = -0,017 ± 0,004; p=0,001; Abb. 3). Betrachtet man nur den Zeitabschnitt 1999 bis 2009, also seit der Einführung des neuen Landwirtschaftsgesetzes, so zeigt der Gesamtindex aller in der Schweiz brütenden Arten einen positiven Tend (Regressionskoeffizient = 0,015 ± 0,005; p = 0,026; Abb. 2), alle anderen Kurven verlaufen ohne Trend.

Diskussion Bei der Interpretation von Gesamtindices ist eine gewisse Vorsicht geboten. Sie können die Beurteilung der Bestandsentwicklungen der einzelnen Arten nicht ersetzen. Die Trends der einzelnen Arten sind auf www.vogelwarte.ch > Schutz/Forschung > Entwicklung > Swiss Bird Index® publiziert. Ein Gesamtindex erlaubt aber die grobe Einschätzung der Situation von Brutvögeln im entsprechenden Lebensraum. Viele Vogelpopulationen zeigen grosse Bestandsveränderungen von Jahr zu Jahr oder über den Zeitraum weniger Jahre. Der Grund liegt oft in den Witterungsbedingungen. So kann einerseits eine nasskalte Phase während der Brutzeit zu Bestandsrückgängen im Folgejahr führen. Andererseits überleben in milden Wintern mehr Individuen von Stand­vögeln,

110

100

Index

90

80

70 Kulturlandvogelarten UZL – alle Vogelarten UZL Zielarten (Vögel) UZL Leitarten (Vögel)

60

50 1990

1995

2000 Jahr

2005

Abb. 3 | Teilindex Kulturlandvögel (n=38) und Bestandsentwicklung aller UZL-Brutvogelarten (Ziel- und Leitarten; n=47), der UZL-Leitarten (n=20) und der UZL-Zielarten (n=27) von 1990 bis 2009.

68

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 66–71, 2011


Bestandsentwicklung der einheimischen ­B rutvögel im Landwirtschaftsgebiet 1990–2009 | Umwelt

Abb. 4 | Das Schwarzkehlchen ist eine jener UZL-Leitarten mit positivem Bestandstrend. (Foto: M. Jenny)

was zu einer höheren Brutpopulation führt. Auch die Witterungsbedingungen in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten von Zugvögeln können Einfluss auf den Brutbestand haben. Diese kurzfristigen Bestandsveränderungen einzelner Arten überlagern die langfristigen Trends, die etwa durch veränderte Lebensraumbedingungen im Brutgebiet ausgelöst werden. Die Situation der Kulturlandvögel in der Schweiz ist nach wie vor kritisch. Die Bestandsentwicklungen vieler Arten ist seit den 1950er-Jahren stark rückläufig (Knaus et al. in Vorb.), und die Bestände sind heute auf einem extrem tiefen Niveau. Dieser Trend hat sich bei vielen Arten auch seit 1990 fortgesetzt. Die Tendenz ist bei den UZL-Leitarten ausgeglichen, verläuft aber bei den UZL-

Zielarten deutlich negativ. Betrachtet man nur den Zeitraum von 1999 bis 2009, so verlaufen beide Kurven ohne Trend. Ob daraus auf eine Verbesserung der Situation geschlossen werden darf ist fraglich. Wegen der jährlichen Schwankungen kann ein Trend in einer kurzen Zeitreihe nur schwer erkannt werden. Zudem ist fest­ zustellen, dass die zwei tiefsten Jahreswerte beide in dieser Zeitspanne liegen (2003 und 2009). Die Schlussfolgerung, dass die seit Jahrzehnten anhaltende negative Bestandsentwicklung von Brutvogelarten im Kulturland dank der neuen Agrarpolitik gestoppt worden sei (BLW 2009b; Lanz et al. 2010), ist somit zu pauschal und entspricht nicht der realen Situation. Namentlich weisen die UZL-Zielarten als Gruppe nach wie vor einen negativen Bestandstrend auf. Der relativ stabile Teilindex Kulturlandarten rührt unter anderen daher, dass unter den sechs Arten, die im Teilindex Kulturland nicht aber in der Liste der UZL-Arten aufgeführt sind, mehrere Arten in den letzten beiden Jahrzehnten eine Bestandszunahme aufwiesen. Dies gilt für die weit verbreiteten Rabenkrähe, Saatkrähe, Elster und Feldsperling, die dank ihrer opportunistischen Lebensweise von der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung profitieren. Oft treten diese Arten auch in Schwärmen auf, ernähren sich teilweise von den Kulturpflanzen und werden deshalb «schadenstiftend» verschrieen. Auch unter den UZL-Arten gibt es solche mit positiver Bestandsentwicklung. Es sind vor allem solche, die von den wärmeren Sommern, den milderen Wintern in den letzten Jahren und/oder von Artenförderungsprogrammen profitiert haben. Beispiele sind etwa Schwarzkehlchen (Abb. 4) oder Wiedehopf. Bei der Interpretation weiter zu berücksichtigen ist, dass sich die von uns berechneten Indices auf die Gesamtpopulation beziehen. Selbst bei den auf einen Lebensraum spezialisierten Vogelarten nutzt ein Teil der Population auch Flächen, die nicht zur landwirtschaftlichen Nutzfläche gehören. Beispielsweise zählen wir den Turmfalken zu den Kulturlandarten, weil der Hauptteil der Population die landwirtschaftliche Nutzfläche als Nahrungshabitat nutzt. Ein kleiner Teil der Paare brütet und nutzt aber vor allem Siedlungsgebiete und ein ansehnlicher Teil der Paare nistet in alpinen Regionen. Ändert sich der Bestand des Turmfalken im Siedlungsgebiet oder in den Alpen, hat dies einen Einfluss auf den Index des Turmfalken und fliesst somit auch in den Teilindex-Kulturland ein. Der Verlust an Kulturland durch Überbauung wirkt sich somit auch auf die Kulturlandvögel aus. Allerdings nahmen die Bestände der Brutvögel um ein Vielfaches stärker ab, als dies durch den Kulturlandverlust zu erwarten gewesen wäre. Anhand der Bestandsentwicklung der UZL-Arten lässt sich der Erfolg der Biodiversitätsförderung im Kul- 

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 66–71, 2011

69


Umwelt | Bestandsentwicklung der einheimischen ­B rutvögel im Landwirtschaftsgebiet 1990–2009

Abb. 5 | Der Bestand der UZL-Leitart Feldlerche nimmt im Kulturland ab. (Foto: M. Jenny)

turland abschätzen. Brutvögel, wie z.B. die Feldlerche (Abb. 5) machen unter allen UZL-Arten zwar nur einen kleinen Teil aus, im Gegensatz zu sehr vielen Arten anderer Gruppen sind sie aber nicht auf einen kleinen Standort (z.B. auf eine einzelne ökologische Ausgleichsfläche) beschränkt, sondern nutzen ganze Landschaftsausschnitte. Leider sind keine vergleichbaren Datensätze für die anderen Artengruppen bekannt.

Schlussfolgerungen Der anhaltend negative Trend der UZL-Zielarten seit 1990 lässt darauf schliessen, dass die Massnahmen der heutigen Landwirtschaftspolitik trotz dem Engagement zahlreicher Landwirte nicht ausreichen, um die Bestände von Brutvogelarten mit spezielleren Lebensraumansprüchen zu erhalten, geschweige denn zu fördern. Es fehlt an ausreichender Fläche, an der nötigen Qualität und an einer geeigneten räumlichen Verteilung der öAF (UZLZiele). Beispiele qualitativ und quantitativ überdurchschnittlich aufgewerteter Landschaften beweisen aber, dass es durchaus möglich ist, auch Zielarten unter den Brutvögeln wirksam zu fördern (Klettgau, Champagne genevoise; Birrer et al. 2007). Andere Beispiele zeigen

70

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 66–71, 2011

jedoch, dass die Zunahme der Artenvielfalt in den neu geschaffenen ökologischen Ausgleichsflächen durch einen Rückgang der Artenvielfalt in den benachbarten Produktionsflächen wieder zunichte gemacht wird (Rudin et al. 2010). Um die in den Umweltzielen Landwirtschaft formulierten Ziele betreffend Erhaltung und Förderung von Arten zu erreichen, müssen die dazu notwendigen Instrumente und Massnahmen, unter anderem im Rahmen der Weiterentwicklung der Direktzahlungen (Bundesrat 2009) deutlich verbessert werden. Damit würden auch die bereits bisher erbrachten Leistungen der Landwirte zu Gunsten der Artenvielfalt besser honoriert. n


Evoluzione degli effettivi degli uccelli nidificanti indigeni nelle zone agricole 1990–2009 Con la pubblicazione degli Obiettivi ambientali per l’agricoltura OAA (UZL), abbiamo per la prima volta a disposizione valori target vincolanti per la diversità delle specie nelle zone agricole. Questa pubblicazione presenta un indice appena sviluppato che descrive lo sviluppo degli effettivi degli uccelli nidificanti secondo OAA e quindi una parte del raggiungimento degli obiettivi secondo questo documento. La situazione delle popolazioni di uccelli nidificanti nelle zone agricole è sempre ancora critica. Anche se l’indice per le specie di uccelli nidificanti che figurano quali specie indicatrici OAA non presenta alcuna tendenza a lungo termine, lo sviluppo degli effettivi delle specie target OAA mostra una chiara diminuzione tra il 1990 e il 2009. Per il periodo 1999 – 2009 non è invece visibile nessuna tendenza. Tra le singole specie con aumento degli effettivi troviamo soprattutto specie molto diffuse e opportuniste, come pure specie che approfittano dello sviluppo climatico degli ultimi decenni o di misure di conservazione delle specie. Ne risulta che, per il raggiungimento degli Obiettivi ambientali per l’agricoltura, devono essere migliorati e completati, tra l’altro, strumenti e misure nell’ambito dell’ulteriore sviluppo del sistema di pagamenti diretti.

Literatur ▪▪ BAFU & BLW, 2008. Umweltziele Landwirtschaft. Hergeleitet aus bestehenden rechtlichen Grundlagen. Bundesamt für Umwelt (BAFU) und Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Bern. 121 S. ▪▪ Birrer S., Spiess M., Herzog F., Kohli L. & Lugrin B., 2007. Swiss agri-environment scheme promotes farmland birds – but only moderately. J. Ornithol. 148. Suppl. 2, S295–S303. ▪▪ BLW, 2009a. Agrarbericht 2009 des Bundesamtes für Landwirtschaft. Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Bern. ▪▪ BLW, 2009b. Die Schweizer Landwirtschaft im Aufbruch. Das neue Landwirtschaftsgesetz. Eine Bilanz nach zehn Jahren. Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Bern. 36 S. ▪▪ Bundesrat, 2009. Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems. Bericht in Erfüllung der Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 10. November 2006.

Summary

Riassunto

Bestandsentwicklung der einheimischen ­B rutvögel im Landwirtschaftsgebiet 1990–2009 | Umwelt

Population trends of Swiss breeding birds in farmland 1990–2009 With the publication of the «environmental objectives in the agricultural sector» (EOAS), mandatory target values for biodiversity on agricultural land have been set for the first time. This study presents a new index which indicates population trends of the designated EOAS breeding birds and hence represents one part of the EOAS target attainments. The situation for farmland birds is still critical. The index for birds listed as «EOAS character species» shows no long-term trend, but the one for the «EOAS target species» has clearly declined from 1990 to 2009, whereas no trend is apparent for 1999–2009. Among the species with positive population trends are generally widely distributed and opportunistic species, as well as species which benefit from recent climate changes or from recovery programmes. This study shows that tools and measures within the development of the Swiss direct payment system have to be better targeted and improved to achieve the EOAS targets. Key words: breeding birds, indicator species, population trend, Switzerland, farmland.

▪▪ Keller V., Kéry M, Schmid H & Zbinden N, 2010. Swiss Bird Index SBI ®: Update 2009. Faktenblatt , Schweizerische Vogelwarte Sempach, 4 S. ▪▪ Keller V. & Bollmann K., 2001. Für welche Vogelarten trägt die Schweiz eine besondere Verantwortung? Ornithol. Beob. 98, 323–340. ▪▪ Lanz S., Barth L., Hofer C. & Vogel S., 2010. Weiterentwicklung des ­D irektzahlungssystems. Agrarforschung Schweiz 1, 10–17. ▪▪ Rudin M., Horch P., Hugentobler I., Weber U. & Birrer S., 2010. ­B estandsentwicklung von Brutvögeln im ökologisch aufgewerteten ­ St. Galler Rheintal. Ornithol. Beob. 107, 81–100. ▪▪ Zbinden N., Schmid H., Kéry M. & Keller V., 2005. Swiss Bird Index SBI® – Kombinierte Indices für die Bestandsentwicklung von Artengruppen ­r egelmässig brütender Vogelarten der Schweiz 1990–2004. Ornithol. Beob. 102, 283–291.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 66–71, 2011

71


P f l a n z e n b a u

ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen ­P flanzenschutz in Europa Franz Bigler1, Ursula Aubert1, Pierre-Henri Dubuis2, Frank Hayer1, José Hernandez-Rivera1, Gabriele Mack1, ­Michael Meissle¹, Patrik Mouron1, Andreas Naef2 und Jörn Strassemeyer3 1 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich 2 Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 3 Julius-Kühn Institut; JKI, 14532 Kleinmachnow, Deutschland Auskünfte: Franz Bigler, E-Mail: franz.bigler@art.admin.ch, Tel. + 41 44 377 72 35

Eines der Ziele von ENDURE war die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft (Foto: ART)

Einleitung Was ist ENDURE? Ende 2010 wurde das Projekt ENDURE (European Network for the Durable Exploitation of Crop Protection Strategies) erfolgreich abgeschlossen. ENDURE hatte zum Ziel, Wissen über Pflanzenschutz in der EU zusammenzutragen und der Forschung und Beratung zugänglich zu machen, neue Strategien zur Verbesserung des Pflanzenschutzes zu entwickeln, Vorschläge für die Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln zu erarbeiten und ein dauerhaftes Netzwerk für die Wissenschaft, Beratung und Praxis aufzubauen. Ein wichtiger Aspekt von ENDURE war, jungen Forscherinnen und For-

72

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 72–79, 2011

schern die Gelegenheit zu bieten, sich an internationalen Austauschprogrammen zu beteiligen, um so ihren Wissenshorizont zu erweitern und Kontakte zu knüpfen. Schliesslich sollte am Ende des vierjährigen Projektes die Pflanzenschutzforschung im europäischen Raum besser koordiniert werden und an Effizienz gewinnen, und die Struktur für ein europäisches Kompetenzzentrum für Pflanzenschutz sollte in Ansätzen bestehen. Zehn europäische Länder mit mehr als 300 Forschern und Beratern aus verschiedenen Fachrichtungen (Agronomie, Ökologie, Genetik, Wirtschaft und Soziologie) beteiligten sich an diesem Projekt. Agroscope war verantwortlich für die Leitung des Teilprojektes «Entwicklung von Methoden und Verfahren für die Einschätzung der Nachhaltigkeit von Pflanzenschutzstrategien» (Musa et al. 2008). In diesem Teilprojekt beteiligten sich rund zwölf Mitarbeitende von ART und ACW sowie Forschende des Julius-Kühn Instituts (JKI) in Deutschland und des Institut National de Recherche Agronomique (INRA) in Frankreich. Ausserdem beteiligten sich weitere 15 Mitarbeitende von Agroscope an den Fallstudien zum Pflanzenschutz in den Kulturen Mais, Apfelanbau, Rebbau und Feldgemüse sowie an Projekten in Landschaftsökologie, Modellierung zur Prognose von Schadorganismen und Beiträge zu europäischen Datenbanken. Der folgende Beitrag gibt einen Einblick in ausgewählte Forschungsthemen, die von Agroscope im Rahmen von ENDRUE bearbeitet wurden.

Nachhaltigkeit von Pflanzenschutzstrategien Die Forschung zur Nachhaltigkeit von Pflanzenschutzstrategien wurde von fünf Gruppen, unter der Leitung von Franz Bigler, Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART), wahrgenommen und deckten die Bereiche Ökonomie, Ökologie und Soziologie ab. In der folgenden Darstellung wird nur auf die ökonomischen und ökologischen Aspekte eingegangen.


In fünf Regionen Europas wurden vier Pflanzenschutzsysteme für Apfelproduktion definiert, welche die lokalen Gegebenheiten berücksichtigen und für unsere Beurteilung der Nachhaltigkeit sinnvoll sind. Die Forschungsgruppe «Fallstudie Apfel» lieferte den Rahmen für die Datenerhebung in Apfelkulturen in den folgenden Regionen: Bodensee Schweiz, Bodensee Deutschland, Ebro Tal, Spanien, Rhone Tal, Frankreich, Holland (ganzes Land). Obstbauexperten der fünf Regionen charakterisierten vier verschiedene Pflanzenschutzsysteme, die stark von Pestiziden abhängig sind bis zum innovativen System reichen, das weitgehend auf den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln verzichtet (Tab. 1). Ökonomische Beurteilung Die ökonomische Beurteilung erfolgte zum einen auf der Grundlage von Effizienzkriterien (Produktionskosten, Gewinn, Kapitalkosten, Verzinsung des eingesetzten Kapitals). Zum anderen wurde das Risiko eines Einkommensausfalls infolge eines Verzichts auf chemische Pflanzenschutzmassnahmen in die Bewertung mit einbezogen (Einkommensvariabilität, Wahrscheinlichkeit  Tab. 1 | Vier verschiedene Pflanzenschutzsysteme in der Apfel­ produktion deren Nachhaltigkeit bewertet wurde.

Basis-System (BS)

Schorfanfällige Sorten werden angenommen. ­Synthetisch-chemische Pestizide werden im Rahmen der «guten landwirtschaftlichen Praxis» eingesetzt. Empfehlungen für Resistenzmanagement und Massnahmen zum Schutz von Nützlingen werden angewendet.

Fortgeschrittenes System 1 (FS1)

Schorfresistente Sorten werden angenommen. Nicht-chemische Bekämpfungsmassnahmen werden bevorzugt. Die verwendeten alternativen ­Methoden sind zurzeit (Stand 2009) entwickelt und könnten in den nächsten fünf Jahren von der Praxis angewendet werden. Es werden nur Pestizide mit geringer Ökotoxizität angewendet. Die Installation von Hagelnetzen wird auf über der Hälfte der Fläche angenommen. Drift reduzierende Massnahmen werden auf 45 % der Flächen eingesetzt.

