Agrarforschung Schweiz, Heft 9, September 2014

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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ 2 0 1 4

|

H e f t

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich | FiBL

S e p t e m b e r

Nutztiere

Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht Seite 324

Gesellschaft

Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft Seite 338

Pflanzenbau

Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne Seite 358

9


Inhalt September 2014 | Heft 9 323 Editorial Nutztiere 324 Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum Ferkel werden aus wirtschaftlichen Gründen von der Muttersau getrennt, bevor sie von ihr gelernt haben, Trockenfutter zu fressen. In einem Fütterungsversuch haben Forschende von Agroscope und der ETH untersucht, ob diese jungen Ferkel fähig sind, von früher abgesetzten, erfahrenen Jungtieren die Aufnahme von Festfutter zu lernen. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)

frisch abgesetzter Ferkel nicht Andreas Gutzwiller, Marion Reichenbach und Edna Hillmann Nutztiere Zusammensetzung von Fettsäuren in der 330

­Tierfütterung – Analysemethoden Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der ­landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB; Institut für Nutztierwissen­schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits­wissenschaften INH), www.agroscope.ch b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.ch b Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Z­ ollikofen, www.hafl.ch b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch b Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, www.fibl.org Redaktion Leitung und deutsche Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 58 466 72 21, Fax +41 58 466 73 00 Französische Redaktion Sibylle Willi, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 57 Stellvertretung Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 82 E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili und Sibylle Willi (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), ­Brigitte Dorn (ETH Zürich), Thomas Alföldi (FiBL). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch, Fax +41 58 466 73 00 Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

Silvia Ampuero Kragten, Marius Collomb, Sébastien Dubois und Peter Stoll Gesellschaft Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel 338

kauft Franziska Götze und Ali Ferjani Agrarwirtschaft Potenziale der Landwirtschaft in der 344

­Gotthardregion Andreas Hochuli, Esther Hidber und Mario Huber Agrarwirtschaft Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten 352 Daniel Hoop, Anja Schwarz und Markus Lips Pflanzenbau Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 358

mit Luzerne Rainer Frick, Eric Mosimann, Philippe Aebi, ­Daniel Suter und Hans -Ueli Hirschi Pflanzenbau Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine 366

räumliche, zeitliche und thematische ­ nalyse des Umfeldes A Achim Walter, Christoph Grieder, Luisa Last, Beat Keller, Andreas Hund und Bruno Studer Kurzbericht Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und 374

­Bekämpfungsalternativen Heinz Krebs et al. Kurzbericht World Café «Wachstum in der 378

­Landwirtschaft» Linda Reissig 382 Porträt 383 Aktuell 387 Veranstaltungen


Editorial

Die grosse Chance der Schweizer Agrarforschung Liebe Leserin, lieber Leser

Urs Niggli, Direktor des FiBL

Gesellschaftlich hat die Agrarforschung wieder an Gewicht gewonnen. Die Menschen essen gerne und Kochen wird zelebriert. Nicht wenige definieren sich sogar darüber, wie sie essen und einkaufen: «Ich bin ein Veganer», «ich bin ein regelmässiger Biokunde», «ich kaufe nur bei der Bäuerin auf dem Wochenmarkt ein», «ich bin gegen Gentechnik» oder «bei mir kommt nur ein Steak aus Freilandhaltung in die Pfanne». Dem widersprechen allerdings die zwei Milliarden Franken, welche Schweizer im grenznahen Ausland vor allem bei Billigdiscountern ausgeben. Ob wir es wollen oder nicht, Konsumentinnen und Konsumenten reden mit, wenn Forschungsprioritäten gesetzt werden. Die Gesellschaft erwartet von der Forschung Rezepte, wie die steigende Weltbevölkerung ernährt werden kann. Leider macht das die Situation auch nicht einfacher. Denn die Produktionssteigerung ist eigentlich keine Lösung, da sie die Stabilität des Planeten gefährdet. Für die Schweizer Agrarforschung ergeben sich daraus aber Chancen. Sie ist in verschiedenen Disziplinen der Nachhaltigkeit international gut aufgestellt. Beispiele sind die Bodenökologie, nachhaltige Graslandsysteme, biologische Landwirtschaft, artgerechte Wiederkäuerfütterung und Tierhaltung, ebenso wie Biodiversität, biologischer Pflanzenschutz, Milchtechnologie oder ökonomisch-ökologische Systemmodellierung. Noch im Aufbau ist die Kompetenz in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Die Diskussion in der Forschung ist von den Begriffen «Effizienz» und «Suffizienz» geprägt. Durch Effizienz kann zwar aus weniger mehr gemacht werden. Ohne grundsätzliche Verzichte führen aber Effizienzgewinne zu mehr Verschwendung an Lebensmitteln. Der Verbrauch endlicher Ressourcen (z.B. Phosphor oder Erdöl) und die Belastung der Ökosysteme werden damit weiter zunehmen. Suffizienz bedeutet, die zukünftige Knappheit schon heute zu berücksichtigen. Das tun zum Beispiel die Richtlinien des Biolandbaus mit den Düngungsvorschriften. Abfälle jeglicher Art müssen vom Feld bis zum Konsum drastisch reduziert und, wenn sie trotzdem entstehen, mit Hilfe neuer Aufbereitungsverfahren als hochwertige Rohstoffe in die Landwirtschaft zurückgeführt werden. Denn die meisten von der Landwirtschaft beeinflussten Nachhaltigkeitsparameter wie Biodiversität, Bodenqualität, agro-genetische Vielfalt, Landschaftsqualität, Wasser- und Luftqualität sowie bäuerliches Einkommen haben sich trotz UNO-Zielen und Effizienzsteigerungen weiter ungebremst verschlechtert. Die auf einer Million Hektar betriebene Schweizer Landwirtschaft hat grössere Freiheitsgrade und wird deshalb von EU-Politikern oft als eine Art Experimentierküche für neue Ideen gesehen. Nutzen wir also die Chance, den von mehreren internationalen Institutionen geforderten Paradigmenwechsel anzugehen, ihn mit den Praktikern schrittweise auszuprobieren und seine Auswirkungen auf die globale Nachhaltigkeit näher zu analysieren. Die Agrarforschung muss radikaler denken!

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 323, 2014

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N u t z t i e r e

Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht Andreas Gutzwiller1, Marion Reichenbach2 und Edna Hillmann2 Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz 2 ETH, Institut für Agrarwissenschaften, 8092 Zürich, Schweiz Auskünfte: Andreas Gutzwiller, E-Mail: andreas.gutzwiller@agroscope.admin.ch

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Bis zum Alter von vier Wochen decken Saugferkel ihren Energie- und Nährstoffbedarf zu über 80 % über die Sauenmilch. Das Absetzen der vierwöchigen Ferkel ­e ntspricht deshalb einem abrupten Futterwechsel.

Einleitung Aus wirtschaftlichen Gründen sollen Sauen pro Jahr möglichst viele Ferkel aufziehen. Solange Muttersauen regelmässig säugen, zeigen sie jedoch keine Rausche (Brunst). Damit die Sauen nach dem Abferkeln bald wieder trächtig werden, trennt man sie wenige Wochen nach der Geburt von den Ferkeln ab, bevor diese gewohnt sind, Festfutter zu fressen. Die abgesetzten Ferkel müssen lernen, ihren Hunger und Durst durch die Aufnahme von Festfutter und von Wasser zu stillen, ohne dass sie sich bei diesem Lern-

324

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014

vorgang am Fressverhalten ihrer Mutter oder anderer erfahrener Tiere orientieren können. Während dieser mehrtägigen Lernphase decken sie ihren Nährstoffbedarf über das aufgenommene Futter nicht vollständig und müssen Körperreserven mobilisieren, was sich negativ auf die Krankheitsresistenz und das Wachstum auswirkt (William 2003). In einem Tierversuch prüften Agroscope und die ETH Zürich die Frage, ob die Anwesenheit von Ferkeln, welche früher abgesetzt worden sind und an die Aufnahme von Festfutter gewohnt sind, die Futteraufnahme frisch abgesetzter Ferkel stimuliert.


Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht | Nutztiere

Die Untersuchung wurde bei Agroscope in Posieux mit 144 Ferkeln der Rasse Edelschwein durchgeführt. Von der zweiten Lebenswoche an erhielten die Saugferkel ein Ferkelbeifutter und Wühlerde, damit sie sich an die Aufnahme von Festfutter gewöhnen konnten. Nach dem Absetzen wurden die Ferkel in Buchten mit 9,2 m² Bodenfläche (davon 3,1 m² Metallrost) gehalten, welche mit einem 90 cm breiten Futtertrog, einer Nippel- und einer Beckentränke, zwei geheizten Ferkelnestern und einer Strohraufe ausgestattet waren. Pelletiertes Futter, Trinkwasser und Stroh standen zur freien Verfügung. Während der ersten zwei Wochen nach dem Absetzen wurde ein Ferkel-Starterfutter mit 175 g Rohprotein und 14,6 MJ verdaulicher Energie pro kg und anschliessend ein Ferkelfutter mit 170 g Rohprotein und 13,9 MJ verdaulicher Energie verabreicht. Der Versuchsaufbau ist schematisch in Tabelle 1 dargestellt. Die 144 im Alter von vier Wochen abgesetzten Versuchstiere wurden in 72 Paare gleichgeschlechtlicher, annähernd gleich schwerer Vollgeschwister eingeteilt. Ein Tier jedes Paares wurde dem Verfahren U (unerfah­ ren), das andere dem Verfahren UE (unerfahren und erfahren) zugeteilt. Während die Ferkelgruppen U ausschliesslich aus frisch abgesetzten Ferkeln bestanden, wurden im Verfahren UE in jede Bucht zusätzlich zu den frisch abgesetzten Ferkeln zwei «erfahrene» (E) Ferkel gebracht, welche eine Woche früher abgesetzt worden waren und somit schon an den Verzehr von Festfutter gewohnt waren. Bei den erfahrenen Ferkeln handelte es sich um die grössten Ferkel verschiedener Würfe, die im Alter von drei Wochen abgesetzt und mit Festfutter aufgezogen wurden, während die restlichen Ferkel vier Wochen bei der Sau blieben (zweiphasiges Absetzen, englisch «split weaning»). Als wichtigstes Kriterium für den postulierten positiven, durch erfahrene Ferkel verursachten Lerneffekt auf den Futterverzehr diente das Wachstum. Da der Futterverzehr pro Gruppe durch die Futteraufnahme der bei-

Zusammenfassung

Tiere, Material und Methoden

In einem Fütterungsversuch wurde unter­ sucht, ob Ferkel, die schon gelernt hatten, Trockenfutter zu fressen, frisch abgesetzten Ferkeln als Vorbild dienen und diese stimu­ lieren, Festfutter aufzunehmen. Die 72 Ferkel der Versuchsvariante wurden am Tag des Absetzens im Alter von vier Wochen mit zwölf eine Woche früher abgesetzten Ferkeln gemischt, während ihre 72 Wurf­ geschwister der Kontrollvariante nicht mit früher abgesetzten Ferkeln gemischt wurden. Die Tierbeobachtungen vom zweiten bis vierten Versuchstag deuten darauf hin, dass die Ferkel der Versuchsgruppe häufiger frassen. Die Versuchstiere litten in der ersten Versuchswoche häufiger an Durchfall (35 gegenüber 25 Tieren; P = 0,09) und wuchsen langsamer (Tageszuwachs 11 g gegenüber 29 g; P = 0,10) als die Kontroll­ tiere. Der Zuwachs während der gesamten fünfwöchigen Aufzuchtperiode war in beiden Verfahren praktisch identisch (P = 0,90). Die häufigeren Durchfallerkran­ kungen im Versuchsverfahren könnten sowohl auf eine erhöhte Exposition der Versuchsgruppe mit Durchfallerregern, welche von den früher abgesetzten Ferkeln ausgeschieden wurden, als auch auf die erhöhte Futteraufnahme bei noch ungenü­ gender Anpassung des Verdauungssystems zurückzuführen sein.

Tab. 1 | Versuchsaufbau 144 im Alter von 4 Wochen abgesetzte Ferkel aus drei Serien Einteilung paarweise in die Verfahren U (ausschliesslich unerfahrene Ferkel) und UE (unerfahrene Ferkel gemischt mit erfahrenen Ferkeln) U (72 Versuchstiere):

UE (72 Versuchstiere):

Pro Bucht 8–14 Versuchstiere

Pro Bucht 8–14 Versuchstiere plus zusätzlich 2 «erfahrene» Ferkel (E), die eine Woche früher abgesetzt worden waren

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Nutztiere | Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht

Abb. 1 | In der zweiten Versuchsserie wurde während den ersten Tagen nach dem A ­ bsetzen das Verhalten der mit Nummern auf dem Rücken markierten Ferkel beobachtet. In den Gruppen mit erfahrenen Ferkeln hielten sich die frisch a­ bgesetzten Ferkel häufiger am Futtertrog auf.

den zusätzlichen erfahrenen Ferkel in jeder Bucht des Verfahrens UE beeinflusst wurde, konnte diese Grösse nicht als Indikator verwendet werden. Bei den 74 frisch abgesetzten Ferkeln der zweiten Versuchsserie wurde zusätzlich das Verhalten in der Umgebung des Futtertrogs beobachtet (Abb. 1). Die beobachteten Ferkel, welche mit Hilfe von auf den Rücken geschriebenen Nummern auf Distanz identifiziert werden konnten, wurden am Vormittag des zweiten bis vierten Tages sowie am Nachmittag des zweiten und dritten Tages beobachtet. Die Beobachtungszeit pro Bucht betrug zu jedem Beobachtungstermin 40 Minuten. Dabei wurden drei Beobachtungskategorien notiert: Fressen = Kopf im Trog während ≥ 10 Sekunden

Futterkontakt = Kopf im Trog während < 10 Sekunden Trognähe = Kontakt mit Nase oder Maul zum Trog, Wühlen in unmittelbarer Trognähe oder Versuch, neben anderen Ferkeln an den Trog zu gelangen. Die Gewichts- und Zuwachsdaten der beiden Verfahren wurden mit dem gepaarten t-Test verglichen.

Resultate und Diskussion Die Gewichtsdaten der Ferkel sind in Tabelle 2 aufgeführt. Obwohl die 72 Ferkel des Verfahrens UE beim Absetzen 40 g schwerer waren als ihre 72 Geschwister im Verfahren U, nahmen sie in der ersten Woche nach dem Absetzen tendenzmässig weniger zu (UE: 11 g pro Tag;

Tab. 2 | Lebendgewicht (LG) und Tageszuwachs (TZW) der Versuchstiere U (72 Tiere)

P

LG Beginn, kg

6,58 ± 1,16

6,62 ± 1,15

0,3

LG Ende 1. Woche, kg

6,78 ± 1,28

6,70 ± 1,40

0,29

LG Ende 5. Woche, kg

0,98

14,28 ± 3,94

14,27 ± 4,47

TZW 1. Woche, g

29 ± 71

11 ± 72

0,10

TZW Absetzen bis Ende 5. Woche, g

220 ± 95

219 ± 104

0,90

Mittelwerte ± Standardabweichungen; P = Irrtumswahrscheinlichkeit

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UE (72 Tiere)

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014


Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht | Nutztiere

1,4

Aktivitäten pro Periode von 40 Minuten

1,2

1

0,8

0,6

0,4 Fressen

0,2

Futterkontakt Trognähe

0 UE Tag 2

UE Tag 3

UE Tag 4

U Tag 2

U Tag 3

U Tag 4

Abb. 2 | Verhalten der 74 Ferkel der zweiten Versuchsserie in der Nähe des Futtertroges. Aktivitäten pro unerfahrenes Ferkel pro Beobachtungszeit von 40 Minuten.

U: 29 g pro Tag; P = 0,10). Während der gesamten fünfwöchigen Versuchsperiode wuchsen die Ferkel beider Verfahren praktisch gleich rasch (P = 0,90). Die Gewichtsdaten als wichtigstes Kriterium zeigen, dass die Anwesenheit erfahrener Ferkel sich nicht positiv, sondern während der ersten Woche sogar tendenzmässig negativ auf die Gewichtsentwicklung der frisch abgesetzten Ferkel auswirkte. Die in der zweiten Serie durchgeführten Beobachtungen (Abb. 2) deuten darauf hin, dass die Anwesenheit erfahrener Ferkel im Verfahren UE die Fressaktivität der frisch abgesetzten Ferkel steigerte: Am zweiten und dritten Tag wurde pro 40-minütige Beobachtungszeit pro Ferkel UE 1,2 mal, pro Ferkel U 0,8 mal Fressaktivität notiert. Am vierten Tag fiel die Anzahl beobachteter Fressaktivitäten in beiden Gruppen wider Erwarten ab. Erhebungen des täglichen Futterverzehrs in der ersten Woche nach dem Absetzen haben gezeigt, dass die Futteraufnahme im Verlaufe der ersten Tage nach dem Absetzen kontinuierlich ansteigt (Gutzwiller 2000). Da bei den Beobachtungen im vorliegenden Versuch weder die Zeit der Futteraufnahme noch die tatsächlich gefressene Futtermenge erfasst wurde, ist es möglich, dass die Ferkel am vierten Tag pro Besuch des Futtertrogs mehr Futter aufnahmen und somit trotz der tieferen Besuchsfrequenz mehr frassen als an den Vortagen.

Die Tatsache, dass die Ferkel des Verfahrens UE in der ersten Woche tendenziell weniger an Gewicht zunahmen, obwohl sie gemäss Beobachtungen in der zweiten Serie nach dem Absetzen häufiger beim Fressen beobachtet wurden, dürfte auf die vermehrt auftretenden Durchfälle im Verfahren UE während der ersten Woche zurückzu­ führen sein. Wie die Abbildung 3 zeigt, begannen Durchfallerkrankungen im Verfahren UE einen Tag früher als im Verfahren U, und insgesamt erkrankten in der ersten Woche tendenziell mehr Ferkel UE an Durchfall (35 gegenüber 25 Ferkel; P = 0,09). Die tendenziell tieferen Gewichtszunahmen im Verfahren UE während der ersten Woche dürften auf die reduzierte Futteraufnahme und auf die geringere Füllung des Magendarmtraktes der an Durchfall erkrankten Ferkel zurückzuführen sein. Zwei Gründe kommen für die höhere Durchfallhäufigkeit der Ferkel UE in der ersten Woche nach dem Absetzen in Frage: 1. Der durch die Anwesenheit erfahrener Ferkel stimulierte Futterverzehr könnte dazu führen, dass die Ferkel ihren an die Verdauung von Festfutter noch ungewohnten Verdauungstrakt überladen, was die Durchfallanfälligkeit erhöht. Aus diesem Grunde empfehlen Rantzer et al. (1996) und Dirkzwager et al. (2005), zur Durchfallvermeidung nach dem Absetzen

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Nutztiere | Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht

16 14

Neuerkrankungen an Durchfall

12 10 8 6 4 2

U UE

0 1

2

3

4

5

6

7

Versuchstag

Abb. 3 | Durchfallhäufigkeit während der ersten Woche nach dem Absetzen.

die Futteraufnahme der Ferkel in den ersten zwei bis vier Tagen zu fördern, anschliessend jedoch die Nährstoffaufnahme zu begrenzen. 2. Da die meisten Durchfälle, die mit massivem Ausscheiden von Durchfallerregern einhergehen, gegen Ende der ersten Woche und in der zweiten Woche nach dem Absetzen auftreten, ist anzunehmen, dass die erfahrenen Ferkel bei Versuchsbeginn die Buchten der Verfahren UE mit Durchfallerregern kontaminierten und damit das Durchfallrisiko der Ferkel des Verfahrens UE erhöhten. Die in der vorliegenden Untersuchung beobachtete erhöhte Fressaktivität unerfahrener Jungtiere infolge der Anwesenheit erfahrener Gefährten ist sowohl beim Ferkel als auch beim Kalb beschrieben worden (Morgan et al. 2001; De Paula Vieira et al., 2012). Im Gegensatz zu diesen Untersuchungen, wo dieses Verfahren positive Auswirkungen auf die unerfahrenen Jungtiere hatte, überwogen im vorliegenden Versuch in der ersten Woche die negativen Effekte, ohne dass über die gesamte Ferkelaufzuchtperiode das Wachstum beeinflusst wurde.

328

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014

Schlussfolgerungen Der an Agroscope durchgeführte Versuch zeigt, dass beim Mischen erfahrener mit unerfahrenen Tieren neben dem potenztiell positiven Lerneffekt auch negative Auswirkungen wie häufigere Erkrankungen auftreten können. Aus diesem Grunde wird davon abgeraten, frisch abgesetzte Ferkel mit früher abgesetzten Ferkeln n zu mischen.


I suinetti già svezzati non stimolano la crescita dei suinetti appena svezzati È stato condotto un esperimento di nutrizione allo scopo di stabilire se suinetti appena svezzati potevano essere stimolati a ingerire cibo solido, seguendo l’esempio di suinetti che avevano già imparato ad alimentarsi con foraggio secco. Nel test con il gruppo sperimentale 72 suinetti di 4 settimane sono stati collocati, dal primo giorno di svezzamento, con 12 che erano stati svezzati una settimana prima. Il gruppo di controllo era costituito da altri 72 suinetti della stessa figliata che non sono invece stati uniti a suinetti già svezzati. Dopo 2-4 giorni di osservazione, risultava che i suinetti del gruppo sperimentale si alimentavano più frequentemente. Nella prima settimana essi hanno sofferto più spesso di dissenteria (35 contro 25; P = 0.09) e sono cresciuti meno (crescita giornaliera 11 g contro 29 g; P = 0.10) rispetto agli animali del gruppo di controllo. La crescita durante l’intero periodo di allevamento di cinque settimane è però risultata praticamente identica (P = 0.90). Gli episodi più frequenti di dissenteria nei suinetti del gruppo sperimentale potrebbero essere riconducibili a una loro maggiore esposizione ad agenti patogeni di tale disturbo, causati dalla presenza dei suinetti svezzati prima, o a un’eccessiva assunzione di cibo, mentre il loro sistema digestivo non era ancora sufficientemente adattato.

Literatur ▪▪ De Paula Vieira A., von Keyserlingk M. A. G. & Weary D.M., 2012. Presence of older weaned companion influences feeding behavior and improves performance of dairy calves before and after weaning from milk. J. Dairy Sci. 95, 3218–3224. ▪▪ Dirkzwager A., Veldman B. & Bikker P., 2005. A nutritional approach for the prevention of Post Weaning Syndrome in piglets. Anim. Res. 54, 231–236. ▪▪ Gutzwiller A., 2000. Milch, Schotte und Diätfutter in der Ferkelaufzucht. Agrarforschung 7 (10), 460–465.

Summary

Riassunto

Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht | Nutztiere

The presence of experienced piglets does not promote the growth of newly weaned piglets In a feeding trial the hypothesis was tested that the presence of experi­ enced piglets facilitates the adapta­ tion of newly weaned piglets to solid food. The 72 four-week-old piglets in the experimental group were mixed at weaning with 12 piglets which had been weaned one week earlier, whereas their 72 siblings in the control group were reared in the absence of experienced piglets. Observations between the second and fourth day showed that the experi­ mental piglets displayed eating behaviour more frequently than the control piglets. During the first week, diarrhea prevalence was higher (35 vs. 25 animals; P = 0.09) and daily weight gain was lower (11 g vs. 29 g; P = 0.10) in the experimental group than in the control group. Weight gain during the whole five-week experimental period was practically identical (P = 0.90). The negative effect of the experienced piglets can possibly be attributed to their shedding of entero-pathogens and the increased food intake of the newly weaned piglets before their gastrointestinal tract was adapted to solid feed, thus increasing the diar­ rhea risk in the experimental group. Key words: weaning, pig, learning, food intake, diarrhea.

▪▪ Morgan C.A., Lawrence A.B., Chirnside J. & Deans L.A., 2001. Can information about solid food be transmitted from one piglet to another? ­A nimal Science 73, 471–478. ▪▪ Rantzer D., Svendsen J. & Weström B., 1996. Effects of a strategic feed restriction on pig performance and health during the post-weaning ­p eriod. Acta Agric. Scand. Sect. A Animal Sci. 46, 219–226. ▪▪ William I. H., 2003. Growth of the weaned pig. In: Weaning the pig (Ed. J. R. Pluske, J. Le Dividich, M. W. A. Verstegen). Wageningen Academic ­P ublishers, Wageningen, NL, 17–35.

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N u t z t i e r e

Zusammensetzung von Fettsäuren in der ­Tierfütterung – Analysemethoden Silvia Ampuero Kragten1, Marius Collomb2, Sébastien Dubois1 und Peter Stoll1 Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz 2 Ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter von Agroscope, 1723 Marly, Schweiz Auskünfte: Silvia Ampuero Kragten, E-Mail: silvia.ampuero@agroscope.admin.ch

1

Schweine lieben fettreiche Futtermittel.

Einleitung Historisch gesehen dienen Fette in der Tierernährung vor allem als Energielieferanten. Das Interesse an der Zusammensetzung der Fettsubstanzen ist aktuell und steht insbesondere mit dem potenziellen positiven Einfluss auf die Gesundheit des Menschen in Zusammenhang. Ausserdem unterliegt in der Schweiz die technologische Fettqualität des Schlachtkörpers beim Schwein einer ad-hoc-Klassifikation, welche das Vorkommen ungesättigter Bindungen in den Fettsäuren berücksichtigt (Christen 2014). Diese Klassifikation, welche in den Schlachthöfen erfolgt, beeinflusst den Schlachtkörperpreis, so dass bei der Herstellung von Schweinefuttermitteln in der Schweiz nicht nur der Fettgehalt (RL) der Rohstoffe als Energiequelle zu berücksichtigen ist, sondern die Futtermittel auch den Empfehlungen betreffend PUFA, MUFA und SFA entsprechen müssen. Deshalb ist eine genaue Analysemethode erforderlich.

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Molekularstruktur der Lipide In chemischer Hinsicht bestehen die Lipide aus einer reichen Vielfalt an Einzelkomponenten. Was ihre Löslichkeit betrifft, so lassen sich gemäss ihrer Struktur neutrale und polare Lipide unterscheiden. A) Die neutralen Lipide (oder einfachen Lipide) sind die freien Fettsäuren sowie die zur Bildung von Mono-, Di- oder Triglyceriden an ein Glycerolmolekül gebundenen Fettsäuren. Dieser Lipidtyp ist in unpolaren Lösungsmitteln löslich, wohingegen die polaren (oder komplexen) Lipide in mehr oder weniger polaren Lösungsmitteln löslich sind. B) Die polaren Lipide können in Form zweier unterschiedlicher Typen vorliegen (Abb 1): Die Phospho­ glyceride sind Lipide, bei welchen eine der Fettsäuren des Triglycerids durch einen Phosphatester ersetzt ist (O-Acyl-Bindung). Diese Bestandteile können je nach Phosphatester (Stickstoffverbindungen mit eingeschlossen) einen unterschiedlich hohen Komplexitätsgrad aufweisen. Die Sphingolipide sind Lipide, bei welchen die Fettsäure an den Stickstoff eines Sphin­ gosinmoleküls (N-Acyl-Bindung) gebunden ist. Das Sphingosin kann an Zucker (Cerebroside, Ganglioside usw.) sowie Phosphate usw. gebunden sein. Diese polaren Lipide können auch danach klassiert werden, ob sie ein Phosphat- oder Zuckermolekül in Form von Phospholipiden oder Glycolipiden enthalten, unabhängig von vorhandenen O-Acyl- oder N-Acyl-Bindungen mit der Fettsäure. Die Lipide umfassen zudem noch Detergenzien (Salze von Fettsäuren), Isoprenoide (Cholesterol, Steroide usw..), Terpene sowie Wachse und andere Lipide mit zyklischen Fettsäuren. Mit Ausnahme der Salze von Fettsäuren können die letztgenannten Moleküle in der Tierernährung als Energiequelle vernachlässigt werden. Ein Teil davon wird jedoch im RL extrahiert (Wachse und andere). Die Bestimmung der Fettsäuren durch GC-FID (Gaschromatographie mit Flammenionisationsdetektor) ­ erfolgt über deren Veresterung (im Allgemeinen Methylierung). Dieser Reaktionstyp der Derivatisierung erfolgt mit einem Katalysator, welcher je nach Lipidtyp entweder sauer oder basisch ist (Christie 1993, Carrapiso et al. 2000):


Zusammensetzung von Fettsäuren in der ­T ierfütterung – Analysemethoden | Nutztiere

Die Bedeutung der Analysemethode bei der Fettsäurenbestimmung in Tierfuttermitteln ist nicht zu unterschätzen. Wichtig ist sie insbesondere für die Schweinefütterung, da in der Schweiz nicht nur der Lipidgehalt, sondern auch das Fettsäurenprofil benötigt wird, um eine Ration zu erstellen, mit welcher eine optimale Fettqualität im Schlachtkörper des Schweins erzielt wird. Die Studie zeigt, dass die GC-Methode (Gaschromatographie) durch in-situ Umeste­ rung genauer und vollständiger ist als die GC-Methode in zwei Schritten (Fettextrak­ tion und anschliessende Veresterung). Sie ist auch der empirischen Methode durch Gravimetrie überlegen, welche in der Extraktion der löslichen Bestandteile mit einem vorgegebenen Lösungsmittel besteht.

R’-CO-OCH3 + H-OH

b) Lipide, bei welchen die Fettsäure durch eine O-AcylBindung gebunden ist (z. B.: Triglyceride, Phospholipide): R’-CO-OR’’ + CH3-OH

H+ oder OCH3

R’-CO-OCH3 + R’’-OH

c) Lipide, bei welchen die Fettsäure durch eine N-Acyl Bindung gebunden ist (z. B.: Sphingolipide, Ceramide usw.) R’-CO-NHR’’ + CH3-OH

H+

R’-CO-OCH3 + R’’-NH2

Analysemethoden Der Fettgehalt wird heute häufig noch mit gravimetrisch-empirischen Methoden wie Soxhlet (AOAC 1980) und Weibull-Berntrop bestimmt (Rohfett, RL), welche auf Grundlagen basieren, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurden (Hammond 2001). Das Prinzip dieser Methoden ist die Lösung der fettlöslichen Substanzen in einem unpolaren Lösungsmittel, häufig Petrolether, Hexan usw. Es ist leicht verständlich, dass ein einzelnes Lösungsmittel mit einer bestimmten Polarität nicht in der Lage ist, die Lipide unterschiedlicher Polarität vollständig zu lösen. Zudem sind generell die Membranlipide (Phospholipide, Glycolipide, Sphingolipide usw.) 

Lipide, Energiespeicher

PUFA Polyensäuren (mehrfach ungesättigte Fettsäuren) MUFA Monoensäuren (einfach ungesättigte Fettsäuren) SFA gesättigte Fettsäuren FT Gesamtfett RL Rohfett

Membranlipide (polar)

Glycolipide

Phospholipide

Fettsäure

Sphingosin

Fettsäure Glycerol

Glycerol

Fettsäure

Fettsäure

Sphingolipide

Phosphoglyceride

Triglyceride

Fettsäure

PO4

ROH

Sphingosin

H+

R’-CO-OH + CH3-OH

Zusammenfassung

a) Freie Fettsäure:

Fettsäure

PO4

Zucker

Fettsäure

Zucker

Abb. 1 | Klassifikationsschema für häufig vorkommende Lipide.

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014

331


Nutztiere | Zusammensetzung von Fettsäuren in der ­T ierfütterung – Analysemethoden

A

B

C

D

E

F

Abb. 2 | Einige analysierte Proben. A = Hafer, B = Alikon, C = Gerste, D = Mais, E = Rapskuchen, F = Sojabohnen

weniger gut in unpolaren Lösungsmitteln wie Hexan oder Petrolether löslich, und gleichzeitig werden eine Vielzahl nicht lipider Komponenten (Pigmente, Vitamine, Chlorophyll usw.) wie auch Wachse extrahiert. Werden noch polarere Lösungsmittel, wie z. B. Diethylether verwendet, so werden zusätzlich hydrophyle Bestandteile (Harnstoff, Hexosen) mitextrahiert (Palmquist et al. 2003). Obwohl diese empirischen Methoden nur annähernd genau sind, sind sie immer noch aktuell aufgrund ihrer einfachen Anwendung, aber auch weil in der Futteroptimierung der RL verwendet wird. Der Weg über die Identifizierung/Quantifizierung verschiedener Fettsäuren, z. B. über GC-FID, erlaubt eine rationellere und deskriptivere Analyse des Lipidgehaltes. Die vorhergehende vollständige Extraktion polarer und unpolarer Lipide ist hingegen nicht einfach. Folglich steigt das Interesse an Methoden der insitu Umesterung, da sie in einem einzigen Schritt eine Hydrolyse der Lipide einschliesslich sehr komplexer Moleküle durchführen und die auf diese Weise freigesetzten Fettsäuren durch Methylierung verestern (Jenkins 2010). Dies geht im Vergleich mit Methoden, die in zwei Etappen durchgeführt werden, mit weniger strengen Reaktionsbedingungen einher. Zusätzlich werden die Fettsäuren besser geschützt und die Lösungsmittelmenge, die Reagenzien und der benötigte Zeitaufwand wesentlich reduziert (Carrapiso et al. 2000). Die hier vorgestellte Methode GC in-situ (GC-IS) entspricht einer Weiterentwicklung der Methode von Alves et al. (2008, 2009) und von Palmquist et al. (2003).

