Agrarforschung Schweiz, Heft 7+8, Juli-August 2014

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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ 2 0 1 4

|

H e f t

7 – 8

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich | FiBL

J u l i – A u g u s t

Pflanzenbau

Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­Fortschritte Seite 272

Umwelt

Einfluss von Streptomycin in Apfelanlagen auf Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt Seite 300

Kurzbericht

Erhaltung der genetischen Vielfalt von Nutztieren in der Schweiz Seite 306


Der Rotklee (Trifolium pratense L.) erfüllt seit gut zwei­hundert Jahren eine wichtige Aufgabe in unseren Ansaat­ wiesen. In dieser Zeit ist ein breites Sortenangebot entstanden. Agroscope führte von 2011 bis 2013 Sortenversuche mit 30 Neuzüchtungen und 24 bereits empfohlenen Sorten durch und stellte dabei deutliche Zuchtfortschritte fest. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope) Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der ­landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB; Institut für Nutztierwissen­schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits­wissenschaften INH), www.agroscope.ch b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.ch b Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Z­ ollikofen, www.hafl.ch b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch b Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, www.fibl.org Redaktion Leitung und deutsche Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 58 466 72 21, Fax +41 58 466 73 00 Französische Redaktion Sibylle Willi, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 57 Stellvertretung Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 82 E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili und Sibylle Willi (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), ­Brigitte Dorn (ETH Zürich), Thomas Alföldi (FiBL). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch, Fax +41 58 466 73 00 Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

Inhalt Juli–August 2014 | Heft 7–8 271 Editorial Pflanzenbau 272 Sortenprüfung mit Rotklee:

deutliche ­Fortschritte Daniel Suter, Rainer Frick, Hansueli Hirschi und Philippe Aebi Pflanzenbau Sorten- und Anbauversuche mit 280

­winterhartem Mohn Jürg Hiltbrunner, Christine Herzog, Carolin Luginbühl und Thomas Hebeisen Pflanzenbau Wie geht es weiter mit der Weizen­ 286

züchtung? Peter Stamp, Dario Fossati, Fabio Mascher und Andreas Hund Pflanzenbau Unkrautunterdrückung durch Zwischen292

früchte: Analyse verschiedener Faktoren Frédéric Tschuy et al. Umwelt Einfluss von Streptomycin in Apfelanlagen 300

auf Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt Fiona Walsh et al. Kurzbericht Erhaltung der genetischen Vielfalt von 306

Nutztieren in der Schweiz: Erkenntnisse und Herausforderungen Maurice Tschopp, Catherine Marguerat und François Pythoud Kurzbericht Rundballenraufe für Pferde mit 310

­zeitgesteuertem Fütterungssystem Sabrina Briefer, Samuel Schär und Iris ­Bachmann 314 Porträt 315 Aktuell 319 Veranstaltungen


Editorial

Agrarforschung Schweiz: Wo stehen wir? Liebe Leserin, lieber Leser

Jean-Philippe Mayor, Präsident der Zeitschrift Agrarforschung Schweiz und Leiter der Corporate Communication Agroscope CCA

«Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher.» Albert Einstein

Die Redaktion der Zeitschrift Agrarforschung Schweiz legt grossen Wert auf einen engen Kontakt zu ihrer Leserschaft, damit sie auf deren Bedürfnisse eingehen und die Dienstleistungen bestmöglich optimieren kann. Die Zufriedenheitsumfrage bei der Leserschaft im Jahr 2013 ergab erfreuliche Resultate mit einer durchschnittlichen Zufriedenheit von 84 %*! Die behandelten Themen werden als aktuell, interessant und praxisorientiert (87 %) beurteilt. Die Aufteilung in wissenschaftliche Artikel, Kurzberichte und aktuelle Themen wird geschätzt (89 %). Die Beilagen, insbesondere die Sortenlisten, sind sehr gefragt (79 %) und bringen einen Mehrwert. Die Artikel sind verständlich (90 %), das Verhältnis von Text und Abbildungen ist angemessen (90 %). Einige Befragte beurteilen die Artikel als «zu wissenschaftlich» (43 %), andere wiederum als «zu wenig wissenschaftlich» (27 %). Einige Befragte würden sich eine internationale, englischsprachige Zeitschrift wünschen, die über ein sehr selektives Review-Verfahren verfügt. Seit seiner Gründung im Jahr 2010 wurde jedoch das Hauptziel der Zeitschrift Agrarforschung Schweiz (eine Publikation der Bundesverwaltung) klar kommuniziert: Verbreitung von Wissen und praxistauglicher Information aus der Forschungstätigkeit in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittel und Umwelt. Die Forschenden sollen ihre Resultate rasch veröffentlichen und die Leserinnen und Leser von aktuellen Informationen profitieren können und dies in zwei Landessprachen. Zur Leserschaft der Zeitschrift gehören Wissenschaftler, Spezialisten aus Forschung und Industrie, Lehrpersonen, Beratungsstellen, kantonale Ämter, Bundesstellen, Politiker, Produzenten und andere interessierte Personen. Die Erwartungen einer so vielfältigen Leserschaft zu befriedigen, gleicht der Quadratur des Kreises und ist schwieriger als die einfache Verbreitung der Resultate. Dennoch bemühen wir uns ständig, unsere Publikationen zu verbessern und unsere Leserinnen und Leser über die Entwicklungen in der schweizerischen Agrarforschung zu informieren. In der Mai-Ausgabe haben Sie eine 24-seitige Beilage zu Agroscope erhalten. Diese steht in Französisch, Deutsch und Englisch zur Verfügung und kann im Internet heruntergeladen werden (www.agroscope.admin.ch). Sie stellt das neue Arbeitsprogramm von Agroscope 2014 – 2017 sowie die neue Organisationsstruktur vor. Die Redaktion hat zudem einen Verbesserungsprozess eingeleitet, der u.a. folgende vier Punkte beinhaltet: ••Diversifizierung der behandelten Themen dank der neuen Partnerschaft mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL); ••bessere Lesbarkeit und Verständlichkeit der Grafiken; ••bessere Qualität der italienischen und englischen Zusammenfassungen; ••höherer Anteil an Artikeln zum Thema Produktionskosten als bisher. Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung und hoffen, dass Sie die Verbesserungsmassnahmen schätzen werden. *Die Statistiken basieren auf den Antworten von 137 Befragten, die an der Umfrage teilgenommen haben.

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 271, 2014

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P f l a n z e n b a u

Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­Fortschritte Daniel Suter1, Rainer Frick 2, Hansueli Hirschi1 und Philippe Aebi2 Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz 2 Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1260 Nyon 1, Schweiz Auskünfte: Daniel Suter, E-Mail: daniel.suter@agroscope.admin.ch

1

gedeihen üppiger, sind mehrschnittig und blühen mehrmals im Jahr. Die meisten Sorten sind jedoch nicht so ausdauernd wie die Wildform. Gemeinhin werden diese kurzdauernden Typen, die kaum mehr als einen Winter überstehen, als «Ackerklee» bezeichnet. In der Schweiz hat sich zudem ein Rotkleetyp herausgebildet, der als «Mattenklee» bezeichnet wird. Diese ausdauernden Sorten entstanden auf den Bauernhöfen des Mittellandes durch stetigen Nachbau lokaler Oekotypen, deren Saatgut ursprünglich aus Flandern, Brabant oder Deutschland stammte. Mittlerweile sind bereits ausländische Rotkleesorten erhältlich, die unserem Mattenklee in der Ausdauer nicht nachstehen und somit dort eingeteilt werden müssen.

Abb. 1 | Rotklee (Trifolium pratense L.). Zeichnung aus dem Buch «Wiesen- und Alpenpflanzen» von Walter Dietl und Manuel Jor­ quera, Österreichischer Agrarverlag, Leopoldsdorf, 4. Auflage 2012. (Zeichnungen: Manuel Jorquera, Zürich. Alle Rechte vorbehalten. Copyright: AGFF, Zürich. Mit freundlicher Genehmigung der AGFF.)

Einleitung Wichtig für den Kunstfutterbau Der Rotklee (Trifolium pratense L., Abb. 1) erfüllt seit gut zweihundert Jahren eine wichtige Aufgabe in unseren Ansaatwiesen. Über diese Zeit ist ein breites Sortenangebot entstanden, dessen Vertreter äusserlich wenig Gemeinsames haben mit ihrem Urahn, dem Wiesenrotklee. Moderne Kultivare sind aufrechter im Wuchs,

272

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 272–279, 2014

Ausdauer bestimmt Funktion Die Unterscheidung in Ackerklee und Mattenklee ist für unser Kunstfutterbausystem, das die Vorteile von Gemengen unterschiedlicher Klee- und Grasarten ausnützt (Finn et al. 2013; Lüscher et al. 2008; Nyfeler et al. 2009), wichtig. In den Standardmischungen erfüllt der Ackerklee eine Art Deckfruchtfunktion (Suter et al. 2012b). Er läuft rasch auf, unterdrückt Unkräuter und liefert früh den ersten Ertrag. Unter seinem Schutz können sich die langsamer aufkommenden Arten etablieren, die später im Zeitverlauf die rasch aufgekommenen Arten ablösen und den Ertrag bilden. Wichtig ist, dass in diesem Falle der Rotklee nicht zu lange vorherrscht, damit sich die ablösenden Arten gut entwickeln können. Dies kann der ausdauernde Mattenklee nicht erfüllen, weshalb er in Gras-Weissklee-Mischungen, in denen die Ablösung besonders wichtig ist, nicht eingesetzt wird. Von beiden Sortentypen gibt es sowohl diploide als auch tetraploide Sorten. Wegen des höheren Wassergehaltes eignen sich tetraploide Sorten nicht so gut für die Konservierung und werden deshalb bevorzug für die Grünfutternutzung eingesetzt. Der Rotklee liefert ein eiweiss- und energiereiches Futter (Daccord et al. 2002), sofern dieses nicht zu spät genutzt wird. Denn die Verdaulichkeit und damit der Gehalt an Eiweiss und Energie nimmt mit zunehmender Aufwuchsdauer stark ab, vergleichbar mit der Luzerne


Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­F ortschritte | Pflanzenbau