Fortgeschrittenes System 2 (FS2)

Schorfresistente Sorten werden angenommen. Nicht-chemische Bekämpfungsmassnahmen werden bevorzugt. Die verwendeten Methoden sind kurz vor der Markteinführung (Stand 2009) und werden von Pionieren angewendet. Es werden nur Pestizide mit geringer Ökotoxizität angewendet. Die Installation von Hagelnetzen wird grundsätzlich angenommen. Drift reduzierende Massnahmen werden auf 80 % der Flächen eingesetzt.

Innovatives System (IS)

Schorfresistente Sorten, die auch resistent sind ­gegen andere Krankheiten, werden angenommen. Ökotoxizität ist auf ein Minimum reduziert. Angenommene Pflanzenschutzverfahren sind zurzeit (2009) noch nicht auf dem Markt erhältlich und ­befinden sich noch in der Forschung. Die Installa­ tion von Hagelnetzen wird grundsätzlich angenommen. Neue Pestizide ohne Nebeneffekte auf Nichtzielorganismen werden angenommen. Drift reduzierende Massnahmen werden auf 100 % der Flächen eingesetzt.

Zusammenfassung

ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen ­P flanzenschutz in Europa | Pflanzenbau

Ende 2010 wurde das EU-Projekt ENDURE (European Network for the Durable Exploitation of Crop Protection Strategies) abgeschlossen. Im vierjährigen Projekt wurde ein Kompetenzzentrum aufgebaut, mit dem langfristigen Ziel, als Anlaufstelle und Plattform für Fragen des nachhaltigen Pflanzenschutzes in der EU zu dienen. Agroscope war für das Teilprojekt zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Pflanzenschutzsystemen verantwortlich. Neben diesem Schwerpunkt haben sich Mitarbeitende von Agroscope in anderen Teilprojekten wie zum Beispiel in den Fallstudien für Pflanzenschutz von Mais, Apfelanbau, Rebbau, Feldgemüse sowie an Projekten in Landschafts­ökologie, Modellierung zur Prognose von Schadorganismen und Beiträge zu euro­päischen Datenbanken beteiligt. Neben der Entwicklung neuer Methoden wurden als Fallbeispiel vier Pflanzenschutzsysteme im Apfelanbau in fünf Regionen Europas auf ihre Nachhaltigkeit untersucht. Für jede Region wurde ein Basissystem definiert, das die heute gängige Praxis widerspiegelt. Als Weiterentwicklung wurden für jede Region zwei fortgeschrittene und ein innovatives System definiert, bei denen synthetisch-chemische Pflanzenschutzmittel durch alternative Methoden schrittweise ersetzt werden. Die Resultate zeigen, wie und in welchem Umfang nichtchemische Methoden zur Schonung der Umwelt beitragen können und ob sie auch wirtschaftlich vertretbar sind. In den Fallstudien Mais und Rebbau werden nicht-chemische Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen diskutiert und die Bedeutung verbesserter Prognoseverfahren am Beispiel des Falschen Mehltaus der Rebe dargestellt.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 72–79, 2011

73


Pflanzenbau | ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen ­P flanzenschutz in Europa

Vollkosten je kg Äpfel (Klasse 1) Basis-System = 100%

120% 110% 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

BasisSystem (BS)

Fortgeschrittenes Fortgeschrittenes System 2 (FS2) System 1 (FS1) CH DE FR NL ES

Innovatives System (IS)

Abb. 1 | Vollkosten je kg Äpfel für vier Pflanzenschutzsysteme in fünf europäischen Regionen.

eines Ertragsausfalls). Die Werte stellen einen mehrjährigen Durchschnitt dar. Die Kennziffern wurden mit dem von Agroscope Changins-Wädenswil ACW entwickelten Kalkulationssystem Arbocost berechnet. Die Berechnungen zeigen, dass nicht-chemische Pflanzenschutzmassnahmen vor allem dann zu einer Erhöhung der Produktionskosten und des Kapitalbedarfs führen, wenn diese mit einer Installation von Hagelnetzen einhergehen. Können diese Kostensteigerungen nicht durch höhere Naturalerträge oder Preise kompensiert werden, verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeit. Damit wäre vor allem bei FS1 und FS2 in Deutschland, der Schweiz und Frankreich zu rechnen (Abb. 1). Spanische und niederländische Apfelanbauexperten sind dagegen der Ansicht, dass bereits bei FS1 und FS2 die Wettbewerbsfähigkeit durch eine Verminderung der Bewässerungskosten beziehungsweise einer Erhöhung des Anteils der Äpfel in Klasse 1 erhöht werden kann. Bei IS geht die Mehrzahl der Expertinnen und Experten von der optimistischen Annahme aus, dass es in Zukunft möglich ist, auch ohne chemischen Pflanzenschutz hohe und stabile Naturalerträge zu erzielen. Verändert sich das heutige PreisKostenverhältnis nicht, wäre in den meisten Anbauländern dann mit einer deutlichen Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit zu rechnen. Die Ergebnisse zeigen ferner für alle Regionen sehr deutlich, dass das Risiko von Einkommensschwankungen, bedingt durch Ertragsschwankungen mit dem Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel, eher zunimmt. Nur unter den Annahmen für die IS würde sich das Risiko von Ertragsschwankungen auf das mit chemischen Pflanzenschutzmitteln erreichbare Niveau senken beziehungsweise deutlich reduzieren. Umweltrisiken von Pflanzenbehandlungsmitteln Um den Einfluss neuer Pflanzenschutzstrategien auf die Umwelt zu prüfen und die Akzeptanz neuer Verfahren durch Landwirtinnen und Landwirte abschätzen zu

74

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 72–79, 2011

­ önnen, müssen mögliche Umweltrisiken im Zusammenk hang mit den landschaftlichen Gegebenheiten der ­einzelnen Regionen beurteilt werden. Dazu wurde die GIS-basierte Risikoabschätzungsmethode SYNOPS (Modell zur synoptischen Bewertung des Risiko­poten­tials chemischer Pflanzenschutzmittel (http://www. oecd.org/dataoecd/32/16/GGTSPU-styx2.bba. de-20164 – 2259190-DAT/44806454.pdf) angewen­det. Von den fünf oben erwähnten europäischen Regionen wurden die Bodenseeregion in Deutschland und der Schweiz und das Rhone Tal in Frankreich untersucht. Zusätzlich standen aus der Emilia-Romagna in Italien gute Daten zur Verfügung, so dass diese Region auch in die Untersuchung mit eingeschlossen wurde. In einem ersten Schritt wurden aus den Regionen Daten über Landnutzung, Bodenbeschaffenheit, Hangneigung und Klima integriert. Diese Informationen wurden in einer Datenbank erfasst und mit den spezifischen Angaben zu den Pflanzenschutzstrategien aus den Regionen und der Ökotoxikologie der verwendeten Pestizide vernetzt. Die Berechnung der Umweltrisiken wurde einmal unter der Annahme vorgenommen, dass keine Abdrift reduzierenden Massnahmen eingesetzt wurden. Bei einer zweiten Berechnung wurden die Annahmen verändert, so dass Hagelnetze, Hecken und weitere Abdrift reduzierende Massnahmen miteinbezogen werden konnten. Die Resultate ergaben für die Schweiz, Deutschland und Frankreich bei der Anwendung Abdrift reduzierender Massnahmen eine Reduktion des Risikos für aquatische Ökosysteme um bis zu 83 %. Der Flächenanteil mit hohem Risikopotential kann dabei um bis zu 23 % reduziert werden. Die Ergebnisse belegen die Bedeutung der Einhaltung und Durchsetzung von Massnahmen zur Reduktion der Abdrift in Obstanlagen. Eine flächendeckende Anwendung dieser Massnahmen würde die Belastung der aquatischen Ökosysteme durch Pflanzenschutzmittel erheblich verringern. Die Anwendung von FS und IS im Apfelbau, bei denen weniger und umweltfreundlichere Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, kann massgeblich zu einer Reduktion der Umweltrisiken beitragen. Ökobilanzen Mit Ökobilanzen können Pflanzenschutzsysteme gemäss den Prinzipien der Lebenszyklusanalyse berechnet und analysiert werden. Für die Analysen wurde die von Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART) entwickelte Methode SALCA (Swiss Agricultural Life Cycle Assessment) verwendet (http://www.agroscope.admin.ch/ oekobilanzen/index.html?lang=de). Zur Ermittlung der direkten Feldemissionen (z. B. Lachgas oder Nitrat) dienten die an der ART entwickelten Modelle. Die Wirkungsabschätzung erfolgte über die in der Ökobilan-


ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen ­P flanzenschutz in Europa | Pflanzenbau

1,0

1,2

Umweltwirkung relativ zu BS

Umweltwirkung relativ zu BS

0,8

0,6

0,4

1 0,8 0,6 0,4 0,2

0,2

Fungizide

Insektizide

Andere PSM

Andere Emissionen

Maschineneinsatz: Düngung Maschineneinsatz: Transport Produktion: Pflanzenschutzmittel

ES-IS

ES-FS1

ES-FS2

FR-IS

ES-BS

FR-FS1

FR-FS2

NL-IS

FR-BS

NL-FS1

NL-FS2

DE-IS

NL-BS

DE-FS2

DE-FS1

CH-IS

Hagelnetz Maschineneinsatz: Pflege Produktion: N Dünger

DE-BS

CH-FS2

CH-BS

ES-IS

ES-FS2

ES-FS1

FR-IS

ES-BS

FR-FS2

FR-FS1

NL-IS

FR-BS

NL-FS2

NL-FS1

DE-IS

NL-BS

DE-FS2

DE-FS1

CH-IS

DE-BS

CH-FS2

CH-BS

CH-FS1

Herbizide

CH-FS1

0

0,0

Maschineneinsatz: Pflanzensschutz Produktion: Andere Dünger

Abb. 2 | Aquatische Ökotoxikologie berechnet nach der Methode «Uses-LCA». Die Umweltwirkung ist relativ zum Basis System pro Region dargestellt. BS, FS1, FS2, IS: siehe Tab.1. CH: Schweiz, DE: Deutschland, NL: Holland, FR: Frankreich, ES: Spanien.

Abb. 3 | Verbrauch an nicht erneuerbaren Energien berechnet nach der Methode «Uses-LCA». Die Umweltwirkung ist relativ zum Basis System pro Region dargestellt. BS, FS1, FS2, IS: siehe Tab.1. CH: Schweiz, DE: Deutschland, NL: Holland, FR: Frankreich, ES: Spanien.

zierung gängigen Methoden, nämlich: Verbrauch an nicht erneuerbaren Energien (Hischier et al. 2009), Treibhauseffekt über 100 Jahre (IPCC 2006), Eutrophierung (Hauschild & Wenzel 1998), Ökotoxizität (Huijbregts 2000) und Humantoxizität (Huijbregts 2000). Exemplarisch werden in Abbildung 2 und 3 Resultate aus der Studie zur Beurteilung der Nachhaltigkeit der Apfelproduktion gezeigt. Die Ökotoxizität, im Speziellen die aquatische Toxizität (Abb.2), wird sehr stark durch einzelne Wirkstoffgruppen bestimmt (z. B. Herbizide in der Schweiz, Deutschland und Frankreich, Fungizide in Holland und Insektizide hauptsächlich in Spanien). Die Systeme FS1, FS 2 und IS weisen eine deutlich geringere Toxizität auf als das System BS. Da der Verzicht auf Herbizide eine mechanische Unkrautbekämpfung nötig macht, war zu erwarten, dass die FS und das IS einen höheren Einsatz an Energie benötigen. Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch, dass das System BS, mit einer Ausnahme (Bodensee Schweiz) in allen Regionen die höchste Umweltwirkung aufweist (Abb. 4). Der zusätzliche Aufwand für die mechanische Unkrautbekämpfung und ein höherer Anteil an Hagelnetzen in den FS und dem IS System, wird in allen Regionen mit oben genannter Ausnahme durch einen geringeren Aufwand im Bereich Pflanzenschutz (weniger Durchfahrten und weniger Wirkstoffmenge) mehr als kompensiert. Die Umweltwirkungen von FS und IS werden eher unterschätzt, da es an entsprechenden Ökoinventaren (für z. B. Verwirrungstechnik, Massenfang) fehlt. Allerdings ist die vom Energiebedarf her bei weitem wichtigste alternative Pflanzenschutzmethode, die Totaleinnetzung gegen Insekteneinflug, in der Studie berücksichtigt. Die Ökobilanzierung zeigt, dass in allen Regionen ein Verbesserungspotential besteht. Innovative Systeme können nicht nur dazu beitragen, die Öko- und Humantoxizität zu senken, sondern ermöglichen es darüber

hinaus auch Fortschritte im Bereich der anderen Umweltkategorien zu erzielen. «SustainOS» eine neue Methodik für die Nachhaltigkeitsbewertung Die Resultate aus der oben beschriebenen ökonomischen Analyse, der Analyse der Umweltrisiken und der Ökobilanzierung wurden zu einer Nachhaltigkeitsbewertung zusammengefasst. Damit dies möglich wurde, musste zuerst ein methodischer Rahmen entwickelt werden, der die Nachhaltigkeitsbewertung mit den Analysemethoden verbindet. Zudem musste eine einheitliche Systembeschreibung der zu analysierenden Pflanzenschutzsysteme festgelegt werden, welche die unterschiedlichen regionalen Rahmenbedingungen abbildet. «SustainOS» nennen wir diese neue Methodik, wobei «Sustain» für Nachhaltigkeit und «OS» für Orchard Systems (Dauerkulturen, z.B. Apfel) steht. Für die Systembeschreibung hat sich als praktisch erwiesen, drei Arten von Parametern zu unterscheiden: i) Kontextparameter, die den Standort und den Zustand einer Obstanlage und die verwendete Infrastruktur, wie Art der Sprühgeräte oder Hagelschutz und Bewässerungssysteme beschreiben; ii) Zielparameter, welche die Erntemenge, Qualität und Preise über zehn Jahre beschreiben, aber auch das Niveau für die Nützlingsschonung und das Resistenzmanagement definieren; iii) Pflanzenschutzparameter, die pro Wirksubstanz Menge und Dosis festhalten und die eingesetzten alternativen Pflanzenschutzmethoden beschreiben, wie beispielsweise den Einsatz von Pheromonen oder die Totaleinnetzung einer Anlage. Obstbauexperten in den fünf Ländern unserer Studie haben auf diese Weise die vier Systeme (BS, FS1, FS2, IS) für ihre jeweilige Region definiert. Für die eigentliche Nachhaltigkeitsbewertung bietet «SustainOS» einen hierarchischen Kriterienbaum. Abbildung 4 zeigt den oberen Teil 

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 72–79, 2011

75


Pflanzenbau | ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen ­P flanzenschutz in Europa

Ökologischeökonomische Nachhaltigkeit Ökologische Nachhaltigkeit Ressourcenverbrauch-

Umweltqualität

Ökonomische Nachhaltigkeit Humantoxizität

Rentabilität

Produktionsrisiko

Wirtschaftliche Eigenstädigkeit

Ökotoxizität

Abb. 4 | Obere Ebenen des Kriterienbaums für die Gesamtbewertung der Nachhaltigkeit von Pflanzenschutzsystemen im Obstbau.

dieses Baumes, der insgesamt 33 Kriterien umfasst. Die Pflanzenschutzsysteme werden darin für jedes Kriterium bezüglich des BS des jeweiligen Landes auf einer fünfteiligen Skala gewertet. Startpunkt für die Bewertung im Kriterienbaum ist jeweils ganz unten in jeder Verzweigung. Die Innovation von «SustainOS» liegt darin, dass einzelne Massnahmen im Rahmen des ganzen Bündels von Massnahmen, die ein Pflanzenschutzsystem bilden, beurteilt werden. Diese Information ist weit mehr als eine Addition aller Toxizitätswerte. Die Relevanz von punktuellen Veränderungen auf die verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien als Ganzes über einen mehrjährigen Horizont wird sichtbar. Dies fördert das Systemverständnis, was für eine kontinuierliche Entwicklung der Praxis der Integrierten Produktion grundlegend ist. Die Anwendung von «SustainOS» auf die fünf Länder unsere Fallstudie zeigt, dass beide fortgeschrittene Systeme (FS1, FS2) in allen Ländern die ökologische Nachhaltigkeit relevant verbessern können. Wichtig ist zu sehen, dass im Detail regionsspezifisch unterschiedliche Massnahmen zu Verbesserungen führen. Regionale Unterschiede zeigen sich auch bei der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Während bei drei Ländern der erwähnte ökologische Vorteil mit einer schwächeren wirtschaftlichen Nachhaltigkeit bezahlt wird, zeichnet sich bei zwei Ländern ein ökonomischer und ökologischer Vorteil ab. Das innovative System (IS) zeigt für alle Länder eine relevant verbesserte Nachhaltigkeit bezüglich Umwelt und Wirtschaftlichkeit, allerdings nur, wenn sich die Hoffnungen auf zukünftige, multiresistente Sorten erfüllen werden. Die Methodik «SustainOS» und Resultate aus der Apfelfallstudie werde in einem späteren Artikel in dieser Zeitschrift im Detail vorgestellt.