332

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014

Ziel dieses Artikels ist es, die Ergebnisse der Lipidanalysen von Rohstoffen und Futtermitteln darzustellen und dabei drei verschiedene Methoden miteinander zu vergleichen: eine gravimetrische Methode (Weibull-Berntrop), eine GCFID-Methode in zwei Schritten (Extraktion und anschliessende Veresterung) und eine GC-FID-Methode mit Umesterung in-situ. Die beiden letzteren ermöglichen zusätzlich zur Bestimmung der Lipidzusammensetzung die Bestimmung des Gesamtfettes (FT), wohingegen die erstgenannte Methode ausschliesslich den RL bestimmt. Gemäss der FDA (U.S. Food and Drug Administration) wird das FT in Lebensmitteln durch die Summe aller extrahierten Fettsäuren in Form von Triglyceriden bestimmt (Eller 1999). Das FT ist folglich verwendbar wie RL. Im vorliegenden Artikel wird ausserdem die Validierung der Methode GC in-situ vorgestellt.

Material und Methoden Die Proben Die Vergleichsstudie der Analysemethoden wurde mit einer Serie von 29 Proben durchgeführt (Abb. 2). Dazu gehörten die Rohstoffe Weizen, Gerste, Hafer, Mais, Weizenkeime, Biertreber, Rapskuchen, Sojabohnen und Sonnenblumenkerne, Alleinfutter für Mastschweine, für Ferkel, für Sauen sowie Futtersuppen, Pasta-Abfälle und Alikon (kristallines pflanzliches Fett). Die Genauigkeit der GC-IS-Methode wurde mit einer zertifizierten Referenzprobe bestimmt: BCR® – 163: Beef-Pork Fat Blend (IRMM). Die Unsicherheit wurde mit vier Proben bestimmt, bestehend aus Gerste, zwei Alleinfutter für Schweine und einer Probe aus Fettgewebe vom Schwein.


Zusammensetzung von Fettsäuren in der ­T ierfütterung – Analysemethoden | Nutztiere

Mit Ausnahme des Fettgewebes wurden alle Proben mit einer Brabender Messermühle gemahlen (1 mm). Die Proben mit FT > 15 % wurden mit flüssigem N2 gemahlen. Die Fettgewebeprobe und die Futtersuppen wurden lyophilisiert und anschliessend vermahlen. Der Trockensubstanzgehalt (TS) wurde in allen Proben durch Ofentrocknung bei 105 °C während 2 Std. 40 Min. bestimmt (basierend auf ISO 6496:1999). Die drei angewendeten Methoden Die gravimetrische Methode Gemäss der Weibull-Berntrop-Methode wird die Probe während 1 Std. mit kochender 10 %iger HCl hydrolysiert. Nach einer Spülung mit Wasser bis zu einem neutralen pH-Wert wird die Probe im Mikrowellenofen getrocknet (30 Min., 300 W). Anschliessend wird die Probe in ein­em Soxtec-System mit Petrolether bei 135 °C während 85 Minuten extrahiert. Der Rückstand (RL) wird nach der Evaporation des Lösungsmittels gewogen und in g/ kg TS ausgedrückt. Die GC Methode in 2 Schritten (GC-2E) Extraktionsschritt: 0,5 bis 50 g Probenmaterial werden in einen Messbecher gegeben und 1 ml interner Standard (C13 FAME (Fettsäurenmethylester)) und 60 ml Dichloromethan : Methanol 2 : 1 (v : v) hinzugefügt. Das Ganze wird vermischt und anschliessend während 15 Minuten ruhen gelassen. Die nichtlipiden Bestandteile werden durch die Beigabe von 1 ml MgCl2 (2 % in Wasser) und 20 ml H2O separiert. Sie konzentrieren sich in der wässrigen Phase, welche sich nach Filtration und einer Stunde Ruhen bildet. Die organische Phase, welche die Lipide enthält (untere Schicht), wird aufgefangen und anschliessend bei 40 °C und 600–550 mbar evaporiert. Der feste Rückstand wird quantitativ in Hexan gesammelt und das Lösungsmittel erneut evaporiert. Veresterungsschritt: Bei dieser Etappe werden 2 ml NaOH (0,5 M in Methanol) zum festen Rückstand hinzugefügt. Das Ganze lässt man 30 Minuten ruhen, bevor man es 2 Minuten lang kocht (für eine vollständige Verseifung). Anschliessend werden 3 ml BF3 (10 % in Methanol) hinzugefügt und das Ganze nochmals 4 Minuten lang gekocht. Nach Abkühlung bis auf Umgebungstemperatur werden 7 ml NaCl (1,5 % in H2O) und 3 ml Heptan beigegeben. Nach Vermischung und Zentrifugierung (5 Min. bei 3000 rpm) wird 1 ml (filtriertes Aliquot) der oberen Schicht, welche den Fettsäurenmethylester (FAME) enthält, direkt in den GC injiziert. Das GC-System (HP 5890) ist mit einer Kolonne vom Typ SupelcowaxTM 10 (30 m x 0,32 mm, 0,25 mm) ausgestattet. Die Probe wird mit einem Splitverhältnis von 100 : 1 in einen

N2-Strom (1,15 ml/Min.) injiziert. Die Temperatur des FIDDetektors liegt bei 250 °C. Das thermische Programm des Ofens lautet folgendermassen: 1 Min. bei 170 °C, Erhöhung auf 210 °C bei 2,5°C/Min., anschliessend auf 220 °C mit einer Erhöhung von 0,5 °C/Min., gefolgt von 5 Min. bei 220 °C, erneute Erhöhung auf 250 °C mit 15 °C/ Min. und schlussendlich 6 Min. bei 250 °C. Die in-situ Umesterungsmethode (GC-IS) Umesterung: 250 mg Probenmaterial werden mit 0,25 bis 2 ml internem Standard (C19 FAME), 3 bis 6 ml HCl (5 % in Methanol) und zwischen 0 und 1,75 ml Toluen (Proportionen wurden angepasst und können je nach Probentyp variieren) in ein hermetisch schliessendes Teflonrohr gegeben. Das verschlossene Rohr wird während 3 Std. bei 70 °C belassen. Nachdem Umgebungstemperatur erreicht ist, wird die Mischung mit 5 bis 8 ml K2CO3 (6 % in H2O) neutralisiert. Nach Beigabe von 2 ml Pentan wird die Mischung zentrifugiert (5 Min. bei 2500 rpm) und anschliessend die organische Phase (obere Schicht) in ein Röhrchen umgefüllt, welches 1 g wasserfreies Na2SO4 und 0,2 g Aktivkohle enthält. Nach einer Stunde Ruhen und anschliessendem Zentrifugieren (5 Min. bei 2500 rpm) wird die organische Phase gewonnen und bei 40 °C evaporiert. Aufreinigung mittels SPE: Zum festen Rückstand wird 1 ml Dichlormethan hinzugefügt. 250 bis 500 ml dieser Lösung werden bei 40 °C evaporiert. Der Rückstand wird in 100 ml Dichloromethan gegeben und anschliessend in einer vorkonditionierten SPE-Kartusche platziert (LiChrolut Si (40–63 mm), Merck 1.02024.0001). Die FAME-Mischung wird mit 2,5 ml Dichloromethan eluiert. Die ersten 0,5 ml werden verworfen, da sie Verunreinigungen wie Phytadiene aufweisen könnten (Alves et al. 2009). Die zwei folgenden Milliliter werden aufgefangen und bei 40 °C bis zur Trocknung evaporiert. Der feste Rückstand wird in 1 ml Pentan aufgelöst und in den GC injiziert. Das GC-System (Agilent 6810) ist mit einer polaren Säule des Typs SupelcowaxTM 10 (15 m x 0,1 mm, 0,1 mm) ausgestattet. Die Probe wird mit einem Splitverhältnis von 150 : 1 und einem H2-Strom von 1 ml/ Min. eingespritzt. Die Temperatur des FID-Detektors liegt bei 250 °C. Das thermische Programm des Ofens lautet folgendermassen: 0,2 Min. bei 170 °C, anschliessend Erhöhung auf 210 °C mit 11 °C/Min., danach auf 220 °C mit 2 °C/Min., 2 Min. bei 220 °C, anschliessend Erhöhung auf 230 °C mit 50 °C/Min. und Aufrechterhaltung von 230 °C während 5 Min. Für beide GC-Methoden erfolgt die Quantifizierung jeder FAME mit Hilfe des internen Standards. Die Summe aller identifizierten FAME, erfasst als Triglyceride (durch Division durch 0,956), bildet das Gesamtfett (FT), aus­  gedrückt in g/kg TS.

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014

333


Nutztiere | Zusammensetzung von Fettsäuren in der ­T ierfĂźtterung – Analysemethoden

Tab. 1 | Gehalte (Durchschnitt von 2 Wiederholungen ¹ sd) in FT (Gesamtfett), SFA (gesättigte Fettsäuren), MUFA (einfach ungesättigte Fettsäuren) und PUFA (mehrfach ungesättigte Fettsäuren) gemäss 3 Methoden: GC-IS (GC-FID In-Situ), GC-2E (GC-FID 2 Schritte) und Extraktion Probe

*

GC-IS

FT [g/kg TS]

SFA [g/kg TS]

GC-2E

Extraktion

MUFA [g/kg TS]

PUFA [g/kg TS]

GC-IS

GC-2E

GC-IS

GC-2E

GC-IS

GC-2E 10,2 Âą 0,6

Weizen a

24,0 Âą 0,0

15,9 Âą 1,1

15,9 Âą 1,9

5,9 Âą 0,0

3,2 Âą 0,2

2,9, Âą 0,1

1,8 Âą 0,1

14,1 Âą 0,0

Weizen b

26,1 Âą 0,2

14,2 Âą 0,7

21,9 Âą 1,7

5,6 Âą 0,0

2,6 Âą 0,1

3,4 Âą 0,1

1,8 Âą 0,1

15,9 Âą 0,1

9,2 Âą 0,4

Gerste a

30,9 Âą 1,2

21,4 Âą 0,5

24,5 Âą 0,7

8,3 Âą 0,3

4,6 Âą 0,1

4,7 Âą 0,1

3,2 Âą 0,1

15,2 Âą 0,7

12,6 Âą 0,3

Gerste b

37,5 Âą 1,2

18,4 Âą 0,5

23,6 Âą 2,0

8,7 Âą 0,1

4,0 Âą 0,1

6,0 Âą 0,2

2,9 Âą 0,1

21,2 Âą 0,9

10,8 Âą 0,3

Hafer a

43,1 Âą 1,1

35,6 Âą 0,4

43,1 Âą 0,2

11,3 Âą 0,1

7,1 Âą 0,0

15,4 Âą 0,5

12,4 Âą 0,2

14,3 Âą 0,5

14,6 Âą 0,2

Hafer b

47,3 Âą 2,1

42,0 Âą 0,5

45,5 Âą 2,5

11,8 Âą 0,4

8,2 Âą 0,1

17,9 Âą 0,7

15,7 Âą 0,2

15,1 Âą 0,9

16,2 Âą 0,3

Mais a

59,4 Âą 2,2

43,8 Âą 0,3

50,1 Âą 1,9

8,6 Âą 0,2

5,8 Âą 0,0

14,0 Âą 0,5

10,6 Âą 0,1

34,1 Âą 1,3

25,5 Âą 0,2

Mais b

70,1 Âą 3,0

55,2 Âą 0,1

51,0 Âą 0,9

9,5 Âą 0,2

6,9 Âą 0,0

19,8 Âą 0,9

16,0 Âą 0,0

37,7 Âą 1,8

29,9 Âą 0,1

Pasta a

36,0 Âą 1,5

17,2 Âą 1,0

29,6 Âą 0,0

9,7 Âą 0,3

4,6 Âą 0,3

9,6 Âą 0,4

5,2 Âą 0,3

15,0 Âą 0,7

6,6 Âą 0,4

Pasta b

38,3 Âą 0,4

16,5 Âą 0,6

30,8 Âą 0,4

10,0 Âą 0,1

4,2 Âą 0,2

9,8 Âą 0,1

4,9 Âą 0,2

16,0 Âą 0,2

6,6 Âą 0,2

Futtersuppe a

42,2 Âą 0,3

26,8 Âą 0,2

34,4 Âą 0,6

16,2 Âą 0,1

10,9 Âą 0,2

12,8 Âą 0,2

8,2 Âą 0,1

10,8 Âą 0,1

6,6 Âą 0,0

Futtersuppe b

268,0 Âą 4,1

172,8 Âą 0,0

273,0 Âą 13,3

110,7 Âą 1,7

74,2 Âą 0,1

89,3 Âą 1,2

57,3 Âą 0,0

51,1 Âą 0,7

33,6 Âą 0,1 13,8 Âą 0,3

Schweinemastfutter

24,6 Âą 1,1

24,9 Âą 0,1

29,0 Âą 0,1

6,3 Âą 0,2

5,3 Âą 0,1

4,4 Âą 0,2

4,7 Âą 0,1

12,8 Âą 0,7

Ferkelfutter a

62,6 Âą 2,5

46,4 Âą 0,5

57,9 Âą 0,2

18,1 Âą 0,7

12,5 Âą 0,1

19,4 Âą 0,9

14,5 Âą 0,2

21,7 Âą 0,8

17,3 Âą 0,2

Ferkelfutter b

65,5 Âą 0,4

46,5 Âą 0,3

59,1 Âą 2,9

23,9 Âą 0,5

17,3 Âą 0,1

20,6 Âą 0,1

15,2 Âą 0,1

17,1 Âą 0,1

12,0 Âą 0,0

Sauenfutter a

75,9 Âą 1,1

55,5 Âą 0,9

61,2 Âą 2,2

23,3 Âą 0,5

17,8 Âą 0,3

26,0 Âą 0,4

19,1 Âą 0,3

22,2 Âą 0,3

16,1 Âą 0,2

Sauenfutter b

77,5 Âą 0,8

64,8 Âą 0,4

66,1 Âą 2,2

24,6 Âą 0,1

21,2 Âą 0,2

23,2 Âą 0,2

19,6 Âą 0,1

25,2 Âą 0,3

21,2 Âą 0,1

Weizenkeime a

76,0 Âą 4,6

64,0 Âą 0,0

67,4 Âą 4,2

15,4 Âą 0,7

13,3 Âą 0,0

11,4 Âą 0,8

9,8 Âą 0,0

44,9 Âą 3,3

38,1 Âą 0,0

Weizenkeime b

78,6 Âą 0,7

64,6 Âą 0,0

n.b.

15,8 Âą 0,1

13,2 Âą 0,0

12,4 Âą 0,1

10,4 Âą 0,0

46,6 Âą 0,5,

38,1 Âą 0,0

Treber a

108,9 Âą 0,7

86,1 Âą 0,3

101,6 Âą 0,7

31,3 Âą 0,1

23,1 Âą 0,1

14,4 Âą 0,1

9,8 Âą 0,2

57,9 Âą 0,5

49,3 Âą 0,3

Treber b

109,1 Âą 0,1

86,5 Âą 1,3

90,7 Âą 2,2

30,1 Âą 0,1

23,1 Âą 0,3

14,0 Âą 0,0

10,1 Âą 0,3

58,8 Âą 0,2

49,5 Âą 0,7

Rapskuchen a

112,6 Âą 3,5

109,0 Âą 0,1

105,9 Âą 1,8

15,7 Âą 0,7

15,8 Âą 0,1

61,2 Âą 1,7

58,5 Âą 0,1

30,2 Âą 1,0

29,8 Âą 0,0

Rapskuchen b

106,8 Âą 3,5

102,0 Âą 0,5

92,9 Âą 1,5

10,8 Âą 0,7

9,9 Âą 0,0

59,7 Âą 1,7

57,3 Âą 0,3

30,9 Âą 1,0

30,3 Âą 0,1

Sojabohnen a

248,7 Âą 5,4

250,8 Âą 2,0

216,4 Âą 1,6

38,1 Âą 0,4

39,4 Âą 0,0

56,1 Âą 1,2

56,3 Âą 0,0

142,9 Âą 3,7

144,0 Âą 1,9

Sojabohnen b

272,9 Âą 0,4

258,7 Âą 1,2

213,8 Âą 1,6

43,0 Âą 0,0

41,2 Âą 0,3

63,2 Âą 0,6

59,0 Âą 0,2

154,4 Âą 0,3

147,0 Âą 0,7

Sonnenblume a

374,8 Âą 10,0

357,5 Âą 4,7

351,7 Âą 24,1

40,2 Âą 1,2

38,0 Âą 0,5

90,6 Âą 1,8

84,5 Âą 0,8

225,7 Âą 6,2

219,1 Âą 3,1

Sonnenblume b

517,7 Âą 0,1

511,3 Âą 1,1

486,3 Âą 27,0

55,6 Âą 0,4

54,1 Âą 0,2

103,7 Âą 0,2

103,3 Âą 0,5

333,5 Âą 0,3

331,2 Âą 0,8

Alikon a

998,1 Âą 1,5

1031 Âą 4,6

935,9 Âą 7,4

947,7 Âą 1,1

979,7 Âą 4,0

4,7 Âą 0,2

4,4 Âą 0,3

1,1 Âą 0,0

1,4 Âą 0,1

Alikon b

1010,1 Âą 10,9

1011,6 Âą 3,7

n.b.

959,5 Âą 10,1

961,0 Âą 3,2

4,5 Âą 0,3

4,0 Âą 0,1

1,1 Âą 0,1

1,6 Âą 0,2

*FT: FĂźr Extraktion entspricht dies RL. n.b.: nicht bestimmt.

Die analytische Charakterisierung der GC-IS-Methode Die Genauigkeit dieser Methode wurde ßber einen Vergleich mit einer zertifizierten Probe bestimmt unter Verwendung der kombinierten Unsicherheit des zertifizierten Werts und des Messwerts (fßr 95 % Konfidenzintervall des zweiseitigen Student-t-Tests).

đ?‘˘đ??şđ??śâˆ’đ??źđ?‘† ist die Unsicherheit der GC-IS-Methode, đ?‘˘đ??ľđ??śđ?‘…163 ist die der zertifizierten Probe und đ?‘˘âˆ† die kombinierte sd ist die Standardabweichung Un­sicherheit und n die Anzahl Messungen).

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Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014

U∆ = k u∆ k ist der Erweiterungsfaktor (Faktor t des zweiseitigen Student-Tests fĂźr 95 % Konfidenzintervall) und U∆ die kombinierte erweiterte Unsicherheit. FĂźr die Bestimmung der Unsicherheit wurden zehn Replikate von vier verschiedenen Proben während zwei Monaten von verschiedenen Laboranten, jedoch im ­gleichen Labor, analysiert. Die erweiterte Unsicherheit U wurde in % des Mittelwerts berechnet fĂźr 95 % Konfidenzintervall des zweiseitigen Student-t-Tests, mit đ?‘˘= da die Routineanalyse mit zwei Wiederholungen durchgefĂźhrt wurde.


Zusammensetzung von Fettsäuren in der ­T ierfütterung – Analysemethoden | Nutztiere

10%

20%

0% SFA (GC-2E - GC-IS)

Unterschiede im FT

10% 0% -10% -20% -30% -40%

-20% -30% -40% -50%

-50% -60%

-10%

0

50

100

150 FT [g/kg MS]

200

250

-60%

300

-10% -20% -30% -40% -50% -60%

50

100

150 FT [g/kg MS]

200

250

300

0

50

100

150

200

250

300

10%

0% PUFA (GC-2 E - GC-IS)

MUFA (GC-2E - GC-IS)

10%

0

0

50

100

150

200

FT [g/kg MS]

-20% -30% -40% -50% -60%

300

250

0% -10%

GC-2E - GC-IS

Ext. - GC-IS

FT [g/kg MS]

Abb. 3 | Unterschiede zwischen GC-2E und GC-IS sowie zwischen Extraktion und GC-IS für FT (in % bezogen auf FT g ­ emäss GC-IS) versus FT gemäss GC-IS.

Resultate und Diskussion Lipidgehalt gemäss drei Analysenmethoden Tabelle 1 zeigt die Lipidgehalte in 29 unterschiedlichen Proben, welche jeweils mit drei verschiedenen Analysenmethoden bestimmt wurden. Jedes Ergebnis ist der Mittelwert aus zwei unabhängigen Bestimmungen. Bei den in dieser Studie verwendeten Proben sind im Allgemeinen die mit der GC-IS-Methode bestimmten Gesamtfettgehalte höher als bei den beiden anderen Methoden, wohingegen die GC-2E-Methode häufig zu den tiefsten Werten führt. Die deutlichsten Unterschiede im Gesamtfettgehalt zwischen GC-2E und GC-IS lassen sich bei Getreide (FT von 24 bis 47 g/kg TS in der Abbildung 3) und Getreideprodukten beobachten mit Unterschieden in Höhe von 30 bis 50 % bei Weizen und Gerste, 10 bis 26 % bei Hafer, Mais, Weizenkeimen und Biertreber. Im Gegensatz zu anderen Getreiden wurden die PUFA im

Hafer durch die beiden Methoden korrekt bestimmt (Tab. 2). Die Fraktion der neutralen/polaren Lipide liegt bei Hafer in der Grössenordnung von 80 bis 90 % mit > 94 % in Form von Triglyceriden (Banas et al. 2007), wohingegen diese Fraktion bei den übrigen Getreide schwächer ausfällt (75 % bei Gerste gemäss Newman et al. 2008). Diese Besonderheit lässt sich auch bei Anwendung der Extraktionsmethode beobachten. Bei den Futtermitteln kann diese Differenz vernachlässigbar sein (1,2 %) oder im Bereich von 16 bis 29 % liegen. Bei Mischfuttermitteln ist dies von deren Zusammensetzung abhängig. Zudem erleichtert das Vorhandensein von Neutrallipiden deren Extraktion. Schlussendlich weisen die untersuchten Proben mit einem FT > 110 g/kg TS wie Rapskuchen, Sojabohnen, Sonnenblumenkerne und Alikon nur sehr geringe Differenzen von 0 bis 5 % auf, da Alikon wie auch Fettgewebe hauptsächlich aus Triglyceriden besteht  (Doreau et al. 1991, Murphy et al. 1998).

Tab. 2 | Mit den Methoden GC-IS und GC-2E in Getreide bestimmte Fettsäuren Weizen a

Weizen b

Gerste a

Gerste b

Hafer a

Hafer b

[g/kg TS]

GC-SI

GC-2E

GC-SI

GC-2E

GC-SI

GC-2E

GC-SI

GC-2E

GC-SI

GC-2E

GC-SI

GC-2E

C16 : 1 t3

5,3

2,4

5,6

2,9

7,6

4,1

8,1

3,6

10,2

6,2

10,7

7,2

C18 : 1 c9

2,9

1,7

2,5

1,7

4,1

3,0

5,4

2,7

14,2

11,4

16,7

14,8

C18 : 2 c9c12

14,8

8,5

13,2

9,4

15,2

11,4

19,8

9,9

13,9

13,9

14,6

15,5

C18 : 3 c9c12c15

1,0

0,7

0,9

0,7

1,2

1,1

1,4

0,8

0,4

0,6

0,4

0,6

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014

335


Nutztiere | Zusammensetzung von Fettsäuren in der ­T ierfütterung – Analysemethoden

Tab. 3 | Genauigkeitsbestimmung der GC-IS Methode durch Vergleich zwischen den Unterschieden der Mittelwerte, Δ m , und der kombinierten erweiterten Unsicherheit, UΔ (in Absolutwerten) BCR® - 163: Beef – Pork Fat Blend

BCR163

GC-IS

%

C14

C16

C16 : 1

C18

C18 : 1

C18 : 2

C18 : 3

MRC

2,29

25,96

2,58

18,29

38,3

7,05

0,86

U

0,04

0,3

0,16

0,17

0,4

0,17

0,14

n

11

11

11

11

12

11

10

Durchschnitt

2,22

26,23

2,55

18,18

39,51

8

0,76

U

0,08

0,54

0,06

0,16

0,48

0,11

0,02

n

28

28

28

28

28

28

28

∆m

0,07

0,27

0,03

0,11

1,21

0,95

0,1

0,08

0,59

0,16

0,22

0,59

0,19

0,12

U∆

BCR163: Zertifizierte Referenzprobe: BCR® – 163: Beef-Pork Fat Blend (IRMM). MRC: Zertifizierter Wert. U: erweiterte Unsicherheit für 95 % Vertrauensintervall des zweiseitigen Student-t-Tests. n: Anzahl der Replikate.

Tab. 4 | Unsicherheit (in % des Durchschnitts) der GC-IS-Methode, berechnet für 95 % Vertrauensintervall des zweiseitigen Student-t-Tests

Gerste Futter a Futter b Fettgewebe

[g/kg TS]

n

SFA

MUFA

PUFA

FT

Mittelwert

20

6,9

4,5

18,9

31,7

7,30 %

11,70 %

11,20 %

10,10 %

10,3

6,6

16

34,5

6,30 %

8,50 %

9,40 %

7,70 %

12,4

26,3

31,9

74,3

3,50 %

6,90 %

7,70 %

6,40 %

U Mittelwert

20

U Mittelwert

20

U Mittelwert

16

U

348,5

440,8

139,5

973,1

1,70 %

3,80 %

3,80 %

2,70 %

Der mittels Extraktionsmethode bestimmte Gesamtfettgehalt wird in Ölsaatenproben wahrscheinlich aufgrund einer unvollständigen Extraktion generell unterschätzt (6 bis 22 %). Auch in Getreide wird das FT unterschätzt mit Ausnahme von Hafer (0 bis 4  %) unterschätzt (16 bis 37 %). In Alleinfuttermitteln kann die Extraktionsmethode hingegen zu unter- oder überschätzten Werten führen. Genauigkeit und Unsicherheit der GC-IS-Methode Die GC-IS Bestimmungen korrelieren gut mit den zertifizierten Werten des BCR-163 (Tab. 3). Einzig bei Ölsäure und bei Linolsäure, C18 : 1 und C18 : 2, überschreitet die Differenz der Mittelwerte die kombinierte erweiterte Unsicherheit (∆m > U∆). In diesen Fällen ist jedoch der GCIS-Wert grösser als der zertifizierte Wert, was darauf hindeutet, dass die GC-IS-Methode vollständiger ist. Wie in Tabelle 4 ersichtlich, weisen die in den vier Proben für FT, SFA, MUFA und PUFA berechneten Unsicherheiten Werte von unter 12 % auf.

336

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014

Schlussfolgerungen Bestimmt man das Gesamtfett sowie die Zusammensetzung der Lipide in verschiedenen Rohstoffen und Futtermitteln mit der GC-IS-Methode, so erweist sich diese als genauer als die GC-2E-Methode oder die Extraktion (nur RL), was bei der Optimierung von Schweinefuttermitteln einen offensichtlichen Vorteil darstellt. Aber auch die beiden letztgenannten Methoden können in gewissen Fällen zu korrekten Ergebnissen führen (Proben, die hauptsächlich aus Triglyceriden bestehen). Es ist von Vorteil, die RL-Analyse mit der GC-IS durch die FT-Analyse zu ersetzen. n


Composizione di acidi grassi negli alimenti per animali – metodi di analisi Il presente articolo illustra l’importanza del metodo analitico nella determina­ zione della composizione di acidi grassi negli alimenti per animali. In partico­ lare nell’alimentazione dei suini in cui, in Svizzera, sono necessari per formu­ lare una razione adatta a fornire una qualità ottimale di grasso nella carcassa del suino non solo il tenore in grasso ma anche il profilo di acidi grassi. Lo studio mostra che il metodo GC (cromatografia in fase gassosa) mediante transesterificazione in situ è più preciso e completo rispetto al metodo GC in due fasi (mediante estrazione dei corpi grassi, poi esterifi­ cazione) e al metodo empirico, mediante gravimetria, che consiste nell’estrazione dei composti solubili in un solvente dato.

Literatur ▪▪ Alves S. P. Cabrita A. R. J. Fonseca A. J. M. & Bessa R. J. B., 2008. Improved method for fatty acid analysis in herbage based on direct transesterification followed by solid-phase extraction. J. of Chromatography A 1209, 212–219. ▪▪ Alves S. P. Cabrita A. R. J. Fonseca A. J. M. & Bessa R. J. B., 2009. Effect of a Purification Step and the Type of Internal Standard Used on Fatty Acid Determination of Grass and Maize Silages. J. Agric. Food Chem. 57, 10793–10797. ▪▪ Banaś A., Dębski H., Banaś W., Heneen W. K., Dahlqvist A., Bafor M,. Gummeson P.-O., Marttila S., Ekman Ǻ., Carlsson A. S. & Stymne S., 2007. Lipids in grain tissues of oat (Avena sativa): differences in content, time of deposition, and fatty acid composition. J. of Experimental Botany 58 (10), 2463–2470. ▪▪ Carrapiso A. I. & García C., 2000. Development in Lipid Analysis: Some New Extraction Techniques and in situ Transesterification. Lipids 35 (11), 1167–1177. ▪▪ Christen P., 2014. Neue Bewertung der Fettqualität bei Schweinen. Zugang: http://www.schweizerfleisch.ch/fileadmin/dokumente/downloads/ Medienmitteilung/2014/20140305/Faktenblatt_d_20140224.pdf. ▪▪ Christie W. W., 1993. Preparation of ester derivatives of fatty acids for chromatographic analysis. In: Advances in Lipid Methodology – Two (Ed. W. W. Christie). The Oily Press LTD. Vol 4, 69–112.

Summary

Riassunto

Zusammensetzung von Fettsäuren in der ­T ierfütterung – Analysemethoden | Nutztiere

Determination of fatty acid compo­ sition in feed – analytical methods This paper illustrates the importance of the analytical method for the determi­ nation of fatty acid composition in feed. In Switzerland, not only the lipid content but also the fatty acids profile are necessary to formulate a ration that will produce an optimum quality of fat in the pig carcass. Results of this study showed that the fatty acid profile obtained by gas chromatogra­ phy (GC) with in situ transesterification was more accurate and complete than that obtained by a GC method in two steps (fat extraction followed by esterification) or by a gravimetric empirical method which employed the extraction of soluble compounds in a given solvent. Key words: FAME, fatty acid composi­ tion, GC-FID trans-esterification, total fat content.

▪▪ Doreau M. Chilliard Y. Bauchart D. & Michalet-Doreau B., 1991. Influence of different fat supplements on digestibility and ruminal digestion in cows. Ann. Zootech. 40, 19–30. ▪▪ Eller F. J., 1999. Interference by methyl levulinate in determination of ­t otal fat in low-fat, high sugar products by gas chromatographic fatty acid methyl ester (GC-FAME) analysis. J. Assoc. of Anal. Chem. Int. 82, 766–769. ▪▪ Hammond E. W., 2001. Lipid analysis –a 20th century success?. J. Science & Food Agriculture 82, 5–11. ▪▪ Jenkins T. C., 2010. Technical note: Common analytical errors yielding ­i naccurate results during analysis of fatty acids in feed and digesta samples. J. Dairy Sciences 93, 1170–1174. ▪▪ Murphy D. J. & Vance J., 1999. Mechanisms of lipid-body formation. Trends in Biochemical Sciences (TiBS) 24 – March), 109–115. ▪▪ Newman R. K. & Newman C. W., 2008. Lipids. In: Barley for Food and Health (Ed. J. Wiley & Sons) Technology & Engineering, 72–74. ▪▪ Palmquist D. L. & Jenkins T. C., 2003. Challenges with fats and fatty acid methods. J. of Animal Science 81, 3250–3254.

