Agrarforschung Schweiz, Heft 11+12, November-Dezember 2014

Page 1

AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ 2 0 1 4

|

H e f t

1 1 – 1 2

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich | FiBL

N o v e m b e r – D e z e m b e r

Nutztiere

Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe Seite 444

Umwelt

Treibhausgasemissionen aus der ­schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft Seite 458

Pflanzenbau

Erdmandelgras: Mais als mögliche ­Sanierungskultur Seite 474


Inhalt November–Dezember 2014 | Heft 11–12 In der Mutterkuhhaltung ist eine optimale Fütterung wichtig. Versuche von Agroscope zeigten, dass je nach Art der Fütterung – Trocken- oder Feuchtration – und je nach Rasse der Mutterkühe, das Futter unterschiedlich verwertet wurde. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)

443 Editorial Nutztiere V 444 erzehr einer Feucht- oder Trockenration

durch Mutterkühe Isabelle Morel und Adrien Butty

Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der ­landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB; Institut für Nutztierwissen­schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits­wissenschaften INH), www.agroscope.ch b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.ch b Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Z­ ollikofen, www.hafl.ch b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch b Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, www.fibl.org Redaktion Leitung und deutsche Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 58 466 72 21, Fax +41 58 466 73 00 Französische Redaktion Sibylle Willi, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 57 Stellvertretung Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 82

Nutztiere Wirkung von Konservierungsmitteln bei 452

­Feuchtheu Ueli Wyss Umwelt Treibhausgasemissionen aus der 458

s­ chweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft Daniel Bretscher, Sabrina Leuthold-Stärfl, Daniel Felder und Jürg Fuhrer Pflanzenbau Mit Rhabarber, Faulbaum und 466

Gerbstoffen­­gegen Fusarien und ­Mykotoxine in Weizen Hans-Rudolf Forrer et al. Pflanzenbau Erdmandelgras: Mais als mögliche 474

­Sanierungskultur Martina Keller, René Total, Jürgen Krauss und Reto Neuweiler

E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili und Sibylle Willi (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), ­Brigitte Dorn (ETH Zürich), Thomas Alföldi (FiBL).

Pflanzenbau Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für 482

den B ­ etriebsvergleich im Obstbau

Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch, Fax +41 58 466 73 00 Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

Esther Bravin, Johannes Hanhart, Dante Carint und Dominique Dietiker 490

Kurzbericht Die Zukunft der Wiesen in Europa –

25. Tagung der europäischen ­Vereinigung für Grasland Ueli Wyss 492 Interview 494 Aktuell 499 Veranstaltungen Sortenlisten Schweizerische Liste für Kartoffeln 2015 Beilage Ruedi Schwärzel et al.


Editorial

Erneuerung der Vereinbarung von Agrarforschung Schweiz Jean-Philippe Mayor, Verantwortlicher der Zeitschrift Agrarforschung Schweiz und Leiter C ­ orporate Communication Agroscope CCA

«Eine Gesellschaft ohne Gedächtnis reduziert die Zeit auf eine Abfolge zusammenhangsloser Augenblicke, die vorbeiziehen und verschwinden. Sie zerstört damit die Geschichtlichkeit und nimmt den Alten ihre Identität und den Jungen ihre Zugehörigkeit. Boris Cyrulnik

Die Zeitschrift Agrarforschung Schweiz erscheint seit Januar 2010. Die Vereinbarung zwischen Agroscope (Herausgeberin) und den Partnerinstitutionen (Abb. 1) wurde am 23. Juni 2014 erneuert, und wir danken diesen Einrichtungen für ihr Vertrauen. Zur Erinnerung: Seit Mai 2014 beteiligt sich auch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Unsere Zeitschrift Agrarforschung Schweiz hat den Auftrag, einen Beitrag zur Information und Entwicklung der ländlichen Gesellschaft im Allgemeinen und der technischen und wissenschaftlichen Gemeinschaft im Speziellen zu leisten. Sie erfüllt diese Aufgabe, indem sie Knowhow und Kompetenzen schafft, prüft und bereitstellt, und damit die Agrarwelt verständlicher macht, und indem sie einen kritischen Blick auf das Wesen der Gesellschaft richtet. Agroscope und ihre Partnerinstitutionen verbinden wissenschaftliche Theorie und pragmatisches Wissen zu disziplinübergreifenden Themen und Fragen (Geowissenschaften, Life Sciences, Ökologie usw.). Die Kluft zwischen Wissenschaft und Gesellschaft schliesst sich langsam, auch dank der Zeitschrift Agrarforschung Schweiz, die einen solchen Wissenstransfer fördert. Die Umfrage zur Leserzufriedenheit der Zeitschrift im Jahr 2013 fiel mit einem hohen durchschnittlichen Zufriedenheitsgrad erfreulich aus (siehe Editorial Agrarforschung Schweiz 5 (7 – 8), S. 271, 2014). Auch konnte bei der Agrarforschung Schweiz die bei Printmedien stattfindende Erosion der Abonnemente stabilisiert werden, während die Zahl der Online-Abonnemente kontinuierlich zugenommen hat. Wir freuen uns deshalb, Sie bei dieser Gelegenheit auch darüber informieren zu können, dass demnächst eine iPad/iPhone- und Smartphone-Version der Zeitschrift erscheinen wird. Das Redaktionsteam hinter den Kulissen Dank der Erneuerung unserer Vereinbarung kann in den nächsten Jahren ein motiviertes Redaktionsteam (Abb. 2) weiterhin mit Engagement den Auftrag der Zeitschrift erfüllen. Es stellt sich dabei in den Dienst der Gesellschaft, der Landwirtschaft und der Forschung, vor allem aber in Ihren Dienst, liebe Leserinnen und Leser.

Abb. 1 | Die Partnerinstitu­t ionen: ­A grar­f orschung Schweiz (J.-P. Mayor), BLW ­ (B. Lehmann), HAFL (M. Schindler), Agridea (U. Ryser), Agroscope (M. Gysi), FiBL (D. Barjolle) und ETHZ (E. Frossard, abwesend).

Abb. 2 | Das Redaktionsteam: Judith Auer1, Sibylle Willi1, Beat Huber2 , Evelyne Fasnacht1, Andrea Leuenberger-Minger1, Thomas Alföldi3, Erika Meili1, Esther Weiss 4 , Karin Bovigny 5 und Jean-Philippe Mayor1 (vorne). 1

Agroscope, 2HAFL, 3FiBL, 4Agridea, 5OFAG

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 443, 2014

443


N u t z t i e r e

Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe Isabelle Morel1 und Adrien Butty2 Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz 2 Institut für Agrarwissenschaften, ETH Zürich, 8092 Zürich, Schweiz Auskünfte: Isabelle Morel, E-Mail: isabelle.morel@agroscope.admin.chmailto:,Tel. +41 58 466 72 46

1

Die Mutterkühe der Herde gehören zu den Rassen Angus, Limousin oder zur Kreuzung aus ­L imousin x Red Holstein. (Foto: Isabelle Morel, Agroscope)

Einleitung Zur Entwicklung eines Modells für die Schätzung des Futterverzehrs von Mutterkühen wurde der Einfluss der Rationsbeschaffenheit auf den Verzehr untersucht. Die meisten Daten zum Futterverzehr der von 2004 bis 2012 in Posieux gehaltenen Mutterkuhherde wurden mit Mischrationen aus Grassilage und Heu erhoben. Um die Datengrundlage zu erweitern, wurden in einem Versuch zwei isoenergetische Rationen miteinander verglichen: Eine der beiden bestand aus Grassilage und Heu, die andere ausschliesslich aus Heu oder Emd (Abb. 1). Der Versuch erfolgte während der ersten Laktationshälfte mit Mutterkühen dreier genetischer Typen. Der potenzielle Einfluss der Rationsbeschaffenheit kann gegebenenfalls in das neue Modell integriert werden.

444

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 444–451, 2014

Das Futterverzehrsvermögen von Mutterkühen wird in erster Linie von der Rasse, dem Lebendgewicht, dem Nährzustand, der Laktationsphase, der produzierten Milchmenge so wie der Laktationsnummer beeinflusst. Die Verzehrsmenge hängt zudem von der Zusammensetzung der Ration sowie deren Futterwert ab. Der Sättigungsprozess kann sowohl durch energetische als auch durch physikalische Eigenschaften des Futters reguliert werden. Für letztere verwendet das französische Schätzsystem den Begriff der «unités d’encombrement» (physikalische Sättigungseinheit). Dieser Parameter charakterisiert jedes Futtermittel hinsichtlich der Menge, in welcher es verzehrt werden kann (INRA 2007). Der Feuchtigkeitsgrad der Ration wird in den bestehenden Schätzsystemen nur selten berücksichtigt. In einem Übersichtsartikel, in welcher die verschiedenen


Zusammenfassung

Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe | Nutztiere

Abb. 1 | Der Verzehr zweier isoenergetischer Rationen – einer Trockenration basierend auf Heu und Emd (links) und einer Feuchtration in Form einer Mischung aus Grassilage und Extenso-Heu (rechts) – wurde bei Mutterkühen miteinander verglichen. (Foto: Isabelle Morel, Agroscope)

Methoden zur Schätzung des Futterverzehrs bei Milch­ kühen beschrieben werden (Faverdin 1992), erscheint der Trockensubstanzgehalt des Futters nur im Gleichungs­ system von Lewis (1981). Es liegen nur wenige Daten zum Vergleich von trockenen und feuchten Rationen in der Rinderfütterung vor. Muller et al. (1992) haben während drei aufeinanderfolgenden Jahren untersucht, ob sich die Art der Konservierung von Futter ein und derselben Wiese zu Heu oder Grassilage auf den Futterverzehr und die Leistungen Mastochsen oder Rinder auswirkt. Bezüglich des Futterverzehrs liess sich kein Unterschied zwischen den beiden Futtertypen feststellen.

Material und Methoden

In einem Versuch mit 36 Mutterkühen der Rassen Angus (AN), Limousin (LM) und einer Kreuzung aus Limousin und Red Holstein (F1) wurde der Einfluss der Rationsbeschaffenheit auf den Verzehr untersucht. Zwei isoenergetische Rationen wurden ad libitum vorgelegt und miteinander verglichen: eine aus Heu und Emd bestehende Trockenration (T) und eine aus Heu und Grassilage bestehende Feuchtration (F). Die Kühe, welche die Ration T erhielten, verzehrten ab dem 2. Laktationsmonat täglich 0,87 kg TS mehr als diejenigen, welche die Ration F erhielten (P < 0,001). Über die gesamte Versuchsdauer betrachtet betrug diese Differenz 0,76 kg TS pro Tag (P = 0,07). Zwischen den verschiedenen Rassen treten hierbei deutliche Unterschiede auf (F1 > AN > LM; P < 0,001). Der Vergleich der in diesem Versuch erhobenen Verzehrsdaten mit Werten, die mit den aktuell verwendeten Schätzgleichungen erhalten werden, zeigt, dass es bei den Schätzungen zu einer systematischen Unterschätzung des Futterverzehrs kommt. Zudem berücksichtigt keine einzige Gleichung gleichzeitig die Einflüsse von Rationsbeschaffenheit und Rasse. Eine neue Schätzgleichung, welche diese neuen Daten berücksichtigt, wird demnächst im Rahmen der Überarbeitung des Kapitels über Mutterkühe im Grünen Buch veröffentlicht werden.

Tiere Der Versuch wurde mit 36 Mutterkühen dreier genetischer Typen («Rassen»), nämlich mit je 12 Kühen der Rassen Angus (AN), Limousin (LM) und LM × Red Holstein (F1) durchgeführt. Diese Rassen unterscheiden sich sowohl in ihrer Frühreife wie auch in ihrem Milchleistungsspotenzial. Die Tiere jeder Rasse wurden hinsichtlich Abkalbedatum und Lebendgewicht gleichmässig in zwei Gruppen zu je sechs Kühen und Kälbern eingeteilt. Die beiden Gruppen wurden auf die zwei Versuchsvarianten mit unterschiedlichen isoenergetischen Rationen aufgeteilt, die jeweils ausschliesslich den Kühen vorgelegt wurden. Der Versuch fand in den ersten vier Laktationsmonaten statt. Die Kälber gingen alle aus einer Kreuzung der Muttertiere mit einem Piemonteser-Stier hervor. Fütterung Die Feuchtration F mit 53  % Trockensubstanz (TS) bestand aus einer Mischung aus Grassilage und ExtensoHeu, wohingegen sich die Trockenration T (90 % TS) aus 

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 444–451, 2014

445


Nutztiere | Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe

Tab. 1 | Nährwert der Wochenrationen beider Gruppen

Versuchswoche

Trockenration T

Feuchtration F

TS (%)

NEL (MJ/kg TS)

APDE (g/kg TS)

APDN (g/kg TS)

TS (%)

NEL (MJ/kg TS)

APDE (g/kg TS)

APDN (g/kg TS)

1

88,8

5,00

80,4

70,7

60,3

5,00

75,7

72,1

2

89,2

5,00

79,1

70,4

49,4

5,00

72,5

72,4

3

89,3

5,20

83,7

77,7

47,9

5,15

74,8

73,6 74,7

1

1

1

1

4

89,4

5,40

88,2

84,9

49,3

5,30

77,1

5

90,5

5,45

87,6

82,2

49,6

5,20

75,5

75,1

6

91,6

5,50

87,0

79,5

50,8

5,10

73,8

75,5

7

90,3

5,30

82,2

69,1

56,8

5,55

86,7

86,1

8

90,3

5,30

82,2

69,1

56,3

5,55

86,7

86,1

9

89,5

5,35

82,6

69,4

55,4

5,50

83,9

85,2

10

88,6

5,40

83,0

69,7

53,5

5,50

81,1

84,4

11

88,9

5,35

83,6

71,6

54,2

5,45

80,3

83,6

12

88,9

5,35

83,6

71,6

53,3

5,40

79,4

82,8

13

88,9

5,35

83,6

71,6

53,0

5,35

78,5

82,7

14

89,6

5,30

84,1

73,5

53,9

5,30

77,5

82,6

15

90,6

5,50

89,6

86,3

54,7

5,40

79,0

83,8

16

90,6

5,50

89,6

86,3

55,1

5,50

80,7

85,0

17

90,8

5,45

89,4

87,2

52,9

5,35

80,3

86,5

18

91,0

5,40

89,2

88,1

49,3

5,10

76,3

76,4

19

91,0

5,40

89,2

88,1

41,6

5,05

75,5

73,5

Mittelwert

89,9

5,34

85,1

77,2

52,5

5,30

78,7

80,1

1 TS = Trockensubstanz; NEL = Nettoenergie Laktation; APDE = Absorbierbares Protein im Darm, basierend auf der verfügbaren Energie; APDN = Absorbierbares Protein im Darm, aufgebaut aus abgebautem Rohprotein

Heu und Emd zusammensetzte (Abb. 1). Um den Energiegehalt der Rationen optimal auszugleichen, variierten die Grassilage- und Heuanteile der Feuchtration je nach Futterwert der unterschiedlichen im Versuch verwendeten Futterchargen (Tab. 1 und 2). Die Versuchsrationen wurden ad libitum in Futterkrippen angeboten, welche auf Waagen installiert waren, wodurch die Erhebung der individuellen Futteraufnahme der mit einem Transponder versehenen Kühe möglich war. Den Tieren standen ausserdem eine vitaminierte Mineralstoffergänzung in Form eines Lecksteins (UFA 999, UFA, Herzogenbuchsee, Schweiz) sowie Viehsalz (5 kg Lecksteine) zur Verfügung. Die Kälber hatten freien Zugang zu ihren Müttern, nicht aber zu deren Rationen. Sie erhielten Heu von guter Qualität, welches ad libitum in einem nur für die Kälber zugänglichen Bereich vorgelegt wurde. Haltungsform Die Tiere wurden im Freilaufstall mit einem Fütterungsbereich mit Teilspaltenboden, einem Tiefstrohliegebereich und einem Auslauf auf Betonboden gehalten.

446

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 444–451, 2014

Auswertung Die Daten wurden mit einer zweifaktoriellen Varianzanalyse und einem anschliessendem Tukey-HSD-Test (Statistiksoftware R) ausgewertet.

Resultate und Diskussion Einfluss der Ration auf den Verzehr Während der gesamten Versuchsdauer verzehrten die Kühe der Variante T im Durchschnitt 0,76 kg TS mehr als die der Variante F (P = 0,07; Tab. 3). Diese Differenz ist erst ab dem 2. Laktationsmonat signifikant mit einer Verzehrsdifferenz von 0,87 kg TS (P < 0,001). Die Entwicklung der durchschnittlichen Verzehrsmenge in Abhängigkeit der Rationsbeschaffenheit und der Rasse während der 17 ersten Laktationswochen ist in Abbildung 1 ersichtlich. Nach einer sehr geringen Futteraufnahme während der ersten Woche nach der Abkalbung stieg der Futterverzehr rasch an. Der Einfluss der Rationsbeschaffenheit auf den Futterverzehr macht sich zwischen der 2. und 4. Laktationswoche bemerkbar. Nachdem zwischen der 7. und der 9. Woche die


Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe | Nutztiere

Tab. 2 | Nährstoffgehalte und Nährwert der Futtermittel (pro kg TS) Inhaltsstoff

Extenso-Heu (Trockenperiode)

Extenso-Heu (Mischung Ration F)

Silage (Mischung Ration F)

Heu/ Emd Ration T

Heu Kälber

Asche g

66

78

90

91

85

Rohprotein g

58

77

170

124

118

Rohfaser g

361

357

223

272

279

NDF g

602

630

389

511

598

ADF g

405

396

252

298

225

NEL1 MJ

4,1

4,2

6,2

5,4

5,2

APDE g

58

64

88

86

83

APDN1 g

36

48

107

79

75

1

NEL = Nettoenergie Laktation; APDE = Absorbierbares Protein im Darm, aufgebaut aus der verfügbaren Energie; APDN = Absorbierbares Protein im Darm, ­aufgebaut aus abgebautem Rohprotein 1

höchste Verzehrsmenge erreicht wurde, stabilisierte sich diese. Im späteren Verlauf der Laktation nahm der Futterverzehr gleichmässig von Woche zu Woche ab. In der Literatur wird diese Entwicklung des Futterverzehrs mit einer Laktationskurve verglichen (Lawrence et al. 2013).

Die Varianzanalyse zeigte keine Interaktionen zwischen der Beschaffenheit der Rationen und den Rassen, was darauf hinweist, dass der Einfluss der Rationsbeschaffenheit auf den Futterverzehr unabhängig von der Rasse ist (Abb. 3). Gewicht und Körperkonditionsnote der Kühe im Versuchsverlauf Das Lebendgewicht der drei Rassen unterschied sich bei Versuchsbeginn um maximal 20 kg (AN 685 ± 70, F1 702 ± 46 und LM 682 ± 58 kg). Die Erfassung des Lebendgewichts der Tiere zeigt, dass die zusätzlich verzehrte Futtermenge, welche bei Vorlage der Trockenration gemessen wurde, bei den F1 zu einer Gewichtszunahme während der ersten vier Laktationsmonate führte, die um 24 kg höher lag als bei den Tieren der Gruppe F. Bei den AN liess sich hingegen kein Unterschied beobachten; und bei den LM wurde mit einer um 15 kg höheren Gewichtszunahme der Tiere der Variante F die gegenteilige Wirkung festgestellt (Abb. 4). Im Gegensatz zu den beiden anderen Rassen war das Körpergewicht der beiden Limousingruppen mit einem um 12 kg höheren Gewicht der Tiere der Gruppe F zu Beginn der Messperiode nicht ausgeglichen. Anstatt sich im Laufe der Laktation zu verringern, erhöhte sich diese Differenz während der weiteren Laktation tendenziell eher. Das deutet dar-

Einfluss der Rasse auf den Verzehr Aus Tabelle 3 ist ersichtlich, dass die drei Rassen sich vor allem ab dem zweiten Laktationsmonat deutlich unterscheiden (P < 0,001). Nach unseren eigenen Ergebnissen und denjenigen aus der Literatur waren Unterschiede in der Verzehrsmenge zwischen diesen Rassen zu erwarten (Petit et al. 1992; Manninen et al. 1998; Murphy et al. 2008; Emmenegger 2009). Während des gesamten Versuchs beträgt die Differenz 0,9 kg TS zwischen F1 und AN bzw. 1,4 kg TS zwischen AN und LM (F1 > AN > LM; P < 0,001). Die Einflüsse der unterschiedlichen Rassen sowie der Rationsbeschaffenheit sind auch in Abbildung 1 deutlich zu sehen. Gemäss Murphy et al. (2008), dessen Studie mit verschiedenen Limousin-Kreuzungen durchgeführt wurde, verzehren die Tiere umso weniger Futter, je höher der Limousinanteil in der Kreuzung ist. Drennan et al. (2004), welche die zwei Gebrauchskreuzungen – Hereford x Friesian und Limousin x Friesian – miteinander verglichen, stellten hingegen keine Unterschiede im Verzehr fest.

Tab. 3 | Durchschnittlicher Verzehr in kg TS in Abhängigkeit der Rasse und der Rationsbeschaffenheit Rasse (R) Rationsbeschaffenheit (RB)

AN

F1

LM

P-Werte

F

T

F

T

F

T

R

RB

R × RB

1. Monat

14,7

15,8

15,8

15,4

13,7

14,4

0,1

0,4

0,5

ab 2. Monat

16,3

17,1

17,3

18,3

14,9

15,7

< 0,001

0,0

0,1

Gesamter Versuch

16,0

16,8

17,0

17,6

14,6

15,4

< 0,001

0,1

0,1

(AN: Angus; F1: Kreuzungstiere LM x Red Holstein; LM: Limousin; F = feucht oder T = trocken)

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 444–451, 2014

447


Nutztiere | Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe

19

Verzehr, kg Trockensubstanz pro Tag

18

17

16 Angus -Trocken 15

Angus - Feucht F1* - Trocken

14

F1* - Feucht 13

Limousin - Trocken Limousin - Feucht

12 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

* Limousin x Red Holstein

Laktationswochen

Abb. 2 | Entwicklung des Verzehrs in Abhängigkeit von Rationsbeschaffenheit und Rasse (36 Kühe, 6 pro Gruppe)

auf hin, dass die Limousinkühe eine Feuchtration besser verwerten als eine Trockenration. Der BCS (body condition score, Körperkonditionsnote) blieb während der gesamten Versuchsdauer bei den AN (zwischen 3,5 und 3,6) und den LM (3,3 bis 3,4) stabil. Verglichen mit den beiden anderen Rassen wiesen die stärker milchbetonten F1-Kühe zum Zeitpunkt des Abkalbens eine tiefere Körperkonditionsnote auf (3,1). Ihr BCS verbesserte sich jedoch im Verlauf der Laktation

und glich sich dem der LM an. Wegen ihrer höheren Milchproduktion mobilisieren die F1 unmittelbar nach dem Abkalben mehr Körperreserven, die sie ab während des zweiten Laktationsmonats erneut aufbauen. Futterverwertung und Gewichtsentwicklung der Kälber Bei allen Rassen nahmen die Kälber, deren Mütter die Ration F erhielten, während des Versuchs durchschnittlich 3,3 kg mehr zu als die Kälber, deren Mütter die

Abb. 3 | In einem Vergleich von Angus, Limousin und einer Kreuzung aus Limousin x Red Holstein (von links nach rechts) bevorzugten die Tiere unabhängig von der Rasse Heu gegenüber einer Mischung aus Grassilage und Extenso-Heu. (Foto: Isabelle Morel, Agroscope)

448

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 444–451, 2014


Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe | Nutztiere

770 760

Lebendgewicht (kg)

750 740 Angus -Trocken

730 720

Angus -Feucht

710

F1* -Trocken

700

F1* -Feucht

690

Limousin -Trocken

680 670

Limousin -Feucht LG Abkalben

LG 1. Monat

LG 2. Monat

LG 3. Monat

LG 4. Monat

* Limousin x Red Holstein

Laktationsphase Abb. 4 | Entwicklung des Lebendgewichts der Kühe zwischen dem Abkalben und dem vierten ­L aktationsmonat.

Ration T erhielten (AN 0; F1 +4; LM +3 kg). Diese Differenz ist allerdings nicht signifikant (P > 0,05). Die Milchproduktion der Kühe konnte während des Versuchs nicht gemessen werden. Die Verwertung der Rationen, welche an Hand der Gewichtszunahme der Kühe sowie der Kälber während des Versuchs berechnet wurde, scheint nicht bei allen Rassen gleich zu sein. Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass die LM die Feucht-

20 18

17,1

ration besser als die Trockenration zu verwerten scheinen, wohingegen bei den AN diesbezüglich kein Unterschied besteht. Bei den F1-Kühen wird eine Feuchtration zugunsten der Milchproduktion verwertet und kommt mehr den Kälbern zugute als eine Trockenration, welche zu einem Körpermassezuwachs bei den Kühen selbst führt. Die Kälber der F1-Mütter sind diejenigen, die während des Versuchs am meisten zugenommen 

18,3

17,3

16,3

15,7

14,9

16 Verzehr, kg TS pro Tag

14 12 10 8 6

Versuchsdaten

4

Grünes Buch

2 0

Emmenegger 2009 F

T AN

F

T F1

F

T LM

Varianten und Rassen Abb. 5 | Gemessene und geschätzte Verzehrswerte ab dem 2. Laktationsmonat (AN: Angus; F1: Kreuzungstiere LM x Red Holstein; LM: Limousin; F: Feuchtration; T: Trockenration)

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 444–451, 2014

449


Nutztiere | Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe

haben, wobei die Differenz jedoch nicht signifikant war (P > 0,05). Diese durch die erhöhte Milchproduktion bedingte Tendenz wurde auch von McGee et al. (2005) nachgewiesen. Vergleich der Verzehrsmesswerte mit aktuellen Schätzwerten Der Vergleich der in diesem Versuch erhobenen Verzehrsdaten mit denjenigen des Grünen Buchs (Agroscope 2013) sowie denjenigen, die man mit der von Emmenegger 2009 veröffentlichten Schätzgleichung erhält, ist in Abbildung 3 ersichtlich. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass mit den beiden heute in der Schweiz verfügbaren Schätzmethoden der Verzehr systematisch um 0,5 bis fast 4 kg TS unterschätzt wird. Zudem wird im Grünen Buch zurzeit – im Gegensatz zum Einfluss der Rationsbeschaffenheit – der Rasseneinfluss nicht berücksichtigt. Die Gleichung von Emmenegger (2009) schlägt zwar eine Korrektur je nach Rasse vor, nicht jedoch nach Rationstyp. Die neue Gleichung, welche im Rahmen der nächsten Überarbeitung des Kapitels über Mutterkühe im Grünen Buch veröffentlicht wird, wird beide Korrekturfaktoren berücksichtigen.

450

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 444–451, 2014

Schlussfolgerungen Gemäss diesem Versuch führt die Verfütterung einer auf Heu und Emd basierenden Trockenration zu einem höheren Futterverzehr als die Verfütterung einer Feuchtration mit gleichem Nährwert. Dieser Unterschied von fast 900 g TS pro Tag während der Zeit der höchsten Milchleistung ist für die Rationsplanung in der Praxis von Bedeutung und kann für die Wahl des zu produzierenden Futtertyps entscheidend sein. Dabei ist zu bedenken, dass die Umsetzung des Futters einer Trocken- oder Feuchtration in Form von Milch für die Kälber oder von Körpermassezuwachs der Kuh selbst je nach Rasse unterschiedlich sein kann. Dieser Einfluss der Rationsbeschaffenheit auf den Futterverzehr ist es wert, als Korrekturfaktor in eine Schätzgleichung für den Futterverzehr aufgenommen zu werden. Die derzeitigen schweizerischen Empfehlungen unterschätzen den Verzehr systematisch. Zudem werden entweder die Einflüsse der Rasse oder die Einflüsse der Ration nicht berücksichtigt. Eine neue Schätzgleichung, welche die vorliegenden neuen Daten berücksichtigt, wird in Kürze im Rahmen der Überarbeitung des Kapitels über Mutterkühe im n Grünen Buch veröffentlicht.