Zusammenfassung

oder den Gräsern. Eine häufige Nutzung verbessert somit die Futterqualität (Schubiger und Lehmann 1994a), kann jedoch die Ausdauer vermindern. Eine erste Nutzung im Stadium, wenn ein Viertel aller Blütenknospen rötlich gefärbt ist, bietet einen guten Kompromiss zwischen Ausdauer und Futterqualität. Die folgenden Nutzungen erfolgen optimalerweise in Abständen von sieben bis acht Wochen später. Austrieb aus Knospenkrone Der Rotklee überwintert als Rosette, die um die bodennahe Knospenkrone, dem eigentlichen Hauptspross, gebildet wird. Aus dieser Knospenkrone treiben im Frühjahr und nach dem Schnitt neue Triebe aus. Eine Beschädigung dieses Pflanzenteils kann die gesamte Pflanze abtöten. Deshalb ist eine tiefe Mahd ungünstig für die Ausdauer der Pflanze. Aus demselben Grunde eignet sich der Rotklee nicht zur Beweidung, mit einer Ausnahme, dem sogenannten Weiderotklee. Zur Zeit gibt es davon erst eine Sorte auf dem Markt. Dieser Rotkleetypus hat Eigenschaften des wilden Rotklees der Juraweiden und des Mattenklees. Sein Potenzial könnte er vor allem in Weiden ausspielen, die betriebsbedingt wenig Stickstoff erhalten, sowie in Weiden mit eher trockenen Bedingungen. Tiefes Wurzelwerk Dank seiner bis zu einem Meter tiefen Pfahlwurzel kann der Rotklee Trockenperioden verhältnismässig gut überstehen. In gelegentlich sommertrockenen Lagen spielen deshalb Mattenklee-Gras-Mischungen eine wichtige Rolle für die Ertragssicherung. Im Vergleich zur Luzerne ist seine Trockenheitstoleranz etwas geringer, dafür erträgt er Nässe bedeutend besser. Für hohe Erträge bevorzugt der Rotklee einen eher schweren, tiefgründigen Boden in frischen Lagen. Eine Reaktion der Bodenlösung von mindestens pH 6 ist von Vorteil. Da der Rotklee seinen Stickstoff dank Knöllchenbakterien (Rhizobium leguminosarum biovar. trifolii) aus der Luft beziehen kann, kommen rotkleereiche Bestände ganz ohne Stickstoffdünger aus (Nyfeler et al. 2011). Hingegen benötigt der Rotklee genügend Phosphor und Kalium. Krankheitsresistenz ist entscheidend Lebensbedrohende Krankheiten sind vor allem der Kleekrebs (Sclerotinia trifoliorum) – neben Barfrösten die grösste Bedrohung im Winter – und der Stängelbrenner (Nördlicher Stängelbrenner Kabatiella caulivora, Südlicher Stängelbrenner Colletotrichum trifolii, Abb. 2) (Schubiger et al. 2004). Diese haben einen grossen Einfluss auf die Ausdauer der einzelnen Sorten. Zudem leiden die Sorten unterschiedlich stark unter Angriffen des

In den von 2011 bis 2013 an sechs Orten durchgeführten Sortenversuchen mit 30 Neuzüchtungen und 24 bereits empfohlenen Sorten von Rotklee (Trifolium pratense L.) stellte Agroscope deutliche Zuchtfortschritte fest: Bewertet wurden Ertrag, Bestandesgüte, Jugendentwicklung, Resistenz gegen Blattkrankheiten, Toleranz gegen Winter­ einflüsse und Ausdauer. Ergebnisse, die neu eine Empfehlung erlauben, erzielten bei den ausdauernden Sorten (Mattenklee) im diploiden Sortiment «TP 0425» und «TP 0445», im tetraploiden Sortiment «TP 0645» und «TP 0486», bei den kurz­ dauernden Sorten (Ackerklee) im diploiden Sortiment «Bonus», «TP 0725», «Regent», «Harmonie», «AberClaret», «Garant» und «Dimanche» sowie im tetraploiden Sortiment, «Magellan», «Hammon» und «Atlantis». Die Neuzüchtungen «TP 0425», «TP 0445», «TP 0645», «TP 0486» und «TP 0725» müssen noch die Prüfung auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Stabilität ihrer Merkmale bestehen, damit sie empfohlen werden können. Die Sorten «Corvus», «Larus», «Suez», «Slavoj», «Sigord» und «Maro» genügen den Anforderungen nicht mehr und werden aus der Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen gestrichen. Sie dürfen noch bis Ende 2016 als empfohlene Sorten eingesetzt werden.

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 272–279, 2014

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Pflanzenbau | Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­F ortschritte

gegen Wintereinflüsse und die Ausdauer (entspricht der Güte am Ende der Versuchsperiode) wurden anhand von Bonituren eingeschätzt. Für die Bewertung des Jahresertrages wurde der Trockensubstanzertrag mittels eines statistischen Verfahrens (Suter et al. 2013) in Noten umgerechnet. Zur Umrechnung des Ertragsanteils in Noten für die Konkurrenzkraft diente folgende Formel: Note = 9 – 0,08 × Ertragsanteil (%)

Abb. 2 | Südlicher Stängelbrenner (Colletotrichum trifolii) auf Rotklee. Diese bedeutende Krankheit kann grossen Einfluss auf die Ausdauer der entsprechenden Sorten haben. (Foto: Daniel Suter, Agroscope)

echten (Erysiphe poligoni) und falschen Mehltaues (Peronospora trifolii), der Ringfleckenkrankheit (Stemphylium sarcinaeforme) und gelegentlich auch der Kleeschwärze (Camadothea trifolii; Michel et al. 2000). Einige Sorten des Rotklees können hohe Gehalte des Pflanzenöstrogens Formononetin aufweisen (Schubiger und Lehmann 1994b). Da bei anhaltender Fütterung mit rotkleereicher Ration Fruchtbarkeitsstörungen bei den Tieren nicht ausgeschlossen werden können, sind Sorten mit wenig Formononetin von besonderem Wert.

Material und Methoden Überprüfung im Feld In den Jahren 2011 bis und mit 2013 führte Agroscope an sechs Standorten vergleichende Sortenversuche mit 30 Neuzüchtungen und 24 empfohlenen Sorten von Rotklee durch. Ziel war es, die besten Sorten für schweizerische Anbauverhältnisse zu finden. Die meisten Erhebungen wurden an Reinsaaten in Kleinparzellen à 1,5 × 6 Meter durchgeführt (Abb. 3). Da im schweizerischen Kunstfutterbau die Futterpflanzen in Mischung angebaut werden, sind Informationen über die Konkurrenzkraft wichtig. In standardisierten Mischbeständen mit Bastard-Raigras und Knaulgras wurde der prozentualen Anteil der Prüfsorte am Ertrag der Mischung als Indikator für die Konkurrenzkraft ermittelt. Alle Versuche wurden ohne Stickstoffdüngung durchgeführt. Weitere Angaben zu den Versuchsorten und der Saat können Tabelle 1 entnommen werden. Die Beurteilung der Eigenschaften erfolgte nach einer neunstufigen Notenskala, mit 1 als bester und 9 als schlechtester Note. Die Güte des Pflanzenbestandes (Dichte, Üppigkeit, Ebenmässigkeit), die Jugendentwicklung, die Resistenz gegen Blattkrankheiten, die Toleranz

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Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 272–279, 2014

Zur abschliessenden Beurteilung wurden die Sorten aufgrund ihrer Ausdauer in Ackerklee und Mattenklee aufgeteilt: Sorten, die sich signifikant von bereits empfohlenen Sorten von Mattenklee unterscheiden, teilte man beim Ackerklee ein. Diese beiden Gruppen wurden weiter in je eine Gruppe diploider und tetraploider Sorten unterteilt. Index für die Gesamtbeurteilung Ein Index ermöglicht es, die Sorten innerhalb einer Gruppe miteinander zu vergleichen. Dazu wurden die Noten der einzelnen Eigenschaften gewichtet gemittelt. Die Grössen Ertrag, Güte, Resistenz gegen Stängelbrenner und Toleranz gegenüber Wintereinflüssen zählten doppelt. Beim Mattenklee wurde zudem die Ausdauer doppelt gewichtet. Damit eine Sorte in die «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» (Suter et al. 2012a) aufgenommen werden kann, muss ihr Index um mindestens 0,20 Punkte geringer sein als das Mittel der Indizes der bereits empfohlenen Sorten (Standard). Eine bereits empfohlene Sorte kann ihre Empfehlung verlieren, wenn ihr Index den Standard um mehr als 0,20 Punkte überschreitet (höherer Wert = schlechtere Eigenschaften).

Abb. 3 | Sortenversuch mit Rotklee: Erster Aufwuchs im zweiten Hauptnutzungsjahr. Die unterschiedliche Bestandesqualität ist ­a ugenfällig. (Foto: Daniel Suter, Agroscope)


Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­F ortschritte | Pflanzenbau

Tab. 1 | Rotklee: Anlagen der im Jahr 2013 abgeschlossenen Sortenversuche

Ort, Kanton

Höhe (m ü. M.)