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014

337


G e s e l l s c h a f t

Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft Franziska Götze und Ali Ferjani Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Ettenhausen, Schweiz Auskünfte: Franziska Götze, E-Mail: franziska.goetze@agroscope.admin.ch

Abb. 1 | Eine grosse Vielfalt an Bio-Produkten findet sich heute nicht nur im Gemüsemarkt, sondern erstreckt sich über die meisten Lebensmittelgruppen. (Foto: Bio Suisse)

Einleitung Der Markt für Bio-Lebensmittel ist dynamisch und verändert sich ständig. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln ist die Sortimentbreite und -tiefe im Bio-Markt in den letzten Jahren stetig gewachsen (Abb. 1). Die Umsatzentwicklung bestätigt diesen Wachstumstrend (Bio Suisse 2014). Aktuelle Erkenntnisse zum Verbraucherverhalten sind einerseits nützlich, da sie Aufschluss über die Kaufentscheidungen der Konsumentinnen und Konsumenten geben können. Das Verständnis der Käuferinnen und Käufer und ihrer Bestimmungsgründe, Bio-Lebensmittel zu kaufen, ist andererseits auch die Grundvoraussetzung dafür, die (Schweizer) Agrarpolitik passend und zielführend zu gestalten.

338

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014

Ziel dieser Analyse ist es, die Faktoren, die beim Kauf von Bio-Lebensmitteln eine Rolle spielen, zu identifizieren und ihren Einfluss zu messen. Um die Frage zu beantworten, welche Faktoren beim Kauf von Bio-Lebensmitteln von Bedeutung sind, wurde erstmals seit 2001 ein Datensatz der Schweizer Haushaltsbudgeterhebung (HABE) hinsichtlich des Konsums von Bio-Lebensmitteln analysiert.

Material und Methoden Datengrundlage Das Bundesamt für Statistik (BFS) erhebt seit Beginn der 1990er Jahre Daten zum Einkommen und Konsum sowie zu den soziodemographischen Charakteristika von Schweizer Privathaushalten. Seit 2000 wird diese


Erhebung monatlich durchgeführt. Für die Befragung werden die Haushalte per Zufallsverfahren ausgewählt. Etwa 3000 Haushalte pro Jahr nehmen teil. Dabei wird darauf geachtet, dass die Struktur der Haushalte im Datensatz die ständige Schweizer Wohnbevölkerung repräsentativ widerspiegelt. Die teilnehmenden Haushalte dokumentieren während des Befragungszeitraums ihre Ausgaben und ihr Einkommen. Die Teilnahme der Haushalte an der Befragung beschränkt sich jedoch auf einen Monat, sodass es sich hierbei nicht um eine Panelerhebung, sondern um eine wiederholte Querschnittsbefragung (repeated cross-section) handelt. Beschreibung der Stichprobe Die Haushaltsbudgeterhebung wurde im Jahr 2006 inhaltlich revidiert, daher wurde für diese Analyse eine Stichprobe für den Sechsjahreszeitraum von 2006 bis 2011 verwendet. Die Stichprobe umfasst insgesamt 19 653 in der Schweiz wohnhafte Privathaushalte, die sich zu etwa gleichen Teilen auf die sechs Jahre verteilen. Die Stichprobe beinhaltet zum einen soziodemographische Variablen, die die Haushalte charakterisieren. Dazu gehören die Sprach- und Grossregionen sowie die Kantone, in denen sich die Haushalte befinden. Des Weiteren sind das Einkommen, die Haushaltsstruktur (Anzahl der Personen, Anzahl und Alter der Kinder, Angaben zur Person, die am meisten zum Haushaltseinkommen beiträgt [= Referenzperson] usw.) und die Ausstattung mit Konsumgütern (z. B. Autos und Fernseher) dokumentiert. In dieser Analyse wird jedoch nur ein Teil der Variablen der HABE verwendet, der für die Fragestellung relevant ist. Zum anderen sind die Konsummengen und Konsumausgaben der Haushalte ausgewiesen. Dazu gehören neben den Nahrungsmitteln und Getränken auch alle sonstigen Ausgaben der Haushalte (z. B. für Wohnen, Energie und Kleidung). Nahrungsmittel und Getränke werden nach «bio» und «konventionell» unterschieden. Die Nahrungsmittel werden dabei in neun Gruppen eingeteilt, die wiederum in einzelne Produkte differenziert sind (Abb. 2). Bio-Lebensmittel gewinnen Marktanteile Die Auswertung des HABE-Datensatzes zeigt eine positive Entwicklung der Marktanteile von Bio-Lebensmitteln für die meisten Produktkategorien (Abb. 2). Hatten die Bio-Lebensmittel 2006 noch einen Ausgabenanteil von unter 7 %, so stieg dieser Anteil bis 2011 um mehr als einen Prozentpunkt. Gemessen an den Ausgabenanteilen war sowohl 2006 als auch 2011 Gemüse das beliebteste Bio-Produkt, gefolgt von Milchprodukten und Eiern sowie Früchten. All diese Produktgruppen konnten im Zeitverlauf Marktanteile gewinnen. Aller-

Zusammenfassung

Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft | Gesellschaft

Der Markt für Bio-Lebensmittel hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Bisher ist jedoch wenig darüber bekannt, welche Faktoren beim Kauf von Bio-Lebens­ mitteln eine Rolle spielen. Im Rahmen dieser Analyse wurden Daten von Schweizer Haushalten hinsichtlich des Bio-Konsums deskriptiv und ökonometrisch analysiert. Die Auswertung der Haushaltsdaten bestä­ tigt den Wachstumstrend für Bio-Lebensmit­ tel insgesamt, aber auch für die betrachteten neun Produktgruppen (Brot und Getreide­ produkte; Fleisch; Fisch; Milchprodukte und Eier; Speisefette und -öle; Früchte; Gemüse; Zucker und Süsswaren; Gewürze und Saucen). Die beliebtesten Bio-Produkte sind Gemüse, Milchprodukte und Eier sowie Früchte. Dabei wächst der Konsum von Bio-Gemüse am stärksten. Die ökonometrische Analyse zeigt, dass die soziodemographische Struktur der Haushalte die Entscheidung, Bio-Lebensmittel zu kaufen, beeinflusst. Mit steigendem Einkom­ men steigt auch die Kaufwahrscheinlichkeit der Haushalte. Auch das Alter der Referenz­ person des Haushalts und das Vorhandensein von Kindern spielen eine Rolle. Haushalte ohne Kinder kaufen eher Bio-Lebensmittel als Haushalte mit Kindern.

dings lässt diese Rangfolge keine Rückschlüsse auf die durchschnittlichen Ausgaben pro Haushalt und Monat für das entsprechende Bio-Produkt zu. Am meisten gaben die Haushalte für Bio-Milchprodukte und Bio-Eier aus (24,33 Fr. pro Haushalt und Monat), danach folgten Bio-Gemüse (23,39 Fr.) und Bio-Früchte (17,31 Fr.). Bemerkenswert ist, dass diejenigen Haushalte, die Bio-Milchprodukte und Bio-Eier kauften, im Durchschnitt auch mehr für die konventionelle Produktvariante ausgaben (91,11 Fr. pro Monat) als Haushalte, die keine BioMilchprodukte kauften (87,96 Fr. pro Monat). Für BioGemüse und Bio-Früchte trifft ebenfalls zu, dass die Haushalte, die das Bio-Produkt konsumierten, im Durchschnitt mehr für das konventionelle Produkt ausgaben. Die kleinste Veränderung des Marktanteils erzielte Bio-Fleisch. Hier stieg der Anteil nur geringfügig an (um weniger als einen Prozentpunkt), allerdings sind in dieser Produktgruppe die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für das konventionelle Produkt höher als in  allen anderen Produktgruppen.

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014

339


Gesellschaft | Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft

Quelle: Haushaltsbudgeterhebung (HABE), Bundesamt fĂźr Statistik, Neuenburg

14%

12%

10%

8%

6%

4%

0% 2006 2007 2008 2009 2010 2011

2006 2007 2008 2009 2010 2011

2%

Nahrungsmittel gesamt

Brot, Getreideprodukte

Fleisch

Fisch

Milch, Käse, Eier

Speisefette, -Ăśle

FrĂźchte

GemĂźse

6,54% 6,75% 7,01% 7,39% 7,50% 8,02%

6,45% 7,19% 6,75% 6,79% 7,15% 7,61%

4,57% 4,60% 4,82% 4,99% 4,60% 4,91%

4,29% 4,37% 5,09% 6,43% 7,33% 6,33%

9,02% 10,55% 9,26% 9,96% 10,11% 11,22%

8,30% 9,33% 8,38% 9,39% 9,77% 9,56%

8,52% 9,52% 8,96% 9,68% 9,91% 10,61%

9,26% 11,13% 11,12% 11,74% 11,63% 13,57%

Zucker, KonfitĂźren, Honig, SĂźsswaren etc. 2,68% 3,03% 2,61% 2,81% 2,68% 3,07%

Saucen, Salz, GewĂźrze, Suppen etc. 4,67% 4,85% 4,78% 5,13% 5,76% 5,17%

Abb. 2 | Entwicklung der Marktanteile verschiedener Kategorien von Bio-Lebensmitteln im Datensatz der Haushaltsbudgeterhebung (HABE 2006– 2011), gemessen an den Gesamtausgaben (bio und konventionell). (Quelle: Haushaltsbudgeterhebung (HABE), Bundesamt fßr Statistik, Neuenburg)

Methodisches Vorgehen Zur Bestimmung der Faktoren, die relevant fĂźr die Kaufentscheidung bei Bio-Lebensmitteln sind, wurde ein binomiales gemischtes Logit-Modell verwendet. Dieses Modell berĂźcksichtigt neben fixen Effekten (Fixed Effects), die den Regressionskoeffizienten entsprechen, auch zufällige Effekte (Random Effects). FĂźr die Schätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit der abhängigen Variablen wurden die Haushalte zunächst in Käufer und Nichtkäufer von Bio-Lebensmitteln unterschieden. Die abhängige Variable đ?‘Śđ?‘– nimmt den Wert 1 an, wenn der Haushalt mindestens ein Bio-Lebensmittel im Beobachtungsmonat gekauft hat, andernfalls ist sie gleich 0. Die Kaufwahrscheinlichkeit wurde daraufhin mit folgendem Modell geschätzt:

Der Index đ?‘– bezieht sich auf die Anzahl der betrachteten Haushalte (19 653). Dies bedeutet, dass fĂźr jeden Haushalt die Wahrscheinlichkeit geschätzt wird, dass dieser in Abhängigkeit von den fixen Effekten đ?‘Ľđ?‘˜đ?‘– und zufälligen Effekten đ?‘˘đ?‘– Bio-Lebensmittel kauft (đ?‘Śđ?‘– = 1). Der Index đ?‘˜ = 1, ‌, đ??ž bezeichnet die in der Analyse berĂźcksichtigten unabhängigen Variablen. đ?œ–đ?‘– ist der Fehlerterm des Modells. Die Ergebnisse kĂśnnen als Koeffizienten (đ?›˝đ?‘–) oder Odds Ratios ausgegeben werden. Die Ausgabe der Resultate als Koeffizienten oder Odds Ratios hat dabei jedoch

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Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014

keinen Einfluss auf die Methodik. Odds Ratios sind Wahrscheinlichkeitsverhältnisse und zeigen, inwiefern eine erklärende Variable die Erfolgswahrscheinlichkeit (đ?‘Śđ?‘– = 1) der zu erklärenden (abhängigen) Variablen beeinflusst (positiv wie negativ). Sie sind wie folgt definiert:

In dieser Analyse ergibt sich die Odds Ratio (Erfolgswahrscheinlichkeit) fĂźr die abhängige Variable als Quotient der Wahrscheinlichkeit (Pr), dass ein Haushalt Bio-Lebensmittel kauft (đ?‘Śđ?‘– = 1), und der Gegenwahrscheinlichkeit (Ausgaben fĂźr Bio-Lebensmittel = 0). Odds Ratios bieten im Vergleich zur Ausgabe von Regressionskoeffizienten den Vorteil, dass sie leichter zu interpretieren sind. Sie kĂśnnen einen Wert ≼ 0 annehmen. Ist die Odds Ratio gleich 1, so beeinflusst die unabhängige Variable die abhängige nicht – weder positiv noch negativ. In diesem Fall wĂźrde die betrachtete unabhängige Variable die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt Bio-Lebensmittel kauft, weder erhĂśhen noch senken. Ist sie kleiner als 1, so sinkt die Kaufwahrscheinlichkeit von Bio-Lebensmitteln, wenn die erklärende Variable auf den Haushalt zutrifft. Beispielsweise wĂźrde die Wahrscheinlichkeit, Bio-Lebensmittel zu kaufen, bei einer Odds Ratio von 0,5 um 50 % sinken, wenn die betrachtete unabhängige Variable auf den Haushalt zutrifft. Nimmt die Odds Ratio einen Wert grĂśsser als 1 an, so steigt die Kaufwahr-


Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft | Gesellschaft

Tab. 1 | Schätzwerte der Odds Ratios der binomialen gemischten Logit-Regression für den Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Entscheidung der Haushalte, Bio-Lebensmittel zu kaufen

Unabhängige Variablen:

Odds Ratio (Wahrscheinlichkeitsverhältnis)

P>|z|

Jahr 2007 (ja = 1, andernfalls = 0)

1,060

Jahr 2008 (ja = 1, andernfalls = 0)

1,008

Jahr 2009 (ja = 1, andernfalls = 0)

1,036

Jahr 2010 (ja = 1, andernfalls = 0)

1,174

**

das Geschlecht der Referenzperson des Haushalts und eine Dummyvariable für das Vorhandensein von Kindern im Haushalt in die Analyse einbezogen. Eine genaue Auflistung der erklärenden Variablen ist in der Ergebnistabelle (Tab. 1) zu finden.

Resultate und Diskussion

Jahr 2011 (ja = 1, andernfalls = 0)

1,238

***

Einkommensklasse1 II (4827 – 7024 Fr.) (ja = 1, andernfalls = 0)

1,168

**

Einkommensklasse III (7025 – 9494 Fr.) (ja = 1, andernfalls = 0)

1,278

***

Einkommensklasse IV (9495 – 12 923 Fr.) (ja = 1, andernfalls = 0)

1,452

***

Einkommensklasse V (≥ 12 924 Fr.) (ja = 1, andernfalls = 0)

1,673

***

Sprachregion I (deutsch/rätoromanisch) (ja = 1, anderfalls = 0)

1,495

***

Sprachregion II (französisch) (ja = 1, anderfalls = 0)

0,730

***

Frau als Referenzperson2 (ja = 1, anderfalls = 0)

1,585

***

Kind/er im Haushalt (ja = 1, andernfalls = 0)

0,843

***

Altersklasse II (35 – 44 Jahre) (ja = 1, andernfalls = 0)

0,926

Altersklasse III (45 – 54 Jahre) (ja = 1, andernfalls = 0)

0,852

Altersklasse IV (55 – 64 Jahre) (ja = 1, andernfalls = 0)

0,934

Altersklasse V (65 – 74 Jahre) (ja = 1, andernfalls = 0)

1,138

*

Altersklasse VI (75 Jahre und älter) (ja = 1, andernfalls = 0)

1,246

**

Gesamtausgaben Nahrungsmittel (bio & konv.) in Fr.

1,001

***

Konsumausgaben gesamt in Fr.

1,000

***

**

Signifikanz (P>|z|): * < 0,05 (signifikant); ** < 0,01 (hoch signifikant); *** < 0,001 (höchst signifikant) 1 Das Bruttoeinkommen der Haushalte wurde in 5 Fünftel aufgeteilt (Durchschnittswerte über alle Jahre). 2 Die Referenzperson ist diejenige Person im Haushalt, die am meisten zum Haushaltseinkommen beiträgt. Bestimmtheitsmass R 2 = 0,0896 Referenzvariablen: Jahr 2006, Einkommensklasse I (1. Fünftel < 4827 Fr.), Haushalt in italienischsprachiger R ­ egion in der Schweiz, Mann als Referenzperson, kein Kind im Haushalt, Altersklasse I (bis 34 Jahre)

scheinlichkeit (eine Odds Ratio von 2,5 bedeutet z. B. eine Steigerung der Kaufwahrscheinlichkeit um 150 %). Als erklärende Einflussgrösse wurde zum einen das Jahr berücksichtigt, in dem der betreffende Haushalt an der Haushaltsbudgeterhebung teilgenommen hat. Zum anderen wurden soziodemographische Merkmale des Haushalts wie die Sprachregion, die Einkommensklasse,

Einflussfaktoren des Bio-Konsums Als Referenzszenario wurde ein Haushalt ohne Kinder in der italienischsprachigen Schweiz (Sprachregion III) mit einer männlichen Referenzperson unter 35 Jahren (Altersklasse I) im Jahr 2006 gewählt, der ein Bruttoeinkommen von weniger als 4827 Fr. pro Monat zur Verfügung hat (Einkommensklasse I). Die Modellgüte, gemessen anhand des Bestimmtheitsmasses (R2), liegt bei 8,96 % (Tab. 1). Das Bestimmtheitsmass zeigt an, wie gut die Regressionsgleichung die Daten abbildet. Bei der Auswertung von Haushaltsdaten bezüglich des Lebensmittelkonsums ist auch deshalb ein eher niedriges R2 zu erwarten, weil eine Vielzahl von Einflussgrössen eine Rolle bei der Kaufentscheidung spielen kann. Die Haushaltsbudgeterhebung dokumentiert mögliche Variablen nur in einem begrenzten Umfang. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass weitere relevante Einflussfaktoren nicht als Variablen im Datensatz erfasst sind. Abgesehen von quantifizierbaren Einflussgrössen, die gegebenenfalls aufgrund des Aufwands nicht im Rahmen dieser Haushaltbefragung dokumentiert wurden, ist ausserdem in Betracht zu ziehen, dass Faktoren qualitativer Natur beim Kauf bestimmter Nahrungsmittel bzw. Nahrungsmittelqualitäten wie «bio» von Bedeutung sind. In Frage kommen z. B. Gesundheitsund Umweltbewusstsein sowie Tierwohl, wie bereits in Studien aus anderen Ländern festgestellt wurde (Zepeda und Nie 2012; Hjelmar 2011; Roitner-Schobesberger et al. 2008; Harper und Makatouni 2002). Dazu sind in der HABE ebenfalls keine Angaben vorhanden, diese Faktoren können jedoch bei der Konsumentscheidung von Bedeutung sein. In Tabelle 1 sind die Ergebnisse der Schätzung der Odds Ratios dargestellt. Die Odds Ratios zeigen an, inwiefern die Kaufwahrscheinlichkeit (bio) im Vergleich zum oben beschriebenen Referenzhaushalt beeinflusst wird, wenn die erklärende Variable auf den Haushalt zutrifft. Die Wahrscheinlichkeit, Bio-Lebensmittel zu kaufen, steigt demnach mit der Einkommensklasse der Haushalte. Die Wahrscheinlichkeit ist für Haushalte in der Einkommensklasse II bereits grösser als in Einkommensklasse I, in der höchsten Einkommensklasse ist sie am grössten (Tab. 1). Haushalte der Einkommensklasse V 

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014

341


Gesellschaft | Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft

(Bruttoeinkommen ≥ 12 924 Fr. pro Monat) kaufen mit 67,3 % höherer Wahrscheinlichkeit Bio-Lebensmittel als Haushalte in der niedrigsten Einkommensklasse I (< 4827 Fr. Bruttoeinkommen pro Monat). Dies erscheint in Anbetracht der höheren Konsumentenpreise für BioLebensmittel und des Preisabstands zu konventionellen Produkten auch plausibel. Des Weiteren kaufen Haushalte, die sich in der deutsch- und rätoromanischsprachigen Schweiz befinden, mit einer um etwa die Hälfte höheren Wahrscheinlichkeit Bio-Lebensmittel als Haushalte in der italienischsprachigen Region. Die Odds Ratios der Einkommensvariablen und das im Vergleich zu den anderen Sprachregionen höhere durchschnittlich verfügbare Einkommen1 (6915 Fr.) bestätigen dieses Ergebnis. Die Wahrscheinlichkeit, BioLebensmittel zu kaufen, ist in der französischsprachigen Schweiz hingegen deutlich geringer als in der italienischund der deutschsprachigen Schweiz. Tabelle 1 zeigt darüber hinaus unterschiedliche Kaufwahrscheinlichkeiten bei verschiedenen Altersklassen der Referenzperson der Haushalte. Tendenziell gehören Haushalte mit einer älteren Referenzperson (über 64 Jahre) eher zu den Bio-Käufern als junge Haushalte (mit einer Referenzperson bis 34 Jahre). Haushalte mit Referenzpersonen mittleren Alters (45 bis 54 Jahre) zeigen die geringste Wahrscheinlichkeit, Bio-Produkte zu kaufen. Ihre Wahrscheinlichkeit ist geringer als bei jungen Haushalten, wohingegen die Wahrscheinlichkeit von Haushalten mit älteren Referenzpersonen (älter als 64 Jahre) am grössten ist. Die höhere Kaufwahrscheinlichkeit älterer Referenzpersonen wird auch durch die niedrige Kaufwahrscheinlichkeit von Haushalten mit Kindern gestützt. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit Bio-Lebensmittel zu kaufen, bei Haushalten mit einem oder mehreren Kindern geringer als bei Haushalten ohne Kinder. Der Einfluss von Kindern im Haushalt wurde in bisherigen Studien unterschiedlich geschätzt. Wier et al. (2008) stellten beispielsweise fest, dass das Vorhandensein von Kindern im Haushalt die Kaufwahrscheinlichkeit erhöht, wohingegen Zepeda und Li (2007) eine niedrigere Wahrscheinlichkeit schätzten. Um den Einfluss von Kindern im Haushalt genauer abzuschätzen, müsste diese Variable weiter differenziert werden, da die Höhe der Odds Ratio in Abhängigkeit von der Anzahl und dem Alter der im Haushalt lebenden Kinder variieren kann (Wier et al. 2008). Ist eine Frau die Hauptverdienerin (Referenzperson) im Haushalt, erhöht dies die Kaufwahrscheinlichkeit um mehr als die Hälfte im Vergleich zu einer männlichen Das durchschnittlich verfügbare Einkommen pro Monat und Haushalt liegt in der französischsprachigen Schweiz bei 6503 Fr., in der italienischsprachigen Schweiz bei 6154 Fr.

1

342

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Referenzperson. Die Höhe der Gesamtausgaben für Nahrungsmittel sowie der gesamten Konsumausgaben beeinflussen die Haushalte in ihrer Entscheidung, BioLebensmittel zu kaufen jedoch nicht, beziehungsweise kaum.

Schlussfolgerungen Die Auswertung des Datensatzes aus der Haushaltsbudget­ erhebung (HABE) für die Jahre 2006 bis 2011 hat gezeigt, dass die Bio-Produkte auf der einen Seite über alle Produktgruppen betrachtet Marktanteile gewinnen konnten. Auf der anderen Seite zeigt die Entwicklung der einzelnen Produktkategorien im Vergleich, dass insbesondere jene Bio-Produkte Marktanteile gewinnen konnten, die ohnehin schon einen hohen Marktanteil hatten (Gemüse, Milchprodukte und Eier sowie Früchte). Produkte mit kleineren Marktanteilen im Beobachtungsjahr 2006 verzeichneten niedrigere Wachstumsraten (z. B. Bio-Fleisch). Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass die soziodemographische Struktur der Haushalte die Entscheidung, Bio-Lebensmittel zu kaufen, signifikant beeinflusst. So kann davon ausgegangen werden, dass Haushalte mit einem höheren Einkommen eher Bio-Lebensmittel kaufen als Haushalte mit einem niedrigen Einkommen. Zudem kaufen insbesondere Haushalte mit einer Frau als Referenzperson Bio-Lebensmittel. Haushalte in der deutschsprachigen Schweiz haben ebenfalls eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit als Haushalte in den anderen Sprachregionen. Jüngere Haushalte zeigen eine geringere Tendenz, Bio-Produkte zu kaufen, was einhergeht mit der geringeren Kaufwahrscheinlichkeit von Haushalten mit Kindern. Die geringere Kaufwahrscheinlichkeit trifft in noch stärkerem Ausmass auf Haushalte im mittleren Alter zu. Ältere Haushalte hingegen kaufen eher «bio». In Anbetracht des steigenden Anteils älterer Menschen in der Gesellschaft kann dies eine Chance für den Bio-Lebensmittelmarkt sein. Die soziodemographischen Haushaltsmerkmale geben Aufschluss über die Bestimmungsgründe der Kaufentscheidung der Haushalte. Die Aussagekraft des angewandten Modells ist angesichts des eher kleinen R2 jedoch noch begrenzt. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass weitere Einflussfaktoren existieren. Diese gilt es im nächsten Schritt zu identifizieren und zu testen. Die Analyse einer so heterogenen Produktkategorie wie der Bio-Lebensmittel gibt einen ersten Überblick über die Bestimmungsgründe des Kaufs. Die Betrachtung einzelner Produkte und Produktgruppen kann jedoch noch genauer Aufschluss über die Konsummuster geben. n


Chi compra alimenti biologici in Svizzera Negli ultimi anni il mercato degli alimenti biologici ha mostrato sviluppi molto positivi. Ad oggi, tuttavia, si sa poco su quali siano i fattori che influenzano l’acquisto di prodotti biologici. Questa analisi ha preso in esame i dati sul consumo di prodotti bio da parte delle famiglie svizzere per trarne conclusioni descrittive ed econometriche. L'esame di tali dati ha confermato non solo la tendenza alla crescita degli alimenti biologici in generale, ma anche quella delle nove categorie di prodotti prese in conside­ razione (pane e prodotti a base di cereali, carne, pesce, latticini e uova, oli e grassi alimentari, frutta, verdura, zucchero e dolciumi, spezie e condi­ menti). I cibi biologici preferiti risul­ tano essere le verdure, i latticini e le uova, ma anche la frutta. Il consumo di verdure biologiche è quello che presenta la crescita più marcata. L’analisi econometrica indica che la struttura socio-demografica delle famiglie influenza la decisione di acqui­ stare alimenti biologici. La probabilità di acquisto è direttamente proporzio­ nale al reddito della famiglia. Influi­ scono anche l’età dei soggetti di riferimento all’interno delle famiglie e la presenza di figli. Le famiglie senza figli sono più propense ad acquistare cibo biologico rispetto a quelle con figli.

Summary

Riassunto

Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft | Gesellschaft

Who buys organic foods in Switzerland? Over the past years, the Swiss market for organic foods has grown consider­ ably. However, little is known about the factors that motivate consumers to purchase organic food products. Within the framework of this analysis, data from Swiss households on the consumption of organic foods were analysed descriptively and econometri­ cally. The evaluation of these house­ hold data confirmed the growing trend for organic foods in general and for the nine product groups under consid­ eration, namely Bread and Grain Products; Meat; Fish; Dairy Products and Eggs; Edible Fats and Oils; Fruit; Vegetables; Sugar and Confectionery; and Condiments and Sauces. The most popular organic products were vegetables, dairy products and eggs, and fruit, with the consumption of organic vegetables showing the strongest growth. The econometric analysis showed that the sociodemographic structure of the households influenced the decision to buy organic foods. As income increased, so did the likelihood that these households would purchase organic products. The age of the reference person of the household and the presence of children also played a role, with childless households being more likely to buy organic foods than those with children. Key words: demand for organic food, demand analysis, household data, mixed logit model.

Literatur ▪▪ Bio Suisse, 2014. Biofläche in der Schweiz wächst um 5000 Hektaren – Biomarkt erstmals über 2 Milliarden Franken. Jahresmedienkonferenz Bio Suisse, Basel, 9. April 2014. ▪▪ Harper G.C. & Makatouni A., 2010. Consumer perception of organic food production and farm animal welfare. British Food Journal 104 (3), 287–299. ▪▪ Hjelmar U., 2011. Consumers’ purchase of organic food products. A matter of convenience and reflexive practices. Appetite 56 (2), 336–344.

▪▪ Wier M., O’Doherty Jensen K., Andersen L.M. & Millock K., 2008. The character of demand in mature organic food markets: Great Britain and Denmark compared. Food Policy 33 (5), 406–421. ▪▪ Zepeda L. & Li J., 2007. Characteristics of Organic Food Shoppers. Journal of Agricultural and Applied Economics 39 (1), 17–28. ▪▪ Zepeda L. & Nie C., 2012. What are the odds of being an organic or local food shopper? Multivariate analysis of US food shopper lifestyle segments. Agriculture and Human Values 29 (4), 467–480.

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A g r a r w i r t s c h a f t

Potenziale der Landwirtschaft in der ­Gotthardregion Andreas Hochuli, Esther Hidber und Mario Huber Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, 3052 Zollikofen Auskünfte: Andreas Hochuli, E-Mail: andreas.hochuli@bfh.ch

Abb. 1 | Das Potenzial für regionale Lebensmittel-Spezialitäten aus der Gotthardregion wird als relativ gross eingestuft. (Foto: Caseificio del Gottardo)

Einleitung Im Rahmen des Programms San Gottardo 2020 wurde von der Fachgruppe Agrarwirtschaft der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) eine Studie über das Potenzial von regionalen Lebensmittel-Spezialitäten und agrotouristischen Dienstleistungen in der Gotthardregion durchgeführt. Der Untersuchungsperimeter umfasst den Kanton Uri, die Bezirke Surselva im Kanton Graubünden und Goms im Kanton Wallis sowie die Region Bellinzona e Tre Valli im Tessin.

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Im vorliegenden Artikel werden die Resultate der Studie präsentiert und in Bezug zur vorhandenen Fachliteratur gesetzt. In der Literatur sind sich verschiedene Autoren darin einig, dass die Innovationsfähigkeit und die unternehmerischen Kapazitäten der Landwirtschaft einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung ländlicher Räume leisten können. So sind Produktion und Absatz von regionalen Lebensmittelprodukten gemäss verschiedener Autoren Teil der regionalen Wertschöpfung ländlicher Regionen. Die «Regionalisierung der Nahrungssysteme» (Knox und


Mayer 2009) beinhaltet unter anderem das Element der Valorisierung von regionalen Lebensmittel-Rohstoffen zu Lebensmittel-Spezialitäten, was als Massnahme zur regionalen Entwicklung angesehen werden kann. Pacciani et al. (2001) sehen diese Valorisierung sogar als Grundlage für die Entwicklung ländlicher Räume (Abb.1). Darüber hinaus zählt auch die Förderung des ländlichen Tourismus zu den bedeutendsten Entwicklungsstrategien für ländliche Gebiete (Wilson et al. 2001). Auch in diesem Fall spielt die Landwirtschaft eine wichtige Rolle, einerseits zur Erhaltung der Landschaft (als Voraussetzung für den ländlichen Tourismus) und anderseits durch das Angebot von agrotouristischen Dienstleistungen. Ausgehend von diesen einführenden Überlegungen soll im Folgenden der Einfluss der Landwirtschaft auf die Entwicklung ruraler Räume am Beispiel der Gotthardregion aufgezeigt werden.

Methode Die empirische Untersuchung erfolgte grösstenteils mittels Experteninterviews mit Stakeholdern aus der ­ regionalen Lebensmittelproduktion der Gotthardregion ­ (darunter waren Vertreter der Landwirtschaft, Nahrungsmittelverarbeitung und von Vertriebskanälen in der Gotthardregion) und ausgewiesenen Experten für ländliche Entwicklung. Die Befragung erfolgte teilweise im persönlichen Gespräch, per Telefon oder schriftlich. Der Befragungszeitraum umfasste die Monate August und September 2013. Für diese Studie wurde eine gemischte Methode mit standardisierten und offenen Leitfadeninterviews eingesetzt. Hierzu wurden Fragebögen zu den Fragekomplexen «Potenziale», «KostenNutzen», «Probleme und Herausforderungen» sowie «Bedürfnisse» ausgearbeitet. Entsprechend der Stakeholder-Gruppen (Produktion, Verarbeitung und Vermarktung/Vertrieb und öffentliche Verwaltung) wurden unterschiedliche Fragebögen ausgearbeitet. Dies führte dazu, dass die Anzahl Antworten pro Frage unterschiedlich ausfiel. Die Auswertung der Erhebung erfolgte zum einen über Auszählungen der Antworten zu Fragen mit kategorialen Antwortmöglichkeiten. Diese Daten wurden grafisch dargestellt und kommentiert beziehungsweise bewertet. Zum anderen wurden die Antworten aus den offen gestellten Fragen tabellarisch verdichtet und so in die qualitativen Auswertungen miteinbezogen. Entsprechend der Methode haben die Aussagen der Studie einen rein qualitativen respektive indikativen Charakter. Damit kann keine Repräsentativität der Erhebung und deren Ergebnisse erwartet werden. Dennoch können die Resultate der Studie einen Beitrag zur Dis- 

Zusammenfassung

Potenziale der Landwirtschaft in der ­G otthardregion | Agrarwirtschaft

Im Kontext mit der Entwicklung ländlicher Regionen weist die Produktion und Vermark­ tung von regionalen Lebensmittel-Spezialitä­ ten ein erhebliches Potenzial auf. Dies konnte eine Studie der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL für die Gotthardregion aufzeigen. Diese Erkenntnis kann zudem mittels Fachliteratur gestützt werden. Bei der Produktion und dem erfolgreichen Vertrieb regionaler Lebensmittel-Spezialitäten kommt der Qualität der Produkte sowie einem glaub­ würdigen Regionallabel eine hohe Bedeu­ tung zu. Ebenso konnte die Studie ein erhebliches Potenzial für die Optimierung bestehender und das Auffinden neuer Absatzkanäle innerhalb und ausserhalb der Gotthardregion identifizieren. In diesem Zusammenhang kommt auch agrotouristi­ schen Dienstleistungen eine grosse Bedeu­ tung zu. Ein gut entwickeltes Angebot im Agrotourismus fördert nicht nur den Absatz regionaler Lebensmittel-Spezialitäten. Auch die gesamte touristische Attraktivität, die regionale Wertschöpfung der Gotthardregion und das Einkommen von Landwirtschaftsbe­ trieben kann damit gesteigert werden.