Ingestione di una razione umida o secca con vacche nutrici Nel quadro di uno studio condotto con 36 vacche nutrici delle razze Angus (AN), Limousin (LM) e ottenute dall'incrocio tra Limousin e Red Holstein (F1) si è analizzato l'effetto del tipo di razione sull'ingestione nei primi quattro mesi di lattazione. Sono state confrontate due razioni isoenergetiche somministrate ad libitum, una secca (S) composta da fieno e grumereccio, l'altra umida (H, 53 % SS) composta da una miscela di fieno e insilato d'erba. Le vacche cui era stata somministrata la razione S hanno consumato 0,87 kg di SS in più al giorno rispetto a quelle nutrite con la razione H a partire dal secondo mese di lattazione (P < 0,001) e 0,76 kg di SS in più al giorno su tutto l'arco dello studio (P = 0,07). Si riscontrano scarti considerevoli tra le varie razze (F1 > AN > LM; P < 0,001). Il confronto tra i dati sull'ingestione rilevati nel corso di questo studio e le formule di previsione attualmente applicate evidenzia che l'ingestione viene sistematicamente sottovalutata. Inoltre, nessuna di queste formule considera contemporaneamente tipo di razione e razza. Una nuova equazione di previsione che tenga conto di queste nuove informazioni verrà pubblicata prossimamente nel quadro dell'aggiornamento del capitolo sulle vacche nutrici del Libro verde.

Literatur ▪▪ Agroscope, 2013. Fütterungsempfehlungen für Wiederkäuer (Grünes Buch). Zugang: http://www.agroscope.admin.ch/futtermitteldatenbank/04834/index.html?lang=de [August 2014]. ▪▪ Drennan M. J. & McGee M., 2004. Effect of suckler cow genotype and ­n utrition level during the winter on voluntary intake and performance and on the growth and slaughter characteristics of their progeny. Irish Journal of Agricultural and Food Research 43 (2), 185–199. ▪▪ Emmenegger J., 2009. Futteraufnahme und Lebendgewichtentwicklung von Mutterkühen und Mutterkuhkälbern unterschiedlicher Rassen im ­L ebensabschnitt Geburt bis zum Absetzen. Bachelorarbeit ETH Zürich, 41 S. ▪▪ Faverdin P., 1992. Alimentation des vaches laitières: Comparaison des différentes méthodes de prédiction des quantités ingérées. INRA Prod. Anim. 5 (4), 271–282. ▪▪ INRA, 2007. Alimentation des bovins, ovins et caprins. Ed. Quae, ­Versailles Cedex, 307 p. ▪▪ Lawrence P., Kenny D.A., Early B. & McGee M., 2013. Intake of conserved and grazed grass and performance traits in beef suckler cows differing in phenotypic residual feed intake. Livestock Science 152 (2–3), 154–166.

Summary

Riassunto

Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch Mutterkühe | Nutztiere

Intake of a dry or a moist ration by suckler cows The effect of type of ration on feed intake was studied in a trial with 36 lactating cows of the Angus (AN), Limousin (LM) and Limousin x Red Holstein cross breeds (F1) during the first four months of lactation. Two iso-energetic rations fed ad libitum were compared: a dry ration (D) composed of hay and aftermath, and a moist ration (M, 53 % DM) composed of a mixture of hay and grass silage. The cows fed ration D consumed 0.87 kg DM more per day than those fed ration M from the second to the fourth month of lactation (P<0.001), and 0.76 kg DM more per day over the entire trial period (P=0.07). Major differences were observed between the different genetic types (F1>AN>LM; P<0.001). A comparison of the ingestion data measured in this trial with the prediction formulas currently used in Switzerland revealed a systematic underestimation of feed intake. Moreover, no prediction formula took simultaneous account of the effect of ration type on the one hand, and genetic type on the other. A new prediction equation taking these new data into account will be published shortly, once the ‘suckler cow’ chapter of the Swiss feeding recommendations for ruminants (Green Book) is updated. Key words: feed intake, suckler cow, silage, hay.

▪▪ Lewis M., 1981. Equations for predicting silage intake by beef and dairy cattle. Proceedings of the sixth silage conference, Edinburgh, 1981, 35–36. ▪▪ Manninen M., Aronen I. & Puntila M.-L., 1998. Effect of type of forage offered and breed on performance of crossbred suckler heifers and their calves. Agricultural and Food Science in Finland , 7 (3), 367–380. ▪▪ McGee M., Drennan M.J. & Caffrey P.J., 2005. Effect of suckler cow genotype on milk yield and pre-weaning calf performance. Irish Journal of ­A gricultural and Food Research 44 (2), 185–194. ▪▪ Muller A., Micol D., Dozias D. & Peccatte J. R., 1992. Foin ou ensilage pour les bovins en croissance en système herbager. INRA Prod. Anim. 5 (2), 121 126. ▪▪ Murphy B. M., Drennan M. J., O’Mara F. P. & McGee M., 2008. Performance and feed intake of five beef suckler cow genotypes and preweaning growth of their progeny. Irish Journal of Agricultural and Food Research 47 (1), 13–25. ▪▪ Petit M., Jarrige R. Russel AJF. & Wright IA., 1992. Feeding and nutrition of the suckler cow. Beef Cattle Production, World Animal Science C, 5, 191–208.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 444–451, 2014

451


N u t z t i e r e

Wirkung von Konservierungsmitteln bei ­Feuchtheu Ueli Wyss, Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz Auskünfte: Ueli Wyss, E-Mail: ueli.wyss@agroscope.admin.ch

Laborversuchsanlage zur Messung der Erwärmung im Feuchtheu. (Foto: Ueli Wyss, Agroscope)

Einleitung Bodenheu weist bei der Ernte nicht immer einen Trockensubstanz(TS)-Gehalt von über 85 % auf, wie er für die problemlose Lagerung notwendig wäre. Besonders in dicht gepressten Ballen kann die Restfeuchte nur langsam entweichen. Die Folge davon ist eine starke Entwicklung von verschiedenen Mikroorganismen, insbesondere der Schimmelpilze, und eine Erwärmung des Futters bis hin zum Futterverderb. Durch den Zusatz von

452

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 452–457, 2014

wirksamen Konservierungsmitteln, die in den meisten Fällen Propionsäure enthalten, können diese Keime unterdrückt werden. Produkte auf der Basis von Propionsäure sind jedoch korrosiv und im Biolandbau nicht zugelassen. Im vorliegenden Versuch wurde die Wirksamkeit von verschiedenen Mikroorganismen (Milchsäurebakterien, Hefen und Enzyme) sowie eines Produkts, welches verschiedene Säuren enthält, bei Feuchtheu mit einem TSGehalt von 75 % im Labormassstab untersucht.


Wirkung von Konservierungsmitteln bei ­F euchtheu | Nutztiere

Zusammenfassung

Material und Methoden Für den Versuch wurde Futter vom zweiten Aufwuchs (gräserreicher, raigrasbetonter Bestand) auf 75  % TS angefeuchtet. Wegen der grossen Anzahl Varianten wurde der Versuch in zwei Serien durchgeführt. Jede Variante wurde dreimal wiederholt. Bei beiden Serien diente eine Variante ohne Zusatz als Negativkontrolle und eine mit Propionsäure (Produkt Luprosil, 99,5 % Propionsäure) als Positivkontrolle. Die verschiedenen Varianten sind aus Tabelle 1 und 2 ersichtlich. Dabei wurde der Milchsäurebakterienstamm Pediococcus pentosaceus, der Hefenstamm Pichia anomala und das Enzym Chitinase von der Firma Lallemand allein oder in Kombination getestet. Zusätzlich wurde in der zweiten Serie die Wirksamkeit des Produkts Sil All Hay der Firma Danstar Ferment, welches Kaliumsorbat, Natriumbenzoat und Natriumpropionat enthält, untersucht. Die einzelnen Wirkstoffe wurden in Wasser aufgelöst und flüssig appliziert. Die Dosierungen wurden gemäss den Empfehlungen der Hersteller gewählt. Bei der Negativkontrolle wurde die gleiche Wassermenge beigemischt. Die Versuche wurden auf der von Meisser (2001) entwickelten Versuchsanlage im Labormassstab durchgeführt. Dabei wurde das Futter in PVC-Behälter eingefüllt und auf 175 kg Frischsubstanz pro Kubikmeter verdichtet. Jeder Behälter wurde mit einer Temperatursonde versehen. Während der Lagerdauer von 30 Tagen wurden alle 30 Minuten die Temperaturen gemessen und aufgezeichnet. Im Ausgangsmaterial sowie nach 30 Tagen Lagerung wurden die TS-Gehalte sowie die Rohnährstoffe mit NIRS bestimmt. Zusätzlich wurde der Anteil unlöslichen Stickstoffs am Gesamtstickstoff (NADF/N total) sowie die Schimmelpilze nach der 30-tägigen Lagerung bestimmt. Die statistische Auswertung erfolgte mit einer Varianzanalyse und dem Bonferroni Test (Programm SYSTAT 13).

Bodenheu muss bei der Ernte für eine problemlose Lagerung genügend trocken sein. Eine Alternative stellt der Einsatz von Konservierungsmitteln dar, die die Futtererwärmung und den Verderb verhindern. In einem Versuch wurde die Wirksamkeit von verschiedenen Mikroorganismen (Milchsäurebakterien, Hefen und Enzyme) sowie eines Produkts, welches verschiedene Säuren enthält, bei Feuchtheu mit einem Trockensubstanz-Gehalt von 75 % im Labormassstab untersucht. Nur bei der Positivkontrolle mit Propionsäure konnte die Futtererwärmung und der Futterverderb verhindert werden. Die untersuchten Varianten mit verschiedenen Mikroorganismen oder einem chemischen Produkt waren nicht wirksam. Das Futter erwärmte sich und war am Endes des Tests stark verschimmelt.

Tab. 2 | Varianten der zweiten Serie Tab. 1 | Varianten der ersten Serie Nr.

Beschreibung

Nr. Dosierung für 100 kg Futter

1

Ohne Zusatz (Negativkontrolle)

2

Propionsäure (Positivkontrolle)

600 g

3

Enzym Chitinase

0,15 g

4

Pediococcus pentosaceus

1011 KBE

5

Pichia anomala (Dosierung 1)

1010 KBE

6

Pichia anomala (Dosierung 2)

1011 KBE

Beschreibung

Dosierung für 100 kg Futter

7

Ohne Zusatz (Negativkontrolle)

8

Propionsäure (Positivkontrolle)

600 g

9

Enzym Chitinase und Pediococcus pentosaceus

0,15 g 1011 KBE

10

Enzym Chitinase und Pichia anomala

0,15 g 1010 KBE

11

Pediococcus pentosaceus und Pichia anomala

1011 KBE 1010 KBE

12

Sil All Hay

40 g

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 452–457, 2014

453


Nutztiere | Wirkung von Konservierungsmitteln bei ­F euchtheu

Tab. 3 | TS-Gehalte und Rohnährstoffe vom Ausgangsmaterial TS

Rohasche

Rohprotein

Rohfaser

ADF

NDF

Zucker

NADF N total

%

g/kg TS

g/kg TS

g/kg MS

g/kg TS

g/kg TS

g/kg TS

%

Erste Serie

74,7

80

117

249

271

468

130

3,0

Zweite Serie

75,0

74

115

253

274

482

132

2,3

ADF: Lignozellulose; NDF: Zellwände; NADF/N total: Anteil unlöslichen Stickstoffs am Gesamtstickstoff; Zucker: ethanollöslicher Zucker

Tab. 4 | Keimbesatz an Bakterien, Schimmel und Hefen im Ausgangsmaterial Aerobe mesophile Bakterien log KBE/g

Schimmel log KBE/g

Hefen log KBE/g

Erste Serie

8,3

6,3

6,1

Zweite Serie

8,3

6,2

6,2

KBE: Koloniebildende Einheiten

Resultate und Diskussion Ausgangsmaterial Die Gehaltswerte des Ausgangsmaterials für die beiden Serien sind in Tabelle 3 dargestellt. Der angestrebte TSGehalt von 75 % wurde in beiden Serien erreicht. Bei allen drei Keimgruppen – Bakterien, Schimmelpilze und Hefen – waren die Werte gemäss den VDLUFA-Orientierungswerten erhöht (Tab. 4). Erntefrisches Futter weist jedoch generell erhöhte Werte auf. Nach Adler et al. (2014) nimmt der Keimgehalt an Mikroorganismen während der Lagerung unter guten Bedingungen bis zur Verfütterung signifikant ab.

Temperaturen während der Lagerung Alle Varianten ausser der Positivkontrolle erwärmten sich relativ schnell (Abb. 1 und 2). Die Unwirksamkeit vom zugesetzten Milchsäurebakterienstamm ist dadurch erklärbar, dass die Milchsäurebakterien unter anaeroben Bedingungen aktiv sind. Dies ist bei der Lagerung von Feuchtheu jedoch nicht der Fall. Auch mit dem Produkt Sil All Hay konnte die Erwärmung nicht verhindert werden. Es scheint, dass die Dosierung von 400 g pro t nicht ausreichte. Untersuchungen von Wyss (2012) zeigen, dass die Dosierung entscheidend für ein positives Ergebnis ist. TS-Gehalte und weitere Parameter nach der Lagerung Während der 30-tägigen Lagerung kam es bei den meisten Varianten zu einem Futterverderb, und es bildete sich Wasser, was an den tieferen TS-Gehalten ersichtlich ist. Nur bei der Positivkontrolle wurden höhere TSGehalte als im Ausgangsmaterial festgestellt. Hier konnten sich die unerwünschten Mikroorganismen nicht entwickeln und es fand kein Futterverderb statt. Bei beiden Serien konnten zwischen der Positivkontrolle und den anderen Varianten signifikante Unterschiede bei der Rohasche, dem Rohprotein, dem ethanollöslichen Zucker und den Fasergehalten festgestellt werden (Tab. 5 und 6).

Temperaturdifferenz zur Umgebungstemperatur °C

6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 Negativkontrolle Positivkontrolle Enzym Chitinase Pediococcus pentosaceus Pichia anomala-Dosierung 1 Pichia anomala-Dosierung 2

1,0 0,0 -1,0 0

48

96

144

192

240 288

336 384 432 480 528 Dauer, Stunden

576 624

672

720 768

Abb. 1 | Temperaturverlauf der verschiedenen Varianten bei der ersten Serie (Umgebungstemperatur Ø 21,5° C)

454

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 452–457, 2014


Temperaturdifferenz zur Umgebungstemperatur °C

Wirkung von Konservierungsmitteln bei ­F euchtheu | Nutztiere

6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 Negativkontrolle Positivkontrolle Enzym Chitinase + Pichia anomala Enzym Chitinase + P. pentosaceus P. pentosaceus + Pichia anomala Sil All Hay

1,0 0,0 -1,0

0

48

96

144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672 720 768 Dauer, Stunden

Abb. 2 | Temperaturverlauf der verschiedenen Varianten bei der zweiten Serie (Umgebungstemperatur Ø 21,0° C)

Auch beim Anteil des unlöslichen Stickstoffs am Gesamtstickstoff, einem wichtigen Indikator für den Denaturierungsprozess des Proteins, konnten zwischen den Varianten von der ersten Serie signifikante Unterschiede festgestellt werden. Hingegen waren die Unterschiede bei der zweiten Serie nicht signifikant. Die Positivkontrolle wies bei beiden Serien die tiefsten Werte auf. Nach Weiss et al. (1992) nimmt die Verdaulichkeit des Rohproteins mit zunehmendem Anteil des unlöslichen Stickstoffs am Gesamtstickstoff ab. Auswirkungen hatte der Futterverderb auch auf die TS-Verluste und den NEL-Gehalt des Futters (Tab. 5 und 6). Praktisch keine TS-Verluste wurden bei der Positivkontrolle festgestellt. Hingegen konnten bei den übrigen

Varianten hohe TS-Verluste ermittelt werden. Das gleiche Bild gab es bei den NEL-Gehalten. Signifikant höhere NEL-Gehalte wies das Feuchtheu der Positivkontrolle auf. Sensorische Beurteilung und Schimmelbefall Nach der 30-tägigen Lagerung war das Futter von allen Varianten mit Ausnahme der Positivkontrolle total verschimmelt und hatte einen starken Ammoniakgeruch. Die Bestimmung der Schimmelpilze bestätigt die sensorische Beurteilung. Gemäss den Orientierungswerten des VDLUFA (2012) lagen nur die Werte für die Positivkontrolle in der Stufe I, was normalen Werten entspricht. Bei allen übrigen Varianten waren die Werte in der Stufe IV  eingestuft, was bereits als verdorben gilt (Abb. 3).

Tab. 5 | Chemische Parameter im Feuchtheu mit 75 % TS der verschiedenen Varianten der ersten Serie nach der Lagerung TS-Gehalt %

Rohasche g/kg TS

Rohprotein g/kg TS

Rohfaser g/kg TS

ADF g/kg TS

NDF g/kg TS

Zucker g/kg TS

NADF / N total %

TSVerluste %

NEL MJ/kg TS

Ohne Zusatz

73,3a

84b

135b

310 b

361b

593c

58a

5,7b

11,5b

5,1b

Propionsäure

78,2b

60a

117a

254 a

268a

489a

138b

2,4 a

0,2a

5,7a

Enzym Chitinase

73,3

a

90

b

135

b

311

359

b

594

c

62

a

4,4

b

13,1

5,1b

Pediococcus pentosaceus

a

74,1

84

b

130

b

306

352

b

576

bc

64

a

5,3

9,5

b

5,1b

Pichia anomala (Dosierung 1)

73,6a

88b

129b

313b

360 b

590 bc

63a

5,6b

12,6b

5,0 b

Pichia anomala (Dosierung 2)

74,5

74

127

297

345

555

69

4,5

ab

9,7

b

5,3b

SE

0,53

3,1

2,0

3,4

4,5

6,9

4,2

0,42

1,1

0,06

Signifikanz

***

***

***

***

***

***

***

**

***

***

a

ab

ab

b b

b

b

b

a

ab b

ADF: Lignozellulost e; NDF: Zellwände; Zucker: ethanollöslicher Zucker; NADF/N total: Anteil unlöslicher Stickstoff am Gesamtstickstoff; NEL: Netto Energie Laktation SE: Standardfehler; n. s.: nicht signifikant; * p < 0,05; ** p < 0,01; *** P < 0,001 Verschiedene Kleinbuchstaben in derselben Spalte weisen auf signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Varianten bei der 5 %-Schwelle gemäss Bonferroni-Test hin.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 452–457, 2014

455


Nutztiere | Wirkung von Konservierungsmitteln bei ­F euchtheu

Tab. 6 | Chemische Parameter im Feuchtheu mit 75 % TS der verschiedenen Varianten der zweiten Serie nach der Lagerung

TS-Gehalt %

Rohasche g/kg TS

Rohprotein g/kg TS

Rohfaser g/kg TS

ADF g/kg TS

NDF g/kg TS

Zucker g/kg TS

NADF/ N total %

TS-­ Verluste %

NEL MJ/kg TS

Ohne Zusatz

70,9a

90 b

138b

299b

344b

567b

47a

6,3

16,9b

5,2b

Propionsäure

78,5

67

116

253

267

469

a

140

3,4

-0,7

5,6a

Enzym Chitinase + P. pentosaceus

73,6ab

84 ab

132ab

302b

342b

563b

64 a

4,3

11,9ab

5,2b

Enzym Chitinase + P. anomala

72,3ab

81ab

130ab

312b

351b

579b

63a

5,3

14,9 b

5,1b

P. pentosaceus + P. anomala

72,6ab

83ab

136b

302b

344b

564b

62a

5,7

15,3b

5,3b

Sil All Hay

74,2ab

76ab

131ab

299b

339b

561b

73a

4,7

9,5ab

5,3b

SE

1,35

3,8

3,4

3,1

4,9

6,6

5,4

0,99

2,6

0,05

*

*

**

***

***

***

***

n.s.

**

Signifikanz

b

a

a

a

a

b

a

log KBE/g

ADF: Lignozellulose; NDF: Zellwände; Zucker: ethanollöslicher Zucker; NADF/N total: Anteil unlöslicher Stickstoff am Gesamtstickstoff; NEL: Netto Energie Laktation SE: Standardfehler; n. s.: nicht signifikant; * p < 0,05; ** p < 0,01; *** P < 0,001 Verschiedene Kleinbuchstaben in derselben Spalte weisen auf signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Varianten bei der 5 %-Schwelle gemäss Bonferroni-Test hin.

1. Serie

11,0 10,0 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0

Grenze zwischen normalen und leicht erhöhten Werten b

a

e

oll

ntr

o ivk

t

ga

Ne

2. Serie

s

Po

e

oll

ntr

ko itiv

b

zym

En

Pe

ase

itin

Ch

us

cc oco

di

b

us

ace

s nto

pe

ala

om

n aa

hi

Pic

b

g1

run

e osi

D

hia

Pic

b

la

ma

o an

g2

un

er osi

D

b

a

e

b

us

b

b

b

ay ala ala om anom l All H i . S e t +P sit .p ga +P Po us se Ne +P e a c e n sa iti as Ch nto itin pe m Ch y . z P En zym En oll

ntr

o ivk

e

oll

ntr

o ivk

ace

s nto

n .a

Abb. 3 | Schimmelbesatz im Feuchtheu der verschiedenen Varianten (KBE: Koloniebildende Einheiten)

Schlussfolgerungen ••Das unbehandelte Feuchtheu erwärmte sich während der Lagerung und wies einen hohen Schimmelbefall auf. ••Bei der Positivkontrolle mit Propionsäure konnte die Futtererwärmung und der Futterverderb verhindert werden.

456

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 452–457, 2014

••Die verschiedenen getesteten Produkte waren nicht wirksam. Das behandelte Futter erwärmte sich und war am Endes des Tests stark verschimmelt. Dies ist einerseits durch die Lagerungsbedingungen, die für die Milchsäurebakterien nicht ideal sind, und andererseits durch eine ungenügende Dosierung erklärbar. n


Test di efficacia di vari conservanti per il fieno umido Il fieno essiccato al suolo deve essere sufficientemente asciutto al momento del raccolto per garantire una conservazione senza problemi. Un'alternativa è l'utilizzo di conservanti per impedire il riscaldamento e il deterioramento del foraggio. È stata testata l'efficacia di vari microrganismi (batteri lattici, lieviti ed enzimi) e di un prodotto contenente diversi acidi su un fieno umido con un tenore in sostanza secca del 75 per cento sulla scala del laboratorio. Soltanto il controllo positivo a base di acido propionico ha consentito di evitare il riscaldamento e il deterioramento del fieno umido. Le varianti testate con diversi microrganismi o con un prodotto chimico non si sono rivelate efficaci. Il fieno umido si è riscaldato e al termine dei test è risultato decisamente ammuffito.

Literatur ▪▪ Adler A., Kiroje P., Reiter E. & Resch R., 2014. Einfluss unterschiedlicher Trocknungsverfahren auf die Futterhygiene von Raufutter. Bericht über das 19. Alpenländische Expertenforum, 54–67. ▪▪ Meisser M., 2001. Conservation du foin humide. Revue suisse d'Agriculture 33 (2), 61–65. ▪▪ Weiss W. P., Conrad H. R. & St. Pierre N. R., 1992. A theoretically-based model for predicting total digestible nutrient values of forages and concentrates. Anim. Feed Sci. Technol. 39, 95–110.

Summary

Riassunto

Wirkung von Konservierungsmitteln bei ­F euchtheu | Nutztiere

Effect of preservatives in moist hay Field-dried hay must be sufficiently dry at harvest for problem-free storage. Alternatively, preservatives that prevent heating and spoilage may be added to the hay. In a trial, the efficacy of various microorganisms (lactic acid bacteria, yeasts and enzymes) as well as of a product containing various acids was tested in moist hay with a DM content of 75 % on a laboratory scale. The positive control with propionic acid was the only one preventing the heating and deterioration of the hay. The variants with different microorganisms or a chemical product were not effective: the forage heated, and was highly mouldy at the end of the test. Key words: hay, preservatives, lactic acid bacteria, yeasts, enzymes.

▪▪ Wyss U., 2012. Wirkung eines Konservierungsmittels bei Feuchtheu – ­Ergebnisse 2011. Agrarforschung Schweiz 3 (6), 314–321. ▪▪ VDLUFA, 2012. Keimgehalte an Bakterien, Hefen, Schimmel- und Schwärzepilzen. Methodenbuch III, Die chemische Untersuchung von Futtermitteln, 8. Ergänzungslieferung 2012.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 452–457, 2014

457


U m w e l t

Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft Daniel Bretscher1, Sabrina Leuthold-Stärfl1, Daniel Felder2 und Jürg Fuhrer1 Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz 2 Bundesamt für Landwirtschaft, 3003 Bern, Schweiz Auskünfte: Daniel Bretscher, E-Mail: daniel.bretscher@agroscope.admin.ch 1

Die Nahrungsmittelimporte sind Hauptursache für den zunehmenden TreibhausgasAusstoss der Land- und Ernährungswirtschaft in der Schweiz. (Foto: Kara, Fotolia.com)

Einleitung Die Land- und Ernährungswirtschaft ist eine bedeutende Verursacherin von Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen), sowohl weltweit als auch in der Schweiz. Emissionen entstehen entlang der Nahrungsmittelkette durch die Herstellung von Produktionsmitteln, durch biochemische Prozesse bei der Tier- und Pflanzenproduktion sowie bei der Verarbeitung und dem Transport von Nahrungsmitteln. In der «Klimastrategie Landwirtschaft» hat das Bundesamt für Landwirtschaft entsprechende Reduktionsziele formuliert (BLW 2011): Bis 2050 soll in der landwirtschaftlichen Produktion mindestens ein Drittel der Emissionen durch technische, betriebliche und organisatorische Massnahmen eingespart werden (Produktionsperspektive). Durch Anpassungen im Konsum- und Ernährungsverhalten soll ein weiteres Drittel eingespart werden (Konsumperspektive). Für die Festlegung und Kontrolle der Massnahmen und Ziele sind Emissionsinventare notwendig.

458

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 458–465, 2014

Global schätzt der Weltklimarat IPCC, dass 13,5 % der anthropogenen THG-Emissionen der Landwirtschaft zugeschrieben werden können. Mit einem weiter gefassten Betrachtungswinkel beziffern Bellarby et al. (2008) den Anteil der direkten und indirekten landwirtschaftlichen Emissionen auf 17 bis über 30 %. Die Differenz kann durch die unterschiedliche sektorale Aufteilung und territoriale Abgrenzung der Bilanzierungsansätze erklärt werden. Die IPCC-Rahmenmethoden für nationale THG-Inventare beschränken die Betrachtung auf einzelne Emissionsquellen der direkten landwirtschaftlichen Produktion. Im Allgemeinen betrachten derartige Ansätze nur die Produktionsperspektive, das heisst die «direkten Umweltwirkungen von Industrie- und Dienstleistungszweigen auf nationaler Ebene» (Jungbluth et al. 2011; EEA 2013). Im Gegensatz dazu umfasst die Konsumperspektive «sämtliche globalen direkten und indirekten Umweltwirkungen entlang der gesamten Produktions- und Konsumkette eines im Inland konsumierten Produkts». In der EU und der Schweiz


gehören Nahrungsmittel so gesehen zu den THG-intensivsten Konsumgütern (Jungbluth et al. 2011, EEA 2013). Entsprechend der grossen Variabilität verschiedener Bilanzierungsansätze sind die Systemgrenzen und Betrachtungswinkel wichtige Faktoren bei der Ausarbeitung von Reduktionsstrategien. In verschiedenen neueren Studien wird daher versucht, die Land- und Ernährungswirtschaft aus einer allumfassenden und integralen Perspektive abzubilden (Garnett 2011; Smith und Gregory 2013; EEA 2013). Die vorliegende Studie liefert die entsprechende Datengrundlage für klimaund agrarpolitische Entscheidungen in der Schweiz. Die THG-Emissionen, die mit der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft in Zusammenhang stehen, werden sowohl aus der Produktionsperspektive als auch aus der Konsumperspektive bilanziert. Ferner zeigt dieser erste Überblick auf, wo noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Weitere detailliertere Analysen sollen auf der erarbeiteten Grundlage aufbauen können.