Saatdatum

Changins, VD

430

12/04/2011

Anzahl Wiederholungen Reinsaat 1*

1)

Mischungen 2

Ertragserhebungen 2)

2012

2013

Rümlang, ZH

450

20/04/2011

4

3

4

4

Oensingen, SO

460

11/04/2011

4

4

4

Ellighausen, TG

520

15/04/2011

4

3

4

4

Goumoëns, VD

630

13/04/2011

3

4

La Frêtaz, VD

1200

19/04/2011

3

3

Frühreifeerhebung Reinsaaten: 200 g/100 m2 Rotklee (Sorte «Formica» als Standard für die Saatmenge) 2) Mischungen: 50 g/100 m2 Rotklee (Sorte «Formica» als Standard für die Saatmenge) + 60 g/100 m2 Knaulgras «Prato» + 60 g/100 m2 Bastard-Raigras «Dorcas» *

1)

Resultate und Diskussion Diploider Mattenklee: Neuzüchtungen mit Bestnoten Die beiden Neuzüchtungen «TP 0425» und «TP 0445» lagen bei mehreren Eigenschaften auf den vordersten Rängen (Tab. 2). So besticht «TP 0425» mit dem besten Ertrag, einer ausgezeichneten Güte, der besten Ausdauer und einer Toleranz gegen Wintereinflüsse, die lediglich von der bereits empfohlenen Sorte «Milvus» übertroffen wird. Nur bei der Resistenz gegen Blattkrankheiten konnte sie nicht ganz so gut abschneiden. Unter dem Strich erreichte «TP 0425» einen Indexwert, der um 0,50 Punkte besser war als derjenige des Standards. Ähnlich gute Ergebnisse erzielte «TP 0445»: Sie lag in der Güte mit «TP 0425» gleichauf und stand ihr in der Jugendentwicklung und der Resistenz gegen den Stängelbrenner nur unwesentlich nach. Etwas grösser, nämlich 0,3 Punkte war die Differenz in der Ausdauer, was trotzdem zum zweiten Rang in dieser Eigenschaft reichte. Der Index von «TP 0425» war knapp schwächer als derjenige der bereits empfohlenen Sorte «Lestris», aber immer noch um 0,4 Punkte besser als der Standard. Diese beiden Neuzüchtungen werden zur Zeit noch im Ausland auf die Unterscheidbarkeit von anderen Sorten sowie auf Homogenität und Stabilität der Unterscheidungsmerkmale geprüft. Erst nach Bestehen dieser sogenannten «Registerprüfung» können die Sorten in Verkehr gebracht und somit empfohlen werden. Erwähnenswert ist, dass mittlerweile Sorten aus anderen Gebieten Europas wie z. B. «Van» oder «Spurt» eine sehr gute Ausdauer erreichen und infolgedessen beim Mattenklee eingeteilt werden müssen. Leider erreichte deren Leistung mit 3,57 und 3,67 den für eine Empfeh-

lung notwendigen Index von 3,18 nicht (niedriger Wert = besser). Die bis anhin empfohlene Sorte «Corvus» wird aus der Liste der empfohlenen Sorten gestrichen, da sie den notwendigen Index für eine Empfehlung nicht mehr erreichte. Sie darf noch bis Ende 2016 als empfohlene Sorte gehandelt werden. Die Sorte «Formica» wird trotz einiger Schwächen weiter empfohlen, da sie einen besonders tiefen Gehalt an Formononetin aufweist (Tab. 2). Weiderotklee: bisher nur eine Sorte Der Weiderotklee «Pastor» (Tab. 2) nimmt noch immer eine Sonderstellung ein. Es bleibt zu hoffen, dass in den nächsten Jahren das Sortiment durch Neuzüchtungen vergrössert werden kann, um eine breitere Basis für Anwendungen dieses interessanten Rotkleetyps bieten zu können. Tetraploider Mattenklee: deutliche Fortschritte Auch in der Gruppe des tetraploiden Mattenklees zeigt sich ein deutlicher Zuchtfortschritt. Die Neuzüchtung «TP 0645» erreichte die beste Güte und hinter der bereits empfohlenen Sorte «Elanus» den zweitbesten Ertrag (Tab. 2). In den wichtigen Eigenschaften Ausdauer und Resistenz gegen den Stängelbrenner belegte sie den ersten Rang, wobei sie in der Ausdauer um nicht weniger als 1,2 Punkte besser war als die Standardsorten! Ähnlich gut schnitt «TP 0486» ab. Sie lag in der Ertrags- und Gütenote jeweils nur 0,1 Punkte hinter «TP 0645» und zeichnete sich durch eine gute Toleranz gegen Wintereinflüsse aus, worin sie mit «TP 0645» zusammen den zweiten Rang belegte. Ihre Ausdauer war etwas schlechter als diejenige von «TP 0645», jedoch immer noch

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 272–279, 2014

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Pflanzenbau | Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­F ortschritte

Tab. 2 | Ausdauernder Rotklee (Mattenklee): Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2011 bis 2013 diploid Sorte (Antragsteller)

FrühreifeIndex1)

Kategorie2)

Ertrag3)*

Güte*

Jugendentwicklung

Konkur­renzkraft

Resistenzen/Toleranzen: Ausdauer*

Winter­ einflüsse*

Stängelbrenner*

Blattkrank- Indexwert heiten

1

Lestris (DSP, CH)

53b

1

2,5

2,7

3,4

4,8

3,0

4,4

1,2

2,9

2,97

2

Pavo (DSP, CH)

53b

1

3,5

2,6

3,3

4,8

3,3

4,4

1,2

2,7

3,13

3

Dafila (DSP, CH)

53b

1

3,1

2,7

3,3

4,9

3,2

4,5

1,3

3,3

3,16

4

Merula (DSP, CH)

61a

1

3,5

2,7

2,9

4,7

3,8

4,3

1,6

3,1

3,28 3,52

5

Milvus (DSP, CH)

53b

1

3,7

2,8

3,3

5,2

4,8

4,2

1,9

2,4

6

Corvus (DSP, CH)

61a

2/3

4,5

3,1

3,4

5,1

4,6

5,1

1,7

2,3

3,75

7

Formica4) (DSP, CH)

53b

1

4,5

3,0

3,3

4,9

5,0

4,7

2,3

2,3

3,81

Mittel (Standard)

3,6

2,8

3,3

4,9

3,9

4,5

1,6

2,7

3,38

8

TP 0425 (DSP, CH)

53b

1*

2,3

2,5

3,2

4,7

2,7

4,3

1,1

3,0

2,83

9

TP 0445 (DSP, CH)

53b

1*

2,8

2,5

3,1

4,8

3,0

4,5

1,2

2,8

2,98

10

Spurt (OSEVA UNI, CZ)

62a

3

3,5

3,0

3,7

5,1

4,5

5,2

1,3

2,4

3,57

11

Van (OSEVA UNI, CZ)

62a

3

4,3

2,9

3,6

5,4

4,4

5,4

1,1

2,6

3,67

FrühreifeIndex1)

Kategorie2)

Ertrag3)*

Güte*

Jugendentetnwicklung

Konkurrenzkraft

Ausdauer*

Wintereinflüsse*

Stängelbrenner*

53b

1

4,8

2,9

3,3

5,5

3,9

4,5

1,2

2,3

3,50

4,8

2,9

3,3

5,5

3,9

4,5

1,2

2,3

3,50

Kategorie2)

Ertrag3)*

Güte*

Jugendentwicklung

Konkurrenzkraft

Ausdauer*

Wintereinflüsse*

diploid, für Weide Sorte (Antragsteller) 1

Pastor (DSP, CH)

Mittel (Standard)

Resistenzen/Toleranzen: Blattkrank- Indexwert heiten

ausdauernd (Mattenklee), tetraploid Sorte (Antragsteller)

FrühreifeIndex1)

Resistenzen/Toleranzen: Stängelbrenner*

Blattkrank- Indexwert heiten

1

Carbo (DSP, CH)

61a

1

2,2

2,4

2,4

4,5

3,2

5,0

1,8

2,0

2,93

2

Fregata (DSP, CH)

53b

1

2,5

2,5

2,4

4,6

3,3

4,6

1,8

2,2

2,95

3

Elanus (DSP, CH)

53b

1

1,9

2,6

3,0

4,8

3,8

4,4

1,6

2,4

2,98

4

Astur (DSP, CH)

61a

1

3,6

2,6

2,6

4,7

4,1

4,6

1,8

2,1

3,29

5

Larus (DSP, CH)

61a

2/3

3,6

2,6

2,5

4,4

4,5

5,0

2,1

1,9

3,41

Mittel (Standard)

2,7

2,5

2,6

4,6

3,8

4,7

1,8

2,1

3,11

6

TP 0645 (DSP, CH)

61a

1*

2,2

2,2

2,5

4,6

2,6

4,5

1,3

1,9

2,67

7

TP 0486 4) (DSP, CH)

61a

1*

2,3

2,3

2,5

4,2

3,0

4,5

1,5

2,3

2,78

8

TP 0345 (DSP, CH)

53b

3

2,6

2,7

2,6

4,6

3,7

4,5

1,6

2,3

3,04

9

Blizard (OSEVA UNI, CZ)

62a

4

3,2

2,9

3,1

4,8

4,5

5,5

1,4

2,3

3,49

10

Ostro (OSEVA UNI, CZ)

62b

4

3,8

2,9

3,6

4,8

4,8

5,4

1,5

2,1

3,64

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten Notenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht * Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung 1) Frühreife-Index: Die erste Ziffer bezeichnet den Monat, die zweite Ziffer die Dekade; a bezeichnet die erste, b die zweite Hälfte der Dekade. Beispiel: 53b = 26.–31. Mai 2) Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen: Kategorie 1: In der Schweiz in der «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» geführt. Kategorie 1*: Kann erst nach Erfüllen der für die Handelbarkeit in der Schweiz gesetzlich festgelegten Kriterien empfohlen werden (siehe Saat- und Pflanzgut-Verordnung des WBF, SR 916.151.1) Kategorie 2/3: Sorte vom 1. Januar 2017 an nicht mehr empfohlen Kategorie 3: Nicht empfohlen. Zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte Eigenschaften aus Kategorie 4: Nicht empfohlen. Eignet sich nicht für den Anbau in der Schweiz 3) Ertragsnoten: Jahresertrag, 2012: 4 Versuchsstandorte, 4 Erhebungen, 2013: 3 Versuchsstandorte, 4 Erhebungen 4) Sorte mit geringem Gehalt an Formononetin

276

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 272–279, 2014


Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­F ortschritte | Pflanzenbau

Tab. 3 | Kurzdauernder Rotklee (Ackerklee): Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2011 bis 2013 diploid Sorte (Antragsteller)

FrühreifeIndex1)

Kategorie2)

Ertrag3)*

Güte*

62a

1

5,1

3,8

Jugendent- Konkur­Ausdauer wicklung renzkraft

Resistenzen/Toleranzen: Blattkrank- Indexwert heiten

Winter­ einflüsse*

Stängel­ brenner*

5,5

1,6

2,6

4,12 4,20

1

Global (Freudenberger, DE)

2

Diplomat (DSV, DE)

62a

1

5,3

3,8

3,6

5,5

6,1

5,6

1,8

2,4

3

Monaco (DSP, CH)

53b

1

5,3

3,8

3,4

5,4

5,8

5,4

2,2

2,9

4,22

4

Merian (Carneau, FR)

61b

1

5,9

4,2

3,2

5,7

6,7

5,8

1,5

3,2

4,46

5

Suez (Agrogen, CZ)

61b

2/3

6,4

4,3

3,6

5,7

7,1

6,1

1,8

2,9

4,71

6

Slavoj (Agrogen, CZ)

61b

2/3

6,8

4,8

4,0

6,2

7,3

6,4

1,9

2,7

4,99

5,8

4,1

3,6

5,7

6,4

5,8

1,8

2,8

4,45

Mittel (Standard)