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Agrarwirtschaft | Potenziale der Landwirtschaft in der ­G otthardregion

kussion über die Bedeutung regionaler Produktionssysteme im Bereich der Nahrungsmittel für die Regionalentwicklung leisten.

Resultate und Diskussion Regionale Lebensmittelspezialitäten Aufgrund der konsultierten Literatur scheint das Marktpotenzial regionaler Lebensmittel-Spezialitäten vorhanden zu sein (Warschung et al. 2013; Henseleit et al. 2007). Grund für die relativ hohe Nachfrage sind vor allem sogenannte kognitive (Regional steht für Qualität, Gesundheit, Frische oder Umweltfreundlichkeit) und normative (verstanden als moralische Verpflichtung zur Unterstützung der lokalen Produzenten) Faktoren. Die Ergebnisse der im Rahmen der vorliegenden Studie geführten Interviews bestätigen diese Aussagen weitgehend. Die Stakeholder sind generell der Meinung, dass ein grosses Potenzial für regionale Lebensmittel-Spezialitäten besteht. Die Gründe für diese Einschätzung aus Sicht der Befragten liegen bei der zunehmenden Bereitschaft der Konsumenten, höhere Preise für qualitativ hochwertige und regionale Produkte zu bezahlen. Wenn vor allem dem Tourismus ein hohes Potenzial für den Absatz von regionalen Produkten zugeschrieben wird, gilt dies laut der Befragten, nicht immer für die Einwohner der betroffenen Region. Verschiedene Stakeholder haben angegeben, dass die lokale Bevölkerung zu wenig sensibel für den Kauf von regionalen Produkten ist. Petrini (2005; Zitiert in Knox und Mayer 2009) sieht den Schlüssel der Akzeptanz in der Identität des Konsumenten in den regionalen Produktionsketten: der «Konsum [ist] die letzte Stufe des Produktionsprozesses […]». Als Teil des Produktionsprozesses müsse der Kunde wissen, wo, wie und durch wen das Produkt produziert und verarbeitet wird. Obwohl das Marktvolumen für regionale Lebensmitteln schwer ermittelbar ist (vor allem aufgrund der fehlenden genauen Definitionen und Standards für regionale Produkte), steht fest, dass die «Regionalität» der Produkte ein relevanter Faktor der Kaufentscheidung geworden ist und dass ein Fehlen von regionalen Produkten im Verkauf gar als ein Wettbewerbsnachteil angesehen wird (Warschung et al. 2013). Neben dem Tourismus wird auch das Exportpotenzial von regionalen Lebensmittel-Produkten aus der Gotthardregion als hoch eingeschätzt. Generell wird die Meinung vertreten, dass in der restlichen Schweiz (vor allem in den urbanen Zentren) ein relativ grosses Marktpotenzial für regionale Produkte aus der Gotthardregion vorhanden ist. Weniger positiv eingestellt sind die Stakeholder bezüglich der Möglichkeit des Exports von regionalen Lebensmittel-Spezialitäten in Europäische Grosszentren.

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Die Valorisierung von heimischen Erzeugnissen wird in der Literatur oft als wichtiger Faktor für die regionale Entwicklung ländlicher Räume angesehen (Knox und Mayer 2009; Pacciani et al. 2001). Die Wirtschaftsakteure des regionalen Lebensmittelsektors nehmen durch das aktive und engagierte Verfolgen des wirtschaftlichen Eigeninteressens (oft unbewusst) am regionalen Wirtschaftskreislauf teil (Ganzert et al. 2004). Ein ideales regionales Lebensmittel-System wird von Clancy und Ruhf (2010) als ein System beschrieben, in dem so viele Lebensmittel wie möglich auf verschiedenen Levels und Skalen in der Region produziert, verarbeitet, vertrieben und verkauft werden, um den Lebensmittel-Bedürfnissen der Konsumentinnen und Konsumenten gerecht zu werden. Damit könne eine grosse Elastizität erlangt, lediglich ein Minimum an Lebensmitteln importiert und ein wirtschaftlicher und sozialer Mehrwert unter den Stakeholdern der regionalen Lebensmittel-Wertschöpfungskette generiert werden. Zudem kann ein regional-organisiertes Lebensmittel-System die Nettowertschöpfung der gesamten regionalen Wirtschaft steigern, Arbeitsplätze schaffen, die Landschaft erhalten, durch geringeren CO2Ausstoss einen Beitrag an den Umweltschutz leisten und das Sozialkapital einer Region erhöhen (Wiskerke 2009). In der Gotthardregion wird generell eine grosse Menge an landwirtschaftlichen Rohstoffen produziert, aber nur ein geringer Teil davon wird auch in der Region verarbeitet. Bei der Kuhmilch werden in der Gotthard­ region beispielsweise etwa 50 Prozent der Produktion verarbeitet (Abb. 2). Ähnliches gilt es für die Verarbeitung von Rohfleisch zu Fleischprodukten, auch hier wird in der Gotthardregion etwa 45 Prozent des potenziellen Rohfleisches verarbeitet. Innerhalb des gesamten Fleischsortiments gibt es aber grosse Mengenunterschiede. Zum Beispiel muss Ziegenfleisch zur Deckung der Verarbeitungsmengen in die Gotthardregion importiert werden (123 % des potenziell produzierten Rohfleischs wird verarbeitet) während beim Schaf- oder Kalbfleisch nur ein kleiner Teil davon in der Region verarbeitet wird (je 17,4 %). Da die Verarbeitung der Rohstoffe teilweise nicht weit ausserhalb des Untersuchungsperimeters erfolgt (was ein Zeichen dafür sein kann, dass das Verständnis von «Regional» trotzdem vorhanden ist, aber nicht unbedingt dem Perimeter der Gotthardregion entspricht), sind diese Informationen mit Vorsicht zu bewerten. Trotzdem führt diese Tatsache zur Aussage, dass in der Gotthardregion zurzeit noch kein optimiertes regionales Lebensmittel-System (laut der Definition von Clancy und Ruhf 2010) existiert. Ein wesentlicher Grund für den Export eines grossen Teils der landwirtschaftlichen Rohstoffe aus der Gotthardregion könnten die hohen Produktionskosten für


Potenziale der Landwirtschaft in der ­G otthardregion | Agrarwirtschaft

Kuhmilch in Tonnen/Jahr Potenzielle Menge Effektive Menge

±

23 526 13 231 2221

4697

UR GR 6821 5706

3874

7268

284

2417

VS

TI 1265

145 10 981

2764

0

10

20 km

Begriffsdefinition: Potenzielle Menge: Höchstmögliche landwirtschaftliche Primärrohstoffmenge die in der Region zu Qualitätsprodukten verarbeitet werden könnte. Effektive Menge: Statistisch erhobene Primärrohstoffmenge die in der Region verarbeitet wird. Datenquelle: Potenzielle Mengen: Eigene Berechnungen. Effektive Mengen: TSM Treuhand GmbH, Bern. Kartengrundlage: Swisstopo. Erstellt am 26.11.2013, HAFL ©

Abb. 2 | Verarbeitungspotenzial von Kuhmilch in der Region San Gottardo.

regionale Lebensmittel-Spezialitäten sein. Die meisten interviewten Stakeholder waren der Meinung, dass diese in der Gotthardregion «eher hoch» oder «hoch» seien. Die Produktionskosten sind aber nicht die einzigen Schwierigkeiten, welche von den Stakeholdern bezüglich der Produktion von Lebensmittel-Spezialitäten genannt wurden. Auch die Kosten für die Vermarktung wurden mehrheitlich als hoch bewertet. Ebenso werden aus Sicht der befragten Stakeholder die Hygienevorschriften und die Saisonalität der Rohstoffproduktion als Hindernis für die regionale Verarbeitung und Vermarktung genannt. Die Vertriebskanäle in und ausserhalb der Gotthardregion sind den Befragten grossmehrheitlich bekannt und werden auch genutzt. Einzig die Nutzung von Internetplattformen für den Vertrieb von regionalen Lebensmittel-Spezialitäten scheint eingeschränkt zu sein. Das Vertriebspotenzial über die Gastronomie wird von den Stakeholdern als hoch eingestuft. Dies vor allem wegen dem touristischen Aufkommen in der Gotthardregion. Gemäss der Einschätzung der befragten Stakeholder spielen Lebensmittel-Labels bei der Vermarktung von Lebensmittel-Produkten eine wichtige Rolle. In der Lite-

ratur wird jedoch über die räumliche Ausstrahlung der Labels diskutiert. Die Wirkung von regionalen Labels (im Vergleich zu anderen Labels) ist stark umstritten. Hu et al. (2012) haben beispielsweise herausgefunden, dass Produkte, die mit einem nationalen Label versehen sind, eher gekauft werden als Produkte mit einem regionalen Label. Gracia et al. (2011) weisen hingegen darauf hin, dass ein regionales Label Kunden dazu bewegen kann, einen Mehrpreis für regionale Produkte zu bezahlen. In der vorliegenden Studie wurde von den befragten Stakeholdern der Gotthardregion klar hervorgehoben, dass ein vertrauenswürdiges Label für die Vermarktung regionaler Lebensmittel-Spezialitäten sehr wichtig sei. Etwa die Hälfte der Befragten in der Kategorie «Vertrieb» ist der Meinung, dass sich die Gotthardregion als geeignete Vermarktungseinheit für ein neues Label eignen würde (Abb. 3). Als Grund dieser partiellen Unterstützung eines regionalen Labels für die Gotthardregion könnte die hypothetische Aussage formuliert werden, dass in der Region ein zu geringes Bewusstsein für die Gotthardregion existiert, um sich mit einem «Gotthard»-Label identifizieren zu können. Anders formuliert könnte das Regionalbewusstsein (vgl. folgender Abschnitt) in anderen Raumeinheiten (z.B. die Kantonale- oder die Bezirkse- 

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Agrarwirtschaft | Potenziale der Landwirtschaft in der ­G otthardregion

Für die Vermarktung regionaler LebensmittelSpezialitäten ist ein vertrauenswürdiges Label aus Konsumentensicht sehr wichtig Bereitschaft regionale Lebensmittel-Spezialitäten unter neu zu definierendem Label über eigene Vertriebskanäle zu vermarkten Bereitschaft regionale Lebensmittel Spezialitäten unter der Dachmarke «San Gottardo» über eigene Vertriebskanäle zu vermarkten Landw. Rohstoffe für die Produktion regionaler Lebensmittel-Spezialitäten müssen zwingend aus der Region San Gottardo stammen trifft zu trifft teilweise zu

Neue regionale Lebensmittel-Spezialitäten müssen bis zum landw. Produzenten zurückverfolgt werden können

trifft nicht zu weiss nicht 0

2

4

6

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14

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18

Abb. 3 | Vermarktungsmassnahmen und Qualitätskriterien für regionale Lebensmittel-Spezialitäten aus der Gotthardregion.

bene) wichtiger sein als in der Gotthardregion (Ganzert et al. 2004). Hinsichtlich der Vermarktung wird von den Interviewpartnern insgesamt mehr Unterstützung erwartet, da die Kosten dafür relativ hoch sind. In der Untersuchung wurden unter anderem auch Daten zu den erwarteten Qualitätskriterien für regionale Lebensmittel-Spezialitäten aus der Gotthardregion (unabhängig von jeglichen Labels) erhoben. Die Stake-

holder der regionalen Lebensmittelproduktion sind klar der Meinung, dass zur Produktion regionaler Lebensmittel-Spezialitäten die landwirtschaftlichen Rohstoffe zwingend aus der Region stammen müssen. Hier stellt sich aber laut Aussagen der Interviewpartner das Problem der Saisonalität der Lebensmittelrohstoffe. Die kontinuierliche Lieferung der Rohstoffe kann nicht gewährleistet werden. Lediglich ein Verarbeitungsbetrieb gab

Abb. 4 | Aus der Kombination zwischen der regionalen Lebensmittelproduktion und des ruralen Tourismussektors ergibt sich eine Win-Win Situation: der Tourismus als zusätzlicher Absatzmarkt für regionale Produkte und regionale Produkte als Stärkung des touristischen Angebots. (Foto: ©Valais/Wallis Promotion – Pascal Gertschen)

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Potenziale der Landwirtschaft in der ­G otthardregion | Agrarwirtschaft

Hürden Raumplanung für Aufbau agrotouristischer Anbebote sind hoch Investitionskosten für Aufbau agrotouristischer Anbebote sind hoch Wir betreiben Agroutourismus oder ähnliche Dienstleistungen Interesse am Aufbau agrotouristischer Angebote ist hoch

Arbeitsaufwand für Aufbau agrotouristischer trifft zu trifft teilweise zu

Der Erlös aus agrotouristischen Angeboten übersteigt die Betriebskosten

trifft nicht zu weiss nicht 0

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9

Abb. 5 | Einschätzung von Kosten und Nutzen (Sicht Landwirtschaftsbetriebe) agrotouristischer Angebote ­( Anzahl Nennungen).

an, dass die Rohstoffe für die Produktion von regionalen Lebensmittel-Spezialitäten kontinuierlich geliefert werden können. Ausserdem wurde als wichtig empfunden, dass die landwirtschaftlichen Rohstoffe für Produkte aus der Gotthardregion bis zum Produzenten zurückverfolgt werden können (Abb. 3). Ein Teil der befragten Akteure ist der Meinung, dass die Herstellungsprozesse regionaler Lebensmittel-Spezialitäten tendenziell definiert und standardisiert werden sollten. Agrotouristische Dienstleistungen Die Förderung des Tourismussektors gehört zu den wichtigsten Regionalentwicklungsmassnahmen für ländliche Gebiete (Wilson et al. 2001). Besonders dem Agrotourismus wird ein grosses Potenzial für die lokale Wertschöpfung zugeschrieben. Dies durch eine Erhöhung der Beschäftigung, höhere Steuereinnahmen oder durch die indirekte Förderung lokaler Unternehmen, beispielsweise im Detailhandel oder in der Gastronomie. Der Erhalt der ländlichen Kultur und des ländlichen Bewusstseins sind zusätzliche positive Effekte, die der Agrotourismus mit sich bringt. Für das landwirtschaftliche Unternehmen bedeutet Agrotourismus eine Diversifikation im Angebot, was dem Landwirtschaftsbetrieb eine zusätzliche Sicherheit und Flexibilität bietet und oft ein höheres und sichereres Einkommen ermöglicht. Zudem kann ein agrotouristisches Angebot im Unternehmen allfällige freie Arbeitskräfte intern und flexibel aufnehmen. Aber auch nicht-ökonomische

Gründe wie der Wunsch, den Betrieb in der Familie zu behalten oder einem Hobby nachzugehen sind für den Aufbau eines agrotouristischen Angebots wichtig (Tew & Barbieri 2012). Aus guten und richtig positionierten agrotouristischen Dienstleistungen kann ein zusätzlicher Nutzen für die Landwirtschaft gezogen werden (Abb. 4). Dies wurde von den befragten Stakeholdern der Gotthardregion bestätigt. Die Qualität und die kundenorientierte Ausrichtung des Angebots reichen aber nicht aus. Wichtig seien auch andere Faktoren, wie der persönliche Kontakt zu den Gästen oder auch das touristische Umfeld (z.B. weitere Attraktionen in der Region). Für den Aufbau von agrotouristischen Dienstleistungen sind jedoch oft die gesetzlichen Hürden und der Aufwand zu gross. Vor allem die Restriktionen des Raumplanungsgesetztes, wie auch die Investitionskosten und der Arbeitsaufwand wurden von den Landwirtschaftsbetrieben (aber auch durch die Vertreter der öffentlichen Verwaltung bestätigt) als tendenziell negativ wahrgenommen (Abb. 5). Wenn aber eine massgebliche Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand oder Dritter gegeben wäre, wären die Betriebe generell am Aufbau einer agrotouristischen Dienstleistung interessiert. Und dies nicht nur aus rein finanziellen Gründen, sondern auch um einen aktiven und bereichernden Austausch mit den Touristen und dadurch eine emotionale Nähe zu den regionalen Produkten zu  schaffen.

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Agrarwirtschaft | Potenziale der Landwirtschaft in der ­G otthardregion

Es besteht indes ein enger Zusammenhang zwischen der regionalen Lebensmittelproduktion und dem ruralen Tourismussektor (Boyne et al. 2003). Aus dieser Kombination ergibt sich eine Win-Win-Situation: der Tourismus als zusätzlicher Absatzmarkt für regionale Produkte und regionale Produkte als Stärkung des touristischen Angebots (Sims 2009). Das agrotouristische Angebot soll laut Tew und Barbieri (2012) auch als Marketingelement zur Förderung von regionalen Lebensmittel-Spezialitäten dienen, indem das Bewusstsein der Touristen für das Positive der regionalen Produkte gefördert wird. Diese Aussage aus der Literatur wird auch von der Studie bestätigt. Verschiedene Interviewpartner haben explizit den Tourismus als grosses Potenzial für den Absatz von regionalen Produkten erwähnt. Touristen seien generell auch bereit, einen höheren Preis für regionale Lebensmittel-Spezialitäten zu bezahlen als die lokale Bevölkerung. Diesbezüglich wurden aber auch Problemfelder identifiziert. Einerseits wurde die Saisonalität des Tourismus erwähnt, anderseits die schlechten Abnahmekonditionen der Gastronomie.

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Schlussfolgerungen Für die Gotthardregion hat die Studie der Fachgruppe Agrarwirtschaft der HAFL aufzeigen können, dass ein relativ grosses Marktpotenzial für regionale Lebensmittel-Spezialitäten vorhanden ist. Aufgrund der Resultate wurden verschiedene Potenziale identifiziert, insbesondere wurden daraus für folgende Teilbereiche Handlungsempfehlungen abgeleitet: Erstens wird vorgeschlagen, dass die Zusammenarbeit entlang der verschiedenen Wertschöpfungsstufen in der Region optimiert werden soll. Zweitens sollen mit dem Ziel der Entlastung der Landwirtschaftsbetriebe die Vertriebs- und Vermarktungsstrukturen in der Gotthardregion, aber vor allem auch über die Region hinaus, besser genutzt und neue Vertriebskanäle erschlossen werden. Drittens sollen agrotouristische Dienstleistungen entwickelt werden, um einerseits die Direktvermarktung von regionalen Lebensmittel-Spezialitäten zu fördern und andererseits die touristische Attraktivität der Region und damit auch das Einkommen der Landwirtschaftsbetriebe verbessern n zu können.


Potenziale dell’agricoltura nella regione del Gottardo Lo sviluppo regionale è legato diretta­ mente alla produzione di prodotti alimentari regionali. Questa afferma­ zione, che viene confermata da diversi studi e dalla letteratura specializzata, rappresenta un importante risultato scaturito da uno studio sul potenziale dell’agricoltura nella regione del San Gottardo. Il potenziale valore aggiunto generato dal settore alimentare sembrerebbe essere promettente. Di particolare importanza è stata definita la collaborazione tra i vari stakeholder nelle diverse fasi della catena di produzione, ad esempio per la defini­ zione di criteri di qualità per prodotti alimentari regionali. Anche la defini­ zione di nuovi canali per lo smercio dei prodotti regionali sia all’interno sia all'esterno della regione del Gottardo è stata definita importante. Inoltre, il turismo è identificato come un settore importante per lo sviluppo della regione del Gottardo, ad esempio per lo smercio di prodotti alimentari regionali, oppure come attività collaterale per le aziende agricole o anche per il valore aggiunto generato in altri settori economici.

Literatur ▪▪ Boyne S., Hall D. & Williams F., 2003. Policy, Support and Promotion for Food-Related Tourism Initiatives. Journal of Travel & Tourism Marketing 14 (3–4), 131–154. ▪▪ Clancy K. & Ruhf K., 2010. Is local enough? Some arguments for regional food systems. Choices 25 (1), 123–135. ▪▪ Ganzert C., Burdick B. & Scherhorn G., 2004. Empathie, Verantwortlichkeit, Gemeinwohl: Versuch über die Selbstbehauptungskräfte der Region. Ergebnisse eines Praxisforschungsprojekts zur Vermarktung regionaler Lebensmittel. Wuppertal papers (142), 1–68. ▪▪ Gracia A., Magistris T. D. & Nayga R. M., 2011. Willingness to pay for a local food label for lamb meat in Spain. 13th Congress of the EAAE, ­Z ürich. 12 S. ▪▪ Henseleit M., Kubitzki S. & Teuber R., 2007. Determinants of Consumer Preferences for Regional Food. 105th EAAE Seminar, Bologna. 14 S. ▪▪ Hu W., Batte M. T., Woods T. & Ernst S., 2012. Consumer preferences for local production and other value-added label claims for a processed food product. European Review of Agricultural Economics 39 (3), 489–510. ▪▪ Knox P. L. & Mayer H., 2009. Kleinstädte und Nachhaltigkeit. Birkhäuser, Basel. 192 S.

Summary

Riassunto

Potenziale der Landwirtschaft in der ­G otthardregion | Agrarwirtschaft

The potential of agriculture in the Gotthard Region The production and marketing of regional speciality foods offers considerable potential for the develop­ ment of rural areas. This potential was demonstrated by a study which the School of Agricultural, Forest and Food Sciences carried out in the Gotthard Region and was supported by a review of the pertinent literature. Results of the study showed that the quality of the product and a credible regional label were important components for the production and distribution of regional speciality foods. The study identified considerable potential for optimising existing distribution channels and finding new ones in the Gotthard Region and elsewhere. In this context, agritourism services were found to be of great importance. We predict that a well-developed range of agritourism services will promote not only regional speciality foods but also the overall attractiveness of the Gotthard Region to tourists, will add value to the region, and will increase the income of agricultural businesses. Key words: regional food supply chain, rural development, agricultural potential.

▪▪ Pacciani A., Belletti G., Marescotti A. & Scaramuzzi S., 2001. The role of typical products in fostering rural development and the effects of regulation (EEC) 2081/92. 73th EAAE Seminar, Ancona. 17 S. ▪▪ Petrini C., 2005. Slow Food Nation: Why Our Food Should Be Good, Clean and Fair. Rizzoli, New York. 192 S. ▪▪ Sims R., 2009. Food, place and authenticity: local food and the sustainable tourism experience. Journal of Sustainable Tourism 17 (3), 321–336. ▪▪ Tew C. & Barbieri C., 2012. The perceived benefits of agritourism: The provider’s perspective. Tourism Management 33 (1), 215–224. ▪▪ Warschung M., Rucker M., Glusac S. & Günther D., 2013. Lebensmittel: Regional ist gefragter als bio. A.T. Kearney, Düsseldorf. 8 S. ▪▪ Wilson S., Fesenmaier D. R., Fesenmaier J. & Van Es, John C, 2001. ­Factors for success in rural tourism development. Journal of Travel ­r esearch 40 (2), 132–138. ▪▪ Wiskerke J. S., 2009. On Places Lost and Places Regained: Reflections on the Alternative Food Geography and Sustainable Regional Development. International Planning Studies 14 (4), 369–387.

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A g r a r w i r t s c h a f t

Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten Daniel Hoop, Anja Schwarz und Markus Lips Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Ettenhausen, Schweiz Auskünfte: Daniel Hoop, E-Mail: daniel.hoop@agroscope.admin.ch

Lohnarbeiten sind verbreitet: Drei Viertel der Betriebe sind in Arbeiten für Dritte und die Maschinenvermietung involviert. Ein typisches Beispiel ist das Ballenpressen. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)

Einleitung Die Paralandwirtschaft umfasst landwirtschaftliche Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit der landwirtschaftlichen Produktion oder den ökologischen Leistungen zusammenhängen (Hausheer Schnider 2010). Sie hat in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Betrug im Jahr 2003 die Rohleistung durch Arbeiten für Dritte, Maschinenvermietung, Direktverkauf und Agrotourismus noch rund Fr. 11 800.– pro Betrieb, so verdoppelte sie sich bis zum Jahr 2012 beinahe auf rund Fr. 20 600.– (Tab. 1). Der Anteil an der gesamten Rohleistung des Betriebs – und somit die rela-

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tive Bedeutung für die Betriebe – stieg im gleichen Zeitraum von knapp fünf Prozent auf über sechs Prozent an. Innerhalb der paralandwirtschaftlichen Aktivitäten tragen Direktverkauf und Verarbeitung (inkl. Kelterei) mit 60 % mehr als die Hälfte der Rohleistung bei. Mit 30 % liegen die Arbeiten für Dritte und die Maschinenvermietung an zweiter Stelle. Bezüglich der Verbreitung auf den Betrieben ist die Bedeutung gerade umgekehrt. Während 13 % der Betriebe Direktverkauf oder Verarbeitung aufweisen, sind drei Viertel in Arbeiten für Dritte und Maschinenvermietung involviert (Lips und Schmid 2013). Arbeiten für Dritte werden auch als Lohnarbeiten bezeichnet und stellen Dienstleistungen dar, die von einer qualifizierten Arbeitskraft erbracht werden. Typischerweise werden dazu auch Maschinen oder Geräte eingesetzt. Angesichts der Verbreitung der Lohnarbeit ist deren Rentabilität von besonderem Interesse. Insbesondere die resultierende Arbeitsverwertung, d.h. den effektiv realisierten Stundenlohn, gilt es zu ermitteln. Da dazu eine Betrachtung auf Betriebszweigebene notwendig ist, werden für eine Reihe von FallstudienBetrieben Vollkostenkalkulationen für verschiedene Lohnarbeiten im Bereich Aussenwirtschaft erstellt. Anschliessend werden die einzelnen Betriebszweigresultate zu Gruppen von typischen Lohnarbeiten aggregiert.

Methode Auswahl der untersuchten Betriebe Ausgehend von den Betrieben der Zentralen Auswertung von Buchhaltungsdaten von Agroscope wurden Betriebe mit Rohleistungen über Fr. 10 000.– im Bereich der Arbeiten für Dritte identifiziert. Im Hinblick auf das Durchführen von Befragungen der Betriebsleitenden wurde eine Region mit vielen entsprechenden Betrieben gesucht, wobei der Kanton Aargau resultierte. Über die beiden Treuhandstellen «Agro-Treuhand Aargau» sowie «Treuhand und Schätzungen» des Schweizer Bauernverbands wurden insgesamt zwölf Betriebe kontaktiert. Neun von ihnen waren zu einer einzelbetrieblichen Befragung bereit, wobei acht davon Lohnarbeiten im Bereich Aussenwirtschaft ausführten.


Die Stichprobe weist eine durchschnittliche Rohleistung von rund Fr. 28 100.– im Bereich der Arbeiten für Dritte auf (Min. Fr. 10 900.–, Max. Fr. 41 000.–), während der gesamtschweizerische Mittelwert für das Jahr 2012 bei rund Fr. 5800.– liegt. Der Anteil der Arbeiten für Dritte an ihrer gesamten Rohleistung beträgt 8,9 % im Vergleich zu 2,2 % im gesamtschweizerischen Mittel (eigene Berechnungen auf der Grundlage der Referenzbetriebe). Durchschnittlich setzen diese Betriebe 0,07 Jahresarbeitseinheiten dafür ein.

Zusammenfassung

Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten | Agrarwirtschaft

Kosten-/ Leistungsrechnung Die Befragung der Betriebsleitenden erfolgte mündlich. Für alle Lohnarbeits-Betriebszweige gaben sie den Umfang der erbrachten Dienstleistungen mit der Anzahl Arbeitseinheiten (z.B. Rundballen oder Hektaren) an. Anhand des durchschnittlich erzielten Ertrags pro Arbeitseinheit konnte die Rohleistung beziehungsweise der Umsatz ermittelt werden. Im Hinblick auf die Vollkostenkalkulation sind die Arbeitszeit und die Maschinenkosten von Interesse. Neben der reinen Feldarbeitszeit wurde auch die eingesetzte Zeit für das Rüsten der Maschine sowie die Anfahrt (Wegzeit) erfragt, was zusammen mit der Feldarbeitszeit die gesamte Arbeitszeit ergab. Diese wird mit Opportunitätskosten von Fr. 28.– pro Stunde (Gazzarin und Lips 2013) bewertet. Bei der Kalkulation der Maschinenkosten gilt es, zwischen fixen und variablen Kosten zu unterscheiden. Die variablen Kosten setzen sich aus den Kosten für Reparatur und Unterhalt sowie für Treib- und Schmierstoffe zusammen und beziehen sich auf die Arbeitseinheit. Die entsprechenden Werte wurden, sofern sie vom Betriebsleiter nicht genau beziffert werden konnten, aus dem Maschinenkostenbericht (Gazzarin und Lips 2013) übernommen. Bei den Fixkosten, die pro Jahr anfallen, stammen zwei der vier Kostenpositionen ebenfalls aus dem Maschinenkostenbericht: die Verzinsung des gebundenen Kapitals (Zinssatz: 3 %) sowie die Kosten für Versicherungen und Gebühren. Die Gebäudekosten wurden entsprechend der Investitionssummen für Garagen und Remisen bei einer angenom menen Abschreibungszeit von 30 Jahren errechnet.

Auf Basis von acht Betrieben und 30 Betriebs­ zweigbeobachtungen werden für sieben Gruppen von Lohnarbeiten im Bereich Aussenwirtschaft wie Pflanzenbau, Transport/Logistik oder Winterdienst die Einnah­ men den Vollkosten gegenübergestellt, um die Wirtschaftlichkeit zu ermitteln. Mit Ausnahme des Ballenpressens können für alle Betriebszweige Arbeitsverwertungen pro Stunde realisiert werden, die deutlich über den Opportunitätskosten von Fr. 28.– pro Stunde liegen, was generell auf eine gute Rentabilität hinweist. Wichtigste Einflussfak­ toren stellen dabei die Maschinenauslastung sowie der Anteil von Rüst- und Wegzeiten an der gesamten Arbeitszeit dar. Mit Ausnahme des Mähdrusches kann eine vergleichbare Kostenstruktur festgestellt werden, wobei auf die Fixkosten der Maschinen 40 Prozent und auf die Arbeit sowie übrige variable Kosten je 30 Prozent entfallen. Obwohl die untersuchten Maschinen knapp zur Hälfte für Lohnarbeiten oder Vermietung eingesetzt werden, werden sie – verglichen mit den Richtwerten des Maschinenkostenberichts – nur zu 83 Prozent ausgelastet.

Tab. 1 | Entwicklung der mittleren Rohleistung Paralandwirtschaft 2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

Rohleistung Paralandwirts.

11 800

13 500

15 200

16 700

16 800

19 100

20 000

20 200

21 900

20 600

% d. gesamten Rohleistung

4,8

4,8

5,7

6,4

6

6,4

6,5

6,8

6,6

6,4

Die Paralandwirtschaft setzt sich aus Arbeiten für Dritte, Maschinenvermietung, Direktvermarktung und Agrotourismus zusammen. Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage der gewichteten Mittelwerte der Referenzbetriebe der Zentralen Auswertung.