Methoden Allgemeine Grundlagen und Umfang der Studie Die Land- und Ernährungswirtschaft wird in sieben Teilbereiche (Produktionsbereiche) eingeteilt (Abb. 1). Der Weg von der Verkaufsstelle zu den Konsumenten nach Hause, die Verarbeitung in den Haushalten sowie Abfall und Entsorgung werden nicht berücksichtigt. Bei der Erfassung der Emissionen aus Nahrungsmittelimporten und -exporten gelten grundsätzlich die gleichen Systemgrenzen. Die durch Exportlebensmittel verursachten Emissionen werden nicht der Schweiz angelastet und werden als Negativwerte aufgeführt. Für die Erhebung der konsumbasierten Emissionen gibt es im Gegensatz zu territorialen und produktionsbasierten Ansätzen keine standardisierten Methoden. Als primäre Grundlage wird auf den Methoden der beiden Studien von Jungbluth et al. (2007) und Jungbluth et al. (2011) aufgebaut. In sämtlichen Bereichen werden die Emissionen von Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) berechnet. CH4 und N2O werden anhand ihrer globalen Erwärmungspotenziale über 100 Jahre mit folgenden Faktoren in CO2-Äquivalente (CO2 eq.) umgerechnet: CH4 mit Faktor 21, N2O mit Faktor 310. Datengrundlage Die Berechnungsmethoden der Bereiche direkte landwirtschaftliche Produktion, Energieverbrauch sowie Landnutzung und Landnutzungsänderung (LULUCF: Land Use, Land Use Change and Forestry) werden ent-

Zusammenfassung

Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft | Umwelt

Die Land- und Ernährungswirtschaft ist eine bedeutende Mitverursacherin von Treibhausgasemissionen. Als Grundlage für Reduktionsstrategien und Wirkungskontrollen dienen Emissionsinventare. Bisherige Bilanzierungsanstrengungen sind jedoch häufig geprägt von limitierten sektoralen Blickwinkeln. In der vorliegenden Studie werden die Emissionen aus der Land- und Ernährungswirtschaft der Schweiz in einem integralen Ansatz sowohl aus der Produktions- als auch aus der Konsumperspektive betrachtet. Während die Emissionen der Produktionsperspektive trotz steigendem Output leicht rückläufig waren, stieg der Treibhausgasausstoss aus der Land- und Ernährungswirtschaft insgesamt seit 1990 um 15 %. Hauptursache sind die Nahrungsmittelimporte, die seit 1990 um gut 70 % angestiegen sind. Die Resultate offenbaren eine erhebliche Ziellücke zwischen den Vorgaben der «Klimastrategie Landwirtschaft» und der Entwicklung der konsumbasierten Emissionen. Wichtige Handlungsoptionen sind vor allem die Förderung einer klimaschonenden Ernährungsweise, aber auch die Steigerung der Effizienz in sämtlichen Bereichen der Produktion.

weder direkt dem nationalen THG-Inventar entnommen oder orientieren sich weitgehend an den entsprechenden Grundlagen (BAFU 2013). In den Bereichen Vorleistungen, Importe und Exporte wird ein Ökobilanzansatz verfolgt. Die Güterimporte und -exporte werden der schweizerischen Zollhandelsstatistik entnommen und entsprechend der Verfügbarkeit von Ökobilanzdaten (Emissionsfaktoren) gruppiert (EZV 2013, Tab. 1). Im Verarbeitungsbereich werden die Branchen respektive Gütergruppen 15 und 16, d. h. die «Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln», betrachtet (BFS 2002). Die NAMEA (National Accounting Matrices including Environmental Accounts) weisen diesen Branchen die entsprechenden Emissionen aus dem nationalen THG-Inventar zu (Sutter et al. 2009). Die Aufteilung auf die einzelnen Teilbranchen erfolgt anhand der prozentualen Anteile der Beschäftigten (Vollzeitäquivalente). Die Vorleistungen anderer Branchen für die «Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln» werden mittels der EE-IOT- (environmentally-extended input-outputtables) und NAMEA- Tabellen ermittelt (Nathani et al.  2013).

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 458–465, 2014

459


Umwelt | Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft

–2,3

Exporte von Nahrungsmitteln

Direkte Landwirtschaftliche Produktion CH4 und N2O aus der direkten landwirtschaftlichen Produktion (Sektor 4 der nationalenTHG-Inventare) 5,6

0,7

0,7 0,0–1,2

Energieverbrauchb LULUCFc

Verarbeitung Verarbeitung,Verpackung und Transport

Vorleistungenª

(A)

Haushalte

9,3

Abfall und Entsorgung

Importe von Nahrungsmitteln

1.4

a: Herstellung von landwirtschaftlichen Produktionsmitteln b: Energieverbrauch auf den Landwirtschafts­ betrieben c: Landnutzung und Landnutzungsänderung (Land-Use/Land-Use Change and Forestry)

(B) Abb. 1 | Produktionsperspektive (A) und Konsumperspektive (B) der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft. Zahlen und Grösse der Rechtecke entsprechen den Emissionen im Jahr 2011 in Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten. Pfeile repräsentieren die Entwicklung im Zeitraum 1990–2011:  stabiler Trend,  zunehmende Emissionen,  abnehmende Emissionen.

Resultate Insgesamt werden durchschnittlich netto pro Jahr 14,6 Mio. t CO2 eq. durch die Land- und Ernährungswirtschaft verursacht, wobei die Emissionen zwischen 1990 und 2011 um mehr als 15 % gestiegen sind (Abb. 2 und Tab. 2). Der durch die Ernährung verursachte Pro-Kopf-Ausstoss an Treibhausgasen der Schweizer Bevölkerung bewegte sich in diesem Zeitraum kontinuierlich um 2 t CO2 eq. Die grössten Emissionsbereiche sind die direkte landwirtschaftliche Produktion und Importe von Nahrungsmitteln. Während die Emissionen der direkten landwirtschaftlichen Produktion durch Abnahme der Tierbestände und des Mineraldüngereinsatzes zwischen 1990 und 2011 um ca. 8 % gefallen sind, stiegen die Emissionen durch Nahrungsmittelimporte im gleichen Zeitraum um gut 70 %. Produktionsperspektive Die Emissionen in den Bereichen Vorleistungen, Energieverbrauch sowie LULUCF sind vergleichsweise gering. Bei den Vorleistungsemissionen fallen vor allem die energieintensiven Stickstoffdüngemittel mit 0,3–0,4 Mio. t CO2 eq. pro Jahr ins Gewicht (Abb. 3). Insbesondere zu Beginn der 90er Jahre, verliefen diese produktions­ bedingten THG-Emissionen leicht rückläufig. Im Gegensatz dazu stiegen die Emissionen aus den importierten

460

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 458–465, 2014

Futtermitteln seit 1990 stark an (+210 %) und erreichten 2011 fast das Niveau der Stickstoffdüngemittel. Die Pestizidherstellung fällt kaum ins Gewicht. Die Emissionen der direkten landwirtschaftlichen Produktion werden von den CH4-Emissionen aus der Verdauung der Nutztiere (44 %) und den N2O-Emissionen aus der Düngewirtschaft (38 %) dominiert. Der Rest entfällt auf die Lagerung von Hofdüngern, zu 11 % auf CH4 und zu 7 % auf N2O. Bei allen Emissionsquellen der direkten landwirtschaftlichen Produktion ist das Rindvieh von herausragender Bedeutung. Es ist verantwortlich für über 85 % der CH4-Emissionen und ist auch massgeblich an den N2O-Emissionen beteiligt. Von den energetischen Emissionen auf den Landwirtschaftsbetrieben entfallen zwei Drittel auf den Einsatz von Traktoren und Maschinen sowie auf die Grastrocknung, während die Beheizung von Gewächshäusern ein weiteres Drittel ausmacht. Die zeitlichen Trends waren stabil, mit Ausnahme der Grastrocknung, die heute im Gegensatz zu 1990 kaum mehr von Bedeutung ist. Nicht berücksichtigt ist die graue Energie, die mit der Herstellung von landwirtschaftlichen Gebäuden und Maschinen sowie der Bereitstellung von direkter Energie verbunden ist. Gemäss Latsch et al. (2013) ist der entsprechende Energieaufwand ungefähr doppelt so gross wie der direkte Energieverbrauch.


Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft | Umwelt

Tab. 1 | Emissionsfaktoren/-intensitäten (Ökobilanzdaten) der Produktions- und Nahrungsmittel in kg CO2-Äquivalente pro kg Produkt. Produktions- / Nahrungsmittel

Emissionsfaktor 2834 Nitrite, Nitrate

Düngemittel (nach Tarifnummernverzeichnis EZV)

Pestizide Futtermittel

0,0

3102 Stickstoffdüngemittel

2,2

3103 Phosphatdüngemittel

0,5

3104 Kalidüngemittel

0,4

3105 Mischdüngemittel, andere Düngemittel

0,7

Insektizide

18,7

Fungizide

14,3

Herbizide

23,1

Futtermittel Lebende Tiere Fische und Krebstiere

Import / Export

0,4

3101 Düngemittel tierischen oder pflanzlichen Ursprungs

Fleisch und Fleischwaren

Hillier et al. 2011

Lal 2004 Jungbluth et al. 2007

0,7 Import

Export 9,7

LT

8,2

FFW

9,7

9,1

FK

9,4

9,3

Molkereierzeugnisse und Eier

ME

5,7

5,7

Andere tierische Produkte

ATP

0,4

0,8

Lebende Pflanzen und Blumen

LPB

1,2

0,4

Gemüse, Früchte

GF

1,2

0,4

Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze

KTK

3,8

1,5

Getreide, Getreideerzeugnisse

GGE

0,9

1,0 1,4

Ölsaaten und ölhaltige Früchte

ÖF

1,5

Tierische und pflanzliche Öle und Fette

TPÖF

3,5

7,7

Zucker, Zuckerwaren, Honig

ZWH

0,8

0,7

Andere Nahrungsmittel

ANM

0,8

0,7

GE

1,4

0,2

TTW

0,8

0,6

Getränke Tabak und Tabakwaren

Die Quellen und Senken des LULUCF-Bereichs werden für Grasland und Ackerland sowie für mineralische und organische Böden (Moorböden) separat geschätzt. Kohlenstoffverluste in entwässerten und bewirtschafteten organischen Böden tragen am meisten zu den Emissionen dieses Bereichs bei. Bei den weitaus grösseren Flächen der mineralischen Böden wird angenommen, dass sie sich bei unveränderter Landnutzung im Gleichgewicht befinden und kaum Emissionen verursachen. Die starken Schwankungen der absoluten Werte des LULUCFBereichs werden durch die jährliche Variabilität der ­stehenden Biomasse verursacht. Konsumperspektive Durch Einbezug der Bereiche Verarbeitung sowie Import und Export von Nahrungsmitteln wird die Produktionsperspektive zur Konsumperspektive erweitert. Der Anteil dieser Bereiche nahm über den betrachteten Zeitraum von rund 42 % auf rund 54 % zu. Etwas weniger als zwei Drittel der Emissionen im Verarbeitungsbereich entfallen auf die Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln, während der Rest von den zuliefernden Branchen verursacht wird. Neben

Quelle

Jungbluth et al. 2007

der Backwarenindustrie fallen die Verarbeitung von Kaffee, Kakao, Gewürzen etc., die Milchverarbeitung sowie die Schlachthäuser und Fleischverarbeitung am stärksten ins Gewicht. Weder das Total der Emissionen noch die Aufteilung auf die einzelnen Branchen und Güter haben sich seit 1990 signifikant verändert. Der Beitrag der Nettoimporte von Nahrungsmitteln (Import minus Export) zum Total der Emissionen der Land- und Ernährungswirtschaft beläuft sich im Mittel auf fast 38 %, wobei die entsprechenden Emissionen seit 1990 stark zugenommen haben (+57 %). Am meisten Emissionen werden durch den Import von Fleisch und Fleischwaren, Gemüse und Früchte sowie Getränke verursacht (Abb. 4). Die Exporte stiegen zwischen 1990 und 2011 um mehr als 140 %. Die höchsten Emissionen können den Molkereierzeugnissen und Eiern zugeordnet werden, die gleichzeitig für den Grossteil der Zunahme verantwortlich sind. Bei der Verteilung der Emissionen auf die einzelnen Produktegruppen sind bei tierischen Erzeugnissen vor allem die hohen Emissionsintensitäten ausschlaggebend, während bei den pflanzlichen Produkten die absoluten Mengen stärker  ins Gewicht fallen.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 458–465, 2014

461


Umwelt | Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft

20,0

Mio t CO2-Äquivalent pro Jahr

15,0

10,0

5,0 Importe Verarbeitung LULUCF Energieverbrauch Direkte landwirtschaftliche Produktion Vorleistungen Exporte 2011

2010

2009

2008

2006

2007

2005

2004

2003

2001

2002

2000

1999

1998

1996

1997

1995

1994

1993

1991

1992

-5,0

1990

0,0

LULUCF: Landnutzung und Landnutzungsänderung (Land Use / Land Use Change and Forestry)

Abb. 2 | Treibhausgasemissionen der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft 1990–2011.

Diskussion Das Total der bilanzierten Emissionen sowie die Verteilung auf die verschiedenen Bereiche der Land- und Ernährungswirtschaft stimmen gut mit den Ergebnissen anderer Studien überein (Garnett 2008; Jungbluth et al. 2011). Verglichen mit den Reduktionsvorgaben der Klimastrategie Landwirtschaft verbleibt eine erhebliche Ziellücke (Abb. 5). Insbesondere die Konsumperspektive 20,0 offenbart einen Emissionsanstieg seit 1990, der hauptsächlich mit dem Bevölkerungswachstum und den entsprechenden Nahrungsmittelimporten erklärt werden 15,0 kann. Der sektorale und territoriale Fokus der IPCC-Emissionsinventare genügt daher für die Ausarbeitung von Reduktionsstrategien nicht. Das nationale THG-Inventar 10,0 deckt nur die Bereiche «direkte landwirtschaftliche Pro-

duktion», «Energieverbrauch», «LULUCF» sowie «Verarbeitung» ab, die im Durchschnitt 58 % der Emissionen ausmachen, wobei dieser Anteil über den Beobachtungszeitraum kontinuierlich abgenommen hat. Das Emissionsvolumen, das mittels Massnahmen aus der Konsumperspektive abgedeckt werden kann, ist also fast doppelt so gross wie jenes der Produktionsperspektive. Bereits die Studie von Jungbluth et al. (2011) kam zum Schluss, dass der Nahrungsmittelsektor aus der Konsumperspektive stark an Bedeutung gewinnt, und die aus dem Ausland importierten Emissionen insgesamt weit über 50 % betragen. Durch die integrale Betrachtung wird zudem sichtbar, ob eine Reduktionsmassnahme lediglich zu einer Emissionsverlagerung in nicht berücksichtigte Bereiche und namentlich ins Ausland führt. Eine entsprechende Tendenz in der Vergangen-

Tab. 2 | Treibhausgasemissionen der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft 1990 und 2011 1990

2011 Mio t CO2-Äquivalent

2011

%

%

Vorleistungen

0,58

0,69

4,2

4,5

Direkte landwirtschaftliche Produktion

6,09

5,60

43,8

36,2

Energieverbrauch

0,85

0,72

6,1

4,7

LULUCF

0,56

0,09

4,0

0,6

Total Produktionsperspektive

8,07

7,10

58,1

45,9

Verarbeitung

1,41

1,41

10,2

9,1

Importe

5,37

9,27

38,7

59,9

Exporte

–0,96

–2,31

–6,9

–15,0

Total Konsumperspektive

5,83

8,37

41,9

54,1

13,90

15,47

100,0

100,0

Total

462

1990

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 458–465, 2014


Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft | Umwelt

0,8

Mio t CO2-Äquivalent pro Jahr

0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2001

2002

2000

1998

1999

1997

1996

1995

1994

1993

1991

1990

0,0

1992

0,1

Futtermittel Pestizide Mischdüngemittel, andere Düngemittel Kalidüngemittel Phosphatdüngemittel Stickstoffdüngemittel

Abb. 3 | Treibhausgasemissionen des Vorleistungsbereichs 1990–2011.

heit wird durch die Tatsache belegt, dass die produktionsbedingten Emissionen über die Zeit abgenommen haben, während die konsumbedingten Emissionen gestiegen sind. Datenqualität und Aussagekraft Das Potenzial eines Bereiches zur Reduktion von Treib­ hausgasen kann nicht ausschliesslich von der Höhe der entsprechenden Emissionen abhängig gemacht werden. Zusätzliche Faktoren wie Unsicherheiten oder die Sensitivität auf Umweltbedingungen sind ebenfalls ausschlaggebend. Die Bereiche LULUCF und Verarbeitung sind in

diesem Zusammenhang hervorzuheben. Bereits kleinste Veränderungen der Kohlenstoffvorräte in den Böden können zu signifikanten Emissionen oder Senken von bis zu 3 Mio. t CO2 eq. führen (BAFU 2013). Auch bei Ökobilanzdaten von Lebensmitteln und insbesondere bei der Futtermittelproduktion werden häufig die assoziierten LULUCF-Emissionen nur sehr allgemein erwogen. Auf diesem Gebiet bestehen noch erhebliche Wissenslücken. Im Verarbeitungsbereich liegen die Unsicherheiten vor allem bei der bereichsinternen Verteilung der Emissionen mittels Hilfsgrössen. Ausserdem ist die Zuordnung der Treibhausgase auf branchenübergreifende Prozesse 

11 Fleisch und Fleischwaren

Emissionfaktor kg CO2-Äquivalent pro kg

10 9

Fische und Krebstiere Lebende Tiere

8 7

Molkerieerzeugnisse und Eier

6 5

Kaffee, Tee Kakao

4

Tierische und Pflanzliche Öle und Fette Ölsaaten und

3

ölhaltige Früchte

2 1 0 -0,2

TTW ANM ATP 0,0

LPB ZWH

Gemüse, Früchte Getreide, Getreideerzeugnisse

0,2

0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 Nettoimport in Mio t Abb. 4 | Emissionsfaktoren und Nettoimporte verschiedener Nahrungsmittelgruppen (ohne Getränke) im Jahr 2011. Tierische Produkte: rote Quadrate; pflanzliche Produkte: grüne Kreise; unbestimmt: blaue Rhomben. Die Verhältnisse der Flächen entsprechen den Beiträgen zu den Emissionen des Nettoimports. Abkürzungen siehe Tabelle 1.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 458–465, 2014

463


Umwelt | Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft

120 Emission Konsumperspektive

Index 1990 = 100%

115 110

Nahrungsmittelproduktion

105

Zielbereich Produktion

100 95

Emissionen Produktionsperspektive

90 85 80

2020

2015

2010

2005

2000

1995

Zielbereich Emissionen 1990

75

Abb. 5 | Entwicklung der Treibhausgasemissionen der Land- und Ernährungswirtschaft der Schweiz (Konsumperspektive) sowie der landwirtschaftlichen Produktion und der assoziierten Emissionen ­( Produktionsperspektive). Die farbigen Flächen entsprechen den Zielvorgaben der «Klimastrategie Landwirtschaft».

wie Transport, Kühlung oder Verpackung nicht möglich. Die Ausformulierung von Reduktionsstrategien gestaltet sich ohne detailliertere Analysen entsprechend schwierig. Weitere Analysen sind auch auf dem Gebiet der Ökobilanzdaten notwendig. Die grosse Bedeutung sowie die grosse Spannweite von produktspezifischen Werten in der Literatur signalisieren noch erheblichen Forschungsbedarf. Des Weiteren wurden für alle Produkte/Waren konstante Emissionsfaktoren über die gesamte Zeitperiode veranschlagt. Sowohl im Vorleistungsbereich als auch bei den Importen und Exporten von Nahrungsmitteln sind die Emissionsintensitäten im Allgemeinen jedoch rückläufig. Schliesslich sind die nicht berücksichtigten Bereiche «Haushalte» und «Abfall und Entsorgung» keineswegs vernachlässigbar: In der Studie von Garnett (2011) werden diesen Bereichen (inkl. Catering) etwa 20 % der Emissionen, die mit Landwirtschaft und Ernährung zusammenhängen, angelastet. Ausserdem entstehen hier die meisten Lebensmittelverluste und -Abfälle, deren Vermeidung zur THG-Reduktion beitragen würde.

Schlussfolgerungen und Ausblick Auf der Produktionsseite wären Massnahmen in den Bereichen Vorleistungen und Energieverbrauch relativ gut umsetzbar. Das Emissionsvolumen ist aber für grössere Reduktionen zu gering. Beschränkt man sich dagegen auf den grossen Bereich der direkten landwirtschaftlichen Produktion und auf LULUCF, sind die technischen Möglichkeiten zur Emissionsreduktion stark eingeschränkt. Die biochemischen Prozesse in der Tier-

464

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 458–465, 2014

und Pflanzenproduktion sind eng miteinander vernetzt und nur schwer beeinflussbar. Einzelne isolierte Massnahmen führen zudem oft zu einer blossen Verlagerung der Emissionen oder zu unerwünschten Nebenwirkungen. Vielversprechender sind übergeordnete Strategien zur Effizienzsteigerung (z. B. Erhöhung der StickstoffEffizienz), da sie erstens über die gesamte Prozesskette wirken und zweitens auch zu Reduktionen im Vorleistungs- und Energiebereich führen. Während Lösungsstrategien aus der Produktionsperspektive also meist auf die effizientere Produktion grösserer Mengen abzielen, stehen bei der Konsumperspektive zusätzlich das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten und die Zusammensetzung des Warenkorbs, also die grundlegenden Antriebskräfte der Emissionen, im Blickfeld. Die THG-intensiven tierischen Produkte sind dabei von zentralem Stellenwert. Eine Umstellung hin zu einer zunehmend vegetarisch orientierten Ernährung wäre daher äusserst vielversprechend, zum einen wegen des grossen Emissionsvolumens der Tierproduktion und zum anderen, weil die Wirkung über sämtliche Bereiche der Nahrungsmittelkette erfolgt (siehe z. B. Stehfest et al. 2009, Popp et al. 2010, Smith und Gregory 2013). Mit der Massnahme «ressourcenschonendere Ernährung» des Aktionsplans grüne Wirtschaft sowie Erkenntnissen aus dem Nationalen Forschungsprogramm «Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion» (NFP 69) soll das ökologische Verbesserungspotenzial bei der Ernährung konkreter n aufgezeigt und besser ausgeschöpft werden.


Evoluzione delle emissioni di gas serra nella filiera agroalimentare svizzera La filiera agroalimentare rappresenta una fonte significativa di emissioni di gas serra. Gli inventari delle emissioni sono alla base delle strategie di riduzione e dei controlli degli effetti. Finora, tuttavia, i tentativi di bilanciamento sono stati spesso caratterizzati da limitati punti di vista settoriali. Nel presente studio, le emissioni derivanti dalla filiera agroalimentare svizzera vengono considerate con un approccio integrale dalla prospettiva sia della produzione sia del consumo. Mentre, dal punto di vista della produzione, le emissioni si sono leggermente ridotte nonostante la crescita in termini di output, dal 1990 i gas serra derivanti dalla filiera agroalimentare sono aumentati complessivamente del 15 per cento. La causa principale è costituita dalle importazioni di alimenti, che dal 1990 sono aumentate di un buon 70 per cento. I risultati rivelano un notevole divario di obiettivi tra le prescrizioni della «Strategia sul clima per l'agricoltura» e l'evoluzione delle emissioni basate sui consumi. Le più importanti opzioni di intervento sono la promozione di un'alimentazione rispettosa dell'ambiente, ma anche l'incremento dell'efficienza in tutti i settori produttivi.

Literatur ▪▪ BAFU, 2013. Switzerland’s Greenhouse Gas Inventory 1990–2011. ­N ational Inventory Report 2013. Bundesamt für Umwelt, Bern. Zugang: http://www.bafu.admin.ch/climatereporting/00545/12558/ index.html?lang=en [04.07.2014]. ▪▪ Bellarby J., Foereid B., Hastings A. & Smith P., 2008. Cool Farming: C ­ limate impacts of agriculture and mitigation potential. Zugang: http://www.greenpeace.org [26.06.2013]. ▪▪ BFS, 2002. NOGA. Allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige. Bundesamt für Statistik (BFS), Neuenburg. Zugang: http://www.bfs.admin.ch [26.06.2013]. ▪▪ BLW, 2011. Klimastrategie Landwirtschaft. Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel für eine nachhaltige Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft. Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Bern. Zugang: http://www.blw.admin.ch [05.05.2013]. ▪▪ EEA, 2013. European Union CO2 emissions: Different accounting perspectives. European Environment Agency (EEA), Copenhagen. Technical report No. 20. ▪▪ EZV, 2013. Aussenhandelsstatistik. Eidgenössische Zollverwaltung (EZV), Bern. Zugang: http://www.ezv.admin.ch [26.06.2013]. ▪▪ Garnett T., 2011. Where are the best opportunities for reducing greenhouse gas emissions in the food system (including the food chain)? Food Policy 36, 23–32. ▪▪ Hillier J., Walter C., Malin D., Garcia-Suarez T., Mila-i-Canals L. & Smith P., 2011. A farm-focused calculator for emissions from crop and livestock production. En-

Summary

Riassunto

Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft | Umwelt

Development of greenhouse gas emissions in the Swiss agriculture and food sector The agriculture and food sector is a major contributor to greenhouse gas emissions. Emission inventories serve as a basis for reduction strategies and the respective impact assessments. To date however, efforts at assessment have frequently been characterised by limited sector perspectives. Adopting an integral approach, the present study reviews emissions from the Swiss agriculture and food sector from the perspectives of both production and consumption. Whereas emissions from the production perspective fell slightly in spite of rising output, greenhouse gas emissions from the total agriculture and food sector have risen by a total of 15 % since 1990. The main reason for this is food imports, which have increased by more than 70 % since 1990. The results reveal a considerable gap between the goals of the «Climate Strategy for Agriculture» and the trend of consumption-based emissions. The main options for action are the promotion of a climate-friendly diet and the increase of efficiency in all areas of production. Key words: greenhouse gas emissions, food system, agriculture, food consumption.

▪▪ Jungbluth N., Nathani C., Stucki M. & Leuenberger M., 2011. Environmental Impacts of Swiss Consumption and Production. A combination of input-output analysis with life cycle assessment. Environmental studies No. 1111. Bundesamt für Umwelt (BAFU), Bern. 171 S. ▪▪ Lal R., 2004. Carbon emission from farm operations. Environment International 30, 981–990. ▪▪ Latsch A., Anken T. & Hasselmann F., 2013. Energieverbrauch der Schweizer Landwirtschaft – Graue Energie schlägt zunehmend zu Buche. ­A grarforschung

Schweiz 4 (5), 244–247. ▪▪ Nathani C., Sutter D., van Nieuwkoop R., Kraner S., Peter M. & Zandonella R., 2013. Energiebezogene Differenzierung der Schweizerischen IOT 2008 und Revision der Energie-IOT 2001 und 2005. Bundesamt für Energie (BFE), Bern. 75 S. ▪▪ Popp A., Lotze-Campen H. & Bodirsky B., 2010. Food consumption, diet shifts and associated non-CO2 greenhouse gases from agricultural production. Global

Environmental Change 20 (3), 451–462. ▪▪ Smith P. & Gregory P.J., 2013. Climate change and sustainable food production.

Proceedings of the Nutrition Society 72, 21–28. ▪▪ Stehfest E., Bouwman L., van Vuuren D.P., den Elzen M.G.J., Eickhout B. & Kabat P., 2009. Climate benefits of changing diet. Climatic Change 95, 83–102. ▪▪ Sutter D., Heldstab J., Nathani C. & Holzhey M., 2009. NAMEA-AIR: Treibhausgasemissionen der Wirtschaftsbranchen: Methodikhandbuch. Schlussbericht an das Bundesamt für Statistik (BFS), Neuenburg.

vironmental Modelling & Software 26, 1070–1078. ▪▪ Jungbluth N., Steiner R. & Frischknecht R., 2007. Graue Treibhausgas-Emissionen der Schweiz 1990–2004. Erweiterte und aktualisierte Bilanz. Umwelt-Wissen Nr. 07/11. Bundesamt für Umwelt (BAFU), Bern.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 458–465, 2014

465


P f l a n z e n b a u

Mit Rhabarber, Faulbaum und Gerbstoffen­ ­gegen Fusarien und ­Mykotoxine in Weizen Hans-Rudolf Forrer1, Tomke Musa1, Fabienne Schwab2, Eveline Jenny1, Thomas D. Bucheli1, Felix E. Wettstein1, Keqiang Cao3 und Susanne Vogelgsang1 1 Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz 2 Duke University, Center for the Environmental Implications of Nanotechnology, Durham, NC 27708, USA 3 Agricultural University of Hebei, College of Plant Protection, Baoding 071001, China Auskünfte: Hans-Rudolf Forrer, E-Mail: hans-rudolf.forrer@agroscope.admin.ch

Medizinalpflanzen wirken auch gegen Fusarien: Faulbaum-Rinde, Rharbarberwurzelstücke und Mehl der Chinesischen Galle (mit Eichengalle, Galla legnosa). ­( Foto: HansRudolf Forrer, Agroscope)

Einleitung Bedeutung und Auftreten von Fusarium-Arten Fusarium-Pilze zählen zu den wichtigsten Krankheitserregern im Getreidebau. Gefürchtet sind Fusarien nicht nur wegen Ernte- und Qualitätsverlusten, sondern vor allem aufgrund der Bildung von Giftstoffen, den so genannten Mykotoxinen. Die vorherrschende Fusarium-Art in Weizen ist Fusarium graminearum (FG). Sie bildet die Mykotoxine Deoxynivalenol (DON), Nivalenol (NIV) sowie Zearalenon (ZEA), die Immunschwächen, reduzierte Nahrungsaufnahme oder Fruchtbarkeitsstörungen verursachen.