3,5

5,7

5,6

7

Bonus (Selgen, CZ)

61b

1

5,0

3,5

3,5

5,2

5,6

5,5

1,3

2,8

3,98

8

TP 0725 (DSP, CH)

61a

1*

5,0

3,7

3,2

5,2

5,8

5,4

1,5

2,7

4,01 4,08

9

Regent (Carneau, FR)

62a

1

5,2

3,6

3,2

5,4

5,6

5,6

1,5

3,1

10

Harmonie (NPZ-Lembke, DE)

62a

1

4,6

3,8

3,5

5,2

5,4

6,1

1,5

3,1

4,11

11

AberClaret (Germinal Holdings, UK)

53b

1

5,1

3,8

3,3

5,1

6,0

5,6

2,0

2,5

4,17

12

Garant (Selgen, CZ)

61b

1

5,6

3,7

3,5

5,5

6,3

5,5

1,2

3,0

4,21

13

Dimanche (Caussade, FR)

53a

1

5,3

4,1

3,3

5,9

6,7

5,2

1,5

2,4

4,21

14

Himalia (HZ 80-06) (Životice, CZ)

61a

2

5,1

3,8

3,6

5,5

5,1

6,3

1,9

2,5

4,24

15

Kontiki (DSV, DE)

62a

3

5,5

3,9

3,7

5,5

6,0

6,0

1,7

2,7

4,35

16

Callisto (DLF Životice, CZ)

61a

3

5,8

3,9

3,4

5,5

6,6

5,8

1,9

2,4

4,39

17

Matris (Ferri, IT)

61b

3

5,4

4,5

3,4

5,4

7,5

5,8

2,3

2,4

4,55

18

Brisk (Selgen, CZ)

62a

3

6,6

4,5

3,8

5,8

7,3

5,7

1,8

2,6

4,73

19

Spadone gigante de santa marta (Padana, IT)

62a

3

7,3

4,9

2,6

5,1

7,2

5,7

1,9

2,4

4,75

20

Cyllene (DLF-Trifolium, DK)

53b

3

6,2

4,4

4,1

5,7

6,7

5,8

2,4

3,0

4,76

21

Quinequeli (Cozzi, IT)

61a

3

7,2

4,6

3,4

5,7

7,6

5,6

1,9

2,3

4,79

22

Uno (Continental, IT)

62a

4

7,4

5,0

3,6

5,8

7,9

6,4

1,6

2,2

5,03

23

Vyciai (Agrolitpa, LT)

62a

4

8,3

5,6

4,1

6,1

8,3

6,7

2,4

3,3

5,64

FrühreifeIndex1)

Kategorie2)

Ertrag3)*

Güte*

53b

1

5,5

3,4

2,8

tetraploid Sorte (Antragsteller)

Jugendent- KonkurAusdauer wicklung renzkraft

Resistenzen/Toleranzen: Wintereinflüsse*

Stängelbrenner*

6,2

5,5

2,4

Blattkrank- Indexwert heiten

1

Tedi (Agri Obtentions, FR)

2

Taifun (SZ-Steinach, DE)

62a

1

7,0

4,7

3,3

5,5

7,5

6,5

3

Titus (SZ-Steinach, DE)

62a

1

7,2

4,9

3,0

5,6

7,5

6,1

4

Sigord (SCPV VÚRV, SK)

62b

2/3

7,3

4,8

3,6

5,5

7,4

6,5

2,7

2,3

5,12

5

Maro (NPZ-Lembke, DE)

62a

2/3

8,0

4,9

3,7

5,4

7,5

6,3

2,9

2,3

5,26

Mittel (Standard)

4,8

2,1

4,10

2,2

2,4

4,95

2,9

2,5

5,07

7,0

4,5

3,3

5,4

7,2

6,2

2,6

2,3

4,90

6

Magellan (DLF-Trifolium, DK)

62a

1

5,5

3,9

3,1

5,3

6,4

5,9

2,8

2,2

4,44

7

Hammon (Veles) (Innoseeds, NL)

61b

1

6,1

3,9

3,4

5,2

6,6

5,9

2,4

2,5

4,55

8

Atlantis (NPZ-Lembke, DE)

62a

1

5,8

4,3

3,3

5,1

6,6

6,2

2,4

2,3

4,55

9

Quatro (Continental, IT)

62a

4

7,5

5,5

4,1

5,6

7,8

6,7

2,8

2,5

5,41

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten Notenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht * Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung 1)

Frühreife-Index: Die erste Ziffer bezeichnet den Monat, die zweite Ziffer die Dekade; a bezeichnet die erste, b die zweite Hälfte der Dekade. Beispiel: 53b = 26. – 31. Mai Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen:

2)

Kategorie 1: In der Schweiz in der «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» geführt Kategorie 1*: Kann erst nach Erfüllen der für die Handelbarkeit in der Schweiz gesetzlich festgelegten Kriterien empfohlen werden (siehe Saat- und Pflanzgut-Verordnung des WBF, SR 916.151.1) Kategorie 2/3: Sorte vom 1. Januar 2017 an nicht mehr empfohlen Kategorie 2: Ersatzssorte. Diese Sorte erreicht zwar den notwendigen Index für eine Empfehlung, kann jedoch wegen der Beschränkung der Anzahl empfohlener Sorten nicht empfohlen werden. Bei Wegfall einer empfohlenen Sorte rutscht die beste Sorte der Kategorie 2 automatisch in die «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» nach. Kategorie 3: Nicht empfohlen. Zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte Eigenschaften aus 3)

Kategorie 4: Nicht empfohlen. Eignet sich nicht für den Anbau in der Schweiz Ertragsnoten: Jahresertrag, 2012: 4 Versuchsstandorte, 4 Erhebungen, 2013: 3 Versuchsstandorte, 4 Erhebungen

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 272–279, 2014

277


Pflanzenbau | Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­F ortschritte

0,8 Punkte besser als die Standardsorten. Interessant ist zudem ihr niedriger Formononetingehalt. Die hervorragenden Leistungen dieser beiden Neuzüchtungen resultierten in einem um 0,44 Punkte bzw. 0,33 Punkte besseren Indexwert für «TP 0645» bzw. «TP 0486» als der Standard. Besonders erwähnenswert ist auch hier der Umstand, dass mit den Sorten «Blizard» und «Ostro» neu ausdauernde Sorten zur Prüfung angemeldet worden sind, die nicht aus dem typischen Mattenkleegebiet stammen. Leider überwand keine der beiden die für eine Empfehlung notwendige Hürde. Die bereits empfohlene Sorte «Larus» verpasste den für eine Empfehlung notwendigen Index von 3,32 und wird aus der Liste gestrichen. Sie kann deshalb nur noch bis Ende 2016 als empfohlene Sorte verwendet werden (Tab. 2). Diploider Ackerklee: Sortenangebot vergrössert sich Nicht weniger als sieben Neuzüchtungen erfüllen die agronomischen Bedingungen für eine Empfehlung. Die Sorte «Bonus» zeichnete sich innerhalb des diploiden Ackerklees mit guten 3,5 Punkten für die Güte aus, was den ersten Rang in dieser Eigenschaft bedeutete (Tab. 3). Rang zwei belegte sie im Ertrag, in der Konkurrenzkraft und in der Resistenz gegen den Stängelbrenner. Ihre Leistung resultierte in einem Indexwert, der um nahezu einen halben Punkt besser war als derjenige des Standards. Nach «Bonus» folgt an zweiter Stelle «TP 0725», die ebenso gute Noten erhielt für den Ertrag und die Konkurrenzkraft und auch eine sehr gute Jugendentwicklung wie auch Toleranz gegenüber Wintereinflüssen zeigte. Leider hat diese Sorte die Registerprüfung noch nicht bestanden, weshalb eine Empfehlung zur Zeit nicht möglich ist. Die Neuzüchtung «Regent» bot schöne Pflanzenbestände, was sich durch einen zweiten Rang in der Güte ausdrückt. Die Sorte «Harmonie» lieferte einen sehr hohen Ertrag. «AberClaret» konnte mit einer starken Konkurrenzkraft und dem drittbesten Ertrag punkten. Eine sehr gute Resistenz gegen den Stängelbrenner zeichnet die Sorte «Garant» aus, die auch in der Güte auf den vorderen Rängen zu liegen kam. Die Neuzüchtung «Dimanche» war in dieser Gruppe die gegenüber Wintereinflüssen toleranteste Sorte. Zu erwähnen wäre auch die Sorte «Himalia». Sie erfüllt zwar die agronomischen Anforderungen für eine Empfehlung, kann jedoch wegen der Begrenzung der Anzahl empfohlener Sorten zur Zeit lediglich als Ersatzsorte verwendet werden. Die beiden bis anhin empfohlenen Sorten «Suez» und «Slavoj» genügen den Anforderungen für eine Empfehlung nicht mehr und werden aus der Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen gestrichen. Sie dürfen somit nur noch bis Ende 2016 als empfohlene Sorten eingesetzt werden (Tab. 3).

278

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 272–279, 2014

Tetraploider Ackerklee: Bedeutende Verbesserungen Von vier Neuzüchtungen genügten deren drei den agronomischen Anforderungen für eine Empfehlung. Allen voran die Sorte «Magellan», die mit dem besten Ertragswert und zweitbesten Gütewert aufwarten konnte. Ihr Indexwert bleibt trotz guter Leistung mit einer Verbesserung von 0,46 Punkten gegenüber dem Standard hinter demjenigen der bereits empfohlenen Sorte «Tedi» zurück (Tab. 3). Diese erreichte in sieben von insgesamt acht Eigenschaften Platz eins und zeigte mit Platz zwei in der Resistenz gegen den Stängelbrenner eine hervorragende Leistung. Gefolgt wird «Magellan» von «Hammon», die in den wichtigen Eigenschaften Güte, Toleranz gegenüber Wintereinflüssen und Resistenz gegen den Stängelbrenner jeweils den zweitbesten Wert aller tetraploiden Ackerkleesorten erzielte. Die dritte neu empfohlene Sorte, «Atlantis», wies eine ebenso gute StängelbrennerResistenz auf wie «Hammon», war überdurchschnittlich konkurrenzfähig und lieferte den zweitbesten Ertrag in dieser Gruppe. Die Leistungen der bereits empfohlenen Sorten «Sigord» und «Maro» waren jeweils um mehr als 0,20 Punkte schwächer als diejenige des Standards, was zur Streichung dieser zwei Sorten aus der Liste führte. Auch sie dürfen nur noch bis Ende 2016 als empfohlene Sorten verwendet werden (Tab. 3).