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 352–357, 2014

353


Agrarwirtschaft | Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten

Abb. 1 | Beim Mähdrusch sind die Fixkosten höher als bei anderen Lohnarbeiten. Sie machen etwa 55 % der Gesamtkosten aus. (Foto: Christian Gazzarin, Agroscope)

Die Abschreibungsdauer und die daraus resultierenden jährlichen Abschreibungen jeder Maschine wurden der effektiven jährlichen Auslastung angepasst. Die Betriebsleiter wurden nach der Auslastung der Maschinen befragt, die sich aus der Nutzung für Arbeiten auf dem Betrieb, der überbetrieblichen Nutzung bei mehreren Maschineninhabern sowie der Nutzung für Lohnarbeiten und Maschinenvermietungen zusammensetzte. Unter Beibehaltung der (technischen) Nutzungsdauer nach Arbeitseinheiten des Maschinenkostenberichts erfolgte eine Anpassung der Nutzungsdauer in Jahren. Im Falle einer geringeren Auslastung pro Jahr resultierten eine Verlängerung der Abschreibungsdauer und somit tiefere Abschreibungen pro Jahr. Bei motorisierten Maschinen (Traktoren und Mähdrescher) und Mähwerken wurde die Nutzungsdauer um maximal 50 % angehoben, bei den übrigen Maschinen um maximal 100 %. Gleichzeitig erfolgte mit der Verlängerung der Nutzungsdauer nach Jahren eine proportionale Reduktion des Restwerts, womit dem Wertverlust der Maschine aufgrund des zunehmenden Alters Rechnung getragen wurde. Bei einer Verlängerung der Nutzungsdauer von 50 % und mehr wurde dementsprechend der Restwert unabhängig von der Auslastung gleich Null gesetzt. Falls die jährliche Auslastung der Maschine über dem Wert des Maschinenkostenberichts lag, wurde die Abschreibungsdauer entsprechend verkürzt. Gruppierung der Betriebszweige Da die Betriebszweige unterschiedliche Arbeitseinheiten (Stunden, Hektaren, Kleinballen, Rundballen und Fuhren) aufweisen, gilt es eine vergleichbare Bezugsgrösse

354

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 352–357, 2014

zu definieren. Im Hinblick auf den Quervergleich der Betriebszweige wird dazu die Rohleistung verwendet (z.B. Maschinenkosten pro Fr. 10 000.– Rohleistung). Die Betriebszweige werden aufgrund ihrer Ähnlichkeit in Gruppen gegliedert. Dazu erfolgt eine einfache Addition der Rohleistungen als auch der Kosten. Implizit erfolgt damit eine Gewichtung der einzelnen Betriebszweigbeobachtungen nach der Rohleistung, was gewollt ist und eine Gleichbehandlung von Betriebszweigen mit unterschiedlichen Rohleistungen verhindert.

Resultate Die insgesamt 30 Vollkostenkalkulationen sind in sieben Gruppen gegliedert: Ballenpressen (4 Betriebszweige), Mähdrusch (2), Pflanzenschutz (Ackerbau, Obst- und Rebbau; 3), Saat (6), Transport/Logistik (5), Winterdienst (6) und Diverses (4). Transport/Logistik umfasst den Transport von Kleinballen und Holzschnitzeln sowie Arbeiten mit dem Teleskoplader. Der Winterdienst beinhaltet das Schneeräumen und Streuen. Die Restgruppe Diverses umfasst das Mähen, Maissilieren, Mulcharbeiten sowie das Holzhäckseln, wobei jeweils nur eine Beobachtung vorliegt. Die befragten Betriebe wiesen zwischen zwei und sechs Lohnarbeits-Betriebszweige auf. Im Durchschnitt lagen 3,25 Betriebszweige vor. In Tabelle 2 sind die Vollkosten jeweils pro Fr. 10 000.– Rohleistung, der resultierende Gewinn sowie die realisierte Arbeitsverwertung (Stundenlohn) dargestellt. Letztere ergibt sich, wenn für die Arbeit keine Opportunitätskosten angenommen werden und man stattdessen


Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten | Agrarwirtschaft

Tab. 2 | Vollkostenkalkulationen pro Fr. 10 000.– Rohleistung Ballenpressen

Mähdrusch

Pflanzenschutz

Saat

Transport

Winterdienst

Diverse

Alle

Anzahl Betriebszweige

4

2

3

6

5

6

4

30

Prozentuale Auslastung**

75

108

90

75

95

65

115

83

Fr.

%*

Fr.

%*

Fr.

%*

Fr.

%*

Fr.

%*

Fr.

%*

Fr.

%*

Fr.

%*

Rohleistung (Erlös)

10 000

Abschreibungen

3436

25,6

3506

39

2127

27,7

2154

27,8

2125

23,3

1427

24,1

2035

25,7

2351

29,1

Zinskosten

775

5,8

806

9

555

7,2

532

6,9

598

6,6

374

6,3

474

6

574

7,1

Gebäudekosten

604

4,5

323

3,6

101

1,3

191

2,5

574

6,3

84

1,4

157

2

252

3,1

Versicherung & Gebühren

429

3,2

294

3,3

285

3,7

172

2,2

212

2,3

194

3,3

247

3,1

242

3

Fixkosten

5244

39,1

4929

54,8

3069

40

3049

39,4

3510

38,5

2079

35,1

2913

36,8

3420

42,4

Reparaturen und Unterhalt

1892

14,1

1096

12,2

1007

13,1

1243

16

1460

16

570

9,6

1137

14,4

1072

13,3

Treib- & Schmierstoffe

2472

18,4

1841

20,5

973

12,7

1504

19,4

1344

14,7

1286

21,7

1188

15

1490

18,5

Arbeit in AKh

136

40

93

70

100

71

96

davon Rüst- und Wegzeiten

35

10

22

9

17

3

9

Arbeit in Fr.

3807

10 000

28,4

1120

10 000

12,5

10 000

2618

34,1

1949

10 000

25,2

2804

10 000

30,8

1990

10 000

33,6

2677

10 000

75 11 33,8

2091

25,9

davon Rüst- und Wegzeiten

986

7,4

292

3,3

620

8,1

251

3,2

473

5,2

95

1,6

260

3,3

314

3,9

Variable Kosten

8172

60,9

4058

45,2

4598

60

4695

60,6

5608

61,5

3846

64,9

5002

63,2

4654

57,6

Totale Kosten

13 416

8986

7667

7745

9118

5925

7914

8073

Gewinn

-3416

1014

2333

2255

882

4075

2086

1927

3

53

53

60

37

85

50

54

Arbeitsver­wertung in Fr./AKh***

Anteil an den Gesamtkosten Auslastung der involvierten Maschinen im Vergleich zu der im Maschinenkostenbericht angegebenen Auslastung (in Prozent). In verschiedenen Betriebszweigen vorkommende Maschinen werden mehrfach berücksichtigt. Der Mittelwert (letzte Spalte) beruht auf ungewichteten Werten, wobei jede Maschine nur einmal berücksichtigt wird. *** AKh = Arbeitskraftstunde *

**

den Gewinn (ohne Arbeitskosten) durch die Anzahl Arbeitsstunden dividiert. Mit Ausnahme des Ballenpressens weisen alle Gruppen eine Arbeitsverwertung von Fr. 37.– pro Stunde oder mehr aus, was deutlich über den Opportunitätskosten liegt. Entsprechend ist der Gewinn dieser Gruppen grösser als Null. Der Kostenanteil der Fixkosten bewegt sich in einem Bereich zwischen 35 % und 42 %. Die Ausnahme dabei stellt der Mähdrusch mit 55 % dar. Auf die Arbeit entfällt ein Kostenanteil zwischen 25 % und 34 %. Wiederum stellt der Mähdrusch mit rund 13 % die Ausnahme dar. Das Ballenpressen weist auf Fr. 10 000.– Rohleistung einen kalkulatorischen Verlust von Fr. 3416.– aus, unter Annahme der Opportunitätskosten für die Arbeit. Die effektive Arbeitsverwertung beträgt Fr. 3.– pro Stunde, wobei es sich dabei um den gewichteten Durchschnitt aus negativer Arbeitsverwertung beim Kleinballenpressen und aus positiver Arbeitsverwertung beim Rundballenpressen handelt. Wichtige Gründe für dieses Ergebnis sind die tiefen Auslastungen der Kleinballenpressen und die Zeit für Rüsten und Anfahrt (Wegzeit), die zusammen rund ein Viertel der gesamten Arbeitszeit

ausmachen. Letztere sind auch die Folge der kleinen Parzellengrössen. Beim Mähdrusch ist Vorsicht bei der Ergebnisinterpretation angezeigt, da nur zwei Betriebszweige zur Verfügung standen, die sich zudem stark unterschieden. Der eine Betrieb mit hoher Auslastung erzielte mit Fr. 65.– pro Stunde eine ungleich höhere Arbeitsver­ wertung als der zweite Betrieb mit vergleichsweise tiefer Auslastung – dieser verdiente lediglich Fr. 15.– pro Stunde. Im nach Rohleistung gewichteten Schnitt machen die Fixkosten – zum grössten Teil verursacht durch hohe Abschreibungen – über die Hälfte der Gesamtkosten aus (Tab. 2). Wie auch beim Ballenpressen verursachen Rüst- und Wegzeiten rund ein Viertel der gesamten Arbeitszeit. Im Bereich des Pflanzenschutzes übernimmt ein Betriebsleiter zusätzlich zur reinen Feldarbeit auch unliebsame Arbeiten im Umgang mit den Chemikalien. Somit wird eine komplette Dienstleistung aus einer Hand angeboten: Einkauf, Lagerung, Ausbringung und die aufwändige Entsorgung allfälliger Reste (diese Arbeiten erscheinen in Tabelle 2 unter der Rubrik «Anfahrt»). Dies erhöht zwar den Arbeitsaufwand, 

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355


Agrarwirtschaft | Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten

rechtfertigt jedoch auch höhere Preise und ist ein wichtiges Verkaufsargument. Die Arbeitsverwertung ist mit Fr. 53.– pro Stunde attraktiv. Die Kostenstruktur weist mit 34 % den höchsten Anteil der Arbeit unter allen untersuchten Gruppen auf. Die Saat umfasst sowohl Einzelkornsämaschinen als auch Säkombinationen. Die Kosten­ struktur und die Rentabilität sind ähnlich wie bei den Arbeiten im Pflanzenschutz. Der Arbeitseinsatz wird mit Fr. 60.– pro Stunde abgegolten. Lohnarbeiten im Bereich von Transport und Logistik erweisen sich als unterschiedlich rentabel, was die Unterschiede zwischen den fünf betroffenen Betriebe aufzeigen. Während mit dem Kleinballentransport nur geringe oder sogar negative Arbeitsverwertungen resultieren, wird mit dem Einsatz von (Mulden-)Kippern für den Holzschnitzeltransport deutlich besser verdient. Dies liegt vor allem an der nicht-landwirtschaftlichen Kundschaft (Gemeinde und Private), die eine gute Entschädigung bezahlt. Auch der Einsatz des Teleskopladers erfolgt grösstenteils für einen nichtlandwirtschaftlichen Kunden (Schreinerei). Die gewichtete Arbeitsverwertung liegt bei Fr. 37.– pro Stunde. Mit Fr. 85.– pro Stunde resultiert die höchste Arbeitsverwertung im Winterdienst (Tab. 2), die damit deutlich über dem in den Verrechnungsansätzen für Schneeräumungsarbeiten genannten mittleren Ansatz von Fr. 65.– pro Stunde liegt (Gazzarin 2013). Durch hohe jährliche Traktorenauslastungen, auch dank des Winterdiensts, und relativ tiefer Anschaffungskosten für Schneepflug und Salzstreuer liegen die tatsächlichen Maschinen­ kosten aber gleichzeitig unter den von Gazzarin (2013) empfohlenen Verrechnungsansätzen für Schneeräumarbeiten. Die Gruppe «Diverses» weist eine ähnliche Kostenstruktur wie Pflanzenschutz oder Saat auf. Die Arbeitsverwertung beträgt Fr. 50.– pro Stunde. Das nach Rohleistung gewichtete Mittel aller 30 Betriebszweigbeobachtungen ergibt eine Arbeitsverwertung von Fr. 54.– pro Stunde. Es gilt zu beachten, dass bei diesem gewichteten Durchschnitt diejenigen Betriebszweigbeobachtungen einen stärkeren Einfluss haben, die ihre Maschinen besser auslasten, damit auch mehr Rohleistung erzielen, tiefere Fixkosten pro Arbeitseinheit aufweisen und schliesslich höhere Arbeitsverwertungen aufweisen. Das nicht gewichtete Mittel beträgt rund Fr. 50.– pro Stunde. Ergänzend zu den Kosten-/Leistungsrechnungen wurden die verwendeten Maschinen näher betrachtet. Dabei zeigte sich, dass die mittlere Auslastung der Maschinen im Vergleich zum Maschinenkostenbericht bei 83 % liegt. Das bedeutet, dass die Maschinen trotz

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überbetrieblichem Maschineneinsatz nicht vollständig ausgelastet werden, obwohl sie knapp zur Hälfte (49 %) für Lohnarbeit oder Vermietung eingesetzt werden. Weiter lässt sich festhalten, dass bezüglich Einsatzzweck zwei unterschiedliche Zielsetzungen beobachtet werden können. Einerseits wurden Maschinen mit dem Ziel beschafft, Lohnarbeiten auszuführen (z.B. Mähdrescher). Entsprechend gering ist der Anteil des Eigengebrauchs an der Gesamtauslastung. Andererseits gibt es Maschinen, die in erster Linie für den Einsatz auf dem eigenen Betrieb gekauft wurden und bei denen der überbetriebliche Maschineneinsatz dazu dient, die Auslastung zu erhöhen und somit die Fixkosten pro Arbeitseinheit zu reduzieren (z.B. Traktor oder Pflug). Der Anteil des ausserbetrieblichen Einsatzes am gesamten Einsatz ist folglich bei diesen Maschinen eher tief.

Schlussfolgerungen Die Kosten-/Leistungsrechnungen für die sieben Gruppen von Lohnarbeiten weisen auf eine gute Rentabilität der untersuchten Betriebszweige hin. Mit Ausnahme des Ballenpressens können für alle anderen Betriebszweige Arbeitsverwertungen pro Stunde realisiert werden, die über den verwendeten Opportunitätskosten von Fr. 28.– pro Stunde liegen. Die beiden wichtigsten Einflussfaktoren auf den Verdienst sind dabei die Maschinenauslastung sowie der Anteil der Rüst- und Wegzeiten an der gesamten Arbeitszeit. Mit Ausnahme des Mähdrusches zeigt sich eine ähnliche Kostenstruktur, wobei rund 40 % auf die Fixkosten der Maschinen und je 30 % auf die Arbeit sowie auf übrige Kosten entfallen. Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte jedoch beachtet werden, dass die errechnete Abschreibungsdauer in vielen Fällen länger ist als in der Buchhaltung üblich, und die Abschreibungen wahrscheinlich in den wenigsten Fällen mit denjenigen in der Buchhaltung übereinstimmen. Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der eher geringen Anzahl von acht Fallstudien mit total 30 Betriebszweigen im Bereich Lohnarbeit. Die Untersuchung stellt einen ersten Beitrag bezüglich Rentabilität der Lohnarbeit in der Landwirtschaft dar, erlaubt es hingegen nicht, Schlussfolgerungen für die gesamte Lohnarbeit zu ziehen. Dazu wären zahlreichere Fallstudien sowie der Einbezug von weiteren Lohnarbeitstypen im Bereich Innenwirtschaft wie Beratungstätigkeit, Klauenschneiden sowie Saftpresse und -pasteurisierung notn wendig.


Contabilità a costi integrali per i lavori salariati Sulla base di otto imprese e di 30 osservazioni di rami aziendali, per sette gruppi di lavori salariati nell'am­ bito dell'economia esterna (quali produzione vegetale, trasporti/ logistica o servizio invernale) vengono contrapposti entrate e costi integrali al fine di determinare la redditività. A eccezione della pressatura di balle, per tutti i rami aziendali è possibile realizzare retribuzioni orarie netta­ mente superiori al costo opportunità di fr. 28.–/ora, risultato che indica generalmente una buona redditività. I principali fattori che influenzano tale calcolo sono dati dallo sfruttamento massimo dei macchinari nonché dalla percentuale di ore destinate alla preparazione delle macchine e agli ­spostamenti rispetto all'orario di lavoro complessivo. A eccezione della mietitrebbiatura, è possibile osservare una struttura dei costi simile in cui i costi fissi dei macchinari incidono per il 40 per cento, mentre il lavoro e gli altri costi variabili per il 30 per cento. Sebbene poco meno della metà sia utilizzata per i lavori salariati o per il noleggio, i macchinari esaminati sono sfruttati solo all'83 per cento se paragonati ai valori indicativi del rapporto sui costi dei macchinari.

Literatur ▪▪ Hausheer Schnider J., 2010. Wegleitung zum Merkmalskatalog der Zentralen Auswertung von Buchhaltungsdaten. Agroscope, Ettenhausen. ▪▪ Lips M. & Schmid D., 2013. Agrarische Diversifikation aus ökonomischer Sicht: Entwicklung auf den schweizerischen Landwirtschaftsbetrieben. In: Agrarische Diversifikation – rechtliche Aspekte von Agrotourismus bis Energieerzeugung (Hrsg. R. Norer), Tagungsband der 3. Luzerner Agrarrechtstagung 2012, Schriften zum Recht des ländlichen Raums, Band 7, Dike Verlag, Zürich, 19–29.

Summary

Riassunto

Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten | Agrarwirtschaft

Full-Cost calculations for contract work Based on eight farms and 30 observa­ tions of farm enterprises, the revenues for seven categories of contract employment in the outdoor-work sector such as Plant Production, Transport/Logistics and Winter Road Clearance are compared to the full costs in order to determine their cost-efficiency. Except for bale-press­ ing, labour utilisation (i.e. the resultant hourly wage) significantly exceeding the opportunity costs of CHF 28 per hour can be achieved for all farm enterprises, which in general indicates good cost-efficiency. The most impor­ tant influencing factors here are full utilisation of machinery and the proportion of total working time accounted for by set-up and travel times. With the exception of combineharvesting a comparable cost structure can be identified, with 40 per cent corresponding to the fixed costs of the machines and 30 per cent each corre­ sponding to labour and to other variable costs. Although just under half of the machines studied are used for contract work or hired out, they are only used to 83 per cent capacity compared to the reference values of the Machine Costs report. Key words: agricultural related activities, machinery, contractor.

▪▪ Gazzarin Ch. & Lips M., 2013. Maschinenkostenbericht 2013. ART-Bericht Nr. 767, Agroscope, Ettenhausen. ▪▪ Gazzarin Ch., 2013. Verrechnungsansätze für Schneeräumarbeiten. ­A groscope, Ettenhausen. Zugang: http://www.agrartechnik.ch/file/ downloads/Schneer%C3%A4umungen13_d.pdf [25.04.2014].

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P f l a n z e n b a u

Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne Rainer Frick1, Eric Mosimann1, Philippe Aebi1, Daniel Suter2 und Hans-Ueli Hirschi2 1 Institut für Nutztierwissenschaften INT, Agroscope, 1725 Posieux, Schweiz 2 Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, Agroscope, 8046 Zürich, Schweiz Auskünfte: Rainer Frick, E-Mail: rainer.frick@agroscope.admin.ch

Abb. 1 | Die Luzerne erreicht in Tallagen das Stadium der Vollblüte zwischen dem 1. und dem 15. Juni.

Einleitung Die Luzerne ist weltweit eine der wichtigsten Futterpflanzen. Sie umfasst zwei botanische Arten und ihre Hybride, welche sich ursprünglich von Persien einerseits über den Mittelmeerraum nach Spanien und Frankreich (Medicago sativa L.) und anderseits über Südsibirien und Skandinavien nach Nordeuropa (Medicago falcata L.) ausgebreitet haben. Die meisten in unseren Breitengraden kultivierten Sorten sind vom flämischen Typ, einem Hybrid, der spontan dort entstanden ist, wo sich die Verbreitungsgebiete von Medicago sativa und Medicago

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falcata überschneiden. Diese in der Regel violett blühenden Luzernesorten haben mehrheitlich die morphologischen Eigenschaften der Sativa-Art behalten, das heisst einen hohen Wuchs, kräftige Stängel und ausgeprägte Pfahlwurzeln. Letztere verleiht ihr eine hohe Trockenheitstoleranz. Die verhältnismässig gute Frosthärte wurde ihnen von Medicago falcata vererbt. Neben dem flämischen Typ gibt es auch den Typ Provence und die Italienische Luzerne. Die Sorten dieser beiden Typen haben einen niedrigeren Wuchs, feinere Stängel und liefern geringere Erträge (Nösberger und Opitz von Boberfeld 1987; Mauries, 1994; Mosimann et al. 1995).


Die Luzerne ist in der Schweiz die ertragreichste Futterpflanze. Wenn die meisten anderen Futterpflanzenarten ihr Wachstum wegen Wassermangels bereits eingestellt haben, liefern leistungsfähige Luzernesorten unter guten Anbaubedingungen jährliche TS-Erträge von bis zu 20 Tonnen pro Hektare (Mosimann et al. 2001). In trockenen und warmen Gebieten, wie beispielsweise entlang des Juras, im Wallis oder in südexponierten Lagen, kann sie deshalb ihr hohes Ertragspotenzial am besten ausschöpfen. Bei Nutzung im optimalen Stadium, das heisst bei Blühbeginn, resultieren sehr hohe Eiweisserträge pro Flächeneinheit. Aufgrund der hohen Zellulosegehalte bietet die Luzerne in der Fütterung viele Vorteile, beispielsweise als Ergänzung zu eher strukturarmen und energiereichen Futtermitteln (Anwelk­ silage, Emd, Mais). Dank der symbiontischen N-Fixierung hinterlässt sie beträchtliche Mengen an Stickstoff im Boden; zudem sorgen ihre Pfahlwurzeln für eine gute Bodenstruktur. Die Luzerne bevorzugt einen durchlässigen, tiefgründigen, kalkhaltigen und nährstoffreichen Boden. Staunässe und saure Böden erträgt sie nicht. Eine Saatgutimpfung mit Knöllchenbakterien wird empfohlen, wenn der pH-Wert unter 6,5 liegt oder wenn während der letzten fünf Jahre keine Luzerne auf dem Grundstück angebaut wurde. Zur Sicherung einer genügenden Ausdauer ist es wichtig, die Luzerne beim dritten Aufwuchs abblühen zu lassen und das Mähwerk nicht zu tief  einzustellen (Stoppelhöhe über 8 cm).

Zusammenfassung

Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne | Pflanzenbau

In den Jahren 2011 bis 2013 prüfte Agroscope 36 Sorten Luzerne (Medicago sativa L.) in Sortenversuchen an fünf verschiedenen Standorten auf ihre Anbaueignung. Die Saaten erfolgten sowohl in Reinsaat als auch in Mischung mit Gräsern. Dabei untersuchte Agroscope folgende Eigenschaften: TS-Ertrag, Jugendentwicklung, Bestandesgüte, Entwick­ lung im Frühjahr, Standfestigkeit, Konkur­ renzkraft, Ausdauer, Verdaulichkeit, Krank­ heitsresistenz (Blattkrankheiten und Luzernewelke), Stängelbeschaffenheit und Anbaueignung für höhere Lagen. Um die Sorten bewerten und miteinander verglei­ chen zu können, berechneten wir für jede Sorte einen Indexwert, der dem Durchschnitt aller erhobenen Parameter entspricht. Vier Neuzüchtungen (Catera, Eride, Artemis und Gea) erzielten im Vergleich zum Standard überdurchschnittliche Ergebnisse und werden neu in die Liste der empfohlenen Sorten für Futterpflanzen aufgenommen. Die bisher empfohlene Sorte Vanda verliert aufgrund ihrer schlechten Stängelbeschaffenheit ihre Empfehlung und wird nur noch bis Ende 2016 für die Verwendung in Standardmischungen verfügbar sein.

Abb. 2 | Sortenversuch mit Luzerne in Reinsaat in Changins im dritten Versuchsjahr.

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Pflanzenbau | Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne

Tab. 1 | Orte und Daten der im Jahre 2013 abgeschlossenen Sortenversuche mit Luzerne

Ort

Anzahl Wiederholungen

Höhe (m ü.M.)

Sädatum

Changins, VD

430

12/04/2011

3+1*

2

Reinsaat

1)

Mischung

Ertragserhebungen 2)

2012

2013

5

5 –

Oensingen, SO

460

11/04/2011

4

3

4

Ellighausen, TG

520

15/04/2011

4

3

4

4

Goumoëns, VD

630

13/04/2011

3

0

5

4

Bassins, VD

840

12/08/2011

3

3

Frühreifeerhebung 1) Reinsaaten: 250 g/are Luzerne (Sorte «Robot» als Standard für die Saatmenge) 2) Mischungen: 150 g/are Luzerne (Sorte «Robot» als Standard für die Saatmenge) + 60 g/are Knaulgras «Prato» + 60 g/are Bastard-Raigras «Dorcas» *

Da Luzerne-Gras-Mischungen in der botanischen Zusammensetzung stabiler sind als Reinbestände von Luzerne, werden in der Schweiz Ansaaten von geeigneten Mischungen mit Luzerne, Weissklee und Gräsern empfohlen (Standardmischungen SM 320, 323 und 325). In sehr günstigen Lagen für Luzerne können auch einfache Mischungen wie zum Beispiel Luzerne-Knaulgras oder Luzerne-Rohrschwingel mit Erfolg gesät werden. Die Beibehaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen der Luzerne und den Gräsern über eine Dauer von drei Jahren ist in der Praxis nicht immer einfach. Die Bewirtschaftung des Bestandes (Schnitthäufigkeit und Düngung) hat dabei einen bedeutenden Einfluss (Suter et al. 2012b).

jeder Wiederholung pro Parzelle eine Stichprobe von 20 Stängeln gezogen (Schnitthöhe 5 cm). Mit einer Messlehre wird 4 cm oberhalb der Schnittfläche die Stängeldicke gemessen. Ein weiteres Kriterium bildet die Verdaulichkeit der organischen Substanz (VOS), deren Werte mit der Nahinfrarot-Reflexionsspektroskopie NIRS (Norris et al. 1976) ermittelt und mit der Pansensaftmethode nach Tilley und Terry (1963) validiert wurden. Das Pflanzenmaterial dazu stammte aus Stichproben, die am Standort Ellighausen im ersten, zweiten und dritten Aufwuchs des zweiten Versuchsjahres (2012) gezogen worden waren. Die Ermittlung der Konkurrenzkraft erfolgte 

Material und Methoden In den Jahren 2011 bis 2013 prüfte Agroscope an insgesamt fünf Standorten in vergleichenden Sortenversuchen 36 Sorten Luzerne auf ihre Anbaueigenschaften. Die Saaten erfolgten mit Ausnahme des Standortes in Bassins im Frühjahr. Die Tabelle 1 macht nähere Angaben über Standorte, Saattermine und Ernteerhebungen. Die zu prüfenden Sorten säte man in Parzellen von 9 m2 Grösse in Reinkultur und in einfacher Mischung mit Knaulgras und Bastard-Raigras. Die Reinsaaten erhielten keinen Stickstoff, die Gemenge wurden nach jedem Schnitt mit 30 kg N/ha gedüngt. An den Reinbeständen führten wir Beobachtungen der Jugendentwicklung, der Bestandesgüte (allgemeiner Eindruck, Bestandesdichte, Nachwuchsvermögen), der Resistenz gegen Krankheiten (Blattkrankheiten und Luzernewelke), dem Wiederaustrieb im Frühjahr, der Standfestigkeit, der Stängelbeschaffenheit, der Anbaueignung für höhere Lagen und der Ausdauer durch. Die Stängelbeschaffenheit wird im zweiten und dritten Versuchsjahr jeweils im zweiten Aufwuchs ermittelt. Dazu wird an jedem Standort und in

360

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014

Abb. 3 | Die durch den Pilz Verticillium alboatrum hervorgerufene Luzernewelke kann im Sommer und Herbst das Wachstum stark ­b eeinträchtigen.


Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne | Pflanzenbau

Tab. 2 | Herkunft, Frühreife-Index und Kategorieeinteilung der geprüften Sorten von Luzerne

Nr.

Sortenname

Antragsteller

Frühreife-Index1)

Kategorie2)

1

Timbale

GIE Grass, FR

61b

1

2

Cannelle

R2n, FR

61b

1

3

Fraver

Schmidt-Gambazza, FR

62a

1

4

Sanditi

Barenbrug, NL

61b

1

5

Robot

CRA-FLC, IT

61b

1

6

Vanda

SCPV VÚRV, SK

61b

7

Catera

SZ-Steinach, DE

61b

1

8

Eride

Continental, IT

61a

1

9

Artemis

Barenbrug, NL

61a

1

10

Gea

Continental, IT

61a

1

11

Azzurra

SIS, IT

61b

3

12

Fleetwood

SZ-Steinach, DE

61b

3

13

Voie Lacteé

Jouffray-Drillaud, FR

61b

3

14

Frigos

Padana, IT

62a

3

15

Galaxie

Jouffray-Drillaud, FR

62a

3

2/3

16

Sandra

Euro Grass, DE

62a

3

17

Rachel

Caussade, FR

61a

3

18

Costanza

Semfor, IT

61a

3

19

Alexis

Barenbrug, NL

61a

3

20

Felicia

Jouffray-Drillaud, FR

61b

3

21

Salsa

Semences Vertes, FR

61b

3

22

Sovrana

Sivam, IT

62a

3

23

Prosementi Bologna

fenaco, CH

62a

3

24

Giulia

Mediterranea, IT

61b

3

25

Carélite

Carneau, FR

61b

3

26

Fusion

Schmidt-Gambazza, FR

61b

3

27

Roxana

Euro Grass, DE

62a

3

28

Plato

Freudenberger, DE

61b

3

29

Minerva

fenaco, CH

61b

3

30

Premariacco

Mediterranea, IT

62a

3

31

Medoc

Jouffray-Drillaud, FR

62a

3

32

Neptune

Carneau, FR

61b

3

33

Exquise

Caussade, FR

61a

3 3

34

Madalina

Euro Grass, DE

62a

35

Fiesta

Schmidt-Gambazza, FR

62a

4

36

Kamila

NPZ-Lembke, DE

62a

4

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten 1) Frühreife-Index: Die erste Ziffer bezeichnet den Monat, die zweite Ziffer die Dekade; a bezeichnet die erste, b die zweite Hälfte der Dekade. Beispiel: 61a = 01. – 05. Juni 2) Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen: Kategorie 1: In der Schweiz in der «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» geführt Kategorie 2/3: Sorte vom 1. Januar 2017 an nicht mehr empfohlen Kategorie 3: Nicht empfohlen. Zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte Eigenschaften aus Kategorie 4: Nicht empfohlen. Eignet sich nicht für den Anbau in der Schweiz

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014

361


Pflanzenbau | Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne

Abb. 4 | Die dreijährigen Luzerne-Gras-Mischungen liefern auch in Trockenperioden Futter mit hohen Eiweiss- und Rohfasergehalten.

in den Gemengen mit Gräsern. Dazu schätzte man den prozentualen Anteil der zu prüfenden Luzernesorte am Gesamtertrag des Gemenges, woraus sich die Note für die Konkurrenzkraft nach folgender Formel berechnen lässt: Konkurrenzkraft = 9 – 0,08 × Ertragsanteil in %. Phänologische Beobachtungen in separat angelegten Reinsaaten dienten ausserdem der Bestimmung der Frühreife der einzelnen Sorten. Diese führte man am Standort Changins im zweiten und dritten Versuchsjahr durch. Für die Bonituren verwendete man eine neunstufige Notenskala, wobei die Eins die beste und die neun die schlechteste Note darstellt. Um die Jahreserträge, die Stängeldicke und die Verdaulichkeit in die gleiche Bewertung einbeziehen zu können, wurden die erhobenen Werte dieser drei Kriterien einer Varianzanalyse unterzogen und mit Hilfe statistischer Methoden in Noten von 1 bis 9 umgerechnet.

