Afs 07 08 2012 d lr

Page 1

Agrar forschung schweiz 2 0 1 2

|

H e f t

7 – 8

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich

J u l i – A u g u s t

Schwerpunkt

Projekt MOUNTLAND – Nachhaltige Landnutzung im Berggebiet

Pflanzenbau

Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich

Agrarwirtschaft

Gemüseanbau – Modellierung der ­Heterogenität und Intensität

Seiten 339–365

Seite 366 Seite 382


Inhalt Juli – August 2012 | Heft 7 – 8 339 Editorial Projekt Mountland limawandel und nachhaltige K 340 Berggebiete sind wichtige Elemente der Schweizer Landschaft. Im Projekt MOUNTLAND untersuchen ­Mitarbeitende der WSL, der ETH Zürich und der EPF ­L ausanne die Aus­wirkungen von zukünftigen Klima- und Landnutzungsänderungen auf die Bereitstellung von Ökosystemleistungen in drei Berg­regionen der Schweiz. ­(Foto: Alexandre Buttler, EPF Lausanne) Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux und Schweizerisches Nationalgestüt ALP-Haras; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART), www.agroscope.ch b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.ch b Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, ­Zollikofen, www.hafl.ch b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / ­Recherche Agro­nomique ­Suisse, Forschungs­anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Evelyne Fasnacht (ALP-Haras), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Philippe Droz (AGRIDEA), Brigitte Dorn (ETH Zürich). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, ­Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

­Landnutzung im Berggebiet Robert Huber et al. Projekt Mountland Erhaltung der Wytweiden im Jura: 346

klimatische und agrarpolitische ­Herausforderungen Alexandre Buttler et al. Projekt Mountland Weiterentwicklung des Direktzahlungs354

systems: Auswirkungen auf die Land­ nutzung im Berggebiet Robert Huber, Adrian Iten und Simon Briner Projekt Mountland Ökologisierung der Landwirtschaft im 360

­agrarpolitischen Prozess Christian Hirschi und Robert Huber Pflanzenbau Wasser-Kreuzkraut keimt schnell 366

und zahlreich Matthias Suter et al. Pflanzenbau Mit ArboPlus Managementkompetenzen 374

im Obstbau unterstützen Esther Bravin, Mirjam Blunschi und Simon Egger Agrarwirtschaft Gemüseanbau – Modellierung der 382

­Heterogenität und Intensität Anke Möhring, Gabriele Mack und Christian Willersinn Lebensmittel Einfluss des Untersuchungszeitpunkts 390

nach der Probenahme auf die Gesamtkeimzahl von Milch Gérald Pittet, Werner Luginbühl und Thomas Berger Kurzbericht Brennpunkte der Kartoffelforschung 396 Thomas Hebeisen 399 Porträt 400 Aktuell 403 Veranstaltungen


Editorial

Interdisziplinäre Forschung – ­zeitraubend aber notwendig Liebe Leserin, lieber Leser

Bernard Lehmann, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft BLW

Seit diesem Jahr sind die Agrar- und Umweltwissenschaften an der ETH Zürich unter dem Dach des Departements Umweltsystemwissenschaften vereint. Ein wichtiger Ausgangspunkt des Zusammenschlusses war die Erkenntnis, dass viele Herausforderungen im Umwelt- und Landwirtschaftsbereich nicht unabhängig voneinander angegangen werden können. Interdisziplinäre Forschung an den Schnittstellen zwischen Ökosystemen und deren Nutzung durch den Menschen schafft wichtige Grundlagen, welche die spezifischen Erkenntnisse aus den einzelnen Forschungsbereichen ergänzen. Gemeinsam können wissenschaftlich breit abgestützte Entscheidungsgrundlagen erarbeitet werden, welche eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen ermöglichen. Mit dem neuen Departement Umweltsystemwissenschaften wurde räumliche und institutionelle Nähe geschaffen, um das Potenzial, welches in einem Austausch zwischen den Agrar- und Umweltwissenschaften liegt, auszuschöpfen. Interdisziplinäre Forschung am Beispiel MOUNTLAND Das Forschungsprojekt MOUNTLAND zeigt, wie eine Integration von unterschiedlichen Forschungsbereichen erfolgreich umgesetzt werden kann. Das Projekt brachte unterschiedlichste Forschende mit ihren individuellen Problemdefinitionen, konzeptionellen Herangehensweisen und methodischen Werkzeugen zusammen. Gemeinsam ist es gelungen, naturwissenschaftliche Experimente mit ökologischer und sozio-ökonomischer Modellierung und der Analyse bestehender Politikprozesse zu verbinden. Damit konnten die Herausforderungen einer nachhaltigen Landnutzung im Berggebiet aus einer integrativen Perspektive erforscht werden. MOUNTLAND liefert wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlagen für Politik, Verwaltung und die lokalen Akteure in den Fallbeispiel­ regionen. Motivation über das eigene Forschungsfeld hinauszuschauen Interdisziplinäre Forschung hat aber auch einen Preis. Nur eine beharrliche Auseinandersetzung mit den eigenen und fremden Ideen ermöglichte den Forschenden in MOUNTLAND, die (System-) Grenzen der eigenen Forschung zu überwinden und die Resultate zu synthetisieren. Für viele Forschende war dies gleichbedeutend mit einer hohen zeitlichen Belastung. Die positive Einstellung der Projektpartner ermöglichte es aber, immer wieder neue Anläufe für die Zusammenarbeit in Angriff zu nehmen und Lösungen für die unterschiedlichen Herangehensweisen zu finden. Darin liegt auch die Herausforderung für inter­ disziplinäre Forschung innerhalb des neuen Departements Umweltsystemwissenschaften oder den Forschungsprogrammen von Agroscope: Eine erfolgreiche Umsetzung bedarf der Motivation der Forschenden, über ihren eigenen Garten hinauszuschauen. Räumliche und institutionelle Nähe sind dazu zwar hilfreich, aber keineswegs ausreichend.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 339, 2012

339


P r o j e k t

M O U N T L A N D

Klimawandel und nachhaltige ­Landnutzung im Berggebiet Robert Huber1, Peter Bebi2, Simon Briner3, Harald Bugmann 4, Alexandre Buttler5,6,10, Adrienne Grêt-Regamey7 Christian Hirschi8, Roland Scholz9, Willi Zimmermann8 und Andreas Rigling1 1 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL , 8903 Birmensdorf 2 WSL- Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, 7260 Davos 3 Agri-food and Agri-Environmental Economics Group, IED, ETH-Zentrum, 8092 Zürich 4 Waldökologie, ITES, ETH-Zentrum, 8092 Zürich 5 Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL, School of Architecture, Civil and Environmental Engineering ENAC, Laboratory of ecological systems ECOS, Station 2, 1015 Lausanne 6 Swiss Federal Research Institute WSL, Site Lausanne, Station 2, 1015 Lausanne 7 Planung von Landschaften und Urbanen Systemen, IRL, ETH Campus Science City, 8093 Zürich 8 Umweltpolitik und Umweltökonomie, IED, ETH-Zentrum, 8092 Zürich 9 Natural and Social Science Interface, IED, ETH-Zentrum, 8092 Zürich 10 Université de Franche-Comté – CNRS, UMR 6249 Chrono-environnement, 25030 Besançon cedex, France. Auskünfte: Robert Huber, E-Mail: robert.huber@wsl.ch, Tel. +41 44 739 23 38

Region Visp: Eine der drei Fallbeispielregionen des MOUNTLAND-Projekts. (Foto: Andreas Rigling, WSL)

Einleitung Die Berglandwirtschaft im weiteren Sinn war in den letzten Jahren ein wichtiger Bestandteil vieler schweizerischer Forschungsprojekte, die verschiedene Forschungsdisziplinen zusammenbrachten. Dazu gehören beispielsweise das Polyprojekt Primalp (Gotsch et al. 2004), das Nationale Forschungsprogramm 48 «Landschaften und Lebensräume der Alpen» (Lehmann und

340

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 340–345, 2012

Messerli 2007), das Forschungsprogramm AgriMontana (Flury 2010) oder das laufende Verbundprojekt Alp­ FUTUR (Lauber et al. 2008). Im Kontext dieser vielfältigen Forschung zeichnet sich das Forschungsprojekt ­MOUNTLAND1 (Rigling et al. 2012) durch zwei zusätzliche Aspekte aus: Ausführliche Beschreibung und sämtliche Publikationen des Projekts auf: www.cces.ethz.ch/projects/sulu/MOUNTLAND

1


••Eine explizite Berücksichtigung zukünftiger Klimaveränderungen auf die Bereitstellung von Ökosystemleistungen; ••Eine methodische Verknüpfung der verschiedenen Forschungsdisziplinen über Modelle und Fallstudien. Dies ermöglicht eine vergleichende Betrachtung von Mensch-Umwelt Beziehungen. Der vorliegende Artikel stellt das Forschungsprojekt vor, fasst die (agrar-) politisch relevanten Resultate der ersten Projektphase (2008 – 2012) zusammen und liefert Hintergrundinformationen für die weiteren Artikel in dieser MOUNTLAND Schwerpunktnummer der Agrarforschung. Von der Multifunktionalität zu Ökosystemleistungen Die Multifunktionalität der Landwirtschaft ist in der Gesellschaft und der Schweizer Agrarpolitik fest verankert. In Bezug auf die Interaktion zwischen Umwelt und landwirtschaftlicher Produktion verweist die Verfassung insbesondere auf die Erhaltung der natürlichen Ressourcen und die Pflege der Kulturlandschaft als integralen Bestandteil einer multifunktionalen Landwirtschaft (BV Art. 104). In der Wissenschaft sind die ökologischen Aspekte einer multifunktionalen Landwirtschaft jedoch von einer neuen Begrifflichkeit überholt worden. Seit dem Millenium Ecosystem Assessment (MEA 2005) wird in diesem Zusammenhang vermehrt von Ökosystemleistungen gesprochen. Mit diesem Begriff werden die zusätzlichen Leistungen der Landwirtschaft, welche auf der Interaktion der Landwirtschaft mit der Umwelt beruhen, nicht nur als Externalität oder öffentliches Gut betrachtet, sondern als ein wechselseitiges, integrales System, in welchem natürliche und sozioökonomische Faktoren die Bereitstellung von Gütern und Leistungen beeinflussen. Diese wiederum stellen die Basis für das menschliche Wohlbefinden sicher (Plieninger et al. 2010). Der Begriff der Multifunktionalität der Landwirtschaft, wie er in der Schweizer Agrarpolitik verwendet wird, kann dadurch um folgende Aspekte erweitert werden: ••Ergänzende Leistungen. Ökosystemleistungen werden in Versorgungsleistungen (Nahrungsmittel, sauberes Wasser etc.), Regulierungsleistungen (Klimaregulierung, Wasserabfluss etc.) und kulturelle Leistungen (Ästhetik, Erholung etc.) klassifiziert, welche wiederum von den Basisleistungen (Nährstoffkreislauf, Bodenbildung etc.) und der Biodiversität getragen werden (MEA 2005; Plieninger et al. 2010). Dieses Konzept komplettiert dadurch auf eine systematische Weise die in der Verfassung festgehaltenen multifunktionalen Leistungen, welche im Zusammenhang mit der landwirtschaftliche Nutzung der natürlichen  Ressourcen stehen.

Zusammenfassung

Klimawandel und nachhaltige ­L andnutzung im Berggebiet | Projekt MOUNTLAND

Das Forschungsprojekt MOUNTLAND untersucht die Auswirkungen von zukünftigen Klima- und Landnutzungsänderungen auf die Bereitstellung von Ökosystemleistungen in Berggebieten aus einer integrativen Perspektive. Das Projekt verbindet naturwissenschaftliche Experimente mit ökologischen Simulationsmodellen und einem agraröko­ nomischen Landnutzungsmodell sowie einer Analyse (agrar-)politischer Rahmenbe­ dingungen und Entscheidungsprozesse. Das konzeptionelle Vorgehen erlaubt es, Rückkopplungseffekte in der Beziehung zwischen ökologischen Prozessen und menschlichen Entscheidungsprozessen in drei verschiedenen Fallstudiengebieten des Schweizer Berggebiets zu erforschen.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 340–345, 2012

341


Projekt MOUNTLAND | Klimawandel und nachhaltige ­L andnutzung im Berggebiet

2005). Vor diesem Hintergrund untersucht das Forschungsprojekt MOUNTLAND die folgenden Ökosystemleistungen der Land- und Waldwirtschaft im Berggebiet:

Abb. 1 | Fallbeispielregionen im Forschungsprojekt MOUNTLAND Rot: Kerngebiet; hellrot: regionale Einflüsse. (Karte: A. Psomoas, WSL)

••Leistungen anderer Ökosysteme. Die Leistungen der Landwirtschaft müssen in einem erweiterten Kontext analysiert werden, da andere Ökosysteme ebenfalls spezifische Leistungen erbringen. Die Austauschbeziehungen zwischen Produktionsleistung und anderer Leistungen verschiedener Ökosysteme sollen systematisch und wenn immer möglich quantitativ erfasst werden. Daraus abgeleitet ergibt sich auch die Forderung an die Politik, vermehrt intersektorale Fragen und Ansätze zu prüfen. Im Vordergrund steht dabei die explizite Abstimmung von Angebot und Nachfrage von Ökosystemleistungen (Grêt-Regamey et al. 2012). ••Rückkoppelungseffekte Mensch-Umwelt. Die Systemperspektive beinhaltet explizit Rückkoppelungseffekte in der Interaktion zwischen Mensch und Umwelt. Zum Beispiel führen durch den Klimawandel zu erwartende Veränderungen der ökologischen Prozesse zu einer Änderung der Landnutzungsentscheide der Landwirte. Allfällige agrarpolitische Massnahmen beeinflussen dieses Entscheidungsverhalten ebenfalls, wodurch wiederum auf die ursprünglichen ökologische Prozesse eingewirkt wird. Diese ergänzenden Aspekte der Ökosystemleistungen sind deshalb zentral, weil spezialisiertes und sektorspezifisches Wissen allein nicht genügt, um den klimatischen und sozioökonomischen Herausforderungen der Zukunft zu begegnen (Heal und Small 2002). Interdisziplinäre Erkenntnisse sind eine wichtige Ergänzung zur disziplinären Forschung und eine Voraussetzung für robuste Empfehlungen bezüglich zukünftigen Management- oder Politikmassnahmen im Bereich der Ökosystemleistungen (Carpenter et al. 2009). Dies ist insbesondere im Berggebiet der Fall, wo sich die kumulierten Effekte des Klimawandels und der wirtschaftlichen Entwicklung akzentuieren werden (Huber et al.

342

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 340–345, 2012

••Versorgungsleistungen: Produktion von Nahrungsmitteln und Holz; ••Regulierungsleistungen: Klimaregulation basierend auf Kohlenstoffbilanzierungen, Schutz vor Naturgefahren; ••Kulturelle Leistungen: Ästhetische Werte basierend auf Landschaftsdiversität. ••Basisleistungen: Nitratemissionen der landwirtschaftlichen Produktion. Schliesslich repräsentieren Indikatoren zur Entwicklung der Biodiversität (auf Arten- und Landschaftsebene) eine weitere grundlegende Leistung der Ökosysteme, welche in MOUNTLAND untersucht wird. Von Davos, ins Wallis und den Jura Die Forschung von MOUNTLAND konzentriert sich in drei verschiedenen Fallbeispielregionen innerhalb des Berggebiets. Die Regionen Jura, Visp und Davos (siehe Abb. 1) unterscheiden sich explizit in ihrer Sensitivität gegenüber dem Klimawandel und ihren sozio-öko­ nomischen Charakteristiken. Das Wytweiden-Ökosystem im ozeanisch geprägten Klima des Kantons Waadt (Jura) reagiert empfindlich auf landwirtschaftliche Nutzungsänderungen. Das im Kanton Wallis gelegene, zentralalpine Ökosystem in der Region Visp ist besonders anfällig auf Trockenheit. Das Ökosystem in der Region um das touristisch geprägte Davos schliesslich reagiert sensitiv auf Temperaturänderungen. Von den disziplinären Forschungsfragen zur Synthese Der konzeptionelle Ansatz in MOUNTLAND beruht auf der Idee, dass die Verbindung zwischen den disziplinären Teilprojekten von Beginn an sichergestellt wird und nicht eine Kaskade einzelner, nachträglich zu vernetzender Teilprojekte entsteht. Die Zusammenarbeit basiert dabei auf vier Pfeilern: 1. Eine einheitliche Forschungsfrage, welcher sämtliche Teilprojekte untergeordnet sind. Dadurch wird eine Verzettelung der Forschungsaktivitäten verhindert. Die grundlegenden Forschungsfragen des Projekts lauteten: ••Wie wirkt sich die Klimaveränderung auf ausgewählte Ökosystemprozesse aus und welche räumlichen Interaktionen beeinflussen die verschiedenen Ökosystemleistungen?


Klimawandel und nachhaltige ­L andnutzung im Berggebiet | Projekt MOUNTLAND

Tab. 1 | Teilprojekte und beteiligte Forschungsgruppen in MOUNTLAND

Forschungsbereich

Fallstudien­ region

Jura

Ökologie

Visp

Davos

Alle Regionen Sozio-ökonomie

Davos

Inhalt

Institution

Experimente zur Wirkung der Erwärmung auf ­Vegetation und Bodenprozesse. Modellierung der Vegetationsentwicklung in der ­W ytweiden Landschaft.

Laboratoire des systèmes écologiques ECOS, EPFL-WSL, Lausanne

Experimente zur Etablierung, Wachstum und Mortalität von Baumarten unter Trockenheit (Abb. 2).

Walddynamik, WSL, Birmensdorf

Dynamische Simulation von Waldmanagement und ­Klimaeffekten in Waldmodellen.

Waldökologie, ITES, ETH Zürich

Experimente und Analysen zur Etablierung von Bäumen and der Waldgrenze und zur Schutzfunktion des ­Gebirgswaldes an der Waldgrenze.

Gebirgsökosysteme, WSL-SLF, Davos/ Waldböden und Biogeochemie WSL, Birmensdorf

Modellierung von Wald-Lawineninteraktionen.

Landschaftsdynamik, WSL, Birmensdorf

Entwicklung von Szenarien a) im Kontext aller Fall­ studienregionen und b) in Zusammenarbeit mit lokalen ­Akteuren (in Visp).

Natural and social science interface, ETH Zürich

Landnutzungsmodellierung: ökonomische Quantifi­zierung von Austauschbeziehungen zwischen der ­Primärproduktion und der Bereitstellung von Ökosystem­leistungen.

Agri-food and Agri-Environmental Economics Group, ETH Zürich

Räumlich explizite Optimierung von Ökosystem­leistungen ­mithilfe von Baysean Netzwerken.

Planung von Landschaft und Urbanen Systemen, IRL, ETH Zürich

Beschreibung des institutionellen und programmatischen ­Aufbau von bestehenden Landnutzungspolitiken; Politik

Alle Regionen

Identifikation und Analyse der zentralen Akteure und deren ­Verbindungen mit Hilfe von Netzwerkanalysen;

Umweltpolitik und Umweltökonomie, IED, ETH Zürich

Entwicklung von Politikszenarien und Indikatoren zur ­Verbindung von Politikanalyse und Modellierung. Bemerkung: ausgewählte Resultate aus den eingefärbten Themenfelder sind Teil der vorliegenden Schwerpunktnummer MOUNTLAND.

••Wie wirken sich klimatisch, sozio-ökonomisch und politisch bedingte Landnutzungsänderungen in der Wald- und Landwirtschaft auf die Bereitstellung von Ökosystemleistungen aus? ••Welche sektoralen und Sektor übergreifenden Politikmassnahmen wirken in welcher Weise auf die Bereitstellung von Ökosystemleistungen? Was wären Handlungs- und Politikoptionen, welche eine nachhaltige Landnutzung unter der Berücksichtigung von Klima- und Landnutzungsänderungen sicherstellen? 2. Übergeordnete Szenarien, die für alle Fallbeispiel­ regionen gelten und welche klimatische und soziökonomische Entwicklungen miteinander verbinden. Diese ermöglichen eine Diskussion der komplementären Erkenntnisse aus den verschiedenen Fallbeispielregionen.

3. Eine explizite Verbindung der Modelle aus den ökologischen und ökonomischen Teilbereichen des Projekts. Mit anderen Worten, die Resultate der jeweiligen Simulationen konnten als Input für das andere Modell genutzt werden. Dadurch wird es möglich, Austauschbeziehungen (trade-offs) zwischen den verschiedenen Ökosystemleistungen sowie Rückkoppelungseffekte zwischen Mensch und Umwelt bzw. zwischen Angebot und Nachfrage zu evaluieren. 4. Die Berücksichtigung und Integration verschiedener (lokaler) Akteure wie beispielsweise Förster, Landwirte, oder Verantwortliche aus der Verwaltung in den einzelnen Teilprojekten (Transdisziplinarität) schliesslich erlaubt es, die Forschungsresultate in der «realen» Welt zu verankern.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 340–345, 2012

343


Projekt MOUNTLAND | Klimawandel und nachhaltige ­L andnutzung im Berggebiet

Abb. 2 | Das Projektteam besichtigt das Regendachexperiment in Susten VS. (Foto: Andreas Rigling, WSL)

Diese konzeptionelle Grundlage ermöglichte es, die einzelnen Forschungsbereiche (Tab. 1) erfolgreich miteinander zu verknüpfen und zusammenzufassen. Von der Forschung zu den Politikoptionen In Bezug auf die Politikoptionen (dritte Forschungsfrage) zeigen die Resultate, dass a) strategische Bewirt­ schaftungsentscheide und politische Instrumente möglichst flexibel ausgestaltet werden sollten um potenziellen abrupten Änderungen begegnen zu können, b) eine noch stärkere Regionalisierung von politischen Massnahmen, insbesondere in der Agrar­ politik, zu prüfen ist, um der räumlichen Heterogenität möglicher Auswirkungen gerecht zu werden, c) projektbezogene Massnahmen es ermöglichen, sektorübergreifende Ziele zu erreichen und betroffene Landnutzer (Landwirte und Förster) besser in die Entwicklungsprozesse mit einzubeziehen und d) raumplanerische Methoden und Instrumente auch im Bereich der Wald- und Landwirtschaft hilfreich sein können, um den Herausforderungen für die zukünftige Bereitstellung von Ökosystemleistungen im Berggebiet zu begegnen (Rigling et al. 2012). Inhalte der Schwerpunktnummer Spiegelberger et al. (2012) befassen sich mit dem Einfluss des Klimawandels auf die Vegetation in den Jura Wytweiden. Die Autoren präsentieren ausgewählte Resultate aus den Experimenten und Modellsimulatio-

344

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 340–345, 2012

nen im Jura. Ihre Analysen zeigen, dass das sehr empfind­ liche Wytweiden Ökosystem in Zukunft nur mit ge­zielten forst- und landwirtschaftlichen Massnahmen aufrechterhalten werden kann. Huber et al. (2012) wenden das agentenbasierte Landnutzungsmodell ALUAM-AB auf die Fallbeispielregionen Visp und Jura an und untersuchen die Auswirkungen der Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems (WDZ) auf die Landnutzungsintensität. Sie zeigen, dass die gleiche agrarpolitische Massnahme in Abhängigkeit der vorherrschenden Agrarstruktur unterschiedliche Auswirkungen auf die Landnutzungsintensität hat. Hirschi und Huber (2012) präsentieren in ihrem Artikel das agrarpolitische Netzwerk der Schweiz basierend auf einer Rekonstruktion des politischen Prozesses zur Agrarpolitikreformetappe 2011 (AP 2011) sowie einer inhaltlichen Auswertung der Vernehmlassungen zu den Reformetappen AP 2011 und AP 14 – 17. Die Autoren zeigen, dass das landwirtschaftliche Politiknetzwerk Ökosystemleistungen der Landwirtschaft grundsätzlich stärken und besser abgelten möchte, dafür aber auch in Zukunft politische Kompromisse innerhalb der Landwirtschaftspolitik und gegebenenfalls mit weiteren Politikbereichen nötig sein werden. n

Dank

Das Forschungsprojekt MOUNTLAND wurde durch die Finanzierung des Competence Center for Environment and Sustainability (CCES) des ETH Bereichs ermöglicht.


Cambiamento climatico e uso sostenibile del territorio in ambiente montano Il progetto di ricerca MOUNTLAND studia, con una prospettiva integrativa, gli effetti che il cambiamento climatico e l’uso del territorio hanno sulla capacità degli ecosistemi montani di fornire i loro servizi. Il progetto coniuga esperimenti in scienze naturali con simulazioni di modelli ecologici e un modello agro-economico di uso del territorio, come pure una analisi (agro-) politica delle condizioni quadro e dei processi decisionali. Il processo concettuale permette lo studio degli effetti reciproci nelle relazioni tra i processi ecologici e processi decisionali sull’esempio di tre casi studio nelle regioni montane.

Literatur ▪▪ Buttler A., Gavazov K., Peringer A., Siehoff S., Mariotte P., Wettstein J.B., Chételat J., Huber R., Gillet F. & Spiegelberger T., 2012. Erhaltung der Wytweiden im Jura: Klimatische und agrarpolitische Herausforderungen. Agrarforschung Schweiz 3 (7–8), 346-353. ▪▪ Carpenter S.R., Mooney H.A., Agard J., Capistrano D., DeFries R.S., Diaz S., Dietz T., Duraiappah A.K., Oteng-Yeboah A., Pereira H.M., Perrings C., Reid W.V., Sarukhan J., Scholes R.J. & Whyte A., 2009. Science for managing ecosystem services: Beyond the Millennium Ecosystem Assessment. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 106 (5), 1305–1312. ▪▪ Flury C., 2010. Agroscope Forschungsprogramm AgriMontana: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART. ▪▪ Gotsch N., Flury C., Kreuzer M., Rieder P., Heinimann H.R., Mayer A.C. & Wettstein H.-R., 2004. Land- und Forstwirtschaft im Alpenraum – Zukunft im Wandel. Synthesebericht des Polyprojektes «PRIMALP – Nachhaltige Primärproduktion am Beispiel des Alpenraums». Wissenschaftsverlag Vauk, Kiel. S. ▪▪ Grêt-Regamey A., Brunner S.H. & Kienast F., 2012. Mountain Ecosystems Services: Who Cares? Mountain Research and Development 32 (S1), 23–34. ▪▪ Heal G.M. & Small A.A., 2002. Agriculture and Ecosystem Services. In: Handbook of Agricultural Economics: Agriculture and its external linkages (Ed. B. L. Gardner und G. C. Rausser). Elsevier Science, Amsterdam, 1341 – 1369.

Summary

Riassunto

Klimawandel und nachhaltige ­L andnutzung im Berggebiet | Projekt MOUNTLAND

Climate change and sustainable land-use in mountain regions The research project MOUNTLAND addresses the impacts of climate- and land-use changes on the provision of ecosystem services in mountain regions. The project applies an integrative approach by combining field experiments, ecological modeling, land-use modeling and the analysis societal and political decision making processes. The conceptual approach taken allows for the consideration of feedback effects in human-nature interactions in three different mountain regions in Switzerland. Key words: climate change, land-use change, inter- and transdisciplinary research, mountain regions.

▪▪ Hirschi C. & Huber R., 2012. Ökologisierung der Landwirtschaft im agrarpolitischen Prozess. Agrarforschung Schweiz 3 (7–8), 360–365. ▪▪ Huber R., Iten A. & Briner S., 2012. Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems: Auswirkungen auf die Landnutzung im Berggebiet. A ­ grarforschung Schweiz 3 (7 – 8), 354–359. ▪▪ Huber U., Bugmann H. & Reasoner M., 2005. Global Change and Mountain Regions: An overview of current knowledge, Advances in Global Change Research. Springer-Verlag, Dordrecht, The Netherlands. 650 S. ▪▪ Lauber S., Seidl I., Böni R. & Herzog F., 2008. Sömmerungsgebiet vor vielfältigen Herausforderungen. Agrarforschung 15 (11–12), 548–553. ▪▪ Lehmann B. & Messerli P., 2007. The Swiss National Research Programme «Landscapes and habitats of the Alpine Arc». Journal of alpine research 4, 19 – 28. ▪▪ MEA, 2005. Millennium Ecosystem Assessment, Ecosystems and Human Well-being: Synthesis. Island Press, Washington, D.C. S. ▪▪ Plieninger T., Bieling C., Gerdes H., Ohnesorge B., Schaich H., Schleyer C., Kathrin T. & Wolff F., 2010. Ökosystemleistungen in Kulturlandschaften. Natur und Landschaft 85 (5), 187–192. ▪▪ Rigling A., Huber R., Bebi P., Brand F., Briner S., Buttler A., Elkin C., Gillet F., Grêt-Regamey A., Hirschi C., Lischke H., Scholz R.W., Seidl R., Spiegelberger T., Walz A., Zimmermann W. & Bugmann H., 2012. Sustainable land use in mountain regions under global change: Synthesis across scales and disciplines. Ecology and Society (in review).

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 340–345, 2012

345


P r o j e k t

M O U N T L A N D

Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen Alexandre Buttler1,2,3, Konstantin Gavazov1,2, Alexander Peringer1,4, Silvana Siehoff1, Pierre Mariotte1,2, Jean-­Bruno Wettstein5, Joël Chételat6, Robert Huber2, François Gillet1,3 und Thomas Spiegelberger7 1 Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL, School of Architecture, Civil and Environmental Engineering ENAC, Laboratory of ecological systems ECOS, Station 2, 1015 Lausanne 2 Swiss F­ ederal Research Institute WSL, Site Lausanne, Station 2, 1015 Lausanne, und 8903 Birmensdorf 3 Université de Franche-Comté – CNRS, UMR 6249 Chrono-environnement, 25030 Besançon cedex, Frankreich 4 Institute for Landscape Planning, University of Stuttgart ILPOE, Stuttgart, Deutschland, 5 Bureau d’agronomie, 1450 Ste-Croix 6 Microgis Foundation for Spatial Analysis MFSA, 1025 St-Sulpice 7 Irstea, Research Unit Mountain Ecosystems, 38402 Saint-Martin d’Hères, Frankreich Auskünfte: Alexandre Buttler, E-Mail: alexandre.buttler@epfl.ch, Tel. +41 21 693 39 39

Kontrollstandort les Amburnex beim Col du Marchairuz (Vaud). (Foto: Alexandre Buttler, WSL)

Einleitung Wytweiden sind vom Menschen geschaffene Weide­ flächen auf denen sich bestockte und reine Weide­­ flächen abwechseln. Diese dienen in erster Linie als Futtergrundlage für Kühe und Rinder und werden zur Holzgewinnung genutzt. Im jahrhundertelangen Zusammenspiel von Natur und Mensch wurden kleinräumige Mosaikstrukturen geschaffen, die einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren einen passenden Lebensraum bieten, darunter emblematische Arten

346

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012

wie Auerhahn, Luchs oder verschiedene Orchideen. Die Wytweiden sind ein typischer Bestandteil der Juralandschaften und dienen sowohl im Winter als auch im Sommer als Erholungs- und Freizeitgebiet, insbesondere für die Bevölkerung der nahegelegenen urbanen Gebiete des Genfersees. Die Wytweiden-Ökosysteme stellen noch weitere, für die Gesellschaft grundlegende Ökosystemdienstleistungen bereit, wie beispielsweise die Speicherung und Reinigung von (Trink-)Wasser, die Reinhaltung der Luft oder die attraktiven Kulturlandschaften (Miéville-Ott und Barbezat 2005).