Fallstudie Mais Da Mais als eine der wichtigsten Kulturpflanzen in Europa gilt, wurden in einer Fallstudie die wirtschaftlich relevantesten Unkräuter, Schädlinge und Pilzkrankhei-

76

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 72–79, 2011

ten ermittelt, sowie der Pestizideinsatz erfasst. Ausserdem wurden Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz zusammengestellt und Hauptprobleme für die Umsetzung dieser Alternativen erörtert. Die detaillierten Ergebnisse sind in Meissle et al. (2010) dargestellt. Die Studie umfasste elf Regionen in Europa, für die Datenbanken, Publikationen und Angaben von lokalen Experten ausgewertet wurden (Abb. 5). Die Zusammenstellung zeigt, dass in den meisten Gebieten Unkräuter, Schädlinge und Pilzkrankheiten erhebliche Verluste im Maisanbau verursachen. Gesamthaft wurden über 50 Unkrautarten als wirtschaftlich relevant eingestuft. Schädlinge sind vor allem der Maiszünsler (Ostrinia nubilalis) und der westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) zu nennen. Bei den Pilzen verursachen vor allem Fusarium-Arten Probleme. Unkräuter werden in allen untersuchten Regionen, mit Ausnahme von Südwest-Deutschland, auf mehr als 95 % der Maisfelder mit verschiedenen Herbiziden bekämpft, wobei oft mehrere Behandlungen vor und nach der Keimung erfolgen. Saatgutbeize mit Insektiziden oder Bodeninsektizide werden in vielen Regionen eingesetzt, vor allem gegen Drahtwürmer und Maiswurzelbohrerlarven. Spritzungen zur Bekämpfung von Maiszünslern und/oder adulten Maiswurzelbohrern werden vorwiegend aus Ungarn, Spanien, Polen und SüdwestDeutschland berichtet. In allen Regionen wird Saatgut mit Fungiziden gegen Fusarium und andere Pilzkrankheiten gebeizt. Details zum Auftreten und zur Bekämpfung von Schadorganismen in den elf Regionen sind in Meissle et al. (2010) zusammengefasst. Eine Anzahl von Unkräutern und tierischen Schädlingen verursachen in den letzten Jahren vermehrt Probleme, was verdeutlicht, dass das Ziel in Europa, Pestizide zu reduzieren, nur schwer zu erreichen sein wird. Pestizide könnten eingespart werden durch die Sortenwahl, mitunter durch den Anbau von gentechnisch veränderten Sorten, Anbaumassnahmen, wie mehrjährige Frucht-


ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen ­P flanzenschutz in Europa | Pflanzenbau

Niederlande

Frankreich Normandie 0.25 Mha

15°C 470mm 220kg N/ha

0.24 Mha

14°C 455mm 185kg N/ha

IPM Fruchtfolge Pfluglos

IPM Fruchtfolge Pfluglos

Dänemark

0.15 Mha

12°C 426mm 150kg N/ha

IPM Fruchtfolge Pfluglos

SüdwestDeutschland 0.15 Mha IPM Fruchtfolge Pfluglos

Frankreich Grand-Ouest 1.00 Mha

SüdwestPolen

16°C 467mm 210kg N/ha

0.12 Mha

SüdwestFrankreich

Ungarn Békés

16.5°C 419mm 232kg N/ha

0.10 Mha

IPM Fruchtfolge Pfluglos

0%

19°C 275mm 150kg N/ha

IPM Fruchtfolge Pfluglos

Silomais anderer Mais 100%

0.10 Mha

18°C 200mm 350kg N/ha

IPM Fruchtfolge Pfluglos

Ungarn Tolna

Italien Po Ebene

Spanien Ebro Tal

Körnermais Anbaufläche Mha

14°C 300mm 120kg N/ha

IPM Fruchtfolge Pfluglos

IPM Fruchtfolge Pfluglos

0.58 Mha

15°C 458mm 100kg N/ha

Abb. 5 | Maisanbau in 11 Europäischen Regionen: Kuchendiagramme: MaisproduktionsTyp. Zahlen in Diagrammen: Gesamte Maisanbaufläche in der Region (in Millionen Hektaren). Zahlen neben den Diagrammen: Durchschnittliche Temperatur und Niederschlag zwischen April und Oktober, sowie Düngung (Kunst- und Hofdünger) pro Jahr. Balkendiagramme: Prozent Maisfläche unter regionalen Richtlinien des Integrierten Pflanzenschutzes (IPM), die zwischen den Ländern sehr unterschiedlich sein können, Fruchtfolge (kein Mais nach Mais) und «pfluglos» (keine oder reduzierte) Bodenbearbeitung. Angepasst von Meissle et al . (2010), J. Appl. Entomol. 134, 357–375 (Blackwell Verlag GmbH).

1.20 Mha

17°C 380mm 200kg N/ha

IPM Fruchtfolge Pfluglos

folgen, biologische Schädlingsbekämpfung, wie Tricho­ gramma-Schlupfwespen, und optimierte Spritztechnik. Fruchtwechsel wird je nach Region mit unterschiedlicher Ausprägung betrieben. So ist Mais auf mehr als 80 % der Anbaufläche in der Békés Region (Ungarn), in SüdwestPolen und im Ebro Tal (Spanien) ein Teil gut geplanter, oft mehrjähriger Fruchtfolgen, während es zum Beispiel im Südwesten Frankreichs und in der Po Ebene (Italien) am wirtschaftlichsten ist, Mais über Jahre hinweg im Daueranbau anzubauen (Abb. 5). Das Fehlen von alternativen Pflanzenschutzverfahren, die Struktur und Organisation der Betriebe und die Ausbildung der Landwirte sind wesentliche Gründe, warum sich umweltfreundliche Pflanzenschutzmethoden bei Mais vorläufig nicht in der Praxis in grossem Umfang durchsetzen werden, um chemische Pflanzenschutzmittel ohne finanzielle Einbussen zu ersetzen. Weitere Ergebnisse der Mais-Fallstudie sind drei Broschüren zum Pflanzenschutz im Mais, die unter (http:// www.endure-network.eu/endure_publications/endure_ publications2) erhältlich sind.

Fallstudie Weinbau In der Fallstudie Weinbau wurde der Pestizidverbrauch im Weinbau in fünf europäischen Ländern untersucht. Die gängige Praxis und die Verfügbarkeit von Daten

0.05 Mha

18°C 325mm 130kg N/ha

IPM Fruchtfolge Pfluglos

zum aktuellen Pflanzenschutzmittel-Verbrauch wurden dokumentiert. Diese Daten dienten als Grundlage für eine Bewertung des Potenzials innovativer Pflanzenschutzstrategien, die zu einer Reduktion des Pestizideinsatzes führen könnten. Die Fallstudie analysierte die Probleme, die sich bei der Einführung von alternativen Pflanzenschutzverfahren stellen, und sie suchte nach Lösungen, um die Akzeptanz innovativer Verfahren in der Praxis zu steigern. Fünf thematische Schwerpunkte wurden ausgewählt und in den teilnehmenden Ländern untersucht: Bodenbegrünung, Verwirrungstechnik, biologische Verfahren mit dem Einsatz von Organismen, Prognosemodelle für die verbesserte Bekämpfung von Pilzkrankheiten und der Anbau resistenter Sorten. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass es für alle Bereiche bereits innovative Methoden und Werkzeuge gibt, die in einzelnen Ländern auch punktuell eingesetzt werden. Die Schwierigkeiten bei der Einführung dieser innovativen Methoden liegen vor allem an der vorsichtigen Zurückhaltung der Winzerinnen und Winzer für neue Verfahren, bei der mangelnden Schulung für neue Methoden, bei der generellen Ablehnung technischer Innovation, bei den Schwierigkeiten zur Anpassung an die lokale Anbaupraxis, den rechtlichen und strukturellen Hindernissen und den meist höheren Kosten der neuen Methoden. Erfreulich ist aber, dass zum Beispiel die Krankheitsmodellierung als Entscheidungshilfe für 

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 72–79, 2011

77


Pflanzenbau | ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen ­P flanzenschutz in Europa

die Strategie des Fungizideinsatzes in allen Ländern immer weiter verbreitet und optimiert wird. Das Modell VitiMeteo-Plasmopara wurde gemeinsam vom Weinbauinstitut Freiburg in Breisgau und Agroscope ChanginsWädenswil ACW entwickelt, und heute wird es in der Schweiz und in Deutschland angewendet, um den Einsatz der Fungizide gegen den Falschen Mehltau zu optimieren. Die Ergebnisse sind für Winzerinnen und Winzer frei auf dem Internet verfügbar (www.agrometeo.ch). Sehr wichtig für den Erfolg solcher Modelle ist nicht nur die Genauigkeit sondern auch die ständige Anpassung des Modells, die Schulung der Winzerinnen und Winzer sowie die einfache Darstellung und der kostenlose Zugang zum Modell. In allen weiteren untersuchten Bereichen gibt es heute innovative Methoden, die schon jetzt oder in naher Zukunft zu einer wesentlichen Reduktion von Pflanzenschutzmitteln führen könnten. Der Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen europäischen Ländern könnte eine beschleunigende Funktion bei der Umsetzung dieser Innovationen spielen.

Schlussbetrachtungen Mehr als 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Beraterinnen und Berater aus Europa haben während der letzen vier Jahre zusammengearbeitet und gemeinsam versucht, bestehendes Wissen und Methoden des Pflanzenschutzes zusammenzutragen und mit neuen Ideen zukunftsweisende Pflanzenschutzstrategien zu entwickeln. Es ist selbstverständlich, dass ein so ambitiöses Unterfangen nicht alle gesetzten Ziele erreichen kann. Sicher sind jedoch wichtige Teilziele erreicht worden und die Idee des Integrierten Pflanzenschutzes hat in Europa durch das Projekt starken Aufwind erhalten. Es wurde deutlich, dass Innovationen nur über den Weg des Integrierten Pflanzenschutzes Eingang in die Beratung und Praxis finden können. Eines der Hauptziele von ENDURE, Vorschläge zur Verminderung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in den einzelnen Kulturen zu entwickeln, wurde jedoch nur in Ansätzen erreicht. Zwar wurden in einigen Kulturen alternative Bekämpfungsverfahren für innovative Strategien vorgeschlagen, der Umsetzungserfolg ist jedoch vorläufig ungewiss. ENDURE hat dazu beigetragen, dass der Integrierte Pflanzenschutz als Standard für alle EU-Mitgliederländer ab Januar 2014 gültig ist und dass alle Landwirtinnen und Landwirte die vorgeschriebenen Massnahmen umsetzen müssen. Dank ENDURE wurde Wissen zum Integrierten Pflanzenschutz – auch teilweise altes Wissen – neu aufgearbeitet und zusammen mit neuen Methoden zu innovativen Verfahren ausgearbeitet. Es

78

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 72–79, 2011

ist zu hoffen, dass dadurch der Mut zu Neuem in der Beratung und in der Praxis unterstützt wird. Gegenwärtig wird versucht, die Idee der EU umzusetzen und ENDURE als Exzellenzzentrum für den europäischen Pflanzenschutz zu etablieren. Als Nachfolgeorganisation von ENDURE wurde die ENDURE-ERG (European Research Group) ins Leben gerufen, mit dem Ziel, das Netzwerk zu stabilisieren und langfristig eine Anlaufstelle für Pflanzenschutz zu bilden, bei der die EU und andere interessierte Kreise Informationen abrufen können. Bereits haben eine Anzahl Institutionen, die den europäischen Pflanzenschutz in Forschung und Beratung mitprägen, die Mitgliedschaft zugesichert. Für die Schweiz hat Agroscope Changins-Wädenswil ACW als verantwortlicher Partner die Zusammenarbeit zugesichert. Die Zukunft wird zeigen, wie schnell und in welcher Form sich diese Nachfolgeorganisation von ENDURE in den nächsten Jahren entwickeln wird. Es ist zu hoffen, dass sich daraus ein langfristiges Kompetenzzentrum bilden kann und so die Früchte von ENDURE auch später noch im Sinne des Integrierten Pflanzenschutzes geerntet werden können. Was hat ENDURE für die Schweiz und im Speziellen für Agroscope gebracht? Neben der Finanzierung von Forschungsprojekten, die in enger Zusammenarbeit mit ausländischen Institutionen erfolgten, hat das Netzwerk Möglichkeiten geboten, innovative Lösungen, die in der Schweiz entwickelt wurden, im europäischen Ausland bekannter zu machen und Wege zur Umsetzung aufzuzeigen. Im Gegenzug haben Forschende aus der Schweiz den Einblick in den Pflanzenschutz im Ausland vertiefen können und damit neue Ideen mitgenommen. Dieser Austausch wurde durch die speziellen Programme gefördert und hat vor allem jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Einblicke und Erfahrungen ermöglicht. Die Forschungsgelder haben auch dazu beigetragen, einzelne Methoden und Verfahren weiterzuentwickeln und zu verbessern, was dem Pflanzenschutz in der Schweiz direkt zugute kommt. Schliesslich haben um die 25 Wissenschaftlerinnen und -schaflter aus der Schweiz, vor allem von Agroscope, ihre Beziehungen zu ausländischen Partnern aufbauen oder vertiefen können, um dazu beizutragen, die Schweiz verstärkt in ein europäisches Netzwerk einzubinden. Weitere Informationen zu ENDURE finden Sie unter http://www.endure-network.eu n

ENDURE wurde im Rahmen des 6. Forschungsprogramms der EU durchgeführt und durch entsprechende finanzielle Mittel gefördert.


ENDURE – una rete per l'impiego sostenibile delle strategie fitosanitarie in Europa A fine 2010 si è concluso il progetto europeo ENDURE (European Network for the Durable Exploitation of Crop Protection Strategies). Nell'ambito di questo progetto quadriennale è stato creato un centro di competenza con l'obiettivo di renderlo a lungo termine un punto di riferimento e una piattaforma per le questioni inerenti all'impiego sostenibile delle strategie fitosanitarie nell'UE. Agroscope era responsabile del sottoprogetto sulla valutazione della sostenibilità dei sistemi fitosanitari. I collaboratori di Agroscope hanno preso parte anche ad altri sottoprogetti, ad esempio a studi di casi incentrati sulla protezione delle colture di mais, di mele, di vite, di ortaggi in pieno campo nonché a progetti in ambito di ecologia del paesaggio, modellizzazione per la diagnosi di organismi nocivi e a contributi alle banche dati europee. Oltre allo sviluppo di nuovi metodi, sono stati presi da esempio quattro sistemi fitosanitari per le colture di mele in cinque regioni d'Europa, analizzandone la sostenibilità. Per ogni regione è stato definito un sistema di base che rispecchia la prassi attuale. Per tracciarne l'evoluzione, sono stati poi definiti due sistemi avanzati e uno innovativo, nei quali i prodotti fitosanitari chimici di sintesi sono stati sostituiti in parte da metodi alternativi. I risultati mostrano come e in quale misura i metodi non chimici possono contribuire a rispettare l'ambiente e se sono anche economicamente sostenibili. Negli studi di casi sul mais e sulla vite sono stati esaminati i processi non chimici per la lotta agli organismi nocivi, illustrando la valenza di una migliore procedura diagnostica nel caso, ad esempio, della peronospora.

Literatur ▪▪ Hauschild M.Z., & Wenzel H., 1998. Environmental assessment of products. Vol. 2: Scientific background. Chapman & Hall, London. 565 S. ▪▪ Hischier R., Weidema B., Althaus H.-J., Bauer C., Doka G., Dones R., Frischknecht R. Hellweg S., Humbert S., Jungbluth N., Köllner T., Loerinick Y., Margni M.M. & Nemecek T., 2009. Implementation of Life Cycle Impact Assessment Methods, Ecoinvent, Datav 2.1, Swiss Centre for Life Cycle Inventories, Dübendorf, Ecoinvent Report. 153 S. ▪▪ Huijbregts M.A.J., Thissen U., Guinée J.B., Jager T., Kalf D., van de Meent D., Ragas A.M.J., Wegener Sleeswijk A. & Reijnders L., 2000. Priority assessment of toxic substances in life cycle assessment. Part I: Calculation of toxicity potentials for 181 substances with nested multi-media fate. Exposure and effects model USES-LCA. Chemosphere 41, 541 – 573.

Summary

Riassunto

ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen ­P flanzenschutz in Europa | Pflanzenbau

ENDURE – a European Network for the Durable Exploitation of Crop Protection Strategies The EU ENDURE Project (European Network for the Durable Exploitation of Crop Protection Strategies) was concluded at the end of 2010. The four-year project saw the development of a centre of excellence with the long-term objective to serve as a point of reference and platform for sustainable plant protection in the EU. Agroscope was responsible for the subproject to assess the sustainability of plant protection systems. In addition to this main focus, Agroscope staff participated in other sub-projects such as the case studies for maize, apple orchard, vineyard and field vegetables as well as in projects on landscape ecology, modelling of pests and diseases, and contributions to European databases. Besides the development of new control methods, the sustainability of four plant protection systems in five European apple growing regions was investigated as a case study. A basic system reflecting today’s current practice was defined for each region. Further, two advanced and one innovative system were defined for each region, replacing pesticides to some degree with alternative methods. The results show how and to what extent non-chemical methods can contribute to the protection of the environment and whether they are economically feasible. Non-chemical methods of pest, disease and weed control are discussed in the maize and vineyard case studies, and the significance of improved forecasting methods using the example of downy mildew is presented. Key words: European Union Project, network of excellence, durability, orchard systems, apple pests, maize pests.

▪▪ IPCC, 2006. IPCC guidelines for national greenhouse gas inventories. ­Volume 4: Agriculture, forestry and other land use. Kanagawa, Simon Eggleston, H.S., Buenida L., Miwa K., Ngara T. and Tanabe K. (eds). ­P ublished by IGES, Japan. 556 S. ▪▪ Meissle M., Mouron P., Musa T., Bigler F., Pons X., Vasileiadis V. P., Otto S., Antichi D., Kiss J., Pàlinkas Z., Dorner Z., van der Weide R., Groten J., Czembor E., Adamczyk J., Thibord J.-B., Melander B., Cordsen Nielsen G., Poulsen R. T., Zimmermann O., Verschwele A., & Oldenburg E., 2010. Pests, pesticide use and alternative options in European maize production: current status and future prospects. J. Appl. Entomol. 134, 357–375. ▪▪ Musa T., Gaillard G., Hayer F., Kägi T., Klaus I., Mack G., Hernandez-Rivera J., Patocchi A., Koller T., Samietz J., Bigler F., 2008. ENDURE – ein euro­p äisches Netzwerk für den Pflanzenschutz. Agrarforschung 15 (6), 294–296.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 72–79, 2011

79


P f l a n z e n b a u

Konsumententest mit Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz Felix Decurtins, Claudia Good, Christine Brugger, Lucie Franck und Markus Kellerhals Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil Auskünfte: Markus Kellerhals, E-Mail: markus.kellerhals@acw.admin.ch,Tel +41 44 783 62 42

Konsumententest in der Migros Wädenswil. (Foto: ACW)

Einleitung An der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW werden seit über 100 Jahren neue Apfelsorten gezüchtet (Kellerhals et al. 2006). Ein wichtiges Ziel der Apfelzüchtung ist die Entwicklung von qualitativ hochwertigen, robusten und krankheitstoleranten Sorten, welche möglichst wenig Pflanzenschutz benötigen. Sie sollten einfach sein im Anbau und hohe, regelmässige Erträge liefern. Entscheidend für den kommerziellen Erfolg einer Apfelsorte im Markt sind jedoch vor allem

80

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 80–87, 2011

die inneren und äusseren Qualitätseigenschaften – ein Apfel muss den optischen und geschmacklichen Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten entsprechen. Weitere wichtige Qualitätskriterien, die über den Erfolg oder Misserfolg einer Sorte entscheiden, sind Fleischbeschaffenheit und Saftigkeit. Bei zwei Neuzüchtungen, den Zuchtnummern ACW 6375 und ACW 11907, stehen Entscheidungen zur Markteinführung bevor. Aus diesem Grund wurde anhand von zwei Konsumenten­ tests – einem in der deutschen Schweiz und einem weiteren in der französischen Schweiz – erhoben, wie die Sor-


ten von den Konsumentinnen und Konsumenten sensorisch und optisch beurteilt werden. Anschliessend wurden die Ergebnisse der beiden Standorte einander gegenübergestellt.