Resultate Vergleich der geprüften Sorten Die Klassierung der 36 geprüften Luzernesorten (Tab. 2) erfolgt aufgrund der sogenannten Indexwerte, welche den Durchschnitt aller geprüften Merkmale (Tab. 3) zusammenfassen und aufgrund derer sich die verschie-

362

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014

denen Sorten untereinander vergleichen lassen. Je tiefer der Indexwert ist, desto besser ist die Sorte unter Berücksichtigung aller geprüften Eigenschaften. Die je nach Pflanzenart wichtigsten Kriterien werden zur Berechnung des Index doppelt gewichtet. Bei der Luzerne sind dies der TS-Ertrag, die Güte, die Resistenz gegen die Luzernewelke und die Stängelbeschaffenheit. Alle übrigen Kriterien sind nur einfach gewichtet. Eine neue Sorte kann empfohlen werden, wenn ihr Index den Mittelwert der mit geprüften Standardsorten um mindestens 0,20 Punkte unterschreitet (tieferer Wert = besser). Eine bis anhin empfohlene Sorte wird aus der Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen gestrichen, wenn ihr Index denjenigen des Standards um mehr als 0,20 Punkte übertrifft. Ausserdem kann eine Sorte nicht empfohlen werden, wenn sie in einem einzelnen, wichtigen Merkmal den Standard um 1,50 Punkte oder mehr überschreitet. Vier Neuzüchtungen schafften den Sprung Unter den 30 neu geprüften Sorten weisen deren vier (Catera, Eride, Artemis und Gea) einen Index auf, der den Mittelwert der Standardsorten um mehr als 0,2 Punkte unterschreitet (Tab. 3). Den besten Index aller geprüften Sorten erzielte die Neuzüchtung Catera, dies vor allem dank hervorragender Werte für die Standfestigkeit und die Beschaffenheit der Stängel. Auch bei der VOS ist sie unter den besten Sorten. Eher mittelmässig sind dagegen die Ertragsleistung sowie die Wachstumsentwicklung 


Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne | Pflanzenbau

Entwicklung im Frühjahr

Blattkrankheiten

Luzernewelke*

3,8

3,4

5,0

5,0

4,9

2,8

2,0

4,7

4,0

3,5

3,7

3,91

5,0

3,6

3,3

5,1

4,2

4,7

3,1

1,9

4,3

5,3

4,3

3,9

3,96

3

Fraver

5,0

3,8

4,4

5,6

4,8

5,0

2,8

1,6

4,7

1,3

5,0

4,1

3,97

4

Sanditi

4,9

3,4

3,2

4,7

4,4

4,4

3,0

2,3

4,7

4,4

5,3

3,7

4,00

5

Robot

4,8

2,8

2,7

4,6

3,3

3,8

2,9

1,7

5,3

8,0

6,8

2,9

4,10

6

Vanda

4,8

3,1

3,3

4,8

4,4

4,5

3,2

2,2

4,7

4,5

7,0

3,7

4,19

5,0

3,4

3,4

5,0

4,4

4,6

2,9

1,9

4,7

4,6

5,3

3,6

4,02

Mittel (Standard)

Indexwert

Ausdauer

Anbaueignung für höhere Lagen

Konkurrenz-kraft

Beschaffenheit des Stengels*

Jugendentwicklung

5,3

Standfestigkeit

Güte*

Timbale Cannelle

VOS2)

Ertrag1)*

1 2

Nr.

Sortenname

Resistenzen/ Toleranzen:

Tab. 3 | Sortenprüfung mit Luzerne: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2011 bis 2013

7

Catera

5,4

3,2

3,8

4,9

4,2

5,3

3,1

2,0

4,3

1,9

1,5

3,2

3,44

8

Eride

5,2

3,1

3,5

4,8

3,8

4,5

2,8

1,9

5,3

1,3

5,5

3,2

3,77

9

Artemis

4,7

3,0

3,5

4,6

3,1

4,4

2,6

1,5

5,0

3,5

5,8

3,8

3,78

10

Gea

4,0

2,5

2,8

4,3

3,0

3,6

3,1

2,9

5,7

6,0

5,3

3,0

3,79 3,91

11

Azzurra

4,5

2,4

2,8

4,1

3,7

3,7

2,9

2,7

5,3

7,4

5,5

2,4

12

Fleetwood

6,3

3,5

3,8

5,3

4,4

5,8

3,1

2,5

4,3

3,9

1,8

3,9

3,92

13

Voie Lacteé

4,6

3,3

3,7

4,7

3,8

4,8

2,8

1,6

5,3

4,8

5,0

4,1

3,94 3,96

14

Frigos

4,7

2,8

2,5

3,8

3,7

4,1

3,6

2,4

6,0

8,5

4,5

2,6

15

Galaxie

4,9

3,5

3,8

4,9

4,3

4,6

3,1

1,7

5,0

4,0

5,0

3,7

3,98

16

Sandra

5,7

4,1

4,0

5,0

4,4

5,2

2,6

1,7

5,3

5,8

2,0

4,7

3,99

17

Rachel

5,1

3,6

3,5

4,5

4,2

4,9

2,9

1,8

5,0

4,5

4,8

4,0

4,00

18

Costanza

4,7

2,4

2,3

4,1

3,6

3,2

2,8

2,4

6,7

8,0

6,3

1,9

4,00

19

Alexis

4,6

3,4

3,0

4,4

3,7

4,5

2,8

1,6

5,0

5,3

6,0

4,3

4,01

20

Felicia

4,4

3,9

3,9

4,9

4,8

4,7

2,5

1,7

4,0

4,8

5,0

4,9

4,03

21

Salsa

5,8

3,7

3,6

5,3

4,6

5,1

3,4

2,1

5,0

1,3

5,0

3,7

4,05

22

Sovrana

4,5

2,8

2,7

4,2

3,8

3,7

3,0

2,4

5,7

8,4

5,5

3,3

4,08

23

Prosementi Bologna

4,5

2,9

2,7

4,2

3,8

4,2

3,6

2,4

5,3

7,5

5,8

2,7

4,08

24

Giulia

4,5

3,2

2,8

4,5

3,9

4,2

3,4

2,6

6,3

8,0

4,3

3,3

4,09

25

Carélite

5,8

4,0

3,8

5,4

4,7

5,1

3,3

2,0

5,0

2,9

4,3

4,3

4,14

26

Fusion

5,5

4,2

4,0

5,1

4,6

5,3

2,9

1,6

3,7

4,5

4,5

5,0

4,18

27

Roxana

5,1

3,7

3,6

4,9

4,2

4,9

2,9

1,5

4,7

6,9

5,3

3,8

4,20

28

Plato

5,4

4,0

3,8

5,2

4,5

5,3

3,2

2,0

4,3

4,9

4,5

4,3

4,20

29

Minerva

4,4

3,0

3,2

4,2

3,6

4,1

2,8

2,1

6,3

7,8

6,5

3,3

4,20

30

Premariacco

5,0

3,0

3,2

4,0

3,5

4,2

3,1

2,5

5,7

8,0

6,0

2,8

4,21

31

Medoc

4,7

3,9

3,6

5,2

4,5

5,1

2,9

1,7

5,0

7,5

4,5

4,4

4,23

32

Neptune

5,7

3,7

3,9

5,3

4,6

5,2

3,3

2,0

5,0

3,1

5,5

3,9

4,26 4,30

33

Exquise

5,3

3,6

3,6

4,6

4,4

4,8

3,9

2,4

4,3

4,0

6,5

3,4

34

Madalina

5,6

3,9

3,9

4,8

4,8

5,1

3,1

2,1

4,7

5,5

4,8

4,3

4,31

35

Fiesta

5,2

4,8

6,0

6,0

5,9

5,9

2,6

1,8

3,0

2,0

4,5

6,1

4,37

36

Kamila

5,1

3,5

3,5

4,6

5,0

4,9

3,7

2,3

4,7

5,5

7,5

4,1

4,56

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten Notenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht 1) Ertragsnoten: Jahresertrag von 4 bis 5 Erhebungen, 2012: 4 Versuchsstandorte, 2013: 3 Versuchsstandorte 2) VOS = Verdauliche organische Substanz: Mittel von 3 Terminen im Jahre 2012, Standort Ellighausen * Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014

363


Pflanzenbau | Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne

nach der Saat und im Frühling. Eride verfügt über eine gute Ausdauer und eine hervorragende Standfestigkeit, welche nur von der Standardsorte Fraver in gleicher Qualität erreicht wurde. Eher mittelmässig schneidet Eride im TS-Ertrag und bei der Verdaulichkeit ab. Die Sorte Arte­ mis, eine weitere interessante Neuzüchtung, überzeugt einerseits durch eine sehr gute Ausdauer und hohe Erträge, andererseits durch eine gute Resistenz gegen Luzernewelke und Blattkrankheiten. Zudem verfügt sie über eine gute Standfestigkeit. Eride und Artemis haben sehr ähnliche Eigenschaften. Gea, die vierte Neuzüchtung mit Empfehlung, erzielte in vielen Eigenschaften sehr gute Ergebnisse: TS-Ertrag, Güte, Konkurrenzkraft, Ausdauer, Jugendentwicklung und Höhentauglichkeit. Da die Sorte im Frühling sehr schnell wieder austreibt, ist sie, besonders in Muldenlagen, anfällig auf Frostschäden. Dagegen schnitt sie hinsichtlich Standfestigkeit, Verdaulichkeit und Resistenz gegen Luzernewelke unterdurchschnittlich ab. Auch andere Neuzüchtungen zeigten, obwohl sie die Anforderungen für eine Empfehlung nicht ganz erfüllen konnten, interessante Ergebnisse. Zu erwähnen sind beispielsweise die Sorten Azzurra und Fri­ gos, die ähnliche Eigenschaften wie Gea aufweisen, aufgrund einer schlechten Standfestigkeit die Empfehlung aber nicht schafften. Voie Lactée überzeugte durch hohe Erträge und eine hohe Resistenz gegen Luzernewelke, schnitt aber in den übrigen Kriterien zu wenig gut ab. Die Sorte Fleetwood schliesslich überzeugte durch eine sehr gute Stängelbeschaffenheit, wies aber zu geringe Erträge auf. Standardsorten: Vanda ab 2017 nicht mehr empfohlen Betrachtet man die Ergebnisse bezüglich dem Gesamtindex, stellt man fest, dass die geprüften Sorten relativ wenig voneinander abweichen, liegen doch die erzielten Indexwerte, mit Ausnahme der beiden Neuzüchtungen Fiesta und Kamila, innerhalb einer Spannbreite von lediglich 0,4 Punkten. Dennoch verliert eine Standardsorte, nämlich Vanda, ihre Empfehlung. Zwar erfüllt sie die Anforderungen hinsichtlich Gesamtindex, weist jedoch in der Stängelbeschaffenheit mit 7,0 einen Wert auf, der den Mittelwert der Standardsorten um mehr als 1,5 Punkte übertrifft (Tab. 3). Auch die Sorte Robot verfügt über schlechte Stängeleigenschaften, kann sich aber diesbezüglich noch knapp behaupten. Robot zeichnet sich ausserdem durch eine schlechte Standfestigkeit aus und gehört in dieser Hinsicht zu den schlechtesten aller geprüften Sorten. In vielen wichtigen Eigenschaften wie Ertrag, Güte, Konkurrenzkraft, Jugendentwicklung und Resistenz gegen Luzernewelke schneidet sie aber nach wie vor sehr gut ab, weshalb sie trotz nicht erfüllter Anforderung bei der Standfestigkeit auf der

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Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014

Liste der empfohlenen Sorten beibehalten wird. Die Sorte Timbale hat im Vergleich mit Robot eher umgekehrte Eigenschaften: mittelmässige Erträge und Ausdauer, dafür eine gute Standfestigkeit und feine Stängel. Mit Ausnahme von Robot verfügen alle sechs Standardsorten über sehr gute Verdaulichkeitswerte.

Schlussfolgerungen ••Aus den Ergebnissen der Sortenprüfung mit Luzerne der Jahre 2011 bis 2013 lassen sich folgende Schlüsse und Konsequenzen ziehen: ••Die 36 geprüften Sorten Luzerne lieferten insgesamt sehr ausgeglichene Ergebnisse. Damit bestätigt sich der hohe Züchtungsfortschritt dieser für den Kunstfutterbau wichtigen Leguminosen-Art. ••Die grössten Sortenunterschiede bestehen vor allem in den beiden Eigenschaften Standfestigkeit und Stängelbeschaffenheit. ••Die seit 2001 empfohlene Sorte Vanda wird aufgrund ihrer schlechten Stängelbeschaffenheit von der Liste der empfohlenen Sorten für Futterpflanzen gestrichen und verbleibt für den Gebrauch in Standardmischungen nur noch bis Ende 2016 im Handel. ••Vier Neuzüchtungen, nämlich Catera, Eride, Artemis und Gea, erfüllen aufgrund ihrer Ergebnisse die Anforderungen der Sortenprüfung und werden neu in die Liste der empfohlenen Sorten aufgenommen. Damit umfasst die Sortenliste aktuell neun empfohlene Sorten von Luzerne (Suter et al., 2012a). Für die Verwendung in Standardmischungen mit Luzerne besteht somit ein umfangreiches und vielseitiges Angebot an hochstehenden Sorten von Luzerne. n


Risultati delle prove varietali dell’erba medica (2011-2013) Il valore agronomico e culturale delle 36 varietà di erba medica (Medicago sativa L.) è stato valutato nelle prove varietali dal 2011 al 2013. Le semine sono state realizzate in colture pure e in associazione semplice con due graminacee. Le seguenti caratteristiche sono state considerate: rendimento in materia secca, velocità di attecchi­ mento, impressione generale, sviluppo primaverile, resistenza alle piogge intense, capacità di concorrenza, persistenza, resistenza alle malattie, grandezza degli steli e attitudine per la coltura in quota. La classificazione delle varietà testate è stata effettuata sulla base del calcolo di un indice globale ponderante l’insieme dei criteri sopra elencati. Quattro nuove varietà (Catera, Eride, Artemis e Gea) hanno mostrato risultati superiori alla media e saranno, perciò, iscritte nella «Lista delle varietà raccomandate». La precedente varietà raccomandata Vanda sarà, invece, ritirata dall’assorti­ mento essenzialmente a causa del non adeguato spessore degli steli; tuttavia potrà ancora essere commercializzata fino alla fine del 2016.

Literatur ▪▪ Mosimann E., Chalet C., Lehmann J., Schubiger F.X. & Briner H.U., 1995. Essais de variétés de luzerne 1992-1994. Revue Suisse Agric. 27 (2), 107–110. ▪▪ Mauries M., 1994. La luzerne aujourd’hui. Edition France Agricole, 254 p. ▪▪ Mosimann E., Bertossa M., Lehmann J. & Briner H.U., 2001. Essais de ­variétés de luzerne (1998-2000). Revue Suisse Agric. 33 (4), 153–155. ▪▪ Norris K.H., Barnes R.F., Moore J.E. & Shenk J.S., 1976. Predicting forage quality by infrared reflectance spectroscopy. Journal of Animal Science 43, 889–897. ▪▪ Nösberger J. & Opitz von Boberfeld W., 1987. Grundfutterproduktion, Verlag Paul Parey, Berlin/Hamburg.

Summary

Riassunto

Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne | Pflanzenbau

Alfalfa variety trials (2011-2013) From 2011 through 2013, 36 varieties of alfalfa (Medicago sativa L.) were examined in comparative variety trials at five experimental sites. All varieties were grown in pure stands and in mixture with gramineous plants. The parameters assessed were dry matter yield, juvenile development, regrowth speed, general impression, stem thickness, competitive ability, persis­ tence, digestibility of organic matter, and resistance to leaf diseases and winter conditions. For each variety, an index-value based on measurements and observations of yield was calcu­ lated, allowing an accurate comparison of the varieties. According to the results, four new varieties of alfalfa (Catera, Eride, Artemis and Gea) will be added to the «List of Recommended Varieties of Forage Plants». The previously recommended variety Vanda was removed from the list, owing to the bad quality of stem thickness, but may be used in com­ merce until the end of 2016. Key words: Medicago sativa L., alfalfa, variety test, list of recommended varieties.

▪▪ Suter D., Hirschi H.U., Frick R. & Bertossa M., 2012a. Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen 2013–2014. Agrarforschung Schweiz 3 (10), 1–8. ▪▪ Suter D., Rosenberg E., Mosimann E. & Frick R., 2012b. Standardmischungen für den Futterbau: Revision 2013–2016. Agrarforschung Schweiz 3 (10), 1–12. ▪▪ Tilley J. & Terry R., 1963. A two stage technique for the in vitro digestion of forage crops. Journal of the British Grassland Society 18, 104–111.

Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014

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P f l a n z e n b a u

Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes Achim Walter, Christoph Grieder, Luisa Last, Beat Keller, Andreas Hund und Bruno Studer Institut für Agrarwissenschaften, ETH Zürich, CH-8092 Zürich Auskünfte: Bruno Studer, E-Mail: bruno.studer@usys.ethz.ch

Feldversuche mit Weizen und Buchweizen an der ETH-Forschungsstation in Lindau-Eschikon.

Einleitung Dieser Artikel betrachtet das thematische Umfeld der Pflanzenzüchtung in der Schweiz und er ordnet die schweizerischen Verhältnisse in den gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden internationalen Kontext ein. Er basiert auf einer umfangreicheren Studie, die im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) durchgeführt wurde und die mit dazu beitragen soll, die Grundlagen für die Erarbeitung einer Strategie zur Pflanzenzüchtung in der Schweiz für die kommenden Jahrzehnte zu schaffen. Entwicklung der ackerbaulichen Hauptkulturen Weizen stellt die Grundlage unserer Ernährungskultur dar. Innerhalb der in der Schweiz angebauten Getreide nimmt er daher, mit einer Anbaufläche die seit den 1980er Jahren zwischen 80 000 und 100 000 ha schwankt, eine überragende Stellung ein. Insgesamt blieb über die vergangenen 50 Jahre hinweg die Anbaufläche von Getreide in der Schweiz ebenso wie in Frankreich und Deutschland

366

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relativ stabil (Abb. 1a). Dies ist nicht in allen vergleichbaren Ländern der Fall, wie der Blick nach Italien mit stark abnehmender Bedeutung des dortigen Getreideanbaus zeigt. Die Schweiz konnte ihren Selbstversorgungsgrad gerade auch aufgrund des Zuchtfortschrittes in den eigenen Weizensorten in den vergangenen Jahrzehnten trotz des enormen Bevölkerungswachstums bei ca. 60 % brutto (inklusive der Produktion basierend auf importierten Futtermitteln) halten. Der kontinuierliche Rückgang der Anbauflächen von Wurzel- und Knollenfrüchten (Abb. 1b) ist vor allem auf eine geringere Nachfrage nach Kartoffeln, der wichtigsten Art innerhalb dieser Kulturgruppe, zurückzuführen. Diese geringere Nachfrage basiert zum einen auf dem rückläufigen Direktverzehr von Kartoffeln, zum anderen auf der weitgehenden Verdrängung von Kartoffeln, aber auch Futterrüben, als Futtermittel. Der Zunahme im Anbau von Ölsaaten und Hülsenfrüchten (Abb. 1c,d) hingegen liegt kein genereller Anstieg der Nachfrage zu Grunde, sondern er resultiert entscheidend aus einer Vielzahl an züchterischen Verbesserungen wichtiger Arten innerhalb dieser Kulturgruppen. An ers-


ter Stelle ist hier die züchterische Entwicklung beim Raps zu nennen. Durch die Bereitstellung von erucasäurefreien Sorten (‚0-Raps‘, 1970er Jahre) und die Reduktion des Glucosinolatgehaltes (‚00-Raps‘, 1980er Jahre) konnte das bis dato vergleichsweise schlecht geniessbare Öl für die Humanernährung eingesetzt werden und der Presskuchen gewann für die Tierfütterung an Bedeutung. Die Kühletoleranz von Raps zeichnet ihn für den Anbau in unseren Breiten beziehungsweise Fruchtfolgen besonders aus – Raps ist die einzige bedeutende Ölsaat, die als Winterkultur angebaut wird. In Bezug auf die Hülsenfrüchte ist die Entwicklung bei Soja besonders erwähnenswert. Hier kam es in der Schweiz durch grosse Erfolge der staatlichen Züchtung zur Entwicklung von sehr früh reifenden Sorten, die in der Schweiz und Nachbarländern mit vergleichbaren klimatischen Bedingungen erfolgreich angebaut werden können und sowohl als Öllieferant (Hauptzweck des Sojaanbaus in der Schweiz) als auch zur Proteinproduktion einen wichtigen Beitrag leisten können. Momentane Gewichtung der Kulturen in der Schweiz Im Konzert der oben genannten vier grossen Kulturgruppen spielen die Getreide mit 72 % der mit einjährigen Ackerkulturen bestellten Fläche die wichtigste Rolle 

800 1000 1200

Ölsaaten

1960

400

600

c)

200

Anbaufläche relativ zu 1961 (%) 80 100 120 60

Getreide a)

1970 1980

1990 2000 2010 Frankreich

1960

Deutschland

Italien

1990 2000 2010 Schweiz

d)

200

400

600

800

Hülsenfrüchte

Das Spektrum nachgefragter Kulturpflanzen sowie deren Leistungsfähigkeit verändern sich mit der Zeit. In der Schweiz spielt der Anbau von Getreide, Spezialkulturen und Futterpflanzen traditionell eine grosse Rolle. Die Leistungsfähigkeit dieser Pflanzen unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch unter den Gegebenheiten der zukünftigen Produktionsbedingungen zu erhalten, wird von grosser Bedeutung sein. Eine Fokussierung auf diese Pflanzen alleine wäre jedoch kurzsichtig und würde der Schweiz pflanzenbauliche Möglichkeiten verschliessen, die im Bereich anderer, noch wenig erforschter Kulturarten einen grossen Gewinn verschaffen könnten. Die Weiterent­ wicklung von Kulturpflanzen erfolgt durch den Prozess der Pflanzenzüchtung. Pflanzen­ züchtung nimmt Einfluss auf den Ertrag, die Qualität sowie auf die Resistenz gegenüber Krankheiten und Umweltstress. Technische Entwicklungen in Anbau, Lebensmittelverarbeitung und Züchtung beeinflussen diese Zusammenhänge ebenso wie die mittlerweile weitgehend globale Vernetzung des Agro-Food-Sektors. Es ist schwierig vorherzusagen, wie sich der Bedarf und die Ausrichtung der Pflanzenzüchtung in der Schweiz in den kommenden Jahrzehnten genau entwickeln werden. Der Bund kann durch gesetzliche Vorgaben und finanzielle Anreize jedoch markant auf diese Entwick­ lungen einwirken und Prozesse in Gang bringen, welche die Stellung der Schweiz im ‚Welternährungssystem‘ für die absehbare Zukunft stärken und die dem Selbstverständ­ nis der Schweiz als einer vorbildlichen und auf Nachhaltigkeit, Zufriedenheit der Bevölkerung und wirtschaftlichen Erfolg orientierten Volkswirtschaft entsprechen.

20

Anbaufläche relativ zu 1961 (%) 40 60 80 100

Wurzeln und Knollen b)

1970 1980

Zusammenfassung

Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes | Pflanzenbau

1960

1970 1980 1990 2000 2010 Jahr

1960

1970 1980 1990 2000 2010 Jahr

Abb. 1 | Relative Entwicklung der Anbaufläche der Hauptkulturen in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Italien seit 1961 (Hülsenfrüchte Schweiz relativ zu 1973). (Quelle: FAOSTAT 2013)

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Pflanzenbau | Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes

Global

EU-27

1216 Mio.ha

Schweiz

80 Mio.ha

0,205 Mio.ha

Getreide (58% / 71% / 72%)

Gemüse (4,5% / 3% / 7,5%)

Hülsenfrüchte (6,5% / 2,0% / 2,0%)

Ölsaaten (23% / 21% / 13%)

Wurzeln und Knollen (4,5% / 2,5% / 5,5%)

Faserkulturen (3,5% / 0,5% / 0%)

Abb. 2 | Flächenanteile in Prozent der Hauptkulturen auf globaler Ebene, in der Europäischen Union (EU-27) und in der Schweiz. (Quelle: FAOSTAT 2013)

(Abb. 2), gefolgt von den Ölsaaten (13 %), Wurzel- und Knollenfrüchten (5,5  %) und Hülsenfrüchten (2  %). Etwas weniger als 8 % werden mit diversen Gemüsen bebaut. Der Anteil der Getreide bezogen auf die übrigen Ackerkulturen ist im globalen Vergleich in der Schweiz und in Europa deutlich höher. In der Schweiz stehen den 200 000 Hektaren Ackerland landwirtschaftlich genutzte Grünlandflächen von etwas über einer Million Hektaren gegenüber. Diese Relation von Grünland zu Ackerland unterscheidet die Schweiz von den meisten anderen Nationen. Ebenso ist der Anbau von sogenannten Spezialkulturen wie Obst (ca. 6500 ha; vor-

Wertschöpfung Agrarsektor

wiegend Äpfel) und Wein (15 000 ha) von relativ grosser Bedeutung. «Exotischere» Kulturen wie Pseudogetreide (z.B. Buchweizen, <100 ha), Energiepflanzen (z.B. Miscanthus, <100 ha) und Medizinal- und Aromapflanzen (250 ha) spielen momentan keine grosse Rolle, verfügen aber über ein interessantes Zukunftspotenzial. Die Wertschöpfung, die durch die oben genannten unterschiedlichen Kulturgruppen erzielt wird, hängt im Wesentlichen von den Anbauflächen und vom Wert des Hauptproduktes ab, das durch die jeweilige Kulturgruppe generiert wird (Abb. 3). Im Jahr 2012 lag der Wert aller in der Schweizer Landwirtschaft produzierten

Wertschöpfung Pflanzenproduktion

998 Mio. CHF

427 Mio. CHF

Getreide (3,7% / 8,7%)

Hülsenfrüchte (0,1% / 0,2%)

Tierische Produkte (46,7%)

Ölsaaten (0,9% / 2,1%)

Futterpflanzen (10,4% / 24,4%)

Dienstleistungen (6,8%)

Gemüse u. Gartenb. (13,9% / 32,6%)

Obst und Wein (9,7% / 22,7%)

Nebentätigkeiten (3,7%)

Wurzeln und Knollen (3,2% / 7,4%)

Sonstige (0,9% / 1,9%)

Abb. 3 | Die prozentualen Anteile der Hauptkulturen an der Gesamtwertschöpfung im Agrarsektor sowie an der Wertschöpfung, welche durch den Pflanzenbau generiert wird. (Quelle: Bundesamt für Statistik 2014)

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Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes | Pflanzenbau

Erweiterung der genetischen Variabilität Beschleunigung der Züchtungsphase Erhöhung des Selektionserfolges Phänotypisierung Genotypisierung Variation im Zuchtgarten Statistik / Bioinformatik - Doppel Haploide - Marker Assisted Selection - Genomische Selektion

Kreuzung Selektion

Neues Material - Natürliche genetische Variabilität - Mutationszüchtung/TILLING - Somatische Hybridisierung - Gentechnisch Veränderte Organismen

Prüfung Neue Sorte

Abb. 4 | Schematische Darstellung des Züchtungskreislaufes. Die farbigen Felder beschreiben Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung im Züchtungsprozess.

Waren und Dienstleistungen zu laufenden Preisen (‚Wertschöpfung‘) bei ~10 Mrd CHF. Auf die Getreide entfielen davon lediglich ca. 3,7 %, auf Obst und Wein sowie Futterpflanzen je ca. 10 % und auf die Produkte des Gemüse und Gartenbaus ca. 14 %. In allen Kulturgruppen findet sowohl Anbau nach den Richtlinien der biologischen Landwirtschaft (ca. 12 %, je nach Kulturart und Region zwischen 5 % und 18 %) als auch nach den Richtlinien der guten landwirtschaftlichen Praxis auf der Basis des gültigen Regelwerks zum Erhalt von Direktzahlungen statt. Weiterentwicklung der Kulturen durch die Pflanzen­ züchtung Die konsequente Weiterentwicklung und Verbesserung der oben genannten Kulturpflanzen erfolgt durch die Pflanzenzüchtung, welche die genetische Verbesserung im Hinblick auf eine Vielzahl von Merkmalen zum Ziel hat. Unabhängig von den Merkmalen, der Kulturpflanzenart und der angewandten Züchtungsmethodik bleibt das Grundschema jeweils dasselbe. Ausgehend von der durch neue Kreuzungen generierten genetischen Variabilität muss der Züchter das Material für seine Gesamtheit an Erscheinungsmerkmalen (Phänotyp) und evtl. auch für seine Erbeigenschaften (Genotyp) charakterisieren (Abb. 4, schwarz). Die erfassten Daten werden dann mittels statistischer und bioinformatischer Verfahren verarbeitet, um die Pflanzen mit den besten Eigenschaften für die nächste Züchtungsphase selektieren zu können. Die selektierten Pflanzen bilden nach eingehender Prüfung entweder direkt in eine neue, verbesserte Sorte oder dienen als Eltern (evtl. zusammen mit

neuem Material, welches in den Kreislauf eingeführt wird) von neuen Kreuzungen und somit als Basis für die nächste Runde des Kreislaufes. Fortschritte in sehr unterschiedlichen technologischen Bereichen – von der Anbautechnik bis hin zur Verarbeitung von Lebensmitteln – bewirken eine dynamische Veränderung von Züchtungszielen. Es gilt in den kommenden Jahrzehnten vor allem effizientere pflanzliche Produktionssysteme für eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft zu generieren. Dies erfordert die Realisierung von Kulturpflanzen, die mit geringeren Mengen an Düngemitteln, Herbiziden und Bewässerung einen hohen und relativ sicheren Ertrag erzielen können. Die absolute Höhe des Ertrages wird in Zukunft in Züchtungsprogrammen weniger relevant sein als die Sicherheit, in klimatischen Extremsituationen – insbesondere Hitze, Dürre und Nässe – einen vergleichsweise hohen Ertrag zu erzielen. Selbstverständlich wird die Resistenz gegenüber Krankheiten und Schadorganismen nach wie vor ebenfalls eine herausragende Rolle spielen, zumal sich das Spektrum von Schädlingen und Krankheitserregern mit dem sich verändernden Klima ebenfalls wandeln wird. Fallbeispiel Weizen In der Schweiz wird seit langem ein erfolgreiches Programm zur Weizenzüchtung betrieben, bei dem Agroscope und Delley Samen und Pflanzen AG (DSP) miteinander kooperieren. Dabei wurden mit Hilfe konventioneller Züchtungsmethoden vor allem hochwertige Sorten entwickelt, aus denen Mehl von hoher Protein- respektive Backqualität gewonnen wird. Der Weizenanbau im Inland 

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Pflanzenbau | Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes

Populations-/ Linienzüchtung

Hybridzüchtung

Doppelhaploide

Blühverfrühung

Marker Assisted Selection

Genomische Selektion

Wechsel der Ploidiestufe

Mutationszüchtung / TILLING

Somatische Hybridisierung

Genetisch Veränderte Organismen

Apomixis

Nutzung von Züchtungstechniken

Klonzüchtung

Züchtungskategorie

0,0 0,0 0,0 0,0

2,0 2,0 2,0 1,0

5,0 3,0 2,3 2,0

2,5 2,0 0,3 2,7

0,0 0,0 0,3 5,0

1,8 2,0 1,7 2,3

4,8 6,0 5,0 3,3

0,0 0,0 0,0 0,0

1,5 2,0 0,3 2,0

0,0 0,0 0,0 0,0

5,3 0,0 0,0 4,0

0,0 6,0 6,0 6,0

Soja Kichererbsen

0,0 0,0

2,0 2,0

5,5 0,0

5,5 1,0

5,0 0,0

2,0 5,0

4,0 5,0

0,0 0,0

4,0 5,0

0,0 0,0

3,5 0,0

6,0 0,0

Raps Sonnenblume

0,0 0,0

2,0 0,0

2,5 2,0

2,5 6,0

0,0 0,0

2,0 2,0

3,5 4,0

0,0 0,0

3,0 1,0

3,0 1,0

3,0 5,0

6,0 0,0

Kartoffel Zuckerrübe

2,0 0,0

0,0 0,5

0,0 2,0

0,0 5,0

0,0 5,0

2,5 2,0

6,0 4,5

3,0 3,0

3,0 6,0

2,0 0,0

2,5 5,0

0,0 6,0

Apfel

2,0

0,0

0,0

0,0

2,0

3,0

6,0

0,0

3,0

0,0

4,0

0,0

Rotklee Weissklee Raigräser

0,0 0,0 0,0

2,0 2,0 2,0

1,0 1,0 5,0

0,0 0,0 0,0

0,0 0,0 0,0

3,0 3,0 3,0

5,0 5,0 4,0

2,0 2,0 2,0

5,0 5,0 4,0

0,0 0,0 0,0

0,0 0,0 6,0

0,0 0,0 6,0

Kulturart Weizen Gerste Roggen Mais

0 Spielt keine Rolle 1 Nicht mehr/selten in Gebrauch 2 Standardmässig bei kleinen und grossen Firmen 3 Standard bei grossen, wird von kleinen langsam implementiert 4 Nur bei grossen 5 Kurz- bis mittelfristig bei grossen Firmen zu erwarten 6 Erst langfristig zu erwarten

Abb. 5 | Einsatz moderner Züchtungstechnologien in der Pflanzenzüchtung. Die relative Bedeutung einzelner Methoden und Technologien wurde von jeweils acht Experten für die einzelnen Kulturarten auf einer Skala von 0 bis 6 abgeschätzt (eigene Umfrage).

basiert zum Grossteil auf diesen Sorten, Saatgut dieser Sorten wird in nennenswertem Umfang exportiert. Ohne fortlaufende züchterische Anpassung dieser Sorten wäre es nicht möglich die Positionierung der Schweiz im Bereich des Weizens aufrecht zu erhalten. Auch international spielt die Züchtung von Weizen eine grosse Rolle. Hier findet unter Einsatz modernster Züchtungstechnologien eine eng vernetzte Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung dieser Kulturpflanze statt. Dies kann am Fallbeispiel der Weizenzüchtung in Deutschland illustriert werden: In Deutschland sind 39 Unternehmen in der Getreidezüchtung tätig (BDP 2013) und 20,2 % der Zuchtgartenflächen (ohne Futterpflanzen) sind der Weizenzüchtung vorbehalten (Noleppa und von Witzke 2013). Aktuell laufendende Forschungsprojekte beinhalten z.B. die Entwicklung von molekularen Markern für agronomisch wichtige Eigenschaften in Weizen (2 Projekte, 3,5 Mio. Euro), Stickstoff-Nachhaltigkeit in Getreiden (2 Projekte, 2,0 Mio. Euro), Frosttoleranz (1,1 Mio. Euro), Hybridweizen (2 Projekte 3,6 Mio. Euro) sowie Toleranz gegenüber biotischem (3 Projekte, 5,8 Mio. Euro) und abiotischem Stress (4 Projekte, 3,1 Mio. Euro).1

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In diesen Forschungsprogrammen werden insgesamt 6,7 Mio. Euro pro Jahr investiert (über die Gesamtdauer aller Projekte fast 20 Mio. Euro), wobei es überwiegend um die Anwendung und Entwicklung moderner Züchtungsmethoden geht. Neben Firmen beteiligen sich auch Hochschulen, Landesforschungsanstalten und andere Forschungspartner an diesen Aktivitäten. Die Gemeinschaft zur Förderung der privaten deutschen Pflanzenzüchtung (GFP) hat zudem das Programm «ProWeizen» gestartet, das im Rahmen der globalen «Wheat Initiative» positioniert ist und die Themen Hybridzüchtung, molekulare Ertragsphysiologie und Phänotypisierung in weltweiten Forschungsnetzwerken abdeckt.2 Besonders ein Durchbruch bei der Hybridzüchtung könnte der Weizenzüchtung international eine neue Dynamik verleihen (Hund et al. 2014). Neben den grossen Investitionen der privaten Züchtungsunternehmen in Züchtungsforschung und Technologieentwicklung, erfolgt die staatliche Stützung der http://www.pflanzenforschung.de/de/plant-2030/fachinformationen/ projektdatenbank (Zugriff am 6.9.2013) 2 http://www.proweizen.de/ (Zugriff am 6. 9.2013)

1


Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes | Pflanzenbau

Agroscope / DSP(CH) DLF-Trifolium (DK) Centrum výskumu rastlinnej výroby Pieštany (SK) Malopolska Hodowla Roslin HBP (PL) Lantmännen SW Seed AB (SE) Selgen A.S.(CZ) Norddeutsche Pflanzenzucht (DE) Statiunea de Cercetare-Dezvoltare Agricola (RO) Oseva UNI, a.s. (CZ) Graminor AS (NO) LUA Agency Research Institute of Agriculture (LV) Agrogen (CZ) Agri-Obtentions (FR) Institute of Agriculture (LT) Jõgeva Plant Breeding Institute (EE) Aberystwyth University (UK) 0

2

4

6

8

10

12

14

16

Anzahl der registrieten Sorten (CPVO, seit 2000) Abb. 6 | Namen der Züchtungs- bzw. Erhaltungseinrichtungen und Anzahl der Rotklee-Sorten, welche auf der Liste der CPVO (Community Plant Variety Office) seit 2000 registriert sind. Hinzu kommen 31 weitere Einrichtungen mit weniger als 3 registrierten Sorten seit dem Jahre 2000.