Wytweiden reagieren empfindlich auf Landnutzungsänderungen, weil die Vegetationsentwicklung durch ein komplexes Zusammenspiel von Beweidung und Forstwirtschaft geprägt ist. In den letzten Jahrzehnten wechselten sich verschiedene Phasen der Landnutzung ab (Chételat et al. 2012). Nach dem 2. Weltkrieg wurden viele Flächen gerodet, um die Nachfrage nach Holz und Nahrungsmitteln decken zu können. Die Kombination einer protektionistischen Landwirtschaft mit der fortschreitenden Mechanisierung der Landwirtschaft hielt in der Folgezeit die Intensität der Nutzung hoch. Gleichzeitig führte der Strukturwandel in der Landwirtschaft zu voneinander abgetrennten Nutzungseinheiten. In den Siebzigerjahren führte die Einführung der Milchkontingentierung zu einer Abschwächung der Nutzungsintensität. Die Trennung von Einkommens- und Preispolitik anfangs der neunziger Jahre resultierte in einem starken Rückgang der Produzentenpreise, wodurch sich der Trend verstärkte, dass Flächen entweder intensiv genutzt oder aber aufgegeben wurden. ­ Dieser Trend konnte auch durch die Einführung der (öko­ logischen) Direktzahlungen mit dem neuen Verfassungsartikel von 1996 nicht wesentlich gebremst werden. Parallel zu den unterschiedlichen Phasen der Landnutzung spielten auch die Veränderung des Klimas und Wetterereignisse wie Stürme und Dürreperioden eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Wytweiden (Peringer et al. 2012). Durch die kalkhaltigen Unterböden und den damit verbundenen raschen Wasserabfluss sind die Wytweiden im Jura insbesondere anfällig auf Trockenheit. Die Zunahme der mittleren jährlichen Temperatur um 1,5 Grad führte im vergangenen Jahrhundert zu extremen Sommertemperaturen und vermehrten Dürreperioden, welche sich negativ auf die Futterproduktion auswirkten (Gavazov et al. 2012). Für viele landwirtschaftliche Betriebe im Jura erhöhte sich dadurch das Einkommensrisiko, weil fehlende Futterreserven zugekauft oder der Tierbestand angepasst werden mussten. Auch in Zukunft werden sich klimatische und sozioökonomische Änderungen stark auf die Vegetation der Wytweiden auswirken. Der Klimawandel rechnet in diesem Jahrhundert mit einer Fortsetzung des Temperaturanstiegs um 2,8 – 5,3 Grad und einer Verringerung der Niederschläge um 30 %, wodurch das Risiko von Dürreperioden weiter zunehmen dürfte (CH2011). Gleichzeitig sieht die nächste Reformetappe der Agrarpolitik (AP14  –  17) vor, dass mit der Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems tierbezogene durch flächenbezogene Direktzahlungen ersetzt werden. Damit sollen Intensivierungsanreize in der Tierhaltung abgeschafft werden und die Landnutzungsintensität reduziert werden (Barth et al. 2011). Eine zusätzliche Extensivierung 

Zusammenfassung

Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen | Projekt MOUNTLAND

Die für den Jura typischen Wytweiden dienen als Futterweiden und Holzlieferanten. Darüber hinaus haben diese artenreichen Ökosysteme weitere Funktionen, insbesondere als Raum für Erholungs- und Freizeitaktivitäten. Die Wytweiden reagieren empfindlich auf Klima- und Landnutzungsänderungen. Dieser Artikel zeigt mit Hilfe eines Transplantations-Experiments und Modellrechnungen, wie sich die prognostizierten Klimaänderungen auf die Grasproduktion der Wytweiden auswirken und welche zusätzlichen Effekte durch die nächste Agrarreformetappe (AP14 – 17) zu erwarten sind. Die Resultate zeigen, dass unter zukünftigen Klimabedingungen die Futterproduktion auf Wytweiden stabiler verläuft als auf Weiden ohne Bäume. Die Modellsimulationen prognostizieren, dass die bestehende Nutzungsintensität zu einer Übernutzung auf offenen Weiden führen kann, wenn das Futterangebot trockenheitsbedingt zurückgeht. Im Gegensatz dazu führt die AP14 – 17 zu einer Extensivierung der Landnutzung, wodurch längerfristig die Zunahme geschlossener Waldflächen gefördert wird. Die in der AP14 – 17 vorgesehenen Landschaftsqualitätsbeiträge sollten es ermöglichen, spezifische Massnahmen zur Erhaltung der Wytweiden zu unterstützen.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012

347


Projekt MOUNTLAND | Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen

Abb. 1 | Mesokosmos für das Transplantationsexperiment. (Foto: Konstantin Gavazov, EPFL)

der Landnutzung im Wytweidensystem des Juras könnte jedoch die Zunahme der Walddichte beschleunigen und damit der Segregation der Flächen in offene Weiden und geschlossenen Wald Vorschub leisten. Für diesen Artikel wurden verschiedene methodische Ansätze miteinander verknüpft, um eine ganzheitliche Perspektive zu ermöglichen (Huber et al. 2012b). Mit Blick auf die verschiedenen wertvollen Funktionen der Wytweiden und die daraus entstehenden Nutzungskonflikte wurden bereits in früheren Forschungsprojekten Instrumente entwickelt, welche eine integrierte und multifunktionale Bewirtschaftung unter der Berücksichtigung divergierender Interessen ermöglichen sollen (Barbezat und Boquet 2008). Die hier präsentierten Resultate verdeutlichen, wie wichtig die Berücksichtigung der klimatischen und agrarpolitischen Veränderungen in der Entwicklung von adaptiven Massnahmen sein wird.

(Waadtländer Jura) in tiefere Lagen verpflanzt (Abb. 2). Der Standort Combe des Amburnex (1350 m ü.M., N 46° 4‘, E 6° 23‘) diente als Kontrolle vor Ort. Eine Verpflanzung nach Saint-George (1010 m ü.M., N 46°

0

20 km Neuenburg

Bullet

348

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012

e

se

ten

ur

M

x

ou

eJ

cd

La

Les Amburnex Aubonne St-George

Lausanne Genfersee

Material und Methoden Die vorliegende Analyse umfasst drei verschiedene methodische Ansätze. 1) Ein Boden-Transplantations­ experiment; 2) ein Vegetationsmodell und 3) ein sozioökonomisches Landnutzungsmodell. Für den experimentellen Teil dieser Studie wurden im August 2009 Bodensoden («Mesokosmen», ca. 60 × 80 cm und 35 cm tief – Abbildung 1) entlang eines Höhengradienten von der Combe des Amburnex

u Ne

e

rse

ge

ur

b en

e

se

ler

Bie

Genf Abb. 2 | Geographische Lage des Verpflanzungsexperiments (entlang des Höhengradienten Les Amburnex – St-George – Arboretum d’Aubonne) und der Modellregionen in Bullet. (Planets Ouest, Planets Milieu Est, Cluds sud).


Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen | Projekt MOUNTLAND

Abb. 3 | Die verpflanzten Mesokosmen auf einer offen Wytweide in der Combe des Amburnex. (Foto: Alexandre Buttler, WSL)

52‘, E 6° 26‘) repräsentiert einen Temperaturanstieg von +2 Grad und eine Reduktion der Niederschläge von -20 %. Das Arboretum von Aubonne (570 m ü.M., N 46° 51‘, E 6° 37‘) entspricht einer Änderung von +4 Grad beziehungsweise -40 % der Niederschläge. Die Bodensoden aus der Combe des Amburnex stammten dabei aus Wytweiden mit unterschiedlicher Walddichte: i) einer dicht bewaldeten Weide, ii) einer licht bewaldeten Weide und iii) einer baumfreien Weide. An jedem Standort wurden fünfzehn Mesokosmen (5  x  3 Typen Weidefläche) eingesetzt und die natürlich vorherrschenden Lichtbedingungen mit Hilfe von Beschattungsnetzen simuliert (Abb. 3). In jedem Mesokosmos wurde das Gras auf einer Fläche von 35 × 35 cm geschnitten (Ende Juli), alle Pflanzenarten bestimmt, getrocknet und gewogen. Die entsprechende Biomasse diente als Grundlage für die Schätzung der jährlichen Biomasseproduktion. Für die Simulation der Sukzessionsdynamik in den Wytweiden wurde das dynamische Computermodell WoodPaM (Gillet 2008; Peringer et al. 2012) benutzt. WoodPaM ist ein räumlich explizites Modell der Wytweide-Ökosysteme, das in der Lage ist, im Schweizer Jura die Entstehung einer halboffenen Weidelandschaft unter der selektiven Beweidung von Rindern und Kühen zu simulieren. Es wurde für diese Studie auf drei Wytweiden in der Nähe von Bullet (1200 m ü.M., Abb. 2) angewendet, welche in enger Nachbarschaft zueinander lie-

gen. Die Weiden unterscheiden sich in ihrer Landnutzungsintensität und der aktuellen Vegetationsstruktur: Planets Ouest ist eine fast baumlose, sehr intensiv genutzte Allmende (1,79 GVE/ha für 170 Tage/Jahr), Planets Milieu Est ist ein meist offenes Grasland mit einigen licht bewaldeten Flächen (1,56 GVE/ha für 135 Tage/ Jahr), während Cluds Sud ein Mosaik aus Weide und Waldstücken ist (0,99 GVE/ha für 153 Tage/Jahr). Durch die Nähe zu den Versuchsflächen konnten die experimentellen Ergebnisse in die Parametrisierung des Modells einfliessen. Die sozio-ökonomische Modellierung, welche den Einfluss der Agrarreform (AP14 – 17) auf die Nutzungsintensität auf den Wytweiden simuliert, basiert auf dem Optimierungsmodell ALUAM. Dieses agentenbasierte Modell optimiert die Einkommen der Landwirte unter der Berücksichtigung von agrarökologischen und betriebsbedingten Restriktionen (Huber et al. 2012a). Für die Auswirkungen der AP14 – 17 wurden die Berechnungen ohne Tierbeiträge aus dem Beitrag von Huber et al. (2012b) verwendet. Dieses Modell wurde mit dem WoodPam-Modell gekoppelt. Für die Klimawandelszenarien wurden regionalisierte Temperatur- und Niederschlags-Zeitreihen benutzt, die den erwarteten Klimawandel für zwei unterschiedliche Emissionsszenarien wiederspiegeln (IPCC 2007). Für den Zeitraum von 2000 – 2100 werden folgende Annah men getroffen:

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012

349


Projekt MOUNTLAND | Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen

Baumfreie Weide Licht bewaldete Weide Dicht bewaldete Weide

Unterschiede in der oberirdischen Biomasseproduktion {g* m-²}

200

100

0

-100

-200 +2 K

+4 K

Erwärmung durch Verpflanzung

Abb. 4 | Unterschiede in der durchschnittlichen Biomassenproduktion (2010 und 2011) der Grasschicht (g*m -2) der drei Habitate im Vergleich zum Kontrollstandort auf 1400m. Signifikante Unterschiede sind mit einem Stern gekennzeichnet.

••Szenario B2: Temperaturerhöhung von +4 Grad; ••Szenario A1FI: Temperaturerhöhung von +8 Grad ••Szenario B2 & A1FI: Zunahme der Trockenperioden durch Verlagerung der jährlichen Niederschlagsmengen vom Sommer- in das Winterhalbjahr.

Resultate Abbildung 4 zeigt die Resultate der Verpflanzung von Bodensoden für zwei Höhenstufen und die drei untersuchten Habitate. Eine moderate Klimaerwärmung von +2K führte auf keiner der Flächen zu signifikanten Änderungen. Eine simulierte Erwärmung von +4K reduzierte die jährliche Biomasseproduktion auf den unbewaldeten Flächen, welche ursprünglich die höchsten Erträge aufwiesen, um 40 %. Auf den dicht bewaldeten Weiden hingegen ergab sich eine leichte Erhöhung der Futterproduktion. In den Simulationen der Futterproduktion auf Landschaftsebene führte das zu einer unterschiedlichen Nutzung der vorhandenen Futterressourcen bei konstanter Besatzdichte (Abb. 5). Eine Auslastung von 100 % in Abbildung 5 bedeutet, dass alles verfügbare Futter abgeweidet wird und keine Waldregeneration möglich

350

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012

ist. Steigt die Auslastung auf über 100 %, dann reicht das heranwachsende Futter nicht mehr aus, um die entsprechende Anzahl der Tiere ausreichend zu ernähren. Dagegen ermöglicht eine kurzfristige Auslastung (d.h. einige Jahre) von unter 100 % die Regene­ ration der Wytweiden und eine Erhaltung des spezifischen Landschaftsmosaiks. Findet jedoch längerfristig eine Unterweidung statt, dann nimmt die Walddichte auf den entsprechenden Weiden zu. Abbildung 5 illustriert, dass mit steigender Temperatur ab dem Jahr 2000 die Auslastung der intensiv bewirtschafteten Weiden Planets Ouest die 100 %-Schwelle während einer Vielzahl von Jahren überschreitet. Im Gegensatz dazu bleibt die Auslastung der extensiv und moderat genutzten Weiden während der ersten 50 Jahre des Klimawandels (2000  –  2050) sowohl im moderaten Szenario B2 als auch im Szenario A1F unter der 100 % Schwelle. Nach 2050 kann je nach Klimaszenario eine unterschiedliche Entwicklung beobachtet werden. Eine moderate Klimaerwärmung liesse die Ausnutzung auf den offenen Weiden deutlich über den optimalen Ausnutzungsgrad steigen, während die licht bewaldeten Flächen sich bis 2100 dem Schwellenwert von 100 % näherten. Im extremen Szenario A1Fl überschritten auch die licht bewal-


Nutzungsrate des Futterangebots

Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen | Projekt MOUNTLAND

200% 180% 160% 140% 120% 100% 80% 60% 40% 20% 0%

200%

Klimawandelszenario B2

a b c

Klimawandelszenario A1FI

180%

a

160% 140%

b

120%

c

100% 80% 60% 40% 20% 0% 1950

2000

2050

2100

Kalenderjahre Abb. 5 | Entwicklung des Ausnutzungsgrads der totalen Futterproduktion unter zwei ­K limaszenarien auf drei Wytweiden in der Nähe von Bullet, Planets Ouest (a), Planets­ ­M ilieu Est (b) und Cluds Sud (c) (nach Gavazov et al . 2012).

deten Flächen eine Ausnutzung von 100 % und nur die extensiv genutzte Mosaikweide von Cluds Sud bliebe unter der 100 %-Schwelle. Mit anderen Worten: nur auf diesen Weiden wäre kontinuierlich ausreichend Futter vorhanden um den Bedarf der Tiere zu decken. Dies verdeutlicht das Potenzial dieser Wytweiden, dank der Schutzwirkung der Bäume, die negativen Effekte des Klimawandels auf die Futterproduktion abzumildern. Wie wirkt sich nun eine extensivere Nutzung, impliziert durch die AP14 – 17 (Huber et al. 2012a), auf die Entwicklung der verschiedenen Wytweiden-Typen aus ­ (baumfreie Weide, licht bewaldete Weide, dicht bewaldete Weide und beweideter Wald)? Abbildung 6 illustriert die Entwicklung bis ins Jahr 2050 und 2100 in den drei Modellregionen Planets Ouest, Planets Milieu Est und Cluds Sud für das Klimaszenario B2. Dabei können zwei Entwicklungen unterschieden werden: 1. Die Walddichte nimmt aufgrund der Extensivierung auf allen Flächen zu. In der Simulation sind im Jahr 2100 nur noch vereinzelte offene Weiden zu finden.

Der Anteil der licht bewaldeten Flächen nimmt auf den zurzeit intensiv genutzten Flächen zu, während auf weniger intensiv genutzten Flächen dicht bewaldete Weiden entstehen. 2. Die Waldentwicklung ist gekennzeichnet durch eine Veränderung der Baumartenzusammensetzung von der Fichte zur Buche (Peringer et al. 2012). Dadurch nimmt die Waldfläche mittelfristig (bis 2050) ab, bevor sie gegen Ende des Jahrhunderts wieder ansteigt (Cluds Sud). In der Simulation verbindet dabei ein intermediäres Sukzessionsstadium mit Vogelbeere den trockenheitsbedingten Zusammenbruch von Fichtenbeständen mit der Neuetablierung der Buche. Simulationen mit einem Zeithorizont über 2100 zeigen, dass sich dieser Trend der zunehmenden Waldfläche akzentuiert und auch, dass die licht bewaldete durch dicht bewaldete Weiden und Wald ersetzt werden. Längerfristig deutet dies auf eine Simplifizierung der Landschaft hin, welche im Verlust von reichstrukturierten Lebensräumen und damit der typischen Biodiversität der Wytweiden resultieren.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012

351


Projekt MOUNTLAND | Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen

c

c

b

c b

b

a

a

2000

2050

a 2100

Baumfreie Weide

Dicht bewaldete Weide

Licht bewaldete Weide

Beweideter Wald

Abb. 6 | Simulation der Entwicklung von Weidetypen mit unterschiedlichem Bestockungsgrad für die Jahre 2050 und 2100 in Planets Ouest (a), Planets Milieu Est (b) und Cluds Sud (c) bei Bullet unter dem Szenario AP 14 – 17 und dem Klimaszenario B2.

Diskussion Das Feldexperiment belegt, dass mit steigenden Temperaturen und einer Reduktion der Niederschläge die Futterproduktion auf den offenen Weiden des Juras zurückgeht. Im Gegensatz dazu ist die Biomasseproduktion auf den Wytweiden stabil (licht bewaldete Weiden) beziehungsweise sogar leicht ansteigend (dicht bewaldete Weiden). In der Versuchsanlage wiesen die entsprechenden Wytweiden eine (künstliche) Beschattung von 40% respektive 80 % auf, was zu einer niedrigeren Bodentemperatur und einer höheren Bodenfeuchte führte. Dadurch waren die negativen Einflüsse der simulierten Trockenheit auf diese Bodensoden begrenzt. Die Wichtigkeit des Mikroklimas zeigte sich auch in der Simulierung der Klimaveränderung auf Landschaftsebene. Die mosaikartige Zusammensetzung der Wytweiden ermöglicht eine stabile Futterproduktion trotz vermehrtem Trockenheitsstress. Halboffene Wytweide-Landschaften sollten es daher den Landwirten erlauben, trotz der prognostizierten Zunahme von Trockenperioden eine kontinuierliche Grasmenge zu produzieren. Dadurch reduziert sich auch das ökonomische Risiko, weil sich die Wahrscheinlichkeit verringert, dass man in trockenen Jahren zusätzlich Futterkäufe tätigen muss. Die Simulationsergebnisse verdeutlichen auch, dass die Erhaltung der Wytweiden von einer optimalen Nutzungsintensität abhängig ist. Eine zu hohe Nutzungsintensität fördert die Entstehung einer offenen und damit trockenheitsempfindlicheren Weide (Gavazov et al. 2012, Mariotte 2012). Eine Extensivierung der Wytweiden dagegen kann das sensible Konkurrenzverhältnis zwischen Gras und Krautschicht ebenfalls ins Ungleichgewicht bringen. Insbesondere dann, wenn die klimati-

352

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012

schen Bedingungen gleichzeitig die Konkurrenzkraft der Bäume erhöht. Schon aktuell zeigt sich in den Wytweiden eine allgemeine Tendenz zur verstärkten Waldentwicklung, weil die Klimaerwärmung im vergangenen Jahrhundert das harsche Klima milderte und die Baumetablierung förderte. Die Wirkung der durch die AP 14 – 17 zu erwartenden Extensivierung der Wytweiden muss als ambivalent bezeichnet werden. Einerseits wird die Wahrscheinlichkeit einer Übernutzung der Weiden mit der Umlagerung der tierbezogenen Direktzahlungen auf die Fläche stark vermindert. Andererseits führt eine starke Zunahme der Walddichte längerfristig zu einer Simplifizierung der Landschaft. Um die verschiedenen Funktionen der Wytweiden und die landschaftliche Vielfalt längerfristig zu gewährleisten, ist deshalb die Ausgestaltung der Landschaftsqualitätsbeiträge im Rahmen der AP14 – 17 elementar. Diese sollten es ermöglichen, räumlich explizite Massnahmen zur Erhaltung der Wytweiden zu definieren. Dazu gehören eine gezielte Unterstützung einer standortgerechten Besatzdichte und eine räumlich explizite Reduzierung des Walddrucks durch selektive Holzeinschläge. Auch eine Anpassung der Zonenzugehörigkeit (landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) bzw. Sömmerungsfläche) könnte dabei als Mittel zur Anpassung der Nutzungsintensität in Betracht gezogen werden. n

Dank

Das Forschungsprojekt MOUNTLAND wurde durch die Finanzierung des Competence Center for Environment and Sustainability (CCES) des ETH Bereichs ermöglicht.


Conservazione dei pascoli alberati del Giura: sfide climatiche e agro-politiche I caratteristici pascoli alberati del Giura servono principalmente da foraggio per animali e forniscono legname. Inoltre, essi sono anche importanti per la loro biodiversità, svolgono altre funzioni come aree di svago e di ricreazione per il tempo libero, come pure per la qualità del paesaggio che essi offrono in prossimità delle grandi zone urbane nell’arco lemanico. Questo articolo mostra, con l’aiuto di modelli di simulazione, l’effetto di cambiamenti climatici sulla produzione di biomassa erbacea e, in questo contesto, le conseguenze della nuova riforma agraria (PA 14–17) sull’evoluzione del paesaggio. I pascoli alberati potrebbero meglio resistere all’aumento delle temperature e alla diminuzione delle precipitazioni estive, rispetto ai pascoli non alberati, mantenendo una produzione foraggera più stabile. L’associazione del modello di vegetazione ad un modello socio-economico indica che attraverso la nuova politica agricola (AP 14–17), la pressione di pascolo diminuirà e che nell’ambito di uno scenario di moderato riscaldamento climatico questo porterà a un inforestamento con un aumento di zone boschive chiuse. La nuova politica agricola dovrebbe permettere di prendere delle misure mirate per conservare i pascoli alberati.

Literatur ▪▪ Barbezat V. & Boquet J.-F. (Eds.), 2008. Gestion intégrée des paysages sylvo-pastoraux de l'Arc jurassien – Manuel (Handbook). Conférence TransJurassienne. La Chaux-de-Fonds, Besançon. 160 p et 1 CD-ROM (Programme Interreg IIIA). ▪▪ Barth L., Lanz S. & Hofer C., 2011. Förderung der grünlandbasierten Tierproduktion mit der Agrarpolitik 2014 – 2017. Agrarforschung 2 (1), 20 – 25. ▪▪ CH2011, 2011. Swiss Climate Change Scenarios CH2011. published by C2SM, MeteoSwiss, ETH, NCCR Climate, and OcCC, Zurich, Switzerland. ▪▪ Chételat J., Kalbermatten T., Lannas K., Spiegelberger T., Wettstein J.-B., Gillet F., Peringer A. & Buttler A., 2012. A contextual analysis of observed land-use and vegetation changes applied to two wooded pastures in the Swiss Jura Mountains. Ecology and Society (in review). ▪▪ Gavazov K., Peringer A., Buttler A., Gillet F. & Spiegelberger T., 2012. Dynamics of forage production in pasture-woodlands of the Swiss Jura Mountains under projected climate change scenarios. Ecology and Society (in review). ▪▪ Gillet F., 2008. Modelling vegetation dynamics in heterogeneous pasture-woodland landscapes. Ecological Modelling 217 (1 – 2), 1 – 18.

Summary

Riassunto

Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen | Projekt MOUNTLAND

Conservation of pasture woodlands in the Jura mountains: climate change and agro-political challenges Wooded pastures of the Jura mountains are mainly used for fodder and timber production, but they provide also other goods and services such as biodiversity, leisure areas as well as attractive landscapes. These ecosystems are sensitive to climate and land-use changes. In this paper we report on a transplantation experiment and model simulations to show the impact of climate change on the grass production as well as the consequences of the upcoming new agriculture policy (AP 14–17) on landscape dynamics. Results indicate that wooded pastures could better resist to climate warming and concomitant summer droughts than open pastures, and thus provide more stable fodder yields along the season. Simulations of vegetation evolution indicate that the global utilization rate of fodder in treeless intensive used pastures would be beyond a sustainable threshold. The AP 14–17 will lower the intensity of pasturing which will lead to more closed landscapes in the long run. The new policy should allow, by means of incentives in favour of landscape quality, to take targeted measures for the conservation of wooded pastures. Key words: pasture-woodland, climate warming, vegetation dynamics, transplantation experiment, agricultural policy.

▪▪ Huber R., Briner S., Peringer A., Widmer A., Gillet F., Seidl R., Lauber S., Buttler A., Le Q. B. & Hirschi C., 2012a. Modeling feedback effects between vegetation dynamics farm structural change and policy development in the pasture woodlands of the Swiss Jura mountains. Ecology and Society (in review). ▪▪ Huber R., Iten A. & Briner S., 2012b. Weiterentwicklung des Direkt­ zahlungssystems: Auswirkung auf die Landnutzung im Berggebiet. A ­ grarforschung Schweiz 3 (7–8), 354–359. ▪▪ IPCC, 2007. Climate Change 2007: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Geneva, Switzerland. ▪▪ Mariotte P., 2012 Effects of subordinate plant species on plant and soil community structure and ecosystem function. Thèse n°5359 EPFL. ▪▪ Miéville-Ott V. & Barbezat V., 2005. Perception du pâturage boisé: résultats d'un sondage effectué au Communal de la Sagne NE. Schweiz Z Forstwes 156, 1–12. ▪▪ Peringer A., Siehoff S., Chételat J., Spiegelberger T., Buttler A. & Gillet F., 2012. Past and future landscape dynamics in wooded pastures of the Jura under land use and climate change. Ecology and Society (in review).

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012

353


P r o j e k t

M O U N T L A N D

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems: Auswirkungen auf die Landnutzung im Berggebiet Robert Huber1, Adrian Iten2 und Simon Briner2 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, 8903 Birmensdorf 2 ETH Zürich, Agri-food & Agri-Environmental Economics Group, 8092 Zürich Auskünfte: Robert Huber, E-Mail: robert.huber@wsl.ch, Tel. +41 44 739 23 38 1

Einleitung und Fragestellung

Auf betrieblicher Ebene ist die Intensität der Landnutzung jedoch wesentlich von den bestehenden strukturellen Voraussetzungen abhängig, beispielsweise von der Betriebsgrösse, der Betriebsform (Voll- oder Nebenerwerb) oder den getätigten Investitionen. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Versorgungssicherheitsbeiträge in den heterogen strukturierten Teilregionen der Schweiz unterschiedlich auswirken. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen des Forschungsprojekts MOUNTLAND (Huber et al. 2012) Modellrechnungen durchgeführt, welche die mittelfristigen Wirkungen der WDZ (bis 2021) auf die Landnutzungsintensität in ausgewählten Fallbeispielregionen mit unterschiedlichen strukturellen Bedingungen quantifizieren. Dazu gehören die Region Visp, welche von kleinen Neben­ erwerbsbetrieben geprägt ist und ein Teilgebiet des Juras, in welchem die Struktur durch relativ grosse Vollerwerbsbetriebe dominiert ist. Das Ziel der Modellrechnungen ist, die regional unterschiedliche Umweltwirkung des neuen Direktzahlungssystems zu analysieren und diskutieren.

Die Weiterentwicklung des Direktzahlungssystem (WDZ) im Rahmen der Agrarpolitik 2014 – 2017 sieht vor, dass die Beiträge für die Haltung raufutterverzehrender Nutztiere (RGVE) sowie die Beiträge für die Tierhaltung unter erschwerenden Produktionsbedingungen (TEP) durch Versorgungssicherheitsbeiträge ersetzt werden. Die neuen Beiträge werden, unter der Auflage eines Mindesttierbesatzes, auf die bewirtschaftete Grünlandfläche ausbezahlt. Durch die Verschiebung von tierbezogenen Direktzahlungen hin zu einer flächengebundenen Förderung soll erreicht werden, dass der Anreiz möglichst viele Tiere zu halten reduziert wird. Die Erwartung ist, dass dadurch die Transfereffizienz der Zahlungen steigt und die Belastung der Umwelt gleichzeitig abnimmt (Barth et al. 2011). Die Resultate diverser Simulationen der Forschungsanstalt Agroscope ReckenholzTänikon ART zeigen die positiven Umwelteffekte dieser Umlagerung (Mann et al. 2012; Zimmermann et al. 2011) insbesondere im Berggebiet (Zimmermann et al. 2012). Grundsätzlich nehmen in allen Regionen der Tierbesatz (GVE) und die Intensität der Landnutzung ab.

Modellregionen In der Modellregion Visp bewirtschafteten im Jahr 2008 insgesamt 186 Betriebe eine Fläche von 1785 ha zwischen 600 und 2500 Metern über Meer. Dies entspricht einer durchschnittlichen Betriebsgrösse von 9,6 ha. Die meisten Betriebe werden im Nebenerwerb geführt und der grösste Teil hält überwiegend Schafe. Ebenfalls verbreitet sind die Milchproduktion und die Mutterkuhhaltung. In der Modellregion Jura bewirtschaften neun Betriebe eine Fläche von insgesamt 450 ha auf einer Höhe zwischen 800 und 1300 Meter über Meer in der Bergzone II. Die mittlere Betriebsgrösse liegt bei rund 50 ha. Sieben der neun Betriebe sind Milchproduzenten mit Lieferrechten zwischen 100 000 und 300 000 kg für die örtliche ­Gruyère-Käserei. Um ihre Strukturen auszulasten, produzieren die Betriebe zusätzlich noch Molkereimilch, welche jedoch nicht im Dorf verarbeitet wird. Dazu kommen ein Mutterkuhhaltungsbetrieb und ein Betrieb mit Kälbermast. Sechs der Betriebe verfügen zusätzlich über Flächen im Sömmerungsgebiet im Umfang von insgesamt 140 ha, welche im Modell ebenfalls berücksichtigt sind.