Schlussfolgerungen Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Zuchtfortschritt. Insbesondere fallen die Verbesserungen der Resistenz gegen den Stängelbrenner und der Toleranz gegenüber Wintereinflüssen auf, die wiederum nicht unwesentlich zu Verbesserungen beim Jahresertrag, der Konkurrenzkraft und namentlich der Ausdauer geführt haben dürften. Einen Hinweis darauf gibt auch die Tatsache, dass mittlerweile Sorten als Mattenklee eingestuft werden müssen, die nicht im typischen Mattenkleegebiet selektioniert wurden. n


Esame delle varietà di trifoglio violetto: notevoli progressi Nelle prove varietali eseguite dal 2011 al 2013 in sei siti su 30 nuove coltivazioni e 24 varietà già raccomandate di trifoglio violetto (Trifolium pratense L.), Agroscope ha constatato notevoli progressi nella coltivazione. Le seguenti caratteristiche sono state prese in considerazione: resa, qualità del popolamento, sviluppo giovanile, resistenza alle malattie fogliari, resistenza allo svernamento e persistenza. I risultati che consentono di formulare una nuova raccomandazione sono stati ottenuti con le varietà poliennali nel tipo diploide «TP 0425» e «TP 0445», nel tipo tetraploide «TP 0645» e «TP 0486», con le varietà biennali nel tipo diploide «Bonus», «TP 0725», «Regent», «Harmonie», «AberClaret», «Garant» e «Dimanche» nonché nel tipo tetraploide «Magellan», «Hammon» e «Atlantis». Le nuove coltivazioni «TP 0425», «TP 0445», «TP 0645», «TP 0486» e «TP 0725» devono ancora essere sottoposte all’esame della distinguibilità, omogeneità e stabilità delle loro caratteristiche, prima di potere essere raccomandate. Le varietà «Corvus», «Larus», «Suez», «Slavoj», «Sigord» e «Maro» non soddisfano più i requisiti e vengono per­ tanto tolte dalla lista delle varietà raccoman­ date di piante foraggere, tuttavia possono ancora essere impiegate come varietà raccomandate fino alla fine del 2016.

Literatur ▪▪ Daccord R., Arrigo Y., Jeangros B., Scehovic J., Schubiger F.X. & Lehmann J., 2002. Nährwert von Wiesenpflanzen: Energie- und Proteinwert. ­A grarforschung 9 (1), 22–27. ▪▪ Finn J.A., Kirwan L., Connolly J. et al., 2013. Ecosystem function enhanced by combining four functional types of plant species in intensively ­managed grassland mixtures: a 3-year continental-scale field experiment. Journal of Applied Ecology 50, 365–375. ▪▪ Lehmann J., Briner H.U., Schubiger F.X. & Rosenberg E., 1994. Bewirtschaftungsintensität im Kunstfutterbau. Agrarforschung 1 (4), 163–166. ▪▪ Lüscher A., Finn J.A., Connolly J. et al., 2008. Benefits of sward diversity for Agricultural grasslands. Biodiversity 9 (1/2), 29–32. ▪▪ Michel V., Schori A., Mosimann E., Lehmann J., Boller B. & Schubiger F., 2000. Krankheiten der Futtergräser und Futterleguminosen. Agrarforschung 7 (2), I–XII. ▪▪ Nyfeler D., Huguenin-Elie O., Suter M., Frossard E., Connolly J. & Lüscher A., 2009. Strong mixture effects among four species in fertilized agricultural grassland led to persistent and consistent transgressive overyielding. Journal of Applied Ecology 46, 683–691.

Summary

Riassunto

Sortenprüfung mit Rotklee: deutliche ­F ortschritte | Pflanzenbau

Substantial progress in variety testing with red clover Agroscope noted significant breeding progress in the variety tests with 30 new cultivars and 24 already recommended varieties of red clover (Trifolium pratense L.) conducted at six locations from 2011 to 2013. Yield, vigour, juvenile develop­ ment, resistance to leaf diseases, winter-hardiness and persistence were all evaluated. For the persistent varieties («Mattenklee» type), results allowing for recommendation were obtained by the diploids «TP 0425» and «TP 0445» as well as by the tetraploids «TP 0645» and «TP 0486», whilst in the short-lived varieties (common red clover), success was achieved by the diploids «Bonus», «TP 0725», «Regent», «Harmonie», «AberClaret», «Garant» and «Dimanche», and by the tetraploids «Magellan», «Hammon» and «Atlantis». The new cultivars «TP 0425», «TP 0445», «TP 0645», «TP 0486» and «TP 0725» have yet to pass the test for distinctness, uniformity and stability of traits before they can be recommended. The varieties «Corvus», «Larus», «Suez», «Slavoj», «Sigord» and «Maro» no longer satisfy the requirements, and are being deleted from the List of Recommended Varie­ ties of Forage Plants. They may, however, still be used as recommended varieties until the end of 2016. Key words: Trifolium pratense, red clover, variety testing, yield, disease resistance, persistence.

▪▪ Nyfeler D., Huguenin-Elie O., Suter M., Frossard E. & Lüscher A., 2011. Grass-legume mixtures can yield more nitrogen than legume pure stands due to mutual stimulation of nitrogen uptake from symbiotic and non-symbiotic sources. Agriculture, Ecosystems and Environment 140, 155–163. ▪▪ Schubiger F.X., Alconz E., Streckeisen Ph. & Boller B., 2004. Resistenz von Rotklee gegen den südlichen Stängelbrenner. Agrarforschung 11 (5), 168–173. ▪▪ Schubiger F.X. & Lehmann J., 1994a. Futterwert unterschiedlich genutzter Klee-Gras-Gemenge. Agrarforschung 1 (4), 167–170. ▪▪ Schubiger F.X. & Lehmann J., 1994b. Stoffe mit östrogener Wirkung in Rotkleesorten. Agrarforschung 1 (8), 361–363. ▪▪ Suter D., Hirschi H.U., Frick R. & Aebi P., 2013. Knaulgras: Prüfergebnisse von 31 Sorten. Agrarforschung Schweiz 4 (7/8), 324–329. ▪▪ Suter D., Hirschi H., Frick R. & Bertossa M., 2012a. Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen 2013–2014. Agrarforschung Schweiz 3 (10), Beilage, 1–8. ▪▪ Suter D., Rosenberg E., Mosimann E. & Frick R., 2012b. Standardmischungen für den Futterbau: Revision 2013–2016. Agrarforschung Schweiz 3 (10), Beilage, 1–12.

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 272–279, 2014

279


P f l a n z e n b a u

Sorten- und Anbauversuche mit winterhartem Mohn Jürg Hiltbrunner, Christine Herzog, Carolin Luginbühl und Thomas Hebeisen Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 8046 Zürich, Schweiz Auskünfte: Jürg Hiltbrunner, E-Mail: juerg.hiltbrunner@agroscope.admin.ch

Abb. 1 | Blütenfarbe der Sorte Josef (vorne) im Vergleich zu den ­v iolett-blühenden Zeno-Sorten im Hintergrund. (Foto: Jürg Hiltbrunner, Agroscope)

Einleitung Trotz des prognostizierten Potenzials auf dem Markt (Frick und Hebeisen 2005) ist der Anbau von Mohn (Papaver somniferum L.) in der Schweiz nach wie vor bedeutungslos. Für das geschmacklich sehr gute Öl werden jedoch gute Preise gelöst, und Backwaren mit Mohnsamen werden auch bei uns häufiger angeboten. Die Mohnanbaufläche beträgt in der Schweiz aber nur wenige Hektaren und wird bis jetzt statistisch nicht erfasst.

280

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 280–285, 2014

Der Mohnanbau erlebte seine Hochblüte während des zweiten Weltkriegs, als er der Selbstversorgung mit Öl diente, und umfasste anno dazumal rund 1300 ha (Koblet 1965). Im Anschluss an diese Zeit ist diese Kultur relativ schnell aus dem Anbau und der Land(wirt)schaft verschwunden. In der Schweizer Mundart wurde Mohn früher als Mag oder Maggsamen bezeichnet. Zeuge des inländischen Mohnanbaus ist die Mohnkapsel im Dorfwappen von Mägenwil (AG). Weltweit betrug die Anbaufläche der Mohnsamenproduktion 2012 rund 70 000 ha (FAO 2014). Darin nicht inbegriffen ist die bedeutende Fläche für die Produktion von Opiaten. Die mittleren Erträge in den Ländern schwankten in den Jahren 2003–2012 zwischen 2,8 und 20,4 dt/ha (FAO 2014). Die Importmenge an Mohnsamen in den Jahren 2010 bis 2012 war sehr stabil und betrug jeweils rund 120 t. Die fünf wichtigsten Herkunftsländer waren in den vergangenen vier Jahren Deutschland, die Türkei, Frankreich, Holland, Österreich und die Tschechische Republik (EZV 2014). Mit diesen Importen konnte der Schweizer Mohnbedarf – sei es für Öl oder Samen für Backwaren – zu mehr als 90 % gedeckt werden. Die grössten Herausforderungen beim Anbau von Mohn sind einerseits die erfolgreiche Unkrautregulierung (insbesondere im Bioanbau), da die Pflanzen eine sehr langsame Jugendentwicklung aufweisen, und andererseits das Erreichen einer optimalen und regelmässigen Bestandesdichte. Die sehr kleinen Samen (Tausendkorngewicht von ca. 0,5 g) stellen höchste Ansprüche an die Saattechnik und die Vorbereitung des Saatbeetes. Unabhängig vom Mohntyp ist heute wenig praktische Erfahrung und Wissen über den Anbau von Mohn in der Schweiz vorhanden. Mohn besitzt ein interessantes Potenzial, denn nebst dem ernährungsphysiologischen Wert des Samens (z.B. Gehalt an Linolsäure und Spurenelementen) ist der Anbau auch fruchtfolgetechnisch attraktiv. Mohn gehört botanisch gesehen zu keiner anderen bei uns angebauten Ackerkultur und kann infolge dessen intensive Fruchtfolgen bezüglich Krankheits- und Schädlingsdruck auflockern. Aufgrund der einzigartigen Farbe der Blütenblätter (Abb. 1) kann Mohn zudem das Landschaftsbild farblich aufwerten.