Material und Methoden Neben den beiden Neuzüchtungen ACW 6375 und ACW 11907 wurden zwei bereits im Markt etablierte Sorten, La Flamboyante (Mairac®) und Braeburn-Hillwell, als Referenzen verwendet. Die vier verwendeten Apfelsorten werden in der Tabelle 1 vorgestellt. Der erste Konsumententest fand am 13. und 14. März 2009 in der Migros Wädenswil, ZH (n=205) der zweite am 19. und 20. März 2010 in der Migros Lausanne-­Crissier, VD (n=212) statt. Insgesamt nahmen 417 Personen an den beiden Tests teil. Diese beinhalteten einen Akzeptanztest, bei dem die Teilnehmenden ihre Bewertungen anhand eines geleiteten Fragebogens abgeben konnten. Zudem wurden Alter, Geschlecht, Konsumhäufigkeit und die Geschmackspräferenzen der Testpersonen erhoben und in die Auswertung einbezogen. Es wurde bei der Auswahl der Teilnehmenden darauf geachtet, dass bei beiden Befragungen dieselbe Alters- und Geschlechterverteilung erreicht wurde, um die beiden Stichproben vergleichen zu können. Ein weiterer wichtiger Faktor, der die Kompatibilität der beiden Erhebungen beeinflusste, stellte die innere Qualität der Versuchsfrüchte dar. Dazu wurde in beiden Jahren ein Messroboter 

Zusammenfassung

Konsumententest mit Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz | Pflanzenbau

Seit vielen Jahren werden an der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW neue Apfelsorten gezüchtet. Dabei werden Sorten angestrebt, die robust und krankheitstolerant sind und möglichst wenig Pflanzenschutz benötigen. Bei den zwei Neuzüchtungen ACW 6375 und ACW 11907 stehen Entscheidungen zur Markteinführung bevor. Deshalb wurde anhand von zwei Konsumententests, einem in der deutschen Schweiz und einem in der französischen Schweiz eruiert, wie die Sorten von den Testpersonen sensorisch und optisch beurteilt werden. Zudem wurden soziodemographische Daten sowie Konsumhäufigkeit und Geschmackspräferenzen der Teilnehmenden erhoben. Es zeigte sich, dass die Neuzüchtungen durchaus mit den etablierten Sorten mithalten können. Zudem stellte sich heraus, dass die Geschmackspräferenzen an beiden Standorten sehr ähnlich waren. Der Geschmack der Früchte war das Attribut, welches das Gesamturteil der Konsumentinnen und Konsumenten am stärksten beeinflusst hat. Zudem wurde wieder einmal bestätigt, wie wichtig der Reifezustand eines Apfels für die Kundenakzeptanz ist. Aromaarme und mehlige Äpfel werden von den Testpersonen abgelehnt.

Tab. 1 | Beschreibungen zu den vier getesteten Apfelvarietäten

ACW 6375 ACW 6375 ist eine Kreuzung von Maigold und Arlet, im Fleisch sehr fest, saftig und im Geschmack süßlich ­aromatisch. Die Hautfarbe ist bräunlichrot. ACW 6375 weist sehr gute und ziemlich regelmässige Erträge auf. Die ­Früchte sind sehr gut lager­fähig, auch im normalen Kühllager. Das Shelf-life ist ebenfalls überdurchschnittlich.

ACW 11907 ACW 11907 ist eine Kreuzung von La Flamboyante (Mairac®) und H 23 – 10, im Fleisch sehr fest, saftig und im ­Geschmack säuerlich bis aromatisch. Grünlichgelbe Grundfarbe mit dreiviertel roter Deckfarbe. Die Haut ist teilweise ­berostet. Die Zuchtnummer ist schorfresistent aber feuerbrandanfällig. Die Bäume sind sehr produktiv und die Lager­fähigkeit der Früchte ist sehr gut.

Braeburn-Hillwell Zufallssämling aus Neuseeland. Das Fleisch ist fest und dicht, saftig, weist im Geschmack ein ausgewogenes Zucker-Säure­verhältnis auf. Grundfarbe gelblichgrün, zur Hälfte braunrot gestreifte Deckfarbe. Die Sorte ist mittel anfällig auf Schorf und sehr stark anfällig auf Feuerbrand.

La Flamboyante (Mairac®) La Flamboyante ist eine Kreuzung von Gala und Maigold, im Fleisch fest, saftig und im Geschmack süss-säuerlich und aromatisch. Grünlichgelbe Grundfarbe mit dreiviertel roter Deckfarbe. Die Sorte ist mittel anfällig auf Schorf und ­Mehltau.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 80–87, 2011

81


Pflanzenbau | Konsumententest mit Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz

14

13,3 * 12,8

ACW 6375

12

9,5

10 8 6

4,6

*

7,8

5,6

2009 2010

4 2 0

16 14 12 10 8 6 4 2 0

Zucker (°Brix)

Säure (g/l)

Festigkeit (kg/cm²)

16 14 12 10 8 6 4 2 0

Braeburn 12,1

* 12,9 8,2

Zucker (°Brix)

7,7 *

6,6

Säure (g/l)

6,7

2009 2010

Festigkeit (kg/cm²)

16 14 12 10 8 6 4 2 0

14,5

14,5

ACW 11907

8,2

8,1

8,9

9,5

2009 2010

Zucker (°Brix)

* 15,3 13,8

Säure (g/l) La Flamboyante

8,4 5,4

Zucker (°Brix)

Festigkeit (kg/cm²)

Säure (g/l)

6,8

7,4

2009 2010

Festigkeit (kg/cm²)

Abb. 1 | Resultate der Qualitätsanalysen mit Pimprenelle nach Sorten gegliedert. Signifikante Unterschiede sind mit Sternchen markiert (α=5%).

namens «Pimprenelle» der französischen Firma GIRAUD (Cavaillon) von der Genossenschaft Migros Ostschweiz verwendet. Bei dieser Analyse wurden von jeder Sorte unter anderem Zuckergehalt (° Brix) und Festigkeitswert (kg/cm²) von 15 repräsentativen Früchten gemessen. Der Säuregehalt (g/l) wird von der Gesamtprobe gemessen. Obwohl Geschmack und Qualität einer Varietät nicht ausschliesslich durch diese Parameter beschrieben werden, geben diese und ihre Verhältnisse zueinander einen wichtigen Hinweis auf die Essqualität und Akzeptanz eine Apfels (Höhn et al. 2003). Um die Vergleichbarkeit der Resultate der beiden Jahre zu prüfen, wurden bei der Pimprenelle-Analyse Zuckergehalte und Festigkeitswerte der einzelnen Sorten auf signifikante Unterschiede zwischen den beiden Jahren untersucht. Dabei wurde der Wilcoxon-Mann-Whitney-Test angewendet (α=5%). Die Säurewerte konnten nicht auf signifikante Unterschiede untersucht werden, da der Säuregehalt bei der Pimprenelle-Analyse nur jeweils von der gesamten Stichprobe gemessen wird. Die Pimprenelle-Resultate finden sich in der Abbildung 1. Dort ist ebenfalls ersichtlich, ob signifikante Unterschiede zwischen den beiden Jahren bestehen oder nicht. Aufbau des Fragebogens Um die Gesamtbeliebtheit der verwendeten Apfelsorten zu erfassen, wurde zu Beginn der Befragung ein hedonischer Akzeptanztest durchgeführt. Die Daten wurden anhand der Frage «Wie gerne mögen Sie diesen Apfel?»

82

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 80–87, 2011

erhoben. Die Testpersonen hatten diese Frage mit einer 9-teiligen hedonischen Skala (9 = habe ich sehr gern; 1 = habe ich sehr ungern) zu beantworten. Die Konsumenten degustierten die Fruchtmuster in Form von Schnitzen, die dreistellig codiert und in der Reihenfolge randomisiert waren. Im zweiten Teil des Fragebogens wurden die Apfel­ sorten mittels einer sogenannten JAR-Skala (JAR = just about right) bezüglich der vordefinierten Attribute «Biss», «Geschmack» und «Saftigkeit» bewertet. Die Skala bezog sich auf eine Intensitätseinschätzung ausgewählter Attribute durch die Testpersonen, wobei diese die Intensität der Attribute mittels einer dreiteiligen Skala als «zu viel», «gerade richtig» oder «zu wenig» beurteilen konnten. Bei einer solchen JAR-Analyse wird untersucht, ob Konsumentinnen und Konsumenten eine Abwertung des Gesamturteils bezüglich spezifischer Produkteigenschaften vornehmen (Derndorfer 2006). Die Analyse ist interessant, da sie darüber Auskunft gibt, welches sensorische Attribut das Gesamturteil eventuell beeinflusst. Für die Beantwortung der JAR-Fragen mussten die Testpersonen einen weiteren Schnitz pro Sorte degustieren, damit sie unabhängig von ihrem Gesamturteil bewerteten. Im dritten Teil des Fragebogens wurde das Aus­ sehen wie bereits die Gesamtbeliebtheit mittels eines Akzeptanztestes ermittelt. Die Frage lautete hier «Wie gefällt Ihnen das Aussehen dieses Apfels?». Die Antwortmöglichkeiten basierten ebenfalls auf einer 9-tei-


Konsumententest mit Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz | Pflanzenbau

2,5 Mittelwert der Ränge

B

3,0 A

AB

B

B

2,0 1,5 1,0 0,5 0,0

3,0 2,5

Mittelwert der Ränge

A

AB

A

AB

B

2,0 1,5 1,0 0,5

ACW 11907

La Flamboyante

Braeburn-Hilwell

ACW 6375

0,0

ACW 11907

ACW 6375

La Flamboyante

Braeburn

Abb. 2 | Gesamtbeliebtheit der verschiedenen Varietäten in Wädenswil 2009 (A) und Crissier 2010 (B).

ligen hedonischen Skala (9 = habe ich sehr gern; 1 = habe ich sehr ungern). Die zu bewertenden Apfelsorten wurden in Körben mit ganzen Früchten, abseits der Degustation, präsentiert. Man wollte damit vermeiden, dass die Testpersonen diejenige Apfelsorte als am schönsten beurteilten, die sie auch in der Degustation am besten bewertet haben. Die Äpfel waren ebenfalls codiert und die Reihenfolge auf den Fragebögen randomisiert. Im vierten und letzten Teil der Erhebung wurden soziodemografische Daten der Teilnehmenden wie Geschlecht, Alter, Häufigkeit des Apfelkonsums sowie die Geschmackspräferenzen der Testpersonen erhoben. Auswertung der erhobenen Daten Sämtliche statistischen Auswertungen wurden mit dem Statistik-Programm XLSTAT durchgeführt. Da bei den erhobenen Daten keine Normalverteilung vorlag, wurden parameterfreie Tests angewendet. Bei Gesamtbeliebtheit und Aussehen wurde bei der statistischen Datenauswertung der Friedman-Test durchgeführt. Ergab dieser Test systematische Unterschiede zwischen den Sorten, wurde anschließend der multiple Vergleich nach Nemenyi angewandt, um herauszu­finden, zwischen welchen Sorten signifikante Unterschiede bestehen. Im Weiteren wurde mit derselben Methodik untersucht, ob beziehungsweise inwiefern sich Geschlecht, Alter, Konsumhäufigkeit oder Geschmackspräferenz auf Gesamtbeliebtheit der Sorten ausgewirkt haben. Um die JAR-Daten auszuwerten, wurde eine PenaltyAnalyse durchgeführt. Diese Methode identifiziert für jede der untersuchten Produkteigenschaften, ob eine Abweichung von «gerade richtig» bei dieser Produkteigenschaft verantwortlich für eine signifikante Abwertung der Gesamtbeliebtheit ist. Das Signifikanzniveau bei dieser Auswertung wurde bei α= 5% festgelegt, der Schwellenwert der Populationsgrösse bei 20%.

Resultate und Diskussion Innere Qualität der Versuchsfrüchte Der Zuckergehalt der Zuchtnummer ACW 6375 war bei den in Crissier 2010 degustierten Früchten signifikant niedriger als bei den Früchten im Test 2009 in Wädenswil, der Festigkeitswert ebenfalls. Der Säurewert war höher als im Vorjahr. Dies lässt darauf schliessen, dass der Reifezustand der Früchte von ACW 6375 in Crissier weniger stark fortgeschritten war, als in Wädenswil. Bei der Zuchtnummer ACW 11907 waren die Ergebnisse der Pimprenelle-Analyse in den beiden Jahren sehr ähnlich. Signifikante Unterschiede zwischen den Zucker- und Säurewerten konnten nicht festgestellt werden, der Säuregehalt war bei den in Crissier degustierten Früchten marginal niedriger als in Wädenswil. ACW 11907 war in beiden Jahren ungefähr im selben Reifezustand. Die Sorte Braeburn-Hillwell wies 2010 einen signifikant höheren Zuckerwert auf als im Vorjahr, der Festigkeitswert war dagegen signifikant niedriger. Der Säurewert der BraeburnFrüchte war in Crissier ebenfalls niedriger. Die Früchte waren 2010 folglich in einem fortgeschritteneren Reifzustand als 2009. Der Reifezustand 2009 von BraeburnHillwell war ziemlich ideal, 2010 in Crissier waren die Früchte beinahe ein wenig überreif. La Flamboyante hatte 2010 einen signifikant höheren Zuckerwert als 2009. Der Festigkeitswert war in Crissier geringfügig höher als in Wädenswil, ein signifikanter Unterschied konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Der Säurewert war in Crissier deutlich höher als in Wädenswil. Diese Daten weisen darauf hin, dass die Reife der Fruchtmuster von La Flamboyante in Wädenswil stärker fortgeschritten war als in Crissier. Die leichte Überreife der Früchte in Wädenswil wurde durch deren Optik bestätigt. Der Fruchtbehang der Bäume dieser Sorte war 2008 suboptimal, was die Ausreifung der  Früchte beschleunigte.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 80–87, 2011

83


Pflanzenbau | Konsumententest mit Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz

B

3,5 B

Mittelwert der Ränge

3,0 2,5

B A

A

2,0 1,5 1,0

C B

2,5 2,0

B

A

1,5 1,0 0,5

0,5 0,0

3,5 3,0

Mittelwert der Ränge

A

ACW 6375

ACW 11907

La Flamboyante

Braeburn

0,0

ACW 6375

ACW 11907

La Flamboyante

Braeburn

Abb. 3 | Bewertung des Aussehens der verschiedenen Varietäten in Wädenswil 2009 (A) und Crissier 2010 (B).

Die Unterschiede bezüglich innerer Qualität lassen sich weitgehend durch unterschiedliche klimatische Bedingungen während der Ausreifung der Früchte und durch unterschiedliche Behangsdichten an den Bäumen erklären. Ein weiterer Faktor, der die Qualität der Früchte beeinflusst, ist der genaue Erntezeitpunkt. Gesamtbeliebtheit und Aussehen Die Resultate bezüglich Gesamtbeliebtheit sind in Ab­bildung 2 ersichtlich. Die Zuchtnummer ACW 6375 erhielt in Wädenswil den höchsten Rangmittelwert. Es gab jedoch keinen statistisch signifikanten Unterschied zu den Referenzsorten Braeburn-Hillwell und La Flamboyante. Lediglich ACW 11907 wurde signifikant schlechter beurteilt als ACW 6375 und Braeburn-Hillwell. Bei der Befragung in der Westschweiz 2010 wurde BraeburnHillwell in der Gesamtbeliebtheit signifikant höher eingestuft als ACW 11907. ACW 6375 und La Flamboyante waren weder untereinander noch gegenüber den beiden anderen Sorten signifikant unterschiedlich. Ein Grund dafür, dass ACW 6375 in Wädenswil höher bewertet wurde als in Crissier könnte der optimalere Reife­ zustand 2009 gewesen sein. Beim Aussehen, das in Abbildung 3 dargestellt ist, wurden Braeburn-Hillwell und La Flamboyante in Wädenswil signifikant höher beurteilt als die beiden Zuchtnummern der ACW. In Crissier wurden ACW 11907 und La Flamboyante gleich gut und damit signifikant höher als ACW 6375 bewertet. Die Referenzsorte Braeburn-Hillwell wurde am höchsten bewertet. Sie hebt sich signifikant von den übrigen drei getesteten Sorten ab. In Crissier gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen ACW 11907 und La Flamboyante, in Wädenswil hingegen schon. Offenbar tun sich die Konsumentinnen und Konsumenten an beiden Standorten mit der Optik von ACW 6375 etwas schwer. Die Zuchtnummer ACW

84

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 80–87, 2011

11907 wurde am Standort Wädenswil etwa gleich bewertet wie ACW 6375, in Crissier wurde sie ein wenig höher bewertet. Man muss sich in diesem Zusammenhang aber vor Augen halten, dass die beiden Referenzsorten bereits auf dem Markt erhältlich sind, und ihr Aussehen deshalb den Kunden bereits bekannt und vertraut sein dürfte. Beliebtheit nach soziodemographischen Gruppen und Geschmackspräferenzen Bei der Geschlechter- und Altersverteilung gibt es keine markanten Unterschiede zwischen den beiden Standorten. Dies wurde auch angestrebt, um die Ergebnisse der beiden Jahre gegenüberstellen zu können. In Wädenswil beurteilten die über 60-jährigen Konsumenten ACW 6375 bezüglich Gesamtbeliebtheit signifikant höher als ACW 11907, die 25 – 60-jährigen beurteilten ACW 6375 signifikant höher als La Flamboyante. Bei den Konsumenten unter 25 Jahren konnte kein Unterschied in der Vorliebe der Sorten festgestellt werden. Beim Konsumententest in der Westschweiz hingegen gab es nur bei den 41 – 60-jährigen einen signifikanten Unterschied, sie beurteilten nämlich Braeburn-Hillwell signifikant höher als ACW 11907. Bei den männlichen Testpersonen konnte an keinem der beiden Standorte ein signifikanter Unterschied bezüglich Gesamtbeliebtheit zwischen den Sorten eruiert werden. Die Untersuchungen bei den Apfelkonsumentinnen zeigten jedoch an beiden Standorten einen signifikanten Unterschied. In Wädenswil wurde ACW 6375 signifikant höher als ACW 11907 und La Flamboyante beurteilt. In Crissier haben die weiblichen Testpersonen Braeburn-Hillwell signifikant höher bewertet als ACW 11907. Die Konsumentinnen beurteilten die verschiedenen Sorten also differenzierter als die männlichen Teilnehmer.