466

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 466–473, 2014

Bis 1974 war Fusarium nivale (heute in der Gattung Microdochium), der Erreger des Getreideschneeschimmels, der keine Mykotoxine bildet, die weitaus häufigste Art (Häni 1977). In 86  % der Weizenproben wurde ein Microdochium-Befall von 1 % oder mehr beobachtet, und im Mittel wiesen 13 % aller Körner Befall auf (Tab. 1). Die echten Fusarien spielten nur eine untergeordnete Rolle und FG wurde nur in 6 % der Proben nachgewiesen. Im Mittel wiesen nur 0,1 % der Körner FG-Befall auf. Deshalb, aber auch weil Mykotoxine damals noch kaum ein Thema waren, wurde den Fusarien nur eine geringe Bedeutung zugemessen. Mit Ausnahme von F. poae haben sich die


Befallszahlen auch in einem weiterem Monitoring von 1991–1999 kaum verändert. 2007–2010: 60-mal mehr F.-graminearum-Befall Mit der zunehmenden Bedeutung der Nahrungs- und Futtermittelsicherheit, der Beachtung der Mykotoxine sowie Berichten über eine weltweite Zunahme standen nun Fusarien in Getreide im Mittelpunkt. Dass dies gerechtfertigt war, geht aus dem neusten Schweizer Weizenmonitoring von 2007–2010 hervor: 76 % der Proben hatten FG-Befall und im Mittel wiesen 6 % der Weizenkörner Befall auf (Vogelgsang, persönliche Mitteilung). Der mittlere DON-Gehalt dieser Proben betrug 0,65 ppm (mg/kg) und 17 % der Proben überschritten den Grenzwert von 1,250 ppm für unverarbeitetes Getreide. Wie aber kann die drastische Zunahme des FGBefall und damit der DON-Belastung erklärt werden? Die Weizen-Monitorings zeigten, dass meist dort Probleme mit FG und DON auftreten, wo Weizen nach Mais mit Direktsaat oder reduzierter Bodenbearbeitung angebaut wird. Dabei bleiben Pflanzenreste des Mais, die oft FG-Befall aufweisen, auf der Erdoberfläche. Der FG-Pilz überwintert in den Maisresten und bildet dann im Frühsommer Fruchtkörper mit Askosporen, die den Weizen bei der Blüte infizieren. Die starke Zunahme der Probleme mit FG führen wir darauf zurück, dass sich der Maisanbau in der Schweiz von 1960 bis heute von weniger als 5000 ha auf über 60 000 ha ausgebreitet hat, und es in den letzten 20 Jahren einen starken Trend zu pflugloser, bodenschonender Bodenbearbeitung gab.

Zusammenfassung

Mit Rhabarber, Faulbaum und Gerbstoffen­­g egen Fusarien und ­M ykotoxine in Weizen | Pflanzenbau

In den letzten Jahren hat die Bedeutung von Fusarien und ihrer Giftstoffe beim Weizen stark zugenommen. Mit Medizinalpflanzen können Fusarien ökologisch bekämpft werden, wie diese Studie zeigt: Suspensionen aus Galla chinensis (Chinesische Galle) und Tanninsäure hemmten die Sporenkeimung und das Myzelwachstum von Fusarium graminearum in vitro um 75 bis 100 %. In Klimakammerversuchen mit künstlich infiziertem «Apogee»-Weizen reduzierten Behandlungen mit Tanninsäure, G. chinensis und Rheum palmatum (Chinesischer Rhabarber) den Deoxynivalenol(DON)-Gehalt der Körner um 67 bis 81 %. Die Rinde des Faulbaums (Frangula alnus) zeigte zwar weder in vitro noch in der Klimakammer einen Effekt, in Feldversuchen mit zwei Winterweizensorten reduzierte sie den DON-Gehalt aber um 60 %. Die ebenfalls gute Wirkung der Tanninsäure und von G. chinensis kann mit der Pilztoxizität erklärt werden, diejenige von F. alnus führen wir auf Resistenzinduktion zurück. Wir konnten erstmals zeigen, dass mit Pflanzen-Stoffen eine echte Alternative zum Einsatz von synthetischen Fungiziden zur Bekämpfung von Fusarien bei Weizen besteht.

Risikofaktoren: Vorfrucht Mais und Bodenschutz Für die enorme Zunahme des FG-Befalls zwischen 1991– 1999 und 2007–2010 dürfte neben der Ausweitung des pfluglosen Anbaus auch der zunehmende Anbau von FG-anfälligen Weizensorten und der starke Rückgang der Weizensorte Arina sein, die über einzigartige FGResistenzeigenschaften verfügt. Nachdem Arina in den 1980er-Jahren bis über 80 % der Weizenanbaufläche und in der Periode 1991–1999 immer noch über 60 % der Weizenanbaufläche beanspruchte, sank deren Anteil bis  heute auf weniger als 10 %. Tab. 1 | Fusarium -Befall von Winterweizen-Körnern 1971–1974, 1991–1999 und 2007–2010 (Mittelwerte aller Körner mit Befall in %, in Klammern % der Weizenproben mit mind. 1 % Befall; –: keine Angaben) Anzahl Proben

Microdochium spp.

1971–1974 a

101

12,8 (86)

0,1 ( 6)

1991–1999b

550

10,1 ( – )

0,3 ( – )

2007–2010c

527

12,7 (90)

6,0 (76)

1,9 (60)

Zeitraum

F. gramin– earum (FG)

F. poae (FP)

F. avenaceum (FA)

F. culmorum (FC)

F. crookwellense (FCr)

0,2 (15)

0,4 (30)

0,2 (13)

1,1 ( – )

0,2 ( – )

0,1 ( – )

0,9 (38)

0,1 ( 7)

0,1 ( 9)

a) Häni 1977, b) Schachermayr und Fried 2000, c) Vogelgsang et al., in Bearbeitung

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 466–473, 2014

467


Pflanzenbau | Mit Rhabarber, Faulbaum und Gerbstoffen­g ­ egen Fusarien und ­M ykotoxine in Weizen

120

% Sporenkeimung

100

100

80

80

% Myzelwachstum

60

60 PrP 40

TA

40

GC

20

FA

1%

abc FA

0,2

%

a

FA

1%

abc RP

0,2

%

ab

RP

1%

cd GC

0,1

%

bc

GC

% Konzentration

1%

10

d TA

1

%

0,1

cd

0

0,1

0 0,01

RP

TA

20

Abb. 1 | Einfluss von Suspensionen mit Tanninsäure (TA), Galla chinensis (GC), Rheum palmatum (RP), Frangula alnus (FA) und Pronto Plus® (PrP) auf die Sporenkeimung (links) und das Myzelwachstum (rechts) von Fusarium graminearum (FG0407); PrP bei Myzelwachstum nicht aufgeführt, da mit 0,1 % vollständig gehemmt. Mittelwerte mit Standardfehlern (Sporenkeimung) sowie Boxplots mit Median- und Max.-, Min.Werten (Myzelwachstum, Behandlungen mit gleichen Buchstaben unterscheiden sich statistisch nicht, Rang-ANOVA mit Dunn-Test, p < 0,05). Die Daten sind im Vergleich (%) zu den Werten der Kontrollverfahren dargestellt.

In Kenntnis der Problematik wurde von der Beratung empfohlen, entweder keinen Weizen nach Mais anzubauen oder Maisreste zu zerkleinern und unterzupflügen (Blum et al. 2011). Weizen und Mais sind flächenmässig im Ackerbau die wichtigsten Kulturen. Dies macht eine Trennung von Mais und Weizen nicht einfach. Aus ökonomischen Gründen und in Anbetracht des Bodenschutzes wäre die Rückkehr zum Pflug zudem fragwürdig. Daher bleibt die FG/DON-Problematik aktuell. Im konventionellen Anbau werden hingegen oft synthetische Fungizide eingesetzt. Im Bio-Anbau ist das Risiko für einen FG-Befall aufgrund des häufigeren Pflugeinsatzes geringer als bei anderen Anbauformen. Mit der Zunahme des Maisanbaus und dem Trend zu bodenschonender Bearbeitung erhöht sich aber auch hier das Risiko für höhere Toxinbelastungen. Deshalb prüften wir von 2003 bis 2005, analog zu unseren Untersuchungen für den Ersatz von Kupfer zur Krautfäule-Bekämpfung bei Kartoffeln (Dorn et al. 2007), die Eignung von Antagonisten, Medizinalpflanzen und Pflanzenstärkungsmitteln zur FusariumBekämpfung. Da mit Medizinalpflanzen erfolgsversprechende Resultate erzielt wurden, beschränkten wir uns in der Folge auf diese.

Material und Methoden Auswahl der Fusarium-Pilze und Medizinalpflanzen In unseren Untersuchungen verwendeten wir die drei F.-graminearum(FG)-Isolate und ein F.-crookwellense(FCr)Isolat, die von Weizenkörnern aus verschiedenen Gebie-

468

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 466–473, 2014

ten des Mittellandes isoliert wurden. Die Bedingungen für die Anzucht und Vermehrung der Fusarien sind in Forrer et al. (2014) beschrieben. Untersucht haben wir die Wirkungen von folgendem Pflanzenmaterial: Mehle der Chinesischen Galle (Galla chinensis: GC), von Wurzeln des Chinesischen Rhabarbers (Rheum palmatum: RP) und von der Rinde des Faulbaums (Frangula alnus: FA). GC-Mehle zeigten gute ­Wirkungen gegen M. majus, den Erreger des Getreideschneeschimmels, und FA, GC und RP gegen Phytophthora infestans bei Kartoffeln (Vogelgsang et al. 2013, Hu et al. 2009; Krebs et al. 2007). Diese Pflanzenprodukte enthalten alle Tannine und andere phenolische Substanzen mit antibiotischen und antioxidativen Wirkungen, die auch in der Medizin und zu Diätzwecken Eingang gefunden haben. Da GC rund 70 % Tanninsäure (Gerbsäure, tannic acid, TA) enthält, prüften wir in unseren Versuchen auch dieses hochmolekulare pflanzliche Polyphenol. Als Massstab für die Wirksamkeit der Pflanzenprodukte wurde das synthetische Fungizid Pronto Plus® (Wirkstoffe Tebuconazol und Spiroxamin) mitgeprüft (Forrer et al. 2014). Prüfung in Labor, Klimakammer und im Feld Im Labor wurde in vitro die Wirkung der Pflanzenprodukte auf die Sporenkeimung und das Myzelwachstum von FG untersucht. In Klimakammerversuchen mit künstlichen Fusarium-Infektionen (FG/FCr-Sporensuspensionen zum Zeitpunkt der Blüte) des Sommerweizens «Apogee» (Bugbee und Koerner 1997) wurde die Wirkung auf den Befall der Ähren und die Belastung der


Mit Rhabarber, Faulbaum und Gerbstoffen­­g egen Fusarien und ­M ykotoxine in Weizen | Pflanzenbau

ppm Deoxynivalenol (DON)

P

v.I

nf

.

e

Pr

v.& FA

v.&

n. I.

ab n. I.

cd

RP

v.&

GC

f. TA

v.&

n. In

bcd n. I.

d n. I.

bcd

. nf

r. nt

v.I TA

r. nt Ko

abc

2

1

a

TA

a

. nf v.I P

Pr

v.&

n. I. FA

v.& RP

v.&

c n. I.

a

n. I.

ab

GC

f.

v.& TA

n. In

nf

b n. I.

ab TA

r.

v.I TA

nt Ko

r. nt Ko

ab .

a 2

a

200 175 150 125 100 75 50 25 0

Ko

% Befallsstärke (Ähre)

1

80 70 60 50 40 30 20 10 0

Abb. 2 | Klimakammer-Versuch: Einfluss von Suspensionen mit Tanninsäure (TA), Galla chinensis (GC), Rheum palmatum (RP), Frangula alnus (FA) und Pronto Plus® (PrP) bei künstlicher Fusarium-graminearum -Infektion des Sommerweizens «Apogee» auf den Befall der Ähren (Fläche in %) und den Deoxynivalenol(DON)-Gehalt der Weizenkörner. Abkürzungen: Kontr. 1 und 2: Kontrollen mit Applikation von normalem und auf pH 4,0 angesäuertem Leitungswasser; v. Inf., n. Inf. und v.& n.I.: Applikation vor (v), nach (n) sowie vor und nach (v.& n.) der Infektion (Inf./I.). Mittelwerte mit Standardfehlern von zwei Versuchswiederholungen. Verfahren, die mit gleichen Buchstaben gekennzeichnet sind, zeigten keine gesicherten Unterschiede (Tukey-Test, p < 0,05).

Körner mit dem Mykotoxin DON untersucht. Von 2006– 2010 wurden Feldversuche mit den Weizensorten «Runal» und «Levis» und mit künstlichen Infektionen mit Sporensuspensionen, wie in der Klimakammer, durchgeführt. Zudem wurde 2010 ein Feldversuch mit halbnatürlichen Fusarium-Infektionen durchgeführt, bei dem wir im November 2009 auf der Versuchsfläche FG/ FCr-belastetes Maisstroh verteilten. In den Versuchen mit künstlichen Infektionen wurden 5-%-Suspensionen der Pflanzenprodukte jeweils einen Tag vor und/oder nach der Infektion appliziert. Im Feldversuch mit halbnatürlichen Infektionen erfolgten die Behandlungen vor und/oder nach einer FusaProg-Infektionsperiode während der Blüte (Musa et al. 2007; www.fusaprog.ch). Verfahren, Analytik und Statistik sind in Forrer et al. (2014) beschrieben.

stoffe GC und TA Wachstumsreduktionen von 80–85 % (RP: 10 %). Mit FA wurde keine gesicherte Hemmung gemessen. Die Versuche zeigten, dass TA und GC gute pilzhemmende Wirkungen haben, die aber zehnfach geringer sind als jene des Fungizids. Auch RP verfügte über ein schwaches Hemmpotenzial, nicht aber FA. Mit GC und dem Schneeschimmelpilz M. majus wurden ähn liche In-vitro-Resultate erzielt (Vogelgsang et al. 2013).

0,66

-0,74

-0,64

-0,92

-0,93

Ertrag

0,66 TKG

Resultate und Diskussion In-vitro-Wirkung der Medizinalpflanzen Die Sporenkeimung des F. crookwellense (FCr)-Isolats und der drei F. graminearum(FG)-Isolate wurde durch die Tanninsäure ähnlich stark gehemmt, weshalb in den In-vitro-Untersuchungen nur ein FG-Isolat verwendet wurde. Mit Pronto Plus® (PrP) und mit Suspensionen der Tanninsäure (TA) und Chinesischer Galle (GC) genügten Konzentration von 0,2 % und 1 %, um die Keimung vollständig zu hemmen. Mit Chinesischem Rhabarber (RP) und der Rinde des Faulbaums (FA) hingegen genügten dazu nicht einmal Suspensionen von 10 % (Abb. 1). Ein ähnliches Bild ergab sich beim Myzelwachstum: Während PrP das Myzelwachstum bereits bei 0,2 % vollständig hemmte, bewirkten 1-%-Suspensionen der Pflanzen-

-0,74

-0,92 Befall -0,95

-0,64

-0,93

0,95 DON

Abb. 3 | Klimakammerversuch: Streudiagramm-Matrix, welche die Beziehungen zwischen dem Ertrag, dem Tausendkorngewicht (TKG), dem Befall der Ähren und dem DON-Gehalt des Apogee-Weizens der Klimakammerversuche visualisiert. Die Zahlen in den Kästen entsprechen den Spearman-Korrelationskoeffizienten; der Bereich mit absoluten Werten grösser als 0,9 ist hervorgehoben.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 466–473, 2014

469


Pflanzenbau | Mit Rhabarber, Faulbaum und Gerbstoffen­g ­ egen Fusarien und ­M ykotoxine in Weizen

50

Die Resultate zeigten eine hohe Übereinstimmung mit jenen der In-vitro-Experimente: hervorragende Wirkung von PrP, gefolgt von TA, GC und RP, aber keine Wirkung von FA.

% Befall Ähre

40 30 20 10 0

8

a

b

d

c

2006

2007

2008

2009

2010

a

b

2006

2007

2008

Ertrag (t/ha)

6 4 2 0

c 2009

a 2010

Abb. 4 | Feldversuche: Fusarium -Befall und Ertrag mit zwei Weizensorten («Runal» und «Levis», 6 Verfahren, vgl. Abb. 5) und künstlichen Fusarium-graminearum - und F.-crookwellense -Infektionen 2006–2010. Die Boxplots mit Median umfassen die Daten beider Sorten und aller Verfahren. Boxplots, die mit gleichen Buchstaben gekennzeichnet sind, zeigten keine gesicherten Unterschiede ­( Tukey-Test, p < 0,05); 2007 ist im Jahresvergleich nicht berücksichtigt, da nur 5 Verfahren geprüft wurden.

Klimakammerversuch mit der Weizen-Sorte «Apogee» Da die Suspensionen von TA und GC pH-Werte nahe 4,0 hatten, führten wir zwei Leitungswasser-Kontrollverfahren durch, wobei eines davon auf pH 4,0 angesäuert wurde. Die Ähren der beiden Kontrollverfahren waren mit im Mittel der zwei Versuchsreihen und Verfahren rund 60 % befallener Ährenoberfläche stark befallen und der DON-Gehalt der Apogee-Körner betrug über 125 ppm (mg/kg). Wie bei den In-vitro-Tests bewirkte PrP die stärkste Befallshemmung und reduzierte die DONBelastung um 98 %. Bei den Pflanzenprodukten reduzierte vor und nach der Infektion applizierte TA den Befall statistisch signifikant, um 80 %. Alle Pflanzenprodukte, mit Ausnahme von FA und einem TA-Verfahren (Behandlung nur vor der Infektion), reduzierten hingegen den DON-Gehalt signifikant, um 67–80 % (Abb. 2). Zwischen allen Kriterien bestanden enge Beziehungen, wie aus der Streudiagramm-Matrix der Messdaten der Klimakammer-Versuche mit «Apogee» hervorgeht (Abb. 3). Mit Korrelationskoeffizienten von über 0,90 wurden sehr enge Beziehungen zwischen dem Ährenbefall, dem Tausendkorngewicht und dem DON-Gehalt der Körner beobachtet.

470

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 466–473, 2014

Feldversuche mit künstlichen Infektionen Von 2006 bis 2010 prüften wir die Wirkungen von TA, GC und FA in Feldversuchen mit künstlichen Infektionen mit FG- und FCr-Sporensuspensionen. Aus Kapazitätsgründen verzichteten wir auf die Prüfung von RP. Der Infektionserfolg in Feldversuchen hängt von diversen externen Faktoren, wie der Entwicklung der Wirtspflanze und der Witterung zum Zeitpunkt der Infektion, ab. Wie stark der Befall und der Ertrag im Laufe der Jahre variierte, geht aus Abbildung 4 hervor. Trotz ausgeprägter Jahresunterschiede bestanden zwischen den Messgrössen hochsignifikante (p < 0,001), enge Korrelationen (Spearman, n = 227): –0,806 zwischen Befall und Ertrag, –0,840 zwischen Ertrag und DON, sowie 0,899 zwischen DON und NIV. Abgesehen von FA, der im Feld ebenso gute Wirkungen zeigte wie TA und GC, entsprachen die Resultate den In-vitro- und den Klimakammerversuchen. Bemerkenswert war zudem, dass PrP, mit Ausnahme beim Ertrag, statistisch nicht besser abschnitt als die Pflanzenprodukte (Abb. 5). Mit PrP war der Ertrag im Mittel um 37 % und mit den Pflanzenprodukten um 13–23 % (TA) höher als jener des Kontroll-Verfahrens. Der höhere Ertrag mit PrP könnte teilweise auf seine breite Wirkung für Ähren- und Blattkrankheiten zurückzuführen sein. Die gute Wirkung der nicht pilztoxischen FA können wir nur mit einer Induktion von Resistenzmechanismen, das heisst, der Bildung von pflanzeneigenen Abwehrstoffen, erklären. Eine Resistenzinduktion durch FA wurde auch in Untersuchungen gegen den Falschen Mehltau der Rebe nachgewiesen (Gindro et al. 2007). Feldversuch mit halbnatürlichen Infektionen In diesem Versuch 2010 nutzten wir zur Bestimmung des Applikationszeitpunktes der Produkte das Fusarium- und DON-Prognosesystem FusaProg (Musa et al. 2007), das für den 6.–7. Juni Infektionsperioden anzeigte. Entsprechend der Einteilung in der Liste der empfohlenen Getreidesorten von Agroscope (www.swissgranum.ch) massen wir bei «Levis» (Klasse I) im Vergleich zu «Runal» (Klasse Top) einen 25 % höheren Ertrag. Die Resistenz für Ährenfusariosen für «Runal» und «Levis» ist als «mittel» beziehungsweise «mittel–schwach» aufgeführt. In den Proben der Kontroll-Verfahren massen wir 3,7 mg/kg (ppm) beziehungsweise 8,5 mg/kg DON. Diese DON-Belastungen sind in guter Übereinstimmung mit Praxiswerten bei direkt gesätem Weizen nach Mais (Vogelgsang et al. 2011).


Mit Rhabarber, Faulbaum und Gerbstoffen­­g egen Fusarien und ­M ykotoxine in Weizen | Pflanzenbau

% Befallsstärke (Ähre)

t/ha Ertrag

5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 c

Pr

FA

P

v.&

b. In

f.

n. I.

n. I. v.&

n. I.

GC

TA

cd

nf

.

I.

d

Pr

FA

P

v.&

v.I

n.

n.

nf v.I TA

nt Ko

bc I.

cd

.

lle

b

ro

nf v.I P

Pr

v.&

nf v.I

a

.

I. n.

FA

GC

0,0

c

v.&

v.&

n.

I. v.& TA

bc

I.

bc

n.

nf TA

v.I

ro nt Ko

c

.

lle

b

v.&

0,5

GC

1,0

5,0

I.

10,0

n.

1,5

b

ppm NIV

v.&

2,0

15,0

b

TA

20,0

b

.

lle nt Ko

2,5

a

b

ro

b. In P

Pr

ppm DON

0,0

a

f.

n. I. v.&

GC

v.&

0,0

c

TA

bc

n. I.

b

FA

. nf

TA

TA

v.I

ro nt

bc n. I.

b

v.&

a

Ko

25,0

7,0 6,0

lle

20,0 17,5 15,0 12,5 10,0 7,5 5,0 2,5 0,0

Abb. 5 | Feldversuche mit den Winterweizensorten «Runal» und «Levis» mit künstlichen Fusarium-graminearum - und F.-crookwellense -Infektionen in den Jahren 2006 und 2008–2010: Einfluss von Suspensionen mit Tanninsäure (TA), Galla chinensis (GC), Frangula alnus (FA) und Pronto Plus® (PrP) auf den Fusarium -Befall der Ä ­ hren, den Weizenertrag, den Deoxynivalenol(DON)- und den Nivalenol(NIV)-Gehalt der Weizenkörner. Mittelwerte mit Standardfehlern von 4 Versuchen mit 2 Sorten und 4 Wiederholungen. Abkürzungen und Statistik wie in Abb. 2.

27 % respektive 54 % und mit FA um 59 % respektive 55 % reduziert (Abb. 6). Mit Triazol-Fungiziden wurden in der Schweiz und Grossbritannien DON-Reduktionen von 50 % (Forrer et al. 2000) respektive 60 % (Edwards et al. 2010) beobachtet. In diesem Versuch reduzierte PrP

Wie in den Feldversuchen mit künstlichen Infektionen war die Wirkung der Pflanzenprodukte bei halbnatürlichen Infektionen gut bis sehr gut: gemittelt über beide Sorten, wurde der DON-Gehalt bei ein- und zweimaliger Behandlung mit TA um 54 % respektive 70 %, mit GC um

7 6 5 4 3 2 1 0

keine signifikanten Unterschiede, p=0,118

ppm DON Runal

10

a

ab

ab

ab

ab

ab

ab

b

bc

b

bc

bc

bc

c

ppm DON Levis

) (1

Pr

P

) (2

) FA

(1

(2 )

FA

b

GC

a

tr.

0

Ko n

P

(1

)

c

Pr

(2 FA

(1

)

ab

)

bc

FA

(2 )

GC

(1 GC

(2

b

)

a

)

bc

TA

TA

Ko n

(1 )

bc

tr.

a

(1

2

0

GC

2

)

4

(2

6

4

)

8

6

TA

8

t/ha Levis

(1 )

10

t/ha Runal

TA

7 6 5 4 3 2 1 0

Abb. 6 | Feldversuch mit den Winterweizensorten «Runal» und «Levis» und halbnatürlichen Fusarium -Infektionen durch Maisstoppeln: Einfluss von Suspensionen mit Tanninsäure (TA), Galla chinensis (GC), Frangula alnus (FA) und Pronto Plus® (PrP) auf den Weizenertrag und den Deoxynivalenol(DON)-Gehalt der Weizenkörner. Mittelwerte mit Standardfehlern von 4 Wiederholungen. Abkürzungen: (1) Applikation am 7.6.2010, (2) am 7.6.2010 sowie am 8.6.2010; Buchstaben unter Säulen wie in Abb. 2.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 466–473, 2014

471


Pflanzenbau | Mit Rhabarber, Faulbaum und Gerbstoffen­­g egen Fusarien und ­M ykotoxine in Weizen

den DON-Gehalt des Weizens um 87 %, was auf den optimalen Behandlungszeitpunkt basierend auf Fusa­ Prog zurückzuführen sein dürfte. Wie in den Feldversuchen mit künstlicher Infektion war auch hier die Wirkung von FA sehr gut. Unsere Annahme, dass FA bei «Runal» und «Levis» Resistenz induziert, wurde damit erhärtet. Dass eine zweimalige FA-Applikation keinen Vorteil brachte, wie dies bei den fungitoxischen Pflanzenprodukten TA und GC der Fall ist, ist ein weiteres Indiz für diese Hypothese. Die Faulbaumrinde schnitt auch bezüglich Ertrag gut ab und verbesserte diesen gegenüber der Kontrolle im Mittel um 10 % (PrP: 22 %). Dass FA beim Ertrag nicht hinter TA (9 %) zurückfiel, ist ein Hinweis, dass die Induktion der Resistenz nicht zu Lasten des Ertrags geht. Eine offene Frage störte jedoch zunächst das Bild: Wieso hatte FA keinen Einfluss auf den Fusarium-Befall und den DON-Gehalt bei den Versuchen mit «Apogee»? Eine Erklärung dazu dürfte in der in «Apogee» fehlenden QTL-Region (quantitative trait locus = Region in einem Chromosom, das einen Einfluss auf die Ausprägung eines quantitativen phänotypischen Merkmals hat) des Chromosoms 3BS liegen, die für die Fusarium-Resistenz wichtig ist. Dieses Manko an Resistenz ist für «Apogee» bedeutungslos, da die Sorte für die Weizenproduktion in Weltraumstationen bestimmt war (Bugbee und Koerner 1997).