In früheren Versuchen wurden in der Schweiz ausschliesslich Sommermohntypen miteinander verglichen (Frick und Hebeisen 2005). Aus österreichischen Zuchtprogrammen stehen seit Ende der 1990er Jahre auch winterharte Sorten zur Verfügung. Diesen wird in unseren Breitengraden im Vergleich zu den Sommertypen grundsätzlich ein höheres Ertragspotenzial zugestanden. Nebst der Abklärung der Sortenfrage bei Wintermohn wurden auch anbautechnische Fragestellungen zur Saatmenge und Saattechnik bearbeitet.

Material und Methoden Versuchsanlage Die Kleinparzellenversuche wurden grösstenteils auf einem zertifizierten Knospe-Betrieb in Zürich-Seebach (ZH) durchgeführt. Der Anbautechnik-Versuch wurde in Flawil (SG) auf einem zweiten Standort gesät, der nach IP-Bedingungen bewirtschaftet wurde. Die Saat erfolgte mit einer Ausnahme (2007) jeweils in der zweiten Septemberwoche mit einem Reihenabstand von 0,18 m. Insgesamt wurden 80 kg N/ha in zwei Gaben (60 kg N/ha zu Vegetationsbeginn im Frühjahr und 20 kg N/ha zum Schossen) ausgebracht. Am Biostandort wurde dazu Biorga und am IP-Standort mineralischer Handelsdünger verwendet. Die Regulierung der Begleitflora erfolgte am BioStandort mechanisch (2 bis 3 Hackeinsätze, teilweise kombiniert mit dem Striegel) respektive am IP-Standort mit Herbiziden. Falls nötig, wurde zusätzlich von Hand gejätet. Um durch Schneckenfrass entstehende Fehlstellen in den Parzellen zu vermeiden, wurde präventiv Schneckenkorn gestreut. In den Sortenversuchen wurden in den Jahren 2007 bis 2009 die morphinarmen Sorten Zeno, Zeno Morphex, Zeno 2002 (Züchter: G. Dobos, A; Blütenfarbe violett, Typ Schliessmohn) und in den Jahren 2008 bis 2009 zusätzlich noch die morphinarme Sorte Josef (Züchter: RWA Raiffeisen Ware Austria, A; Blütenfarbe hellviolett, Typ Schliessmohn) miteinander verglichen (Abb. 1). Die Saatmenge betrug für alle Sorten 4,45 kg/ha. In einer zweiten Versuchsserie wurden in den Jahren 2009 die Auswirkungen von vier und in den Jahren 2010 und 2011 von sechs unterschiedlichen Saatmengen beziehungsweise Saattechniken mit der Sorte Zeno 2002 untersucht. Dabei wurde die Saat entweder mit einer Drillsämaschine (Hege), einem Sembdner-Sägerät (Gemüse­sämaschine) oder einem Krummenacher-Sägerät (Breitsaat) durchgeführt. Mit der Drillsämaschine wurden zwei Saatmengen (3,2 und 0,75 kg/ha), mit dem Sembdner-Sägerät drei Saatmengen (3,5; 1,5 und 0,75 kg/ ha) und mit dem Krummenacher-Sägerät eine Saat-

Zusammenfassung

Sorten- und Anbauversuche mit winterhartem Mohn | Pflanzenbau

Der Schlafmohn (Papaver somniferum L.) ist eine traditionelle Ackerkultur der Schweiz. Während des 2. Weltkriegs wurde er zur Selbstversorgung mit Speiseöl noch auf rund 1300 ha angebaut. Heute umfasst der Mohnanbau in der Schweiz nur noch wenige Hektaren. Mit der Agrarpolitik 2014–2017 wird der Anbau von Schlafmohn neu mit dem Ölsaatenbeitrag (700 Fr./ha) gestützt. Agroscope hat einerseits die morphinarmen winterharten Sorten Zeno, Zeno Morphex, Zeno 2002 und Josef angebaut und miteinan­ der verglichen und andererseits mit der Sorte Zeno 2002 die Auswirkungen verschiedener Sätechniken und Saatmengen auf den Ertrag untersucht. Die Studie zeigt, dass Winter­ mohn auch in der Schweiz angebaut werden kann und unter guten Bedingungen interes­ sante Erträge von rund 15 dt/ha erzielt werden können. Zentrale Elemente für einen erfolgreichen Anbau sind die Schaffung von günstigen Bedingungen für einen regelmässi­ gen und raschen Feldaufgang. Je nach Standort- und Witterungsbedingungen, Nährstoffverfügbarkeit und Unkrautdruck eignen sich dafür unterschiedliche Sätechni­ ken und Saatmengen. Dringend empfohlen wird das Walzen vor der Saat. Ob der Schlafmohn mit der Förderung durch die Agrarpolitik 2014–2017 aus dem Dornrös­ chenschlaf geweckt werden wird, wird die Zukunft zeigen.

menge (3,2 kg/ ha) ausgesät. Aufgrund der Erfahrungen in den Sortenversuchen wurde die höchste Saatmenge in diesen Versuchen von 4,45 auf rund 3,5 kg/ha reduziert. Die Ernte erfolgte mit einem Kleinparzellenmähdrescher zwischen dem 10. und 22. Juli. Einzige Ausnahme war die Ernte im Jahr 2007, die am 29. Juni erfolgte. Alle Versuche wurden als einfaktorielle randomisierte komplette Blockanlagen mit drei Wiederholungen  und einer Parzellengrösse von 25 m² angelegt.

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Pflanzenbau | Sorten- und Anbauversuche mit winterhartem Mohn

16

24

14

22 20 18

10

16 8 14 6

12

4

10

2 0

Erntefeuchte (%)

Samenertrag (dt/ha)

12

8 a

b

a

Zeno

Zeno Morphex

Zeno 2002

ab Josef

6

Ertrag 2007 Ertrag 2008 Ertrag 2009 Feuchte 2007 Feuchte 2008 Feuchte 2009

Sorten Abb. 2 | Samenertrag (dt/ha mit 13 % H2O) und Erntefeuchte (% H2O zum Zeitpunkt der Ernte) von vier Wintermohn­s orten unter Biobedingungen am Standort Zürich-Seebach (Jahre 2007, 2008 und 2009). Unterschiedliche Buchstaben innerhalb der Jahre zeigen signifikante Unterschiede (Tukey’s HSD-Test, P < 0,05). Linien entsprechen dem Standardfehler.

Resultate und Diskussion Einfluss der Sorte Im Mittel über alle Sorten konnten im Jahr 2007 mit rund 12 dt/ha die höchsten Erträge der drei Versuchsjahre erzielt werden (Abb. 2). In den beiden folgenden Jahren lag das Versuchsmittel bei rund 7,5 dt/ha. Die Sortenunterschiede waren nur im Jahr 2008 signifikant, wobei die Sorte Zeno Morphex in diesem Jahr mit 4 dt/ ha den tiefsten und die Sorte Zeno 2002 den höchsten Ertrag (9 dt/ha) lieferte (Abb. 2). Die höchsten Erträge lagen im zufriedenstellenden Bereich, liegt doch die Ertragserwartung zwischen 10 bis 15 dt/ha und das zehnjährige Mittel der europäischen Erträge bei 7,6 dt/ ha (FAO 2014). Im Vergleich zu den ertragsreichsten Sommertypen erzielten die geprüften Wintertypen in diesen Untersuchungen nicht wie erwartet höhere Erträge als in den Versuchen mit Sommertypen beschrieben (Frick und Hebeisen 2005). Die Sorten Zeno und Josef lieferten über die Jahre die stabilsten Erträge, wobei Zeno etwas ertragsreicher war als Josef. Aufgrund der langsamen Jugendentwicklung konnten die mechanischen Eingriffe zur Regulierung der Begleitarten boden- und witterungsbedingt erst im Frühjahr erfolgen. Der Unkrautdruck war deshalb zu Beginn der Vegetationszeit in allen Jahren relativ hoch. Trotz des teilweise zusätzlich zum Hacken durchgeführten Handjätens erfolgten all diese Massnahmen aber vermutlich zu spät, um die Erträge noch positiv zu beeinflussen. Eine Beschleunigung der Pflanzenent-

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wicklung zu Vegetationsbeginn wäre mit dem Einsatz von Hofdünger oder aber unter ÖLN-Bedingungen mit der Ausbringung von schnelllöslichen Stickstoffdüngern zu gewährleisten. Dies kann mit diesen Versuchen aber nicht belegt werden, da die Düngung ausschliesslich mit Biorga erfolgte. Bezüglich Frühreife unterschieden sich die Sorten nicht wesentlich. Die durchschnittlichen Wassergehalte der Samen zum Zeitpunkt der Ernte betrugen 7 % (2008) und 10 % (2009). Die Ernte im Jahr 2007 erfolgte mangels Erfahrung etwas zu früh. Grundsätzlich konnten die Pflanzen in allen Jahren gut abreifen und die Ernte war technisch problemlos durchführbar. Ebenso konnte beobachtet werden, dass die Samen in den Kapseln gut gegen stärkere Niederschläge geschützt sind. Aufgrund unserer Erfahrungen ergänzt mit weiteren Erfahrungen aus anderen Anbauzonen, kann aktuell die Sorte Zeno 2002 für den Anbau empfohlen werden. Saatgut kann direkt beim Züchter (Dr. G. Dobos, Gentzgasse 129, 1180 Wien, A) bezogen werden. Ölgehalt und Fettsäuremuster der Wintermohnsorten Die Ölgehalte der untersuchten Wintermohnsorten lagen bei rund 45 % und von den Fettsäuren machte die Linolsäure mit rund 72  % den grössten Anteil aus (Abb. 3). Die Fettsäuremuster der untersuchten Wintermohnsorten liegen in einem ähnlichen Bereich wie diejenigen der Sommertypen (Frick und Hebeisen 2005) und variierten praktisch nicht zwischen den Sorten.


Sorten- und Anbauversuche mit winterhartem Mohn | Pflanzenbau

100

80

%

60

40

20

0 Zeno Morphex

Josef

Zeno 2002 Sorten

Zeno

Abb. 3 | Fettsäuremuster der vier verglichenen Wintermohnsorten am Standort Zürich-Seebach (2009). C16:0 = Palmitinsäure, C16:1 = Palmitoleinsäure. C17:0 = Margarinsäure, C18:0 = Stearinsäure, C18:1 = Ölsäure, C18:2 = L­ inolsäure, C18:3 = Linolensäure, C20:0 = Arachinsäure.