Weide in der Modellregion Jura. (Foto: Alexandre Buttler, EPFL)

354

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 354–359, 2012


Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems: Auswirkungen auf die Landnutzung im Berggebiet | Projekt MOUNTLAND

In den Modellrechnungen wurde das Landnutzungsmodell ALUAM (Alpine Land-Use Allocation Model) verwendet, welches Landnutzungsänderungen im Berggebiet unter der Berücksichtigung von klimatischen und sozio-­ökonomischen Veränderungen simuliert (Briner et al. 2012). ALUAM ist ein rekursiv-dynamisches, normatives Programmierungsmodell, welches die Landnutzungs­ entscheide der Landwirte räumlich explizit abbilden kann. Die Erweiterung des Modells mit Agenten ermöglichte es, unterschiedliche Ziele und Einstellungen der Betriebsleiter über Restriktionen in der Optimierung zu berücksichtigen. Die Ziele und Einstellungen der einzelnen Agenten basierten in der Region Visp auf einem standardisierten Fragebogen, welcher im Herbst 2011 an sämtliche Landwirte in der Region verschickt wurde. Insgesamt retournierten 120 Betriebe den Fragebogen (Rücklauf: 30%). Mit Hilfe einer Clusteranalyse wurden anschliessend 13 Gruppen von Landwirten identifiziert, welche in Bezug auf ihre Ziele und ihre Produktionsform ähnlich sind. Da nicht alle Betriebe auf den Fragebogen antworteten wurden die restlichen Betriebe derjenigen Gruppe zugeteilt, welche die ähnlichste Struktur aufwies. Die entsprechenden Gruppen wurden anschliessend als Agenten in ALUAM implementiert. In der Jura Region wurden im Frühling 2011 strukturierte Interviews mit den Vollerwerbsbetrieben durchgeführt. Im Jura entsprach somit jeder Betrieb einem Agenten, während im Wallis jeweils eine Gruppe von Betrieben einen Agenten in ALUAM widerspiegelte. Die in den Umfragen erhobenen Daten erlaubten es, den einzelnen Agenten, betriebs- respektive gruppenspezifische Restriktionen zuzuweisen, beispielsweise zur verfügbaren Arbeitszeit des Betriebsleiters oder der übrigen familieneigenen Arbeitskräfte. Den einzelnen Agenten wurden auf Grund ihrer Antworten im Fragebogen auch unterschiedliche Opportunitätskosten für die Arbeit zugewiesen. Betriebsleitern, die sich vorstellen könnten ihre ausserlandwirtschaftliche Tätigkeit auszubauen oder die besonders Wert auf genügend Freizeit legten, wurden hohe Opportunitätskosten unterstellt. Im Gegensatz dazu, wurde den Betriebsleitern mit einer hohen landwirtschaftlichen Bindung und den Hobbybetrieben tiefere Opportunitätskosten zugewiesen. Ebenfalls wurde die Akzeptanz einer Umstellung, eines Wachstums oder einer Aufgabe der Tierhaltung im Fragebogen erfasst und im Modell implementiert. Die Simulation der Landnutzungstypen und Intensitäten in ALUAM erfolgten auf Basis einer Einkommensmaximierung jedes Agenten. Die möglichen Tierhaltungsaktivi-

Zusammenfassung

Methode

Die Umlagerung von tierbezogenen Direktzahlungen in flächenabhängige Versorgungssicherheitsbeiträge soll die Intensivierungsanreize für die Tierhaltung mindern und dadurch mithelfen, die mit der landwirtschaftlichen Produktion verbundene Beeinträchtigung der Umwelt zu reduzieren. Im Rahmen des Forschungsprojekts MOUNTLAND wurde ein agentenbasiertes* Landnutzungsmodell entwickelt, welches die Wirkung dieser Umstellung auf die Landnutzungsintensität für ausgewählte Teilregionen des Schweizer Berggebiets quantifiziert. Als Beispielregionen für die Modellrechnungen dienten die von Nebenerwerbsbetrieben dominierte Region Visp und ein Teilgebiet des Juras, in welchem Vollerwerbsbetriebe vorherrschen. Die Resultate zeigen, dass das Ausmass der Umweltwirkung wesentlich von der bestehenden landwirtschaftlichen Produktionsstruktur und der Produktionsrichtung abhängig ist. Für die Erreichung von Umweltzielen in unterschiedlich strukturierten Regionen werden daher die Ressourceneffizienzbeiträge weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

*Agentenbasierte Modelle (ABM) oder Multiagenten-Systeme (MAS) beschreiben eine computergestützte Untersuchung der Interaktion von autonomen Einheiten (Agenten), welche unterschiedliche Verhaltensweisen und Dynamiken folgen. Die Agenten interagieren dabei untereinander und mit der (Simulations-)Umwelt basierend auf einer spezifischen Abfolge von vorgegebenen Regeln (Heckbert et al. 2010). Beispiele für agentenbasierte Modelle in der Schweizer Landwirtschaft sind das sektorale Agrarstrukturmodell SWISSland (Möhring et al. 2009) sowie das auf zwei Regionen im Mittelbünden ausgerichtete Agrarstrukturmodell von Lauber (2006).

täten beschränken sich dabei auf die heute in der Region vorherrschenden Aktivitäten d.h. die Haltung von Milchkühen, Mutterkühen und von Aufzuchtrindern. Zusätzlich sind die Aktivitäten Kälbermast (im Jura) und die Schafhaltung (in der Region Visp) abgebildet. Die Tierhaltungsaktivitäten der einzelnen Agenten sind mit der Landnutzung über Nährstoff- und Futterbilanzen verbunden. Ebenfalls beschränkt ist die verfügbare Arbeitszeit. Die Agenten sind in ALUAM über einen Landmarkt miteinander verbunden. Wenn ein Agent (d.h. im Jura ein Betrieb) nicht weitergeführt wird beziehungsweise ein Teil der Fläche des Agenten aufgegeben wird (d.h. die Gruppe von Betrieben im Wallis nutzt nicht mehr ihre gesamte Fläche), wird die entsprechende Fläche zufällig einem anderen Agenten zugewiesen. Die Voraussetzungen, dass ein Agent Fläche erhält, sind a) der Agent weist einen positiven Schattenpreis für die zusätzliche Fläche 

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 354–359, 2012

355


Projekt MOUNTLAND | Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems: Auswirkungen auf die Landnutzung im Berggebiet

Tab. 1 | Direktzahlungen in Szenarien

Allgemeiner Flächenbeitrag [CHF/ha]

Kulturlandschaftsbeitrag [CHF/ha]

Versorgungssicherheitsbeitrag [CHF/ha]

Hangbeitrag [CHF/ha]

Beiträge an die Haltung Raufutter verzehrender Nutztiere [CHF/GVE]

Tierhaltung unter erschwerenden Produktionsbedingungen [CHF/GVE]

Sömmerungsbeitrag [CHF/ GVE]

Produktionssystembeitrag [CHF/GVE]

SQ

WDZ

1040

0

HZ

0

100

BZ I

0

250

BZ II

0

350

BZ III + IV

0

400

HZ + BZ I

0

1140

BZ II

0

1220

BZ III + IV

0

1260

18 %–35 %

410

400

35 %–50 %

620

700

>50 %

620

1000

Rinder ohne Milchkühe

690

0

Schafe

520

0

Milchkühe

450

0

HZ

300

0

BZ I

480

0

BZ II

730

0

BZ III

970

0

BZ IV

1230

0

Heimbetrieb

0

370

Sömmerungs­ betrieb

330

400

RAUS

180

180

BTS

90

90

Mutterkuhprämie

0

200

HZ

1200

1400

BZ I + II

700

900

BZ III + IV

450

650

Daten nicht möglich. Die Parzellen wurden den einzelnen Agenten deshalb nach dem Zufallsprinzip zugeordnet bis die gesamte Fläche der jeweiligen Gruppe identisch mit den summierten Flächen der zur Gruppe gehörenden Betriebe war. Die unterschiedliche Qualität der Flächen wurde berücksichtigt, indem die Flächen so verteilt wurden, dass der Anteil an Hang- und Steillagen der einzelnen Agenten mit der Realität übereinstimmte. Die Bilanzierung der entsprechenden Flächen erfolgte über die Flächenangaben in der AGIS Datenbank. Die Validierung des Modells zeigte, dass die reale Situation in den Fallbeispielregionen gut wiedergegeben werden kann. Für Details verweisen wir auf die grundlegenden Modellbeschreibungen in Briner et al. (2012) und Iten (2012) WDZ Annahmen in Szenarien Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Strukturen wird berechnet für zwei verschiedene Szenarien: Status Quo (SQ) und WDZ. Während im Szenario WDZ angenommen wird, dass die Direktzahlungen in den Jahren 2014 bis 2021 auf demselben Niveau bleiben wie im Jahr 2013, wird im Szenario WDZ davon ausgegangen, dass das Direktzahlungssystem ab 2014 reformiert wird (siehe Tabelle 1). Da der Anteil der Ackerflächen in beiden Gebieten sehr klein ist, reduziert sich der wesentliche Unterschied zwischen den Szenarien auf die Verschiebung der tiergebundenen Direktzahlungen zu den Versorgungssicherheitsbeiträgen und den Alpungsbeitrag für Heimbetriebe. In Bezug auf die Preis- und Kostenentwicklung werden für beide Szenarien die gleichen Parameter verwendet. Dabei werden die Preise für landwirtschaftliche Güter auf dem Niveau von 2011 konstant gehalten.

Resultate Biodiversitätsbeiträge (extensiv genutzte Wiesen) [CHF/ha]

Quelle: Basierend auf Zimmermann (2011)

auf und b) die Betriebsleiter (im Jura) beziehungsweise die Gruppe von Betriebsleitern (im Wallis) hatten sich in den Interviews (Umfrage) explizit dahingehend geäussert, dass sie ihre Flächen ausdehnen wollen1. In der Fallstudienregion Jura konnte in den Interviews erhoben werden, welcher Landwirt welche Parzellen bewirtschaftet. In der Fallstudienregion Visp hingegen war eine exakte Zuteilung aufgrund der verfügbaren

Die Programmierung der Flächenverteilung in ALUAM basieren auf der Arbeit von Lauber (2006) zur Agrarstrukturentwicklung im Berggebiet.

1

356

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 354–359, 2012

Tierhaltung Im simulierten Szenario SQ bleibt die Anzahl der Milchkühe in beiden Regionen in etwa konstant. Im Gegensatz dazu nimmt die Anzahl Milchkühe im Szenario WDZ in beiden Regionen ab, im Jura deutlich stärker als im Wallis (Abb. 1). Im Jura tritt der Rückgang bereits in der Validierungsphase zwischen 2009 und 2012 auf. Durch eine Steigerung der Milchleistung kann jedoch die gleiche Menge Milch produziert werden. Mit der Einführung der WDZ und dem damit verbundenen Wegfall aller tiergebundenen Direktzahlungen und damit auch der Raufutterbeiträge für Milchkühe reduzieren die Landwirte die Molkereimilchproduktion, wodurch die Anzahl der Kühe weiter sinkt. Im Wallis tritt dieser Effekt nicht auf. Zwar reduzieren auch im Wallis einige Betriebe die Anzahl der Milchkühe mit der Umstellung auf WDZ, dies wird jedoch


Jahr Jahr

2021

2019 2021

2017 2019

2015 2017

SchafeSchafe SQ SQ SchafeSchafe WDZ WDZ Milchkühe Milchkühe SQ SQ Milchkühe Milchkühe WDZ WDZ Mutterkühe Mutterkühe SQ SQ Mutterkühe Mutterkühe WDZ WDZ 2013 2015

2011 2013

Visp Visp

2009 2011

900 800 700 600 500 400 300 200 100 0

2009

2021

2019 2021

2017 2019

2015 2017

2013 2015

Tierbestand [GVE]

900 800 700 600 500 Milchkühe Milchkühe SQ SQ 400 Milchkühe Milchkühe WDZ WDZ 300 200 Mutterkühe Mutterkühe SQ SQ 100 Mutterkühe Mutterkühe WDZ WDZ 0 Tierbestand [GVE]

Jura Jura

2011 2013

200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

2009 2011

Tierbestand [GVE]

200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

2009

Tierbestand [GVE]

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems: Auswirkungen auf die Landnutzung im Berggebiet | Projekt MOUNTLAND

Jahr Jahr

Abb. 1 | Entwicklung der Tierzahlen in den Regionen Jura (links) und Visp (rechts) in den Jahren 2007 bis 2021.

dadurch kompensiert, dass die zu Beginn der Periode grösser strukturierten Betriebe, welche ihre Kühe in Laufställen halten, zusätzliche Fläche erhalten und ihren Tierbestand vergrössern können. In der Folge geht die Anzahl Milchkühe im Wallis über die gesamte Simulationsperiode viel weniger stark zurück als im Jura. Da die Aufzuchtrinder zu einem grossen Teil für die eigene Remontierung benötigt werden, verhält sich deren Zahl analog zu derjenigen der Kühe. Auch die Entwicklung der Anzahl Mutterkühe zeigt ein ähnliches Muster. Im Jura bleibt die Anzahl der Mutterkühe unter Status quo Annahmen konstant und geht im WDZ Szenario zurück. In Visp dagegen ist der Unterschied zwischen den Szenarien klein. Die Anzahl der Mutterkühe sinkt auch bei einer Fortsetzung des bestehenden Systems. Auch die Grösse der Schafbestände im Wallis nehmen in beiden Szenarien ab. Die Abnahme ist jedoch deutlich höher im Szenario WDZ. Dabei können bei der Bestandesentwicklung in diesem Szenario zwei Muster beobachtet werden: 1) Ein Teil der Agenten reduziert ihre Schafbestände bei der Einführung der WDZ relativ stark. Diese Betriebe nehmen in Kauf, dass ihre Ställe nicht voll ausgelastet sind. 2) Agenten mit alten, aufgegebenen Ställen verzichten auf Re-Investitionen, wodurch die Schafzahl ebenfalls zurückgeht. Bei diesen Agenten vermag der Erlös aus der Schafproduktion zumindest die variablen Kosten noch zu decken. Flächennutzung Die intensiv genutzten Flächen nehmen in beiden Regionen und Szenarien ab. Zwei unterschiedliche Entwicklungen können in der Simulation beobachtet werden. 1) In der Region Visp sinkt die intensiv genutzte Graslandfläche in beiden Szenarien. Gleichzeitig nimmt der Anteil der extensiv genutzten Flächen zu. Dabei werden in erster Linie diejenigen Wiesen extensiviert, welche bewässert werden müssen, weil dadurch die Kosten für

Bewässerungswasser minimiert werden. Das Ausmass der Extensivierung ist im Szenario WDZ grösser als unter Status quo Annahmen 2). Im Jura kann ebenfalls eine stärkere Extensivierung unter WDZ beobachtet werden. Auch hier führt die Kombination des Rückgangs der gehaltenen Tiere und dem reduzierten Futterbedarf zu einem Rückgang der intensiv genutzten Flächen. Im Jura findet jedoch eine grosser Teil der Extensivierung bei den Weiden statt. Das heisst, die Agenten substituieren intensiv mit extensiv genutzten Weiden und wandeln diese nicht in extensiv genutzte Wiesen um. Diese Umwandlung findet im Modell statt, obwohl es für extensiv genutzte Weiden keine speziellen Beiträge gibt, um die anfallenden Kosten der Nutzung zu minimieren. Das absolute Ausmass der Ausdehnung von extensiven Wiesen und Weiden muss allerdings relativiert werden. Optimierungsmodelle wie ALUAM überschätzen in der Regel das Potenzial der Extensivierung, weil für die einzelnen Intensitätsstufen durchschnittliche Erträge  vorgegeben werden.

Tab. 2 | Prozentuale Veränderung der Tierzahlen (GVE) und der ­F lächennutzung (ha) in den beiden Regionen (Mittelwerte 09/11 und 19/21) Jura

Visp

SQ

WDZ

SQ

WDZ

-7

-25

-1

-6

Mutterkühe

0

-47

-16

-19

Aufzuchtrinder

-8

-19

-5

-11

-24

-39

Milchkühe

Schafe Total GVE

-6

-27

-13

-23

Grasland intensiv (Wiesen & Weiden)

-8

-32

-13

-22

Grasland extensiv (Wiesen & Weiden)

36

168

39

72

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 354–359, 2012

357


Projekt MOUNTLAND | Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems: Auswirkungen auf die Landnutzung im Berggebiet

Jura Jura

150150 100100 50 50 2009 2009 2011 2011 2013 2013 2015 2015 2017 2017 2019 2019 2021 2021

0 0

Grasland intensiv SQSQ Grasland intensiv Grasland intensiv WDZ Grasland intensiv WDZ Grasland extensiv SQSQ Grasland extensiv Grasland extensiv WDZ Grasland extensiv WDZ Weide intensiv Weide intensiv SQSQ Weide intensiv WDZ Weide intensiv WDZ Weide extensiv Weide extensiv SQSQ Weide extensiv WDZ Weide extensiv WDZ

Jahr Jahr

Visp Visp

1200 1200

Wiese intensiv Wiese intensiv SQSQ Wiese intensiv WDZ Wiese intensiv WDZ Wiese extensiv Wiese extensiv SQSQ Wiese extensiv WDZ Wiese extensiv WDZ Weide intensiv Weide intensiv SQSQ Weide intensiv WDZ Weide intensiv WDZ Weide extensiv Weide extensiv SQSQ Weide extensiv WDZ Weide extensiv WDZ

1000 1000 800800 600600 400400 200200 0 0

2009 2009 2011 2011 2013 2013 2015 2015 2017 2017 2019 2019 2021 2021

200200

1400 1400 Flächennutzung [ha] Flächennutzung [ha]

Flächennutzung [ha] Flächennutzung [ha]

250250

Jahr Jahr Abb. 2 | Entwicklung der Flächennutzung in den Regionen Jura (links) und Visp (rechts) in den Jahren 2009 bis 2021.

Diskussion

••Wertschöpfung: Je geringer der (absolute) Deckungsbeitrag aus der Produktion ist, desto grösser ist der Die Berechnungen mit dem agentenbasierten OptimieAnreiz, die Anzahl der Tiere aus Kostenüberlegungen rungsmodell ALUAM können aufgrund der spezifischen zu reduzieren (Schafhaltung, Mutterkuhhaltung). Erhebungen, welche den Agenten zugrunde liegen, nicht ••Arbeit: Je grösser die Verfügbarkeit der (familien­ eigenen) Arbeitskräfte ist, desto grösser auch der für die ganze Schweiz verallgemeinert werden. Die ResulAnreiz, diese auszulasten (wachstumswillige tate zeigen jedoch dieselbe Tendenz wie die SimulatioBetriebe), wodurch die Produktion weniger stark nen der ART. Der Tierbesatz (in GVE/ha) geht in einem extensiviert wird. Szenario mit WDZ zurück und der Anteil extensiv genutzter Wiesen nimmt zu. Der Tierbesatz und der Anteil der Aus der Kombination dieser Faktoren, lassen sich die simulierten Effekte gut erklären. Zusammengefasst extensiv genutzten Wiesen bleiben in einem Status quo wäre zu erwarten, dass vor allem in Regionen mit kleiSzenario in jedem Fall auf einem höheren Niveau. Die MOUNTLAND-Berechnungen liefern jedoch Hin- nen, kapitalintensiven (Milch-)Betrieben trotz Umlageweise darauf, dass durch die Umlagerung von tierbezo- rung der Beiträge, kein starker Rückgang des Tierbesatgenen Direktzahlungen zu flächengebundenen Versor- zes zu verzeichnen sein wird. Nur so können die Betriebe gungssicherheitsbeiträgen nicht überall die gleiche ihre Arbeitskapazitäten auslasten. Unter diesem BlickUmweltwirkung erzielt wird. Der Grund liegt in den regi- winkel ist die Umweltwirkung der flächengebundenen onal unterschiedlichen strukturellen und sozio-­Direktzahlungen räumlich heterogen, insbesondere im ökonomischen Voraussetzungen. In der von der Neben- Berggebiet. In Regionen mit kleinen Strukturen, in erwerbslandwirtschaft geprägten Region Visp prognos- denen eine Extensivierung der Landnutzung aus umwelttiziert das Modell eine geringere Verschiebung der politischen Gründen erwünscht ist, erfolgt diese unter Tierbestände und einen kleineren Rückgang der Land- Umständen nicht in dem Ausmass wie in Regionen mit nutzungsintensität zwischen den Szenarien als in der grösseren Betriebsstrukturen. Folglich dürfen künftig von Vollerwerbsbetrieben dominierten Region Jura. auch ergänzende Instrumente zur Zielerreichung nicht Dort führt die Umlagerung zu einer stärkeren Reduktion vernachlässigt werden. Insbesondere projektorientierte der Anzahl Tiere und einer wesentlich stärkeren und regional differenzierte Ressourcenprogramme Zunahme der extensiv genutzten Flächen. Mögliche beziehungsweise die Ressourceneffizienzbeiträge müssGründe dafür sind: ten mithelfen, Lücken in der Umweltzielerreichung zu ••Betriebsgrösse: Je grösser die Betriebe, desto grösser schliessen. n ist auch der Spielraum die Produktionsintensität anzupassen (Jura vs. Wallis). •• Investitionen: Betriebe, welche beabsichtigen zu wachsen und dafür auch Investitionen getätigt haben Dank (Laufställe im Wallis), werden ihre Produktion weniger Das Forschungsprojekt MOUNTLAND wurde durch die Finanzierung des Competence Center for Environment and Sustainability (CCES) des ETH Bereichs ermögstark extensiveren, weil sie ihre Kapazitäten mit Blick licht. Die Autoren bedanken sich ganz herzlich bei den Bäuerinnen und Bauern, auf die damit verbundenen Strukturkosten voll die sich für ein Interview zur Verfügung gestellt bzw. den Fragebogen ausgefüllt haben. auslasten wollen respektive müssen.

358

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 354–359, 2012


Sviluppo del sistema dei pagamenti diretti sfruttamento del suolo in diverse regioni montane La trasformazione dei pagamenti diretti legati alla detenzione di animali da reddito in contributi per la sicurezza dell’approvvigionamento legati alle superfici dovrebbe minimizzare lo stimolo per l’allevamento intensivo e quindi contribuire a ridurre le emissioni agricole nocive per l’ambiente. Nell’ambito del progetto di ricerca MOUNTLAND si è sviluppato un agent based modello sullo sfruttamento del suolo che quantifica l’effetto di questa trasformazione sull’intensità d’uso del suolo in un campione selezionato di regioni montane svizzere. Come regioni esempio per l’elaborazione del modello sono state scelte una regione dove prevale l’attività aziendale accessoria, come la regione di Visp, ed un distretto del Giura a prevalente attività aziendale principale. I risultati mostrano che l’ampiezza dell’impatto sull’ambiente dipende soprattutto dalle strutture e dall’orientamento della produzione agricola. Per il raggiungimento degli obiettivi ambientali in regioni diversamente strutturate, i contributi all’uso efficiente delle risorse continueranno aricoprire quindi un ruolo importante.

Literatur ▪▪ Barth L., Lanz S. & Hofer C., 2011. Förderung der grünlandbasierten Tierproduktion mit der Agrarpolitik 2014 – 2017. Agrarforschung Schweiz 2 (1), 20–25. ▪▪ Briner S., Huber R., Elkin C. & Grêt-Regamey A., 2012. Assessing the impacts of economic and climate changes on land-use in mountain regions: A spatial dynamic modeling approach. Agriculture, Ecosystems & Environment 149, 50–63. ▪▪ Flury C., Meier B. & Giuliani G., 2010. Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen. Agrarforschung Schweiz 1 (3), 102–109. ▪▪ Heckbert S., Baynes T. & Reeson A., 2010. Agent-based modeling in ecological economics. Annals of the New York Academy of Sciences 1185 (1), 39 – 53. ▪▪ Huber R., Bebi P., Briner S., Bugmann H., Buttler A., Hirschi C., Lehmann B., Scholz R.W., Zimmermann W. & Grêt-Regamey A., 2012. Klimawandel und nachhaltige Landnutzung im Berggebiet. ­A grarforschung Schweiz 3 (7 – 8), 340–345. ▪▪ Iten A., 2012. Agentenbasiertes Modell zur Simulation der Viehdichte auf Wytweiden im Jura. Masterarbeit, Agri-food and Agri-Environmental Economics Group, Institut für Umweltentscheidungen, ETH Zürich.

Summary

Riassunto

Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems: Auswirkungen auf die Landnutzung im Berggebiet | Projekt MOUNTLAND

Further development of the direct payments system and land-use change in mountain regions The re-allocation of head based animal to area based direct payments in the context of the next agricultural policy reform (AP 14–17) should reduce the incentive keeping high stocking densities and thus reduce emissions from agricultural production. In this contribution, we quantify the impact of this re-allocation on land-use intensities in two different mountain regions using an agent-based model. The model has been applied to the region of Visp, which is currently dominated by small part-time farmers, and to a region in the Jura, dominated by large fulltime farmers. Our findings show that resulting land-use intensities depend on the initial agricultural structure and the production activities of the farms in the different regions. To achieve proposed environmental goals in regions with different agricultural structures, concomitant policy instruments such as payments supporting resource efficiency should not be neglected. Key words: agricultural policy, agentbased modeling, farm structural change, land-use change, mountain regions.

▪▪ Lauber S., 2006. Agrarstrukturwandel im Berggebiet, ART Schriftenreihe, Dissertation ETH Nr.16716, Zürich. 1 - 217 S. ▪▪ Mann S., Zimmermann A., Möhring A., Ferjani A., Mack G. & Lanz S., 2012. Welche Auswirkungen hat die Umlagerung der tierbezogenen ­D irektzahlungen? Agrarforschung Schweiz 3 (6), 284–291). ▪▪ Möhring A., Zimmermann A., Mack G., Mann S., Ferjani A. & Gennaio M. P., 2009. Multidisziplinäre Agentendefinitionen für Optimierungsmodelle. In: Proceedings of the 49th GEWISOLA Conference, Kiel, September 30-October 2, 2009. ▪▪ Zimmermann A., Ferjani A. & Flury C., 2012. Auswirkungen tiergebundener Direktzahlungen auf die ökologischen Ausgleichsflächen im Schweizer Berggebiet. in ÖGA Jahrestagung 2012, in Wien. ▪▪ Zimmermann A., Möhring A., Mack G., Mann S., Ferjani A. & Gennaio M.P., 2011. Die Auswirkungen eines weiterentwickelten Direktzahlungssystems. ART Bericht 744, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-­ Tänikon ART

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 354–359, 2012

359


P r o j e k t

M O U N T L A N D

Ökologisierung der Landwirtschaft im ­agrarpolitischen Prozess Christian Hirschi1 und Robert Huber2 ETH Zürich, Institut für Umweltentscheidungen, 8092 Zürich 2 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, 8903 Birmensdorf Auskünfte: Christian Hirschi, E-Mail: christian.hirschi@env.ethz.ch, Tel. +41 44 632 32 22 1

Wichtige Weichenstellungen in der Landwirtschaftspolitik des Bundes. (Foto: Daniela Etter, Schweizer Bauer)

Einleitung Mit der Annahme des Artikels 104 im Jahr 1996 verankerte die Schweizer Bevölkerung die Multifunktionalität der Landwirtschaft in der Bundesverfassung. Neben der Produktion der Nahrungsmittel soll die Landwirtschaft im ökologischen Bereich einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und Pflege der Kulturlandschaft leisten. Diese Verfassungsgrundlage ermöglichte erstmals in der Geschichte der Agrarreformen eine kohärente Verknüpfung von Agrar- und Umweltpolitik (Anwander Phan-huy 2000). Insbesondere die Bindung der allgemeinen Direktzahlungen an den ökologischen Leistungsnachweis sowie

360

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 360–365, 2012

die ökologischen Direktzahlungen führten zu einer messbaren Verminderung der Umweltbelastung und zu einer Stabilisierung und Förderung der Artenvielfalt (Flury 2005). Trotzdem besteht nach wie vor Handlungsbedarf, da bei vielen Umweltindikatoren weiterhin eine Ziellücke besteht (Vogel et al. 2008). Die Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems (WDZ) im Rahmen der anstehenden Reformetappe AP 14 – 17 versucht unter anderem solche Ziellücken im Umweltbereich anzugehen (Lanz et al. 2010). Dazu gehören zielorientierte Beiträge für die Offenhaltung der Kulturlandschaft, die Förderung der Landschaftsqualität und Artenvielfalt sowie eine effizientere Nutzung der Ressourcen (Bundesrat 2012).


Das interdisziplinäre Forschungsprojekt MOUNTLAND analysiert Handlungs- und Politikoptionen zur zukünftigen Sicherstellung von Ökosystemleistung in den Schweizer Berggebieten aus einer integralen Perspektive (Huber et al. 2012). Im Kern versucht das Projekt, wissenschaftliche Erkenntnisse ökologischer und sozioökomischer Modellierungen mit der Analyse von politischen Entwicklungen zu verknüpfen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die im Projekt erarbeiteten Handlungsoptionen und -empfehlungen auf laufende politische Prozesse abgestimmt sind und dort bestmöglich Eingang finden. Erst durch das Verständnis der politischen Prozesse und Entscheidungsmechanismen können Politikmassnahmen entworfen werden, die eine nachhaltige Entwicklung effektiv unterstützen. Ohne die Kenntnis politischer Kräfte und deren Zusammenspiel tragen gutgemeinte Politikempfehlungen aus rein naturwissenschaftlicher oder ökonomischer Sicht den spezifischen politischen Bedingungen zur Formulierung und Umsetzung effektiver politischer Massnahmen oft zu wenig Rechnung und finden so im politischen Prozess wenig Resonanz. In diesem Beitrag zeigen wir auf, wie das landwirtschaftliche Politiknetzwerk auf Bundesebene im Rahmen der AP 2011 eine Ökologisierung der Landwirtschaft unterstützte und wie sich die massgeblichen politischen Akteure zu den aktuell in der AP 14 – 17 vorgeschlagenen gezielten Abgeltung von landwirtschaftlichen Leistungen zur Offenhaltung der Kulturlandschaften, zur Förderung der Biodiversität und zur Erhaltung oder Erhöhung der Landschaftsqualität positionieren. Wie nachhaltig sich die Direktzahlungen tatsächlich auf die verschiedenen Zielgrössen auswirken, ist jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Wir beschränken uns darauf aufzuzeigen, welche Akteure im politischen System solche weiterführenden, ökologisch motivierten Massnahmen unterstützen, und wie die Erfolgsaussichten der vorgeschlagenen Massnahmen zur weiteren Ökologisierung der Landwirtschaft im politischen Prozess zu beurteilen sind. Der Vergleich der verschiedenen Positionen der Akteure zur AP 2011 und AP 14 – 17 erlaubt uns dann - basierend auf den durch das Politiknetzwerk verdeutlichten politischen Strukturen Folgerungen über die mögliche zukünftige Entwicklung der Landwirtschaftspolitik zu ziehen.

Methoden Die Analyse des landwirtschaftlichen Politiknetzwerks basiert auf dem Ansatz des Akteur-Prozess-EreignisSchemas (APES; Serdült und Hirschi 2004). Das APES geht von der Annahme aus, dass politische Prozesse wie die

Zusammenfassung

Ökologisierung der Landwirtschaft im ­a grarpolitischen Prozess | Projekt MOUNTLAND

Dieser Beitrag zeigt anhand einer Analyse der agrarpolitischen Reformen AP 2011 und AP 14 – 17, wie im politischen Prozess gemeinwirtschaftliche Leistungen der Landwirtschaft Unterstützung finden. Die Politiknetzwerk- und Positionsanalyse verdeutlicht, dass bei den jüngsten Agrarreformen der politische Wille besteht, gesellschaftliche und gemeinwirtschaftliche Leistungen in der Gestaltung der Landwirtschaftspolitik besser zu berücksichtigen und mit zielgerichteten Direktzahlungen zu entschädigen. Für eine längerfristige Sicherung dieser Direktzahlungen sind neben einer geschickten Verknüpfung mit weiteren anstehenden oder diskutierten landwirtschaftlichen Reformen (v.a. Fragen zur weiteren marktwirtschaftlichen Öffnung und Deregulierung) besonders das gesamtwirtschaftliche Umfeld und die Entwicklung der öffentlichen Haushalte zu berücksichtigen.

Formulierung und Verabschiedung der AP 2011 unter Berücksichtigung des relevant gesellschaftlichen und politischen Kontexts als sequenzielle Abfolge von politischen Ereignissen (Sitzung von Expertengremien, politische Stellungnahmen und Interventionen, Konsultationen, parlamentarische Beratungen, Entscheide von massgeblichen politischen Instanzen etc.) verstanden werden können. Die systematische Aufarbeitung des politischen Prozesses lässt sich dann als Politiknetzwerk untersuchen, in welchem sich die beteiligten Akteure in unterschiedlicher Form austauschen und versuchen ihre Interessen durchzusetzen. Um so gewonnene Erkenntnisse über das landwirtschaftliche Politiknetzwerk mit möglichen Entwicklungsszenarien der Landwirtschaftspolitik zu verknüpfen, analysieren wir zusätzlich die inhaltlichen Positionen der massgeblichen Akteure zu den im Rahmen der Agrar­ reformen vorgeschlagenen Massnahmen. Die Positionen der verschiedenen Akteure zu den in der AP 2011 initiierten weiteren Ökologisierungsschritten der Landwirtschaft werden daran gemessen, wie sich die Akteure zur Umlagerung von staatlichen Mitteln der Marktstützung hin zu Direktzahlungen mit ökologischen Zielen sowie gegenüber der Verschärfung ökologischer Kriterien bei der landwirtschaftlichen Produktion positionierten (Hirschi et al. 2012). Bei der AP 14 – 17 ziehen wir die Positionen der Akteure zu den vorgeschlagenen Kul- 

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 360–365, 2012

361


Projekt MOUNTLAND | Ökologisierung der Landwirtschaft im ­a grarpolitischen Prozess

WAK-S

SGV

SAB

GEW

KON WAK-N

SBV

KBV

SVP

SR

SPS

ASS

BLW

NR

UMW

BR

GPS

EVD

FDP

PAR DEL

ECO

FD

KAN CVP

ORG

STS EJPD

Erläuterung: Dreieckige Netzwerkknoten = staatliche Akteure; Rechtecke = Verbände und Organisationen; Kreise = politische Parteien. Die Farben zeigen schematisch die im Rahmen der AP vertretenen Positionen zur Ökologisierung der Landwirtschaft: dunkelgrün = für stärkere Ökologisierung über AP 2011 hinaus; hellgrün = Unterstützung der Massnahmen im Rahmen der AP 2011; hellrot = kritisch gegenüber im Rahmen der AP 2011 vorgeschlagenen Massnahmen; dunkelrot = gegenüber Ökologisierung grundsätzlich kritisch eingestellt; grau = ambivalente Position. Die Stärke der Ver­ bindungslinien verdeutlicht die Intensität der Interaktionen im politischen Prozess (gemäss APES-Systematik).