A

90 80 70 60 50 40 30 20

Attribut-Intensitäten in Prozent

0

Biss 2009

Biss 2010

Geschmack 2009

Geschmack 2010

Saftigkeit 2009

Saftigkeit 2010

ACW 11907

100

B

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Biss 2009

Biss 2010

Geschmack 2009

Geschmack 2010

Saftigkeit 2009

Saftigkeit 2010

Braeburn-Hillwell

100

C

90

Attribut-Intensitäten in Prozent

Gegenüberstellung der JAR-Ergebnisse Die JAR-Ergebnisse zu ACW 6375 sind in Abbildung 4A dargestellt. In Wädenswil waren die Beurteilungen «zu fest» und «zu wenig geschmacksintensiv» signifikant für die Abwertung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich. In Crissier waren es die Beurteilungen «zu wenig ge­schmacksintensiv» und «zu wenig saftig». In beiden Jahren war die Sorte einem Teil der Testpersonen tendenziell zu wenig geschmacksintensiv. Da die Festigkeit von ACW 6375 im Jahr 2009 in Wädenswil signifikant höher war als im Jahr 2010 in Crissier, lässt sich nachvollziehen, weshalb in Wädenswil die Bewertung «zu fest» im Gegensatz zu Crissier signifikant für die Abwertung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich war. Ein Grund dafür, dass 2010 die Nennung «zu wenig saftig» signifikant für die Abwertung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich war, könnte damit zusammenhängen, dass die Sorte 2010 weniger reif war als 2009. In der Abbildung 4B sind die JAR-Ergebnisse von ACW 11907 dargestellt. Der Grund dafür, dass in Crissier 2010 die Beschreibung «zu fest» im Gegensatz zu Wädenswil 2010 signifikant für die Abwertung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich war, lässt sich durch die Pimprenelle-Ergebnisse nicht abschliessend klären. ACW 11907 war zwar 2010 in Crissier etwas fester als

ACW 6375

100

10

80 70 60 50 40 30 20 10 0

Biss 2009

Biss 2010

Geschmack 2009

Geschmack 2010

Saftigkeit 2009

Saftigkeit 2010

La Flamboyante

100

Attribut-Intensitäten in Prozent

Die Verteilung der Geschmackspräferenzen ist an beiden Standorten ziemlich ähnlich. In Wädenswil bewerteten die Konsumenten mit Süsspräferenz die degustierten Apfelsorten anders als die Konsumenten mit Säurepräferenz. Von den Konsumenten mit Süsspräferenz wurden ACW 6375 und La Flamboyante signifikant höher beurteilt als ACW 11907, der eher säuerlich ist. Die Konsumenten mit einer Säurepräferenz beurteilten ACW 6375 sowie die Referenz Braeburn-Hillwell signifikant höher als La Flamboyante, der ein wenig überreif war. In Crissier gab es bei Personen, die sauer bevorzugen, keine signifikanten Unterschieden zwischen den einzelnen Sorten. Die Personen mit Süsspräferenz hingegen stuften Braeburn-Hillwell bei der Gesamtbeliebtheit signifikant höher ein als ACW 11907. Die Konsumenten aus der deutschen Schweiz, die eher selten Äpfel essen (von 1 – 3 pro Monat bis zu 1 – 2 pro Woche), bewerteten die Sorten bezüglich Gesamtbeliebtheit nicht signifikant unterschiedlich. Die Konsumenten, die mehr Äpfel essen (von 3 – 5 pro Woche bis zu mehr als 5 pro Woche), beurteilten ACW 6375 in der Gesamtbeliebtheit signifikant höher als ACW 11907. Bei der Befragung in der französischen Schweiz gab es weder bei den Wenigessern noch bei den Vielessern signifikante Unterschiede bezüglich Gesamtbeliebtheit der Apfelsorten.

Attribut-Intensitäten in Prozent

Konsumententest mit Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz | Pflanzenbau

D

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Biss 2009

Biss 2010

Geschmack 2009

zu wenig

Geschmack 2010

genau richtig

Saftigkeit 2009

Saftigkeit 2010

zu viel

Abb. 4 | Ergebnisse der JAR-Analyse. Produkteigenschaften, die eine signifikante Abwertung auf die Gesamtbeliebtheit haben, sind rot umrahmt.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 80–87, 2011

85


Pflanzenbau | Konsumententest mit Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz

2009 in Wädenswil, der Unterschied zwischen den beiden Jahren war aber nicht signifikant. Die Beurteilung «zu wenig geschmackvoll» wurde an beiden Standorten ungefähr gleich oft abgegeben und war an beiden Standorten signifikant für die Abwertung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich. Es gab an beiden Standorten eine Gruppe von Testpersonen, für die ACW 11907 geschmacksintensiver sein dürfte. Weshalb die Saftigkeit in Crissier signifikant für die Abwertung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich war, kann aufgrund der Pimprenelle-Ergebnisse nicht abschliessend nachvollzogen werden. Die Ergebnisse der JAR-Erhebung zu Braeburn-Hillwell sind in Abbildung 4C abgebildet. Die Bewertung «zu wenig Biss» war in Crissier im Gegensatz zu Wädenswil signifikant für die Minderung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich. Dies lässt sich durch den signifikant niedrigeren Festigkeitswert der Früchte in Crissier erklären. Beim Attribut Geschmack war die Bewertung «zu wenig geschmacksintensiv» an beiden Standorten signifikant für die Abwertung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich. Es gab an beiden Standorten eine Konsumentengruppe, die Braeburn-Hillwell als zu wenig geschmackvoll empfindet. Die Bewertung «zu wenig saftig» war in Crissier signifikant für die Abwertung verantwortlich. Dies kann mit dem fortgeschrittenem Reifezustand der Früchte 2010 erklärt werden. In der Abbildung 4D sind die JAR-Ergebnisse von La Flamboyante dargestellt. Dass die Bewertung «zu wenig fest» in Wädenswil signifikant abwertend war, lässt sich durch die fortgeschrittene Reife der Früchte nachvollziehen. In Crissier war diese Bewertung ebenfalls signifikant abwertend, jedoch war die Anzahl Nennungen deutlich kleiner als in Wädenswil. Die Bewertung «zu wenig geschmacksintensiv» und «zu wenig saftig» waren ebenfalls an beiden Standorten signifikant für die Abwertung der Gesamtbeliebtheit verantwortlich, in Crissier gab es jeweils leicht weniger Nennungen dieser Bewertung. Dies hängt vermutlich ebenfalls mit dem besseren Reifezustand der Früchte in Crissier zusammen. Es entsteht jedoch der Eindruck, dass La Flamboyante einigen Konsumenten tendenziell zu wenig Geschmack, Biss und Saftigkeit aufwies. Wie man aus den JAR-Resultaten erkennen kann, führt die Beurteilung «zu wenig geschmacksintensiv» bei allen Sorten und an beiden Standorten zu einer signifikanten Abwertung der Gesamtbeliebtheit. Der Geschmack ist in diesem Sinne das Attribut, dass das Gesamturteil der Konsumenten am meisten beeinflusst. Dies konnte bereits in früheren Konsumententests nachgewiesen werden (Eigenmann et al. 2005). Die befragten Konsumentinnen und Konsumenten schätzten die

86

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 80–87, 2011

Äpfel nur selten als zu saftig oder zu geschmacksintensiv ein. Aromaarme und mehlige Äpfel werden von den Konsumenten abgelehnt. Diese Tatsache wurde von Egger et al. (2010) bereits festgestellt. Die Gegenüberstellung der JAR-Daten der beiden Konsumententests zeigt viele Parallelen aber auch einige Unterschiede auf. Unterschiedlich grosse Akzeptanz bei den Attributen Biss und Geschmack zwischen den beiden Jahrgängen lassen sich in den meisten Fällen weitgehend anhand unterschiedlicher Messwerte bei Zucker- und Säuregehalt sowie Festigkeit nachvollziehen. Es zeigt sich immer wieder bei derartigen Tests, dass die Vorernteparameter einen sehr grossen Einfluss auf die Fruchtqualität und demzufolge auf die sensorische Wahrnehmung haben. Es wäre sinnvoll einen solchen Test an mehreren Standorten mit möglichst homogenem Fruchtmaterial aus dem selben Jahr durchzuführen.

Schlussfolgerungen ••An beiden Standorten herrschten in etwa die gleichen Geschmackspräferenzen vor; etwa die Hälfte der Personen bevorzugte saure Äpfel, gut ein Drittel Süsse und der Rest hat keine Geschmackspräferenz. ••Die weiblichen Testpersonen differenzierten die verschiedenen Sorten in ihren Bewertungen an beiden Standorten stärker als ihre männlichen Kollegen. ••Die unter 25-jährigen Teilnehmer konnten keinen Unterschied zwischen den Sorten ausmachen. ••Die Bewertung «zu wenig geschmacksintensiv» führte bei sämtlichen Sorten zu einer signifikanten Minderung der Gesamtbeliebtheit. ••Die Bewertung «zu wenig» wird bei den Attributen «Geschmack» und «Saftigkeit» jeweils deutlich häufiger verwendet als die Bewertung «zu viel». ••Der Reifegrad der Früchte ist enorm wichtig für die Kundenakzeptanz einer Sorte. n


Il gradimento di nuove coltura di mele presso le consumatrici ed i consumatori della Svizzera tedesca e francese Da molti anni presso la Stazione di ricerca Agroscope Changins-Wädenswil ACW si selezionano nuove varietà di mele. Ci si sforza di ottenere varietà robuste e tolleranti alle malattie che necessitano di poca protezione fitosanitaria. Per le due nuove colture ACW 6375 e ACW 11907 si è in attesa delle decisioni che ne determineranno l’introduzione nel mercato. Per questo motivo sono stati svolti due test presso i consumatori nella Svizzera tedesca e nella Svizzera francese per determinare la valutazione sensoriale e visiva delle due varietà dai consumatori. Dei partecipanti si è inoltre rilevato dati socio demografici, come anche frequenza di consumo e preferenze di gusto. Si è constatato che le nuove varietà potrebbero competere con le varietà tradizionali. Si è ugualmente evidenziato che le preferenze nelle due regioni sono simili. Il sapore dei frutti è la caratteristica che ha maggiormente influito sul giudizio globale dei consumatori. E’ stato inoltre riconfermato quanto sia importante lo stato di maturazione di una mela per incontrare il consenso dei consumatori, i quali non gradiscono mele povere in aromi e farinose.

Summary

Riassunto

Konsumententest mit Apfel-Neuzüchtungen in der deutschen und in der französischen Schweiz | Pflanzenbau

Consumer acceptance of new apple varieties in the German-speaking and in the French-speaking part of Switzerland For a long time, the research station Agroscope Changins-Wädenswil ACW has been breeding new apple varieties. High quality varieties are developed which are resistant and tolerant to diseases and which need a minimum of plant protection. Two new selections, ACW 6375 and ACW 11907, are candidates for being introduced on the market. Therefore, two consumer tests were performed, one in the Germanspeaking part of Switzerland and one in the French-speaking part, in order to investigate how these varieties are evaluated visually and sensorially by the consumers. In addition, sociodemographic data, frequency of fruit consumption and flavor-preferences were examined. Results show that the new selections are comparable to established cultivars. Similar flavor preferences in both regions are illustrated. The flavor of the fruit is the attribute that mostly affects the overall sensory judgement. Once again, the importance of the ripeness of an apple is highlighted. Flavorless and floury apples are rejected by customers. Key words: consumer test, apple breeding, fruit quality.

Literatur ▪▪ Derndorfer E., 2006. Lebensmittelsensorik. Facultas Universitätsverlag, S. 77. ▪▪ Egger S., Brugger C., Baumgartner D. & Bühler A., 2010. Präferenzen Schweizer Apfelkonsumenten. Agrarforschung Schweiz 1(2), 44–51. ▪▪ Eigenmann C., Höhn E. & Kellerhals M., 2005. Apfelsorten: Was wollen die Konsumenten? Schweiz. Z. Obst-Weinbau . 19, 6–9. ▪▪ Höhn E., Gasser F., 2003. Guggenbühl B. &Künsch U. Efficacy of instrumental measurements for determination of minimum requirements of firmness, soluble solids and acidity of several apple varieties in comparison to consumer expectations. Postharvest Biol. Technol. 27, 27–37. ▪▪ Kellerhals M. & Christen D., 2006. Innovative Obstzüchtung von ACW. Schweiz. Z. Obst- und Weinbau 15, 8–11.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 80–87, 2011

87


P f l a n z e n b a u

Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei Bio-Weizen Heinz Krebs1, Irene Bänziger1, Robert J. Legro2 und Susanne Vogelgsang1 1 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich 2 Incotec Holding BV, 1601BL Enkhuizen, Niederlande Auskünfte: Susanne Vogelgsang, E-Mail: susanne.vogelgsang@art.admin.ch, Tel. +41 44 377 72 29

gesund

befallen

Abb. 1 | Körnerbefall mit Microdochium nivale: beeinträchtigt die Keimfähigkeit und damit die Qualität bei einer Verwendung als Saatgut. Links: gesunder Keimling; alle anderen: befallen. (Foto: ART)

Einleitung Der Krankheitserreger des Schneeschimmels Mono­ graphella nivalis (Anamorph Microdochium nivale, M. majus) ist in den Getreideanbaugebieten weit verbreitet (Hoffmann und Schmutterer 1999) und gehört zu den wichtigsten samenbürtigen Pathogenen bei der Saatgutzertifizierung. Befallenes Saatgut hat eine geringere Keimfähigkeit. Dies führt bei aufgelaufenen Beständen zu Fehlstellen, da entweder keine Keimung stattfindet oder die geschwächten Sämlinge die Bodenoberfläche nicht erreichen. Erkrankte Keimlinge sind zudem verkürzt und verkrümmt (Abb. 1); sie bilden an der Basis der Koleoptile braune Verfärbungen. In Anbaugebieten mit häu-

88

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 88–95, 2011

figen Niederschlägen in den Sommermonaten treten – insbesondere in Weizenbeständen mit Mehltau- oder Getreidehähnchenbefall – an der Blattscheide und -spreite M. nivale-Nekrosen auf (Abb. 2), welche die Assimilationsfläche und damit den Ertrag erheblich beeinträchtigen können. Üppige und eingekürzte Getreide­bestände begünstigen die Entwicklung des Krankheitserregers. Der Blatt- und Ährenbefall gehen von windverbreiteten Askosporen, die in Perithezien auf den unteren Blattscheiden gebildet werden, oder von durch Regenspritzer verbreiteten Konidiosporen (Obst 1993) aus. Untersuchungen bei der Saatgutzertifizierung haben ergeben, dass in mehreren Jahren der häufigste Ablehnungsgrund auf den M. nivale-Befall zurückzuführen war.


Zusammenfassung

Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei Bio-Weizen | Pflanzenbau

Abb. 2 | Starke Blattläsionen auf Weizen verursacht durch Microdochium nivale auf Winterweizen Siala im Jahr 2007. (Foto: ART)

Für Bio-Saatgut ist der Einsatz von chemisch-synthetischen Saatbeizmitteln gegen samenbürtige Schaderreger nicht erlaubt. Die Warmwasserbehandlung (45 °C, 2 h) mit guten Wirkungen gegen M. nivale sowie Flug- und Stinkbrand (Winter et al. 1998) hat sich wegen zu hohen Rücktrocknungskosten in der Praxis nicht durchgesetzt. Das biologische Saatbeizmittel Cerall® (Bodenbakterium Pseudomonas chlororaphis) hat nur eine Teilwirkung gegen Saatgutbefall durch M. nivale (Johnsson et al. 1996). ART untersuchte pflanzliche Stoffe auf die Wirksamkeit gegen M. nivale bei Weizen, um diesen Krankheitserreger auf Bio-Saatgut effektiver zu kontrollieren.

Bei der Zertifizierung von Bio-Weizensaatgut wird oft die erforderliche Keimfähigkeit nicht erreicht. Dies ist häufig auf einen zu starken Krankheitsbefall mit dem Erreger des Schneeschimmels, Microdochium nivale, zurückzuführen. Mit einer Warmwasser­ behandlung könnte der Befall auf dem Saatgut wirksam bekämpft werden. Wegen des hohen energetischen Aufwands für die Rücktrocknung konnte sich dieses Verfahren in der Praxis jedoch nicht durchsetzen. Durch Beizung mit dem Bakterienprodukt Cerall® wird nur eine Teilwirkung gegen den Saatgutbefall mit M. nivale erzielt. Im Labor-Screening mit verschiedenen auf Pflanzen basierenden Produkten zeigte das Präparat «B» eine gute Hemmwirkung auf das Myzelwachstum von M. nivale. Auch in mehreren in vivo Versuchen in der Klimakammer und in Feldversuchen konnte eine signifikante Wirkung durch eine Saatgut­ behandlung mit Pulver aus dem Präparat «B» nachgewiesen werden, die nicht nur den Pflanzenaufgang verbesserte, sondern auch Ertragseinbussen vermindert hat. Die Herausforderung liegt darin, die Formulierung so weit zu entwickeln, dass das Präparat «B» als Produkt in Grossbeizanlagen eingesetzt werden kann.