472

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 466–473, 2014

Schlussfolgerungen Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Resistenzinduktion mit Faulbaumrinde (FA) für den Bio-Weizenanbau eine gute Möglichkeit zur Regulierung von Fusarien und zur Reduktion des Mykotoxinrisikos darstellt. Auch für die Integrierte Produktion könnte dies eine Alternative zum Einsatz von Ährenfungiziden sein. Für beide Anbausysteme könnten auch die direkt pilztoxisch wirkende Tanninsäure (TA) sowie die Chinesische Galle (GC), die ähnlich gute Resultate wie FA ergaben, gut geeignet sein. Für alle Produkte ist jedoch entscheidend, dass sie gezielt in Bezug zum Wachstumsstadium des Weizens und des Infektionsrisikos appliziert werden. Es ist anzunehmen, dass mit einem Einsatz des Resistenzinduktors FA zu Beginn der Blüte, gefolgt von einer Applikation von TA oder GC kurz vor oder nach einer Infektionsperiode noch höhere Wirkungen erzielt werden können als üblicherweise mit Fungiziden. Damit FA optimal eingesetzt werden kann, wäre es wichtig, die Reaktion der wichtigsten Sorten auf FA zu prüfen und Abklärungen über das Spektrum und die Dynamik der induzierten Stoffe zu machen. Damit könnte auch abgeklärt werden, ob mit der Anwendung von FA auch diätetisch wertvolle n Stoffe gebildet werden (Forrer et al. 2014).


Rabarbaro, frangola e tnnine contro le infezioni da Fusarium e le micotossine nel frumento Negli ultimi anni la presenza nel frumento dei funghi del genere Fusarium e delle loro tossine è aumentata notevolmente. I Fusarium possono essere contrastati in modo naturale con piante medicinali, come dimostra questo studio: sospensioni ricavate dalla Galla chinensis e dall'acido tannico hanno inibito del 75–100 per cento la germinazione delle spore e la crescita del micelio del Fusarium graminearum in vitro. In esperimenti condotti in camera climatica con la varietà «Apogee» infettato artificialmente, i trattamenti con acido tannico, G. chinensis e Rheum palmatum (rabarbaro cinese) hanno ridotto del 67–81 per cento il contenuto di deossinivalenolo (DON) nei chicchi. La corteccia della frangola (Frangula alnus) non ha dato alcun effetto né in vitro né nella camera climatica, mentre nelle prove sul campo con due varietà di frumento il contenuto di DON è stato ridotto del 60 per cento. L'effetto positivo sia dell'acido tannico che della G. chinensis si spiega con la tossicità del fungo, mentre quello della F. alnus lo imputiamo all'induzione di resistenza. Per la prima volta siamo riusciti a dimostrare che le sostanze vegetali costituiscono una reale alternativa all'uso di fungicidi nella lotta contro i Fusarium nel frumento.

Literatur ▪▪ Blum A., Chervet A., Forrer H.-R., Vogelgsang S. & Schmid F., 2011. Fusarien in Getreide. Datenblatt Ackerbau 2.5.23, AGRIDEA, 4 S. ▪▪ Bugbee B. & Koerner G., 1997. Yield comparisons and unique characteristics of the dwarf wheat cultivar ‘USU-Apogee’. Adv. Space Res. 20, 1891–1894. ▪▪ Dorn B., Musa T., Krebs H., Fried P.M. & Forrer H.-R., 2007. Control of late

Summary

Riassunto

Mit Rhabarber, Faulbaum und Gerbstoffen­­g egen Fusarien und ­M ykotoxine in Weizen | Pflanzenbau

Control of Fusarium fungi and mycotoxins in wheat with rhubarb, alder buckthorn and tannins During the past few years, the importance of Fusarium fungi and their toxins in wheat has increased significantly. This study demonstrated that fusaria can be controlled organically with medicinal plants: Suspensions of Galla chinensis and tannic acid inhibited spore germination and mycelial growth of Fusarium graminearum in vitro by 75 to 100 %. In climate chamber experiments with artificially infected «Apogee» wheat, treatments with tannic acid, G. chinensis (Chinese galls) and Rheum palmatum (Chinese rhubarb) reduced the deoxynivalenol (DON) content in grains by 67 to 81 %. Although the bark of alder buckthorn (Frangula alnus) showed no effect either in vitro or in the climate chamber, it reduced the DON content of two winter-wheat varieties by 60 % under field conditions. The good efficacy of tannic acid and G. chinensis can be explained by fungal toxicity, whereas that of F. alnus can be explained by resistance induction. This is the first time, that plant compounds proved to be a true alternative to synthetic fungicides for controlling Fusarium fungi in wheat. Key words: botanical, Fusarium graminearum, induced resistance, mycotoxin, wheat.

▪▪ Häni F.J., 1977. Über Getreidefusariosen – insbesondere Fusarium nivale (Fr.) Ces. Bei Weizen und Roggen. Dissertation ETH-Zürich, ETH- Nr.6092. ▪▪ Krebs H., Musa T., Forrer H.-R., 2007. Control of potato late blight with extracts and suspensions of buckthorn bark. In: Proceedings Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Universität Hohenheim, Stuttgart, Germany, 20– 23, March 2007. (in German).

blight in organic potato production: Evaluation of copper-free preparations

▪▪ Musa T., Hecker A., Vogelgsang S. & Forrer H.-R., 2007. Forecasting of Fusari-

under field, growth chamber and laboratory conditions. Eur. J. Plant Pathol.

um head blight and deoxynivalenol content in winter wheat with FusaProg.

119, 217–240. ▪▪ Edwards S.G. & Godley N.P., 2010. Reduction of Fusarium head blight and de-

EPPO Bull. 37, 283–289. ▪▪ Reddy M.V.B., Arul J., Angers P. & Couture L., 1999. Chitosan treatment of

oxynivalenol in wheat with early fungicide applications of prothioconazole.

wheat seeds induces resistance to Fusarium graminearum and improves seed

Food Addit. Contam. A . 27, 629–635.

quality. J. Agric. Food Chem. 47, 1208–1216.

▪▪ Forrer H.-R., Hecker A., Külling C., Kessler P., Jenny E. & Krebs H., 2000. Fusarienbekämpfung mit Fungiziden? Agrarforschung 7, 258–263. ▪▪ Forrer H.-R., Musa T., Schwab F., Jenny E., Bucheli T.D., Wettstein F.E. & Vogelgsang S., 2014. Fusarium head blight control and prevention of mycotoxin contamination in wheat with botanicals and tannic acid. Toxins 6, 830–849. ▪▪ Gindro K.G., Godard S., De Groote I., Viret O., Forrer H.-R. & Dorn B., 2007. Is it possible to induce grapevine defence mechanisms? A new m ­ ethod to evaluate the potential of elicitors. Rev. Suisse Vitic. Arboric. Hortic. 39, 377–383. ▪▪ Hu T., Wang S., Cao K., Forrer H.-R., 2009. Inhibitory effects of several Chine-

▪▪ Schachermayr G., & Fried P. M., 2000. Problemkreis Fusarien und ihre ­M ykotoxine. ­A grarforschung 7 (6), 252–257. ▪▪ Vogelgsang S., Hecker A., Musa T., Dorn B. & Forrer H.-R., 2011. On-farm experiments over 5 years in a grain maize/winter wheat rotation: Effect of maize residue treatments on Fusarium graminearum infection and ­d eoxynivalenol contamination in wheat. Mycotoxin Res. 27, 81–96. ▪▪ Vogelgsang S., Bänziger I., Krebs H., Legro R.J., Sanchez-Sava V. & Forrer H.R., 2013. Control of Microdochium majus in winter wheat with botanicals From laboratory to the field. Plant Pathol. 62, 1020–1029.

se medicinal herbs against Phytophthora infestans . ISHS Acta Hortic. 834, 205–210.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 466–473, 2014

473


P f l a n z e n b a u

Erdmandelgras: Mais als mögliche ­Sanierungskultur Martina Keller, René Total, Jürgen Krauss und Reto Neuweiler Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 8820 Wädenswil, Schweiz Auskünfte: Martina Keller, E-Mail: martina.keller@agroscope.admin.ch

Abb. 1 | Die Erdmandelgrasblüten sind charakteristisch und einfach zu erkennen. Im Feld ist es ­j edoch von grösster Bedeutung das Erdmandelgras in frühen Entwicklungsstadien zu erkennen.

Einleitung Das Erdmandelgras (Cyperus esculentus L.) gehört zu den schlimmsten und gefürchtetsten Unkräutern weltweit (Bryson und Carter 2008). In der Schweiz trat das Erdmandelgras vor etwa 30 Jahren das erste Mal auf. In der Zwischenzeit hat es sich stark ausgebreitet und ist zum Problem für Gemüsebetriebe, aber auch für Ackerbaubetriebe geworden (Keller et al. 2013). Das Erdmandelgras vermehrt sich vegetativ über Knöllchen im Boden, die sogenannten Erdmandeln (Stoller und Sweet 1987). Diese werden mit Bodenbearbeitungsgeräten, Maschinen und insbesondere mit Erntemaschinen leicht in weitere Flächen, Betriebe und Regionen verschleppt. Der Trend, dass immer mehr Arbeitsschritte von Lohnunternehmern durchgeführt werden, trägt zur weiteren

474

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 474–481, 2014

Verbreitung bei. Oft fehlt die Zeit, um die Maschinen und Geräte gründlich zu reinigen, manchmal auch noch das Bewusstsein bei den Produzenten/Produzentinnen. Ausserdem ist es schwierig bis unmöglich, Maschinen wie Zuckerrübenvollernter mit akzeptablem Zeitaufwand zu reinigen (Arbeitsspitzen, Wetterabhängigkeit, ökonomische Notwendigkeit zur Auslastung der Maschinen). Weitere Ausbreitungsfaktoren für das Erdmandelgras sind beispielsweise Pflanzgut, Ernterückstände, Erdbesatz, Wascherden oder Bodenmaterial aus betroffenen Gebieten (Keller et al. 2013; Bohren und Wirth 2013). Wenige – theoretisch bereits eine – Erdmandeln genügen, um eine neue Fläche zu besiedeln. Innerhalb einer Vegetationsperiode können aus einer «Muttererdmandel» mehrere hundert bis tausende Erdmandeln hervorgehen (Bohren und Wirth 2013). Bei den nächsten


Bodenbearbeitungsmassnahmen wird das Erdmandelgras innerhalb der Fläche verbreitet und unter Umständen auch in weitere Parzellen verschleppt. Gegen das Erdmandelgras sind in der Schweiz nur in bestimmten Kulturen einzelne, (teil-)wirksame Herbizide zugelassen. Werden andere Unkräuter erfolgreich mit Herbiziden bekämpft, steht das Erdmandelgras nur noch in Konkurrenz mit der Kulturpflanze (Bryson und Carter 2008). Dies führt in konkurrenzschwachen Kulturen zu erheblichen Ertragseinbussen. Zusätzlich kann sich das Erdmandelgras dann in diesen Kulturen stark vermehren (Keeley 1987). Die Situation ist besonders prekär in Gemüsekulturen, in denen ein hoher Erdmandelgrasbesatz zu Totalausfällen führen kann (persönliche Mitteilung L. Collet, Grangeneuve) und damit dazu, dass bestimmte Kulturen nicht mehr angebaut werden können. Aber auch in Kartoffeln und Zuckerrüben können dichte Erdmandelgrasbestände zu Ertragsverlusten von 40 % respektive 60 % führen (eigene Erhebung 2013). In diesen Kulturen ist zudem die Gefahr der Verschleppung – auch überregional – sehr hoch. Aufgrund der geschilderten Umstände ist es besonders wichtig, eine weitere Verbreitung zu verhindern und Erstbefall (Einzelpflanzen, lokalisierte Befallsstellen) in Flächen konsequent zu tilgen (vgl. Keller et al. 2013). Für Flächen mit bereits relativ homogenem, mittlerem bis starkem Befall werden jedoch wirksame Bekämpfungsstrategien benötigt, um den Erdmandelgrasdruck zu reduzieren beziehungsweise zumindest zu stabilisieren. Langfristiges Ziel sollte eine Flächensanierung sein, die zu einer Befallsfreiheit führt. Als Bekämpfungsansatz ist ein mehrjähriger Maisanbau vielversprechend, da Herbizide mit einer gewissen Wirksamkeit gegen das Erdmandelgras in Mais in der Schweiz zugelassen sind und auch eine mechanische Bekämpfung möglich ist. Ausserdem benötigt Mais ähnliche Keimbedingungen wie das Erdmandelgras. Somit kann die Herbizidapplikation durch Wahl des Saattermins auf das Stadium des Erdmandelgrases abgestimmt werden. Nach Bestandesschluss beschattet der Mais den Boden gut und über eine lange Zeit, so dass die Keimung von weiteren Erdmandelgraspflanzen reduziert ist (Keeley 1987, Keller et al. 2013, Anonymous 2014a). Ziele dieser Arbeit waren daher erstens die Wirkung von verschiedenen Herbiziden einfach und im Split-Verfahren appliziert; zweitens die Wirkung von mechanischen Massnahmen, unter anderem kombiniert mit chemischer Bekämpfung und drittens die Wirkung von intensiven Bekämpfungsstrategien gegen das Erdmandelgras in der Kultur Mais über mehrere Jahre zu untersuchen. Es sollen mehrere, wirksame Bekämpfungsmöglichkeiten bestimmt werden, die unmittelbar und mittelfristig  in der Praxis eingesetzt werden können.

Zusammenfassung

Erdmandelgras: Mais als mögliche ­S anierungskultur | Pflanzenbau

Das Erdmandelgras (Cyperus esculentus L.) ist weltweit eines der gefürchtetsten Unkräuter und wird in der Schweiz zunehmend zu einer Bedrohung für Gemüse- und Ackerbaubetriebe. Die Vermehrung und Verschleppung erfolgt über vegetativ gebildete Knöllchen. Neben der Verhinderung einer weiteren Verbreitung ist es wichtig, auf flächig befallenen Parzellen den Befallsdruck zu reduzieren. Eine vielversprechende Strategie dafür ist ein mehrjähriger Maisanbau mit intensiver Unkrautbekämpfung. Feldversuche in Mais wurden über drei Jahre (2011–2013) durchgeführt, um die Wirkung von verschiedenen Herbiziden, Splitanwendung und mechanischer Bekämpfung auf das Erdmandelgras zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigten, dass eine Anwendung im Split einer einmaligen Applikation vorzuziehen ist. S-Metolachlor, Bentazon, Rimsulfuron kombiniert mit Mesotrione zeigten eine gute Wirkung gegen das Erdmandelgras. S-Metolachlor kombiniert mit Hackdurchgängen reduzierte den Besatz. Eine Spätapplikation im Unterblattverfahren führte zu einer weiteren Reduktion des Befallsdrucks. Ein Maisanbau mit dem Ziel, den Erdmandelgrasdruck zu reduzieren, erfordert eine sehr intensive Unkrautbekämpfung, die über das gewohnte Mass hinausgeht.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 474–481, 2014

475


Pflanzenbau | Erdmandelgras: Mais als mögliche ­S anierungskultur

Tab. 1 | Versuchsvarianten 2011, Herbizide, Aufwandmenge und Applikationszeitpunkt Beschreibung Varianten Herbizide / mechanisch

Wirkstoff, Aufwandmenge g/ha

Bekämpfungszeitpunkt (BBCH)

Versuch A 1 2_2011

Unbehandelte Kontrolle

Dual Gold

S-Metolachlor, 1920

VA b

3a

Callisto

Mesotrione, 150

13

3b

Callisto

Mesotrione, 2 x 75

13,16

Dasul

Nicosulfuron, 60

13

4a _2011 4b_2011

Dasul

Nicosulfuron, 2 x 30

13, 16

5

Permit

Halosulfuron-methyla, 2 x 15

13, 16

a

Hacken

Versuch B

b c _2011

Dual Gold

13, 16 S-Metolachlor, 1920

Hacken Dual Gold

IBSc 13, 16

S-Metolachlor, 1920

Hacken

VA 13, 16

Versuch C

10 _2011

11_2011 12_2011

13_2011

14 _2011 a

Permit

Halosulfuron-methyla, 2 x 15

13, 16

Titus

Rimsulfuron, 2 x 5

13, 16

Basagran

Bentazon, 960

63

Callisto

Mesotrione, 75

63

Basagran

Bentazon, 2 x 960

16, 63

Callisto

Mesotrione, 75

63

Basagran

Bentazon, 2 x 960

16, 63

Callisto

Mesotrione, 75

63

Titus

Rimsulfuron, 2 x 5

13, 16

Callisto

Mesotrione, 3 x 75

13, 16, 63

Basagran

Bentazon, 960

63

Callisto

Mesotrione, 150, 75

16, 63

Basagran

Bentazon, 960

63

in der Schweiz nicht zugelassen bVorauflauf cVorsaateinarbeitung

Material und Methoden Drei Feldversuche (A, B und C) wurden im St.Galler Rheintal in Mais am gleichen Standort über drei Jahre (2011 – 2013) durchgeführt. Beim Boden handelte es sich um einen lehmigen Ton mit hohem organischem Gehalt. Die Jahresdurchschnittstemperaturen lagen 2011, 2012 und 2013 bei 11,7 °C, 10,2 °C und 9,5 °C. Die Jahresniederschläge betrugen 2011, 2012 und 2013 1302 mm, 1322mm und 1247 mm (www.agrometeo, nahegelegenste Wetterstation beim Versuch). Die Versuche waren als randomisierte, vollständige Blockanlagen A mit vier, B mit zwei und C mit drei Wiederholungen angelegt. Im

476

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 474–481, 2014

Versuch A und C betrug die Parzellengrösse 6 m × 10 m, im Versuch B 6 m × 20 m. Im Versuch A wurde die Wirkung von einzelnen Herbiziden und Herbizidkombinationen einfach und im Splitverfahren (2 × mal) appliziert untersucht (Tabelle 1, Tabelle 2). Für den Vergleich «Einfachapplikation» versus Splitapplikation wurden die Parzellen in Unterparzellen geteilt (3a, 3b, 4a, 4b). Im Versuch B wurden Hackvarianten mit und ohne chemischer Bekämpfung geprüft. Im Versuch C wurden intensive Bekämpfungsansätze mit Herbizidkombinationen und bis zu drei Herbizidapplikationen getestet. Im Jahr 2011 waren die Varianten 11 und 12 identisch, da eine weitere Applikation von Bentazon aufgrund ungünstiger Witterungsbedingungen in der Variante 12 nicht durchgeführt werden konnte. Die Versuchsvarianten wurden nach dem ersten Versuchsjahr aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse angepasst. Im dritten Versuchsjahr wurden die Versuchsvarianten beibehalten bis auf die Versuchsvarianten 12 und 14. In diesen wurden Rimsulfuron und Mesotrione in Mischung zum ersten Applikationszeitpunkt im Nachauflauf (NA) ausgebracht. Sämtliche bis zum BBCH 13 – 16 durchgeführten Herbizidapplikationen erfolgten mit einer Parzellenspritze (Schachtner). Die Witterung war in den drei Jahren sehr unterschiedlich, so dass die zwei Nachauflaufapplikationen nicht zu den genau gleichen Entwicklungsstadien des Maises durchgeführt werden konnten. Es wurde darauf geachtet, dass die Mehrheit der Erdmandelgraspflanzen bei den Applikationen weniger als fünf Blätter aufwiesen. Die Spätapplikation im Unterblattverfahren in Mais erfolgte mit einer Rückenspritze (Foxmotori.IT) im BBCH-Stadium 63 (2011, 2012); und im BBCH-Stadium 39 (2013). Die Wasseraufwandmenge betrug bei allen Behandlungen 400 l/ha. Um die Benetzung zu erhöhen wurde 0,5 l/ha Exell (2011) beziehungsweise 0,5 l/ha Break-Thru (2012 und 2013) im NA verwendet. Gehackt wurde zweimal im BBCH 12 – 13 und nochmals im BBCH 15– 16 mit einem Geräteträger (FOBRO-Mobil, BärtschiFOBRO AG). Die Wirksamkeit der Verfahren wurde folgendermassen beurteilt: Vor Versuchsbeginn im Frühjahr 2011 und jeweils im Herbst wurden Bodenproben entnommen (vier Einstiche pro Parzelle, Tiefe 0,2 m, Gesamtvolumen 10 l, entspricht etwa 0,05 m²). Die Proben wurden kühl gelagert (ca. 2 °C) und dann im Gewächshaus in Schalen angetrieben. Die Anzahl oberirdischer Triebe wurde nach vier Wochen gezählt (EGW). Die Auswertung erfolgte in R (Freie Programmiersprache für Statistik, Version 3.1.1). Für die Auswertung der einzelnen Jahre wurde EGW des Vorjahrs als Kovariate ins Modell aufgenommen. Dadurch konnte die unterschiedliche Vorgeschichte der Parzellen berücksich-


Erdmandelgras: Mais als mögliche ­S anierungskultur | Pflanzenbau

Tab. 2 | Versuchsvarianten 2012 und 2013, Herbizide, Aufwandmenge und Applikationszeitpunkt Beschreibung Varianten Wirkstoff, g/ha

Unbehandelte ­Kontrolle

Bekämpfungs­zeitpunkt (BBCH)

Versuch A

Adengo

12-13, 15-16

Thiencarbazone, 2 x 14,85

12-13, 15-16

Cyprosulfamideb, 2 x 24,8

12-13, 15-16 12-13, 15-16

Callisto

Mesotrione, 2x75

3a

Callisto

Mesotrione, 150

12-13

3b

Callisto

Mesotrione, 2 x 75

12-13, 15-16

Isoxaflutole, 74,2

12-13

4a

Adengo

Permit

12-13

Isoxaflutole, 2 x 37,1,

12-13, 15-16

Thiencarbazone, 2 x 14,85

12-13, 15-16

Cyprosulfamideb, 2 x 24,8

12-13, 15-16

Halosulfuron-methyla, 2x15

12-13, 15-16

Versuch B Hacken Dual Gold

b

12-13, 15-16 S-Metolachlor, 1920

­Hacken Dual Gold

12-13, 15-16 S-Metolachlor , 1920

­Hacken

VSE

Basagran SG

Bentazon, 960

63

Permit

Halosulfuron-methyl, 2 x 15

12-13, 15-16

Versuch C 10

11 12

d

13

14d

Titus

Rimsulfuron, 2 x 5

12-13, 15-16

Titus

Rimsulfuron, 2 x 5 ­

12-13, 15-16

Callisto

Mesotrione, 2 x 75

12-13, 15-16

Titus

Rimsulfuron, 10

12-13

Callisto

Mesotrione, 150

15-16

Titus

Rimsulfuron, 2 x 5

12-13, 15-16

Callisto

Mesotrione, 2 x 75

12-13, 15-16

Basagran SG

Bentazon, 960

63

Titus

Rimsulfuron, 10

12-13

Callisto

Mesotrione, 150

15-16

Basagran SG

Bentazon, 960

63

in der Schweiz nicht zugelassen Safener c Vorsaateinarbeitung d 2013 wurde Titus und Callisto in diesen beiden Versuchsgliedern bei der ersten Applikation als Mischung appliziert a

b

Versuch A (sig)

12-13, 15-16

Versuch B (ns)

Versuch C (ns)

40

c

VSEc

30

a

b

20

5

Adengo

12-13

Die Verunkrautung in einem Feld ist räumlich meist heterogen (Beispielsweise: Nordmeyer und Zuk 2002; Gerhards und Oebel 2006), insbesondere bei perennierenden Arten. Auch die Verseuchung mit Erdmandelgras in der Versuchsfläche war sehr variabel und daher war die Streuung der Daten relativ hoch. Zu Beginn des Versuchs wurden etwa neun Erdmandelgrastriebe pro Schale gezählt. Dies entspricht etwa 180 Trieben pro m² mit einer Streuung von ±144 Trieben pro m² (SD). Daher konnten nur für wenige Varianten signifikante Unterschiede festgestellt werden. Dennoch lassen sich Trends ableiten. Im Versuch A war EGW in den Varianten mit Splitapplikation in fünf von sechs Fällen wesentlich tiefer im Vergleich zu der entsprechenden Variante mit nur einer Applikation (Abb. 2; Abb. 3 und Abb. 4; 3b versus 3a, 4b versus 4a). 2013 keimten im Gewächshaus aus Bodenproben von unbehandelten Kontrollparzellen (Variante 1) 

ab ab

10

4b

Thiencarbazone, 29,7 Cyprosulfamideb, 49,6

Resultate und Diskussion

ab ab

a

a

2

3a 3b 4a 4b 5

0

2

Isoxaflutole, 2 x 37,1

Anzahl Erdmandelgrastriebe

1

50

Herbizide / mechanisch

tigt werden. Die Versuche wurden einzeln ausgewertet. Der Blockeffekt wurde als fix modelliert. Es erfolgte jeweils eine Modellreduktion anhand des Akaike information criterion (AIC) unter der Verwendung der «step» Funktion. Die adjustierten Mittelwerte (lsmeans) wurden mit dem Package «lsmeans» von R.V. Lenth (2014) berechnet. Die Entwicklung des Erdmandelgrasbesatzes über die Jahre wurde deskriptiv für einzelne Varianten dargestellt.

1

a b c Varianten

10 11 12 13 14

Abb. 2 | Anzahl Erdmandelgrastriebe in den Bodenproben vom Herbst 2011 (adjustierte Mittelwerte, lsmeans). Anzahl pro 10l ­B oden nach 4 Wochen A ­ ntrieb im Gewächshaus. Die Angaben zu den Versuchsvarianten finden sich in Tabelle 1. Sig: signifikant (p-Wert<0,05); ns: nicht s­ ignifikant.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 474–481, 2014

477


80

80

Pflanzenbau | Erdmandelgras: Mais als mögliche ­S anierungskultur

Versuch A b (sig)

Versuch B (ns)

Versuch C (sig)

Versuch A (sig)

Versuch B (ns)

Versuch C (ns)

Anzahl Erdmandelgrastriebe 40 60

ab ab ab ab B

20

a

20

Anzahl Erdmandelgrastriebe 40 60

b

b

ab

ab ab

ab

a

ab

AB A

1

478

2

3a 3b 4a 4b

5

a b c Varianten

10 11 12 13 14

0

A

0

A

Abb. 3 | Anzahl Erdmandelgrastriebe in den Bodenproben vom Herbst 2012 (adjustierte Mittelwerte, lsmeans). Anzahl pro 10l Boden nach 4 Wochen A ­ ntrieb im Gewächshaus. Die Angaben zu den Versuchsvarianten finden sich in Tabelle 2. Sig: signifikant (pWert<0,05); ns: nicht s­ ignifikant.

a b c 10 11 12 13 14 Varianten Abb. 4 | Anzahl Erdmandelgrastriebe in den Bodenproben vom Herbst 2013 (adjustierte Mittelwerte, lsmeans). Anzahl pro 10l Boden nach 4 Wochen A ­ ntrieb im Gewächshaus. Die Angaben zu den Versuchsvarianten finden sich in Tabelle 2. Sig: signifikant (pWert<0,05); ns: nicht s­ ignifikant.

im Vergleich zu Herbizidvarianten wie 4a vergleichsweise wenige Erdmandeln (EGW). Dies war auf die starke Konkurrenzwirkung von anderen Unkräuter, insbesondere von Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli) und Pfirsichblättrigem Knöterich (Polygonum persicaria) zurückzuführen. Dieser sehr starke Unkrautdruck, entstanden während der vorangegangenen Jahre ohne Unkrautbekämpfung, hatte eine stark unterdrückende Wirkung auf das Erdmandelgras. Bryson und Carter (2008) berichteten bereits, dass sich das Erdmandelgras beispielsweise im Südosten der USA erst nach der Einführung von Herbiziden und damit mit dem Verschwinden von anderen Unkräutern aus den Feldern etablieren konnte. In unserem Versuch war der Ertragsverlust in der unbehandelten Kontrolle bis 2013 auf 100 % angestiegen. Im Versuch A erwies sich Halosulfuron-methyl (Variante 5) über die drei Jahre als wirksamster Wirkstoff ( im Vergleich zur Kontrolle) (Abbildung 2, Abbildung 3 und Abbildung 4). Der relativ hohe EGW-Wert im Jahr 2013 ergibt sich aus der Berücksichtigung der Vorgeschichte der Parzelle über EGW des Vorjahres als Kovariate. Zusätzlich war die Wirkung von Halosulfuron-methyl gegen Hirsen nicht ausreichend. Bis 2013 hatten sich diese so massiv vermehrt, dass sie stark in Konkurrenz

traten mit dem Erdmandelgras und der Kultur. Im Gegensatz dazu war die Variante 10 (Halosulfuronmethyl kombiniert mit Rimsulfuron) im Versuch C auch 2013 unkrautfrei und zeigte nur einen sehr geringen Besatz an Erdmandelgras. Halosulfuron-methyl ist jedoch in der Schweiz nicht zugelassen (www.blw.admin.ch; Stand August 2014). Im Europäischen Raum ist Halosulfuron-methyl in Italien, Griechenland und Spanien in Reis zugelassen (Anonymous 2014b-e). Im Versuch B war EGW in zwei der drei Versuchsjahre bei den kombinierten Varianten mit mechanischen und chemischen Massnahmen deutlich kleiner im Vergleich zur rein mechanischen Bekämpfung mit Hacken (Abbildung 2, Abbildung 3 und Abbildung 4; Varianten b und c versus a). In der Hackvariante ohne zusätzlichen Herbizideinsatz konnte das Erdmandelgras insbesondere in der Reihe nicht ausreichend bekämpft werden. Das Bodenherbizid S-Metolachlor zeigte eine gute Wirkung. Dieser Wirkstoff benötigt jedoch eine gewisse Bodenfeuchte, um seine volle Wirkung zu entfalten. Durch die Applikation im Vorauflauf (VA) oder Vorsaateinarbeitung (VSE) (in der Form nicht bewilligt in der Schweiz, Stand August 2014) kann das Erdmandelgras jedoch bei ungenügender Wirkung aufgrund ausbleibender Niederschläge auch

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 474–481, 2014

1

2

3a 3b 4a 4b

5


Erdmandelgras: Mais als mögliche ­S anierungskultur | Pflanzenbau

im Mais führte unabhängig von den davor durch­ geführten Massnahmen zu einer zusätzlichen Reduktion der Erdmandelgrastriebe in fünf von sechs Fällen (2012 – 2013: c versus b, 14 versus 12, 13 versus 11). Durch die Spätapplikation wurden auch noch spät keimende Erdmandeln erfasst und konnten so an der Knöllchenbildung gehindert werden. Die Betrachtung der Ergebnisse über die Jahre macht deutlich, dass eine Splitapplikation einer Einfach-Applikation vorzuziehen ist (Abbildung 5). Jedoch führte auch die Applikation von Mesotrione im Split über die drei Jahre zu einer Befallszunahme. Halosulfuron-methyl und Rimsulfuron appliziert im Split, sowie eine sehr intensive Bekämpfung mit drei Applikationen (Mesotrione und Rimsulfuron appliziert im Splitverfahren kombiniert mit einer späten Unterblattapplikation von Bentazon) führte zu einer Stabilisierung bis zu einer Abnahme  des Erdmandelgrasdruckes.