Abb. 1 | Politiknetzwerk AP 2011.

turlandschafts-, Biodiversitäts- und Landschaftsqualitäts-­ beiträgen bei. Die Positionsanalyse untersucht die Ähnlichkeit der in der Vernehmlassung geäusserten inhaltlichen Positionen mittels eines standardisierten Verfahrens zur Berechnung geodätischer Distanzen zwischen einzelnen inhaltlichen Positionen (Dekker 2005). Empirische Grundlage bilden für beide Positionsanalysen die Ergebnis­ berichte zu den Vernehmlassungen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD 2006, 2011). Struktur des landwirtschaftlichen Politiknetzwerks in der Schweiz Das landwirtschaftliche Politiknetzwerk, wie es sich während der AP 2011 zeigte (Abb. 1), wurde hauptsächlich durch zwei Merkmale des politischen Prozesses geprägt: 1. Die Vorbereitung der Vorlage sowie der verwaltungsinterne und -externe Konsultationsprozess verschafften der Bundeverwaltung und dem Bundesrat eine zentrale Stellung. Um diesen Kern des Politiknetzwerks gruppieren sich die verschiedenen landwirtschaftlichen Organisationen und weitere Verbände. 2. Während der parlamentarischen Beratung der Botschaft zur AP 2011 rückten selbstredend die parlamentarischen Institutionen und damit die

362

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 360–365, 2012

politischen Parteien mit ins Zentrum. Jene Akteure, die sich sowohl während des vorparlamentarischen Verfahrens wie auch durch ihre Interessensvertreter im Parlament zur AP 2011 äusserten (wie etwa der Schweizerische Bauernverband SBV oder die Umweltverbände), sind gut in das Politiknetzwerk eingebunden. Generell zeigt sich aber, dass das Politiknetzwerk stark um die Exekutive (Bundesrat und Bundesverwaltung) zentralisiert ist. Inhaltliche Positionen der Akteure zur AP 2011 Die Analyse der inhaltlichen Positionen der Netzwerkakteure (Abb. 1) zeigt kein eindeutiges Muster. Grundsätzlich stiessen die vorgeschlagenen Massnahmen auf breite Unterstützung. Die Parteien und Verbände gruppieren sich im Politiknetzwerk relativ unabhängig von ihrer inhaltlichen Position zu Fragen der Ökologisierung. Andere inhaltliche Fragen zur AP 2011 sowie institutionelle Faktoren scheinen das agrarpolitische Netzwerk massgeblich geprägt zu haben. Entscheidend ist deshalb, wie sich die Umlagerung von produktorientierten in ökologische Direktzahlungen mit anderen Reformfragen verknüpfen lässt, um ökologisch orientierten Massnahmen zum politischen Durchbruch zu verhelfen. Hierzu sind auch die unterschiedlichen Vetopositionen der Akteure zu berücksichtigen. Im Rahmen der AP 2011 hat sich nur die SVP klar gegen ökologische Massnahmen gestellt. Mit der Unterstützung der SVP nimmt der


Ökologisierung der Landwirtschaft im ­a grarpolitischen Prozess | Projekt MOUNTLAND

CVP Grüne KON

SP SBV

SAB

SVP KANT-1

ASS ORG UMW

KBV KANT-2 economiesuisse

PAR KONF

Erläuterung: Die Verbindungen zwischen den Akteuren zeigen gemeinsame Positionen zu Kulturlandschafts-, Biodiversitäts- und Landschaftsqualitätsbeiträgen an. Je näher zwei Akteure im Positionsnetzwerk beieinander sind, desto ähnlicher die inhaltlichen Positionen. Die Farben kennzeichnen die inhaltlichen Positionen der Akteure: dunkelgrün = weit­ gehend vorbehaltlose Unterstützung der in AP 14 – 17 vorgeschlagenen Massnahmen; hellgrün = mehrheitlich Unterstützung der in AP 14 – 17 vorgeschlagenen Massnahmen, mit einigen Vorbehalten; grau = Vorbehalte gegenüber in AP 14 – 17 vorgeschlagenen Massnahmen. Die Grösse der Akteure verdeutlicht deren Vetomacht im politischen Prozess (basierend auf Fischer 2003).

Abb. 2 | Inhaltliche Positionen zur AP 14 – 17.

SBV als wichtigster Verband des Agrarsektors eine zentrale Vetoposition ein. Allerdings zeigte sich der SBV in der AP 2011 gegenüber einer Ökologisierung ambivalent. Sofern ökologische Direktzahlungen den Agrarbereich als wirtschaftlichen Sektor stützen, werden sie vom SBV mitgetragen. Gehen diese aber gänzlich auf Kosten der produzierenden Landwirtschaft, würde der SBV eine ablehnende Position vertreten und mit Unterstützung der SVP und weiteren Bauernorganisationen eine starke Opposition bilden. Inhaltliche Positionen der Akteure zur AP 14 – 17 Abbildung 2 veranschaulicht, wie sich die Netzwerkakteure im Rahmen der Vernehmlassung zur AP 14 – 17 zu den neuen Kulturlandschafts-, Biodiversitäts- und Landschaftsqualitätsbeiträgen inhaltlich äusserten. Während andere Teile der AP 14 – 17 in der Vernehmlassung auf verschiedene Vorbehalte (seitens bäuerlicher Kreise und der CVP) oder sogar Ablehnung (SVP) stiessen, werden die neuen ökologischen Direktzahlungen im Grundsatz unterstützt. Speziell die Natur- und Umweltschutzorganisationen, Vertreter des Berggebiets sowie SP und Grüne begrüssen ausdrücklich das neue System. Aber auch eine Mehrheit der Kantone, der SBV und verschiedene weitere landwirtschaftliche Organisationen befürworten grundsätzlich den vom Bundesrat vorgeschlagenen Systemwechsel. Beiträge zur Offenhaltung von Kulturlandschaften werden breit unterstützt. Bei den Biodiversitätsbeiträgen stehen SVP, SBV und weitere

bäuerliche Kreise dem Vorschlag der Ausrichtung von Biodiversitätsbeiträgen ausserhalb der landwirtschaftlichen Nutzflächen kritisch gegenüber. Einzig bei den Landschaftsqualitätsbeiträgen stösst die Vorlage auf grundsätzliche Ablehnung seitens einiger Kantone, des SVB und einzelner regionaler bäuerlicher Organisationen (EVD 2011).

Diskussion Die Identifikation des politischen Netzwerkes auf Basis des politischen Entscheidungsprozesses zur AP 2011 illustriert die zentrale Stellung der Exekutive in der Steuerung agrarpolitischer Reformetappen und damit auch in der Gestaltung weiterer Ökologisierungsschritte im Rahmen der AP 14 – 17. Ihr gegenüber steht die zentrale Vetoposition des SBV, der traditionell von der SVP und weiteren landwirtschaftsnahen bürgerlichen Kreisen unterstützt wird. Diese breite Allianz bäuerlicher und landwirtschaftsnaher Kreise ist nicht bereit, zu starke Einschränkungen bei der produzierenden Landwirtschaft hinzunehmen. Daraus ergibt sich eine inhaltlich ambivalente Position des SBV zu Fragen der Ökologisierung. Stützen die vorgesehenen Beiträge den Agrarbereich als wirtschaftlichen Sektor, werden sie vom SBV mitgetragen. Ansonsten ist er in verschiedenen Fragen, welche die konkrete Umsetzung weiterer ökologisch orientierter Massnahmen  betreffen, kritisch eingestellt.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 360–365, 2012

363


Projekt MOUNTLAND | Ökologisierung der Landwirtschaft im ­a grarpolitischen Prozess

Inwiefern agrarökologische Beiträge den wirtschaftlichen Sektor tatsächlich stützen, hängt von weiteren begleitenden agrarpolitischen Massnahmen (vor allem zum Abbau von internen Stützungen und betreffend einer allfälligen marktwirtschaftlichen Öffnung) ab. Die inhaltliche Analyse der Akteurspositionen zu diesen fraglichen Begleitmassnahmen (Hirschi et al. 2012) zeigt, dass der SBV hier keinen Verhandlungsspielraum sieht. Deregulierungs- und Liberalisierungsszenarien sind deshalb aufgrund der starken Vetoposition des SBV und der ihn unterstützenden politischen Kräfte derzeit kaum vorstellbar. Deregulierungs- und Liberalisierungsszenarien scheinen nur denkbar, wenn sich das landwirtschaftliche Politiknetzwerk grundlegend verändert, etwa durch verstärkten internationalen oder innenpolitischen Druck, z.B. aufgrund weiterer Liberalisierungsbemühungen im Rahmen der WTO oder aufgrund fortschreitender Verhandlungen über ein landwirtschaftliches Freihandelsabkommen mit der EU. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass solche Prozesse auf das landwirtschaftliche Politiknetzwerk erheblichen Druck entwickeln. Die Verknüpfung verschiedener Sachfragen auf internationaler Ebene kann dazu führen, dass sich gewichtige Akteure aus anderen (Wirtschafts-)Sektoren vermehrt in den landwirtschaftspolitischen Entscheidungsprozess einbringen und so etablierte Politiknetzwerkstrukturen verändern (Sciarini 1996). Es wäre somit möglich, dass der SBV aufgrund solcher Entwicklungen ein Szenario

zur weiteren Ökologisierung der Landwirtschaft unterstützt, wenn dadurch politische Mehrheiten für die Kompensation von finanziellen Einbussen aufgrund weiterer Deregulierungs- und Liberalisierungsschritte gewonnen werden können. Grundsätzlich zeigt sich in den beiden Agrar­ reformen 2011 und 14 – 17 jedoch deutlich der politische Wille, gesellschaftliche und gemeinwirtschaftliche Leistungen der Landwirtschaft in der Ausgestaltung politischer Massnahmen besser zu berücksichtigen und mit zielgerichteten Direktzahlungen zu entschädigen. Ob sich diese derzeit breite Allianz für den Umbau des Direktzahlungssystems hingegen auch längerfristig politisch durchsetzen wird, hängt auch davon ab, wie sich die Landwirtschaftspolitik in Fragen der Deregulierung und Liberalisierung entwickelt, und auf welche Weise diese mit der Ökologisierung politisch verknüpft werden. Ausserdem ist zentral, wie stabil das bestehende agrarpolitische Netzwerk bleibt. Hierfür spielen jedoch verschiedene Faktoren eine bedeutende Rolle, die nur schwer von der Landwirtschaftspolitik beeinflusst werden können, wie beispielsweise die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds oder die Entwicklung der öffentlichen Haushalte. n

Kasten 1 | Abkürzungsverzeichnis

KANT-2 Bergkantone KBV Kantonale Bauernverbände KON Konsumentenorganisationen KONF Interkantonale Konferenzen NR Nationalrat ORG Übrige Organisationen und Verbände PAR Übrige Parteien SAB Schweiz. Arbeitsgemeinschaft für die ­Berggebiete SBV Schweizerischer Bauernverband SGV Schweizerischer Gewerbeverband SPS Sozialdemokratische Partei Schweiz SR Ständerat SVP Schweizerische Volkspartei STS Tierschutzorganisationen UMW Umweltverbände WAK-N Kommission Wirtschaft und Abgaben ­Nationalrat

ASS Weitere landwirtschaftliche Berufs­ organisationen BLW Bundesamt für Landwirtschaft BR Bundesrat CVP Christlich-demokratische Volkspartei Schweiz DEL CH-Delegation WTO-Verhandlungen ECO Economiesuisse EJPD Eidg. Justiz- und Polizeidepartement EVD Eidg. Volkswirtschaftsdepartement FD Finanzdelegation Eidg. Räte FDP Freisinnig-demokratische Partei Schweiz GEW Gewerkschaften GPS Grüne Partei Schweiz KAN Kantone KANT-1 Kantone Mittelland und Jura

364

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 360–365, 2012

Dank

Das Forschungsprojekt MOUNTLAND wurde durch die Finanzierung des Competence Center for Environment and Sustainability (CCES) des ETH-Bereichs ermöglicht. Wir danken Martin Brugger und Karin Ingold für wertvolle Hinweise.


Ecologizzazione dell’agricoltura nel processo agro-politico Questo contributo mostra in base ad un’analisi delle riforme della politica agraria PA 2011 e PA 14–17 come le prestazioni di pubblica utilità per l'agricoltura trovino sostegno nel processo politico. Le analisi della rete politica e del posizionamento evidenziano il modo in cui nelle recenti riforme agrarie sussista la volontà politica di considerare maggiormente le prestazioni sociali e di pubblica utilità nel delineare la politica agraria e di indennizzarle tramite un pagamento mirato di contributi diretti. Per assicurare a lungo termine questi pagamenti diretti, devono essere considerati, oltre ad una utile connessione con altre riforme agrarie previste per il futuro o in discussione (soprattutto relative a questioni sulla liberalizzazione e apertura dei mercati), in particolare, il contesto economico globale e lo sviluppo delle amministrazioni pubbliche.

Summary

Riassunto

Ökologisierung der Landwirtschaft im ­a grarpolitischen Prozess | Projekt MOUNTLAND

Greening agriculture in the agricultural policy process This contribution reveals how the agricultural provision of ecosystem services in Switzerland is supported by the agricultural policy making process. Based on the analysis of the agricultural policy reform processes AP 2011 and AP 14–17, the policy network and the policy positions of the individual network actors with respect to a further greening of the agricultural policy are identified. The results reveal the willingness of the actors to strengthen and to support the provision of ecosystem services with targeted direct payments. To secure such payments in the long run, two aspects have to be taken into account: i) the linkage of a further greening of the agricultural policy with concomitant policy changes such as market liberalization or deregulation and ii) the development of the overall economy as well as the budget of the public authorities. Key words: network analysis, greening of agricultural policy, mountain regions.

Literatur ▪▪ Anwander Phan-huy S., 2000. Ökologisierung der schweizerischen Agrarpolitik. Agrarforschung 7 (7), 320–325. ▪▪ Bundesrat, 2012. Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in den Jahren 2014 – 2017 (Agrarpolitik 2014 – 2017) vom 1. Februar 2012. BBl 2012 2075 – 2325, Bern. ▪▪ Dekker A. H., 2005. Conceptual Distance in Social Network Analysis. Journal of Social Structure 6 (3), online. ▪▪ EVD, 2006. Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2011). Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (EVD), Bern. ▪▪ EVD, 2011. Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2014 – 2017). Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (EVD), Bern. ▪▪ Fischer A., 2003. Vetospieler und die Durchsetzbarkeit von Side-­ Payments: Der schweizerische innenpolitische Entscheidungsprozess um flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union. Swiss Political Science Review 9 (2), 27–58. ▪▪ Flury C., 2005. Agrarökologie und Tierwohl 1994 bis 2005. Agrarforschung 12 (11 – 12), 526–531.

▪▪ Hirschi C., Widmer A., Briner S. & Huber R., 2012. Combining Policy Network and Model-Based Scenario Analysis: Restrictions and Preconditions for the Future Provision of Agricultural Ecosystem Goods and Services in Swiss Mountain Regions. In Review. ▪▪ Huber R., Bebi P., Briner S., Bugmann H., Buttler A., Grêt-Regamey A., Hirschi C., Scholz R.W., Zimmermann W., & Rigling A., 2012. ­K limawandel und nachhaltige ­L andnutzung im Berggebiet. Agrarfoschung Schweiz 3 (7–8), 340–345. ▪▪ Lanz S., Barth L., Hofer C. & Vogel C., 2010. Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems. Agrarforschung Schweiz 1 (1), 10–17. ▪▪ Sciarini P., 1996. Die entscheidende Rolle des GATT für die Reform der schweizerischen Landwirtschaftspolitik. Agrarwirtschaft und Agrarsoziologie 1, 43–62. ▪▪ Serdült U. & Hirschi C., 2004. From Process to Structure: Developing a Reliable and Valid Tool for Policy Network Comparison. Swiss Political Science Review 10 (2), 137–155. ▪▪ Vogel S., Lanz S., Barth L. & Böbner C., 2008. Ziele für eine multifunktionale Landwirtschaft. Agrarforschung 15 (8), 390–395.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 360–365, 2012

365


P f l a n z e n b a u

Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich Matthias Suter1,2, Bruno Arnold1,2, Jonas Küng1, Rebecca Nagel1, Annamarie Zollinger2 und Andreas Lüscher1 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich 2 Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaus AGFF, 8046 Zürich Auskünfte: Matthias Suter, E-Mail: matthias.suter@art.admin.ch, Tel. +41 44 377 75 90

1

Abb. 1 | Mähwiese mit grosser Senecio aquaticus -Population. Unter solchen Bedingungen muss mit einer ­g rossen Samenbank von S. aquaticus im Boden gerechnet werden. (Foto: ART)

Einleitung In der Schweiz und dem nahen Ausland wird das WasserKreuzkraut (Senecio aquaticus Hill; auch Wasser-Greiskraut genannt) in den letzten Jahren vermehrt im landwirtschaftlich genutzten Grasland festgestellt (Bosshard et al. 2003). Obwohl in manchen Europäischen Regionen eine seltene und geschützte Art, kann S. aquaticus im Landwirtschaftsland lokal in grosser Häufigkeit auftreten, Dichten von mehr als zehn Pflanzen pro Quadratmeter aufweisen (Abb. 1) und zu einer Bedrohung für die Nutztiere werden, da sie giftige Pyrrolizidin-Alkaloide enthält (Röder et al. 1990).

366

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 366–373, 2012

Nach Sebald et al. (1999) wächst S. aquaticus oft in drainierten, feuchten Flächen, die leicht gedüngt und pro Jahr ein- oder zweimal genutzt werden. Die Art kann aber auch in Wiesen mittlerer und hoher Nutzungsintensität stark vertreten sein (Suter und Lüscher 2011). S. aquaticus wird als zweijährige Art beschrieben (Hess et al. 1977), und jede Pflanze produziert jährlich mehrere hundert Samen mit einem Pappus, welcher die Windverbreitung ermöglicht (Abb. 2). Wo die Art während mehrerer Jahre vorkommt, führt die Samenproduktion zu einer grossen Bodensamenbank mit bis zu 1000 Samen pro Quadratmeter (Suter und Lüscher 2012). Lücken im Bestand scheinen die Ausbreitung und das Etablieren


von neuen Populationen zu fördern (Suter und Lüscher 2008), was darauf hindeutet, dass die Verfügbarkeit von Licht für die Samenkeimung wichtig sein könnte. S. aquaticus kann mit Herbiziden reguliert werden (Forbes 1977); wenn jedoch eine grosse Bodensamenbank vorhanden ist, wird die Art durch Keimung aus der Samenbank den Behandlungserfolg wieder zunichtemachen (Suter und Lüscher 2011). Die schlechte Langzeitwirkung von Herbizideinsätzen macht klar, dass eine effiziente und nachhaltige Regulierung die ökologischen Eigenschaften von S. aquaticus berücksichtigen muss. Dazu gehören auch die Keimeigenschaften, die für S. aquaticus jedoch weitgehend unbekannt sind. In dieser Arbeit wird das Keimverhalten und die Lebensdauer der Samen von S. aquaticus untersucht. Eine schnelle und hohe Keimung der Art könnte teilweise erklären, warum sie sich so erfolgreich im landwirtschaftlichen Grasland ausbreitet, denn eine schnelle Keimung erhöht den Konkurrenzerfolg einer Art gegenüber andern (Howard und Goldberg 2001). Hat sich S. aquaticus in Wiesen und Weiden einmal etabliert und eine Bodensamenbank aufgebaut, würde eine lange Lebensdauer der Samen bedeuten, dass S. aquaticus aus der Samenbank immer wieder keimen könnte und deshalb über mehrere Jahre angegangen werden muss, bis die Samenbank erschöpft ist.

Material und Methoden Keimungsversuche mit Wasser-Kreuzkraut Um die Keimeigenschaften der Samen von S. aquaticus aufzuzeigen, wurden gezielt Keimungsversuche durchgeführt. Dazu wurden drei Standorte im Zentrum der geografischen Verbreitung der Art in der Schweiz ausgewählt: Kriens I (810 m ü. M.), Kriens II (800 m ü. M.) und Rothenthurm (910 m ü. M.). An den drei Standorten 

Zusammenfassung

Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich | Pflanzenbau

Senecio aquaticus (Wasser-Kreuzkraut), giftig für Nutztiere, wird seit einigen Jahren vermehrt im landwirtschaftlichen Grasland festgestellt. Um die Regulierung der Art zu verbessern, wurde in einer Serie standardisierter Versuche das Keimverhalten und die Lebensdauer von Senecio Samen untersucht. Die Keimprozente frischer, reifer Samen von S. aquaticus lagen im Jahre 2008 im Mittel bei 68 %, im Jahre 2010 jedoch nur bei 45 %, was auf jährliche Schwankungen der Keimfähigkeit hinweist. Zehn Tage nach Beginn der Versuche waren meist mehr als 45 % aller Samen gekeimt; nach acht Wochen hingegen konnte nur selten eine weitere Keimung beobachtet werden. Samen, die für ein oder zwei Jahre in der Erde vergraben wurden, zeigten mit 78 % eine signifikant höhere Keimung als frische, reife Samen, was einen stimulierenden Stratifizierungseffekt durch die feucht-kalten Winterbedingungen und eine lange Lebensdauer der Samen im Boden impliziert. Aus der schnellen und hohen Keimung von S. aquaticus lässt sich ableiten, dass eine wirksame Regulierungsstrategie für das landwirtschaftliche Grasland zuerst die Samenproduktion und -verbreitung verhindern sollte. Wenn S. aquaticus in grossen Populationen vorhanden ist, wird die Art eine grosse und dauerhafte Bodensamenbank aufgebaut haben. In diesem Fall wird eine erfolgreiche Regulierung mehrere Jahre dauern bis die Bodensamenbank erschöpft ist.

Abb. 2 | Senecio aquaticus bildet pro Jahr mehrere hundert Samen mit einem Pappus, der die Windverbreitung ermöglicht. (Foto: ART)

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 366–373, 2012

367


Pflanzenbau | Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich

cke von 5 mm erreicht wurde. Substratschicht und Vlies waren mit einem Wasserpool einer verzinkten Stahlwanne verbunden, die regelmässig aufgefüllt wurde (Abb. 3); dadurch konnten während der ganzen Versuchsdauer gleichmässig feuchte Bedingungen gewährleistet werden. Wenn nicht anders erwähnt, wurde die Substratschicht während der Testphase zweimal gründlich aufgekratzt, um alle Samen ans Licht zu bringen. Alle Versuche dauerten sieben bis acht Wochen, danach wurde keine oder nur noch vereinzelt Keimung festgestellt.

wurde wiederum eine von Landwirten bewirtschaftete Dauerwiese ausgewählt, auf der S. aquaticus seit mindestens fünf Jahren und in einer Population von mehr als 5000 Individuen pro Hektar vorkam. Die Nutzungsund Düngeintensitäten und die Bodeneigenschaften der drei Wiesen deckten eine grosse Bandbreite an Bewirtschaftungsbedingungen ab (3−5 Nutzungen pro Jahr, gedüngter verfügbarer Stickstoff 30 bis 130 kg pro Hektar und Jahr, weitere Informationen siehe Suter und Lüscher 2011). Für die Beurteilung der Keimeigenschaften von frischen, reifen Samen wurden auf den drei Dauerwiesen im August 2008 und Juli 2010 ganze Pflanzen von S. aquaticus im Abschluss ihrer Anthese gesammelt, inklusive Stängel, Blätter und Blüten. Das Pflanzenmaterial wurde bei Raumtemperatur während mindestens drei Wochen getrocknet, bevor die Samen von Hüllblättern und Pappus gereinigt wurden. Die mittlere Samenmasse von 6000 Samen betrug im Jahre 2008 0,326 mg, im Jahre 2010 jedoch nur 0,225 mg (Stichprobe von je 2000 Samen aus den drei Populationen). Die Keimversuche wurden in einem beschatteten Gewächshaus durchgeführt, das zwischen 06:00 und 22:00 zusätzlich beleuchtet wurde. Die Tag/Nacht Temperaturen waren auf 24 / 18 °C eingestellt; die mittlere Luftfeuchtigkeit lag bei 65 %. Das frische, reife Samenmaterial wurde in Replikationen von 200 Samen aufgeteilt, welche mit 0,16 Liter Substrat vermischt wurden (37 % Torf, 32 % Kompost, 18 % Blähton, 3 % Ton, 10 % Sand). Zur Keimung wurde dieses Substrat-Samen Gemisch in Quadraten von 18 cm x 18 cm auf ein Vlies aufgetragen, wodurch eine Schichtdi-

368

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 366–373, 2012

80

Tag 10 Tag 56

60

% Keimung

Abb. 3 | Untersuchung der Keimeigenschaften von Senecio aquaticus . Die Samen wurden mit einer Schicht Substrat zur Keimung ­g ebracht, das durch ein Vlies mit einem Wasserpool verbunden war. Dadurch konnten während der ganzen Versuchsdauer gleichmässig feuchte Bedingungen gewährleistet werden. (Foto: ART)

Serie I: Keimung von frischen, reifen Samen und Lichteffekt Frische, reife Samen der drei Populationen wurden im Oktober 2008 zur Keimung gebracht, und die Keimprozente wurden am Tag 10 und 56 festgehalten. Dieser Versuch wurde mit Samen aus dem Jahre 2010 wiederholt; diesmal wurde jedoch die Keimung jeden zweiten oder dritten Tag aufgenommen, um die Dynamik über die Zeit aufzuzeigen. Im Jahre 2010 wurde zusätzlich zur Standardbehandlung, bei der Samen mit Substrat vermischt und dieses zweimal aufgekratzt wurde, eine zweite Behandlung angesetzt, bei der die Samen auf die Substratschicht gelegt wurden. Schliesslich wurde ein dritter Versuch angesetzt, bei dem die Samen permanent mit 5 mm Substrat bedeckt waren, ohne dieses während des Keimverlaufs je aufzukratzen.

40

20

0 Kriens I

Kriens II

Rothenthurm

Abb. 4 | Keimprozente frischer, reifer Samen von Senecio aquaticus aus dem Jahre 2008. Gezeigt sind Mittelwerte ± 1 Standardfehler (n = 10) am Tag 10 und 56 einer achtwöchigen Keimungsperiode. Die Samen waren mit einer 5 mm dicken Substratschicht vermischt, welche zweimal aufgekratzt wurde um alle Samen ans Licht zu bringen.


Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich | Pflanzenbau

Resultate Serie I: Schnelle und hohe Keimung frischer Samen und deutlicher Lichteffekt Die Keimraten der im Jahre 2008 gesammelten Samen von S. aquaticus waren hoch: Die ersten Keimlinge konnten nach fünf Tagen beobachtet werden und nach zehn Tagen waren mindestens 45  % der Samen aller drei Standorte gekeimt (Abb. 4). Die abschliessenden Keimwerte lagen im Durchschnitt bei 68 % (Standardfehler ± 1 %; die Samen dieses Versuches waren mit Substrat vermischt). Zwischen den Standorten konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden, weder am Tag 10 (P = 0,694), noch am Schluss des Versuches (P = 0,392). Für Samen, die 2010 gesammelt und mit Substrat vermischt wurden, waren die abschliessenden Keimwerte 45 % (± 2 %; Abb. 5), was auf jährliche Varia-

(b) Kriens II

60

% Keimung

Serie II: Keimung und Lebensdauer von im Boden vergrabenen Samen Im Jahre 2008 gesammelte Samen wurden mit Substrat vermischt und in Polyesterbeutel abgefüllt (Volumen 0,18  Liter, Maschenweite 190  µm, Lanz-Anliker AG, Schweiz). Im November 2008 wurden an den drei Standorten auf den Dauerwiesen zwanzig dieser Beutel in gleichmässiger Verteilung und einer Tiefe von 18 cm vergraben und präzise markiert. Alle weiteren Samen wurden in einem Kühlraum bei 6 °C gelagert. Im Oktober 2009 wurden zehn Beutel pro Standort ausgegraben und mit zehn Replikationen der im Kühler gelagerten Samen zur Keimung gebracht. Dieses Prozedere wurde im Oktober 2010 mit den restlichen vergrabenen Beuteln und weiteren zehn Replikationen der im Kühler gelagerten Samen wiederholt. Damit konnte der Effekt einer feucht-kalten Stratifizierung auf die Keimung und die Lebensdauer der Samen unter natürlichen Bodenbedingungen untersucht werden, da die Böden aller drei Standorte während des Winters feucht und schneebedeckt waren. Alle Keimdaten wurden mit generalisierten linearen Modellen ausgewertet, welche das Testen der Behandlungen gegeneinander erlaubten.

40

20

Auf dem Substrat

0

Vermischt mit Substrat

0

% Keimung

(a) Kriens I

20

30 Tage

40

50

60

20

30 Tage

40

50

60

(c) Rothenthurm

60

60

40

40

20

20

0

0 0

10

10

20

30 Tage

40

50

60

0

10

Abb. 5 | Keimprozente frischer Samen von Senecio aquaticus aus dem Jahre 2010; gezeigt sind Mittelwerte ± 1 Standardfehler (n = 5). Die Samen lagen entweder auf dem Substrat oder waren mit einer 5 mm dicken Substratschicht vermischt. An den bezeichneten Tagen (↑, ↓) wurde das Substrat aufgekratzt um alle Samen ans Licht zu bringen.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 366–373, 2012

369


Pflanzenbau | Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich

tion in der Keimung schliessen lässt (Abb. 4 und 5). Diese geringeren Keimwerte waren in Übereinstimmung mit den tieferen Samenmassen im Jahre 2010 im Vergleich zu 2008 (siehe Material und Methoden). Wenn die Samen von 2010 auf dem Substrat ausgebreitet wurden und im vollen Licht keimten, lagen die mittleren Werte bei 58 % (± 2 %; Abb. 5); die Differenz zu mit Substrat vermischten Samen war hoch signifikant (P < 0,001). Zudem keimten die Samen auf dem Substrat schneller: Am Tag 10 des Versuches waren im vollen Licht 44 % (± 1 %) der Samen gekeimt, bei mit Substrat vermischten Samen jedoch nur 17 % (± 1 %; P < 0,001 für die Differenz). Dieses Resultat deutet darauf hin, dass S. aquaticus in der Abwesenheit von Licht eine deutlich geringere Keimung aufweisen sollte. Diese Hypothese wurde mit der Behandlung getestet, bei der Samen permanent mit einer Substratschicht von 5 mm bedeckt wurden. In diesem Versuch keimten die vollständig bedeckten Samen im Mittel mit 16 % (± 2 %), wohingegen Samen im vollen Licht mit 63 % keimten (± 5 %; P < 0,001 für die Differenz; keine Abb. gezeigt). Serie II: Erfolgreiches Überleben von im Boden vergrabenen Samen Samen von S. aquaticus, die 2008 gesammelt und für ein Jahr im Boden vergraben wurden, keimten im Mittel mit 78 % (± 1 %; Abb. 6a−c). Dieser Wert war signifikant höher als für im Kühler gelagerte Samen (73 % ± 1 %; P = 0,008 für die Differenz) und für frische, reife Samen (P = 0,001; Abb. 4 und 6). Ein ähnliches Resultat konnte für Samen gezeigt werden, die für zwei Jahre im Boden vergraben (79 % ± 2 %), bzw. im Kühler gelagert wurden (74 % ± 1 %; Abb. 6d−f). Samen, die für zwei Jahre im Boden vergraben wurden, keimten auch sehr schnell: Am Tag 10 des Versuches lagen die durchschnittlichen Keimwerte bereits 58 % (± 2 %).