Material und Methoden In den in vitro Versuchen wurden vier pflanzliche Ausgangsstoffe auf ihre Wirksamkeit gegen M. nivale untersucht: Matricaria chamomilla, Thymus vulgaris, Filipendula ulmaria und ein hier nicht näher bezeichnetes Präparat «B». In einer ersten Versuchsphase wurden wässrige Extrakte aus pflanzlichen Ausgangsstoffen erzeugt und deren Wirkung auf die Sporenkeimung von M. nivale geprüft. Der verwendete Einzelsporen-Stamm 0327a (abgelegt im Centraalbureau voor Schimmelcultures, CBS Fungal Biodiversity Centre als CBS 121295) wurde auf PDA mit Streptomycin, sechs bis sieben Tage bei 18 bis 20° C und 12 h NUV-Licht inkubiert. Zur Prüfung der Hemmwirkung auf die Sporenkeimung wurde davon eine Suspension mit 33 000 Sporen/ml hergestellt. Zur Herstellung der Extrakte wurden 10 g pflanzliches Pulver in 100 ml entionisiertem Wasser während drei Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Danach wurden die wässrigen Suspensionen mit Faltenfiltern (520 A ½, d = 15 cm, Schleicher & Schuell GmbH) filtriert und in 

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 88–95, 2011

89


Pflanzenbau | Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei Bio-Weizen

nicht gekeimt

mit Keimschläuchen

Abb. 3 | Sporenkeimtest: Auf die Rondellen werden jeweils 15 µl einer Prüfsubstanz pipettiert und nach einer kurzen Antrocknungsphase 15 µl Microdochium nivale Sporensuspension getropft. Nach 24 h wird die Sporenkeimrate ermittelt (400fache Vergrösserung). (Fotos: ART)

den Konzentrationen von 1 %, 0,5 % und 0,1 % deren Hemmwirkung auf die Sporenkeimung geprüft. Das chemische Vergleichsverfahren mit Pronto Plus® wurde mit einer Dosierung von 0,035 % angewendet. Auf drei Agar-Rondellen (d = 1 cm) auf Objektträgern wurden je 15 µl der zu prüfenden Extrakte getropft – beim Kontrollverfahren wurde 15 µl steriles Wasser verwendet. Die Objektträger wurden in Petri-Schalen auf mit 2 ml sterilem Wasser befeuchtetem Filterpapier (Nr. 591, d = 85 mm von Schleicher & Schuell GmbH) gelegt (Abb. 3). Anschliessend wurden 15 µl Sporensuspension auf die trockenen Rondellen pipettiert. Nach 24 h Inkubationszeit bei 10 °C, 70 % relativer Feuchtigkeit und Dunkelheit wurde unter 400facher Vergrösserung an je drei Stellen der Rondellen die Keimrate von je zehn Sporen ermittelt.

Kontrolle

Verfahren A, 1 %

Verfahren A, 5 %

ESI a

ESI b

Abb. 4 | Agarinkorporationstest aus Vorversuchen: Myzelhemmung von Microdochium nivale abhängig von der Konzentration der in den Nährboden beigemischten Prüfsubstanz. ESI a und ESI b: Einzelsporenisolate a und b. (Foto: ART)

90

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 88–95, 2011

Im Unterschied zum Sporenkeimtest wurden beim Myzelwachstumstest die pflanzlichen Pulver und nicht deren Extrakte geprüft. Für das Agarmedium wurden 3,9 g PDA in 200 ml Schottflaschen in 100 ml entionisiertem Wasser aufgelöst und während 20 Minuten bei 121 °C autoklaviert. Nach dem Autoklavieren wurden die Schottflaschen in ein 60 °C heisses Wasserbad gestellt, 100 µl Streptomycin und die Sollmenge der Prüfpulver unter sterilen Bedingungen beigemischt und anschliessend die Suspension in fünf Petrischalen gegossen. Nach dem Abkühlen beziehungsweise Verfestigen des Nährbodens (in Sterilbank) wurde ein 0,5 cm mit M. nivale bewachsenes Rondell in die Mitte der Platten abgeimpft. Nach einer Inkubationszeit von sieben Tagen bei 20 °C und Dunkelheit wurde das Myzelwachstum anhand zweier Durchmesser bestimmt (Abb 4) und im Vergleich zum Wachstum auf den Kontrollplatten die Hemmwirkung berechnet. Das Präparat «B» – dem wirksamsten Präparat aus den in vitro Versuchen – wurde anschliessend in vivo auf mit M. nivale befallenes Saatgut mit einem Turbula® Mischgerät (Willy A. Bachofen AG, Muttenz) appliziert und in Saatschalen mit Erde ausgesät. Vorversuche haben ergeben, dass mit einer Pulverapplikation (2 g/100 g Saatgut) eine höhere Wirkung erzielt werden kann, als mit einer Extraktbehandlung des Saatgutes. Das verwendete Haftmittel – ein Organic Binder (A6.6041; OB) der Firma Incotec – wurde allein und in Kombination mit Präparat «B» eingesetzt. Dabei wurde das Haftmittel OB entweder vor und nach der Pulverapplikation (Beschichtung) in einer Konzentration von 50 % oder als Suspension – einer Mischung aus OB (40 %) mit dem Prüfpulver – angewendet. In den in vivo Versuchen wurden die Saatgutbehandlungen der Firma Inoctec – das Verfahren mit dem Haftmittel (IncOB) in einer 50 %igen Konzentration und das Prüfverfahren mit diesem Haftmittel (50 %) in Kombination mit dem


Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei Bio-Weizen | Pflanzenbau

Warmwasser

Präparat «B» + OB

Kontrolle ungebeizt

Präparat «B» + OB

Kontrolle

Abb. 5 | Klimakammerversuch: Erdetest mit durch Microdochium nivale befallenem Weizen-Saatgut. Präparat «B» + OB: 2 g/100 g Saatgut kombiniert mit Haftmittel Organic Binder (Incotec). (Foto: ART)

Abb. 6 | Kleinparzellen-Feldversuch mit Microdochium nivale ­b efallenem Weizen-Saatgut und unterschiedlichen Saatgutbe­ handlungen: Warmwasser = 45 °C 2 h, Präparat «B» + OB: 2 g / 100 g ­S aatgut kombiniert mit Haftmittel: Organic Binder (Incotec). (Foto: ART)

Resultate und Diskussion

Präparat «B» – mitgeprüft. Als zusätzliche Verfahren wurden eine Warmwasserbehandlung und eine Cerall®Behandlung geprüft. Die Saatschalen wurden in Klimakammern zuerst drei Wochen bei 5 °C, Dunkelheit und hoher Luftfeuchtigkeit inkubiert. Nach weiteren zwei Wochen bei 10 °C und Weisslicht wurde die Anzahl normal und anormal entwickelter Keimlinge bestimmt (Abb. 5). Jedes Prüfverfahren wurde in drei Saatschalen mit je 100 Samen getestet. Dieselben Saatgutbehandlungen wie im Klimakammertest wurden unter Feldbedingungen in Kleinpar­ zellenversuchen mit vier Wiederholungen bei einer ­Parzellengrösse von 10 m² geprüft (Abb. 6). In den Feldversuchen wurde der Feldaufgang und der Körnerertrag erhoben. Für die Klimakammer- und Feldversuche wurde ein Posten der Winterweizensorte Siala mit einem M. nivale-Befall von 35 % verwendet.

Beim Sporenkeimtest konnte insbesondere bei den Verfahren mit dem Präparat «B» eine Dosis abhängige Wirkung nachgewiesen werden (Abb. 7). Beim Agarin­ korporationstest zeigten sich ebenfalls signifikante Verfahrensunterschiede, und es resultierten beim Myzelwachstum bei allen vier Prüfstoffen dosierungsabhängige Wirksamkeitsunterschiede (Abb. 8). Wie beim Sporenkeimtest wurde mit dem Präparat «B» die stärkste Hemmwirkung beobachtet und dies zudem bei tieferen Dosierungen als bei den übrigen Stoffen. Beim Erdetest in der Klimakammer wurde beim Warmwasserverfahren im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle nahezu eine Verdoppelung der Pflanzenzahl und bei der Cerall®-Behandlung eine Zunahme von 22 bis 29 % festgestellt. Bei den Varianten mit Prä- 

Anzahl gekeimte Sporen

30

20

10

0 olle

ntr

Ko

P

to ron

®

s

Plu

Prä

,0 %

»1

B p. «

Prä

,5 %

»0

B p. «

Prä

,1 %

»0

B p. «

Thy

n mia

1,0

% Thy

n mia

0,5

% Thy

n mia

0,1

% Ka

le mil

1,0

% Ka

le mil

0,5

% Ka

le mil

%

0,1 Fili

,0 %

la 1

du pen

Fili

,5 %

la 0

du pen

,1 %

la 0

du pen

Fili

Abb. 7 | Sporenkeimtest: Einfluss von Pflanzenextrakten auf die Keimung von Microdochium nivale. Mittelwerte mit Standardfehler.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 88–95, 2011

91


Pflanzenbau | Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei Bio-Weizen

8,0

Durchmesser Myzelkolonie (cm)

6,0

4,0

2,0

0,0 olle

ntr

Ko

,0 %

»1

«B äp.

,5 %

»0

Pr

«B äp.

v äp.

0,1

Pr

Pr

%

n mia

1,0

%

n mia

0,5

%

%

,0 %

le 1

il Kam

Thy

Thy

Thy

0,1

n mia

,5 %

le 0

il Kam

,1 %

le 0

il Kam

la ndu

1,0

pe

Fili

%

la ndu

0,5

pe

Fili

%

la ndu

0,1

%

pe

Fili

Abb. 8 | Myzelwachstumstest (Agarinkorporation): Einfluss von Pflanzenpulver auf das Myzelwachstum von Microdochium nivale. Mittelwerte mit Standardfehler.

parat «B» wurde der Pflanzenaufgang um 30 bis 58 % erhöht (Abb. 9). Beim Feldversuch 2009 wirkte sich der Saatgutbefall mit M. nivale stark aus. So wurden beim Feldaufgang im Frühjahr 2009 massive Verfahrensunterschiede beobachtet (Abb. 10). Durch die Bestockung glichen sich die Bestandesdichten zwischen den Prüfvarianten etwas aus. Trotzdem resultierten beim Körnerertrag signifikante Behandlungsunterschiede (Abb. 11), wobei auch hier die Warmwasservariante mit 63 kg/a im

Vergleich zur Kontrolle mit 31 kg/a den stärksten Effekt hatte. Bei der Cerall®-Beizung wurde ein Ertrag von 36 kg/a erreicht und bei den Behandlungsvarianten mit Präparat «B» bewegte sich der Ertrag zwischen 41 und 44 kg/a. Im Feldversuch des Jahres 2010 waren der Pflanzenaufgang und der Ertrag allgemein deutlich höher und die Verfahrensunterschiede weniger stark ausgeprägt. Die Wirkung der besten Behandlungsvarianten mit Präparat «B» erreichten annähernd die Werte der Warm-

Anazhl aufgelaufene Pflanzen

100

L egende:

75

OB Haftmittel Organic Binder

50

IncOB Organic Binder durch Incotec appliziert

25

M

Behandlung als Mischung

B

B ehandlung als Beschichtung

Warmwasser = 45 °C, 2 h 0

Cerall ® = 10 ml/kg ntr

olle

Ko

)

50%

B(

O Inc

+

OB

Inc

M)

»(

«B

p. Prä

OB

%)

(50

ä

/Pr

OB

B)

B(

»/O

B p.«

OB

%)

(40

+

OB

M)

»(

«B

p. Prä

s

wa

rm Wa

ser

®

all

Cer

Abb. 9 | Wirkung vom pflanzlichen Präparat «B» auf mit Microdochium nivale befallenem Weizen-Saatgut in einem Klimakammer-Erdetest: Mittelwerte der Anzahl aufgelaufener Pflanzen und Standardfehler aus zwei Versuchen mit je drei Wiederholungen zu 100 ausgesäten Samen.

92

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 88–95, 2011


Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei Bio-Weizen | Pflanzenbau

40 Jahr 2009

Feldaufgang: Pfl./lm

30

20

10

0

40 Jahr 2010

Feldaufgang: Pfl./lm

30

20

10

0

olle

ntr

Ko

I

B ncO

%)

(50

Pr

B+

O Inc

M)

»(

«B od.

OB

%)

(50

od

/Pr

OB

/OB

» . «B

(B)

OB

%)

«B od.

r

+P

OB

M)

»(

(40

r

sse

wa

rm Wa

®

all

Cer

Abb. 10 | Wirkung vom pflanzlichen Präparat «B» auf mit Microdochium nivale befallenem WeizenSaatgut in den Feldversuchen der Jahre 2009 (Aussaat 10.11.2008) und 2010 (Aussaat: 21.10.2009) – Feldaufgang: Pflanzen pro Laufmeter – Mittelwerte und Standardfehler aus vier Wiederholungen. Verfahrensbeschreibung wie in Abb. 9.

wasserbehandlung (Abb. 10 und 11) und übertrafen erneut jene der Cerall®-Beizung. Die gute Wirkung ist nicht zuletzt auf die günstigeren Auflaufbedingungen zurückzuführen, denn dieser Versuch wurde drei Wochen früher gesät als im Vorjahr. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass bei Auflaufbedingungen mit höheren Temperaturen die Schäden durch den samenbürtigen M. nivale-Befall geringer ausfallen als bei tieferen Temperaturen (Haigh et al. 2008). Bei den Behandlungsvarianten mit Präparat «B» gab es zwischen den unterschiedlichen Haftmittelanwendungen keine Unterschiede. Ein getrenntes Auftra-

gen des Haftmittels und des Präparat «B»-Pulvers (Beschichtung) ergab keine Vorteile gegenüber der Applikation einer Suspension (Mischung) bestehend aus Haftstoff und Präparat «B». Im Gegensatz zum Feldversuch 2009, wurde im Versuch 2010 teilweise auch bei den Haftstoffvarianten ohne Präparat «B» ein signifikant verbesserter Pflanzenaufgang und erhöhter Ertrag beobachtet. Dies könnte möglicherweise auf den Priming-Effekt durch die Feuchtigkeitsaufnahme des Saatgutes zurückgeführt werden. Aus diesem Grund wird dieser Feldversuch ein weiteres Mal durchgeführt.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 88–95, 2011

93


Pflanzenbau | Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei Bio-Weizen

Jahr 2009

60

Körnerertrag kg/a

45

30

15

0 Jahr 2010

75

Körnerertrag kg/a

60 45 30 15 0

olle

ntr

Ko

)

50%

( OB

Inc

I

rod

+P

B ncO

B» .«

)

(M

)

50%

( OB

od.

/Pr

OB

«

/OB B»

(B)

)

B d. «

ro

+P

OB

)

» (M

40%

( OB

er

ass

w rm Wa

®

all

Cer

Abb. 11 | Wirkung vom pflanzlichen Präparat «B» auf mit Microdochium nivale befallenem WeizenSaatgut auf den Körnerertrag in den Feldversuchen der Jahre 2009 und 2010 – Mittelwerte aus vier Wiederholungen und Standardfehler. Zur besseren Sichtbarkeit sind die Skalen der beiden ­G rafiken unterschiedlich. Verfahrensbeschreibung wie in Abb. 9.

Schlussfolgerungen ••Bio-Weizen-Saatgut ist häufig so stark vom Krankheitserreger des Schneeschimmels, M. nivale, befallen, dass es die Keimfähigkeitsrate für eine Zertifizierung nicht erreicht. ••Mit einer Warmwasserbehandlung kann der M. nivale-Befall wirksam bekämpft werden. Doch wegen den hohen Rücktrocknungskosten konnte sich dieses Verfahren in der Praxis nicht durchsetzen. ••Mit dem Bakterienprodukt Cerall® wird nur eine Teilwirkung gegen den M. nivale-Saatgutbefall erreicht. ••Das hier als «B» bezeichnete pflanzliche Präparat hemmte in vitro sowohl die Sporenkeimung als auch das Myzelwachstum von M. nivale.

94

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 88–95, 2011

••Mit Pulver-Applikationen des Präparats «B» (Beschichtung oder Suspension) auf das Saatgut wurde in der Klimakammer und auch unter Freilandbedingungen eine signifikante Wirkung gegen M. nivale erzielt. Im Feld war sowohl der Pflanzenaufgang als auch der Ertrag im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle signifikant erhöht. ••Mit einer weiter verbesserten Formulierung könnte dieses Präparat für die Praxis eine realistische Bekämpfungsalternative zur Behandlung von Bio-Weizensaatgut werden. n


Lotta alternativa a Microdochium nivale nel frumento bio All'atto della certificazione delle sementi di frumento bio, spesso, non viene raggiunta la germinabilità richiesta. Non è raro che ciò sia dovuto a una forte infestazione di Microdochium nivale. Un trattamento a base di acqua calda permetterebbe di combattere efficacemente l'infestazione. Tuttavia, nella pratica questa procedura non è applicabile a causa dell'elevato dispendio energetico correlato all'essiccatura. Il prodotto biologico Cerall® per la concia delle sementi ha soltanto un'azione parziale contro M. nivale. Nello screening di laboratorio con diversi prodotti su base vegetale, un preparato («B») ha dato un risultato positivo in termini di azione inibitoria rispetto alla crescita miceliare di M. nivale. Anche in diversi esperimenti in vivo nella camera climatizzata e in altri sul campo è stato possibile dimostrare l'azione significativa di un trattamento delle sementi a base di preparato «B» in polvere, che ha determinato una migliore levata delle piante nonché una minore perdita di resa. La sfida sta nello sviluppare la formulazione cosicché il preparato «B» possa essere impiegato nei grandi impianti per la concia delle sementi.

Summary

Riassunto

Alternative Bekämpfung des Schneeschimmels (Microdochium nivale) bei Bio-Weizen | Pflanzenbau

Alternative control of snow mold (Microdochium nivale) in organic wheat For certification of organic wheat seed, the required germination capacity is often not achieved. This is frequently due to excessively high infestation with the snow mould pathogen Microdochium nivale. A warm-water treatment effectively controls infestation of seed. However, due to the high costs for redrying, this method has not caught on in practice. Dressing with the bacterial product Cerall® is only partially successful in controlling seed infestation with M. nivale. In a laboratory screening with various plant-based products, the preparation «B» showed a good inhibitory effect on the mycelial growth of M. nivale. Moreover, in several in vivo experiments in the climate chamber and in the field, the treatment of seed with powder from the preparation «B» demonstrated significant effects. The compound not only improved seedling emergence, but reduced also yield losses. The challenge is to develop the formulation to a point where the preparation «B» can be used as a product in large-scale dressing. Key words: organic disease control, seed borne diseases, seedling blight, snow mould.