40 20

Anzahl gekeimter Erdmandeln

60

80

noch im späteren NA bekämpft werden. Die EPPO (European and Mediterranean Plant Protection Organization) schlägt beispielsweise auch Mais als Monokultur und in dieser die konsequente Anwendung von S-Metolachlor zur Flächensanierung vor (Anonymous 2014a). Diese Empfehlung konnte durch den Versuch B bestätigt werden. Im Versuch C zeigte Rimsulfuron und Mesotrione appliziert im Split-Verfahren (Abbildung 3 und Abbildung 4; Variante 11, 2012 und 2013) eine gute Wirkung beziehungsweise es wurden nur wenige Triebe in den Schalen gezählt. Rimsulfuron und Mesotrione in Spritzfolge (Abbildung 3, Variante 12; 2012 ) bzw. als Mischung im frühen VA (Variante 12; 2013) zeigten eine geringere Wirkung, d.h. einen höheren EGW. Die bereits dokumentierte sehr hohe Wirkung des Wirkstoffs Bentazon (Anonymous 2006) gegen das Erdmandelgras wurde im Versuch bestätigt (2011: Variante, 11, 12). Eine späte Unterblatt-Applikation von Bentazon

0

vor Versuch 2011 2012 2013 meso 1x

meso 2x

mech/chem

rim/halo 2x

rim/mes/ben

Varianten Abb. 5 | Entwicklung von ausgewählten Varianten über die drei Versuchsjahre. Meso 1x: Mesotrione appliziert einmal im frühen NA; meso 2x: Mesotrione appliziert im Split zweimal im NA; mech/chem: S-Metolachlor, Hacken, Bentazon (2012, 2013 spät Unterblatt); rim/halo 2x: Rimsulfuron und Halosulfuron-methyl im Split, 2011 zusätzlich Bentazon und Mesotrione spät Unterblatt; rim/mes/ben: Bentazon appliziert im NA, Bentazon und Mesotrione spät Unterblatt (2011), Rimsulfuron und Mesotrione appliziert im Split zweimal im NA und Bentazon spät Unterblatt (2012–2013).

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 474–481, 2014

479


Pflanzenbau | Erdmandelgras: Mais als mögliche ­S anierungskultur

Abb. 7 | Mit Droplegs und einer selbstfahrenden Spritze könnte auch noch zu einem späten Zeitpunkt im Mais das Erdmandelgras bekämpft werden.

Abb. 6 | Spät gekeimte Erdmandeln müssen bekämpft werden, um eine Knöllchenneubildung und somit eine Vermehrung zu verhindern.

Schlussfolgerungen Ein mehrjähriger Maisanbau stabilisiert den Erdmandelgrasbesatz und vermag diesen höchstwahrscheinlich auch zu reduzieren. Voraussetzung ist jedoch eine sehr intensive Unkrautbekämpfung, die über das gewohnte Mass hinausgeht. Dies beinhaltet mehrere Herbizidapplikationen sowie Hackdurchgänge, Split-Behandlungen sowie Herbizidmischungen und -kombinationen. Eine Spätapplikation im Unterblattverfahren in Mais ist vielversprechend und wäre oft auch notwendig, damit spät keimendes Erdmandelgras an der Knöllchenbildung gehindert wird. In der Praxis kann dies mit Droplegtechnologie (Düsen nach unten gerichtet) und einer selbstfahrenden Feldspritze mit ausreichender Bodenfreiheit realisiert werden (Abbildung 6 und Abbildung 7) (Rüegg und Total 2013). Dadurch wird der Mais nur wenig getroffen (bis Düsenhöhe) und somit kann das

480

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 474–481, 2014

Risiko von Phytotoxizität stark reduziert werden. Die Erdmandelgrasbekämpfung im Mais ist teuer und für extensiv wirtschaftende Ackerbetriebe unter Umständen kurzfristig betrachtet kaum lohnenswert. Intensiv wirtschaftende Gemüsebetriebe sowie auch Kartoffelund Zuckerrübenanbauende mit Befallsflächen werden höchstwahrscheinlich gezwungen sein, diese vermehrt mit Mais zu bebauen und gleichzeitig die Unkrautbekämpfung zu intensivieren, obschon die Wertschöpfung bei dieser Sanierungskultur deutlich geringer ist und Absatzkanäle fehlen. Zurzeit fehlen die Anreize, die Möglichkeiten und die Rahmenbedingungen um das Erdmandelgras wirkungsvoll auf allen betroffenen Flächen schweizweit zu bekämpfen. Die konsequente, intensive Bekämpfung dieses Unkraut ist jedoch ausgesprochen wichtig, um unsere Böden langfristig als Produktionsfaktor zu n erhalten.


Zigolo dolce: il mais come possibile coltura di risanamento Lo zigolo dolce (Cyperus esculentus L.) è una delle malerbe più temute in tutto il mondo; in Svizzera sta diventando sempre più una minaccia per le aziende dedite all'orticoltura e alla campicoltura. La riproduzione e la diffusione avvengono tramite tubercoli formatisi per via vegetativa. Oltre a impedire un'ulteriore diffusione è importante ridurre l'attacco sui lotti interamente infestati. Una strategia molto promettente in questo senso è una coltivazione pluriennale di mais con metodi intensivi di gestione delle malerbe. Nell'arco di tre anni (2011–2013) sono state eseguite prove sul campo per il mais al fine di determinare l'effetto di diversi erbicidi, del trattamento frazionato e della lotta meccanica allo zigolo dolce. I risultati hanno mostrato che un trattamento frazionato è preferibile a un'applicazione. S-Metolachlor, Bentazone e Rimsulfuron, combinati con Mesotrione, hanno mostrato una buona efficacia contro lo zigolo dolce. L'S-Metolachlor combinato con passaggi di sarchiatura ha ridotto la presenza dell'infestazione. Un'applicazione tardiva nell'ipofillo ha provocato un'ulteriore riduzione dell'infestazione. Una coltivazione di mais avente l'obiettivo di ridurre l'infestazione dello zigolo dolce richiede una gestione delle malerbe molto più intensiva delle procedure solitamente addottate.

Literatur ▪▪ Anonymous, 2006. The Pesticide Manual. Fourteenth Edition. Editor Tomlin C.D.S. BCPC Hampshire UK. ▪▪ Anonymous 2014a. Zugang: http://www.salute.gov.it/portale/temi/p2_4. jsp?lingua=italiano&tema=Alimenti&area=fitosanitari [18.08.2014]. ▪▪ Anonymous, 2014b. Zugang: http://wwww.minagric.gr/syspest/syspest_ menu_eng.aspx [18.08.2014]. ▪▪ Anonymous, 2014c. Zugang: http://www.magrama.gob.es/es/agricultura/temas/sanidad-vegetal/productos-fitosanitarios/registro/menu.asp [18.08.2014]. ▪▪ Anonymous, 2014d. Zugang: http://ec.europa.eu/sanco_pesticides/public/index.cfm?event=activesubstance.detail [ August 2014]. ▪▪ Anonymous, 2014 e. Cyperus esculentus (European/non-european). 0511809 Draft EPPO quarantine pest, Data Sheets on Quarantine Pests. ­Z ugang: http://www.eppo.int [ 05.08.2014]. ▪▪ Bohren C. & Wirth J., 2013. Erdmandelgras (Cyperus esculentus L.): die aktuelle Situation in der Schweiz. Agrarforschung Schweiz 4 (11–12), 460–467. ▪▪ Bryson C.T. & Carter R. 2008. The Significance of Cyperaceae as Weeds. In: Sedges: Uses, Diversity and Systematics of the Cyperaceae. Naczi, R.F.C. and B.A. Ford, B. A. Monogr. Syst. Bot. Missouri Bot. Garden, 108.

Summary

Riassunto

Erdmandelgras: Mais als mögliche ­S anierungskultur | Pflanzenbau

Reduction of yellow nutsedge infestation levels in highly infested fields: Continuous maize cropping as potential control strategy Yellow nutsedge (Cyperus esculentus L.) is among the most dreaded weeds worldwide. In Switzerland, it has increasingly become a problem for vegetable growers and arable farmers. This weed propagates and disperses via vegetative tubers in the soil. Producers are facing an important challenge: They have not only to stop the weed’s further dispersal but also reduce infestation levels in fields already broadly infested with yellow nutsedge. For the later a promising strategy is continuous cropping of maize combined with intensive weed control. Field trials were carried out in maize during 3 years (2011–2013). Aims were to determine the efficacy of different herbicides, split application, and mechanical control against yellow nutsedge. The results clearly showed that split application was superior to single application. S-metolachlor, bentazone, and rimsulfuron combined with mesotrione showed high efficacy. S-metolachlor combined with hoeing passes reduced infestation levels. A late under-leaf application additionally reduced yellow nutsedge. Cropping maize with the aim to reduce yellow nutsedge infestation levels requires a very intense weed control that will exceed current intensity levels considerably. Key words: Bentazone, Halosulfuron-methyl, mechanical weed control, S-Metolachlor, splitting.

▪▪ Gerhards R. & Oebel H., 2006. Practical experiences with a system for ­site-specific weed control in arable crops using real-time image analysis and GPS-controlled patch spraying. Weed Research 46, 185–193. ▪▪ Keeley P.E., 1987: Interference and Interaction of Purple and Yellow Nutsedges (Cyperus rotundus and C. esculentus) with crops. Weed Technology 1, 74–81. ▪▪ Keller M., Total R., Bohren C. & Baur B., 2013. Problem Erdmandelgras: früh erkennen – nachhaltig bekämpfen. Merkblatt Agroscope. ▪▪ Nordmeyer H. & Zuk A., 2002. Teilflächenunkrautbekämpfung in Winterweizen (Site-specific weed control in winter wheat). Journal of Plant Diseases and Protection XVIII, 459–466. ▪▪ Rüegg J. & Total R., 2013: Dropleg-Applikationstechnik für zielgerichteten Pflanzenschutz in Reihenkulturen. Flugschrift. Bundesamt für Landwirtschaft und Agroscope. ▪▪ Stoller E.W. & Sweet R.D., 1987. Biology and Life Cycle of Purple and Yellow Nutsedges (Cyperus rotundus and C. esculentus). Weed Technology 1, 66–73.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 474–481, 2014

481


P f l a n z e n b a u

Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den ­Betriebsvergleich im Obstbau Esther Bravin1, Johannes Hanhart 2, Dante Carint 2 und Dominique Dietiker2 Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 8820 Wädenswil 2 Agridea, 8315 Lindau Auskünfte: Esther Bravin, E-Mail: esther.bravin@agroscope.admin.ch

1

wurden von rund hundert Obstproduzenten detaillierte Daten bezüglich Sorten, Erträgen, Pflanzenschutzmittel, Dünger, Arbeitsstunden und Lohnkosten von Hand in Hefte geschrieben und für die Berechnung von Richtpreisen abgegeben. Diese Hefte befinden sich heute im Archiv für Agrargeschichte in Bern. Seit 1997 werden produktionstechnische Daten der Referenzbetriebe in elektronischer Form in der Datenbank SOA erfasst.

Apfelanlage im Kanton Thurgau.

Obstbau im Zentrum Support Obst Arbo (SOA) ist ein Projekt zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Obstbaus, das von Agroscope und Agridea geleitet und vom Schweizer Obstverband (SOV) finanziell unterstützt wird. Im Projekt werden produktionstechnische und betriebswirtschaftliche Datenanalysen und Beratungsgrundlagen für die Obstbaubranche und -praxis erarbeitet. Als Basis für diese Hilfsmittel dienen Produktionsdaten (Arbeits-, Maschinen-, Pflanzenschutzmittel-, Dünger- sowie Investitionskosten und Erlöse) von rund 25 Referenzbetrieben. Grundsatz seit 1947 Die Eidgenössische Forschungsanstalt Wädenswil (heute Agroscope) hat bereits 1947 mit der Erfassung von betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Daten im Obstbau begonnen, die als Beratungs- und Berechnungsgrundlage für die Preisbildung aufbereitet und der Branche zur Verfügung gestellt werden (Meli 1991). Bis 1996

482

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 482–489, 2014

Detaillierte Datenerfassung Die Bewirtschaftung von Dauerkulturen braucht eine langfristige Planung, hohe Investitionen (von 40 000 Fr./ha bei Äpfel bis 150 000 Fr./ha bei Tafelkirschen, vgl. Arbokost 2014) und ist mit einem hohen Ertragsschwankungs-Risiko aufgrund der Witterung verbunden. Deshalb ist eine langfristige, detaillierte Datenbasis für die Entwicklung von Planungshilfsmitteln notwendig. Die Referenzbetriebe von SOA erfassen mit der elektronischen Schlagkartei AsajAgrar für jede Parzelle täglich oder wöchentlich die Aktivitäten, die mit der Obstproduktion verbunden sind. Sowohl der Detaillierungsgrad, als auch die Regelmässigkeit und die Langfristigkeit der Datenerfassung sind aussergewöhnlich. Für die Obstproduzenten ist die regelmässige Erfassung von produktionstechnischen Daten sehr anspruchsvoll, vor allem in Arbeitsspitzenzeiten wie der Ernte. Aufgrund des nicht zu unterschätzenden Arbeitsaufwands besteht eine gewisse Fluktuation im Betriebsnetz. Das aktuelle Betriebsnetz ist nicht repräsentativ für die ganze Schweiz, sondern primär für den Kanton Thurgau (Bravin und Dietiker 2013), wo sich 30 % der Schweizer Tafelapfelfläche befindet (BLW 2014a). Finanzierung Das Projekt wird durch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) über die geleistete Arbeit von Agroscope und Agridea finanziert wie auch durch den Schweizer Obstverband (SOV) über einen Beitrag an die Kosten der Erfassungssoftware Asa-jAgrar. Durch die finanzielle Unterstützung des SOV erhalten die Referenzbetriebe die Möglichkeit, die Schlagkarte ASA-jAgrar kostenlos zu verwenden.


Überblick Netzwerk SOA Insgesamt haben von 1997 bis 2012 45 Obstbaubetriebe aus der ganzen Schweiz am Netzwerk teilgenommen. 39 Betriebe produzieren nach Richtlinien der Integrierten Produktion und sechs nach den Bio Suisse-Richtlinien. Jährlich machen rund 18 bis 25 Betriebe mit. Aufgenommen werden die Daten von insgesamt 80 ha Äpfel-, 10 ha Birnen-, 3,5 ha Kirschen- und 1,5 ha Zwetschgenanlagen. 2013 stammten die Betriebe des Netzwerks aus den Kantonen Thurgau (9 Betriebe), St. Gallen (3 Betriebe), Aargau (2 Betriebe), Waadt (2 Betriebe), Wallis (2 Betriebe), Solothurn (1 Betrieb), Zug (1 Betrieb) und Zürich (1 Betrieb). Evaluationen auf Betriebsebene Mit den Daten aus SOA erhalten die Referenzbetriebe für jede Parzelle und Sorte betriebswirtschaftliche Indikatoren. Sie können damit zum Beispiel die ökonomische Situation einer Apfelanlage beurteilen. Für diese Bewertung werden reelle Zahlen aus der Praxis wie Arbeits- und Maschinenstunden, Pflanzenschutzmittel-, Dünger- sowie Infrastrukturkosten verwendet. Um die Betriebe vergleichen zu können sind die Ansätze für Lohn- und Maschinenkosten standardisiert. In Absprache mit dem Schweizer Obstverband wurden die Löhne wie folgt festgelegt: 20.30 Fr./Akh für externe Arbeitskräfte, 24 Fr./Akh für familieninterne Arbeitskräfte und 34.35 Fr./Akh für den Betriebsleiter. Die Maschinenkosten werden nach Ansätzen des Maschinenkostenkatalogs von Agroscope berechnet. Ausgewertet werden ausschliesslich Parzellen im Vollertrag (z.B. für Äpfel vom 4. bis zum

Obstproduzenten

AGRIDEA

Obstverband

Agroscope

Zusammenfassung

Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den ­B etriebsvergleich im Obstbau | Pflanzenbau

Das Projekt Support Obst Arbo (SOA) wird von Agridea und Agroscope geleitet und bringt Grundlagen für die Obstbaupraxis, -beratung und für die Forschung. Die Daten werden jährlich von 20 bis 25 Referenzbetrieben zur Verfügung gestellt. Daraus entstehen Evaluationen der Rentabilität auf Betriebssowie auf Sortenebene. Die Auswertung der Daten mit normierten Ansätzen für Lohnund Maschinenkosten zeigt, dass die Hälfte der Produzenten einen durchschnittlichen Gewinn von Null oder einen Verlust hat. Dieses Resultat begrenzt den Handlungsspielraum für zukünftige Investitionen. Die Sortenverteilung im Rahmen der SOA Betriebe hat sich von 2001 bis 2011 stark entwickelt. Der Sortenspiegel zeigt, dass die Sorten Gala, Braeburn und Golden Delicious weiterhin sehr beliebt sind. Dennoch haben alternative Sorten wie Milwa, Fuji, Nicoter oder Scifresh in den letzten Jahren zugenommen. Die Rentabilität der Sorten ist sehr unterschiedlich. Am besten sind Gala, Braeburn und Fuji. Golden Delicious und Milwa schneiden dagegen schlecht ab. Bei Golden Delicious sind die Produzentenpreise zu tief, bei Milwa ist der Preis gut aber die Erträge sind eher schwach.

15. Standjahr) mit einer Parzellenfläche von mindestens 0,10 ha und einer Pflanzdichte von 1000 bis 4000 Bäume pro Hektare. In Abbildung 2 wurde der kalkulatorische Gewinn/ Verlust (in Fr./ha) der Jahre 2008 bis 2011 pro Sortenquartier (eine Untereinheit der Parzelle) nach Betrieb (P01 bis P13) aufgeführt. In dieser Auswertung wurden nur diejenigen Betriebe gewählt, welche zwischen 2008 bis 2011 Daten ohne Unterbruch an SOA geliefert haben. In Klammern stehen die Anzahl Sortenquartiere pro Betrieb (z.B 41 bei Betrieb P01), blau schattiert ist die gesamte Apfelfläche pro Betrieb (Jahr 2011). Die grosse Streuung der Resultate innerhalb der Betriebe (zwischen 6617 und 13 046 Fr./ha) kann mit der grossen Abweichung des Gewinns/Verlustes je nach Sortenquartier und Jahr erklärt werden. Aus der heterogenen Stichprobe ist es nicht möglich, klare Zusammenhänge auf Betriebsebene zu ermitteln. Die Grösse der Apfelfläche oder die Anzahl der Sorten- 

Abb. 1 | Datenfluss in SOA.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 482–489, 2014

483


Pflanzenbau | Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den ­B etriebsvergleich im Obstbau

Kalkulatorischer Gewinn/Verlust

50 000

Kalk. Gewinn/Verlust (Fr./ha)

40 000 30 000 20 000 10 000 0 -10 000 -20 000 -30 000

A

-40 000

A

A

A

A

AB

AB

AB

ABC

BC

CD

CD

D

P01 (41) P02 (68) P03 (39) P04 (38) P05 (64) P06 (59) P07 (16) P08 (66) P09 (33) P10 (89) P11 (87) P12 (48) P13 (48) 5,5 ha 8 ha 7,5 ha 4,5 ha 3,5 ha 6 ha 4,5 ha 1 ha 6 ha 6 ha 2 ha 4,5 ha 3,5 ha

-50 000

Abb. 2 | Kalkulatorischer Gewinn/Verlust pro Produzent 2008 bis 2011.

Fläche (ha)

quartiere haben zum Beispiel auf den flächenmässigen Gewinn bzw. Verlust wenig Einfluss. Das Endresultat wird massgeblich von nicht bzw. schwierig messbaren Grössen wie Erfahrung der Produzenten, Witterung und Alternanz beeinflusst. Es ist jedoch beunruhigend, dass die Hälfte der Pro­ duzenten im Mittel der betrachteten Jahre einen Gewinn von Null oder einen Verlust hat. Selbstverständlich handelt es sich hier bei dieser Auswertung um normierte ­Zahlen, die in vielen Fällen nicht der Realität entsprechen (der Betriebsleiter und familieninterne Arbeitskräfte beziehen normalerweise keinen Lohn, sondern erhalten das, was in der Kasse Ende Jahr zur Verfügung steht). Dennoch begrenzt dieses Resultat den Handlungsspielraum für eine weitere Kostensenkung. Die Produzenten werden grosse Schwierigkeiten haben, eine weitere Preissenkung seitens Gross- und Detailhandel oder infolge einer Marktöffnung der Europäischen Union zu überstehen. Dazu kommt die soziale Unsicherheit, welche Jahresschwankungen bis 40 000 Fr./ha beim Gewinn bzw. Verlust mit sich bringen.

Evaluationen für Sorten Für den Betriebserfolg ist die Zusammensetzung der im Ertrag stehenden Sorten entscheidend. Mit SOA können Empfehlungen für die Praxis auf Ebene Sorte und Parzelle gegeben werden. Die Schlüsselfaktoren Preis, Ertrag und Qualität (Mouron & Carint, 2001) werden mit der Sortenwahl am stärksten beeinflusst. Haben die Produzenten die passenden Sorten gewählt, können sie für 15 oder mehr Jahre mit Gewinn produzieren. Wenn sie aber eine Sorte wählen, die am Markt nicht mehr gefragt, sehr anfällig oder zu wenig produktiv ist, wird die Rodung oder Umveredlung eine mögliche kostspielige Konsequenz sein. Für die Produzenten wäre es sicher von Vorteil, wenn Gross- und Detailhandel ihre Sortenstrategien klar kommunizieren würden (z.B. Anbauvertrag). Dies ist jedoch in der heutigen Marktsituation nicht der Fall. Entwicklung der Hauptsorten Gala und Golden Delicious Im Folgenden werden anhand der Hauptsorten mögliche SOA Auswertungen aufgezeigt. Mit 36 % beträgt

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Gala Golden Delicious Alle Sorten 2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

Abb. 3 | Entwicklung der Gesamtfläche von Gala und Golden Delicious im SOA Betriebsnetz von 2000 bis 2011.

484

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 482–489, 2014


Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den ­B etriebsvergleich im Obstbau | Pflanzenbau

Ertrag Die Erträge von Gala und Golden Delicious der SOA Betriebe entsprechen Erfahrungswerten aus der Praxis. Generell ist Golden Delicious eine Sorte mit höheren Erträgen als Gala (BLW 2014b). In den SOA Werten unterscheiden sich die Durchschnittserträge von Gala (2010/11) und Golden Delicious (2010/11) jedoch nicht signifikant. Interessant ist die Entwicklung von Gala zwischen 2000/01 und 2010/11 mit einer Ertragssteigerung von 3228 kg/ha. Die Erträge von Golden Delicious nahmen hingegen ab, da sie 2010 aussergewöhnlich tief waren (1/4 weniger).

Tab. 1 | Vergleich der Mittelwerte des Ertrags, des Erlöses, der Produktionskosten und des Gewinns/Verlustes von Gala und Golden Delicious in den Jahren 2000/01 und 2010/11 (SQ=Anzahl Sortenquartiere) aller IP SOA-Produzenten 2000/01

*

2010/11

Gala (SQ=28)

Golden Delicious (SQ=63)

Gala (SQ=62)

Golden Delicious (SQ=55)

Ertrag (kg/ha)

32 756

42 462*

35 984

36 371

Preis (Fr./kg)

1,0

0,7

0,9

0,7

Erlös (Fr./ha)

33 758

29 549

32 276

25 670*

Produktionskosten (Fr./ha)

35 532

32 630

28 641

29 800

Gewinn/Verlust (Fr./ha)

-1774

-3081

3635

-4130*

Signifikante Unterschiede (T-Test, 2-Seitig, P<0.05) zwischen den

der Anteil der Sorten Gala und Golden Delicious 2013 mehr als ein Drittel der gesamten Schweizer Apfelfläche. Auch im Rahmen des Netzwerks SOA sind beide Sorten mit 34 % der Apfelfläche sehr wichtig. Bis 2006 war Golden Delicious die Hauptsorte auf den SOA- Betrieben und wurde 2007 von Gala abgelöst (Abb. 3). Aufgrund der jährlichen Alternanz des Ertrags ist die Analyse der Produktivität aussagekräftiger, wenn die Stichprobe mindestens zwei Jahre beinhaltet. Für die Analyse der Produktivität und Rentabilität von Gala und Golden Delicious haben wir die Mittelwerte aus den Sortenquartieren von Gala und Golden Delicious der Jahre 2000 und 2001 mit denjenigen der Jahre 2010 und 2011 verglichen.

Erlös Um die Erlöse zu berechnen, werden die Erträge mit den Preisen nach Klasse multipliziert. Die Produzenten erzielen mit Gala höhere Preise (in Fr/kg) als mit Golden Delicious, dementsprechend ist der Erlös auch höher. In 2000/01 erhielten Produzenten 1,03 Fr./kg (Mischpreis aus Klasse 1, Klasse 2 und Mostobst), zehn Jahre später noch 0,90 Fr./kg (-13 %). Der Preis für ein Kilo Golden Delicious blieb dagegen stabil bei 0,70 Fr./kg. Die Preissenkung bei Gala lässt sich mit der Ertragssteigerung und der Flächenzunahme der letzten Jahre erklären. Bei Golden Delicious ist die Situation anders. Der tiefe Ertrag wurde nicht mit einem höheren Preis kompensiert. Deswegen waren die Erlöse von Golden Delicious in 2010/11 signifikant tiefer als 2000/01. Die Marktstellung von Golden Delicious ist schwächer geworden als noch vor zehn Jahren. Seit 2001 werden im Durchschnitt in der Schweiz 

Sortenverteilung Schweiz Boskoop 3% Braeburn 9% Übrige Sorten 23%

Cox Orange 2% Cripps Pink (Pink Lady®) 2% Elstar 2%

Topaz 2% Scifresh (Jazz®) 3%

Gala 21%

Milwa (Diwa®, Junami®) 3% Maigold 3% La Flamboyante (Mairac®) 2% Jonagold-Gruppe 6% Idared 3% Gravensteiner 3%

Golden Delicious 14%

Abb. 4 | Sortenverteilung von Äpfeln nach Fläche in der Schweiz, 2013 (BLW, 2014a).