Einfluss der Saatmenge und -technik In zwei von fünf Versuchen wurden mit den höchsten Saatmengen (3,5 kg/ha) die höchsten Erträge erzielt, je nach Standort und Jahr mit der Drillsaat, dem Sembdneroder dem Krummenacher-Sägerät (Abb. 4). Mit 14 dt/ha (Zürich-Seebach 2009, 2010 und 2011) und 17 dt/ha (Flawil 2009) wurden unter guten Bedingungen sehr gute Erträge erreicht. Im 2010 waren die Erträge in Flawil (IPStandort) vergleichsweise tief, was sich durch den steinreichen Boden und dem damit verbundenen unregelmässigen Feldaufgang erklären lässt. Obwohl 2009 der Boden in Flawil ähnlich war, führte die günstigere Witterung während dem Feldaufgang zu einem besseren Pflanzenbestand, was sich direkt auf den Ertrag auswirkte. Im Jahr 2011 konnten in Zürich-Seebach (BioStandort) mit den tiefen Saatdichten Erträge von rund 14 dt/ha erreicht werden, die vergleichbar mit den Erträgen bei hohen Saatdichten waren. Die Mohnpflanzen haben bei tieferen Saatmengen grössere Kapseln ausgebildet, was im Falle von regelmässigen Bestandesdichten ebenfalls zu hervorragenden Erträgen führte (Abb. 4). Zwischen der Saatmenge und dem Kapseldurchmesser konnte sowohl am Bio-Standort in den Jahren 2010 und 2011 (r = –0,76; p < 0,001) als auch am IP-Standort im Jahr 2010 (r = –0,58; p < 0,05) ein signifikanter negativer Zusammenhang festgestellt werden (Abb. 4). Dies belegt, dass die Pflanzenentwicklung über die Saatmenge beziehungsweise die Bestandesdichte beeinflusst wird. Obwohl beim Krummenacher-Sägerät der Feldaufgang verhältnismässig gut und die Pflanzen regelmässig verteilt waren, resultierte mit der gewählten Saatmenge

ein sehr dichter Bestand mit tendenziell zu kleinen Pflanzen mit sehr kleinen Kapseln (Zürich-Seebach, Abb. 4). Da aufgrund der breitflächigen Pflanzenverteilung unter Biobedingungen ausser Striegeln keine Unkrautregulierungsmassnahmen getroffen werden konnten, resultierte aufgrund des erst im Frühjahr möglichen Eingriffs ein vergleichsweise stark verunkrauteter Bestand. Am Standort Flawil wurde im 2009 mit dem Krummenacher-Sägerät ein sehr guter Ertrag erzielt. Dies vermutlich deshalb, da auf der eher steinreichen Parzelle und den damit verbundenen eher schwierigen Bedingungen zur Saat durch die hohe Saatmenge eine ideale Bestandesdichte sichergestellt wurde. Hingegen wurde 2010 mit dem gleichen Verfahren ein sehr schlechter Ertrag erreicht (Abb. 4). Daraus lässt sich ableiten, dass auch mit dem Krummenacher-Sägerät der Mohnanbau je nach Standordbedingungen erfolgreich sein kann. Im Falle der Verfügbarkeit eines Sembdner-Sägerätes weist aber auch dieses Gerät interessante Eigenschaften für den Mohnanbau auf. Mit der sehr tiefen Saatmenge von 0,75 kg/ha wurde aber nur in einem von drei Versuchen ein zufriedenstellender Ertrag erzielt. Da bei diesem Gerät eine Walze bereits integriert ist, entfällt das vorgängig zur Saat empfohlene Walzen. Dadurch ist – insbesondere im Vergleich zum Krummenacher-Sägerät – eine regelmässige Tiefenablage gewährleistet. Insgesamt wurde auch mit der Drillsaat – je nach Standort und Jahr – ein interessanter Samenertrag erzielt. Besonders hervorzuheben ist die Drillsaat unter Bio-Bedingungen mit der hohen Saatdichte. Damit konnten, über die drei Versuchsjahre betrachtet, die stabilsten Erträge erzielt werden (Abb. 4). Die möglichen positiven Auswirkungen einer tieferen Saatmenge sind insbesondere im Biolandbau von grosser Bedeutung. Die geringere intraspezifische Konkurrenz und die gezielte Investition der beschränkt verfügbaren Nährstoffe (insbesondere zu Beginn der Vegetationszeit) in weniger Pflanzen pro Quadratmeter führt insgesamt zu kräftigeren Pflanzen. Diese können dann grössere Kapseln ausbilden und die Begleitflora, mindestens in einem späteren Stadium, stärker beschatten. Dabei entscheidend ist aber, dass bis zum Abschluss der Rosettenbildung die Konkurrenz der Begleitarten verhindert oder mindestens sehr tief gehalten werden kann und keine zusätzlichen Ausfälle durch Schneckenfrass während dem Auflaufen oder durch Auswinterung erfolgen. Bei guter Nährstoffverfügbarkeit hingegen sind dichtere Bestände weniger problematisch. Deshalb wird in diesem Fall empfohlen, die Saatdichte nicht zu tief zu wählen, damit bei allfälligen Pflanzenverlusten wäh rend des Winters keine lückigen Bestände entstehen.

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Pflanzenbau | Sorten- und Anbauversuche mit winterhartem Mohn

20

Semb 3,5

Drill 3,2

Krum 3,2

Semb 1,5 Semb 0,75 Drill 0,75

40

Flawil

Samenertrag (dt/ha)

15

30 25

10 10

Kapseldurchmesser (mm)

35

5 a

a

ab

ab

b

ab

20

35

Samenertrag (dt/ha)

16 14

30

12

25

10 8

10

6 4 2

a

a

ab

Drill 3,2

Krum 3,2

ab

b

Ertrag 2009 Ertrag 2010 Ertrag 2011

ab

Kapseldurchmesser 2010

0

0 Semb 3,5

Kapseldurchmesser (mm)

18

0 40

Zürich-Seebach

Kapseldurchmesser 2011

Semb 1,5 Semb 0,75 Drill 0,75

Verfahren [Sämaschine / Saatmenge (kg/ha)] Abb. 4 | Mittlerer Samenertrag (dt/ha mit 13 % H2O) und Kapseldurchmesser (mm) der Wintermohnsorte Zeno 2002 an den Standorten Flawil (oben) und Zürich-Seebach (unten) bei verschiedenen Saatdichten (0,75; 1,5; 3,2 bzw. 3,5 kg/ha) und Saatverfahren (Sembdner-Sägerät, Drillsaat, Krummenacher-Sägerät) 2009, 2010 und 2011. Linien geben die Standardfehler an. Unterschiedliche Buchstaben innerhalb der Jahre zeigen signifikante Unterschiede (Tukey’s HSD-Test, P < 0,05).

Schlussfolgerungen Unter guten Bedingungen können mit Wintermohn interessante Erträge von rund 15 dt/ha erzielt werden. Im Vergleich zum Sommermohn werden mit Wintermohn nicht unbedingt höhere Erträge erzielt, aber es kann von besseren Aussaatbedingungen im Herbst profitiert werden. Grundsätzlich kann Mohn bezüglich seiner Ertragsbildung als sehr anpassungsfähig charakterisiert werden, weil er bei tieferen Bestandesdichten grössere Kapseln mit mehr Samen ausbilden kann. Für den Mohnanbau können somit unterschiedliche Sätechniken und Saatmengen verwendet werden. Die Auswirkungen auf die Bestandesdichte und schliesslich den Ertrag hängen aber sehr stark von den Standort- und Witterungsbedingungen sowie der Nährstoffverfügbar-

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keit und dem Unkrautdruck ab. Zur Saat vorgängiges Walzen ist dringend empfohlen, damit die Tiefenablage möglichst flach und gleichmässig erfolgen kann. Bei trockenen Bedingungen ist auch ein der Saat nachfolgendes Walzen empfehlenswert, um einen guten Bodenschluss zu gewährleisten. Bevor die Produktion von Mohnsamen aufgenommen wird – sofern das Erntegut nicht direkt vermarktet wird – ist unbedingt die Abnahme und die Aufbereitung n des Erntegutes zu regeln. Dank

Wir danken der Stiftung Hauser (Weggis) für die finanzielle Unterstützung sowie der Familie Götsch und dem Landwirtschaftlichen Zentrum SG in Flawil für die gute Zusammenarbeit. Die Bestimmung der Fettsäuremuster wurde durch ­Oleificio Sabo (Manno) durchgeführt.


Prove varietali e di coltivazione con il papavero resistente alle basse temperature Il papavero (Papaver somniferum L.) è una tipica coltura campicola della Svizzera. Se durante la Seconda guerra mondiale veniva coltivato su un'estensione di circa 1300 ha per l'autoapprovvigionamento di olio alimentare, oggi, invece, sono pochi gli ettari destinati alla coltivazione del papavero in Svizzera. Con la Politica agricola 2014–2017, la coltura del papavero da oppio viene ora sostenuta mediante i contributi per la trasformazione dei semi oleosi (700 fr./ha). Agroscope ha, da una parte, comparato fra loro le varietà a basso contenuto di morfina resistenti al freddo invernale Zeno, Zeno Morphex, Zeno 2002 e Josef e, dall’altra, ha esaminato con la varietà Zeno 2002 gli effetti di varie tecniche di semina e quantità delle sementi sulla resa. Lo studio dimostra che il papavero resistente alle basse tempe­ rature può essere coltivato anche in Svizzera e che, in presenza di condizioni propizie, si possono ottenere rese interessanti di circa 15 q/ha. L’elemento fondamentale per garantire la riuscita della coltivazione è la creazione di condizioni favorevoli a un'emergenza delle sementi rapida e regolare. A seconda delle condizioni geografiche e atmosferiche del sito, della disponibilità di sostanze nutritive e della diffusione di malerbe si rivelano adatte diverse tecniche di semina e quantità delle sementi. Si raccomanda vivamente di spianare il terreno prima della semina. Solo in futuro saremo in grado di stabilire se l'incentivo della Politica agricola 2014–2017 riuscirà a svegliare il papavero dal suo sonno.