Diskussion Keimung frischer Samen S. aquaticus keimte schnell und der Keimerfolg war gross: Nach zehn Tagen keimten mehr als 45 % der Samen, nach acht Wochen lag der Wert bei fast 70 %. Eine schnelle Keimung erhöht die Chancen einer Art, sich in der asymmetrischen Konkurrenz um Licht gegenüber anderen durchzusetzen. Anfängliche Grössenunterschiede zwischen Keimlingen können mit asymmetrischer Konkurrenz über die Zeit verstärkt werden. S. aquaticus, die oft in Lücken bestehender Vegetation aufwächst (Suter und Lüscher 2008), könnte von anfänglichen Grössenunterschieden profitieren, indem sie

370

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 366–373, 2012

Raum und Ressourcen auf Kosten von Keimlingen anderer Arten beansprucht. Solche Konkurrenzvorteile in frühen Wachstumsstadien können sich direkt auf die Abundanz einer Art in der Vegetation auswirken (Howard und Goldberg 2001). Die Keimprozente von S. aquaticus waren generell grösser als die Werte anderer Graslandarten, besonders wenn sie mit Arten feuchter Wiesen verglichen werden (Grime et al. 1981; Opitz v. Boberfeld et al. 2001). Zudem zeigten in unseren Versuchen frische, reife Samen von S. aquaticus erhöhte Keimung, wenn sie in vollem Licht keimten, wohingegen eine Substratschicht von wenigen Millimetern die meisten Samen an der Keimung hinderte. Hohe und schnelle Keimung in vollem Licht ist ein Merkmal von Arten, die Lücken und Störungen bevorzugen. Dies könnte den Erfolg von S. aquaticus erklären, sich in Lücken des Graslandes auszubreiten. Kombiniert mit einer grossen Zahl an Pappus tragenden Samen fördern die gezeigten Keimeigenschaften die Ausbreitung und das Überdauern von S. aquaticus in regelmässig genutztem Grasland. Lebensdauer im Boden Die Überlebenskurven von Samen im Boden folgen oft einer negativ exponentiellen Funktion (Baskin und Baskin 1998, S. 149), was bedeutet, dass Samen eine ­ konstante Sterberate zeigen. Basierend auf diesem ­ Zusammenhang wurde für Samen des bekannten JakobsKreuzkrauts (Senecio jacobaea L.) eine jährliche Sterberate von 30 % errechnet; daraus konnte geschlossen werden, dass Samen dieser Art mehr als zehn Jahre lebensfähig wären (Thompson und Makepeace 1983). In unserer Untersuchung wurde nach zwei Jahren jedoch keine Abnahme, sondern eine Zunahme der Keimwerte festgestellt. Dies lässt erstens auf einen positiven Effekt der feucht-kalten Stratifizierung auf die Keimung von S. aquaticus schliessen, da die für den Versuch benutzten Böden während des Winters Temperaturen um den Gefrierpunkt aufwiesen. Ähnliche Bedingungen wurden in Experimenten verwendet, die den positiven Effekt einer feucht-kalten Stratifizierung auf die Keimung von Feuchtgebietsarten zeigten (Budelsky und Galatowitsch 1999). Zweitens − und wohl wichtiger − ist die anhaltend hohe Keimung ein starker Hinweis auf eine lange Lebensdauer der Samen im Boden; S. aquaticus zeigte nach zwei Jahren immer noch mittlere Keimwerte um 80 %. Es kann angenommen werden, dass auch bei diesen Samen nach drei oder vier Jahren der Absterbeprozess einsetzt. Wenn der Keimwert nach zwei Jahren (80 %) als Ausgangspunkt genommen und eine negativ exponentielle Abnahme der Keimung vorausgesetzt wird, kann mit einer (wahrscheinlich zu hohen) Sterbe-


Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich | Pflanzenbau

2009 – ein Jahr im Boden bzw. Kühler 100

2010 – zwei Jahre im Boden bzw. Kühler

(a) Kriens I

100 (d) Kriens I

80

80

60

60

40

40

20

20

0

0 0

10

20

30

40

50

60

% Keimung

100 (b) Kriens II

0

20

30

40

50

60

20

30

40

50

60

100 (e) Kriens II

80

80

60

60

40

40

20

20

0

0 0

100

10

10

20

30

40

50

60

(c) Rothenthurm

0

100

80

80

60

60

40

40

20

20

0

0 0

10

20

30 Tage

40

50

60

10

(f) Rothenthurm

Im Boden vergraben Im Kühler gelagert 0

10

20

30 Tage

40

50

60

Abb. 6 | Keimprozente von Senecio aquaticus Samen, die für 1 und 2 Jahre im Kühler gelagert bzw. in natürlichem Boden vergraben ­w urden; gezeigt sind Mittelwerte ± 1 Standardfehler (n = 10). Die Samen wurden für den Versuch mit einer 5 mm dicken Substratschicht vermischt; an den bezeichneten Tagen (↑, ↓) wurde das Substrat aufgekratzt um alle Samen ans Licht zu bringen.

rate von jährlich 20 % bei S. aquaticus eine ähnliche Lebensdauer angenommen werden wie bei S. jacobaea, also etwa zehn Jahre. Suter und Lüscher (2012) fanden im Oberboden (0−10 cm) von Dauerwiesen mit grossen S. aquaticus Populationen mehr als 1000 keimfähige Samen der Art pro Quadratmeter. Dieser Befund deckt sich mit der hohen Keimfähigkeit der für zwei Jahre vergrabenen

Samen (Abb. 6) und der deutlichen Reduktion der Keimung beim Fehlen von Licht (Abb. 5). Suter und Lüscher (2012) argumentierten, dass S. aquaticus in etablierten Populationen grosse, permanente Samenbanken im Boden bilden muss. Die hohen und schnellen Keimwerte von frischen, reifen Samen und die Langlebigkeit der Samen in einer Bodensamenbank scheinen nicht vereinbare Eigenschaften zu sein. Dieser Widerspruch kann 

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 366–373, 2012

371


Pflanzenbau | Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich

jedoch mit der Reaktion der Keimung von S. aquaticus auf Licht erklärt werden. Die Art wächst meistens in etabliertem Grasland feuchter Flächen; unter diesen Bedingungen wird nur ein Teil der jährlich gebildeten Samen zur Keimung kommen, da infolge der bestehenden Vegetation nur wenig Licht direkt auf den Boden fällt. Die Mehrheit der Samen wird von Pflanzenstreu bedeckt und von Mäusen oder Regenwürmern in den Boden verfrachtet werden (Baskin und Baskin 1998, S. 137). Beim Fehlen von Licht werden diese Samen dormant und tragen zur Bildung einer Bodensamenbank bei; ein Mechanismus, der für mehrere Arten der gemässigten Feuchtgebiete gezeigt wurde (Jensen 2004). Trotz der hohen Keimfähigkeit von frischen Samen kann so eine grosse Bodensamenbank aufgebaut werden, vor allem bei alten und grossen Populationen, wie sie bei S. aquaticus auch beobachtet werden.

Schlussfolgerungen Senecio aquaticus ist eine zweijährige Art; somit muss jedes Jahr etwa die Hälfte der Pflanzen aus Samen regenerieren, um die Populationsgrösse zu erhalten. Unsere Resultate zeigen, dass die Keimeigenschaften von S. aquaticus diesen Lebenszyklus unterstützen: Die Keimung frischer, reifer Samen war hoch, und im Boden vergrabene Samen wurden dormant und keimten auch

Literatur ▪▪ Baskin C. C. & Baskin J. M., 1998. Seeds. Ecology, biogeography, and evolution of dormancy and germination. Academic Press, New York, US. 666 S. ▪▪ Bosshard A., Joshi J., Lüscher A. & Schaffner U., 2003. Jakobs- und andere Kreuzkraut-Arten: eine Standortbestimmung. Agrarforschung 10 (6), 231–235. ▪▪ Budelsky R. A. & Galatowitsch S. M., 1999. Effects of moisture, temperature, and time on seed germination of five wetland Carices: implications for restoration. Restoration Ecology 7 (1), 86–97. ▪▪ Forbes J. C., 1977. Chemical control of marsh ragwort (Senecio aquaticus Huds.) in established grasslands. Weed Research 17, 247–250. ▪▪ Grime J. P. et al., 1981. A comparative study of germination characteristics in a local flora. Journal of Ecology 69 (3), 1017–1059. ▪▪ Hess H. E., Landolt E. & Hirzel R., 1977. Flora der Schweiz, 2. Ed., Birkhäuser, Basel, Schweiz. ▪▪ Howard T. G. & Goldberg D. E., 2001. Competitive response hierarchies for germination, growth, and survival and their influence on abundance. Ecology 82 (4), 979–990. ▪▪ Jensen K., 2004. Dormancy patterns, germination ecology, and seedbank types of twenty temperate fen grassland species. Wetlands 24 (1), 152–166.

372

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 366–373, 2012

nach zwei Jahren sehr erfolgreich, wenn sie zurück ans Licht gebracht wurden. Mit dieser Lichtabhängigkeit kann die Pflanze schnelles Keimen in Lücken und langes Überleben im Boden vereinen. Strategien, um die Verbreitung von S. aquaticus im Landwirtschaftsland zu unterbinden, sollten deshalb bei der Samenbildung und -verbreitung ansetzen. Wenn S. aquaticus auf einer Fläche neu auftritt und noch mit wenigen Individuen vorhanden ist, können Ausreissen oder Ausstechen die Samenbildung und die weitere Verbreitung effektiv verhindern. Die Samenökologie der Art lässt jedoch den Schluss zu, dass eine Regulierung sehr aufwändig wird, wenn sich bereits grosse Populationen gebildet haben. Solch grosse Populationen von S. aquaticus sind mit grossen Bodensamenbanken der Art verbunden. Zusammen mit der Langlebigkeit der Samen und ihrer Fähigkeit zur schnellen und hohen Keimung führt dies dazu, dass die Art bei Störungen des Bodens immer wieder keimen und aufwachsen kann. Gerade geneigte Parzellen am Alpennordhang, wo S. aquaticus in der Schweiz, Deutschland und Österreich oft gedeiht, stellen Risikoflächen dar, da sich hier Grasnarbenschäden durch Beweidung oder mechanische Ernte nicht verhindern lassen. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Regulierung von grossen Populationen von S. aquaticus mehrere Jahre dauern wird, bis sich die Samenbank der Art erschöpft hat. n

▪▪ Opitz v. Boberfeld W., Knödler C. & Ziron C., 2001. Keimungsstrategien von Arten verschiedener Grünland-Pflanzengesellschaften. Pflanzenbauwissenschaften 5, 87–95. ▪▪ Röder E., Wiedenfeld H. & Kersten R., 1990. The Pyrrolizidine Alkaloids of Senecio aquaticus Huds. Scientia Pharmaceutica 58, 1–8. ▪▪ Sebald O., Seybold S., Philippi G. & Wörz A. (eds.), 1999. Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. Ulmer, Stuttgart, Deutschland. ▪▪ Suter M. & Lüscher A., 2008. Occurrence of Senecio aquaticus in relation to grassland management. Applied Vegetation Science 11 (3), 317–324. ▪▪ Suter M. & Lüscher A., 2011. Measures for the control of Senecio aquaticus in managed grassland. Weed Research 51, 601–611. ▪▪ Suter M. & Lüscher A., 2012. Rapid and high seed germination and large soil seed bank of Senecio aquaticus in managed grassland. TheScientificWorldJOURNAL , DOI:10.1100/2012/723808. ▪▪ Thompson A. & Makepeace W., 1983. Longevity of buried ragwort (Senecio jacobaea L .) seed. New Zealand Journal of Experimental Agriculture 11 (1), 89–90.


Il senecio acquatico germoglia velocemente e in grande quantità Da alcuni anni il Senecio aquaticus (senecio acquatico), tossico per gli animali da reddito, è in aumento nelle superfici inerbite agricole. Per migliorarne la regolazione, ART ha esaminato in una serie di esperimenti standard la germinazione e la durata di vita del seme di Senecio. La percentuale di germinazione di semi freschi e maturi di S. aquaticus nel 2008 si situava, in media, al 68 %, mentre nel 2010 raggiungeva solo il 45 %, indicando così delle fluttuazioni annuali della germinabilità. Dieci giorni dopo l'inizio dell'esperimento era germogliato generalmente più del 45 % di tutti i semi; dopo otto settimane, si osservava solo raramente un'ulteriore germinazione. I semi, sotterrati per uno o due anni, mostravano, con il 78 %, un tasso di germinazione significativamente superiore rispetto a semi freschi e maturi, fatto che implica un effetto di stratificazione stimolante in condizioni invernali freddo-umide e una lunga durata di vita dei semi nel suolo. Dalla veloce e elevata germinazione del S. aquaticus si deduce che un'efficace strategia di regolazione per le superfici inerbite agricole dovrebbe in primo luogo impedire la produzione e la diffusione di semi. Se lo S. aquaticus è presente in grandi popolazioni, la specie avrà creato un’importante e durevole banca di semi nel suolo. In questo caso una regolazione di successo impiegherà diversi anni finché la banca di semi nel suolo sarà esaurita.

Summary

Riassunto

Wasser-Kreuzkraut keimt schnell und zahlreich | Pflanzenbau

Senecio aquaticus shows rapid and high seed germination Senecio aquaticus (marsh ragwort), poisonous to livestock, has become increasingly abundant in agricultural grassland. In this study, the germination and seed survival of S. aquaticus were investigated in a series of standardised tests with the aim to improve the species’ control in managed grassland. Germination percentages of fresh ripe seeds of S. aquaticus were on average 68 % in 2008, but only 45 % in 2010, indicating yearly variation. In many cases, over 45 % of all the seeds had germinated ten days after the start of testing with almost no germination occurring after eight weeks. Seeds buried in the soil for one and two years had a germination of 78 % – ­significantly higher than that of fresh ripe seeds – suggesting that cold-wet stratification had a stimulating effect on germination and indicating longterm seed survival in the soil. The rapid and high germination of S. aquaticus suggests that strategies to control the species in agricultural grassland should initially focus on the prevention of seed production and dispersal. Once the species is present in large numbers, it will already have established a large and permanent soil seed bank. In such cases, successful reduction of S. aquaticus may take several years until the soil seed bank is depleted. Key words: germination percentage, germination rate, light, soil cover.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 366–373, 2012

373


P f l a n z e n b a u

Mit ArboPlus Managementkompetenzen im Obstbau unterstützen Esther Bravin, Mirjam Blunschi und Simon Egger Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil Auskünfte: Esther Bravin, E-Mail: esther.bravin@acw.admin.ch, Tel. +41 44 783 62 44

Workshop mit Obsproduzenten im Rahmen des Projektes Interreg «Betriebsmanagement im Obstbau»

Einleitung Wozu ArboPlus Betriebsleitende müssen vielseitige Managementaufgaben meistern, von der Betriebsplanung über die ­Mitarbeiterführung bis zur Arbeitsorganisation und Fragen der Verflechtung von Unternehmen und Familie. Managementkompetenzen sind eine entscheidende Voraussetzung der landwirtschaftlichen Betriebsführung (Wolf und Schoorlemmer 2007, in Rudmann 2008). Im Rahmen des Interreg-IV-Programmes war die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW von 2009 bis 2011 aktiv am Projekt «Betriebsmanagement im Obstbau» beteiligt. Ziel des Projekts war die Unterstützung der Managementkompetenzen von

374

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 374–381, 2012

Betriebsleitenden im Obstbau. Resultate des Projektes wurden auch 2011 in der Agrarforschung Schweiz publiziert (Bravin et al. 2011). ACW entwickelte im Rahmen dieses Projektes das Selbstevaluations-Instrument ArboPlus. Mit ArboPlus können Betriebsleitende auf einem einfachen Niveau ihre allgemeine Betriebs-Situation (z.B Analyse der Produktivität, der Buchhaltung oder der Arbeitsteilung) und spezifische Themen (z.B Zusammenarbeit oder Investitionen) beurteilen, die für eine unternehmerische Betriebsführung wichtig sind. ArboPlus erlaubt im Sinne einer Selbstevalutation die Ebenen Parzelle, Betrieb und Familie zu analysieren. Damit können Betriebsleitende sich gezielt wichtige Fragen für die Zukunft ihres Betriebes stellen, zum Beispiel:


••«Welche Parzelle rentiert? Welche nicht?» ••«Soll ich die Kooperation mit dem Nachbarn eingehen?» ••«Soll ich die neue Maschine kaufen?» ••«Wie ist die Liquidität des Betriebs?» ••«Welche Arbeitskräfte soll ich nächste Saison wählen?» ••«Soll ich den Abnehmer wechseln?» ••«Reicht meine Altersversorgung für meine Erwartungen? ••«Sind alle Familienarbeitskräfte mit der Aufteilung der Arbeit zufrieden?» ••«Können wir unsere Freizeit besser planen?» Ziel von ArboPlus ist, dass Probleme in einer Phase zu erkannt werden, wenn Lösungen noch möglich sind. Oft machen landwirtschaftliche Berater die Erfahrung, dass sich Betriebsleitende erst dann an sie wenden, wenn die Probleme so gross sind, dass es schwierig ist, noch eine vernünftige Lösung zu finden. Interaktiver Entwicklungsprozess Der erste Schritt im Projekt bestand in der Auswahl von Themen, die in ArboPlus berücksichtigt werden sollten und erfolgte in Absprache mit den Obstbauberatern und betriebswirtschaftlichen Beratern (inklusiv Treuhänder). Wünsche und Anregungen der Beratung betreffend Themen, Darstellung und Funktionalität des Evaluationstools wurden im Entwicklungsprozess des Instrumentes aktiv nachgefragt, diskutiert und möglichst nutzergerecht umgesetzt. Leitidee bei der Zusammenstellung der Themen war, dass die Betriebsleitenden mit möglichst einfachen Kriterien eine Analyse durchführen können, die zwar nicht sehr stark in die Tiefe geht, jedoch in einer Gesamtschau aufzeigt, wo Handlungsbedarf besteht. ArboPlus wurde in mehreren Etappen mit Hilfe von  Workshops und Interviews aufgebaut (Abb. 1)

Zusammenfassung

Mit ArboPlus Managementkompetenzen im Obstbau unterstützen | Pflanzenbau

ACW hat ein auf Excel basierendes Tool namens ArboPlus entwickelt, um Betriebsleitenden zu helfen, ihre Ist-Situation auf Parzellen-, Betriebs- und Familienebene zu evaluieren. Im Rahmen von Workshops und Interviews mit Beratern der Obstbaubranche und im Bereich Betriebswirtschaft wurden Informationen für die Entwicklung des Tools gesammelt. Auf Parzellenebene können Betriebsleiter ihre Produktivitätskennzahlen mit einem Benchmark vergleichen. Auf Betriebsebene können Elemente der Bilanz, Erfolgsrechnung, Liquidität, überbetriebliche Zusammenarbeitsformen, Arrondierung, Abnehmer, sowie Mitarbeitende, die Altersvorsorge oder die Anstellungsform des Partners evaluiert werden. Das Betriebsleiterpaar kann auch die Ebene Familie bewerten: Arbeitsteilung, Zusammenleben der Generationen, eigene Kompetenzen und allfällige externe Arbeitsstellen. Werden die wichtigsten Resultate der drei Ebenen zusammengefasst, können in den Bereichen Work-LifeBalance, Finanzen, Absatz und Arbeitsziele gewählt und Strategien definiert werden. Im darauffolgenden Jahr kann der oder die Betriebsleitende kontrollieren, ob die Ziele tatsächlich erreicht worden sind. Mit ArboPlus können Betriebsleitende ihre Situation im Bereich Betriebswirtschaft bewerten und Verbesserungspotenzial sichtbar machen. Themen wie Pflanzenschutz und Ökologie sind in ArboPlus nicht enthalten. Das Projekt wurde speziell auf Obstproduzenten ausgerichtet. ArboPlus existiert nur auf Deutsch.

Themen wählen: 12 Berater

Prototyp entwickeln

Evaluation: 55 Betriebsleiter, 20 Berater

Anpassungen

ArboPlus Abb. 1 | Vorgang der Erstellung von ArboPlus.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 374–381, 2012

375


Pflanzenbau | Mit ArboPlus Managementkompetenzen im Obstbau unterstützen

Finanzen

Arbeit

Parzelle

Arbeit ( Akh) Arbeitsproduktivität (CHF/ Akh)

Betrieb Bewertung Zusammenarbeit

Bewertung Arrondierung Bewertung Anstellungsverhältnis Partner

Bewertung Investitionen

Worklife Balance

Bewertung Zusammenarbeit

Absatz

Bewertung Arbeitsteilung

Bewertung Mitarbeiter

Bewertung Bilanz und Erfolgsrechnung: (Liquidität, Flexibilität, Stabilität, etc.) Erlös (CHF/ha)

Familie

Bewertung eigene Kompetenzen

Bewertung Externe Arbeitsstelle

Bewertung Haushaltsdienstleistungen

Bewertung Zusammenarbeit

Bewertung Familienzeit

Bewertung Altersvorsorge

Bewertung Zusammenleben Generationen

Arbeit (Akh)

Ertrag (kg/ha) Qualität (% 1. Kl, 2. Kl., Mostobst)

Bewertung Abnehmer

Bewertung Zusammenarbeit

Preis (CHF/ha)

Abb. 2 | Überblick ArboPlus.

Berater und Fachstellen im Bereich Obstbau wurden aufgefordert, aus einer Liste Themen auszuwählen, welche für die langfristige Bewirtschaftung des Betriebs wichtig sind. Zusätzlich sollten Sie aufzeigen, wie die Produzenten im jeweiligen Themenbereich Entscheide treffen und ob Entscheidungshilfen bereits existieren. Danach wurden Interviews mit betriebswirtschaftlichen Beratern und Treuhändern durchgeführt, die schon bei der Entwicklung von Analyse- und Entscheidungsinstrumenten mitgearbeitet haben. Insgesamt wurden zwölf Berater befragt (Workshops und Interviews). Mit den gesammelten Informationen aus Workshops und Interviews wurde eine erste Version von ArboPlus erstellt. Betriebsleitende konnten nun den Prototyp des Instruments testen. Verbesserungsvorschläge wurden aufgenommen und im Prototyp integriert. Insgesamt wurden fünf Evaluierungsrunden mit 55 Betriebsleitenden durchgeführt, die hauptsächlich Obst produzieren. Es fiel zum Beispiel auf, dass jüngere Obstproduzenten sich vor allem für das Modul ArboPlus Parzelle interessierten. Ältere Obstproduzenten hingegen massen den Modulen Familie und Betrieb mindestens ebenso viel Bedeutung bei: «Genau diese Themen, die den Betrieb längerfristig stark beeinflussen, werden zu selten

376

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 374–381, 2012

besprochen», meinte zum Beispiel ein erfahrener ­ bstproduzent an der Vorstellungsrunde im Kanton O ­St. Gallen. Aufbau von ArboPlus ArboPlus ist auf Excel aufgebaut und besteht aus folgenden Modulen: ArboPlus Parzelle ArboPlus Betrieb ArboPlus Familie Zusammenfassung ArboPlus Aus ArboPlus Parzelle, ArboPlus Betrieb und ArboPlus Familie werden die wichtigsten Resultate in einem Dokument zusammengefasst. Diese Gesamtübersicht wird in vier wichtige Themen aufgeteilt: Arbeit/Finanzen/Work-Life-Balance/Absatz Abbildung 2 zeigt, welche Themen die Betriebsleiter auf Ebene Parzelle, Betrieb und Familie bewerten können und wie diese dann in den Bereichen Arbeit, Finanzen, Work-Life-Balance und Absatz für die Zielsetzung zusammengefasst werden. Um die Funktionsweise von ArboPlus darzustellen wird im Folgenden der fiktive Betriebsleiter M. als Beispiel verwendet.


Mit ArboPlus Managementkompetenzen im Obstbau unterstützen | Pflanzenbau

Sorte: Gala Parzelle: Verger

2004

bis

Werte Betrieb 25 833

Erlös (CHF/ha) Ertrag (t/ha)

2009

Vergleichswerte

Differenz

32 602

-21%

32

-9%

ausbezahle Preise (CHF/kg) Preis Klasse I Preis Klasse II Preis Mostobst

1,07 0,40 0,15

1,08 0,48 0,25

-1% -17% -40%

Sortierergebnisse (% Gesamtertrag) % Gesamtertrag Klasse I % Gesamtertrag Klasse II % Gesamtertrag Mostobst

77% 0,12 0,26

72% 15% 13%

7% -20% 100%

Akh/ha

900

650

38%

Arbeitsproduktivität (kg Tafelfürchte/Akh)

33

43

-23%

Arbeitsproduktivität (CHF/Akh)

27

50

-46%

Ernteleistung (kg/Akh Ernte)

80

110

-27%

40 000

40

30 000

30

kg/ha

CHF/ha

29

20 000 10 000

20 10

0 4

5

6 7 Standjahre

8

9

0

4

5

6 7 Standjahre

8

9

Abb. 3 | Modul ArboPlus Parzelle, Gesamtvergleich Parzelle «Acker» mit Benchmark am Vergleich der ­S orte Gala.

ArboPlus Parzelle Mit ArboPlus Parzelle können Betriebsleitende eine einfache Analyse einer ausgewählten Apfelparzelle durchführen (Abb. 3). Erforderliche Informationen zur Parzelle sind Fläche (ha), Ertrag (kg/ha), Qualität (kg/ha der 1 Klasse, der 2. Klasse und Mostobst), Preise (CHF/kg der 1. Klasse, 2. Klasse und Mostobst) und Arbeit (Akh/ha). Daraus werden die Produktivitätskennzahlen Erlös (CHF/ ha), Arbeitsproduktivität (CHF/Akh) und Ernteleistung (kg/h) berechnet. Diese Werte der eigenen Parzelle werden in Beziehung gesetzt zu Vergleichswerten (Benchmarks). Die Benchmarks stammen aus Durchschnitts­ werten von professionellen Betrieben des Projektes Support Obst Arbo (SOA, siehe Literaturverweis) oder aus Richtzahlen des Schweizer Obstverbandes (SOV). Anhand eines Ampelsystems werden die Werte der eigenen Parzelle mit den Durchschnittswerten verglichen (grün = gleich oder besser als der Durchschnitt, gelb = leicht schlechter als der Durchschnitt, rot = viel schlechter als der Durchschnitt).

Beispiel 1: In der Parzelle «Acker» hat Obstproduzent M. 50 Aren der Sorte Gala stehen. Die Parzelle wurde im Jahr 2000 gepflanzt. Evaluiert werden das 4. bis 9. Standjahr. Die Parzelle «Acker» hatte immer gute Erträge, nur im Jahr 2004 (6. Standjahr) gab es einen Ertragsausfall von 90 %. Wie wirkt sich das aus? Mit ArboPlus kann Betriebsleiter M. Preise, Erträge und Arbeitsproduktivität mit dem Benchmark vergleichen (Abb. 3). Weil es im 6. Standjahr Verluste gab, ist der Durchschnittsertrag tiefer als der Vergleichswert, die Auswertung ist «rot». Die Kennzahlen Preise und Sortierergebnisse sind auf einem ähnlichen Niveau oder höher. Die Auswertung ist «grün». Die tiefere Ernteleistung zeigt sich in den hohen Arbeitskraftstunden und schlägt sich in den Kosten nieder. Diese sind höher als die Vergleichswerte. Dementsprechend ist die Arbeitsproduktivität tiefer als der Durchschnitt. ArboPlus erlaubt jedoch keine detaillierte Berechnung der Produktionskosten. Dafür können Obstproduzenten das ebenfalls von ACW entwickelte Tool ArboKost verwenden  (Mouron et al. 2009)

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 374–381, 2012

377


Pflanzenbau | Mit ArboPlus Managementkompetenzen im Obstbau unterstützen

Variante 1 Wie wichtig sind die Kriterien für eine Zusammenarbeit?

Fadengerät allein

Kriterien ausreichender Nutzen für alle Zeitersparnis Zeitaufwand fair verteilt Kostenersparnis Grössere Leistung Ausstieg Partner ohne Verluste möglich faire Aufteilung

Bewertung 1 - 5 3 5 5 1 2 5 5

Gewichtung (%) 10 0 10 20 0 10 10

Eigene Kriterien Gefahr Infektionen von Krankheiten Arbeitsspitzen

20 20

Variante 2 Fadengerät zusammen Bewertung 1 - 5 5 3 3 5 1 4 4

5 5 4

1 2 3,2 Punkte

Punkte

Abb. 4 | Nutzwertanalyse.

ArboPlus Betrieb Das Modul ArboPlus Betrieb behandelt wie in Abbildung 2 ersichtlich sehr unterschiedliche Fragestellungen. Zur Illustration nachfolgend zwei Beispiele, wiederum mit dem fiktiven Betriebsleiter M. Beispiel 2: Überbetriebliche Zusammenarbeit Betriebsleitende können mit ArboPlus Betrieb ihre aktuelle oder potenzielle überbetriebliche Zusammenarbeit anhand einer Nutzwertanalyse untersuchen (Abb. 4). In einem ersten Schritt geht es um die Wahl der Varianten. Betriebsleiter M. überlegt sich, ein Fadengerät (Gerät zur mechanischen Ausdünnung der Blüten) zu kau-

fen. Er hat zwei Möglichkeiten: entweder kauft er das Fadengerät alleine (Variante1) oder zusammen mit dem Nachbarn (Variante 2). Mit dem Modul ArboPlus Betrieb kann M. nun eine Nutzwertanalyse durchführen. Einige Kriterien sind vorgegeben, andere kann M. selber einfügen, zudem kann er die Kriterien gewichten. Die Resultate der Nutzwertanalyse zeigen, dass Variante 1 dem Betriebsleiter M. einen höheren Nutzen bringt (Abb. 4). Die Nutwertanalyse hilft dem Betriebsleiter, einen optimalen Entscheid im vollen Bewusstsein der Kriterien und deren Gewichtung zu fällen.

Beurteilung Mitarbeitende

persönlich

fachlich

Mitarbeiter zu bewerten: Kriterien Qualität der landw. Vorbildung Sorgfalt Umgang mit Material, Ressourcen persönlicher Umgang Vertrauensverhältnis Pünktlichkeit Motivation, Freude an der Arbeit Ausdauer Selbstständiges Mitdenken Sprachliche Verständigung Gesamtbewertung

Erntehelfer 1

Erntehelfer 2

Erntehelfer 3

Bewertung 2 1 1 3 3 1 2 2 2 5 22

Bewertung 3 2 3 3 2 2 3 2 3 4 27

Bewertung 3 3 3 4 3 2 4 3 3 2 30

Bewertung

Bewertung

50

50

50

50

50

Höchstbewertung

Bewertung Mitarbeiter - Vergleich

Punkte (max. 50)

35 30 25

27

30

22

20 15 10 5 0

Erntehelfer 1

Abb. 5 | Beurteilung MitarbeiterInnen.