Züchtung im benachbarten Ausland v.a. über Förderund Forschungsprogramme (PLANT 2030, Wheat Initiative, BREEDWHEAT, etc.). Obwohl die Langfristigkeit solcher Förderprogramme naturgemäss nicht gewährleistet ist, da ihre Existenz stark von politischen Rahmenbedingungen abhängt, sind diese von grosser Bedeutung: Oft ermöglichen diese grossen Programme die Entwicklung und Nutzung innovativer und kostenintensiver Technologien für die Pflanzenzüchtung. Diese Technologien können so auch den mittleren und kleineren Züchtungsunternehmen zugänglich gemacht werden und zu deren Erfolg beitragen. Der Einsatz modernster Technologien und molekularer Methoden in der Pflanzenzüchtung hat sehr stark zugenommen, und es ist zu erwarten, dass der Technologieentwicklung eine Schlüsselrolle in der zukünftigen Entwicklung der Pflanzenzüchtung zukommt (Abb. 5). Auch für die Schweiz wird es in den kommenden Jahrzehnten von Bedeutung sein, innovative Pflanzenzüchtung zu fördern, das Bedürfnis der Landwirte nach einem verlässlichen Einkommen zu decken und gleichermassen dem Bedürfnis der Kunden nach qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln entgegenzukommen. Eine Wertschöpfung kann dann nicht nur durch Anbau der Kulturen im eigenen Land entstehen, sondern in einem erheblichen Mass auch durch den Absatz des Saatgutes und durch den Transfer von Wissen über die Erzeugung dieses Saatguts ins Ausland. Wenn diese Stellung für Weizen gehalten werden soll, wird auch in der Schweiz ein verstärkter Einsatz von modernen Züchtungstechno-

logien – von denen nur ein kleiner Teil in den Bereich der Gentechnik fällt (Abb. 5) – sowie eine enge Zusammenarbeit mit internationalen Konsortien unabdingbar sein. Fallbeispiel Rotklee In der Schweizer Landwirtschaft spielt die Tierproduktion eine herausragende Rolle, weswegen Futterpflanzensysteme von enormer Bedeutung sind. Im Bereich des Rotklees ist die schweizerische Züchtung von Agroscope in Kooperation mit DSP im heimischen als auch im Europäischen Futterpflanzenbau sehr gut aufgestellt (Abb. 6). Die empfohlene Sortenliste 2013/2014 für die Schweiz wird vor allem von den Sorten der Agroscope/DSP dominiert (Agroscope 2013). Ein wichtiges Zuchtziel ist die Steigerung des Ertrages und der Qualität. Eine hohe Schmackhaftigkeit und ein hoher Eiweissgehalt stehen hier im Vordergrund, wobei auch der Ausdauer und der Krankheitsresistenz, z.B. gegen Fusarium oder Sclerotinia, eine wichtige Rolle zukommt. Eine bessere Wasser- und Nährstoffeffizienz helfen Ressourcen effizienter zu nutzen sowie den Anbau in trockeneren Gebieten zu ermöglichen. Insgesamt wird die Züchtung solcher Sorten angestrebt, welche an vielen Standorten und unter unterschiedlichen Stressbedingungen angebaut werden können (DLF-Tri folium3).

http://www.dlf.com/R_D/Grass_seeds_Forage_Breeding.aspx (Zugriff am 13.11.2013)

3

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Pflanzenbau | Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes

Auch im Bereich der Futterpflanzenzüchtung nutzen grosse Unternehmen wie z.B. DLF-Trifolium (Dänemark, weltweiter Marktanteil von bis zu 20 %) heutzutage sowohl konventionelle als auch DNA-Marker basierte Züchtungsmethoden. Konventionelle Züchtungsmethoden beinhalten Paarkreuzungen und Massenkreuzungen (polycrosses) sowie die phänotypische Selektion unter Berücksichtigung verschiedener Standorte. Für den Einsatz von DNA-basierten Analysen werden Single Nucleotide Polymorphism (SNP) Marker für die Markergestützte Selektion (oder «Marker Assisted Selection») angewendet. Besondere Bedeutung hat hier die «Genomische Selektion», welche nicht nur auf einzelnen Markern basiert, sondern die Gesamtheit der genetischen Information (in der Regel mehrere 100 000 SNPs) nutzt, um mittels multivariater Verfahren die (quantitativen) Merkmale vorherzusagen. Züchtungsmethoden, welche eine gentechnische Veränderung des Organismus erfordern, werden – obwohl die Technologie etabliert ist – aus politischen und wirtschaftlichen Gründen von DLF nicht angewendet. Nischenkulturen und Vielfalt in der Landwirtschaft Eine Weiterentwicklung des Züchtungsfortschritts kann nur mit Einsatz moderner Technologien sowie mit effektiven nationalen und internationalen Kooperationen gelingen. Dies zeigen die Fallbeispiele Weizen und Rotklee; man hätte dies aber ebenso gut am Fallbeispiel Apfel demonstrieren können, bei dem derzeit unter Schweizer Beteiligung in internationalen Konsortien z.B. grosse Fortschritte im Hinblick auf Feuerbrandresistenz erzielt werden. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, für eine Analyse des staatlichen Engagements in die Züchtungsforschung nur Hauptkulturen einzubeziehen. Weltweit ist ein sich immer ähnlicher werdendes Ernährungsverhalten der Bevölkerungen verschiedener Länder und Regionen zu beobachten, das zu einem Verlust der landwirtschaftlichen Diversität führt (Khoury et al. 2014). Um die Resilienz unserer landwirtschaftlichen Systeme zu gewährleisten oder sogar zu verbessern, wird es daher notwendig sein, sowohl die züchterische Arbeit an unseren Hauptkulturen zu fördern, als auch eine verstärkte Nutzung von heutigen Nischenkulturen langfristig zu fördern, deren züchterische Anpassung an moderne Produktionsbedingungen Jahrzehnte dauern kann (Stamp et al. 2012). Vielfältigere Fruchtfolgen, pflanzenbasierte Proteinproduktion und lokale Produktion ernährungsphysiologisch besonders wertvoller Pflanzen können nur dann nachhaltig realisiert werden, wenn Züchtungsanstrengungen auch in heutige Nischenkulturen, wie etwa Pseudogetreide, Leguminosen, verschiedene Früchte und Gemüse oder Medizinal- und Aromapflanzen, einfliessen.

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Eine staatliche Investition ist bei diesen Kulturen von grosser Bedeutung, da für die private Züchtung die Zeiträume eines «return on investment» oft zu lang sind. Staatliche Investitionen in die Züchtung von Nischenkulturen können sich jedoch mittelfristig wirtschaftlich lohnen (Maredia et al. 2010) und sind im Hinblick auf die Resilienz unserer landwirtschaftlichen Systeme sowie auf die Diversität des Handelsportfolios und des Speiseplans des Konsumenten eine grosse Bereicherung. Die Weiterentwicklung von Raps und Soja zeigt, welche ökonomische Tragweite züchterische Verbesserungen von einstmals weniger nachgefragten Kulturen entfalten können. In der Schweiz entwickelte Sojasorten erfahren derzeit im Rahmen der Donau-Soja Initiative zur Bereitstellung von Futtermitteln aus Europa eine gesteigerte Nachfrage. Kooperationsmodelle in der Pflanzenzüchtung Durch geeignete Kooperationsmodelle lassen sich nationale und internationale, sowie öffentliche und private Kräfte bündeln, um die Pflanzenzüchtung wirtschaftlich noch effizienter und konkurrenzfähiger zu machen. Offen bleibt jedoch, ob die Zukunft der Pflanzenzüchtung, welche verstärkt durch technologischen Fortschritt geprägt sein wird, nicht flexiblere und ganzheitlichere Ansätze verlangt. Ansätze, welche Forschung, Technologieentwicklung und Anwendung, praktische Pflanzenzüchtung und die Ausbildung in Kompetenzzentren integrieren. Solche Zentren bieten eine ideale Plattform, um inter- und transdisziplinäre Programme in der Pflanzenzüchtung erfolgreich zu initiieren und die Entwicklung neuer Sorten umzusetzen. Erfolgreiche Beispiele für solche «Zentren» kommen bisher meist aus den USA4,5. Sie erlauben es, schneller und effizienter auf die dynamischen Veränderungen des Umfelds (Nachfrage nach Kulturarten, Zuchtziele, Technologien) zu reagieren. Die kritische Masse an multidisziplinären Experten in solchen Zentren ist Voraussetzung für Wissensaustauch und Ausbildung, so dass gut ausgebildete künftige Generationen sich den Herausforderungen in der Pflanzenzüchtung stellen können. n

Dank

Die Autoren danken dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) für die finanzielle Unterstützung zur Durchführung der Umfeldanalyse.

4 5

http://www.plantbreedingcenter.ncsu.edu/index.html http://plantbreeding.illinois.edu/


Il miglioramento genetico vegetale in Svizzera – un’ analisi spaziale, temporale e tematica La varietà di piante coltivate in Svizzera e l’efficienza che queste hanno in termini agricoli sta cambiando nel tempo. Tradizionalmente, le produzioni cerealicole, orticole e foraggiere hanno giocato un ruolo privilegiato nell’agricol­ tura Svizzera ed è quindi fondamentale mante­ nere la loro produttività viste le future condi­ zioni socioeconomiche e ambientali. Tuttavia, continuare a focalizzare l’attenzione solo sulle specie economicamente rilevanti potrebbe impedire di sfruttare appieno le possibilità che la riscoperta di colture dimenticate e poco utilizzate offre alla Svizzera. Il miglioramento genetico delle piante coltivate è ottenuto tramite il cosiddetto breeding vegetale. Un processo di miglioramento genetico innovativo ed efficiente è determinante al fine di produrre nuove varietà che si rivelino superiori per caratteristiche come resa, qualità, resistenza a malattie e stress ambientali. Miglioramenti tecnici nel settore agricolo, in quello della trasformazione dei prodotti alimentari e nel settore del breeding influenzano in maniera netta le relazioni tra le possibilità del breeding vegetale e le caratteristiche ricercate, rendendo difficili le previsioni sul futuro di tali ricerche in Svizzera nei prossimi decenni. Tuttavia, il Governo Svizzero può influenzare notevolmente le attività di miglioramento genetico vegetale attraverso adeguamenti strutturali, programmi di sviluppo e finanziamenti statali al fine di supportare programmi di breeding per specie agricole accuratamente selezionate. Tali misure possono aiutare a migliorare la sostenibilità ambientale, la soddisfazione dei consumatori e il successo economico svizzero e porteranno di conseguenza al rafforzamento del ruolo della Confederazione all’interno del sistema alimen­ tare mondiale.

Literatur ▪▪ Agroscope, 2013. Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen 2013 – 2014. Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil (ACW) und Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART). ▪▪ BDP (2013) Geschäftsbericht. Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. (BDP), Bonn, Deutschland. ▪▪ Hund A., Fossati D., Mascher F. & Stamp P., 2014. Hybridgetreide hat Zukunft. Agrarforschung Schweiz , 5 (6),224–241. ▪▪ Khoury C.K., Bjorkman A.D., Dempewolf H., Ramirez-Villegas J., Guarino L., Jarvis A., Rieseberg L.H., Struik P.C., 2014. Increasing homogeneity in global food supplies and the implications for food security. Proc Natl Acad Sci USA 111 (11), 4001-4006. doi:10.1073/pnas.1313490111.

Summary

Riassunto

Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes | Pflanzenbau

The Swiss plant breeding sector – a spatial, temporal and thematic analysis The spectrum of crop species grown within Switzerland as well as their agricultural performance is changing over time. Tradition­ ally, cereal, horticultural and forage production play a major role in Swiss agriculture, and it is crucial to maintain the productivity of these crops under future socio-economic and environmental conditions. However, to focus on only these economically important crops might prevent the realisation of beneficial options that neglected and underutilised crop species offer for Switzerland. Continuous improvement of crops is achieved through plant breeding. Plant breeding is crucial to producing novel varieties that are superior in traits such as yield, quality and resistance to diseases and environmental stresses. Technical developments in farming, food processing and breeding affect the relation between plant breeding possibilities and desired traits — and so does the global nature of the agro-food sector. It is difficult to predict how the require­ ments and the focus of Swiss plant breeding efforts will develop in the coming decades. Yet, the Swiss Government can influence plant breeding activities by structural adjustments, development programmes and state funding to launch and maintain breeding programmes for well-chosen crops. Such activities could help improve sustainability, consumer satisfac­ tion and economic success in Switzerland and would further strengthen the position of the country within the world food system. Key words: crops, plant breeding, plant production, word food system.

▪▪ Maredia M.K., Bernsten R. & Ragasa C., 2010. Returns to public sector plant breeding in the presence of spill-ins and private goods: The case of bean research in Michigan. Agricultural Economics 41 (5), 425–442. ▪▪ Noleppa S. & von Witzke H., 2013. Die gesellschaftliche Bedeutung der Pflanzenzüchtung in Deutschland. Einfluss auf soziale Wohlfahrt, Ernährungssicherung, Klima- und Ressourcenschutz. HFFA Working Paper 02/2013. Humblodt Forum for Food and Agriculture e.V. (HFFA), Berlin, Deutschland. ▪▪ Stamp P., Messmer R. & Walter A., 2012. Competitive underutilized crops will depend on the state funding of breeding programmes: An opinion on the example of Europe. Plant Breeding 131 (4): 461–464.

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K u r z b e r i c h t

Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und ­Bekämpfungsalternativen Heinz Krebs1, Andreas Kägi1, Irene Bänziger1, Christine Herzog2, Thomas Hebeisen2, Susanne Vogelgsang1 und Laure Weisskopf1 1 Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz 2 Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz Auskünfte: Laure Weisskopf, E-Mail: laure.weisskopf@agroscope.admin.ch

Abb. 1 | Flugbrandähren im Wintergerstenversuch 2014 in Rümlang: Statt einer gesunden Kornanlage werden Brandsporen gebildet, die mit dem Wind verfrachtet oder vom Regen abgewaschen werden, so dass schliesslich nur noch die aufrecht stehenden Ährenspindeln zurückbleiben. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)

Bis jetzt gibt es im Bio-Anbau keine wirksame und pra­ xisgerechte Saatgutbeizmethode gegen den Flugbrand. Deshalb hat Agroscope die Flugbrand-Anfälligkeit ver­ schiedener Wintergerstesorten und alternative Saatgut­ behandlungsmethoden geprüft. Neben der Warmwas­ serbehandlung erwiesen sich Anwendungen mit Ethanol als vielversprechend, obwohl sie die Keimfähigkeit der behandelten Samen reduzierten.

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Abgesehen von der Getreidezüchtungsforschung Darzau und Dottenfelderhof wird die Flugbrandanfälligkeit züchterisch nicht bearbeitet, weil der Flugbrand mit den systemisch wirkenden Beizmitteln kostengünstig und wirksam reguliert werden kann. Doch das Saatgut für den Bio-Anbau muss entsprechend den BioRichtlinien (Bio-Suisse 2014) ohne Einsatz von chemisch-synthetischen Beizmitteln erzeugt werden. Dies hatte in den letzten Jahren zur Folge, dass – ins­ besondere bei Gerste – Vermehrungsbestände wegen zu hohem Flugbrandbesatz (> 5 Brandähren pro 100 m²) nicht anerkannt wurden. Sporen des Flugbranderregers Ustilago nuda infizieren die Gerste im Blütenstadium und das daraus gebildete Myzel überlebt im Embryo bis zur Saat. Bis heute gibt es keine einfach anwendbaren Nachweismethoden für Flugbrand im Saatgut, so dass ein Saatgutbefall erst beim Ährenschieben festgestellt werden kann. Bei befallenem Saatgut bilden die Pflanzen anstelle gesunder Ähren Brandähren (Abb. 1). Die über den Wind verbreiteten Brandsporen gelangen auf die blühenden Ähren gesunder Pflanzen und infizieren den Embryo der neuen Kornanlage. Infizierten Körnern ist die Infektion äusserlich nicht anzusehen, weshalb sie sich nicht über die Saatgutreinigung entfernen lassen. Bis jetzt gibt es im Bio-Anbau keine wirksame und praxisgerechte Saatgutbeizmethode gegen den Flugbrand. Mit dem biologischen Pseudomonas-Produkt Cedomon® (Heinonen 2011) oder der physikalischen Heissluftbehandlung ThermoSeed® (Forsberg 2004) wird der Flugbrand nicht wirksam reguliert. Die derzeitig einzige wirksame und verträgliche Behandlungsmethode, um das Myzel im Embryo des Keimlings zu erfassen, ist die Warmwasserbehandlung – wobei sich diese bis jetzt in der Praxis nicht etabliert hat. Für die Bio-Saatgutvermehrung der Gerste besteht daher dringender Bedarf nach Sorten mit einer geringen Flugbrandanfälligkeit und nach einer praxistauglichen Saatgutbehandlung, die den samenbürtigen Flugbrandbefall effizient kontrolliert.


Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und ­B ekämpfungsalternativen | Kurzbericht

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Flugbrandbefall in %

20

15

10

5 Jahr 2013 Jahr 2014 al ide e ric KW us SB KW 100 ST on ic Se m pe r Or joi e Ho bb i Es t ca dr e Zz oo Fr m an zis ka Et inc 11 el 6A Ca -2C ss iop ee

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Abb. 2 | Flugbrand bei der Wintergerste: Sortenanfälligkeitsversuch der Jahre 2013 und 2014. Flugbrandbefall: Mittelwerte aus drei Wiederholungen mit Standardabweichung.

Nachstehend werden Ergebnisse eines Sortenanfälligkeitsversuchs und Ansätze, den Flugbrand über eine Saatgutbehandlung zu regulieren, vorgestellt. Sortenprüfung Im Jahr 2011 wurden 20 Sorten, die parallel in der Sortenprüfung standen, in Kleinparzellen (7 m²) zwischen zwei Infektionsbahnen der Sorten Ulla und Express, beide mit Flugbrand befallen, gesät. Dadurch waren alle Sorten während der Blüte denselben Infektionsbedingungen ausgesetzt. Das aufbereitete Erntegut dieser 20 Prüfsorten wurde anschliessend im Herbst 2012 unbehandelt bzw. mit 40 ml/kg Lebermooser® behandelt in einem Kleinparzellenversuch mit je drei Wiederholungen ausgesät. Nach dem Ährenschieben im Sommer 2013 wurde der Flugbrandbefall pro Parzelle ermittelt. Der Sortenanfälligkeitsversuch wurde im Herbst 2013 nochmals angelegt und im Mai 2014 der Flugbrandbefall überprüft. Versuche mit verschiedenen Behandlungsmethoden Beim Produkt Lebermooser® handelt es sich um ein ethanolisches Moos-Extrakt (70 % EtOH) mit Wirkung gegen Gerstenflugbrand (Jahn 2010). In einem weiteren Kleinparzellenversuch mit der von Flugbrand befallenen Sorte Ulla wurde die Wirksamkeit der Lebermooser®-Behandlung (40 ml/kg) mit einer 70-prozentigen Ethanol-Behandlung (40 ml/kg) und der Warmwasserbehandlung (2 Std. bei 45 °C) verglichen. Die Lebermooser®- und die EthanolBehandlungen wurden in zwei Varianten geprüft: Zum

Einen wurde das behandelte Saatgut unmittelbar nach der Applikation abgepackt und verschlossen; in einer anderen Variante blieb das behandelte Saatgut vor dem Absacken eine Stunde offen stehen. Im darauf folgenden Jahr (Herbst 2013) wurde in einem Kleinparzellenversuch mit der Sorte Ulla die Wirksamkeit und Verträglichkeit tiefer dosierter EthanolBehandlungen (20 bzw. 30 ml/kg) sowie zweier EthanolHeissluftvarianten 65 °C; 1 bzw. 2 Tage, geprüft – dies im Vergleich zu einer Wasser- und Ethanol-Dampfbehandlung (2 Min. bei 65 °C) sowie zur Warmwasserbehandlung (2 Std. bei 45 °C). Bei den beiden Ethanol-Heissluftvarianten war das Saatgut dem in der Luft angereicherten Ethanol ausgesetzt. Bei allen Verfahren der Feldversuche wurde die Keimfähigkeit des Saatguts untersucht. Dazu wurden 200 Körner zwischen feuchtem Filterpapier ausgelegt und zuerst fünf Tage bei 10 °C im Dunkeln vorgekühlt, anschliessend drei Tage bei 20 °C und 8 Stunden Licht und 16 Stunden Dunkelheit inkubiert. Danach wurde die Anzahl der gekeimten Körner ermittelt. Sorte Cassiopee mit geringstem Befall Bei den Wintergerste-Sortenversuchen resultierten im Mittel der beiden Versuchsjahre deutliche Unterschiede in der sortenspezifischen Flugbrandanfälligkeit (Abb. 2). Die Sorte Cassiopee war mit 0,8 Prozent am wenigsten befallen, während die Sorte Sandra mit 21,0 Prozent mit Abstand den höchsten Befall aufwies. Mit der Lebermooser®-Behandlung wurde der Flugbrandbefall 

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Kurzbericht | Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und ­B ekämpfungsalternativen

Ethanol 70% 40 ml/kg geschlossen

E

Ethanol 70% 40 ml/kg offen

B

Lebermooser® 40 ml/kg geschlossen

E

Lebermooser® 40 ml/kg offen

C

Warmwasser 45 °C 2h

D

Unbehandelt

A 100

75

50

25

0

3

Keimfähigkeit in %

6

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12

Flugbrandbefall in %

Abb. 3 | Behandlungen gegen Gerstenflugbrand im Jahr 2013 bei Wintergerste Ulla. Flugbrandbefall: Mittelwerte aus vier Wiederholungen mit Standardabweichung (unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Verfahrensunterschiede, Duncan-Test, P < 0,05), Keimfähigkeit: Durchschnitt von je 200 untersuchten Körnern.

über alle Sorten um über 90 Prozent reduziert. Allerdings wurde mit der Lebermooser®-Dosierung von 40 ml/kg die Keimfähigkeit im Mittel aller Sorten von 97 auf 72 Prozent herabgesetzt.

Lebermooser®-Wirkung gegen den Flugbrand – nicht ausschliesslich, aber weitgehend – auf die Ethanol-Komponente zurückführen lässt (Abb. 3). Ebenso deutlich war die limitierte Ethanol-Verträglichkeit zu erkennen. Wurde zum Beispiel das Saatgut unmittelbar nach der Lebermooser®– oder EthanolBehandlung verschlossen abgepackt, so wurde die Keimfähigkeit massiv beeinträchtigt. Bemerkenswert bei den beiden «offenen» Behandlungsvarianten ist die signifi-

Ethanol hemmt Flugbrand – und Keimfähigkeit Weitere Flugbrandversuche, die 2013 mit der Sorte Ulla durchgeführt wurden, und die eine Ethanol-Kontrolle beinhalteten, zeigten eindeutig, dass sich die sehr gute

Ethanol 70% Heissluft 65°C 2 Tage

A

Ethanol 70% Heissluft 65°C 1 Tag

A

Ethanol 70% Dampf 65°C 2 Minuten

C

Wasserdampf 65°C 2 Minuten

A

Ethanol 70% 30 ml/kg

C

Ethanol 70% 20 ml/kg

B

Warmwasser 45 °C 2h

C A

Unbehandelt 100

80

60

40

Keimfähigkeit in %

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0

5

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Flugbrandbefall in %

Abb. 4 | Behandlungen gegen Gerstenflugbrand im Jahr 2014 bei Wintergerste Ulla. Flugbrandbefall: Mittelwerte aus vier Wiederholungen mit Standardabweichung (unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Verfahrensunterschiede, Duncan-Test, P < 0,05), Keimfähigkeit: Durchschnitt von je 200 untersuchten Körnern.

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Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und ­B ekämpfungsalternativen | Kurzbericht

kant höhere Lebermooser-Wirkung im Vergleich zur Ethanol-Behandlung, was wahrscheinlich auf die fungizide Wirkung der Moos-Komponenten zurückzuführen ist, die im Unterschied zu Ethanol, nicht verdampfen. Ethanol nur in hohen Konzentrationen wirksam Aufgrund der begrenzten Verträglichkeit wurde im Versuchsjahr 2014 die Ethanol-Dosierung auf 30 bzw. 20 ml/ kg reduziert. Die tieferen Ethanol-Dosierungen waren dann auch verträglicher (Abb. 4). Die Ethanol-Behandlung mit 20 ml/kg war jedoch weniger wirksam gegen den Flugbrand als die 30 ml/kg Dosierung. Mit 30 ml/kg Ethanol wurde eine mit der Warmwasserbehandlung vergleichbare Wirkung erzielt. Die gut wirksame Ethanol-Dampfbehandlung bei 65 °C während 2 Minuten beeinträchtigte jedoch die Keimfähigkeit. Demgegenüber waren die Heissluftverfahren verträglich, aber gegen den Flugbrand nicht wirksam, möglicherweise weil die mit Ethanol angereicherte Heissluft nicht bis zum infizierten Embryo vordringt.

Schlussfolgerungen Mit Ausnahme der Heissluftverfahren zeigten die Ethanol-Applikationen eine Wirkung von bis zu 86 Prozent gegen den Gerstenflugbrand. Damit werden Untersuchungsergebnisse eines deutschen Forschungsprojekts bestätigt, in dem für Ethanol-Behandlungen oder deren Kombinationen mit Pflanzenauszügen eine reduzierende Wirkung auf Flugbrand nachgewiesen wurden (Koch 2012). Die gute Ethanol-Wirkung wird jedoch durch die Saatgutverträglichkeit limitiert. Im Gegensatz dazu ist die Warmwasserbehandlung sehr wirksam und Saatgut-verträglich. Solange diese effiziente Methode ihren Weg zur Praxis nicht gefunden hat, bieten Ethanol-basierende Verfahren eine mögliche Lösung, den Flugbrandbefall auf dem Saatgut zu kontrollieren. Die tiefere Keimfähigkeit bei der Saatgutvermehrung kann durch eine erhöhte Saatmenge aufgefangen werden. Wegen der tieferen Wirkungsgrade der Alternativbehandlungen im Vergleich zur chemischen Beizung (70 % statt 95 %) ist die Frage der Flugbrandanfälligkeit der Sorten umso bedeutender. Bei den Sortenempfehlungen ist daher – insbesondere für den Bio-Gerstenanbau – die geringere Flugbrandanfälligkeit als ein wichtin ges Element mitzuberücksichtigen.

Literatur ▪▪ Bio Suisse, 2014. Richtlinien für die Erzeugung, Verarbeitung und den Handel von Knospe-Produkten, S. 48. ▪▪ Forsberg G., 2004. Control of Cereal Seed-borne Diseases by Hot Humid Air Seed Treatment. PhD thesis, Swedish University of Agricultural Sciences, Uppsala, 49 S. ▪▪ Heinonen U., 2011. Cereals / Control of leaf diseases. Comparison of seed treatment fungicides on the market in finland in spring barley. Herbicides, fungicides and insecticides. MTT Agrifood Research Finland, Jokioinen, S. 4. ▪▪ Jahn M., 2010. Saatgutbehandlung im ökologischen Landbau. JuliusKühn-Institut, Kleinmachnow. ▪▪ Koch E., 2012, Optimierung von Saatgutbehandlungsmitteln mit Wirkung gegen Flugbrand an Gerste und Weizen (Ustilago nuda, U. tritici) unter Nutzung verbesserter Verfahren zum Nachweis der Erreger. Julius Kühn Institut 2012, S. 38

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K u r z b e r i c h t

World Café «Wachstum in der Landwirtschaft» Linda Reissig, Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz Auskünfte: Linda Reissig, E-Mail: linda.reissig@agroscope.admin.ch

Die Methode des World Cafés ermöglicht intensive Diskussionen in kleinen Gruppen. (Foto: Michel Roux, SVIAL)

An der Tagung «Wachstum in der Land- und Ernährungs­ wirtschaft», die im April in Zollikofen stattfand, disku­ tierten Fachleute aus Forschung, Beratung und Praxis im Rahmen eines World Cafés über Wachstumsstrategien von Familienbetrieben. Thematisiert wurden insbeson­ dere die Zusammenarbeit von Betrieben, der Einsatz von Technik und Wissen sowie soziale und emotionale Aspekte von Betriebsgemeinschaften.