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 482–489, 2014

485


Pflanzenbau | Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den ­B etriebsvergleich im Obstbau

Sortenverteilung SOA 2001 Topaz 1%

Sortenverteilung SOA 2011 Boskoop 3%

Braeburn 1% Übrige Sorten 7%

Boskoop 7%

Maigold 11%

Cox Orange 7% Elstar 5%

Jonagold 10%

Cox Orange 3% Elstar 2%

Gala 13% Topaz 4%

Idared 4%

Gravensteiner 5%

Übrige Sorten 27%

Braeburn 16%

Golden Delicious 29%

Maigold 4%

Jonagold 7%

Gala 19%

Golden Delicious 11% Idared 0% Gravensteiner 4%

Abb. 5 | Sortenverteilung von Äpfeln nach Fläche, SOA-Betriebe, 2001 und 2011.

jährlich 50 ha Golden Delicious gerodet und nicht mehr remontiert. Gleichzeitig nahm Gala um 30 ha jährlich zu. 2009 wurde Golden Delicious von Gala als meist angebaute Sorte der Schweiz abgelöst. Produktionskosten Im Apfelanbau machen die Erntekosten mindestens 20 % der gesamten Produktionskosten (Arbokost 2014) und 55 % des gesamten Arbeitsaufwands (Abb. 8) aus. Gewinn/Verlust Der Gewinn beziehungsweise Verlust zeigt, wie viel Geld pro Hektare und Jahr bleibt, wenn mit dem Erlös die Produktionskosten beglichen werden. Für die Berechnung des Gewinn/Verlustes wurden alle Erlöse (inkl. Direktzahlungen) sowie Produktionskosten (inkl. Arbeitskosten der internen Arbeitskräften und Kapitalkosten) berechnet. Mit den obengenannten Ansätzen für Lohn- und Maschinenkosten können die Produzenten mit Golden Delicious (2000/01 und 2010/11) und Gala (2000/01) ihre Kosten nicht decken. Nur mit Gala (20010/11) schliessen die Obstproduzenten mit einem Gewinn ab. Wie schon erwähnt, beziehen Betriebsleiter und interne Arbeitskräfte in vielen Fällen einen tiefen Lohn. Obstproduzenten können nur einen Gewinn erzielen, wenn sie tiefe Lohnansätze für die internen Arbeitskräfte annehmen. Fazit In Anbetracht der negativen Resultate mit Golden Delicious wird klar, warum die Anbaufläche seit Jahren abnimmt (2001: 1144 ha, 2013: 576 ha). Dennoch wird

486

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 482–489, 2014

diese Sorte immer noch auf 15 % der Fläche angebaut (Abb. 4). Tatsächlich hat Golden Delicious positive Eigenschaften wie hohe und regelmässige Erträge sowie eine gute Ernteleistung (kg/Akh) (Abb. 6). Zusätzlich haben viele Produzenten schon Erfahrung mit Golden Delicious und die Einführung einer neuen Sorte ist immer mit einem zusätzlichen Aufwand und Risiko bezüglich Ertragseinbussen verbunden. Aus Gesprächen mit den Produzenten geht hervor, dass Golden Delicious weiterhin abnehmen wird. Neue Sorten versus etablierte Sorten Gala, Golden Delicious und Braeburn sind die Hauptsorten des Betriebsnetzes (insgesamt 43 %). Dies widerspiegelt die Anbausituation auf Schweizer Ebene (42 %, BLW 2014a). Weil die durchschnittlichen Produzentenpreise von etablierten Sorten wie Golden Delicious sinken (Bravin et. al 2008), versuchen Obstproduzenten mit neuen Sorten höhere Erlöse zu erreichen. So gehören im SOANetzwerk Nicoter, Fuji und Milwa mit je rund 3 ha zu den am meisten gepflanzten Sorten nach den drei Hauptsorten und Jonagold. In der Schweiz (Abb. 4) machen die Sorten Scifresh, Milwa, La Flamboyante und Cripps Pink 10 % der gesamten Apfelfläche aus (BLW 2014a). In Europa liegen die Marktanteile von Clubsorten bei 5 % (Schwartau 2010) Die Sortenverteilung im Rahmen der SOA Betriebe (Abb. 5) hat sich von 2001 bis 2011 stark entwickelt. Braeburn und Gala haben an Fläche zugelegt, während Golden Delicious, Jonagold und Maigold haben Fläche abgenommen.


Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den ­B etriebsvergleich im Obstbau | Pflanzenbau

Golden Delicious und Braeburn haben die beste Ernteleistung (136 bzw. 137 kg/Akh). Das ist wenig erstaunlich, 40 Braeburn (11) Gala (14) da Golden Delicious grosse und Braeburn schwere Jonagold (7) 35 (dichte) Äpfel hat. Fuji (4) In Abbildung 7 sind Erlös sowie Gewinn beziehungs30 weise Verlust in Franken pro Hektare dargestellt. Mit 25 dem Gewinn/Verlust kann die Rentabilität der Sorte Nicoter (4) bewertet werden und mit dem Erlös die Produktivität. 20 Milwa (5) Die durchschnittlichen Produktionskosten liegen bei 15 80 90 100 110 120 130 140 27 200 Fr/ha bei einem durchschnittlichen Ertrag von 33 t/ Ernteleistung (kg/Akh) ha. Bei dem Gewinn/Verlust unterscheiden sich zwei GrupAbb. 6 | Ertrag und Ernteleistung pro Sorte (Mittelwert 2009-2012). pen signifikant: Zur ersten Gruppe gehören Gala, BraDie Grösse der Kreise entspricht der relativen (flächenmässigen) eburn und Fuji (durchschnittlicher Gewinn: 4238 Fr./ha). In Bedeutung der Sorten. In Klammern steht die Anzahl Produzenten. der zweiten Gruppe finden wir Jonagold, Golden Delicious, Nicoter und Milwa (durchschnittlicher Verlust: -2652 Fr./ha), wobei Nicoter und Jonagold noch einen Gewinn erzielen, und Golden Delicious und Milwa einen In Abbildung 6 sind Ertrag und Ernteleistung (kg Äpfel Verlust aufweisen. Innerhalb der beiden Gruppen gibt es pro Akh) der wichtigsten acht Apfelsorten von SOA abge- keine signifikanten Unterschiede zwischen den Sorten. bildet. Obwohl die Ernteleistung vom Ertrag abhängt, Eine klare Beziehung zwischen Rentabilität und Produkspielen für die Ernteleistung andere Faktoren wie Farbe, tivität scheint zu existieren (tiefe Produktivität führt zu Baumform, Schnitt und Erntetechnik eine wichtige Rolle. tiefer Rentabilität). Die Ausnahme ist eigentlich Golden Enthalten sind nur Sortenquartiere, die sich in der Peri- Delicious, die eine gute Produktivität und eine negative ode 2009 und 2012 im Ertragsalter befanden (4. bis 15. Rentabilität hat. Das Problem ist der Mechanismus der Standjahr). Die Erträge von Golden Delicious, Gala, Bra- Preisbildung und das Zusammenspiel zwischen Angebot eburn und Jonagold zeigen keine signifikanten Unter- und Nachfrage. Zwei Hauptfaktoren führen zur Senschiede und liegen zwischen 35 und 45 Tonnen pro Hekt- kung der Rentabilität: i) eine grosse Erntemenge und ii) are. Fuji hat mit 32 t/ha signifikant geringere Erträge als die sinkende Attraktivität der Sorte auf dem Markt. Eine Golden Delicious. Die Erträge von Nicoter und Milwa sind grosse Erntemenge kann verursachen, dass der Produnochmals deutlich tiefer (rund 20 t/ha). zentenpreis sinkt (z.B. wenn eine grosse Ernte auf natio-  45

Ertrag (t/ha)

Golden Delicious (10)

15 000 13 000 11 000

Gewinn/Verlust (CHF/ha)

9000 7000 5000

Fuji (4)

3000

-3000

Gala (14)

Nicoter (4)

1000 -1000

0

5000

10 000

15 000

20 000

Braeburn

Jonagold (7) 25 000

30 000

35 000

Golden Delicious (10)

-5000 -7000 -9000

Milwa (5)

-11 000 -13 000 -15 000 Erlös (CHF/ha)

Abb. 7 | Erlös, Gewinn/Verlust pro Sorte (Mittelwert 2009-2011). Die Grösse der Kreise entspricht der relativen (flächenmässigen) Bedeutung der Sorten. In Klammern steht die Anzahl der Produzenten der jeweiligen Sorte. Beides in Bezug auf das SOA-Betriebsnetz.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 482–489, 2014

487


Pflanzenbau | Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den ­B etriebsvergleich im Obstbau

Verwaltung und andere Arbeiten 2%

Pflanzenschutz 5%

Verwaltung und andere Arbeiten 1%

Arbeitsverteilung 2001/2002

Schnitt 13%

Behangs regulierung 15%

Jahresarbeiten fixen Installationen 4% Erstellungsarbeiten 3%

Arbeitsverteilung 2011/2012

Bodenbearbeitung 2%

Pflanzenschutz 4% Jahresarbeiten fixen Düngung 1% Installationen 4% Erstellungsarbeiten 2%

Schnitt 11%

Behangsregulierung 20% Bodenbearbeitung 2% Düngung 1%

Erntearbeiten 55%

Erntearbeiten 55%

Abb. 8 | Durchschnittliche Arbeitsverteilung über alle Sortenquartiere 2001/02 und 2011/2012.

naler Ebene erwartet wird). Die sinkende Attraktivität der Sorte führt ebenfalls zu einer Preissenkung. In diesem Fall werden jedoch die Produktionskosten nicht beeinflusst, sondern der Erlös allein. Abbildung 7 zeigt vier Apfelsorten (Braeburn, Gala, Fuji und Jonagold) mit einem jährlichen Gewinn. Milwa und Golden Delicious hingegen verzeichnen einen Verlust. Der Grund für das negative Resultat bei Milwa kann mit den niedrigen Erträgen von durchschnittlich 20 Tonnen pro Hektar (4., 5. und 6. Standjahr) erklärt werden. Arbeitsverteilung in der Apfelproduktion Mit den Angaben der SOA Referenzbetriebe können Rückschlüsse auf den zeitlichen Aufwand für die Apfelproduktion erstellt werden. Die erfassten Daten zeigen, dass die SOA Produzenten zwischen 550 bis 620 Arbeitskraftstunden pro Hektar (Akh/ha) für die Apfelproduktion aufwenden. Die Verteilung der verschiedenen Arbeiten in den Jahren 2001/2002 bis 2011/12 (Mittelwert aller IP Betriebe) ist ähnlich geblieben (Abb. 8). Nur die Behangsregulierung braucht anteilmässig mehr Zeit. Das kann mit der Verschiebung des Sortenspektrums (Abb. 5) oder mit der Witterung und der Behangssituation der Anlagen zusammenhängen. Mehr als die Hälfte der Arbeit nimmt die Ernte mit 55 % der Gesamtarbeitsstunden in Anspruch. An zweiter Stelle steht die Behangsregulierung mit 15 bis 20 %. Mit der Behangsregulierung wird einerseits die Alternanz gebrochen (oder mindestens reduziert) und die Qualität der Ernte erhöht. Andere zeitintensive Arbeiten im Obstbau sind Schnitt und Pflanzenschutz, womit auch für mehr Qualität gesorgt wird. Wissen für die Praxis Mit den Resultaten aus SOA erhalten die Obstproduzenten Kennzahlen und Informationen, um die Rentabilität der Obstproduktion zu erhöhen und um zukünftige stra-

488

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 482–489, 2014

tegisch wichtige Entscheidungen zu treffen. Sie erhalten Grundlagen zur Beurteilung der eigenen Situation aus ökonomischer Sicht. Die Resultate aus SOA werden sowohl von der Beratung als auch in der Weiterbildung verwendet. Mit SOA stellen Agroscope und AGRIDEA wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Grundlagen für die land- und ernährungswirtschaftliche Praxis, Bildung und Beratung zur Verfügung, auch im Sinne der Verordnung über die landwirtschaftliche Forschung (VLF). Informationen und Erfahrungen aus SOA fliessen auch in das Planungsinstrument Arbokost für die Berechnung des Kapitalflusses einer Obstanlage ein. Dieses Excel-Hilfmittel wird auf der Webseite von Agroscope kostenlos zum Download zur Verfügung gestellt. Wissen für die Forschung Informationen aus SOA werden auch in anderen Forschungsgebieten verwendet. So wurden für das Projekt Agrarumweltindikatoren oder für die Berechnung von Ökobilanzen SOA-Daten zur Verfügung gestellt. Weitere Beispiele sind Abschätzungen des Kostensenkungspotenzials mit gentechnisch veränderten Äpfeln (FiBL, ETH) oder des ökonomischen Potenzials der Obstproduktion in Transitionsländer (FiBL). Nur Dank der detaillierten und kontinuierlichen Datenerfassung der Referenzbetriebe kann solchen Forschungsprojekten eine verlässliche Datenbasis zur Verfügung gestellt werden. n Bemerkungen:

Im Artikel sind jeweils die Sortennamen erwähnt. Hier die Markennamen: Milwa = Diwa®, Nicoter = Kanzi®, Scifresh = Jazz®. Teile des Artikels wurden bereits publiziert in Bravin et. al, 2014. SOA: Die Sortenfrage im Obstbau bleibt, Schweizerische Zeitschrift für Obst und Weinbau 150 (3), 10–13.


Support Obst Arbo: risultati per l’aboricultura professionista Nel 1947 l’odierna stazione di ricerca Agroscope cominciò con la raccolta di dati aziendali della produzione frutticola per la pubblicazione d’informazioni di consulenza e indici per la formazione dei prezzi. Oggi il progetto Support Obst Arbo (SOA), diretto da Agridea e Agroscope,genera dati tecnici per la produzione, la consulenza e la ricerca. Tra le 20 e le 25 aziende frutticole mettono i loro dati a disposizione del progetto per valutare la redditività a livello aziendale e di parcella varietale. Dall’analisidei dati con gli indici normalizzati dei salari e delle macchine risulta che la metà dei produttori ha un utile netto medio di zero o è addirittura in perdita. Ciò limita fortemente i futuri investimenti. Dal 2001 al 2011 la distribuzione varietale si è sviluppata. Sebbene Gala, Braeburn e Golden Delicious restino le varietà più diffuse per la produzione, varietà alternative quali Milwa, Fuji, Nicoter o Scifresh hanno aumentato la loro superficie. La redditività tra le diverse varietà è molto differente: Gala, Braeburn e Fuji ottengono i risultati migliori, mentre Golden Delicious e Milwa hanno i risultati peggiori. Golden Delicious soffre a causa dei bassi prezzi alla produzione. Milwa invece è pagata bene ma i raccolti restano al di sotto delle aspettative.

Literatur ▪▪ Arbokost 2014, Betriebswirtschaftliches Modell für den Obstbau. Zugang: www.arbokost.agroscope.ch. ▪▪ Bravin E. & Dietiker D., 2013. Jahresbericht SOA 2012, Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau 149 (3), 12-14. ▪▪ Bravin E., Dietiker D., Hanhart J. & Carint D., 2014, SOA: Die Sortenfrage im Obstbau bleibt, Schweizer Zeitschrift für Obst und Weinbau 150 (3), 10–13. ▪▪ Bravin E., Leumann M. & Amsler P., 2008. Klasse I – Anteile sinken, Früchte und Gemüse. 9, 27–27. ▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft, 2014a. Statistiken Obst, Obstkulturen der Schweiz, Flächenstatistik 2013. Zugang: http://www.blw.admin.ch/themen/00013/00083/00096/01188/index.html?lang=de.

Summary

Riassunto

Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den ­B etriebsvergleich im Obstbau | Pflanzenbau

Support Obst Arbo: results for the professional arboriculture In 1947 today’s date Agroscope started the collection of on farm data to draft extension information and indices for grower prices. Agridea and Agroscope lead the project Support Obst Arbo (SOA), which gives detailed basics for growers, extension and research. 20–25 references fruit farms deliver their data to the project to evaluate the on farm and on plot profitability. The evaluation with normed salary and machine costs shows that the benefit of the half of the growers is equal to zero or lower. This limits the flexibility of investments. From 2001 to 2011 the variety distribution has changed. Gala, Braeburn e Golden Delicious are still the most popular varieties. However Milwa, Fuji, Nicoter and Scifresh increased in surface. The profitability between cultivars is very variable: Gala, Braeburn e Fuji achieve better results, while Golden Delicious and Milwa have poor results. This because Golden Delicious is low in price and Milwa has low yield despite good prices. Key words: economics, fruit production, network, productivity.

▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft, 2014b. Statistiken Obst, Obstkulturen der Schweiz, Apfel- und Birnenkulturen, Ernteschätzung 2005 bis 2013. ­Z ugang: http://www.blw.admin.ch/themen/00013/00083/00096/01188/ index.html?lang=de. ▪▪ Meli T., 1991. Kosten und Erträge in Tafelapfelanalgen. Eidgenössische Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, Wädenswil. ▪▪ Mouron P. & Carint D., 2001. Rendite-Risiko-Profil von Tafelobstanlagen. Teil I: Renditepotenzial, Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau , 137 (5), 78–81. ▪▪ Verordnung vom 23. Mai 2012 (Stand am 1. Januar 2013) über die landwirtschaftliche Forschung (VLF), SR 915.7. ▪▪ Schwartau H., 2010. Liegt die Zukunft in den Club-Sorten?, European Fruit Magazine, 2 (4), 20-22.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 482–489, 2014

489


K u r z b e r i c h t

Die Zukunft der Wiesen in Europa – 25. Tagung der europäischen Vereinigung für Grasland Ueli Wyss Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz Auskünfte: Ueli Wyss, E-Mail: ueli.wyss@agroscope.admin.ch

Auf einer Exkursion wurde die Farm von David Lee, dem Präsidenten von der Britischen Grasland Gesellschaft, besucht (Foto: Ueli Wyss, Agroscope).

Die Zukunft des europäischen Graslandes stand im Zentrum der 25. Haupttagung der europäischen Vereinigung für Grasland. Die Tagung fand vom 7. bis 11. September 2014 in Aberystwyth in Wales GB statt. Rund 300 Personen aus 39 Ländern nahmen an dieser Tagung teil. In drei Übersichtsreferaten wurden die Bedeutung des Graslandes und die Forschungsaktivitäten in Nordeuropa, Mitteleuropa und Südeuropa dargestellt. Die klimatischen Bedingungen sind in diesen Regionen sehr unterschiedlich, was sich auch auf das Graswachstum und die Vegetationsperiode auswirkt. Der stattfindende Klimawandel wird in den nordischen Ländern zu höheren Temperaturen und einer Verlängerung der Vegetati-

490

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 490–491, 2014

onsperiode führen. Dadurch steigt wahrscheinlich die Produktion an Biomasse an. Im Süden wird die Sommertrockenheit in Zukunft ein grösser werdendes Problem darstellen. Die multifunktionale Landwirtschaft, insbesondere die Verhinderung von Vergandung und Bodenerosion, wird hier an Bedeutung gewinnen. Die Produktion von angepasstem Saatgut für aride Bedingungen stellt eine weitere Herausforderung dar. Wiesenfutter für die Wiederkäuer Mit den kontinuierlich zunehmenden Milchleistungen muss das Wiesenfutter vermehrt mit Mais und Kraftfutter ergänzt werden. In verschiedenen Ländern gibt es Trends zu einer verstärkten graslandbasierten Fütterung und zur Produktion von AOC-Lebensmitteln, die einen


Die Zukunft der Wiesen in Europa – 25. Tagung der europäischen Vereinigung für Grasland | Kurzbericht

Europäische Vereinigung für Grasland Die europäische Vereinigung für Grasland (European Grassland Federation EGF) wurde 1963 in Hurley Grossbritannien von elf Ländern, darunter auch die Schweiz, gegründet. Die Vereinigung wurde mit dem Ziel geschaffen, den Kontakt und den Fachaustausch zwischen den verschiedenen Graslandorganisationen beziehungsweise Forschern, Beratern, Landwirten und politischen Entscheidungsträgern in Europa zu fördern. Aktuell sind 39 europäische Länder Mitglied bei der EGF. Die erste Tagung fand 1965 in Wageningen in den Niederlanden statt. Alle zwei Jahre werden eine Haupttagung und dazwischen ein Symposium durchgeführt. Die Haupttagung fand bereits zweimal in der Schweiz statt, 1971 in Lausanne zum Thema Vergleich Natur- und Kunstwiesen und 2004 in Luzern zum Thema Landnutzungssysteme in graslandreichen Regionen. Seit 2004 ist Willy Kessler von Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften, Sekretär von EGF. Joseph Nösberger, emeritierter Professor für Futterbau an der ETH Zürich, ist seit 2004 einer der Ehrenpräsidenten.

Mehrwert bringen. Wichtig für die Zukunft ist es, dass sowohl die ökologische als auch ökonomische Nachhaltigkeit beachtet werden, und dass das Grasland einerseits für die Wiederkäuerernährung zur Verfügung steht und andererseits wichtige Funktionen wie Biodiversität, Wasserschutz und Landschaftsbild einnimmt. Die Gesellschaft erwartet, dass alle Funktionen des Graslandes möglichst gleichzeitig erfüllt werden, was aber schwierig zu realisieren ist. Kompromisse müssen daher gemacht werden, und den Landwirten kommt eine wichtige Rolle im gesamten System zu. Die Qualität und Authentizität von graslandbasierten Milch- und Fleischprodukten bilden weitere Schwerpunkte. Dabei stellt das Fettsäurenmuster der Milch beziehungsweise des Fleisches für die Identifizierung der Fütterung und der Überprüfung der Authentizität der Produkte einen wichtigen Indikator dar. Das Grasland ist zwar das wichtigste Futtermittel für die Wiederkäuer, doch es – beziehungsweise seine Biomasse – wird auch für Biogasanlagen nachgefragt. Gerade Biomasse mit höheren Ligningehalten kann gut als Brennmaterial verwendet werden.

Herausforderungen und Perspektiven Prins und Kessler (2014) stellten in ihrem Beitrag wichtige Aussagen für die Zukunft zusammen: 1. Das Grasland erfüllt vermehrt multifunktionale Zwecke. Deshalb müssen Forscher von verschiedenen Fachgebieten zusammenarbeiten. So können Winwin-Situationen geschaffen werden. 2. Um diese neuen Aufgaben und Studien bewältigen zu können, fördert die EGF die Bildung von speziellen Arbeitsgruppen. Aktuell gibt es Arbeitsgruppen zu den Themen Milchproduktionssysteme, Weiden, Kunstwiesen und Naturwiesen. 3. Die EGF ist die einzige europäische nicht politische Organisation, die regelmässig Tagungen zum Thema Grasland durchführt. 4. Oft werden politische Entscheide aufgrund von kurzfristig durchgeführten Experimenten gefällt. Hier muss die EGF intervenieren und klarmachen, dass langfristige Versuche notwendig sind, um Entwicklungen bezüglich ökologischer Systeme auch richtig beurteilen zu können. 5. Mit der wachsenden Bevölkerung und dem Einsatz von Biomasse für andere Zwecke als zur Nahrungsmittproduktion stehen in Zukunft grosse Herausforderungen bevor, welche nur durch Zusammenarbeit von Spezialisten aus verschiedenen Fachgebieten gemeistert werden können. 6. Die Ausbildung der Graslandexperten muss in vielen Ländern verbessert werden. Hier kann die EGF mit Vernetzung und Austausch von Informationen einen wichtigen Beitrag leisten. Nächstes Symposium und nächste Haupttagung Das nächste EGF-Symposium findet vom 15. bis 17. Juni 2015 in den Niederlanden statt. Thema: Grasland und Raufutter in Milchviehsystemen mit hoher Produktion. Die nächste EGF-Haupttagung findet vom 5. bis 8. September 2016 in Norwegen statt: Thema: Die verschiedenen Funktionen des Graslandes in der europäischen Bioökonomie. n

Literatur ▪▪ Prins W. H. & Kessler W., 2014. The European Grassland Federation at 50: past, present and future. Grassland Science in Europe, Vol. 19, 27–35.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 490–491, 2014

491


I n t e r v i e w

Johan Six, Professor für Nachhaltige ­Agrarökosysteme an der ETH Zürich Herr Six, Sie erforschen nachhaltige Agrarökosysteme. Was fasziniert Sie an diesem Bereich? Ich glaube meine Begeisterung für dieses Thema begann als ich als Kind im Gemüsegarten zusammen mit meinem Vater arbeitete. Meine Familie stammt aus Belgien und hat enge Verbindungen zur Demokratischen Republik Kongo. Schon als Jugendlicher erkannte ich wie privilegiert wir in Europa sind. Wenn es bei uns im Garten Missernten gibt, können wir im Laden Nahrungsmittel einkaufen. Die Menschen in der Demokratischen Republik Kongo − wie auch in vielen anderen Entwicklungsländern − hingegen müssen hungern, wenn sie nichts oder zu wenig ernten. Dies ist einer der Gründe, weswegen ich begonnen habe, die nachhaltige Bewirtschaftung von Agrarökosystemen genauer zu erforschen, besonders ihren Beitrag zur Ernährungssicherheit. Womit beschäftigt sich Ihre Forschung genauer? Das Hauptziel meiner Arbeit ist das Erforschen und Verstehen der Funktionsweise von Agrarökosystemen. ­ Meine Forschungsthemen sind auf verschiedenen Skalen­ ebenen angesiedelt: von Prozessen im Boden, die innert Sekunden ablaufen bis hin zu Änderungen in Agrarökosystemen, die sich über Jahrzehnte erstrecken. Schlussendlich soll dieses neu erworbene Wissen in der Praxis helfen. Was ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung für die nachhaltige Bewirtschaftung von ­Agrarökosystemen? Für mich ist die grösste Herausforderung, dass die öko­ logischen, ökonomischen, und sozialen Aspekte in Agrar­ ökosystemen in der gleichen Gewichtung betrachtet werden. In der Vergangenheit sind viele Lösungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung von Agrarökosystemen gescheitert, gerade weil nicht alle drei Aspekte berücksichtigt wurden. Auch heute fällt uns eine ganzheitliche Betrachtung von Agrarökosystemen oft noch schwer. Im März 2013 wurde Herr Johan Six zum Professor für Nachhaltige Agrarökosysteme an der ETH Zürich ernannt. Vorher forschte und lehrte er an der University of California, Davis, USA. Seine Forschung befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Bodenlebewesen und organischen Bodenbestandteilen in Agrar-, Grasland- und Waldökosystemen sowie der Frage, wie die Bewirtschaftung diese Wechselwirkungen beeinflusst.