378

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 374–381, 2012

Erntehelfer 2

Erntehelfer 3


Mit ArboPlus Managementkompetenzen im Obstbau unterstützen | Pflanzenbau

Beispiel 3: Bewertungen von Mitarbeitenden Für die Bewertung der Mitarbeitenden spielen fachliche und persönliche Kriterien eine wichtige Rolle. Mit einem Punktsystem können die Mitarbeiter hinsichtlich dieser Kriterien bewertet werden (Abb. 5). Bei der Analyse der Parzelle (Beispiel 1) hat Betriebsleiter M. gemerkt, dass seine Ernteleistung tief ist. Ein Grund dafür kann die Zusammensetzung des Ernteteams sein. Mit ArboPlus Betrieb kann Betriebsleiter M. einzelne Erntehelfer bewerten. Die Analyse zeigt Betriebsleiter M., dass er mit Erntehelfer 1 nicht zufrieden ist. Betriebsleiter M. wird geeignete Massnahmen einleiten oder sich gar von diesem Ernte­ helfer trennen und einen Ersatz suchen. ArboPlus Familie Dieses Instrument dient zur Beantwortung der Frage, wie die Betriebsleiterfamilie durch den Betrieb beeinflusst wird. Es wird hier nicht nach harten Faktoren, sondern vielmehr nach der Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Familienmitglieder gefragt. Bewertet werden zum Beispiel die Kompetenzen, die Arbeitsteilung oder das Zusammenleben von Generationen (Abb. 2). Ziel ist, dass sich jede Einzelperson unabhängig und unvoreingenommen mit den sozialen Komponenten des Familienbetriebs auseinandersetzt. Hier einige Beispiele:

Arbeitsteilung zwischen externen und internen Arbeitskräften (Obstbau und Management) 0%

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

0%

0%

0%

0%

80% 100% 100% 100% 100% 100%

80%

z at

Ve

rh

an d

Be

lun ge

n

Ab s

m

er

o Ab n

eh

n lle ro

Bü r

z hu t

nt

sc

fa lls

ze n an Pfl

ko

te Er n

nn u dü

nd a Ha

Externe Interne

20%

us

Sc

hn it

t

ng

20%

100%

Arbeitsteilung zwischen dem Betriebsleiterpaar 5%

80% 60% 40%

95%

20% 0% Haus und Hof Abb. 6 | Arbeitsaufteilung.

80%

70%

20%

30%

Obstbau

Management Betrieb

Ziele und Strategien formulieren Im letzten ArboPlus Modul Zusammenfassung erhalten die Betriebsleitenden eine Gesamtübersicht zur Ist-Situation und können Ziele und Strategien formulieren (Abb. 7). Betriebsleiter M. kann aus der Zusammenfassung in den Bereichen Arbeit, Finanzen, Work-Life-Balance und Absatz zum Beispiel folgende Ziele wählen und Strategien formulieren: Idealerweise sollten die Obstproduzenten die Zielerreichung jährlich überprüfen und wenn nötig die Strategien selbstständig, gemeinsam mit der Lebenspartnerin, nach Gesprächen mit Berufskollegen oder im Rahmen der Betriebsberatung anpassen.

20% 80%

Arbeitsteilung Eine Analyse der Arbeitsteilung auf dem Betrieb kann aufzeigen wo es Verbesserungspotenzial gibt. Mit ArboPlus können Betriebsleitende und Partner/in aufzeigen, wie sie die Arbeit aufteilen und wie zufrieden sie mit der Aufteilung sind (Abb. 6). In ArboPlus sind folgende Bereiche der Arbeitsteilung abgebildet: Haus und Hof: Haushalt, Nahrungsmittelzubereitung, Garten, Kinderbetreuung Obstbau: Schnitt, Handausdünnung, Ernte, Pflanzenschutz, Infrastruktur und Hagelnetze Management: Büro, Verhandlungen und Abnehmer Beispiel 4: Betriebsleiter M. analysiert die Aufteilung der Arbeit. Aus der Analyse sieht er, was er zusätzlich delegieren könnte, zum Beispiel die Schnittarbeit. Zusätzlich wird ihm ersichtlich, dass die Arbeit im Bereich Haushalt tatsächlich nur von Frau M. durchgeführt wird. Weil Frau M. ArboPlus Familie auch ausgefüllt hat, wird für das Paar klar, dass Frau M. sich lieber um den Absatz kümmern würde als nur für Haushalt sorgen.

Mann Frau

Instrument für Beratung, Aus- und Weiterbildung ArboPlus ist nebst der Nutzungsmöglichkeit durch die Betriebsleitenden selbst auch für die Beratung, die Ausund Weiterbildung ein geeignetes Instrument. Bekanntlich arbeiten Produzenten lieber «draussen auf dem Feld» als im Büro. Eine Herausforderung für die Umsetzung der Projektergebnisse ist, die Betriebsleiter zu überzeugen ArboPlus herunterzuladen und zu verwenden. Um diese Hemmschwelle abzubauen ist die Unterstützung der Obstbauberatung wertvoll. Sie können z.B. Veranstaltungen organisieren wo Betriebsleitende mit ArboPlus ihre Situation analysieren und sich gegenseitig austauschen können. Mit ArboPlus wird die Beratung nicht ersetzt. Unter Umständen kann aber frühzeitig sig nalisiert werden ob eine Beratung notwendig ist.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 374–381, 2012

379


Pflanzenbau | Mit ArboPlus Managementkompetenzen im Obstbau unterstützen

Ziele Arbeit

Ziele Worklife-Balance

Arbeitsproduktivität erhöhen

Zusammenleben Generationen für alle befriedigend

Ernteleistung steigen

gemeinsame Zeit mit Familie optimal nutzen

X

Gutes Team (wenig Aufwand Betriebsleiter)

X

zu hohe Arbeitsbelastung längerfristig vermeiden

X

Potentiale der Familienarbeitskräfte optimal nutzen

X

Altersvorsorge überdenken

Arbeitsteilung optimieren

Abdeckung durch Sozialversicherung beachten

gerechter Stundenlohn (Betrieb, Haushalt, externe Mitarbeitende) X

X

effiziente Kooperation anstreben

Strategien Arbeit

Strategien Worklife-Balance

Neue Erntehelfer einstellen Arbeit gemeinsam mit Familie planen Eigene Erntestrategie mit anderen Obstproduzenten überprüfen Ziele Finanzen

Mindestens 3 Tage Skiferien, 1 Woche Badeferien Einmal pro Woche zusammen kochen 2 h pro Woche für die gemeinsame Planung reservieren

gerechter Stundenlohn (Betrieb, Haushalt, externe Mitarbeitende)

Bessere Preise erzielen

Liquidität sicherstellen

Ziele Absatz X

Bessere Qualität

X

Bessere Zusammenarbeit mit Abnehmer

Flexibilität optimieren Stabilität optimieren

Gute Positionierung gegenüber Abnehmer

Gesamtkapitalrentabilität optimieren X X

Insolvenz vermeiden Altersvorsorge dem Alter entsprechend planen

Strategien Finanzen Investitionen gut im voraus planen Altersvorsorge mit Beratung besprechen Liquiditätsplanung überprüfen

Strategien Absatz Absatz Zwetschgen überprüfen Kontakt mit Abnehmer verbessern Rückmeldung unmittelbar nach Ernte verlangen

Abb. 7 | Ziele und Strategien aus ArboPlus.

Zu den Stärken von ArboPlus zählt das systematische Vorgehen auf den drei Ebenen Parzelle, Betrieb und Familie sowie die Verbindung der drei Module. Das Instrument erlaubt, verschiedene Varianten zu simulieren, liegt als elektronische Entscheidungshilfe im Trend der Nutzer und unterstützt die Interaktion zwischen Berater und Betriebsleiter oder Lehrperson und Auszubildenden. Vertiefte Analysen mit anderen Instrumenten In ArboPlus werden die Themen in der Breite, aber weniger in der Tiefe behandelt. Wollen sich Betriebsleiter tiefer mit Themen wie Arbeitswirtschaft, Produktionskosten und Buchhaltung auseinandersetzen gibt es bei ART, AGRIDEA und ACW andere Instrumente die spezifischer und tiefgreifend als ArboPlus sind. Ziel der Entwicklung von ArboPlus war, den Betriebsleitenden die Möglichkeit zu geben mit wenig Aufwand die Situation auf Parzellen, Betrieb- und Familienebene in kurzer Zeit zu analysieren und erkennen, wo Handlungsbedarf besteht. ArboPlus kann praktisch ohne Dokumentation ausgefüllt werden. Es wird zum Teil mit Schätzungen und nicht unbedingt mit genauen Werten gearbeitet. Mit ArboPlus werden Betriebsleitende ermutigt, konkrete Ziele und Strategien zu wählen, so dass erkannte Probleme rechtzeitig angegangen werden. Diese Massnahmen sollten dann periodisch überprüft werden. So gesehen ist ArboPlus eine Ergänzung zu bereits bestehenden komplexeren Analyse- und Planungsinstrumenten.

380

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 374–381, 2012

Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass ArboPlus nicht als zentrale Datensammlung dienen kann. Jedoch können die im Verlauf der Analyse eingefügten Daten als Kopie lokal abgespeichert werden. Eine Einschränkung betrifft auch die Obstarten: zur Zeit können im Modul ArboPlus Parzelle nur Apfelparzellen bewertet werden. Sollte das Bedürfnis bestehen, kann das Instrument künftig um weitere Obstarten erweitert werden. ArboPlus Versionen zum Herunterladen Einen Obstbaubetrieb zu leiten verlangt neben hoher Fachkompetenz auch anspruchsvolle Managementkompetenzen. Mit ArboPlus unterstützt die Forschungsanstalt ACW Betriebsleitende in der weiteren Optimierung ihrer Betriebsführung. ArboPlus kann als Excel-Anwendung unter www.ArboPlus.agroscope.ch kostenlos heruntergeladen werden. Vorhanden sind folgende ArboPlus Versionen: ArboPlus Bio und ArboPlus IP Schweiz sowie ArboPlus Deutschland. Alle Versionen sind bisher n nur in deutscher Sprache verfügbar. Dank

Die Projektverantwortlichen danken den Interreg IV-Fördersellen für die Finan­ zierung des Projektes. Ebenso sei den Projektpartnern bestens gedankt für die fruchtbare Zusammenarbeit: R. Hollenstein (Landwirtschaftliches Zentrum St. Gallen), T. Hirrle (Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee), G. Thomi und D. Schürch (Agrotreuhand Thurgau), D. Carint und U. Straub (Agridea), U. Henauer (BBZ Arenenberg). Danke für die Unterstützung bei der Entwicklung von ArboPlus: P. Mouron (ART und Agrocourage), G. Bregy und R. Gilg (Schweizer Obstverband), sowie A. ­Kilchenmann, B. Egger, M. Gölles, A. Widmer und R. Leumann, A. Ortlepp und S. Krieg (ACW).


ArboPlus: uno strumento di supporto delle competenze nella gestione della frutticoltura ACW ha sviluppato uno strumento (basato su Excel), denominato ArboPlus, per sostenere i capo azienda (produttori) a valutare la loro situazione effettiva a livello di parcella, azienda e famiglia. Nell’ambito di un workshop e interviste con consulenti per la produzione di frutta e l’economia si sono raccolte le informazioni per lo sviluppo di questo strumento. I produttori possono confrontare la loro produttività a livello di parcella con un Benchmark. A livello di azienda possono essere valutate la situazione del bilancio e del conto economico, la liquidità, la cooperazione con altre aziende, i collaboratori, i clienti, il regime pensionistico o la forma di impiego del partner. Il produttore (con partner) può anche valutare la situazione a livello famigliare: divisione del lavoro, coabitazione tra più generazioni, proprie competenze e lavoro esterno. Riassumendo i risultati più importanti dai tre livelli si distinguono i tre settori work-life-balance, finanze, vendita e lavoro da cui si possono definire gli obbiettivi e scegliere le strategie per il futuro. L’anno successivo i produttori possono verificare se gli obbiettivi sono stati effettivamente raggiunti. Con ArboPlus i produttori possono analizzare la loro situazione soprattutto da un punto di vista economico e rendere visibile il potenziale di miglioramento. Temi come la protezione vegetale e l’ecologia non sono contemplati. ArboPlus è stato sviluppato specificatamente per i produttori di frutta ed esiste unicamente in tedesco.

Literatur ▪▪ Bravin E. , Blunschi M., Leumann M, Straub U., Hirrle T., Hanhart H., H ­ ollenstein R. & Steinemann B, 2011. Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen, Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen, Agrarforschung Schweiz 2 (7 – 8), 328–333. ▪▪ Support Obst Arbo, 2012: Projektbeschrieb. Zugang: http://www.asaagrar.ch/SOA/ProjektbeschriebSOA/tabid/96/language/de-CH/Default.aspx ▪▪ Mouron P., Carint D., Zürcher M. & Bravin E., 2009. Definitionen Arbokost. Zugang:www.arbokost.agroscope.ch ▪▪ Rudmann C., 2008. Entrepreneurial Skills and their Role in Enhancing the Relative Independence of Farmers, FIBL, Switzerland. Zugang: http:// www.esofarmers.org/documents/Publication_rudmann_EsoF_000.pdf

Summary

Riassunto

Mit ArboPlus Managementkompetenzen im Obstbau unterstützen | Pflanzenbau

ArboPlus, a tool to support management skills of fruit grower ACW developed an Excel based tool called ArboPlus to help growers to roughly evaluate their situation on orchard, farm and family level. Information has been collected within workshops and interviews with consultants for fruit production and business. At orchard level, growers can analyze their productivity and compare it with a benchmark. At farm level, they can evaluate the balance, cash flow, cooperation, satisfaction with their employees and buyers, retirement arrangements and employment situation. Family level can also be evaluated: sharing of work, cohabitation of generations, self competences and external workplace. The main results are summarized on four issues: work-life-balance, finance, selling and work. With this information, it’s possible to choose the objectives and define strategies. In the following year, growers are able to control the achievement of their objectives. Thus, with ArboPlus growers can roughly analyse their economic situation. Topics such as plant protection and environmental aspects are not integrated. ArboPlus has been developed for fruit growers and is only available in German so far. Key words: management, decision, tool, orchard, apple production.

▪▪ De Wolf P. & Schoorlemmer H., 2007. Exploring the significance of entrepreneurial skills in agriculture. FIBL, Switzerland Zugang: http://www. esofarmers.org/documents/Publication_rudmann_EsoF_000.pdf

Praxisrelevante Resultate aus dem Projekt Betriebsmanagement Obstbau (Teilprojekt 2 – ArboPlus) wurden bereits in der Schweizerische Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) 3/2011 publiziert.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 374–381, 2012

381


A g r a r w i r t s c h a f t

Gemüseanbau – Modellierung der ­Heterogenität und Intensität Anke Möhring1, Gabriele Mack1 und Christian Willersinn2 1 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen 2 Fakultät Agrarwissenschaften, Universität Hohenheim, D−70593 Stuttgart Auskünfte: Anke Möhring, E-Mail: anke.moehring@art.admin.ch, Tel. +41 52 368 32 05

Die Kantone Bern, Zürich und Aargau sind flächenmässig die bedeutendsten ­ emüsekantone der Schweiz (SZG 2010). (Foto: R. Rossier) G

Einleitung Die eidgenössische Forschungsanstalt Reckenholz-Tänikon ART hat das agentenbasierte Agrarsektormodell SWISSland (Strukturwandel-Informationssystem Schweiz) entwickelt (Möhring et al. 2010 und 2011), das in erster Linie für die modellgestützte Politikberatung eingesetzt wird. Das Modell erhebt den Anspruch die rund 55 000 Schweizer Landwirtschaftsbetriebe in ihrer Heterogenität und Vielfalt so abzubilden, dass verlässliche Aussagen über die Wirkung zukünftiger Agrarpolitiken oder Preisveränderungen auf die Strukturentwicklung des Agrarsektors und auf die Einkommens- oder Arbeitskräfteentwicklung in der Landwirtschaft möglich sind. Eine der wichtigsten Datenquellen für die Charakterisierung der hierzu notwendigen produktionsökonomischen Parameter der Agentenpopulation von SWISSland sind die einzelbetrieblichen Buchhaltungsergebnisse der zirka 3000 Referenzbetriebe des Datenpools der Zentralen Auswertung (ZA) von ART (Dreijahresmittel 2006−2008).

382

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 382–389, 2012

Die Produktionskosten eher homogener Betriebszweige, wie beispielsweise die Verkehrsmilch- oder die Getreideproduktion sind in den einzelbetrieblichen Buchhaltungsdaten detailliert, zum Teil auch auf Betriebszweigebene erfasst. Schwieriger gestaltet sich die korrekte Abbildung bei heterogenen Betriebszweigen wie dem Gemüsebau, da dieser durch die Buchhaltungsdaten nicht nur unter­ repräsentiert ist, sondern auch durch die Vielzahl der in der Schweiz angebauten Gemüsekulturen hinsichtlich monetärer Flächenleistung und Arbeitszeitbedarf stark variiert. Andererseits handelt es sich hier um einen sehr produktiven Betriebszweig. So wurden beispielsweise im Jahr 2009 auf rund 10 000 ha1 Freilandgemüsefläche, was in etwa 1 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Schweiz entspricht, gut 8 % des gesamten Produktionswertes der Schweizer Landwirtschaft erwirtschaftet (SZG 1 Durch den Mehrfachanbau von Gemüse auf derselben Fläche innerhalb eines Jahres erhöht sich die Anbaufläche sogar auf knapp 15 000 ha (SZG 2010). Die Ausführungen in diesem Beitrag beziehen sich ausschliesslich auf den Freilandgemüsebau und nicht auf den Anbau im Gewächshaus.


Gemüseanbau – Modellierung der ­H eterogenität und Intensität | Pflanzenbau

Zusammenfassung

2010, BLW 2010). Damit hat dieser Bereich einen höheren Gesamtumsatz als beispielsweise der Getreide-, Kartoffeloder Obstanbau. Um diesen Betriebszweig adäquat im Modell abzubilden, braucht es Detailinformationen zu einzelnen Gemüsekulturen. In der vorliegenden Arbeit wird ein Konzept vorgestellt, mit dessen Hilfe der heterogene Betriebszweig Gemüse in homogenere Gruppen unterteilt werden kann, um anschliessend verwertbare Informationen für die Initialisierung der Zielfunktionswerte und der Ressourcenbedarfskoeffizienten aller Gemüsebauaktivitäten für alle Agenten im Modell SWISSland zu erhalten. Intensität des Gemüsebaus in der Schweiz Die Schweizerische Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen (SZG) erhebt jährlich flächendeckend verschiedene Daten zum Gemüse- und Spezialkulturenanbau in der Schweiz (z. B. Flächen, Preise, Erträge, Import-/ Exportmengen). Ferner erarbeitet sie in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Betriebswirtschaft des Verbands schweizerischer Gemüseproduzenten (VSGP) und anderen landwirtschaftlichen und gemüsebaulichen Organisationen alle zwei Jahre Richtgrössen zur Deckungsbeitrags- und Produktionskostenberechnung im Gemüsebau (SZG 2008 und 2010). Abbildung 1 zeigt die wichtigsten Freilandgemüsekulturen. Verarbeitungsgemüse wie Spinat, Bohnen und Erbsen gehören zu den 

Anbaufläche Schweiz (ha)

Deckungsbeitrag 1 (Fr./ha)

Das agentenbasierte Agrarsektormodell SWISSland simuliert Strukturwandelprozesse und Einkommensentwicklungen in der Schweizer Landwirtschaft. Ziel ist es, die Verhaltensweisen der Landwirtschaftsbetriebe möglichst realitätsnah abzubilden. Dieser Beitrag beschreibt eine Methode zur bestmöglichen Ableitung von nicht explizit in Form von Buchhaltungsdaten vorhandenen Kosten- und Arbeitszeitbedarfskoeffizienten für Produktionsaktivitäten des heterogenen Betriebszweigs Gemüsebau. Anhand der betriebsspezifischen Rohleistung je Hektar werden die Höhe der Direktkosten und des Arbeitszeitbedarfs geschätzt. Agrarsektorale Prognosen mit SWISSland zeichnen einen positiven Trend für die Zukunft, sofern die agrarpolitischen Überlegungen zur Reform des Direktzahlungssystems für die Jahre 2014 bis 2017 umgesetzt werden sollten.

Arbeitsbedarf (Akh/ha) 50 000

1626

1600

45 000 40 000

1400

35 000

1200

30 000

1000 806

800

751

600

863

853

25 000

820

752

628

599 476

514 397

15 000 441 397

222 57

38

33

20 000

10 000 5000

102

0

Ka ro Sp tten ina t Zw (V) Bo iebe ln hn Eis en ( V) be rgs a Ko lat pfs Erb ala t se Blu n (V me ) nk oh Bro l cco Ch l ico i ree Lau Fen ch che Se l lle Zu rie c We chet iss ti ka Ch bis ina ko Cic hl ori no Wi Gr Koh rz ue nsp lrabi arg el Ra nd Ro en tka bis

0

619

427

400 200

756

Deckungsbeitrag 1 (Fr. je Hektar)

Fläche (Hektar) und Arbeitsbedarf (Akh je Hektar)

1800

Abb. 1 | Anbaufläche, Deckungsbeitrag und Arbeitsbedarf verschiedener Gemüsekulturen in der Schweiz (nur ÖLN). (Quelle: SZG 2008 und 2010, Werte jeweils ohne Verarbeitungsgemüse, Ausnahme: Bei Spinat, Bohnen und Erbsen ausschliesslich Verarbeitungsgemüse (V))

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 382–389, 2012

383


Pflanzenbau | Gemüseanbau – Modellierung der ­H eterogenität und Intensität

flächenmässig bedeutenderen Gemüsekulturen der Schweiz und haben im Durchschnitt mit 1700 Franken je Hektar einen vergleichsweise tiefen Deckungsbeitrag 1 (Berechnungsmethode, siehe SZG 2008). Gleichzeitig ist die Intensität des Arbeitseinsatzes mit durchschnittlich 43 Arbeitskraftstunden (AKh) je Hektar im Vergleich zu anderen Gemüsekulturen klein. Zwiebeln, Blumenkohl, Broccoli, Fenchel und Sellerie werden ebenfalls recht umfangreich angebaut; diese Kulturen weisen allerdings im Mittel einen viel höheren Deckungsbeitrag von 23  560 Franken je Hektar und einen Arbeitsbedarf von 575 AKh je Hektar aus. Sie gehören somit zu den arbeitsintensiveren Gemüsekulturen, erzielen gleichzeitig jedoch eine wesentlich höhere Flächenleistung. Der Deckungsbeitrag je AKh liegt bei beiden Gruppen bei etwa CHF 43.−. Am häufigsten werden in der Schweiz Karotten angebaut. Sie erzielen im Mittel einen Deckungsbeitrag von 12 257 Franken je Hektar und haben einen Arbeitsbedarf von 222 AKh je Hektar, liegen diesbezüglich also zwischen den beiden vorgenannten Gruppen. Ihre Arbeitsproduktivität liegt bei CHF 55.− je AKh. Die Zentrale Auswertung von Buchhaltungsdaten (ART 2006−2009) erhebt zusätzlich jedes Jahr für einen kleinen Teil der Gemüsebaubetriebe der Schweiz detaillierte einzelbetriebliche Informationen zu Betriebsstruktur, Produktionsportfolio, Ressourcenausstattung und Bilanzdaten. Im Jahr 2009 lieferten 165 Betriebe mit einer Freilandgemüseanbaufläche von mindestens 0,1 ha je Betrieb ihre Buchhaltungsdaten an die ZA. Die somit erfasste Freilandgemüsefläche dieser Betriebe beträgt

rund 373 ha, was einem Anteil von etwa 3,9 % der gesamten Freilandgemüsefläche der Schweiz entspricht (BLW 2009).2 Dabei werden rund 5 % aller Gemüsebaubetriebe der Schweiz durch die ZA-Daten erfasst. Mit Ausnahme der Rohleistung, die explizit für den Betriebszweig Gemüsebau aufgeführt ist, weisen die ZADaten die Kosten- und Arbeitsbedarfskoeffizienten ausschliesslich für den gesamten Betrieb aus. Somit lassen sich Produktionskosten und Arbeitszeiten nur schwer anteilsmässig dem Betriebszweig, geschweige denn einzelnen Anbaukulturen des Gemüsebaus zuordnen. Es ist nicht bekannt, welche Gemüsekulturen angebaut werden und mit welcher Intensität der Betrieb Gemüse produziert. Möglich ist eine Gruppierung der Betriebe, wenn ausgehend von einer Referenzrohleistung je Hektar Gemüsefläche, die Rohleistung jedes einzelnen Betriebs dazu ins Verhältnis gesetzt wird. Die Referenzrohleistung ist so definiert, dass sie das Maximum der möglichen Rohleistung je Hektar der erzeugten Gemüsekulturen abbildet. So wurden auf der Grundlage von Richtwerten (SZG 2008) die Referenzrohleistungen für den Bio-Gemüsebau auf CHF 100 000.− pro Hektare und für den ÖLN-Gemüsebau auf CHF 50 000.− pro Hektare festgelegt. Dazu muss die Annahme getroffen werden, dass Betriebe in der Regel entweder überwiegend arbeitsintensive oder eher arbeitsextensive Kulturen anbauen. Eine Unterscheidung zwischen ÖLN- und Biobetrieben ist hierbei notwendig, da die Biobetriebe bei vielen Kulturen einen grösseren Deckungsbeitrag je Hektar erzielen (Abb. 2). Ohne Mehrfachbelegungen einzelner Parzellen.

2

70 000 ÖLN

Bio

Deckungsbeitrag 1 in Fr. je Hektar

60 000 50 000 40 000 30 000 20 000 10 000

is tk ab

nd

en

Ro

irz

Ra

W

rie W eis sk ab is

el

Se lle

h

nc h

Fe

La uc

oli

hl

oc c Br

eln

en ko

um

Bl

Zw ieb

Ka ro

tte n

0

Abb. 2 | Vergleich Deckungsbeitrag für ausgewählte Gemüsekulturen der Schweiz nach Landbauform im Jahr 2008. (Quelle: SZG 2008)

384

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 382–389, 2012


Gemüseanbau – Modellierung der ­H eterogenität und Intensität | Pflanzenbau

Tab. 1 | Mittlere Rohleistung Gemüsebau in CHF/ha in Abhängigkeit von Landbauform und Intensität. (Quelle: ART, Zentrale Auswertung von Buchhaltungsdaten 2006−2008)

Rohleistungsstufe

Relative ­Flächenleistung

Landbauform ÖLN

Bio

Fr./ha

Fr./ha

1

0 bis 0,249

5930

12 066

2

0,25 bis 0,499

18 634

38 644

3

0,5 bis 0,749

30 783

62 446

4

0,75 bis 1

43 425

84 622

5

>1

89 947

187 756

Monetäre Flächenleistung im Gemüsebau Die relative monetäre Flächenleistung ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Referenzrohleistung pro Hektar und tatsächlich auf dem ZA-Betrieb erzielter Rohleistung im Gemüsebau.3 Anhand des resultierenden Faktors wird nun der Betrieb einer von insgesamt fünf Gruppen zugeteilt. Diese fünf Gruppen stehen für unterschiedliche Intensitätsstufen des Gemüsebaus. Ein kleiner Faktor bedeutet geringe monetäre Flächenleistung, ein hoher Faktor entsprechend hohe Flächenleistung. Die Rohleistungsstufen 1 bis 4 stellen die Quartile der relativen Flächenleistung dar. Eine fünfte Rohleistungsstufe enthält alle Betriebe, deren durchschnittliche Rohleistung je Hektar Gemüsefläche über der Referenzrohl-

eistung liegt. Es handelt sich hier also um eine Gruppe mit extrem hoher Wertschöpfung. Gründe für diese hohen Rohleistungen je Hektar könnten der Anbau einer ausserordentlich rentablen Gemüsekultur, aussergewöhnlich gute Ernteerträge, hohe Preise, der Mehrfachanbau auf gleicher Fläche oder aber zusätzliche Wertschöpfung durch eigene Gemüseverarbeitung auf dem Betrieb sein. Die mittleren Flächenleistungen je Hektar der ZA-Betriebe, gruppiert nach den fünf Rohleistungsstufen, sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die meisten Gemüse produzierenden ZA-Betriebe bauen Gemüsearten mit einer geringen Intensität an. Knapp 47 % der ÖLN- und 40 % der Bio-Betriebe können Rohleistungsstufe 1 zugeordnet werden. 25 % respektive 35 % (Bio) der Gemüsebetriebe sind Gruppe 2 zugeteilt, und 10 % beziehungsweise 11 % (Bio) Gruppe 3. In Gruppe 4, die für intensiven Gemüseanbau mit hohem Arbeitsinput steht, finden sich lediglich 6 % der ÖLNbeziehungsweise 9 % der Bio-Betriebe. Die Gruppe der Betriebe mit überdurchschnittlicher Wertschöpfung ist zumindest im ÖLN-Anbau mit 12 % beachtlich gross. Meist ist jedoch deren Gemüsefläche nur minimal grösser als 0,1 Hektar. In derselben Gruppe verzeichnen die Bio-Betriebe lediglich 5 % aller ZA-Betriebe mit Gemüseanbau, was mit der grösseren Referenzrohleistung für Bio-Betriebe zusammenhängt (Abb. 3). Arbeitszeitbedarf und Direktkosten im Gemüsebau Anhand der Richtwertberechnungen der SZG (2008) für 16 repräsentative Gemüsekulturen der unterschiedlichen Anbauintensitäten ist es möglich, einen Zusam- 

Es handelt sich hierbei um ein Dreijahresmittel (2006 – 2008), um den Einfluss jährlicher Preis- oder Ertragsschwankungen auszugleichen.

3

180

ÖLN

BIO

160

Anzahl ZA-Betriebe

140 120 100 80 60 40 20 0 1

2

3 Rohleistungsstufe

4

5

Abb. 3 | Anzahl Gemüsebaubetriebe je Rohleistungsstufe (ZA-Betriebe).

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 382–389, 2012

385


Arbeitskraftstunden je Hektar

3500

ÖLN

3000

Mittlere Direktkosten in Fr. je Hektar

Pflanzenbau | Gemüseanbau – Modellierung der ­H eterogenität und Intensität

BIO

2500 2000 1500 1000 500 0 1

386

2

3 Rohleistungsstufe

4

45 000

ÖLN

40 000 35 000 30 000 25 000 20 000 15 000 10 000 5000 0 1

5

BIO

2

3 Rohleistungsstufe

4

5

Abb. 4 | Mittlere Arbeitszeit je Hektar Gemüsefläche in Abhängigkeit der Landbauform und der Anbauintensität (ZA-Betriebe).

Abb. 5 | Kostenverteilung im Gemüsebau in Abhängigkeit von Landbauform und Anbauintensität (ZA-Betriebe).

menhang zwischen relativer Flächenleistung und relativem Arbeits- input je Hektar nachzuweisen. Der Korrelationskoeffizient beträgt etwa 0,93 bei ÖLN-, und 0,74 bei Bio-Betrieben. Das heisst, je höher die Rohleistung je Hektar, desto höher ist auch der Arbeitsbedarf dieser Gemüsekultur. In einem weiteren Schritt wurden deshalb anhand der Richtwerte die durchschnittlich beanspruchte Arbeitszeit je erwirtschaftetem Franken Rohleistung Gemüse berechnet. Demnach benötigen ÖLN-Betriebe durchschnittlich 0,0147 AKh und Bio-Betriebe im Mittel 0,0173 AKh je Franken Rohleistung (eigene Berechnungen auf Basis der Richtwerte in SZG 2008). Mithilfe dieser Werte kann nun die Arbeitszeit, die der jeweilige Betrieb im Bereich Gemüsebau aufwendet durch Multiplikation mit der tatsächlichen Rohleistung des Betriebes berechnet werden. Abbildung 4 zeigt die durchschnittlich eingesetzte Arbeitszeit je Hektar in Abhängigkeit von Anbauintensität und Produktionsweise. Es wird deutlich, dass ÖLNBetriebe bei jeder Intensitätsstufe weniger als die Hälfte der Arbeitszeit aufwenden müssen als Bio-Betriebe. Die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Zuteilbaren Direktkosten des Gemüsebaus ist ähnlich wie bei der Ableitung der Arbeitsbedarfskoeffizienten. Die Korrelationskoeffizienten zwischen relativer Flächenleistung und relativen Direktkosten je Hektar betragen bei ÖLN0,82 und bei Bio-Betrieben 0,79. Im Unterschied zum Arbeitsbedarf wurden die Koeffizienten der Direktkosten für jedes Quantil separat berechnet. Bei steigender Rohleistung nehmen die Direktkosten je Leistungseinheit ab. Für das fünfte Quantil fehlen die Referenzwerte. Deshalb wird angenommen, dass die relativen Direktkosten der fünften

Rohleistungsstufe mindestens gleich gross sind wie die Werte der vierten Stufe. Der so ermittelte Kostenfaktor ist ein Mass für die anfallenden Direktkosten je erwirtschaftetem Franken Rohleistung je Hektar (Tab. 2). Erstaunlicherweise unterscheiden sich die so berechneten Direktkosten je Hektar Gemüsefläche vor allem in den ersten vier Quantilen vergleichsweise nur wenig zwischen ÖLN- und Bio-Produktion (Abb. 5); dies ist der Grund dafür, dass die erzielbaren Deckungsbeiträge 1 im Biolandbau deutlich höher ausfallen als jene des ÖLN-Anbaus.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 382–389, 2012

Zukünftige Entwicklung des Gemüseanbaus Mit Hilfe von SWISSland ist es nun möglich, die zukünftige Entwicklung des Gemüseanbaus bei gegebener agrarpolitischer Ausgestaltung zu simulieren. Im Folgenden werden die Ergebnisse des Szenarios «Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems Agrarpolitik 2014 bis 2017» (AP 14−17; BLW 2011, Zimmermann et al. 2011) vorgestellt. Abbildung 6 zeigt die relativen Flächenanteile der gemüseproduzierenden SWISSland-Betriebe an

Tab. 2 | Direktkosten je Franken Rohleistung. (Quelle: Berechnet auf Basis der Richtwerte für Produktionskosten Gemüse (SZG 2008).