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Zum Internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe fand am 24. und 25. April 2014 in Zollikofen (BE) eine Tagung zum Thema «Wachstum in der Land- und Ernährungswirtschaft» statt. Organisiert wurde sie von fünf agrarwissenschaftlichen Fachgesellschaften und vom Schweizer Verband für Ingenieur-Agronomen und Lebensmittelingenieure (SVIAL). Zum Abschluss der Tagung diskutierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer


World Café «Wachstum in der Landwirtschaft» | Kurzbericht

Das World Café Die Methode des World Cafés wird häufig ein­ gesetzt, um verschiedene Akteure miteinan­ der ins Gespräch zu bringen und zu vernetzen. Sie ermöglicht intensive Diskussionen in klei­ nen Gruppen. An mehreren Tischen werden Fragen zum Thema diskutiert. Ein besonderes Merkmal des World Cafés ist der mehrmalige Wechsel der Teilnehmenden von Tisch zu Tisch und die damit verbundene Durchmischung der Gruppen. Die wichtigsten Beiträge werden auf Pinnwänden festgehalten (Abb. 1). Am Ende präsentieren die Gastgeber der Tische ihre E ­ rgebnisse im Plenum. Weitere Informationen: http://www.theworldcafe.com/translations/ Germancafetogo.pdf

aus Forschung, Beratung und Praxis im Rahmen eines World Cafés (siehe Kasten) über die Herausforderungen von Bauernfamilien, die sich zum Ziel gesetzt haben, ihr Einkommen zu einem bedeutenden Teil über die Produktion und Vermarktung von Lebensmitteln zu erwirtschaften. An drei konkreten Betriebsbeispielen wurden drei mögliche Wachstumsstrategien präsentiert (Tab.1). Zu jedem Betrieb wurden die Themen «ausserbetrieb­ liche Rahmenbedingungen», «Technik und Wissen» sowie «soziale und emotionale Aspekte» diskutiert. Die wichtigsten Ergebnisse des Austauschs an den insgesamt neun Tischen sind im Folgenden zusammengefasst. Ausserbetriebliche Rahmenbedingungen Zusammenarbeitsformen stellen eine Möglichkeit des Betriebswachstums dar, aber nicht sehr viele Betriebe gehen diesen Weg. Nebst den Rahmenbedingungen auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene sind nämlich auch Voraussetzungen wie die Persönlichkeit des Land-

wirts beziehungsweise der Landwirtin wichtig (siehe soziale und emotionale Aspekte). Denn um solche Projekte zu verwirklichen, braucht es unternehmerisches Denken, Innovationsfreude, Risikobereitschaft und Durchhaltewillen. Zudem beginnt die Zusammenarbeit in den Köpfen. Als Haupthindernis wurde denn auch der Individualismus im bäuerlichen Familienbetrieb identifiziert. Oft wird daher zu Einkommenserhöhung mit dem Nebenerwerb ein ausserbetrieblicher Weg gewählt. Doch eine Zusammenarbeit hat verschiedene Vorteile: Mehrere Partner einer Gemeinschaft bringen ein grösseres Wissen in den Betrieb, so dass Spezialisierungen und Ergänzungen möglich sind. Auch ist eine gemeinsame Maschine billiger als eine Maschine auf jedem Betrieb. Zwar muss die Finanzierung gesichert sein, doch in der Regel sind für Zusammenarbeitsprojekte Finanzhilfen nach der Strukturverbesserungsverordnung möglich. Manchmal sind auch Zwischenschritte erforderlich. Die Praxispartner haben im World Café die Erwartung geäussert, dass die Agrarpolitik Zusammenarbeitsformen weder speziell fördern soll, noch behindern darf. Einschränkungen beim Wachstum sind allenfalls durch die Belastungsgrenze beziehungsweise Anforderungen der Raumplanung und Luftreinhalteverordnung zu erwarten. Das neue Punktesystem zur Beurteilung und Überwachung der Erosion auf Ackerparzellen stellt ebenfalls ein Hindernis dar. Die Flächenmobilität ist mit gesetzlichen Bestimmungen sehr schwierig zu fördern. Das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht müsste kritisch überprüft werden, wobei zusätzliche Lockerungen auch negative Folgen für die produzierende Landwirtschaft haben können. Sehr hilfreich ist es in jedem Fall, wenn Landwirte und Landwirtinnen in den jeweiligen Entscheidungsbehörden engagiert sind. Marktchancen liegen auch bei der Strategie einer Bündelung der Kräfte. Zwei oder mehrere Partner sind stärkere Marktpartner, sowohl im Beschaffungs- als auch im Absatzmarkt. Eine Veränderung, die es in den nachgelagerten Sektoren braucht, ist die Verlängerung der Wertschöpfungskette. Zudem sollten Kreisläufe geschlossen werden. Die Haltung der Konsumentinnen 

Tab. 1 | Wachstumsstrategien und Beispielbetriebe Mögliche Wachstumsstrategie

Beispielbetrieb

A

Ressourceneffizienz steigern, z. B. durch Einsatz moderner Technik

Betriebsgemeinschaft mit 220 Kühen, kostengünstige Technik

B

Produzierte Menge steigern, z. B. durch mehr Fläche oder höhere Tierbestände

3 Betriebe mit insgesamt 260 ha LN, die in einer AG 50 ha Kartoffeln ­produzieren, hoch entwickelte Technik

C

Wertschöpfung steigern, z. B. durch verbesserte Qualität oder ­Verarbeitung

Schweinezuchtbetrieb mit 220 Muttersauen, Vermarktung mit Label

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Kurzbericht | World Café «Wachstum in der Landwirtschaft»

Abb. 1 | Beispiel einer Ergebnisübersicht des World Cafés. (Foto: Sandra Contzen)

und Konsumenten bezüglich Grösse wurde kontrovers diskutiert. Ganz wichtig ist ein fairer Umgang mit allen Partnern. Technik und Wissen Zur Umsetzung des Wachstums sind auch neue Fähigkeiten und Kenntnisse nötig. Wird die Wertschöpfung gesteigert, muss der Landwirt im Regelfall erweiterte Fachkenntnisse erwerben. Wanderjahre vor der Betriebsübernahme oder Arbeitskreise können Impulse und Fachwissen vermitteln. Neue Informationskanäle (v.a. im Internet) gewinnen stark an Bedeutung. Das Wachstum bedingt zudem meist zusätzliches Personal. Dies verlangt vom Betriebsleiter oder der Betriebsleiterin Führungskompetenz, Sozialkompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Vertrauen in Partner und Mitarbeiter. Die permanente Bereitschaft, Neues zu lernen, ist unabdingbar. Zudem müssen technische Herausforderungen gemeistert werden. Die verschiedenen Prozesse im Betrieb werden zunehmend durch Technik und Informationstechnologie unterstützt. Die Datenvernetzung ist

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noch stark verbesserungsfähig. Es fehlt beispielsweise an einfacher, flexibler Software. Die dazu nötige Technik ist meist nicht ab Stange verfügbar. Die Bedienung der modernen Technik erfordert zunehmend sehr gut ausgebildete Mitarbeiter, und diese sind rar und teuer. Stellvertretungen können unter diesen Voraussetzungen kaum gewährleistet werden. Der Betrieb wird stärker von Techniklieferanten abhängig. Auch an die Beratung und die angewandte Forschung stellt das Wachstum spezifische Anforderungen. Trotzdem sollten die Beratungskräfte eine gute Gesamtübersicht haben und unabhängig sein. Gute und unabhängige Fachberatung ist, so stellte sich in der Diskussion heraus, Mangelware. Überkantonale oder kulturspezifische Angebote könnten hier eine Verbesserung bringen (z.B. Profigruppen). Viel wertvolle Information bringt der horizontale Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen Betriebsleitern. Die Forschung sollte der Praxis um Jahre voraus sein und neue Ergebnisse und Erkenntnisse so präsentieren, dass sie wahrgenommen wird. Sie sollte angewandt sein und auf die Bedürfnisse der Schweizer Landwirtschaft fokussiert sein.


World Café «Wachstum in der Landwirtschaft» | Kurzbericht

Soziale und emotionale Aspekte Die Gründung einer Betriebsgemeinschaft oder andere Zusammenarbeitsformen sind aus Sicht der Teilnehmenden die einzige Möglichkeit, um zu wachsen und trotzdem Lebensqualität zu haben. Aber: Betriebsgemeinschaften stellen grosse Anforderungen, insbesondere im sozialen und emotionalen Bereich. Denn die Kooperation von Betrieben ist menschlich sehr anspruchsvoll und erfordert neben klaren Regelungen auch eine gute Kommunikationsfähigkeit aller Partner. Zwischenmenschliche Aspekte sind bei Betriebsgemeinschaften entscheidend dafür, ob sie funktionieren oder nicht. Wichtig ist, dass beide Parteien gleichwertige Partner sind. Es braucht gegenseitiges Vertrauen, Toleranz und Akzeptanz. Eine Betriebsgemeinschaft ist eine Gemeinschaft auf Zeit. Vor allem der Generationenwechsel ist für Betriebsgemeinschaften eine kritische Phase. Die Motivation zu wachsen speist sich aus zahlreichen Quellen. Einerseits spielt die Freude an der Arbeit eine grosse Rolle. Anderseits ist eine sehr wichtige Motivation, Freiräume für sich und die Familie zu schaffen. Aber auch das Beschreiten neuer Wege wurde genannt. Weiter wurde diskutiert, dass für einige Landwirte und Landwirtinnen Wachstum auch aus Prestigegründen geschieht. Neid von Nachbarbetrieben, die einem Betrieb nicht gönnen, wenn er wächst und Erfolg hat, kann die Motivation hemmen. Neid scheint allerdings ein regional unterschiedlich anzutreffendes Problem zu sein. Im Rahmen von Wachstum ist die steigende Arbeitsbelastung ein wichtiges Thema. Wenn Landwirte, Landwirtinnen und ihre Familien an die Grenzen der Arbeitsbelastung stossen, merkt man das gemäss den Teilnehmenden an den gleichen Anzeichen wie bei der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung: Gereiztheit, höhere Krankheitsausfälle bei den Angestellten und die Rückmeldung der Familie, dass es genug sei, sind Indikatoren. Liegen Freizeit und Ferien nicht mehr drin, sollten Alarmglocken läuten. Sich den eigenen Grenzen bewusst zu sein, ist somit sehr wichtig.

Das Wachstum mit einer Betriebsgemeinschaft stellt auch Anforderungen an die Kommunikation und die Rücksichtnahme unter den Beteiligten, innerhalb der Betriebe und mit den Partnerbetrieben. Eine offene Kommunikation ist aber nicht nur wichtig bei Betriebsgemeinschaften und auch nicht nur im Hinblick auf Wachstum, sondern ganz generell, auch familienintern. Formen der Kommunikation müssen geklärt sein: Wie und wann kommuniziert man? Gut ist es, einen Plan für den Krisenfall zu haben: Wo holen wir Hilfe? Das Bewusstsein für die Bedeutung der Kommunikation sollte gefördert werden. Wachstum – keine Frage? Was bedeutet Wachstum? Wachstum in welcher Dimension und bis zu welchem Niveau? Diese Fragen liess das World Café weitgehend aus. Eigenständigkeit und vermehrte Freizeit klangen als weitere Zieldimension neben ökonomischem Wachstum an. Im Kontext der Tagung – dem UNO-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe – wäre sicher die Frage nach möglichen unerwünschten Nebenwirkungen des Wachstums im sozialen oder ökologischen Bereich interessant gewesen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die auf der Tagung diskutierten Wachstumsstrategien Betriebe und deren Familien vor vielschichtige Herausforderungen n stellen.

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P o r t r ä t

Beat Reidy: Forschen auf der grünen Wiese Die Faszination für die Landwirtschaft wurde Beat Reidy in die Wiege gelegt. Als einziger Sohn einer sechsköpfigen Familie auf einem Bauernhof aufgewachsen, schien sein Weg vorgezeichnet: Eine Tätigkeit in der Landwirtschaftsbranche. Diesen Weg hat er auch eingeschlagen und arbeitet heute als Dozent für Wiederkäuersysteme und Futterbau an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL. Er habe sich aber nicht von Erwartungen anderer leiten lassen, erklärt er: «Ich bin stets meinen Interessen gefolgt. Zudem hatte auch der Zufall immer wieder seine Finger im Spiel.» Versuchsfeld oder Atelier Denn es hätte auch anders kommen können. Beat Reidy zog nach dem Gymnasium verschiedene Optionen für seine berufliche Laufbahn in Betracht – vom Studium in Ingenieurwesen bis zur Kunstgewerbeschule. Er entschied sich für sein grösstes Interesse und das war die Landwirtschaft. Dass bei seinem Studium an der ETH Zürich Pflanzen und nicht Tiere im Zentrum stehen sollten, war für ihn von Beginn weg klar: «Ich bin auf einem gemischten Betrieb mit Saatgutproduktion aufgewachsen. Zwar stand da die Tierproduktion im Mittelpunkt, trotzdem faszinierten mich Pflanzen vor dem Studium. Sie sind die Primärproduzenten. Ohne sie läuft gar nichts.» Von der Forschung in die Privatwirtschaft… Nach seinem Abschluss bot sich ihm die Möglichkeit, an der ETH zu dissertieren – eine Chance, die er begeistert anpackte. Er tauchte in die Grundlagenforschung ein und vertiefte sich in den Bereichen Graslandwissenschaften und Ökophysiologie. Mit dem Doktortitel im Gepäck und nach einem Post Doc am Institut national de la recherche agronomique (INRA) in Montpellier führte ihn sein Weg ein erstes Mal an die HAFL. «Die Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HAFL war genau die richtige zur richtigen Zeit. Sie brachte mich zurück zur landwirtschaftlichen Produktion und auch wieder näher an die Praxis.» Nach fünf Jahren wollte er aber anderswo Erfahrungen sammeln und sich weiterentwickeln. Bei der Eric Schweizer AG wie später bei der Calcium Agro AG standen für ihn Führungsaufgaben und Verkaufszahlen im Mittelpunkt. … und zurück Von dieser Zeit in der Privatwirtschaft habe er sehr profitiert, meint er rückblickend. Und doch kehrte er ein paar Jahre später wieder an die HAFL zurück. «Die Kombina-

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tion von Lehre und angewandter Forschung lässt eine Menge Spielraum für Kreativität und vielseitige Interessen.» Und auch die Praxisnähe der HAFL schätzt Beat Reidy: «Die Nähe zur Basis war mir immer wichtig. Am Ende sind es schliesslich die Landwirtinnen und Landwirte, die im Zentrum unserer Arbeit stehen sollten.» Das zeigt sich auch bei der Ausrichtung seiner Forschungsprojekte. Er und sein Team streben Lösungen für die Branche an, für eine ressourceneffiziente und wirtschaftliche Milchproduktion von Systembetrachtungen bis zu angewandten futterbaulichen Fragestellungen. Aktuell untersuchen sie unter anderem die Fütterungspraxis von Schweizer Milchproduktionsbetrieben und analysieren die Ursachen für unterschiedliche Leistungen aus dem Wiesenfutter. Und immer ist Beat Reidy mit vollem Herzblut dabei. Matthias Zobrist, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel­ wissenschaften HAFL


A k t u e l l

Aktuelles Pflanzenzüchtungsstrategie Schweiz Hochwertige Pflanzensorten sind für eine nachhaltige und erfolgreiche Land- und Ernährungswirtschaft unerlässlich. Damit solche Sorten in der Schweiz langfristig zur Verfügung stehen, erarbeitet das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zusammen mit Fachleuten aus Forschung, Wirtschaft und interessierten Kreisen eine Strategie für eine durch den Bund betriebene oder durch ihn unterstützte Pflanzenzüchtung. Sie soll den Entscheidungsträgern als Grundlage für die Ausrichtung der Pflanzenzüchtung dienen. Sie soll Transparenz schaffen, wofür und nach welchen Kriterien der Bund öffentliche Mittel für die Pflanzenzüchtung einsetzt. Dies betrifft nicht nur die eigene Züchtung durch Agroscope, sondern auch eventuelle Kooperationen mit öffentlichen und privaten Partnern im In- und Ausland. Eine vom BLW im 2013 durchgeführte Erhebung der aktuellen Pflanzenzüchtung in der Schweiz zeigte, dass eine öffentliche (Agroscope) und sechs private Organisationen 44 überwiegend kleine Zuchtprogramme bei 40 Pflanzenarten betreiben. Die jährlichen Investitionen liegen bei etwa zehn Millionen Franken, vier davon öffentlich und sechs privat finanziert. Pflanzenzüchtung ist ein langwieriger Prozess, es wird mit grösseren Zeithorizonten gearbeitet. Damit verbunden sind zahlreiche Unsicherheiten. Die Züch-

tung muss die zu erwartenden Entwicklungen frühzeitig antizipieren. Deshalb ist es wichtig, das zukünftige Umfeld möglichst gut einschätzen zu können. Das Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich hat dazu im Rahmen der Strategieentwicklung und im Auftrag des BLW eine Umfeldanalyse erstellt. Die Ergebnisse werden in diesem Heft publiziert (Seite 366). Neben den wissenschaftlichen Grundlagen sind auch das Wissen, die Einschätzungen und Bedürfnisse der interessierten beziehungsweise betroffenen Kreise für die Strategie sehr wichtig. Deshalb will das BLW sie möglichst gut einbeziehen. An einem Workshop im November 2013 konnten die interessierten Kreise bereits ihre Sichtweisen einbringen. Das BLW wird am 25. November 2014 (Bern, 14 – 17 Uhr) über den bis dahin vorliegenden Strategieentwurf informieren. Anschliessend wird die Möglichkeit bestehen, im Rahmen einer informellen Anhörung zum Entwurf noch Stellung zu nehmen. Weitere Informationen über eine Tagung zum Thema «Zukunft der Pflanzenzüchtung», die 2012 stattfand, sowie über den oben erwähnten Workshop im November 2013 befinden sich auf der BLW-Website unter «Themen» > Pflanzensorten, Züchtung, Genressourcen > Pflanzenzüchtung. Peter Latus, Bundesamt für Landwirtschaft BLW

Parzellentechnik kombiniert mit GPS ermöglicht die vermischungsfreie Saat von Kleeund Gras-Einzelreihen bei gleichzeitig reduziertem Personalaufwand in der Futterpflanzenzüchtung bei Agroscope in Reckenholz (ZH). Die automatische Auslösung des Säens am Parzellenanfang erfolgt dank GPS auf 2,5 cm genau. Exakt gesäte Einzel­ reihen ermöglichen die verlässliche Selektion der besten Komponenten von neuen Gras- und Kleesorten. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)

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Aktuell

Neue Publikationen

Wie wirtschaftlich ist der Roboter? Ökonomie Agroscope Transfer | Nr. 3

Wie wirtschaftlich ist der Roboter? Kosten und Nutzen von Automatisierungsverfahren in der Milchviehhaltung

März 2014

Autoren

Christian Gazzarin, Agroscope

Christian Gazzarin, Franz Nydegger und Michael Zähner

Ein Modellvergleich von Milchproduktionssystemen mit und ohne automatische Melk- bzw. Fütterungssysteme erlaubte die Berechnung von Investitionsbedarf, Arbeitszeitbedarf, Produktionskosten sowie Einkommen bezogen auf die Arbeit und die Fläche. Automatische Melksysteme (AMS) haben insgesamt einen um 6–20 % höheren Investitionsbedarf und benötigen einen um 10–19 % tieferen Arbeitszeitaufwand. Bei automatischen Fütterungssystemen (AFS) liegt der Investitionsbedarf insgesamt um 11–20 % höher bei einer Einsparung der Arbeitszeit um 5 %. Die Kostenunterschiede der unterschiedlichen Systeme sind bei gleicher Bestandsgrösse relativ gering. Aus Sicht der Arbeitsverwertung sind AMS-Produktionssysteme bei voller Auslastung (60–70 Kühe) mit vergleichbaren Referenzsystemen (FischgrätMelkstand, Futtermischwagen) wirtschaftlich im Vorteil.

Allerdings verliert das AMS im Vergleich zum Referenzsystem mindestens 8 % an Einkommen bei gut ausgelasteten bzw. 25 % bei schlechter ausgelasteten Anlagen (40 Kühe). Eine Kombination mit Weidehaltung kann das Ergebnis verbessern. Bei automatischen Fütterungssystemen (AFS) liegt die wirtschaftlich sinnvolle Mindestauslastung deutlich höher. Ob ein Einsatz der Systeme sinnvoll ist, hängt von der Auslastung, vom Milchpreis und auch von den alternativen Einsatzmöglichkeiten der eigenen Arbeitskraft ab. Je höher der Milchpreis und je höher die eigene Arbeit bewertet wird, desto wirtschaftlicher sind Automatisierungsverfahren. Umgekehrt führen die damit verbundenen grossen Investitionen zu höheren Risiken, denen insbesondere bei tiefen Milchpreisen mit genügend Liquidität begegnet werden muss.

Agroscope Transfer | Nr. 3 Ein Modellvergleich von Milchproduktionssystemen mit und ohne automatische Melk- bzw. Fütterungssysteme erlaubte die Berechnung von Investitionsbedarf, Arbeitszeitbedarf, Produktionskosten sowie Einkommen bezogen auf die Arbeit und die Fläche. Automatische Melksysteme (AMS) haben insgesamt einen um 6–20  % höheren Investitionsbedarf und benötigen einen um 10–19  % tieferen Arbeitszeitaufwand. Bei automatischen Fütterungssystemen (AFS) liegt der Investitionsbedarf insgesamt um 11–20 % höher bei einer Einsparung der Arbeitszeit um 5  %. Die Kosten­ unterschiede der unterschiedlichen Systeme sind bei gleicher Bestandsgrösse relativ gering. Aus Sicht der Arbeitsverwertung sind AMS-Produktionssysteme bei voller Auslastung (60–70 Kühe) mit vergleichbaren Referenzsystemen (Fischgrät- Melkstand, Futtermischwagen) wirtschaftlich im Vorteil. Allerdings verliert das AMS im Vergleich zum Referenzsystem mindestens 8  % an Einkommen bei gut ausgelasteten bzw. 25 % bei schlechter ausgelasteten Anlagen (40 Kühe). Eine Kombination mit Weide­ haltung kann das Ergebnis verbessern. Bei automatischen Fütterungs­systemen (AFS) liegt die wirtschaftlich sinnvolle Mindestauslastung deutlich höher. Ob ein Einsatz der Systeme sinnvoll ist, hängt von der Auslastung, vom Milchpreis und auch von den alternativen Einsatzmöglichkeiten der eigenen Arbeitskraft ab. Je höher der Milchpreis und je höher die eigene Arbeit bewertet wird, desto wirtschaftlicher sind Automatisierungsverfahren. Umgekehrt führen die damit verbundenen grossen Investitionen zu höheren Risiken, denen insbesondere bei tiefen Milchpreisen mit genügend Liquidität begegnet werden muss. Christian Gazzarin, Franz Nydegger und Michael Zähner, Agroscope

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Aktuell

Neuigkeiten zur Diagnostik von Staphylococcus aureus-Euterentzündungen

Tiere Agroscope Transfer | Nr. 25

Neuigkeiten zur Diagnostik von Staphylococcus aureus-Euterentzündungen Mai 2014

Autoren

Renate Boss, Agroscope

Renate Boss Hans Graber

Euterentzündungen sind die häufigste Erkrankung der Milchkuh und verursachen der Schweizer Milchwirtschaft jährliche Verluste von 130 Mio. CHF. Unter den krankmachenden Keimen ist Staphylococcus aureus (Abk. Staph. aureus) einer der häufigsten. Derselbe Keim verursacht beim Menschen Lebensmittelvergiftungen. Agroscope entwickelte eine neue molekularbiologische Nachweismethode, die der Landwirtschaft und der milchverarbeitenden Industrie Vorteile verschaffen soll.

Woher kommt Staphylococcus aureus in der Milch? Die Milch im Euter einer gesunden Kuh ist keimfrei. Staphylokokken kommen entweder während des Melkens aus der Umgebung in die Milch (Kontamination) oder werden von Kühen mit Euterentzündungen ausgeschieden (Infektion).

Ersteres lässt sich durch sorgfältige Einhaltung von Hygienemassnahmen auf dem Betrieb weitestgehend vermeiden, während die Kontrolle von Euterentzündungen bei Kühen eine weitaus grössere Herausforderung darstellt. Damit es zu einer Euterentzündung (Mastitis) kommt, sind stets mehrere Einflüsse nötig (Faktorenkrankheit). Begünstigend wirken vor allem ungenügende Melkhygiene und -technik, mangelhafte Melkanlage und falsches Melkmanagement. Diese Faktoren führen letztlich dazu, dass Bakterien sich ansiedeln und die Mastitis verursachen können, allen voran der bekannte Keim Staph. aureus.

Agroscope Transfer | Nr. 25 Euterentzündungen sind die häufigste Erkrankung der Milchkuh und verursachen der Schweizer Milchwirtschaft jährliche Verluste von 130 Mio. CHF. Unter den krankmachenden Keimen ist Staphylococcus aureus (Abk. Staph. aureus) einer der häufigsten. Derselbe Keim verursacht beim Menschen Lebensmittelvergiftungen. Agroscope entwickelte eine neue molekularbiologische Nachweismethode, die der Landwirtschaft und der milchverarbeitenden Industrie Vorteile verschaffen soll. Woher kommt Staphylococcus aureus in der Milch? Die Milch im Euter einer gesunden Kuh ist keimfrei. Staphylokokken kommen entweder während des Melkens aus der Umgebung in die Milch (Kontamination) oder werden von Kühen mit Euterentzündungen ausgeschieden (Infektion). Ersteres lässt sich durch sorgfältige Einhaltung von Hygienemassnahmen auf dem Betrieb weitestgehend vermeiden, während die Kontrolle von Euterentzündungen bei Kühen eine weitaus grössere Herausforderung darstellt. Damit es zu einer Euterentzündung (Mastitis) kommt, sind stets mehrere Einflüsse nötig (Faktorenkrankheit). Begünstigend wirken vor allem ungenügende Melkhygiene und -technik, mangelhafte Melkanlage und falsches Melkmanagement. Diese Faktoren führen letztlich dazu, dass Bakterien sich ansiedeln und die Mastitis verursachen können, allen voran der bekannte Keim Staph. aureus. Renate Boss und Hans Graber, Agroscope

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Aktuell

Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 12.08.2014 Première für Schweizer Wiesenrispensorten Mit Sepia und Selista können 2014 zum ersten Mal Schweizer Zuchtsorten von Wiesenrispengras in den nationalen Sortenkatalog und gleichzeitig in die Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen eingetragen werden. Dieser Erfolg ist das Resultat einer über 30-jährigen Entwicklungsarbeit von Agroscope an den Standorten Changins und Reckenholz. Noch braucht es etwa 5 Jahre Ver-mehrungsaufbau, bis die neuen Sorten den Bedarf des Schweizer Saatgut-marktes decken können.

AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ RECHERCHE AGRONOMIQUE SUISSE

29.07.2014 Blattdüngung mit Harnstoff – Einfluss auf ver­ wertbaren Stickstoff optimieren Eine Optimierung der Stickstoffversorgung der Rebe ist sehr wichtig für die Produktion von qualitativ hochstehendem Wein. Bei der Sorte Chasselas führt ein Gehalt von mindestens 200 mg hefeverwertbarem Stickstoff pro Liter Traubenmost (=Formol-Index 14) zu einem guten Gärverlauf und fördert die sortentypischen Aromen im Wein. Die Blattharnstoffgabe nach beginnender Beerenreife ist eine kurzfristige und effiziente Massnahme, um die negativen Auswirkungen eines Stickstoffmangels im Most zu verhindern. Agroscope erforscht die Verteilmechanismen des Stickstoffs in der Traube, um die notwendigen Blattharnstoffgaben zu optimieren.

Aktuelle Forschungsergebnisse für Beratung und Praxis: Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal im Jahr Forschungsergebnisse über Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft, Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und Gesellschaft. Agrarforschung ist auch online verfügbar unter: www.agrarforschungschweiz.ch Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe! Name/Firma

Agrarforschung Schweiz /Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Partner der Zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirtschaft,die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft HAFL, die Beratungszentralen AGRIDEA, die Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL und Agroscope, die gleichzeitig Herausgeberin der Zeitschrift ist. Die Zeitschrift erscheint in Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenössische Ämter und an weitere Fachinteressierte.

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Vorname Strasse/Nr PLZ/Ort Beruf E-Mail Datum Unterschrift Talon einsenden an: Redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras, Postfach 64, 1725 Posieux Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00 E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch | www.agrarforschungschweiz.ch

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Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Agroscope Transfer

September 2014

www.agroscope.ch/transfer

11.09.2014 37. Informationstagung Agrarökonomie Agroscope Agroscope INH, 8365 Ettenhausen

Agroscope Transfer vermittelt Erkenntnisse und Erfahrungen von Forschungsarbeiten bei Agroscope in anwendungsorientierter Kurzform an Praxis, Beratung und Öffentlichkeit. Die einzelnen Ausgaben können im PDFFormat heruntergeladen werden.

Vor schau Oktober 2014 / Heft 10 Die Kraut- und Knollenfäule ist eine der weltweit bedeutendsten Kartoffelkrankheiten. Forschende von Agroscope untersuchten ­Bakterien aus der Kartoffelpflanze auf ihr mögliches Hemmpotenzial gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule für den schweizerischen Biokartoffelanbau. (Foto: Carole Parodi, Agroscope)

••Bakterien aus dem Wurzelbereich hemmen die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel, Denise Bönisch et al., Agroscope ••Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den Betriebs­ vergleich im Obstbau, Esther Bravin et al., Agroscope und Agridea ••Behangsprognose bei Äpfeln, Simon Schweizer et al., Agroscope und Hochschule Geisenheim, Deutschland ••Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten, Markus Kellerhals et al., Agroscope und ETH Zürich ••Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Acker­ kulturen bei Direktsaat und Pflug, Claudia Maurer et al., Fachstelle Bodenschutz des Kantons Bern und Agroscope

17.09.2014 Journée Semis direct Agroscope Agroscope IPB, Changins 19.  – 21.09.2014 Equus helveticus Gemeinsame Veranstaltung des Schweizerischen Nationalgestüts (SNG), des Instituts équestre national Avenches (IENA), des Zuchtverbands CH-Sportpferde (ZVCH) und des Schweizerischen Freibergerverbands (SFV) Avenches Oktober 2014 1.10.2014 Nutztiertagung Agroscope (ehemals ALP-Tagung) Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften (INT) Agroscope INT, 1725 Posieux November 2014 13.11.2014 BioForschungstagung Agroscope – FiBL: Grandes ­cultures Agroscope, FiBL Changins 18.11.2014 Profi-Lait-Forschungstag 2014 Profi-Lait, Agroscope, Agridea, HAFL Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel-­ wissenschaften HAFL, Zollikofen BE

••Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion, Renate Heinzelmann et al., Agroscope ••Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs­ intensivierung von Grünland im Engadin, Roman Graf, Vogelwarte Sempach ••Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen 2015–2016, Daniel Suter et al. Agroscope

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

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Vom 19. bis 21. September steht Avenches wieder im Zeichen des Pferdes dank dem bereits unverzichtbaren Pferdefestival Equus Helveticus. Mit dem National FM, dem Schweizer Sport- und Zuchtfinal der Freiberger, der Schweizer Meisterschaft der CH-Sportpferde, sowie mit Trab- und Galopprennen werden rund tausend Pferde und 20-mal mehr Besucher und Besucherinnen in Avenches erwartet.

www.equus-helveticus.ch

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Nutztiertagung Agroscope 2014

Für die diesjährige Tagung konnten wir Prof. Dr. Oene Oenema von der „Wageningen University and Research Center“, gewinnen, der zum Thema „Stickstoffeffizienz der Landwirtschaft in Europa“ referieren wird. Weitere Themen: • N-Effizienz auf Schweizer Landwirtschaftsbetrieben • N-Effizienz bei Milchkühen • LegumePlus: Einfluss bioaktiver Substanzen in Leguminosen auf N-Bilanz bei Milchkühen • N-Effizienz der Futterproduktion auf der Weide • Gesamtkörperzusammensetzung und N-Bilanz beim Schwein in Abhängigkeit der Protein- und Aminosäuren-Versorgung

ENTWICKLUNG DER LANDWIRTSCHAFT UND DES LÄNDLICHEN RAU M S

(vormals ALP-Tagung)

Ort: Agroscope, Konferenzsaal, Tioleyre 4, 1725 Posieux Anmeldung: bis 19.09.14 an AGRIDEA, Kurse, 8315 Lindau www.agridea.ch kurse@agridea.ch

www.agroscope.ch


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