Literatur ▪▪ Haigh I.M., Jenkinson P. & Hare M.C., 2008. The effect of a mixture of seed-borne Microdochium nivale var. majus and Microdochium nivale var. nivale infection on Fusarium seedling blight severity and subsequent stem colonisation and growth of winter wheat in pot experiments. European Journal of Plant Pathology 124 (1), 65–73. ▪▪ Hoffmann G.M. & Schmutterer H., 1999. Parasitäre Krankheiten und Schädlinge an Nutzpflanzen, 2. Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. 675 S. ▪▪ Johnsson L., Hökeberg M. & Gerhardson B., 1996. Performance of the Pseudomonas chlororaphis biocontrol agent MA 342 against cereal seedborne diseases in field experiments. European Journal of Plant Pathology 104 (7), 701 – 711. ▪▪ Obst A., 1993. Krankheiten und Schädlinge des Getreides, Verlag Th. Mann, Gelsenkirchen-Buer, 184 S. ▪▪ Winter W., Bänziger I., Rüegger A. & Krebs H., 1998. Weizensaatgut: Praxiserfahrung mit Warmwasserbehandlung. Agrarforschung 5 (3), 125–128.

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 88–95, 2011

95


K u r z b e r i c h t

Gesamtmelioration: multifunktional und ­nachhaltig Karin Bovigny-Ackermann, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern Auskünfte: Karin Bovigny-Ackermann, E-Mail: karin.bovigny@blw.admin.ch, Tel. +41 31 324 13 39

Hecken und Obstgärten prägen das Landschaftsbild von Boswil (AG). (Foto: BLW)

Boswil ist eine kleine Gemeinde im aargauischen Freiamt. Eine Gesamtmelioration berücksichtigt die verschiedenen Interessen von Raumplanung, Ökologie und Landwirtschaft. Im Herbst führte das Forum Meliorationsleitbild (vgl. Kasten) seine Fachexkursion im Kanton Aargau durch. Vertreter der Landwirtschaft, der Raumplanung, des Natur- und des Landschaftsschutzes trafen sich in Boswil, um vor Ort die Rolle und Möglichkeiten von Meliorationen zu diskutieren. Nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums Die Gemeinde Boswil liegt im aargauischen Freiamt, zwischen Wohlen und Muri, zwischen der Bünz (25 km langer Bach) und dem Lindenberg, auf knapp 460 Meter über Meer. 2400 Einwohner leben auf einer Gemeindefläche von 1178 Hektaren. Weiler, Hecken und Obstgärten prägen das Landschaftsbild. Die Landwirtschaft spielt nach wie vor eine wichtige Rolle.

96

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 96–97, 2011

Um die verschiedenen Nutzungsinteressen von Landwirtschaft, Raumplanung, Natur- und Landschaftsschutz unter einen Hut zu bringen, drängte sich das multifunktionale Raumordnungsinstrument der Gesamtmeliora-

Forum Meliorationsleitbild Seit 17 Jahren existiert das Forum Meliorationsleitbild. Diese Diskussionsplattform entstand 1994, als das Leitbild «Moderne Melio­ rationen als Chance» von einem interdisziplinär zusammengesetzten Ausschuss erarbeitet wurde. Ziel ist, die unterschiedlichen Interessen von Landwirtschaft, Raumplanung, Naturund Landschaftsschutz unter einen Hut zu bringen. Dabei soll vor allem der Dialog unter den interessierten Kreisen gefördert werden. Jedes Jahr wird eine Fachtagung organisiert.


Gesamtmelioration: multifunktional und ­n achhaltig | Kurzbericht

Abb. 1 | Die Bünz vor der Gesamtmelioration: kanalisiert…

tion auf. Diese beinhaltete sowohl ein Entwicklungskonzept für die Landschaft als auch eines für die Landwirtschaft und wurde innert kurzer Zeit realisiert (vgl. Kasten «Ablauf»). Die landwirtschaftliche Nutzungsfläche war auf viele kleine Parzellen verteilt, die eine sinnvolle Bewirtschaftung erschwerten. 730 alte Parzellen wurden zu 190 neuen zusammengelegt (vgl. Tabelle «Technische Kennzahlen»). Durch die Güterzusammenlegung und das Erstellen neuer Erschliessungswege konnten nicht nur eine sinnvolle Landwirtschaft und entsprechende Zonen, sondern auch das für Boswil charakteristische Landschaftsbild erhalten werden. Kurz: Das Ziel bestand in einer nachhaltigen Entwicklung des Lebensraums. Nicht nur die Bodennutzung wurde untersucht, sondern auch die einzelnen Landwirtschaftsbetriebe: Im Gespräch mit den Landwirten wurde der Ist-Zustand festgehalten und nach Entwicklungsmöglichkeiten gesucht. Dies floss als «LEILA» – ein raumplanerisches Novum – in den revidierten Kulturlandplan ein. Als LEILA werden mögliche landwirtschaftliche Entwicklungsstandorte bezeichnet (z.B. Freilandhaltung von Hühnern oder Erweiterung eines Schweinestalls). Der Kulturlandplan legt die Nutzung ausserhalb der Bauzonen fest und ist ebenso ver-

Technische Kennzahlen der Gesamtmelioration Boswil Fläche in Hektaren (davon 23 ha Wald)

736

Anzahl Grundeigentümer

214

Anzahl Landwirte

34

Anzahl Parzellen (alt)

730

Anzahl Parzellen (neu)

190

Pachtlandanteil

50 Prozent

Gesamtkosten

12 Millionen Franken

Davon Kosten Renaturierung der Bünz

2 Millionen Franken

Abb. 2 | und nachher: renaturiert. (Fotos: BLW)

Ablauf der Gesamtmelioration – 2001: Beginn der Arbeiten durch Kultur­ ingenieurbüro – Herbst 2003: Öffentliche Auflage des Neuzuteilungsentwurfs zusammen mit dem ­revidiertem Kulturlandplan – Juli 2005: Genehmigung des revidierten ­Kulturlandplans durch Aargauer Regierung – Ende 2010: Baulicher Abschluss des ­Verfahrens – 2011/2012: Administrativer Abschluss

bindlich wie ein Bauzonenplan. Er bezeichnet Nutzungszonen (Landwirtschaft, Kiesabbau usw.), Schutzzonen (Magerwiesen, Quellgebiete usw.) sowie Schutzobjekte (Hecken, Obstgärten usw.). Ökologische Aufwertung Auch aus ökologischer Sicht passierte im Rahmen der Gesamtmelioration einiges: 15 Quellgebiete gingen in den Besitz der öffentlichen Hand über und wurden speziell geschützt (Düngeverbot). Verschiedene Gräben und Bäche wurden auf einer Länge von 5 km revitalisiert. Teilweise wurden auch neue Bäche geöffnet, um die Gefahr des Oberflächenabflusses auf den Feldern zu bannen. Für die Renaturierung der Bünz wurde der nötige Landbedarf bereitgestellt. Sie konnte dadurch aus ihrem Kanalbett befreit werden (vgl. Abb1 und 2) und lädt nun zur Naherholung ein (unter anderem mit einer Kneipp-Anlage). Verschiedene Hecken und Hochstammobstbäume wurden neu angepflanzt. 15 Prozent des ­Gesamtmeliorationsperimeters sind ökologische Ausgleichsflächen. Einmalig ist auch die Anlegung eines Korridors für die Wildtiere. n

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 96–97, 2011

97


A k t u e l l

Aktuell Lehrstuhl für Kulturpflanzenwissenschaften an der ETH Zürich neu besetzt Anfang Februar 2011 übergab Emeritus Peter Stamp die Leitung der Professur für Kulturpflanzenwissenschaften an der ETH Zürich dem promovierten Biologen Achim Walter vom Forschungszentrum Jülich aus Deutschland. Mit seiner Pensionierung beendet Peter Stamp seine über zwanzigjährige erfolgreiche und vielseitige Forschungstätigkeit. Seine Verdienste und die seiner Mitarbeitenden für das bessere Verständnis der Kühletoleranz der thermophilen Kulturpflanze Mais sowie im Bereich der Wurzelforschung können nicht hoch genug geschätzt werden. Für Peter Stamp war Züchtungsforschung nicht Selbstzweck sondern orientiert am Nutzen für die praktische Landwirtschaft und damit für die weltweite Ernährungssicherung. Mit dem Pollenflugexperiment im Rahmen der NFP59 stärkte er bis heute die Position der Schweiz für die Ko-Existenzforschung im Umgang mit GV-Mais im Freiland. Mit seinem Fachwissen vertritt er auch die ETH in der Eidgenössischen Kommission für die Biologische Sicherheit. Peter Stamp engagierte sich u.a. in der Expertenkommission «Agroscope Changins Wädenswil» und als Präsident der langjährigen Aktion COST 814 für die Belange der Schweizer Forschung. Auf Hochschulebene war er massgeblich an der Weiterentwicklung der Studiengänge Agrar- und Lebensmittelwissenschaften beteiligt und arbeitete als Mitglied der beratenden Kommission der SHL Zollikofen an der Ausgestaltung der Studienrichtung Internationale Landwirtschaft mit. Sein Nachfolger Achim Walter setzt den Forschungsschwerpunkt auf die Weiterentwicklung optischer Methoden zur nichtinvasiven Analyse von Kulturpflanzen. Diese Methoden reichen von der Analyse des Wachstums einzelner Blätter und Wurzeln in Echtzeit, über die computertomographische Analyse des Wurzelwachstums in ungestörtem Boden bis hin zur Fernerkundung von Züchtungspopulationen aus der Luft. For-

98

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 98–103, 2011

schungsschwerpunkte sind die Analyse des Wachstums und der Architektur von Kulturpflanzen sowohl im Spross als auch im Wurzelbereich, die optische Analyse von Pflanzeninhaltsstoffen, sowie die Reaktion der Pflanzen auf Umweltstress. Ziel der Forschung ist, neue Methoden für ein verbessertes Verständnis von Wachstum, Architektur und Inhaltstoffen der Pflanze für die Züchtung nutzbar zu machen. Die Methoden werden daher in enger Zusammenarbeit mit Molekularbiologen, Genetikern und praktischen Züchtern etabliert. Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten die Molekularbiologie und die Genomanalyse die Pflanzenforschung dominiert haben, verspricht die quantitative Analyse phänotypischer Eigenschaften von Nutzpflanzen grosse Fortschritte bei der Überführung des Grundlagenwissens aus der Molekularbiologie in die landwirtschaftliche Praxis. Damit soll zukünftig eine effizientere Selektion in Züchtungsprogrammen erreicht werden, die einen ressourcenschonenderen Anbau ermöglichen und den neuen Bedürfnissen der Gesellschaft nach verbesserter Nahrungsmittelqualität Rechnung tragen.


A k t u e l l

Neue Publikationen

Ein- und Ausstieg im Biolandbau

Vielfältige Biodiversitäts- Forschung ART-Schriftenreihe 14 |

November 2010

Ein- und Ausstieg im Biolandbau

Vielfältige BiodiversitätsForschung

|

ART-Schriftenreihe 13 | Oktober 2010

Ali Ferjani, Linda Reissig und Stefan Mann

ART-Schriftenreihe 13 Noch vor zehn Jahren galt als sicher, dass immer mehr Betriebe sich für den Biolandbau entscheiden würden. Doch seit einigen Jahren ist die Anzahl biologisch wirtschaften derBetriebe in der Schweiz rückläufig; die Fläche des Biolandbaus stagniert. Das vorliegende Buchgeht auf der Grundlage einer breit angelegten Umfrage unter Bio-Einsteigern, Bio-Aussteigern und anderen landwirtschaftlichen Betrieben den Ursachen für diese Entwicklung nach Besonderes Gewicht wird dabei auf Ackerbaubetriebe gelegt,die sich in nur wenigen Fällen für biologische Produktionsweise entscheiden. Eine Umfrage unter Landwirtschaftsschülern- und -schülerinnen zu ihrer Einstellung zum Biolandbau rundet denBandab. Ali Ferjani, Linda Reissig und Stefan Mann, ART

Redaktion: Atlant Bieri

ART-Schriftenreihe 14 Biodiversität bedeutet die Vielfalt des Lebens auf der Erde mit allen ihren Funktionen und Interaktionen. Es ist ein reichhaltiger, lebendiger Schatz, der viele für uns lebenswichtige Funktionen erfüllt. Doch leider ist er auch bedroht. Durch die intensive Bewirtschaftung leidet beispielsweise die Vielfalt der Pflanzen- und Tier­ arten stark. Darum ist der Bund seit den 90er Jahren bestrebt, dieser Verarmung entgegenzuwirken. Allerdings ist die Wiederherstellung dieser Vielfalt keine leichte Aufgabe und mit viel Aufwand verbunden, wie die Forschung von ART zeigt. Besonders bedroht ist die Ackerbegleitflora. Der Einsatz von Herbiziden und Düngemittel sowie das Verschwinden von Saum- und Grenzstrukturen sind wichtige Gründe dafür. Darum forscht ART an Methoden, wie sie heute wieder gefördert und geschützt werden können und wie Naturschutz mit der Produktion von Nahrungsmitteln in Einklang gebracht werden kann. Ferner engagiert sich ART im Biolandbau. Mit der Hilfe der Forschungsanstalt wandelte sich der Zürcher Huebhof Anfang der 90er Jahre in einen «biodiversen» Betrieb um. Mit der vielfältigen Forschung versucht ART der Komplexität der Biodiversität besser gerecht zu werden. ART leistet einen signifikanten Beitrag zum Schutz, zur Förderung und zur Nutzung der Biodiversität im landwirtschaftlichen Raum. Atlant Bieri. ART

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 98–103, 2011

99


Aktuell

ART-Bericht 730

Melkstandtechnik auf Schweizer Milchviehbetrieben Beurteilung aus Sicht der Praxis

Juni 2010

Melkstandtechnik auf Schweizer Milchviehbetrieben

Autorinnen und Autoren Pascal Savary, Frauke Korth, Maren Kauke, ART pascal.savary@art.admin.ch Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch

ART-Bericht 731

Physische Arbeitsbelastung auf Schweizer Milchviehbetrieben Beurteilung aus Sicht des Landwirts

Juli 2010

Physische Arbeitsbelastung auf Schweizer Milchviehbetrieben

Autorinnen und Autoren

Tandem- und Autotandem-Melkstände sind auch in Zukunft in der Schweiz sehr beliebt.

Im Rahmen einer Umfrage bei Schweizer Milchviehhaltenden wurden die Verbreitung von Melkstandformen, deren technische Ausstattung sowie Gründe für Kaufentscheide und Zufriedenheit mit der Melktechnik analysiert. In der Schweiz bleiben Tandem- und Autotandem-Melkstände die häufigste Melkstandform, gefolgt von FischgrätenMelkständen. Die Umfrage zeigt aber, dass für Betriebe, die eine Investition in neue Melktechnik planen, zunehmend auch automatische Melksysteme sowie Melkkarusselle interessant werden.

Bei der technischen Ausstattung des Melkstands spielen insbesondere die Milchmengenmessung sowie eine automatische Melkzeugabnahme eine wichtige Rolle. Während der Warteraum weit verbreitet ist, kommen mechanische Nachtreibehilfen kaum zum Einsatz. Diese werden in Zukunft jedoch verstärkt eingesetzt. Generell waren die befragten Landwirtinnen und Landwirte mit ihrer Melktechnik und insbesondere mit dem Kundendienst zufrieden. Letzterer spielt bei der Kaufentscheidung die wichtigste Rolle.

ISSN 1661-7568

ART-Bericht 730 Im Rahmen einer Umfrage bei Schweizer Milchviehhaltenden wurden die Verbreitung von Melkstandformen, deren technische Ausstattung sowie Gründe für Kaufentscheide und Zufriedenheit mit der Melktechnik analysiert. In der Schweiz bleiben Tandem- und Autotandem-Melkstände die häufigste Melkstandform, gefolgt von Fischgräten- Melkständen. Die Umfrage zeigt aber, dass für Betriebe, die eine Investition in neue Melktechnik planen, zunehmend auch automatische Melksysteme sowie Melkkarusselle interessant werden. Bei der technischen Ausstattung des Melkstands spielen insbesondere die Milchmengenmessung sowie eine automatische Melkzeugabnahme eine wichtige Rolle. Während der Warteraum weit verbreitet ist, kommen mechanische Nachtreibehilfen kaum zum Einsatz. Diese werden in Zukunft jedoch verstärkt eingesetzt. Generell waren die befragten Landwirtinnen und Landwirte mit ihrer Melktechnik und insbesondere mit dem Kundendienst zufrieden. Letzterer spielt bei der Kaufentscheidung die wichtigste Rolle. Pascal Savary, Frauke Korth, Maren Kauke, ART

Maren Kauke, Frauke Korth, Pascal Savary, ART maren.kauke@art.admin.ch Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Melken kann auch in modernen Melkständen körperlich belastend sein.

Trotz zunehmender Technisierung und Automatisierung sind Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems bei Milchviehhaltenden weit verbreitet. Über die Ursachen ist jedoch bislang wenig bekannt. Die Belastungssituation auf Schweizer Milchviehbetrieben wurde mittels Fragebogen erfasst, der an 2000 zufällig ausgewählte Betriebe mit Laufstallhaltung versandt wurde. Die Rücklaufquote betrug 53 %. Die Kernfragen bezogen sich auf den Gesundheitszustand sowie auf die als belastend empfundenen Tätigkeiten in der Milchviehhaltung allgemein und insbesondere beim Melken. 68,7 % der Milchviehhaltenden, welche die Umfrage beantworteten, gaben an, regel-

mässig unter Beschwerden des MuskelSkelett-Systems zu leiden. Als besonders belastend in der Milchviehhaltung allgemein werden das Füttern (32 %), die Boxenpflege (20 %) und die Klauenpflege (9 %) empfunden. Melken wird häufig als wenig anstrengend beurteilt und 32 % der Befragten machten keine Angaben darüber, welche Tätigkeit sie als am belastendsten empfinden. Das Melken in separate Kannen beziehungsweise deren manueller Transport nannten 18 %, 14 % gaben das Ansetzen der Melkzeuge als anstrengend an. Über 80 % der Landwirtinnen und Landwirte arbeiten gerne im Melkstand.