Direktkosten je Fr. Rohleistung Rohleistungsstufe

ÖLN

Bio

1

0,5865

0,3769

2

0,3606

0,3422

3

0,3720

0,2403

4

0,2877

0,1994

5

0,2877

0,1994


Gemüseanbau – Modellierung der ­H eterogenität und Intensität | Pflanzenbau

120% 100%

Flächenanteile

80% 60% 40% 20% Rohleistungsstufe 1

0% 08

20

09

20

11

10

20

20

12

13

20

20

14

15

20

20

16

2

3

4

5

17

20

20

Abb. 6 | Flächenanteile der gemüseproduzierenden Betriebe nach Rohleistungsstufe (SWISSland-Agenten). (Quelle: SWISSland-Berechnungen für AP 14−17)

der Freilandgemüsefläche gruppiert nach Rohleistungsstufe. Während die Gruppen mit geringerer monetärer Flächenleistung (Stufen 1 und 2) ihre Flächenanteile kaum ausbauen, nehmen die Anteile der Stufen 3 bis 5 deutlich zu. Insgesamt steigt die Gemüsefläche im Prognosezeitraum. Zwei Drittel der Gemüseproduzentinnen und -produzenten der ersten beiden Gruppen sind keine «Spezialkulturbetriebe». Das heisst, über die Hälfte der Gemüsefläche wird in SWISSland von nicht spezialisierten Betrieben bewirtschaftet. In der Gruppe mit höchster

Wertschöpfung aus dem Gemüsebau sind dagegen mehr als die Hälfte Spezialkulturbetriebe. Diese Betriebe generieren ihr Einkommen auch zu einem grossen Teil aus dem Gemüseanbau, während bei den extensiveren Gemüseproduzenten andere Betriebszweige ebenfalls einen bedeutenden Anteil leisten. Die Entwicklung der Haushaltseinkommen ist bei einer Preissteigerung von 13 % und einer Steigerung der Direktkosten von etwa 6 % sowie einem Anstieg der Fremdkosten von 10 bis 20 % aus Abbildung 7 ersichtlich.

160 000 140 000 Fr. je Betrieb

120 000 100 000 80 000 60 000 40 000 20 000

1

2

3

4

2017

2008

2017

2008

2017

2008

2017

2008

2017

2008

0

5

Mittleres Landwirtschaftliches Einkommen Mittleres Ausserlandwirtschaftliches Einkommen

Rohleistungsstufe

Abb. 7 | Mittleres Haushaltseinkommen aller gemüseproduzierenden Betriebe nach Rohleistungsstufe (SWISSland-Agenten). ­(Quelle: SWISSland-Berechnungen für AP 14−17)

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 382–389, 2012

387


Pflanzenbau | Gemüseanbau – Modellierung der ­H eterogenität und Intensität

12 000

700

10 000

600

Hektar

400 6 000 300 4 000

Mio CHF

500

8 000

200

2 000

100

0

0 8

200

0

201

2

201

4

201

Gemüsefläche Schweiz Produktionswert Frischgemüse nach Landwirtschaftlicher Gesamtrechnung (LGR)

6

201

Abb. 8 | Prognose der Gemüseanbaufläche der Schweiz sowie des sektoralen ­P roduktionswerts für Frischgemüse nach Landwirtschaftlicher Gesamtrechnung. (Quelle: SWISSland-Berechnungen für AP 14−17; für weitere Informationen zur Hochrechnungsmethode sei auf Möhring et al . (2010) verwiesen)

Für den gesamten Agrarsektor weist SWISSland einen Anstieg der Freilandgemüsefläche im Prognosezeitraum 2008 bis 2017 von zirka 13 % aus. Damit wird die tatsächlich beobachtete Zunahme der Gemüseanbaufläche der letzten zehn Jahre von 18  % (BLW, AGIS-Daten 2000−2009) im Trend fortgeführt. Diese Zunahme bestätigt sich in einem Anstieg des mit SWISSland sektoral geschätzten Produktionswerts, der ebenfalls in Abbildung 8 für Frischgemüse ausgewiesen ist.

Diskussion und Schlussfolgerungen Die vorgestellte Methode zur Ableitung betriebszweigspezifischer Kosten und Arbeitsbedarfskoeffizienten der Gemüsebauaktivitäten im Modell SWISSland sowie zur Festlegung der Kriterien für einen möglichen Einstieg in den Gemüsebau folgt in erster Linie pragmatischen Überlegungen. Die berechneten Werte spiegeln die tatsächlichen Gegebenheiten der gemüseproduzierenden Betriebe nur näherungsweise wieder. Dennoch bietet der Bezug zu den in der Buchhaltung ausgewiesenen Rohleistungen besser die Möglichkeit, den Betrieb in seinem Ist-Zustand abzubilden, als es bei der reinen Verwendung von Richtwerten möglich wäre. Ein weiterer Vorteil liegt im höheren Aggregationsgrad. Das heisst, es ist einfacher, nur ein Produktionsverfahren «Gemüsebau» zu formulieren und dessen Entwicklung darzustellen, als durch eine Vielzahl verschiedener Aktivitäten das Modell unnötig aufzublähen und damit eine konsistente und nachvollziehbare Abbildung zu erschweren.

388

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 382–389, 2012

Je genauer die Konsistenz der Modellparameter mit denen der Realität übereinstimmt, desto besser wird die Qualität der Prognoserechnungen. Erste Ergebnisse zeigen für den Gemüsebau eine positive Trendfortschreibung bei Umsetzung der «Agrarpolitik 2014−2017», was unter den gegebenen Voraussetzungen durchaus realistisch erscheint und mit den Entwicklungen der Vergann genheit übereinstimmt.


Orticoltura - Modellizzazione dell'eterogeneità e dell'intensità SWISSland è un modello di simulazione basato su agenti dei processi di mutamento strutturale e dell’evoluzione del reddito nel settore agricolo svizzero. L'obiettivo è rappresentare nel modo più realistico possibile le condizioni delle aziende agricole. Il presente articolo descrive un metodo per determinare nel miglior modo possibile i coefficienti dei costi e dell'onere temporale non esplicitamente disponibili sotto forma di dati contabili relativi alle attività produttive legate al settore eterogeneo dell'orticoltura. Sulla base della prestazione lorda per ettaro specifica dell'azienda viene stimata la portata dei costi diretti e dell'onere temporale. Le previsioni nel quadro del settore agricolo mediante SWISSland delineano un trend positivo per il futuro a condizione che le considerazioni di politica agraria sulla riforma del sistema dei pagamenti diretti per il periodo 2014-2017 siano attuate.

Summary

Riassunto

Gemüseanbau – Modellierung der ­H eterogenität und Intensität | Pflanzenbau

Vegetable growing – Modelling heterogeneity and intensity The agent-based agricultural sector model, SWISSland, simulates the processes of structural change and income trends in Swiss agriculture. The objective is to provide a portrayal of the behavioural patterns of farms that is as close to reality as possible. This article describes a method of best possible deduction from cost and work requirement coefficients, which are not explicitly available in the form of accounting data, for production activities in the heterogeneous branch of farming that is vegetable growing. The amount of direct costs and work requirement is estimated using farm-specific gross yield per hectare. Forecasts for the agricultural sector with SWISSland show a positive trend for the future, provided the agricultural policy’s considerations on reforming the direct payment system for the years 2014 to 2017 are implemented. Key words: vegetable growing, agent-based modelling, agricultural sector model.

Literatur ▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 2009. Agrarinformationssystem AGIS 2000−2009. Einzelbetriebli-che Datenbank des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW, unveröffentlicht. ▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 2010. Agrarbericht 2010. Bern. ▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 2011. Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in den Jahren 2014−2017. Bern. ▪▪ Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 2004 bis 2009. Zentrale Auswertung von Buchhaltungsdaten. ▪▪ Möhring A., Zimmermann A., Mack G.,. Mann S., Ferjani A. & Gennaio M.-P., 2010. Multidisziplinäre Agentendefinitionen für Optimierungsmodelle. Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus e.V. 45, 329−340. ▪▪ Möhring A., Mack G., Zimmermann A., Gennaio M.-P., Mann S. & Ferjani A., 2011. Modellierung von Hofübernahme und -aufgabeentscheidungen in agentenbasierten Modellen. YSA 2011, 163−188.

▪▪ Parker D. C., Berger T. & Manson A.M., 2002. Agent-Based Models of Land-Use and Land-Cover Change. Proceedings of an International Workshop, October 4−7, 2001, Irvine, California, USA, 145 S. ▪▪ Schweizerische Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen (SZG), 2008. Produktionskosten Gemüse. Daten zur Kalkulation der Produktionskosten und Deckungsbeiträge. Arbeitsgruppe Betriebswirtschaft des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten VSGP (Hrsg.), Koppingen. ▪▪ Schweizerische Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen (SZG), 2010. Statistischer Jahresbericht Gemüse 2010, Koppingen. ▪▪ Zimmermann A., Möhring A., Mack G., Mann S., Ferjani A. & Gennaio M.P., 2011. Die Auswirkungen eines weiterentwickelten Direktzahlungssystems. Modellberechnungen mit SILAS und SWISS-land. ART-Bericht 744. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Ettenhausen. ▪▪ www.swissland.org

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 382–389, 2012

389


L e b e n s m i t t e l

Einfluss des Untersuchungszeitpunkts nach der Probenahme auf die Gesamtkeimzahl von Milch Gérald Pittet1, Werner Luginbühl2 und Thomas Berger3 1 Suisselab AG, 3052 Zollikofen 2 CHEMSTAT, Chemometrik und Statistik, 3005 Bern 3 Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras, 3003 Bern Auskünfte: Gérald Pittet, E-Mail: gerald.pittet@suisselab.ch, Tel. +41 31 919 33 88

Abb. 1 | Registration der Proben bei Suisselab.

Einleitung Die Anzahl der Schweizer Milchproduzenten schrumpft und die Zahl der Kühe pro Hof nimmt zu. Veränderte Rahmenbedingungen und der Kostendruck führten auch bei der Milchprüfung zu einer Reduktion der verschiedenen kantonalen und regionalen MIBD-Labors auf heute ein Labor für die ganze Schweiz, Abb. 1 (Gerber et al. 2007; Glodé et al. 2010). Von den zurzeit rund 27 000 Schweizer Milchproduzenten liefern rund 47 % ihre Milch alle zwei Tage ab Hof. In diesen Fällen wird die Milch durch einen Milchsammelwagen abgeholt und die Milchproben werden automatisiert entnommen. Die übrigen ca. 53 % der Produzenten liefern ihre Milch in eine gewerbliche Käserei oder in eine Milchsammelstelle (Abholung beim Produzenten oder bei Milchsammelstellen; Berger, 2010). Die Anlieferung der Milch durch die Produzenten in einer Milchsammelstelle erfolgt in der Regel einmal oder zweimal pro Tag. Die Probenahme wird manuell durch eine dafür ernannte Person durchgeführt (Abb. 2). Die Sammelstellenmilch wird aber meistens nur alle zwei Tage durch den Milchsammelwa-

390

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 390–395, 2012

gen abgeholt. Aus Zeit- und Kostengründen bringt ein Teil der Produzenten (ca. 10 bis 20 %) ihre Milch abgestimmt auf die Abfuhr der Sammelstellenmilch nur noch alle zwei Tage. Dieser Trend ist auch in den Berg- und Hügelgebieten zunehmend, da mit diesem Einlieferungsintervall grössere Kosteneinsparungen erzielt werden können. Gemäss «Technische Weisung für die Durchführung der Milchprüfung» (BVET, 2010) muss Suisselab, welche die Milchprüfung im Auftrag des Bundes und der milchwirtschaftlichen Branche durchführt, sicherstellen, dass qualitative Veränderungen der Proben von der Probenerhebung bis zur Untersuchung vermieden werden und die Konservierung der Proben ausschliesslich durch Kühlung und Kühlhaltung erfolgt. Der maximale Zeitraum zwischen Probenerhebung und Analysenbeginn beträgt deshalb 30 Stunden. Damit diese Vorgaben eingehalten werden können, muss Suisselab die Probenahme auf die Einlieferungsdaten einzelner Milchsammelstellen abstimmen. Beim Erstellen des Probenahme- und Probesammelplans muss auf viele verschiedene Faktoren Rücksicht genommen werden (Laborauslastung, Unregelmässigkeiten bei den Wochen- und Monatstagen, regionale Feiertage, verfügbare Probesammler, Sammelkosten, Zeitraum zwischen erster und zweiter Monatsprobe, usw.). Aus diesem Grund kann nur sehr beschränkt auf individu­ elle Wünsche Rücksicht genommen werden. Monatlich liegen von ca. 1000 bis 1200 Milchlieferanten nur Einzelwerte statt der geforderten zwei Werte vor. Aus den zwei Einzelwerten wird monatlich ein geometrischer Mittelwert berechnet, der in vier Monaten maximal dreimal, beziehungsweise viermal überschritten werden darf. Danach wird der betroffene Produzent mit einer Milchliefersperre belegt. Von den fehlenden Werten stammen rund 50 % aus manuell gefassten Proben und davon ist wiederum ein Teil darauf zurückzuführen, dass das Aufgebot nicht mit dem Milcheinlieferungsdatum in der Milchsammelstelle übereinstimmt. Suisselab durchfährt das Sammelgebiet einer Probetour aus Kostengründen in der Regel nur einmal pro


Zusammenfassung

Einfluss des Untersuchungszeitpunkts nach der Probenahme auf die Gesamtkeimzahl von Milch | Lebensmittel

Abb. 2 | Manuelle Probenahme für die Milchprüfung.

Kampagne. Da aber in einem Sammelgebiet mehrere Käufer Milch übernehmen, sind die Abholtage unter den Käufern nicht abgestimmt. Das heisst, der eine Milchkäufer holt seine Sammelstellen an einem geraden, ein anderer an den ungeraden Tagen ab. Somit hat Suisselab keine Möglichkeit, den Probeerhebungsplan nach den Milchabfuhrdaten auszurichten. Um alle Sammelstellen auf den richtigen Tag aufzubieten und darauf abgestimmt die Proben einzusammeln, müsste Suisselab viele Sammelgebiete zwei Mal anfahren, was mit erheblichen Mehrkosten verbunden wäre. Davon betroffen sind ca. 80 Sammelstellen und ca. 38 Sammeltouren. Berechnungen zeigen einen Zusatzaufwand pro Monat von 89 Stunden, 4697 km oder CHF 5281.–, beziehungsweise pro Probekampagne CHF 2600.–, pro Jahr (24 Kampagnen) CHF 62 800.– und pro Probe CHF 4.– bei rund 650 Produzenten (Pittet 2011).

Monatlich liegen von ca. 1000 bis 1200 Milch­ lieferanten nur Einzelwerte statt der geforderten zwei Werte der amtlichen Milchprüfung vor. Von den fehlenden Werten stammt ein Teil aus Sammelstellen mit zweitägiger Milcheinlieferung und manueller Probenahme und ist auf zeitliche Unterschiede zwischen dem Probenahmeaufgebot und dem Milcheinlieferungsdatum zurück­zuführen. Mit der Erhöhung des maximalen Zeitraums zwischen Probenerhebung und Analysebeginn von 30 auf 36 Stunden bietet sich eine einfache und kostengünstige Lösung zur Behebung des Problems an. Sie führt nur zu einer geringfügigen Zunahme der Proben im Beanstandungsbereich zwischen 0,07 und 1,25 %. Der Anteil an beanstandeten Proben nahm in der vorliegenden Untersuchung somit von 1,397 % bei 30 Stunden auf 1,468 % bis 2,648 % bei 36 Stunden zu. Dies wird als vertretbarer Nachteil akzeptiert, der nur wenige Milchproduzenten betrifft und auch nur diejenigen, deren Milch nach 30 Stunden Keimzahlen nahe der Beanstandungsgrenze aufweisen. Die Benachteiligung dürfte sogar geringer ausfallen, da nur ein Teil der Zunahmen beide Proben eines Monats betrifft und deshalb bei der öffentlichrechtlichen Milchkontrolle nach der Bildung des geometrischen Mittelwertes, wirklich zu einer Beanstandung führt.

Unter den Mitgliedern der «Technischen Arbeitsgruppe Milchprüfung» und der Milchprüfungskommission besteht Konsens, dass die Zusatzkosten nicht auf die allgemeine Rechnung der Milchprüfung abgewälzt werden soll. Damit ergeben sich folgende Lösungsansätze: A Die Untersuchungszeit wird in den betroffenen Fällen (und nur dort) auf 36 Stunden nach der Probenahme ausgedehnt. Grundlage für die Festlegung der 30 Stunden war ein Versuch zur Keimvermehrung (Bühlmann et al. 1999). Aufgrund der langjährigen Erfahrung bei Suisselab und bei Qualitas ist gegenüber 1999 

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 390–395, 2012

391


Lebensmittel | Einfluss des Untersuchungszeitpunkts nach der Probenahme auf die Gesamtkeimzahl von Milch

konnten. Auch im privatrechtlichen Qualitätsbezahlungssystem der Milchbranche ist die Grenze von 80 000 Keimen/mL für die Bildung von Abzügen von Bedeutung, ebenso die Grenze von 10 000 Keimen/mL, für die Bezahlung von Zuschlägen. Die Umrechnung der BactoScanImpulse auf die GKZ basiert auf der 2006 ermittelten Umrechnung.

Abb. 3 | Konsequente Einhaltung der Kühlkette während des Probentransportes.

davon auszugehen, dass die Kühlkette (max. 5  °C) unter den heute üblichen Bedingungen besser eingehalten und überprüft wird. Bei konsequenter Kühlung der Proben und Einhaltung der Kühlkette während des Transportes sollte keine wesentliche Erhöhung der Gesamtkeimzahl (GKZ) erfolgen (Abb. 3). Die anderen amtlichen und privatrechtlichen Merkmale verändern sich in den zusätzlichen sechs Stunden nur minimal. B Suisselab organisiert separate Sammeltouren und verrechnet den Milchkäufern die zusätzlichen Aufwendungen anhand des Kilometer- und Zeitaufwandes. Der Lösungsansatz A wurde von den Mitgliedern der Michprüfungskommission favorisiert. Vor ei­ nem Beschluss musste aber die zu erwartende Keimvermehrung und das Ausmass der resultieren­den Benachteiligung der betroffenen Produzenten in einem Versuch ermittelt werden.

Versuchsaufbau Die Erhebung wurde auf eine Zufallsstichprobe von n = ca. 500 ausgelegt, damit auch Proben mit «grenzwertnahen» und hohen Keimzahlen in der Stichprobe enthalten waren. Als Proben wurden solche mit vier Gemelken verwendet (zweitägige Milch, letztes Gemelk ab 6 Uhr). Aus Kapazitätsgründen wurde der Versuch auf sechs Tage im Zeitraum Juli und August 2011 verteilt. Die Proben wurden bei Emmi Ostermundigen und Suhr sowie Hochdorf Nutritec in Sulgen gesammelt. Der Probeauftrag ging direkt an die beteiligten Transportfirmen (TGL AG, Rolli Transporte AG, Meyer Transport AG und AS milch-logistik GmbH). Nach Probeeingang im Labor wurden die Proben gesplittet. Beim Splitten erhielt jede Probe einen Barcode, damit die Rückverfolgbarkeit zur Ausgangsprobe, zur Untersuchungsserie und zum Milchproduzenten sichergestellt war. Bis zur Untersuchung wurden die Proben bei 1 bis 5 °C gelagert. Die Proben wurden um 12.00 Uhr (1. Probeteil) und 18.00 Uhr (2. Probeteil) des Folgetages untersucht (Abb. 4). Dies entspricht einem Probenalter von 30 und 36 Stunden ab letztem Gemelk. Die ältesten Gemelke hatten somit ein Alter von ca. 66 beziehungsweise 72 Stunden.

Methode Basis für die Erhebung waren echte Milchproben aus der automatisierten Probenahme eines grösseren Einzugs­ gebietes. Dies gewährleistete eine Milchmatrix mit vier Gemelken und eine genügende Variabilität der Milchflora. Auf eine gesamtschweizerische Erhebung konnte verzichtet werden, da in der vorliegenden Fragestellung keine geografischen oder strukturellen Unterschiede ermittelt werden sollten, sondern die Dynamik der Keimvermehrung. Im Fokus stand eine allfällige Zunahme im Beanstandungsbereich der öffentlich-rechtlichen Milchprüfung. In der Erhebung musste deshalb eine genügende Anzahl Proben im Bereich 30 000 bis 79  000 Keime/mL vorliegen, welche in den zusätzlichen sechs Stunden Lagerung die Grenze von 80 000 Keimen/mL überschreiten

392

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 390–395, 2012

Abb. 4 | Bestimmung der Gesamtkeimzahl mit Foss BactoScan.


Einfluss des Untersuchungszeitpunkts nach der Probenahme auf die Gesamtkeimzahl von Milch | Lebensmittel

3,5

4

3,0

Log(GKZ/1000), 36 h

Log(GKZ/1000), 36 h

3

2

2,5

2,0

1 1,5

0

0

1

2

3

4

1,0 1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

Log(GKZ/1000), 30 h

Log(GKZ/1000), 30 h Abb. 5 | Streudiagramme der logarithmierten Daten nach 30 vs. 36 Stunden, der ganzen Stichprobe (A) und der Proben mit einer GKZ ≥30 000 Keime/mL (B).

Geräte und Software Probenahmeflaschen vom Typ BRV1, Inhalt ca. 45 mL, wurden durch Suisselab bereitgestellt. Messgerät: BactoScan FC (Foss Instruments, Slangerupgade 69 DK-3400 Hillerød) Software: SYSTAT 13, Systat Software, Inc., 225 W Washington St., Suite 425, Chicago, IL 60606; R version 2.13.1 (2011 – 07 – 08); Copyright (C) 2011 The R Foundation for Statistical Computing, ISBN 3 – 900051 – 07 – 0.

Resultate Die Erhebung erfolgte an sechs Tagen im Zeitraum vom 7. Juli bis 19. August 2011 und umfasste 503 Proben mit 501 gültigen, verwertbaren Datensätzen. Die logarithmierten Daten der ganzen Stichprobe und der Proben, welche bei der ersten Messung eine GKZ von ≥30 000 Keime/mL aufwiesen, zeigen die typische, nicht normalverteilte Streuung (Abb. 5).

Tab. 1 | Häufigkeiten der interessierenden GKZ-Gruppen 30 Stunden GKZ-Bereich [Keime/mL]

Anzahl ­Ergebnisse [n]

30 000 bis 79 000 ≥ 80 000

36 Stunden

Anteil [%]

Anzahl ­Ergebnisse [n]

Anteil [%]

17

3,4

23

4,6

7

1,4

9

1,8

Die Auswertung der GKZ bei Proben unter 30 000 Keimen/mL zeigt nur geringe Zunahmen der Durchschnittswerte. Die Zunahme beträgt im Mittel 300 Keime/mL im Bereich < 8000 Keime/mL und 1200 Keime/mL im Bereich 8000 bis 29 000 Keime/mL, weshalb auf eine detaillierte Auswertung verzichtet wurde. Die Auswertung der Probehäufigkeiten in den zwei relevanten GKZ-Gruppen zeigt in beiden Fällen eine Zunahme innerhalb der sechs Stunden. Im Bereich zwischen 30 000 bis 79 000 Keime/mL nahm die Zahl der Ergebnisse um sechs, im Beanstandungsbereich (≥ 80 000 Keime/mL) um zwei zu (Tab. 1). Die Zunahme im Beanstandungsbereich beträgt 0,4  % (bezogen auf die ganze Stichprobe von 501 Ergebnissen) oder 28,6 % (bezogen auf die sieben Proben im Beanstandungsbereich bei 30 Stunden). Keine Probe, welche nach 30 Stunden im Beanstandungsbereich lag, hatte nach 36 Stunden einen Wert unter der Grenze von 80 000 Keime/mL. Mit verschiedenen statistischen Testverfahren wurde geklärt, inwieweit die beiden verbundenen Stichproben korrelieren und vergleichbar sind und ob die Zunahme im Beanstandungsbereich signifikant ist. Korrelationen und paarweise Vergleiche: Der Spearman-Rangkorrelationskoeffizient ist zwar signi­fikant von 1,0 verschieden, nicht jedoch von 0,995 beziehungsweise von 0,9987. Der exakte Test zeigt für das 99 % Vertrauensintervall keine Abweichung vom Wert 1. Im Wilcoxon-Test sind die zwei verbundenen Stichproben verschieden. Für wiederholte Messungen eignen sich auch lineare gemischte Modelle. Die Differenz der Kleinst-Quadrate- 

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 390–395, 2012

393


Lebensmittel | Einfluss des Untersuchungszeitpunkts nach der Probenahme auf die Gesamtkeimzahl von Milch

Tab. 2 | Resultate der statistischen Testverfahren Test

Nullhypothese

Test auf gleiche Anteile im Bean­standungsbereich nach 30 und 36 Stunden (Test für unabhängige Stichproben), zweiseitiger Test Gleichheit des ­Anteils in bei­den Gruppen Test auf gleiche Anteile im Beanstandungsbereich nach (30 und 36 Stunden) 30 und 36 Stunden (Test für unabhängige Stichproben), einseitiger Test

Test auf Signifikanz der Zu­nahme der Ergebnisse im Bean­standungsbereich (Konfidenzin­tervall einer unbekannten Wahr­scheinlichkeit, Binomialverteilung, ­Clopper-Pearson- und Blyth-Still-Casella-Schätzung)

Keine Zu­nahme, π=0

p-Wert*

Kommentar

0,6142 Bei Vernachlässigung der Ver­bundenheit der zwei Datenrei­hen sind die zwei Anteile (1,3972 % und 1,7964 %) statistisch nicht verschieden. 0,3071

< 0,001

Die Zunahme ist signifikant (die beobachtete Zunahme des Anteils um 0,004 (0,3992 %, Differenz aus 1,3972 % und 1,7964 %) liegt zwar innerhalb der geschätzten 95 %-Vertrau­ensgrenzen, ist aber im exak­ten Test trotzdem signifikant, weil die Vertrauensgrenzen für ­Binomialparameter nahe bei null nicht zuverlässig geschätzt werden können).

*p-Wert des Tests; Werte < 0,05 wurden in dieser Auswertung als statistisch signifikant betrachtet.

Mittelwerte der GKZ-Logarithmen nach 30 respektive 36 Stunden ist in diesem Modell signifikant. Die Residuen zeigen jedoch eine beträchtliche Abweichung von der Normalverteilung, so dass der Test nur mit Vorbehalt zu interpretieren ist. Je nach Testverfahren ist somit die Zunahme der GKZ innerhalb der sechs Stunden signifikant. Ob auch die Zunahme im Beanstandungsbereich signifikant ist, wurde mit weiteren Tests untersucht (Tab. 2). Damit stellt sich die Frage, mit welcher maximalen und minimalen Wahrscheinlichkeit die beobach­tete Zunahme statistisch verträglich ist. Variiert man die Null­hypothese, so ergibt sich schliesslich für den maximalen Wert ein po = 0,01251 und für den minimalen Wert ein po = 0,00071. Die maxi­ male Wahrscheinlichkeit, welche mit einer Zunahme um zwei Werte im Beanstandungsbereich (aus 501 Proben) statistisch verträglich ist, beträgt somit 1,251 %. Die minimale Wahrscheinlichkeit, welche mit einer Zunahme um zwei Werte im Beanstandungsbereich (aus 501 Proben) statistisch verträglich ist, beträgt nur 0,071 %. Das bedeutet, dass die Zunahme im Beanstandungsbereich durch die um sechs Stunden verlängerte Lagerdauer mindestens 0,071 und höchstens 1,251 % beträgt. In der vorliegenden Stichprobe nimmt der Anteil somit von 1,397 % bei 30 Stunden auf 1,468 % bis 2,648 % bei 36 Stunden zu.

Diskussion Trotz der besseren Transportbedingungen gegenüber 1999 und einer konsequenten Einhaltung der Kühlkette nimmt die GKZ während der Probelagerung laufend zu. Mit der Erhebung konnte gezeigt werden, dass die Ausdehnung des Untersuchungszeitraums von 30 auf 36 Stunden nur eine geringfügige Zunahme der Proben im Beanstandungsbereich zwischen 0,07 und 1,25 Prozent zur Folge hat. Eine genauere Schätzung der Zunahme wäre

394

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 390–395, 2012

nur mit einer grösseren Stichprobe von etwa 850 Proben möglich gewesen. Dieser Wert lässt sich aus den Milch­ prüfungsdaten von 2010 abschätzen (Berger und Luginbühl, 2011). Auf die Erhebung einer grösseren Stichprobe wurde wegen des Aufwandes verzichtet. Für die in der Kommission Milchprüfung vertretenen Mitglieder der Branche ist die auf dieser Datenbasis ermittelte Sicherheit gross genug und die geschätzte Zunahme und resultierende Ungleichbehandlung der betroffenen Produzentengruppe vertretbar. Auf die Paralleluntersuchung mit dem Referenzverfahren (Plattenverfahren) wurde verzichtet. In der Praxis kommt ausschliesslich das automatische, flow-zytometrische Verfahren zur Anwendung.