492

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 492–493, 2014

Welche Möglichkeiten gibt es um diese Herausforderungen anzugehen? Interdisziplinäre Projekte werden oft als Lösungsansatz thematisiert, jedoch letztendlich zu wenig umgesetzt. Trotzdem denke ich, dass dies der wichtigste Ansatz ist. Wir sollten versuchen, jeweils die besten Fachpersonen aus verschiedenen Disziplinen zusammenbringen, um


Johan Six, Professor für Nachhaltige ­A grarökosysteme an der ETH Zürich | Interview

sowohl naturwissenschaftliche, wirtschaftliche und soziale Aspekte abzudecken. Es sollte also vermehrt Möglichkeiten geben, dass Fachpersonen aus verschiedenen Disziplinen gemeinsam nach Lösungen suchen können. Wie könnten die Lösungen Ihrer Meinung nach aussehen? Die Lösungsansätze müssen sich jeweils auf die örtlichen Gegebenheiten beziehen, es gibt keine Lösung die global gültig ist. Was sich zum Beispiel für die Schweiz als machbar erweist, kann nicht einfach auf die Situation in Kenia übertragen werden. In Europa haben wir zum Beispiel das Problem von Nährstoffüberschüssen in landwirtschaftlichen Systemen, während in den meisten afrikanischen Ländern das Problem besteht, überhaupt genügend Nährstoffe verfügbar zu haben. So wie die Probleme unterschiedlich sind, so werden es auch die Lösungen sein müssen. Welche Themen im Bereich nachhaltige Agrarökosysteme sind aus Ihrer Sicht in der Schweiz besonders relevant? Für die Schweiz sind alle Themen relevant, die sich auf die nachhaltige Bewirtschaftung von Agrarökosystemen beziehen. Im Fokus unserer Arbeit sollte aber nicht nur die Verbesserung der Bewirtschaftung unserer eigenen Landwirtschaftsflächen stehen, sondern auch jene Flächen, von denen wir Agrarprodukte importieren, z. B. Soja für Futtermittel oder Kakao für Schokolade. In der Schweiz ist der Biolandbau als mögliche nachhaltige Bewirtschaftungsmethode sehr populär. Jedoch gibt es noch viele Fragen, wie man den Biolandbau nachhaltiger gestalten kann und ob er auch tatsächlich nachhaltig unter verschiedenen Bedingungen ist. Können wir Praktiken der reduzierten Bodenbearbeitung effizient im Biolandbau einsetzen? Wie können wir den Biolandbau nachhaltig intensivieren? Welche Möglichkeiten für Mischkulturen gibt es? Ist Biolandbau die beste Option für die urbane Landwirtschaft? In Bezug auf den Import von Agrarprodukten wären weitere wichtige Themen im Bereich tropische Agrarökosysteme relevant, z.B. «integriertes Bodenfruchtbarkeitsmanagement», «Agroforstwirtschaft» und «Mischkulturen».

grund­legenden Forschungsfragen sind jedoch die gleichen geblieben. Zum Beispiel habe ich bereits an der UC Davis, Kalifornien, zu Lachgasemissionen aus landwirtschaftlichen Böden geforscht und solche Projekte bearbeitet meine Gruppe nun auch in der Schweiz. Ausserdem bin ich involviert in Projekte zum Thema Ernährungssicherheit, besonders in Afrika. Ich schätze die offene Haltung in der europäischen Forschungslandschaft gegenüber Forschungsprojekten in Afrika. Es gibt bereits zahlreiche Projekte von Schweizer Agrar- und Umweltwissenschaftlern in afrikanischen Ländern. Für die Lehre verwende ich viele Beispiele aus aktuellen Forschungsprojekten. Was werden die Studierenden genau lernen? In unseren Lehrveranstaltungen wollen wir ein umfassendes Verständnis für Agrarökosysteme vermitteln. Dazu betrachten wir agrarwissenschaftliche Fragestellungen auf folgende Weise: Zum einen beziehen wir jeweils ökologische, ökonomische und soziale Aspekte mit ein, zum anderen betrachten wir die Thematik auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Ebenen. Ein guter Weg ist es, die Studierenden aktiv einzubinden und partizipative Lernstrategien einzusetzen. n Brigitte Dorn, Janine Graber und Anett Hofmann, ETH Zürich (Interview adaptiert und erweitert aus INFO AGRARWIRTSCHAFT Juni 2013

Wird Ihr Umzug in die Schweiz an die ETH Zürich Ihre Forschung und die Lehre beeinflussen? Die ETH Zürich bietet hervorragende Möglichkeiten für die Forschung und Lehre. Seit ich an der ETH arbeite, habe ich einige neue Projekte lanciert, die sich mit der konkreten Situation in der Schweiz auseinandersetzen. In­ sofern hat sich der regionale Bezug geändert, die

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 492–493, 2014

493


A k t u e l l

Aktuelles Feldbesichtigt anerkannte Pflanzkartoffelflächen* 2014 in der Schweiz Henri Gilliand1, Theodor Ballmer2 und Brice Dupuis1 1 Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon 2 Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 8046 Zürich

Sorte

angemeldete Fläche (ha)

davon abgewiesen oder ­zurückgezogen (%)

Agata

46,6

Agria Alexandra

Total aller Zertifizierungs­ klassen (ha)

Flächenanteil pro Sorte (%)

0,0

46,6

3,1

413,2

1,0

397,9

26,2

12,4

0,0

12,4

0,8

Amandine

48,6

0,0

48,6

3,2

Annabelle

48,2

0,0

48,2

3,2

Antina

1,0

0,0

1,0

0,1

Bintje

22,0

0,0

22,0

1,4

Blaue St-Galler

6,5

0,0

6,5

0,4

Celtiane

20,0

0,0

20,0

1,3

Challenger

18,4

0,0

18,4

1,2

Charlotte

162,5

0,0

162,5

10,7

Désirée

40,0

0,0

40,0

2,6

Ditta

58,7

0,0

58,7

3,9

Erika

13,3

0,0

13,3

0,9

Fontane

56,3

0,0

56,0

3,7

Gourmandine

25,8

0,0

25,8

1,7

Gwenne

4,2

0,0

4,2

0,3

Hermes

11,0

0,0

11,0

0,7

Innovator

100,4

0,1

99,3

6,5

Jelly

37,6

0,1

36,4

2,4

Lady Christl

35,5

0,0

35,5

2,3

Lady Claire

53,2

0,0

53,2

3,5

Lady Felicia

41,1

0,0

40,6

2,7

Lady Rosetta

35,3

0,1

34,0

2,2

Laura

12,6

0,0

12,6

0,8

Markies

59,5

0,0

59,5

3,9

Nicola

11,5

0,0

11,5

0,8

Panda

30,3

0,0

30,3

2,0

Pirol

11,5

0,0

10,8

0,7

Victoria Total *

494

anerkannte Fläche

107,7

0,3

103,5

6,8

1544,3

1,6

1519,9

100,0

Provisorische Flächen, Veränderungen zum Beispiel durch Abweisungen aufgrund der Virusuntersuchungen (ELISA) bleiben vorbehalten.

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 494–499, 2014


A k t u e l l

Neue Publikationen

Grassilageverdichtung im Flachsilo

Technik Agroscope Transfer | Nr. 28

Grassilageverdichtung im Flachsilo Gleichmässiges Aufschichten mittels Siloverteilern mindert das Risiko von Nacherwärmungen.

Juni 2014

Die wirtschaftliche Entwicklung der schweizerischen Landwirtschaft 2013

Ökonomie Agroscope Transfer | Nr. 43 / 2014

Die wirtschaftliche Entwicklung der schweizerischen Landwirtschaft 2013 Hauptbericht Nr. 37 der Zentralen Auswertung von Buchhaltungsdaten (Zeitreihe 2004–2013)

Oktober 2014

Agroscope Transfer Nr. 28 Qualitativ hochstehendes Raufutter ermöglicht eine kostengünstige und mit möglichst wenig Kraftfutter zusammeng setzte Fütterung von Wiederkäuern. Doch die Qualität von Silagen in Flachsilos gibt immer wieder zu Diskussionen Anlass, weil in der Praxis grössere Einbussen durch Fehlgärungen und Schimmelbildungen zu beobachten sind. Bekannt ist, dass die regelmässige und hohe Verdichtung des Futters eine zentrale Rolle spielt. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die grosse Heterogenität der Lagerungsdichte beim Einsilieren ein Hauptproblem darstellt. Eine gleichmässige Befüllung mit nicht zu dicken Schichten und die Verwendung eines Siloverteilers kann dieses Problem reduzieren. Durch mindestens dreimaliges Überfahren mit rund 6–10 Tonnen schweren Fahrzeugen lässt sich eine ausreichende Dichte erzielen. Der gesamte Verdichtungsprozess stellt im Detail aber noch zahlreiche Fragen, da die Einflussfaktoren mannigfaltig sind. Autoren

Fotos: Agroscope

Roy Latsch und Joachim Sauter

Eine regelmässige, hohe Verdichtung von Silagen ist der Grundstein für eine hohe Futterqualität.

Qualitativ hochstehendes Raufutter ermöglicht eine kostengünstige und mit möglichst wenig Kraftfutter zusammengesetzte Fütterung von Wiederkäuern. Doch die Qualität von Silagen in Flachsilos gibt immer wieder zu Diskussionen Anlass, weil in der Praxis grössere Einbussen durch Fehlgärungen und Schimmelbildungen zu beobachten sind. Bekannt ist, dass die regelmässige und hohe Verdichtung des Futters eine zentrale Rolle spielt. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die

grosse Heterogenität der Lagerungsdichte beim Einsilieren ein Hauptproblem darstellt. Eine gleichmässige Befüllung mit nicht zu dicken Schichten und die Verwendung eines Siloverteilers kann dieses Problem reduzieren. Durch mindestens dreimaliges Überfahren mit rund 6 –10 Tonnen schweren Fahrzeugen lässt sich eine ausreichende Dichte erzielen. Der gesamte Verdichtungsprozess stellt im Detail aber noch zahlreiche Fragen, da die Einflussfaktoren mannigfaltig sind.

Roy Latsch und Joachim Sauter, Agroscope

Gabriela Brändle, Agroscope

Agroscope Transfer Nr. 43 Im Jahr 2013 sind die Einkommen je Betrieb im Vergleich zum Vorjahr dank höherer Preise auf dem Schweine-, Rindvieh- und Milchmarkt deutlich gestiegen. Das landwirtschaftliche Einkommen der Referenzbetriebe erreichte 61400 Franken je Betrieb gegenüber 56 000 Franken im Vorjahr, was einer Zunahme von 9,7 % entspricht. Das landwirtschaftliche Einkommen hat einerseits das im Betrieb investierte Eigenkapital von 469 900 Franken verzinst, andererseits war damit die Arbeit der 1,21 Familienarbeitskräfte zu entschädigen. Infolge gestiegener Zinssätze stieg 2013 der Arbeitsverdienst pro Familienjahresarbeitseinheit mit 7,6 % (+3320 Franken) nicht im selben Masse wie das landwirtschaftliche Einkommen. Die Veränderung des Arbeitsverdienstes gegenüber dem Vorjahr hing dabei wesentlich von der Betriebsausrichtung ab: So konnten z. B. die Betriebe vom Typ «anderes Rindvieh» und «Veredelung» den Arbeitsverdienst pro Familienarbeitskraft gegenüber dem Vorjahr dank guter Schweine- und Rindviehpreise um 8,7 % bzw. 63,7 % verbessern, während dieser bei den Betriebstypen «Ackerbau», «Mutterkuh» und «Pferde/Schafe/Ziegen» um mindestens 3 % gefallen ist. Im Mittel betrug das ausserlandwirtschaftliche Einkommen 27 100 Franken pro Betrieb und stieg gegenüber 2012 leicht um 360 Franken (+1,3 %). Das Gesamteinkommen, das sich aus dem landwirtschaftlichen und ausserlandwirtschaftlichen Einkommen zusammensetzt, lag bei 88 500 Franken und nahm im Vergleich zu 2012 um 5800 Franken (+7,08%) zu. Autoren

Dierk Schmid und Daniel Hoop dierk.schmid@agroscope.admin.ch daniel.hoop@agroscope.admin.ch

Impressum

Herausgeber: Agroscope Tänikon 1, 8356 Ettenhausen www.agroscope.ch Redaktion: Erika Meili Gestaltung und Druck: Sonderegger Druck AG, Weinfelden

Preis: Fr. 6.30 pro Exemplar (Mindestbestellwert: Fr. 30.–, exkl. Versandkosten) Bestellung: Tel. +41 (0)58 480 31 31, E-Mail: bestellung@agroscope.admin.ch Download: www.agroscope.ch/transfer Copyright: © Agroscope 2014 ISSN: 2296-7206 (print), 2296-7214 (online)

2013 nahm die Rohleistung aus der Schweinehaltung um 20,9 % zu.

Im Jahr 2013 sind die Einkommen je Betrieb im Vergleich zum Vorjahr dank höherer Preise auf dem Schweine-, Rindvieh- und Milchmarkt deutlich gestiegen. Das landwirtschaftliche Einkommen der Referenzbetriebe erreichte 61 400 Franken je Betrieb gegenüber 56 000 Franken im Vorjahr, was einer Zunahme von 9,7 % entspricht. Das landwirtschaftliche Einkommen hat einerseits das im Betrieb investierte Eigenkapital von 469 900 Franken verzinst, andererseits war damit die Arbeit der 1,21 Familienarbeitskräfte zu entschädigen. Infolge gestiegener Zinssätze stieg 2013 der Arbeitsverdienst pro Familienjahresarbeitseinheit mit 7,6 % (+3320 Franken) nicht im selben Masse wie das landwirtschaftliche Einkommen. Die Veränderung des Arbeitsverdienstes gegenüber dem Vorjahr hing dabei wesentlich von der Betriebsausrichtung ab: So konnten z. B. die Betriebe vom Typ «anderes Rindvieh»

und «Veredelung» den Arbeitsverdienst pro Familienarbeitskraft gegenüber dem Vorjahr dank guter Schweine- und Rindviehpreise um 8,7 % bzw. 63,7 % verbessern, während dieser bei den Betriebstypen «Ackerbau», «Mutterkuh» und «Pferde/Schafe/Ziegen» um mindestens 3 % gefallen ist. Im Mittel betrug das ausserlandwirtschaftliche Einkommen 27 100 Franken pro Betrieb und stieg gegenüber 2012 leicht um 360 Franken (+1,3 %). Das Gesamteinkommen, das sich aus dem landwirtschaftlichen und ausserlandwirtschaftlichen Einkommen zusammensetzt, lag bei 88 500 Franken und nahm im Vergleich zu 2012 um 5800 Franken (+7,0 %) zu.

Ausführliche gesamtbetriebliche Ergebnisse finden Sie in den Tabellen der Seiten 10 bis 19.

Dierk Schmid und Daniel Hoop, Agroscope

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 494–499, 2014

495


Aktuell

Neue Publikationen

Titel Portrait

Blähungen beim Rindvieh

Lauftext Autor Tiere Agroscope Transfer | Nr. 44 Blähungen beim Rindvieh Merkblatt für die Praxis

Oktober 2014

Autor

Andreas Münger, Agroscope

Andreas Münger

Ein erhöhtes Risikos für Pansenblähungen bei Rindvieh ist in der Regel mit bestimmten Situationen während der Grünfütterung verbunden. Gelegentlich können sie aber auch in anderen Fütterungssystemen auftreten. Nicht alle Ursachen und Vorgänge die zu Blähungen führen, sind geklärt. Somit ist sowohl die Beurteilung des Blährisikos wie auch der Wirksamkeit vorbeugender Massnahmen nicht mit hoher Sicherheit möglich. Für einige Rindviehhalter sind Blähungen ein wiederkehrendes Problem; sie haben ihre Erfahrungen gemacht und ein Arsenal an Vorbeugemassnahmen bereit, die mehr oder weniger wirksam sind. Für die Mehrheit sind es jedoch eher sporadische Fälle, die sie dann meist unvorbereitet treffen. So oder so gibt es immer wieder schmerzliche Tierverluste.

Im vorliegenden Merkblatt für die Praxis stehen die Blähungen im Zentrum. Es behandelt folgende Punkte: • • • • •

Entstehung und Formen der Blähungen Symptome einer Blähung Bekannte und vermutete Risikofaktoren Behandlung von Blähungen Vorbeugung – Fütterungsmassnahmen und -zusätze

Agroscope Transfer Nr. 44 Ein erhöhtes Risikos für Pansenblähungen bei Rindvieh ist in der Regel mit bestimmten Situationen während der Grünfütterung verbunden. Gelegentlich können sie aber auch in anderen Fütterungssystemen auftreten. Nicht alle Ursachen und Vorgänge die zu Blähungen führen, sind geklärt. Somit ist sowohl die Beurteilung des Blährisikos wie auch der Wirksamkeit vorbeugender Massnahmen nicht mit hoher Sicherheit möglich. Für einige Rindviehhalter sind Blähungen ein wiederkehrendes Problem; sie haben ihre Erfahrungen gemacht und ein Arsenal an Vorbeugemassnahmen bereit, die mehr oder weniger wirksam sind. Für die Mehrheit sind es jedoch eher sporadische Fälle, die sie dann meist unvorbereitet treffen. So oder so gibt es immer wieder schmerzliche Tierverluste. Im vorliegenden Merkblatt für die Praxis stehen die Blähungen im Zentrum. Es behandelt folgende Punkte: • Entstehung und Formen der Blähungen • Symptome einer Blähung Bildlegende • Bekannte und vermutete Risikofaktoren • Behandlung von Blähungen • Vorbeugung – Fütterungsmassnahmen und -zusätze Andreas Münger, Agroscope

496

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 494–499, 2014


Aktuell

Aktuelles Einladung Agroscope Changins-Wädenswil ACW und die «International Society for Horticultural Science (ISHS)» freuen sich, Sie zum «1st International Symposium on Medicinal, Aromatic and Nutraceutical Plants from Mountainous Areas» einzuladen. Dieses Symposium findet vom 5. bis 9. Juli 2011 in der Schweiz in Saas Fee statt und ist an Personen gerichtet, die in der Forschung, Produktion und Bildung tätig sind. Das Ziel des Symposiums ist es, neuste Informationen aus der Wissenschaft über den Anbau und die Nutzung von Pflanzen aus dem Berggebiet zu präsentieren und zu diskutieren - Pflanzen, die in Medikamenten sowie als Aromastoffe und Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln Verwendung finden. Die in höheren Lagen gedeihenden Wildpflanzen sind im allgemeinen reich an sekundären Inhaltsstoffen und wurden seit Jahrhunderten zu Heilzwecken gesammelt. Doch der Bedarf an einigen dieser Pflanzen ist in den letzten Jahren gestiegen, daher kann die Nachfrage nur über deren professionellen Anbau gewährleistet werden. Zudem erlaubt ein solcher Anbau eine nachhaltige Produktion mittels optimalen Anbaubedingungen und angepassten Genotypen mit gewünschtem phytochemischem Profil, das durch Domestikation und Züchtung erzielt wurde. Damit kön-

Modell zur Beurteilung der Nitratauswaschung nen natürlicherweise vorkommende Pflanzenpopulatioin Ökobilanzen – SALCA-NO3 nen geschützt werden. Mehr als 100 Vorträge und Poster werden von ForAgroscopeaus Science Nr. 5 / Juni 2014 schenden der ganzen Welt von Korea bis ArgentiIn verschiedenen Projekten konnte1)bereits die Anwendnien in vier Sessionen präsentiert: Genetische Ressourzur Abschätzung der und Nitbarkeit desBotanik, Modells SALCA-NO cen und 2) Domestikation, Züchtung 3 ratauswaschung ins Grundwasser gezeigtPflanzenschutz werden. Neu markergestützte Selektion, 3) Anbau, sind viele Kulturen, z. B. Gemüsearten, in das und Erntezusätzliche und 4) Nachernte-Verfahren wie Trocknung, Modell integriert worden. Ferner war esSymposium angezeigt, wird vom Extraktion und Produktherstellung. Das Potenzialansatz hin ohne zu einer Abschätzung der wahrin Englisch gehalten, Übersetzung. scheinlichen Nitratauswaschung zu gehen. Diese beiden Ziele wurden der http://www.agroscope.admin.ch/ vorliegenden Version für die Weitere Infos mit unter: Modellierung der Stickstoffaufnahme und der Mineralimapmountain/index.html?lang=en sierung von organischer Bodensubstanz erreicht. Das vorliegende Modell erlaubt im Gegensatz zur alten Version die Unterscheidung der schweizerischen Tal-, Hügel- und Bergregionen und ist somit in einem klimatisch breiteren Kontext anwendbar. Neu hinzugekommen ist auch die Modellierung der Freilandhaltung von Schweinen. Ausserdem deckt das Modell nun eine breitere Palette von Kulturen einschliesslich Gemüse ab. Die ausgewaschene Menge an Nitratstickstoff berechnet sich einerseits aus der monatlichen Differenz des Angebots an mineralisiertem Stickstoff aus der organischen Substanz des Bodens (Netto-N-Mineralisierung) und der N-Aufnahme durch die Pflanzen und andererseits aus dem ausgewaschenen Anteil des mineralischen Stickstoffs in Düngern, die zu ungünstigen Zeitpunkten ausgebracht worden sind. Die wahrscheinliche Nitratauswaschung während einer Kulturperiode berechnet sich aus der Summe der Monatswerte im Bilanzzeitraum, beginnend einen Monat nach der Ernte der Vorkultur bis zum Zeitpunkt der Ernte der betrachteten Kultur. Dadurch lassen sich auch Fruchtfolgen mit Zwischenkulturen sehr gut modellieren. Bei der Berechnung der Netto-N-Mineralisierung wurden folgende Faktoren berücksichtigt: Ton- und Humusgehalt des Bodens, Zufuhr organischer Substanz durch Hofdünger, Intensität der Bodenbearbeitung sowie die Fruchtfolge. Die Publikation liegt nur auf Deutsch vor. Agroscope Science erscheint nur in elektronischer Form. Download im PDF-Format: www.agroscope.ch > Publikationen Walter Richner, Hans-Rudolf Oberholzer, Ruth Freiermuth Knuchel, Olivier Huguenin, Sandra Ott, Thomas Nemecek und Ulrich Walther

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 494–499, 2014

497


Aktuell

Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 07.11.2014 Stille Gene von Pilzen melden sich zu Wort Agroscope und der Universität Genf ist es gelungen, stille Pilzgene zu aktivieren. Mit Hilfe von epigenetischen Modifikatoren konnten die Forschenden einen neuen Horizont aktiver Moleküle erforschen, um mit ihrer fungiziden Wirkung Pilze zu bekämpfen, die für Kulturpflanzen und Gesundheit schädlich sind. Das Potenzial dieser Methode ist fast unbeschränkt und könnte der Anfang unerwarteter Entdeckungen sein, die für Medizin und Landwirtschaft von grossem Interesse sind.

06.11.2014 Strenge Überwachung des Vektors der Goldgelben Vergilbung der Rebe Agroscope und die kantonalen Fachstellen für Weinbau haben 2014 eine nationale Überwachungskampagne der Zikade Scaphoideus titanus durchgeführt. Neben den bereits bekannten Verbreitungsgebieten im Tessin, am Genfersee und in der Region Chablais wurde der Vektor nun auch im Mittelwallis nachgewiesen. Die anderen Schweizer Weinbaugebiete bleiben bisher verschont.

31.10.2014 Gewächshäuser: Energie sparen dank Entfeuchtung durch Kondensation Die von Agroscope durchgeführten Versuche haben gezeigt, dass mit einem Entfeuchter mittels Kondensation in Gewächshäusern 15 bis 25 % Energie gespart werden kann. Das Gerät erlaubt es, die Luftfeuchtigkeit im Gewächshaus mit weniger Energieaufwand optimal zu regulieren ohne dabei negative Auswirkungen auf die Tomatenkultur zu verursachen.

498

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 494–499, 2014

21.10.2014 Ackerbau profitiert von Bodenorganismen: mehr Biomasse, weniger Nährstoffverluste Im Ackerbau spielen Bodenlebewesen eine wichtige Rolle: Ein funktionierendes unterirdisches Nahrungsnetz aus Bakterien, Pilzen und Bodentieren kann die Pflanzenernährung verbessern, die landwirtschaftlichen Erträge erhöhen und die Auswaschung von Nährstoffen reduzieren. Eine im Journal of Applied Ecology publizierte Agroscope-Studie zeigt, dass sich eine Boden schonende Bewirtschaftung auszahlt. Wird den Organismen im Boden mehr Sorge getragen, können Düngemittel gespart und Gewässer geschont werden.

03.10.2014 Kartoffelviren: ein Blattlausradar zur Vorhersage des Übertragungsrisikos Ertragsvermindernde Pflanzenviren stellen die Produzenten von Pflanzkartoffeln immer wieder vor grosse Herausforderungen. Die Viren werden im Frühsommer durch einfliegende Blattläuse von kranken auf gesunde Kartoffelstauden verschleppt und befallen anschliessend die sich entwickelnden Knollen. Agroscope überwacht den Blattlausflug mit einer Saugfalle und hat ein neues Prognoseinstrument entwickelt, welches die Produzenten über das Risiko einer Virenausbreitung durch Blattläuse informiert.


Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Agrometeo Webapp – Prognose und ­Risikoabschätzung für die Landwirtschaft www.agrometeo.ch Agrometeo ist eine Plattform, die Informationen und Entscheidungshilfen für eine optimierte Anwendung von Pflanzenschutzmassnahmen in der Landwirtschaft zusammenfasst. Sie basiert auf einem Netz von über 150 Wetterstationen, welche mikroklimatische Wetterdaten für verschiedene Modelle zur Vorhersage von Krankheits- und Schädlingsrisiken liefern.

Vor schau

November 2014 18.11.2014 Profi-Lait-Forschungstag 2014 Profi-Lait, Agroscope, Agridea, HAFL Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel­ wissenschaften HAFL, Zollikofen BE 20. – 21.11.2014 Beerenseminar 2014 Agroscope, SOV-FUS Kartause Ittingen, Thurgau 21.11.2014 AgriMontana – Zukünftige Perspektiven der ­Berglandwirtschaft AgriMontana / Agroscope Landwirtschaftliches Bildungs- und Beratungs­ zentrum Plantahof Landquart

Januar 2015 / Heft 1 Feuerbrand ist ein ernsthaftes ­Problem für den Schweizer Kernobstanbau. Um den Antibiotikaeinsatz vermeiden zu können, forscht Agroscope intensiv nach alternativen Ansätzen. Dabei werden neue Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittelstrategien, Massnahmen zur fachgerechten Sanierung befallener Bäume und robuste Apfel- und Birnensorten für den Mostobstanbau getestet. (Foto: Gabriela Brändle, ­Agroscope)

••Die Suche nach robusten Sorten für ein nachhaltiges Feuerbrandmanagement, Anita Schöneberg et al., Agroscope

Januar 2015 22.1.2014 2. Agroscope-Nachhaltigkeitstagung 2015 ­«Funktionelle Biodiversität in der Landwirtschaft» Agroscope INH 8046 Zürich März 2015 14. 3.2015 Infotag HAFL Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel­ wissenschaften Zollikofen Informationen: www.hafl.bfh.ch 18. – 19.3.2015 5. Tänikoner Melktechniktagung Tänikon, 8356 Ettenhausen

••Herausforderungen der rückstandsfreien Apfel­ produktion, Michael Gölles et al., Agroscope ••Optimierung der Schlachtleistung durch gezielte Paarung von Fleisch- und Milchviehrassen, Arlène Müller et al., HAFL ••Kulturpflanzen in der Schweiz – eine Schriftenreihe, Peer Schilperoord, Alvaneu Dorf

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 5 (11–12): 494–499, 2014

499


Donnerstag, 22. Januar 2015

Funktionelle Biodiversität in der Landwirtschaft 2. Agroscope-Nachhaltigkeitstagung 2015 Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH

Themen • Funktionen der Biodiversität – Beispiele und Potenzial • Von Bienen und Blumen: funktionelle Biodiversität von Bestäubern in Agrarlandschaften • Bodenbiodiversität, Nachhaltigkeit und Ökosystem-Multifunktionalität • Ansaatwiesen – Pflanzeneigenschaften gezielt kombinieren • Ökonomische Bewertung der funktionellen Biodiversität

Tagungsort Agroscope Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH Reckenholzstrasse 191, 8046 Zürich, Vortragssaal

Anmeldeschluss: 13. Januar 2015

www.agroscope.ch

AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ RECHERCHE AGRONOMIQUE SUISSE

Detailprogramm und Anmeldung www.agroscope.ch/veranstaltungen > 2. Agroscope-Nachhaltigkeitstagung

Aktuelle Forschungsergebnisse für Beratung und Praxis: Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal im Jahr Forschungsergebnisse über Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft, Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und Gesellschaft. Agrarforschung ist auch online verfügbar unter: www.agrarforschungschweiz.ch Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe! Name/Firma

Agrarforschung Schweiz /Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Partner der Zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirtschaft,die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft HAFL, die Beratungszentralen AGRIDEA, die Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL und Agroscope, die gleichzeitig Herausgeberin der Zeitschrift ist. Die Zeitschrift erscheint in Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenössische Ämter und an weitere Fachinteressierte.

Vorname Strasse/Nr PLZ/Ort Beruf E-Mail Datum Unterschrift Talon einsenden an: Redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras, Postfach 64, 1725 Posieux Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00 E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch | www.agrarforschungschweiz.ch


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.