ART-Bericht 731 Trotz zunehmender Technisierung und Automatisierung sind Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems bei Milchviehhaltenden weit verbreitet. Über die Ursachen ist jedoch bislang wenig bekannt. Die Belastungssituation auf Schweizer Milchviehbetrieben wurde mittels Fragebogen erfasst, der an 2000 zufällig ausgewählte Betriebe mit Laufstallhaltung versandt wurde. Die Rücklaufquote betrug 53 %. Die Kernfragen bezogen sich auf den Gesundheitszustand sowie auf die als belastend empfundenen Tätigkeiten in der Milchviehhaltung allgemein und insbesondere beim Melken. 68,7 % der Milchviehhaltenden, welche die Umfrage beantworteten, gaben an, regelmässig unter Beschwerden des Muskel- Skelett-Systems zu leiden. Als besonders belastend in der Milchviehhaltung allgemein werden das Füttern (32 %), die Boxenpflege (20 %) und die Klauenpflege (9 %) empfunden. Melken wird häufig als wenig anstrengend beurteilt und 32 % der Befragten machten keine Angaben darüber, welche Tätigkeit sie als am belastendsten empfinden. Das Melken in separate Kannen beziehungsweise deren manueller Transport nannten 18 %, 14 % gaben das Ansetzen der Melkzeuge als anstrengend an. Über 80 % der Landwirtinnen und Landwirte arbeiten gerne im Melkstand. Maren Kauke, Frauke Korth, Pascal Savary, ART

100

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 98–103, 2011


Aktuell

ART-Bericht 732

Das Ende der Milchkontingentierung Entwicklungen auf dem Schweizer Milchmarkt

Das Ende der Milchkontingentierung

Juli 2010

Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch

Maschinenkosten 2010 Mit Kostenansätzen für Gebäudeteile und mechanische Einrichtungen

September 2010

Autorinnen und Autoren Miriam Gairing, Stefan Mann und Matthieu Stigler, ART miriam.gairing@art.admin.ch

Maschinenkosten 2010

ART-Bericht 733

Autoren Abb. 1: Auch der Käsemarkt verändert sich durch die Aufhebung der Milchkontingen­ tierung.

Die Aufhebung der Milchkontingentierung per 1. Mai 2009 stellt Milchproduzentinnen und -produzenten sowie milchverarbeitende Betriebe vor neue Herausforderungen. Dazu gehört auch die Vertragspflicht für den Verkauf der Milch an Erstmilchkäufer. Für diese Abnahmeverträge gibt es unterschiedliche Detailgrade: Viele Molkereien nehmen eine fixierte Menge ab. Insbesondere Käsereien legen jedoch neben einer A-Menge auch noch

eine zusätzliche B-Menge zu einem niedrigeren Preis fest. Die Kündigungsfristen liegen zwischen drei und zwölf Monaten. In etwa der Hälfte aller Fälle wird neben der Kündigungsfrist auch die Geltungsdauer eines festgelegten Preises definiert – in der Regel ebenfalls drei bis zwölf Monate. Bei den Milchpreisen sind die regionale Lage und die Siloverzichtzulage als Ursachen systematischer Unterschiede auszumachen.

ISSN 1661-7568

ART-Bericht 732 Die Aufhebung der Milchkontingentierung per 1. Mai 2009 stellt Milchproduzentinnen und -produzenten sowie milchverarbeitende Betriebe vor neue Herausforderungen. Dazu gehört auch die Vertragspflicht für den Verkauf der Milch an Erstmilchkäufer. Für diese Abnahmeverträge gibt es unterschiedliche Detailgrade: Viele Molkereien nehmen eine fixierte Menge ab. Insbesondere Käsereien legen jedoch neben einer A-Menge auch noch eine zusätzliche B-Menge zu einem niedrigeren Preis fest. Die Kündigungsfristen liegen zwischen drei und zwölf Monaten. In etwa der Hälfte aller Fälle wird neben der Kündigungsfrist auch die Geltungsdauer eines festgelegten Preises definiert – in der Regel ebenfalls drei bis zwölf Monate. Bei den Milchpreisen sind die regionale Lage und die Siloverzichtzulage als Ursachen systematischer Unterschiede auszumachen.

Christian Gazzarin und Gregor Albisser, ART christian.gazzarin@art.admin.ch Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch

Die Neupreise wurden im diesjährigen Maschinenkostenbericht umfassend überarbeitet (Fotos: Lorenz Dürr, Christian Gazzarin, ART).

Die vorliegende Datensammlung enthält Grundlagen und Richtwerte für die Ent­ schädigung überbetrieblich eingesetzter Landmaschinen. Die Entschädigungsansät­ ze sind ausdrücklich als Richtwerte zu ver­ stehen. Sie sind kalkulatorische Grössen, die unter den getroffenen Annahmen eine kostendeckende Benutzung der Maschine erlauben. Die Arbeitsleistungen beziehen sich nur auf die effektive Feldarbeitszeit; entsprechend sind Stör­, Rüst­ und Weg­ zeiten (ausser Transportgeräte) nicht be ­ rücksichtigt.

Die Entschädigungsansätze gelten pro Arbeitsdurchgang. Für Kostenberechnungen im Einzelfall sind die Annahmen der konkreten Betriebssi­ tuation entsprechend anzupassen. In der Praxis sind die effektiv geltenden Entschä­ digungsansätze zudem durch Angebot und Nachfrage bestimmt, sodass sich mehr oder weniger grosse Abweichungen zu den ART­Ansätzen ergeben.

ISSN 1661-7568

ART-Bericht 733 Die vorliegende Datensammlung enthält Grundlagen und Richtwerte für die Entschädigung überbetrieblich eingesetzter Landmaschinen. Die Entschädigungsansätze sind ausdrücklich als Richtwerte zu verstehen. Sie sind kalkulatorische Grössen, die unter den getroffenen Annahmen eine kostendeckende Benutzung der Maschine erlauben. Die Arbeitsleistungen beziehen sich nur auf die effektive Feldarbeitszeit; entsprechend sind Stör-, Rüst- und Wegzeiten (ausser Transportgeräte) nicht berücksichtigt. Die Entschädigungsansätze gelten pro Arbeitsdurchgang. Für Kostenberechnungen im Einzelfall sind die Annahmen der konkreten Betriebssituation entsprechend anzupassen. In der Praxis sind die effektiv geltenden Entschädigungsansätze zudem durch Angebot und Nachfrage bestimmt, sodass sich mehr oder weniger grosse Abweichungen zu den ART-Ansätzen ergeben.

Miriam Gairing, Stefan Mann und Matthieu Stigler, ART Christian Gazzarin und Gregor Albisser, ART

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 98–103, 2011

101


Aktuell

bei M e d i e n m i t t e i l u n gEnergiebedarf en ART-Bericht 735

Energiebedarf bei Heizung und Lüftung mehr als halbieren

Energiesparen im Stall ist nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll

Oktober 2010

Heizung und Lüftung mehr als halbieren

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 22.09.2010 / ART Im Netz der Pilze Autoren

Ludo Van Caenegem, Gallus Jöhl, Markus Sax, Alina Soltermann, ART Impressum

Zürich ist zur Pilzhauptstadt der Schweiz avanciert. Heute wurde am Stadtrand die erste nationale Sammlung unterirdischer Knäuelpilze eröffnet. Pilzfäden halten das Leben auf der Erde zusammen. Denn sie liefern Bäumen, Gräsern und Nutzpflanzen überlebenswichtige Nährstoffe. Wegen ihrer enormen Bedeutung für das Ökosystem eröffnete heute die landwirtschaftliche ForschungsART-Bericht 735 anstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART die erste Der Jahresenergiebedarf in genannten Schweineställen wird aufeine 90 nationale Sammlung der so Knäuelpilze, Millionen Kilowattstunden für die Heizung und 40 MilliGruppe der Mykorrhizapilze. onen Kilowattstunden für die Lüftung geschätzt. Mo19.09.2010 / SNG dellrechnungen und praktische Versuche an der ForEquus helveticus – Ein weiterer Grosserfolg für ART das schungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon Schweizer zeigen, dassPferd sich der Energiebedarf durch verschiedene Die zweite Ausführung neuen Pferdefestivals Equus Massnahmen drastisch des reduzieren lässt. Untersucht helveticus während vier Tagenvon (16.Wärmedämmung, – 19. September wurde daszog Energiesparpotenzial 2010) 20 000 PersonenErdwärmenutzung an und war ein Grosserfolg. Familien, Luftratenregelung, und WärmerückReiter und Züchter aus der ganzen Schweizund und Geflügeldem Ausgewinnung aus der Abluft in Schweineland bewunderten 1000 für Pferde sämtlichen mastställen. Da dieüber Lüftung deninHauptteil derexistieWärrenden Pferdesportund Pferdezuchtdisziplinen. Das Pfermeverluste verantwortlich ist, hat sie ein grösseres defestival Equus helveticus Avenches Dies ein Energiesparpotenzial als die bescherte Wärmedämmung. einmaliges Wochenende. bedeutet jedoch nicht, dass bei Neubauten auf eine sehr gute Wärmedämmung verzichtet werden soll. Diese ist 16.09.2010 / ART bei richtiger Bauweise mit geringen Mehrkosten verbunAmmoniak aus Ställen auf der Spur den. Die einfachste Energiesparmassnahme besteht Laufställe sind bedeutende von Ammoniak. Jetzt darin, nicht mehr zu lüftenQuellen als notwendig ist. Versuche zeigen im Sommer zeigen,Messungen, dass durch dass eineAmmoniakemissionen gut eingestellte CO2-Steuerung besonders hoch sind. Kühe produzieren eine Menge Kot und Harn, die oft mehrere Stunden auf den Laufflächen liegen. Dabei entweicht Ammoniak. Das Problem: Der Landwirtschaft geht viel wertvoller Stickstoffdünger verloren, weil er sich buchstäblich in die Luft verflüchtigt. M e d i e ninm t e i l u n gkommt e n schliesslich mit dem Ammoniak deri tAtmosphäre Regen auf die Erdoberfläche und belastet dort als Stickstoff¬dünger empfindliche Ökosysteme. Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART

Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Abb. 1: Mit Wärmedämmung, CO2-gesteuerter Lüftung, Erdwärmenutzung und Wärmerückgewinnung lässt sich der Heizenergiebedarf drastisch reduzieren.

Der Jahresenergiebedarf in Schweineställen wird auf 90 Millionen Kilowattstunden für die Heizung und 40 Millionen Kilowattstunden für die Lüftung geschätzt. Modellrechnungen und praktische Versuche an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART zeigen, dass sich der Energiebedarf durch verschiedene Massnahmen drastisch reduzieren lässt.

Untersucht wurde das Energiesparpotenzial von Wärmedämmung, Luftratenregelung, Erdwärmenutzung und Wärmerückgewinnung aus der Abluft in Schweine- und Geflügelmastställen. Da die Lüftung für den Hauptteil der Wärmeverluste verantwortlich ist, hat sie ein grösseres Energiesparpotenzial als die

neben vielen angesprochenen aktuellen Themen auch zahlreiche Aprikosensorten vorgestellt werden. Agroscope ACW bewertet an ihrem Standort in Conthey derzeit 120 Aprikosensorten, die in der Zeit von Mitte Juni bis Ende September geerntet werden können.

09.09.2010 / ART Identitäts-Chip die Luftrate ständig amdem Ohrmomentanen Bedarf angepasst Das werden Leben kann. einesWeitere Schweins bedeutende könnte in EnergiesparmassZukunft von der Geburt nahmenbis sind zurmöglich Schlachtung durchmittels Nutzung elektronischen von Erdwärme Ohrmarund Wärmerückgewinnung ken rückverfolgt werden.aus Dieder Technologie Abluft. Mit dazu der muss Wärmenoch entwickelt rückgewinnung werden. lässt sich der Heizbedarf am meisten reduzieren. Die eingesparte Energiemenge hängt jedoch 31.08.2010 / ART sehr stark vom thermischen Wirkungsgrad des WärmeLandwirtschaftliche Einkommen sinken tauschers unter Praxisbedingungen ab. 2009 Ausserdem Die wirtschaftliche Situation landwirtschaftlichen nimmt der Strombedarf für dieder Lüfter wegen des höheBetriebe ist 2009 weniger gut als 2008. Sowohl landren Luftwiderstands zu. Es sollten deshalb bei das Wärmewirtschaftliche je Betrieb als auch der Arbeitstauschern nur Einkommen energieeffiziente Lüftersteuerungen einverdienst Familienarbeitskraft gehen zurück. Dies gesetzt je werden. Energiesparmassnahmen sindzeigen nur die definitiven Ergebnisse der Zentralen Auswertung von wirtschaftlich, wenn die dafür notwendigen InvestitioBuchhaltungsdaten dererwartenden Forschungsanstalt Agroscope nen innerhalb der zu Lebensdauer abgeReckenholz-Tänikon ART. 2009 dasdass landwirtschaftschrieben werden können. Diesbeträgt bedingt, durch richliche Dimensionierung, Einkommen je Betrieb 60 300 Franken gegenüber tige Ausführung und Handhabung 64 100 Franken im Vorjahr (-6,0 %). Der durchschnittliche das theoretische Energiesparpotenzial auch ausgeArbeitsverdienst schöpft wird. je Familienarbeitskraft sinkt im Vergleich zu 2008 um 1,3 % (von 41 700 Franken auf 41 200 Franken). Ludo Van Caenegem, Gallus Jöhl, Markus Sax und Alina Soltermann, ART

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen

13.09.2010 / ACW 27.01.2011 / ACW Agroscope ACW bewertet 120 Aprikosensorten, die zwischen Galiwa – neuer, Juni und süsser September Schweizer geerntet Öko-Apfel wurden

Das Bei Äpfeln Aprikosenfest fehlte bisher vom 6 eine bis 8.süsse August Sorte, 2010 dieinden Saxon Angrifhat viele fen des tausend Schorfpilzes Menschen trotzen angelockt. kann. Eine In diesem solcheRahmen Sorte wäre hat das besonders kantonale im Bio-Anbau Amt für Obstbau heiss begehrt. im WallisDie in Apfelzüchter Zusammenarbeit der Forschungsanstalt mit der Forschungsanstalt Agroscope Agroscope Changins-Wädenswil ChanginsACW Wädenswil haben ACW nun einen einen solchen gemeinsamen Apfel entwickelt. Informationstag Er heisst «Galiwa» organisiert. undAnlässlich ist süss, rot dieser und –Veranstaltungen eben – schorfresistent. konnten

102

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 98–103, 2011

23.12.2010 / ART Die Macht der Untermieter Milben vermehren sich schnell und richten in der Landwirtschaft viel Schaden an. Darum schauen Forschende jetzt in ihr Inneres. Dort nämlich könnten sich ihre grössten Feinde verstecken.


Aktuell

Veranstaltungen

Internetlinks

Internationales Jahr des Waldes 2011 www.wald2011.ch Die UNO hat 2011 zum Internationalen Jahr des Waldes erklärt. www.wald2011.ch ist die offizielle Website der Schweiz zu diesem Jahr. Rund ein Drittel der Schweizer Landesfläche ist bewaldet. Mehr als ein Drittel davon wirkt als Schutzwald gegen Naturgefahren. Die Bevölkerung nutzt den Wald mit Vorliebe für den Ausgleich in der Freizeit. Dank dem Gesetz wird der Schweizer Wald naturnah und nachhaltig bewirtschaftet, damit seine Leistungen auch den künftigen Generationen zur Verfügung stehen.

Februar 2011 24. – 27.02.2011 Agroscope an der Tier & Technik Forschungsanstalten Agroscope ACW, ALP und ART St. Gallen 25.02.2011 9. Schweizer Obstkulturtag 2011 ACW, Agridea, NWW, Obstverbände SG und TG, SKOF, SOV, Swisscofel St. Gallen März 2011 03.03.2011 Unsere Saatgutproduktion – fit auch in der Zukunft Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Zürich-Reckenholz 23. – 24.03.2011 3. Tänikoner Melktechniktagung Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon

Vor schau März 2011 / Heft 3 Invasive Neophyten – Ankömmlinge aus anderen Kontinenten – passen sich an ihre neue Umgebung an und können das Gleichgewicht der Biodiversität empfindlich stören. Japanknöterich bevorzugt Uferbereiche an ­G ewässern und kann Erosion an den Ufern verursachen. (Foto: Carole Parodi, ACW)

••Invasive Pflanzen – wie weiter?, C. Bohren ACW ••Bodenfruchtbarkeit und Produktivität der Kulturen: mittelfristige Auswirkungen von organischen Einträgen und einer pfluglosen Bodenbearbeitung, A. Maltas et al. ACW ••Geruchskonzentration und -emission von Milchvieh­ ställen mit Laufhof, M. Keck et al. ART und EMPA Dübendorf ••Genetische Vielfalt in der Eringerpopulation, C. Flury und P. Rieder SHL

April 2011 02.04.2011 Tag der Pferdezucht 2011 Schweizerisches Nationalgestüt SNG Avenches 05.04.2011 6. Bioforschungstagung Agroscope und FiBL Wädenswil 07.04.2011 AGFF-Frühlingstagung ART, Inforama, Profi-Lait Zollikofen Mai 2011 11.05.2011 2nd Swiss FoodTech Day Swiss Food Research Sisseln

••Agroforstwirtschaft in der Schweiz, A. Kaeser et al. ART ••Liste der empfohlenen Sorten Maissorten für die Ernte 2011

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 2 (2): 98–103, 2011

103


Mittwoch/Donnerstag, 23./24. März 2011

3. Tänikoner Melktechniktagung

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, CH-8356 Ettenhausen TG

Thema: Optimierte Milchgewinnung • Monitoring, Diagnostik und Effizienz • Sensorik, Zitzengummi • Vakuum, AMS, Melkstandtechnik

Ort: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART CH-8356 Ettenhausen TG

Siehe Programm unter: www.agroscope.ch/veranstaltungen

Anmeldung: Online unter www.agroscope.ch/veranstaltungen oder an: diana.niederer@art.admin.ch

www.agroscope.ch

Anmeldeschluss: 4. März 2011

AGrAr ForSchUNG Schweiz recherche AGroNomiqUe SUiSSe

Aktuelle Forschungsergebnisse für Beratung und Praxis: Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal im Jahr Forschungsergebnisse über Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft, Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und Gesellschaft. Agrarforschung ist auch online verfügbar unter: www.agrarforschungschweiz.ch

NEU

Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe! Name/Firma Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Partner der zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirtschaft, die Schweizerische hochschule für Landwirtschaft ShL, die Beratungszentralen AGriDeA, die eidgenössische Technische hochschule eTh zürich, Departement Agrarund Lebensmittelwissenschaften und Agroscope, die gleichzeitig herausgeberin der zeitschrift ist. Die zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenössische Ämter und an weitere Fachinteressierte.

Vorname Strasse/Nr PLZ/Ort Beruf E-Mail Datum Unterschrift Talon einsenden an: Redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00 E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch | www.agrarforschungschweiz.ch


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.