Schlussfolgerungen ••Die Erhöhung des maximalen Zeitraums zwischen Probenerhebung und Analysebeginn von 30 auf 36 Stunden für die Proben aus Milchsammelstellen mit zweitägiger Abholung und manueller Probenahme ist die einfachste und kostengünstigste Lösung zur Behebung der beschriebenen Probleme bei der Erhebung der geforderten zwei Proben. ••Die aus der Erhöhung dieser Zeitspanne resultierende Zunahme der Proben im Beanstandungsbereich um 0,07 bis 1,25 % wird als vertretbarer Nachteil akzeptiert, der nur wenige Milchproduzenten betrifft und auch nur diejenigen, deren Milch nach 30 Stunden Keimzahlen nahe der Beanstandungsgrenze aufweisen. ••Die Benachteiligung dürfte sogar geringer ausfallen, da nur ein Teil der Zunahmen beide Proben eines Monats betrifft und deshalb bei der öffentlich-­ rechtlichen Milchkontrolle nach der Glättung durch die Bildung des geometrischen Mittelwertes wirklich zu einer Beanstandung führt. n


Influenza della durata dell'intervallo tra prelievo di campioni e analisi sulla carica batterica del latte Ogni mese, circa 1000–1200 fornitori di latte dispongono soltanto di un unico risultato d’analisi anziché di due, come prevedono le basi legali relative al controllo del latte. L’assenza di una parte dei valori è da associare al fatto che in alcuni centri di raccolta la fornitura di latte avviene a volte ogni due giorni. Se la data di consegna non corrisponde alla data dell’ordine di prelievo e quindi alla raccolta di campioni, il prelievo non può essere effettuato. Abbiamo costatato che con l’incremento dell'intervallo massimo tra prelievo di campioni e inizio delle analisi da 30 a 36 ore si può risolvere il problema in maniera semplice ed economica. Ciò comporta soltanto un lieve incremento, compreso tra il 0,07 e l’1,25 per cento, dei campioni per i quali vengono pronunciate contestazioni. La proporzione di risultati che portano ad una contestazione è infatti di 1,397 % con un intervallo di 30 ore e di 1,468-2,648 % con un intervallo di 36 ore. Tale svantaggio può essere considerato accettabile e si riferisce solo ai risultati già relativamente vicini alla soglia di contestazione. Dovrebbe essere ulteriormente ridotto dall’effetto d’appiattimento della media geometrica, la quale è determinante per la valutazione della qualità disciplinato dal diritto pubblico.

Literatur ▪▪ Berger T., 2010. Questionnaire on the Determination of total bacterial count in raw milk in European Member States. EU Reference Laboratory on Milk and Milk Products, 4 Seiten. ▪▪ Berger T. & Luginbühl W., 2011. Qualitätskontrolldaten Rohmilch ­( Dezember 2010) - Données du contrôle de la qualité du lait cru (décembre 2010). Mail vom 03.02.2011. ▪▪ Bühlmann G., Aebi R. & Glättli H., 1999. Wie PetriFoss und BactoScan 8000 die Keimbelastung von Hofabfuhr-Milch je nach Lagerungszeit und Temperatur beurteilen. Interner Bericht 37/1999, Forschungsanstalt für Milchwirtschaft FAM, 50 Seiten.

Summary

Riassunto

Einfluss des Untersuchungszeitpunkts nach der Probenahme auf die Gesamtkeimzahl von Milch | Lebensmittel

Influence of the storage period between sampling and analysis on total bacterial count in milk Every month, only one official milk-testing result is available from between 1000 and 1200 milk producers instead of the two required. Of the missing results, one part originates from milk-collection centers where milk delivery takes place every other day and sampling is performed manually, and is therefore attributable to the time delay between sampling notification and milk delivery. Extending the maximum time allowed between sampling and commencement of the analysis from 30 to 36 hours would provide an easy and cost-effective method to solve this problem. The increase in the number of samples with results above the maximum permitted limit would be slight: In the present study, the percentage increased from 1,397 % at 30 hours to 1,468 – 2,648 % at 36 hours, representing a rise of 0,07 – 1,25 %. This can be accepted as a justifiable drawback as it would affect very few producers and only those whose milk at 30 hours contains bacterial counts close to the official limit. The overall discrimination would probably be even lower as the increased time span would not necessarily affect both monthly samples and therefore, after calculation of the monthly geometric mean as required by the public-law milk quality control, the results may well remain within the limits set. Key words: total bacteria count, milk, sampling, extension of storage period.

▪▪ BVET, 2010. Technische Weisung für die Durchführung der Milchprüfung. 14. März 2011, 13 Seiten. ▪▪ Gerber D., Bühlmann G., Seelhofer N., Thürlemann P., Berger T. & Jakob E., 2007. Der MIBD - Rückblick auf eine zehnjährige Pionierleistung. ­A grarforschung 14, (10), 496–501. ▪▪ Glodé M., Gehrig P. & Falk M., 2011. Milchprüfung ändert auf 2011. Information BVET, 20.10.2010, 2 Seiten. ▪▪ Pittet G., 2011. Kostenschätzung zusätzlicher separater Sammeltouren bei Sammelstellen mit zweitägiger Anlieferung. Information Suisselab, Sitzung Milchprüfungskomission, 9. September 2011, 2 Seiten.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 390–395, 2012

395


K u r z b e r i c h t

Brennpunkte der Kartoffelforschung Thomas Hebeisen, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Brice Dupuis, Ruedi Schwaerzel, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1200 Nyon Auskünfte: Thomas Hebeisen, E-Mail: thomas.hebeisen@art.admin.ch, Tel. +41 44 377 74 50

Wettkochen zwischen holländischen und französischen Kartoffelexpertinnen und -experten. (Foto: ART)

Die Europäische Gesellschaft für Kartoffelforschung (EAPR) hielt ihren 18. Dreijahreskongress in Oulu (Finnland) ab. In 13 Plenar-, 75 Sessionsvorträgen und 131 Posterbeiträgen informierten sich mehr als 300 Teilnehmende über neuste Erkenntnisse in der Kartoffel­ forschung. Die Kartoffel, als drittwichtigste Kulturpflanze wird für die Versorgungssicherheit der Menschheit immer bedeutender. Starke Umwelteinflüsse bewirken grosse Ertragsschwankungen, deshalb sind insbesondere bessere Kenntnisse der Wasser- und Nährstoffeffizienz notwendig und das universitäre Interesse an der Kartoffel steigt stetig an.

396

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 396–398, 2012

Kartoffelproduktion im hohen Norden In Finnland werden auf einer Fläche von 15 000 Hektaren Kartoffeln produziert. Davon sind 1000 Hektaren Frühkartoffeln sowie 1800 Hektaren Pflanzgut. In Tyrnävä befindet sich eines der fünf von der EU ausgeschiedenen «High grade seed»-Produktionsgebiete, in dem nur Pflanzkartoffeln angebaut werden. Finnland hat keine eigene Züchtung. Erstaunlicherweise stehen dieselben Sorten im Anbau wie in Mitteleuropa. Frühkartoffeln werden in manchen Jahren in den schneebedeckten Boden gepflanzt. Kurz nach Mitte Juni werden die ersten Frühkartoffeln vermarktet. In Südfinnland


Brennpunkte der Kartoffelforschung | Kurzbericht

wird die Kartoffel als Rohstoff für die Verarbeitungsindustrie und für die Gewinnung von Stärke zur Papierherstellung produziert. Gesundheitsrelevante Inhaltsstoffe erhöhen Meredith Bonierbale (CIP, Peru) stellte das Projekt «Harvest Plus» des CIP vor. Die grosse Vielfalt in den Landrassen sowie den Zuchtsorten der Kartoffel sollten zukünftig die menschliche Ernährung verbessern und einen gesundheitlichen Zusatznutzen (Biofortifikation) ähnlich wie bei Bohnen, Cassava und Weizen schaffen. Phenolische Verbindungen und Antioxidantien sind für Herzkreislauf und Blutzirkulation günstig. Zuchtlinien haben teilweise höhere Gehalte an Mikronährstoffen wie Eisen und Zink, aber auch Vitaminund Karotingehalte (gelbfleischige Sorten) in ihren Knollen. Vitamin C ist für die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen im Organismus mitverantwortlich. Einige Sorten zeigten bei gleicher Zubereitung der Knollen geringere Vitaminverluste. Mit Rohstoff aus Landrassen werden für Nischenmärkte farbige Chips hergestellt und exportiert. Die Knollenerträge dieser verbesserten Landrassen sind erst halb so hoch wie bei den Kultursorten. Die strikte Kurztaganpassung verhindert den Anbau im gemässigten Klima. Gerade in Südamerika werden die stressresistenteren Landrassen in Kleinbetrieben für die Versorgungssicherheit bedeutend bleiben. Wegen komplementärer Inhaltsstoffe zu neueren Kultursorten ermöglichen sie eine ausgeglichenere Versorgung der Bevölkerung. Ursprüngliche Konservierungsmethoden der Knollen wie Chuño* bleiben auch heutzutage für die Versorgung der Landbevölkerung wichtig. Da sich der Anbau der verschiedenen Sorten zeitlich überlappt, ist der Druck der Kraut- und Knollenfäule stetig sehr hoch. Die Resistenzen müssen mit verbessert werden. Limitierende Faktoren in Ost- und Zentralafrika William Wagoire (Mbale, Uganda) berichtete über die Entwicklung der Kartoffelproduktion in Ost- und Zentralafrika. Kartoffeln werden in vielen Betrieben kleinflächig angebaut und sichern das Einkommen. Durchschnittserträge von neun Tonnen pro Hektare werden

*Chuño, auch moraya oder tunta genannt, ist eine Spezialität des Andenhochlandes. Die Gefriertrocknung von Kartoffeln wurde in den Ursprungsländern der Kartoffel traditionell zur Entgiftung und Konservierung des Lebensmittels angewandt, solange noch keine züchterisch alkaloidfreien Sorten zur Verfügung standen. Die Kartoffeln werden im Hochland von Peru und Bolivien nachts über längere Zeit dem Frost und tagsüber unter einer Strohdecke der Sonne ausgesetzt. Teilweise wird die Entwässerung durch ein Stampfen mit den Füssen verstärkt. Die gefriergetrockneten Kartoffeln können als Chunos mehrjährig gelagert werden. Vor dem Kochen müssen sie in Wasser eingeweicht werden.

erzielt. Grösster Kartoffelproduzent ist Rwanda mit mehr als einer Million Tonnen. Der Anbau an steilen Hängen fördert die Bodendegradation. Hohe Ertragseinbussen bewirken die Kraut und Knollenfäule sowie bei feuchtwarmer Witterung vor allem die Schleimkrankheit (Ralstonia). Die zunehmende Verstädterung der Bevölkerung steigert die Nachfrage nach Verarbeitungsprodukten. Die Forschung konzentriert sich auf Verbesserungen in der Pflanzgutproduktion und deren Qualitätsüberprüfung. Die Vorzüge von gesundem Pflanzgut, die Anwendung von Düngungs- und Pflanzenschutzmassnahmen müssen den Landwirten in Demonstrationsversuchen gezeigt werden. Sorten mit verbesserten Krankheitsresistenzen sind notwendig. Sie müssen rasch zugelassen werden und ihr Pflanzgut muss der Praxis zur Verfügung stehen. Energiebilanz der Kartoffelproduktion Anton Haverkort (Universität Wageningen) berechnete eine Energiebilanz der Kartoffelproduktions- und -verarbeitungskette. Er ergänzte, das von John Hillier (Universität Aberdeen) entwickelte «Cool Farm Tool», indem auch Hofdünger-Applikationstechniken, Bewässerung, Sortierung, Lagerung und Keimhemmung integriert wurden. Die Inputgrössen werden in CO2-Äquivalente umgerechnet. Berechnungen für niederländische Bedingungen zeigten, dass pro produzierte Tonne Pflanzgut 115,8 kg CO2, pro Tonne Speisekartoffeln 77 kg CO2 ­respektive pro Tonne Bio-Speisekartoffeln 82 kg CO2 als Energie eingesetzt werden. Pflanzgutproduktion erfordert einen höheren Energieeinsatz, weil der Input an Stickstoffdüngern im Verhältnis zum niedrigen Pflanzgutertrag ungünstig ist. Stärkeproduktion ist günstiger, weil die eingesetzte Schweinegülle nicht den Kartoffeln zugerechnet wird. Untersuchungen der Organisation Carbon Trust bei Walker Chips (USA) zeigten, dass die Produktion des Rohstoffs mit 36 Prozent, die Verarbeitung des Rohstoffs zu 17 Prozent, die Verpackung zu 34 Prozent, der Verteiltransport zu zehn Prozent sowie die Entsorgung der Verpackungen zu drei Prozent beitragen. Die Forscher der Wageningen Universität sind überzeugt, dass Produktion und Verarbeitung mit diesem einfachen, frei zugänglichen Excel-Programm ihre Inputs vergleichen und optimieren können. Im Vergleich zu anderen Kulturarten ist die Bilanz der Kartoffel günstig. Europaweit vermehrte Probleme mit Schwarzbeinigkeit In den letzten Jahren sind Abweisungen in der Pflanzgutproduktion und Ertragsausfälle bei Speise- und ­Verarbeitungskartoffeln häufiger aufgetreten. Aggressivere Bakterienstämme und veränderte Witterungsbedingungen könnten die Ursache sein.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 396–398, 2012

397


Kurzbericht | Brennpunkte der Kartoffelforschung

Ian Toth (JHI, Dundee) berichtete, dass nach der Sequenzierung des Genoms von Pectobacterium atrosepticum im 2004 mit weiterführenden Methoden verschiedene Gene identifiziert wurden, die für die Infektion des Stängels mit dem Schwarzbeinigkeitserreger bedeutend sind. Auf Seite der Wirtspflanze Kartoffel konnte das Verständnis für die Gene verbessert werden, welche die Abwehrreaktion auslösen. Mit diesen Kenntnissen wurde eine transgene Kartoffelpflanze hergestellt, die unter kontrollierten Bedingungen gegenüber der Schwarzbeinigkeit vollständig resistent war. Verschiedene Gene des Bakteriums sind für die Besiedlung der Wurzeln von anderen Wirtspflanzen verantwortlich. Diese können zur Überdauerung des Bakteriums in einer Fruchtfolge genutzt werden. Beide PectobacteriumArten bevorzugen kühlere und feuchte Witterung, daher ist Schwarzbeinigkeit und Knollenfäule in der Pflanzgutproduktion von Schottland ein häufiges Problem. Die früher als Erwinia chrysanthemi bezeichnete Art wird heute den Dickeya-Arten zugeordnet. Sie bevorzugen deutlich wärmere Wachstumsbedingungen und verursachen Stängel- und Knollenfäule. Bis jetzt ist Schottland frei von Dickeya. Spezifische Primer (Oligonukleotide) sind für den Nachweis der verschiedenen Dickeya-Arten entwickelt worden. Alle Pflanzgutimporte werden auf diesen Erreger mit molekularen Methoden untersucht. Kartoffeln im Biologischen Landbau Frau Krystyna Zarzynska (Plant Breeding and Acclimatization Institute, Polen) zeigte, dass Kartoffelpflanzen aus den Bioparzellen einen kleineren Blattflächenindex, einen niedrigeren Chlorophyllgehalt (SPAD-Index) sowie ein geringeres Blattgewicht aufwiesen als Pflanzen auf konventionell bewirtschaften Flächen. Sie erreichten die maximale Lichtaufnahme später, reiften früher ab und bildeten kleinere Knollen. Die Erträge waren in den Bioparzellen 20 bis 40 Prozent niedriger als in den konventionell bewirtschafteten Parzellen. Thorsten Haase (Universität Kassel) untersuchte die N-Effizienz verschiedener Sorten unter biologischen Anbaubedingungen. Bereits bei geringen Boden-Nitratgehalten waren Sortenunterschiede in der N-Ausnutzung vorhanden. Sortentypische Differenzen im au­ f­ genommenen Stickstoff wurden bei gleichem Trockensubstanzertrag durch Unterschiede im N-Gehalt der Knollen bewirkt. Chlorophyllmessungen (Yara-NSensor) stimmten recht gut mit gemessenen N-Gehalten in der Blatttrockensubstanz überein. Nitratbestimmungen mit der Schnellmethode «Nitracheck» im Knollensaft stimmten gut mit gemessenen Laborwerten überein. Nitracheck sollte sich für die Bestimmung der Nitratgehalte in der Abreife der Knollen eignen.

398

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 396–398, 2012

Herwart Böhm (Johann Heinrich von Thünen-Institut, Westerau) berichtete über ein Projekt, in dem umfangreiche Daten von 282 Bioparzellen der Sorten Princess, Nicola und Ditta erhoben wurden. Ergebnisse sind in einer Datenbank aufbereitet worden und können für anonymisierte Vergleichsabfragen der Produzenten genutzt werden (Benchmarking). Höhere Nitrat- und tiefere Stärkegehalte waren oftmals mit frühem Auftreten der Krautfäule verbunden. Im degustativen Vergleich waren die Knollen von Princess manchmal bitter, aber wenig süss. Die Knollen von Nicola wiesen den kräftigsten Geschmack auf, wobei sie oft auch süss waren. Thomas Hebeisen (Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Zürich) zeigte, dass der durchschnittliche Marktwarenertrag unter biologischen Anbaubedingungen 65 Prozent des konventionellen beträgt. Der Anteil des Marktwarenertrags am Rohertrag war unter Biobedingungen um zehn Absolutprozente niedriger. Die Pommes-Chips-Backfarbe von Rohstoff aus organischer Bewirtschaftung war dank tieferen Gehalten an reduzierenden Zuckern im Durchschnitt der Sorten leicht heller. Rohstoff von Biostandorten erfüllte die Anforderungen der Verarbeitungsbetriebe. Sorten wie Challenger und Jelly eignen sich aufgrund ihres guten agronomischen Profils für den Bioanbau. n


P o r t r ä t

Conny Herholz: Forschung, Gummistiefel und eine Herzensangelegenheit Schon als junges Mädchen war Conny Herholz fasziniert von Pferden. Auch der Wunsch später einmal Tierärztin zu werden, äusserte sie bereits in jungen Jahren. Soweit ist das ein Blick in die Kindheit, der bei so mancher Frau Ähnliches zu Tage fördert. Doch bei Conny Herholz blieb es nicht bei kindlicher Faszination und einem unausgereiften Berufswunsch. Sie wurde tatsächlich Tierärztin und ist den Pferden bis heute auf der Spur geblieben. Wer aber meint, dass sie sich nur wegen eines Mädchentraums beruflich voll und ganz auf diese Tiere konzentriert hat, der irrt. Ebenso wichtig war ihre Begeisterung für die Medizin. Tieren zu helfen und im besten Fall durch prophylaktisches Handeln dafür zu sorgen, dass die Tierärztin gar nicht in den Stall gerufen wird, war von Beginn weg ihr Antrieb. Die Körpergrösse ihrer Patientinnen und Patienten war dann regelmässig eine zusätzlich spannende Herausforderung ihrer Arbeit: «Ein Fünfhundert-Kilo-Pferd kannst du für eine Untersuchung nicht einfach ganz in die Röhre schieben, da musst du nach anderen Möglichkeiten suchen.» Alle Hindernisse übersprungen Angefangen hat ihr Galopp die Karriereleiter hinauf an der tierärztlichen Hochschule in Hannover. Die Arbeit, beziehungsweise ihre Doktorarbeit, hat sie später in die Schweiz gebracht. Das war vor über 20 Jahren. Lange Zeit arbeitete Conny Herholz an der Pferdeklinik der Vetsuisse Fakultät in Bern. Medizinische Untersuchungen, ihre Habilitation, alles nah an den Tieren. Und dann der Wechsel in die Amtsstuben des Bundesamtes für Veterinärwesen. «Direkt aus den Gummistiefeln in die Verwaltung, das war schon krass», meint Conny Herholz im Rückblick. Doch es sei ein richtiger und wichtiger Schritt gewesen. Ihr taten sich neue Sichtweisen auf und ergänzten ihren bislang hauptsächlich medizinisch geprägten Blickwinkel. Vor allem konnte sie in dieser Funktion auch wichtige Kontakte auf dem nationalen und internationalen Parkett knüpfen.

Sie ist wieder näher an den Tieren, betreibt Forschung und gibt gleichzeitig ihr grosses Know-how an junge Menschen weiter. Spricht man mit ihr über ihre Arbeit merkt man sofort, dass der Wissenstransfer für sie ein zentraler Aspekt ihres beruflichen Wirkens ist. Und wer mit ihr im Berufsalltag zu tun hat, weiss: hier ist sie genau richtig. Matthias Zobrist, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel­ wissenschaften HAFL, 3052 Zollikofen

Back to the Roots Doch nach neun Jahren zog es Conny Herholz zurück zu ihren Wurzeln, zurück zu Bildung, Forschung und vor allem zu ihrer Herzensangelegenheit: den Pferden. Seit Februar 2012 ist sie Dozentin für Pferdewissenschaften an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelschaften HAFL und hat auch die Leitung dieser Vertiefungsrichtung im Agronomiestudiengang übernommen.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 399, 2012

399


A k t u e l l

Neue Publikationen

ART-Bericht 751

Grassilagen in Schweizer Flachsilos – eine Bestandsaufnahme

Mai 2012

Autoren Roy Latsch, Joachim Sauter, ART, roy.latsch@art.admin.ch Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Grassilagen stellen in vielen Schweizer Landwirtschaftsbetrieben das Rückgrat der Fütterung dar. Dabei liegt das Augenmerk auf einer hohen Futterqualität, um die Leistungsfähigkeit der Tiere voll ausschöpfen und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel herstellen zu können. Anders als im Dürrfutterbereich, in dem die Agridea jährlich Zahlen zur Futterqualität in ihrer Dürrfutter-Enquête veröffentlicht (z. B. Boessinger et al. 2011), existiert kein Gesamtschweizer Überblick zur Silagequalität. Untersuchungen aus dem Ausland (Spiekers 2005; Thaysen et al. 2006) belegen, dass ein hoher Prozentsatz der untersuchten Silagen die Mindestanforderungen bezüglich der Lagerungsdichte nicht

erfüllt. Ist die Lagerungsdichte zu gering, kann vermehrt Sauerstoff in die Silage eindringen, was zu Futterverderb durch bakterielle Abbauprozesse und Schimmelbildung führen kann. Äusserlich ist dieser Prozess durch eine Erwärmung des Futters erkennbar. Die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART beschäftigt sich mit der Verdichtung im Flachsilo und deren Optimierung. Dieser Bericht soll mögliche Schwachstellen bei der Futterkonservierung im Flachsilo aufzeigen und somit Hilfestellung zur Sicherung einer hohen Futterqualität geben. Hierzu wurden Ergebnisse einer Umfrage, Interviews mit Beratern sowie Literaturdaten verarbeitet.

Grassilagen in Schweizer Flachsilos – eine Bestandsaufnahme ART-Bericht 751 Grassilagen stellen in vielen Schweizer Landwirtschaftsbetrieben das Rückgrat der Fütterung dar. Dabei liegt das Augenmerk auf einer hohen Futterqualität, um die Leistungsfähigkeit der Tiere voll ausschöpfen und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel herstellen zu können. Anders als im Dürrfutterbereich, in dem die Agridea jährlich Zahlen zur Futterqualität in ihrer Dürrfutter-Enquête veröffentlicht (z. B. Boessinger et al. 2011), existiert kein Gesamtschweizer Überblick zur Silagequalität. Untersuchungen aus dem Ausland (Spiekers 2005; Thaysen et al. 2006) belegen, dass ein hoher Prozentsatz der untersuchten Silagen die Mindestanforderungen bezüglich der Lagerungsdichte nicht erfüllt. Ist die Lagerungsdichte zu gering, kann vermehrt Sauerstoff in die Silage eindringen, was zu Futterverderb durch bakterielle Abbauprozesse und Schimmelbildung führen kann. Äusserlich ist dieser Prozess durch eine Erwärmung des Futters erkennbar. Die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-­ Tänikon ART beschäftigt sich mit der Verdichtung im Flachsilo und deren Optimierung. Dieser Bericht soll mögliche Schwachstellen bei der Futterkonservierung im Flachsilo aufzeigen und somit Hilfestellung zur Sicherung einer hohen Futterqualität geben. Hierzu wurden Ergebnisse einer Umfrage, Interviews mit Beratern sowie Literaturdaten verarbeitet. Roy Latsch und Joachim Sauter, ART

400

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 400–403, 2012


A k t u e l l

Milchprodukte von der Alp – schmackhaft und sicher! ALP forum Nr. 92 | Mai 2012

Milchprodukte von der Alp – schmackhaft und sicher! Empfehlung für Alp-Berater

ALP forum Nr. 92 Milchprodukte, allen voran der Alpkäse, gehören zu den wichtigsten Produkten der Alpwirtschaft und erfreuen sich bei Konsumentinnen und Konsumenten grosser Beliebtheit. Alpkäse unterscheidet sich geschmacklich klar von anderen Käsen und ist ein besonderer Genuss. Aufgrund der einfachen Einrichtung der Alphütten, der Abhängigkeit von Witterungseinflüssen und den zahlreichen weiteren Erschwernissen auf der Alp sind die Milchprodukte anfälliger für Qualitätsfehler als jene aus der Käserei im Tal. So vergeht leider kein Jahr, ohne dass die kantonalen Lebensmittelbehörden über Lebensmittelvergiftungen nach dem Konsum von Alpkäse berichten oder die Vernichtung von Produkten wegen des Nachweises von Krankheitserregern verfügen müssen. Dies alles könnte vermieden werden, wenn man sich der Gefahren bei Herstellung von Rohmilchkäse bewusst ist, die nötigen Massnahmen ergreift oder auf die Herstellung heikler Produkte verzichtet.

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 400–403, 2012

401


Aktuell

Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 02.07.2012 Pflanzen im Gepäck – Probleme am Zoll Eine exotische Pflanze für daheim? Aufgepasst! Für viele Pflanzenarten gelten Beschränkungen oder gar Einfuhrverbote, da so besonders gefährliche Pflanzenkrankheiten und -Schädlinge (Quarantäneorganismen) in die Schweiz gelangen können. Deshalb empfehlen Fachleute des Pflanzenschutzinspektorats von Agroscope zusammen mit dem Eidgenössischen Pflanzenschutzdienst: Auf Pflanzen als Souvenir verzichten.

28.06.2012 Sojazüchtung bei Agroscope – Erfolge und Perspektiven Agroscope hat mit der Sojazüchtung begonnen, bevor die Sojabohne 1988 in der Schweizer Landwirtschaft überhaupt eingeführt wurde. Ergänzend zu den üblichen agronomischen Zielen wurden auch neue, besonders auf die Qualität ausgerichtete Selektionsmetho-

den entwickelt, um den zahlreichen Ansprüchen der industriellen und gewerblichen Verarbeiter gerecht zu werden.

11.06.2012 Raps: Zunehmend ertragreichere Sorten extremen Wetterbedingungen ausgesetzt Fünf neue Winterrapssorten wurden 2012 in die Liste der empfohlenen Sorten von swiss granum aufgenommen. Nach mehreren Jahren an der Spitze erhielt Visby Konkurrenz von den neuen und ertragsreicheren Hybridsorten Hybrirock, Avatar, NK Petrol und Sensation. Sammy, eine Liniensorte mit sehr frühem Blühbeginn, vervollständigt die neue Liste. 2011 wurde die HOLL-Sorte V280OL erstmals in der Praxis gesät. Ihre Qualität und ihr Ertrag sind vielversprechend. Auf einigen Parzellen erlitt der im Herbst 2011 ausgesäte Raps enorme Frostschäden, diese stehen jedoch nicht in einem direkten Zusammenhang mit bestimmten Sorten.

Samstag, 18. August, 9.30 Uhr, Güttingen

Güttinger-Tagung 2012 Versuchsbetrieb Obstbau Güttingen, BBZ Arenenberg Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW

Referate • Begrüssung zur Güttinger-Tagung Jean-Philippe Mayor, Direktor der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW • Obstbauberatung im Thurgau – Rückblick und Ausblick Bruno Hugentobler, Fachstellenleiter BBZ Arenenberg

Infostände • Erntegeräte und Arbeitshilfen für den Obstbau • Wildbienen selber hegen und pflegen • Info- und Medienstand ACW

Betriebsrundgang • Kernobst rationell und schonend pflücken – Ernteverfahren im Vergleich? • Fortschritte in der Züchtung feuerbrandrobuster Obstsorten • Optimierung im Betriebsmanagement – wo ansetzen?

Restauration ab 8.30 Uhr Informationen – Gespräche – Gemütlichkeit Güttinger-Tagung – Das Treffen der Obstbranche www.agroscope.ch

Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra

402

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 400–403, 2012

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW


Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Foodle.ch – Die interaktive LebensmittelPlattform www.foodle.ch Die Schweizer Plattform über Lebensmittel basiert auf einer einmaligen Zusammenarbeit zwischen verschiedensten Partnern aus den Bereichen Bildung und Forschung, Ämter, Nicht-Regierungsorganisationen und Wirtschaft. Ziel dieser gemeinsamen Initiative ist es, einer breiten Bevölkerung eine attraktive Vielfalt an qualitativ hochwertigen, einfach verständlichen und vertrauenswürdigen Informationen rund um das Thema Lebensmittel anzubieten.

Juli 2012 27. – 29.07.2012 Eurocheval Offenburg Schweizerisches Nationalgestüt SNG Offenburg, Deutschland August 2012 13.08.2012 InfoTag Arznei- und Gewürzpflanzen Agroscope Changins-Wädenswil ACW Agroscope ACW, domaine de Bruson

Vor schau

18.08.2012 Güttingertagung 2012 Agroscope Changins-Wädenswil ACW und BBZ ­Arenenberg Versuchsbetrieb Güttingen, Güttingen TG

September 2012 / Heft 9

September 2012 Seit mehr als 100 Jahren konserviert die Genbank von Agroscope ACW die Vielfalt der lokalen Sorten, welche das ­nationale genetische Erbe ­ausmachen und die Ernährungs­ sicherheit im Notfall gewährleisten. Die Konservierungstechniken erlauben eine Langzeiterhaltung vieler Sorten. (Foto: Carole Parodi, ACW)

••Die nationale Genbank von Agroscope ACW gestern, heute und morgen, Geert Kleijer et al., ACW ••Englisches Raigras: 62 Sorten mussten sich bewähren, Daniel Suter, ART ••Anwenderschutz in der Pflanzenschutzmittelzulassung, Olivier Sanvido et al., Staatssekretariat für Wirtschaft SECO ••Schätzung des Futterwerts von Maissilage, Yves Arrigo, ALP-Haras ••Optimales Stallklima dank Wärmerückgewinnungs­ anlagen auch im Sommer, Markus Sax et al., ART

09. – 12.09.2012 5th European Conference on Sensory and Consumer Research Agroscope und ZAHW Bern 13.09.2012 AGFF-Waldhoftagung 2012 AGFF, Profi-Lait, HAFL, ALP und ART Inforama Waldhof, Langenthal 13.09.2012 6. Ökobilanzplattform Landwirtschaft: Ökologische Bewertung von Fleisch Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Reckenholz, Zürich-Affoltern 20.09.2012 35. Informationstagung Agrarökonomie Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Reckenholz, Zürich-Affoltern 27.09.2012 ALP-Tagung 2012 Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras und Agridea Posieux

••Kuhmilch erleichtert den abgesetzten Ferkeln den Futterwechsel, Andreas Gutzwiller, ALP-Haras ••Mission zur Unterstützung des Kartoffelanbaus in Russland, Cong-Linh Lê, ACW

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 400–403, 2012

403


Donnerstag, 13. September 2012

6. Ökobilanz-Plattform Landwirtschaft Ökologische Bewertung von Fleisch Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

Programm • Ökobilanzen von Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch • Vergleich zwischen Standardproduktion, tierfreundlicher Haltung und Bio • Vergleich Schweizer Produktion mit Import • Studien aus den Niederlanden und Grossbritannien • Podiums-Diskussion • Info-Markt

Tagungsort Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich-Reckenholz Detailprogramm und Anmeldung www.agroscope.ch > Veranstaltungen >6. ÖkobilanzPlattform Landwirtschaft Anmeldeschluss ist der 31. August 2012

Donnerstag, 20. September 2012

35. Informationstagung Agrarökonomie Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Reckenholz, Zürich-Affoltern

Schwerpunktthemen • Buchhaltungsergebnisse 2011 • Wirtschaftlichkeit von Energieträgern aus der Landwirtschaft

Tagungsort Ausnahmsweise im Reckenholz Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Reckenholzstrasse 191, 8046 Zürich-Affoltern

Weitere Themen • Maschineninvestitionen und Steuern • Soziale Unterschiede in der Landwirtschaft • Stufenbetriebe im Berggebiet • Vollkosten Milch in der Bergregion

Detailprogramm und Anmeldung: www.agroscope.ch >Veranstaltungen >Informationstagung Agrarökonomie Anmeldeschluss ist der 14. September 2012


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.