Literatur ▪▪ EZV, 2014. Schweizerische Aussenhandelsstatistik. Eidgenössische Zollverwaltung, Bern. Zugang: http://www.swiss-impex.ezv.admin.ch/ [9.4.2014]. ▪▪ FAO, 2014. FAOSTAT database 2013. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom. Zugang: http://faostat3.fao.org [29.4.2014].

Summary

Riassunto

Sorten- und Anbauversuche mit winterhartem Mohn | Pflanzenbau

Variety and cultivation trials with winterhardy poppy Poppy (Papaver somniferum L.) is a tradi­ tional field crop of Switzerland. During the Second World War, it was still grown on around 1300 ha with a view to the country becoming self-sufficient in cooking oil. Today, poppy is only grown in Switzerland on a few hectares. With the entry into force of the 2014–2017 agricultural policy, how­ ever, the cultivation of poppy is now supported by the oilseed production payment (CHF 700/ha). In addition to comparing the low-morphine, winter-hardy varieties «Zeno», «Zeno Morphex», «Zeno 2002» and «Josef», Agroscope has studied also the effects of various sowing tech­ niques and seed quantities on yield with the variety «Zeno 2002». The study shows that winter poppy can also be grown in Switzer­ land, and that attractive yields of around 15 dt/ha can be achieved under good conditions. A key factor for successful cultivation is the creation of favourable conditions for a regular and rapid emer­ gence. Different sowing techniques and seed quantities are suitable for this, depending on site and weather conditions, nutrient availability and weed pressure. Rolling the soil before sowing is urgently recommended. Whether the subsidies provided under the 2014–2017 agricultural policy will wake the poppy from its current slumber, only the future will tell. Key words: poppy, variety, field trial, Switzerland, organic farming.

▪▪ Frick C. & Hebeisen T., 2005. Mohn als alternative Ölpflanze. Agrarforschung 12 (1), 4–9. ▪▪ Koblet R., 1965. Der Mohn. In: Der landwirtschaftliche Pflanzenbau unter besonderer Berücksichtigung der Schweizerischen Verhältnisse. Birkhäuser Verlag, Basel und Stuttgart, 218–219.

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P f l a n z e n b a u

Wie geht es weiter mit der Weizenzüchtung? Peter Stamp1, Dario Fossati2, Fabio Mascher2 und Andreas Hund1 ETH Zurich, Institut für Agrarwissenschaften, 8092 Zürich, Schweiz. 2 Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz Auskünfte: Peter Stamp, E-Mail: peter.stamp@usys.ethz.ch

1

europaweit Sorten zur Verfügung, die in gesunden Beständen Erträge von mehr als 10 t/ha bringen. Bei richtiger Bestandesführung, das heisst vor allem bei genügend verfügbarem Stickstoff vor und nach der Blüte, liefern sie für den europäischen Markt backfähige Ware, auch wenn die Schweizer Qualitätsstandards nicht unbedingt erreicht werden. Die ausnehmend hohe Backqualität der Schweizer Sorten im Einklang mit einer hohen Bestandesgesundheit galt über Jahrzehnte als selbstverständlich (Abb. 1). Diese Sorteneigenschaften wurden jedoch von der Abnahmegarantie des Bundes getragen. Mit dem Umdenken auf nationale und internationale Vermarktbarkeit staatlich gezüchteter Sorten gilt es, die Vorteile der eigenen Sorten mit deutlich gesteigerter Ertragsfähigkeit zu kombinieren (Fossati und Brabant 2003).

Abb. 1 | Die Züchterinnen und Züchter von Agroscope achten auf eine hohe Krankheitsresistenz ihrer Sorten.

Einleitung Vor hundert Jahren schrieb der ETH Professor A. Nowacki, in dreissigjähriger Arbeit die Getreideerträge im deutschen Kaiserreich von 1,1 auf 1,6 t/ha gesteigert zu haben, sei sein Leistungsausweis. Bereits damals war der mit Dampfschiffen aus Nordamerika importierte Brotweizen konkurrenzlos billig geworden. Die Europäer die Schweiz ausgenommen – hatten begonnen, englischen und amerikanischen Massenweizen in ihre Sorten einzukreuzen, ihr höherer Ertrag wurde allerdings mit einer geringeren Backqualität erkauft (Porsche und Taylor 2001). Nach dem Ersten Weltkrieg dachte man um und beachtete für eine minimale Selbstversorgung neben dem Ertrag auch die Backqualität. Heute stehen

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Saatgutwechsel ist der Motor der privaten Züchtung Das Fundament unserer Esskultur bildet der Brotweizen, daher muss dessen Anbau ebenso weitergehen wie die Züchtung. Dieses Muss erklärt sich allein schon durch das Auftreten immer neuer Schaderreger beziehungsweise neuer Pathotypen, die sich bei einer auf allen Kontinenten angebauten Kulturpflanze schnell global ausbreiten. Allein dies erfordert die permanente Selektion auf Resistenz. Sorten, die 2030 unbedingt notwendig sind, müssen bereits dieses Jahr geplant und im nächsten Jahr durch erste Kreuzungen begonnen werden (Stamp 2011). Diesen Fortschritt − hoher Ertrag und hohe Qualität, verbunden mit einer ausgezeichneten Ertragssicherheit durch robustes Überdauern und Wachstum bei Frost und Hitze, Dürre und Nässe − erwarten die Landwirtinnen und Landwirte. Aber bezahlen sie auch genügend dafür? Nein! Ohne regelmässigen Saatgutwechsel geht den Züchtungsfirmen der herkömmlichen Liniensorten das Geld aus. Zwar sind in der EU bei Nachbau Lizenzgebühren seit Jahren festgelegt, aber diese sind bei Nachbau auf viel zu tiefem Niveau angesetzt. Das erklärt bereits, warum es weltweit viele Züchterinnen und Züchter für Mais gibt: der stete Saatgutwechsel beim Hybridanbau ermöglicht Züchtungsfir-


men eine langfristige Investitionsplanung. Beim Weizen liegt der Nachbau beispielsweise in Deutschland, Frankreich oder Italien um die 50 % (Curtis und Nilson 2012), völlig unzureichend für eine weiterhin starke Züchtung von Selbstbefruchtersorten wie Weizen und Gerste. In der Schweiz nimmt der Nachbau erfreulicherweise immer noch weniger als 10 % der Weizenflächen ein (pers. Mitteilung Willi Wicki, DSP). Stand der Züchtung gut, Zukunft muss gesichert werden Im letzten Jahrhundert stiegen die in der Landwirtschaft erreichten Erträge rasch an (Hategekimana et al. 2012). Verglich man jedoch die oberirdische Gesamtmasse alter und neuer Sorten bei optimaler Nährstoffversorgung und ohne Lagerungsschäden, war der Züchtungsfortschritt gering. Meist begründete sich der Anstieg des Kornertrages allein auf der Steigerung des Ernteindex, d.h. der Anteil des Korns an der Sprossbiomasse stieg von ca. 35 % auf über 50 % (Peltonen-Sainio et al. 2008). Mit kurzen Halmen nahm die Standfestigkeit zu und physiologisch optimale Stickstoffmengen konnten zu den entscheidenden Wachstumsphasen gedüngt werden. Übersichtsartikel belegen nun aber, dass in Europa seit 20 Jahren kaum noch Steigerungen der Weizenerträge zu verzeichnen sind. Dies liegt zum einen daran, dass der bereits vor ca. drei Jahrzehnten erreichte Ernteindex von über 50 % als Motor des Ertragsfortschrittes ausfällt. Hinzu kommen in politische Verordnungen gefasste Wünsche der Gesellschaft nach einer Ökologisierung der Landwirtschaft und mutmasslich auch der Klimawandel (Brisson et al. 2010). Die mit der Ökologisierung einhergehende Verringerung von Steuerungsmöglichkeiten bei Wachstum und Bestandesgesundheit durch Düngung und Pflanzenschutzmittel macht es schwierig, den Zuchtfortschritt genau zu erfassen. In der Schweiz kommt noch hinzu, dass sehr stark auf Proteingehalt selektiert wird, was die Möglichkeiten einer gleichzeitigen Ertragsmaximierung begrenzt. Allerdings muss der Maximalertrag − erreicht, wenn die beste Sorte bei intensiver Bestandesführung angebaut wird − mit dem Feldertrag verglichen werden, der ökonomisch von guten Landwirtinnen und Landwirten erreicht wird. Dieser liegt in fortschrittlichen Ländern wie Grossbritannien bei etwa 80 % des Maximalertrages; auf der Basis des Maximalertrags beträgt der Zuchtfortschritt pro Jahr 1 %, für eine globale Ernährungssicherheit im Jahre 2050 müsste er aber bei 2,5 % liegen (Fischer und Edmeades 2010) Zuchtziele bleiben Ertrag und Qualität, neue Zugpferde für die Selektion müssen noch etabliert werden. Seit Beginn des Brotweizenanbaus sind Steigerungen von Ertrag und Qualität die Hauptziele der Züchtung. 

Zusammenfassung

Wie geht es weiter mit der Weizenzüchtung? | Pflanzenbau

In der Schweiz hat die staatliche Züchtung von krankheitsresistentem Qualitätsweizen eine lange Tradition, der Spielraum für deutli­ che Steigerungen des Ertragspotenzials ist jedoch noch nicht ausgereizt. Anders sieht es in der EU aus, wo die Züchtung fast aus­ schliesslich privat organisiert ist: dort wurde vor 100 Jahren zunächst der Ertrag einseitig gesteigert, bevor man sich später auf Qualität rückbesann. Auch bei Massenwei­ zensorten stockt der Ertragsfortschritt mit gerade einmal 1 % pro Jahr, für die globale Ernährungssicherheit müssten es jedoch 2,5 % sein. Um dies zu erreichen, müsste man sehr viel mehr investieren. Aber dem steht der schwache Rückfluss von Lizenzeinnah­ men entgegen. In manchen Ländern hat der Nachbauweizen einen Anteil von 50 % erreicht. Imposante Ertragssprünge sind in dieser Situation nicht zu erwarten, zumal der Ernteindex − der Anteil der Korn- an der Gesamtsprossmasse − heute mit über 50 % vermutlich am Optimum angekommen ist und seine Rolle als Motor des Fortschritts eingebüsst hat. Aber der Einsatz molekularer Werkzeuge präzisiert und beschleunigt die Züchtung −Methoden, die man auch oft unter dem Begriff «smart-breeding» zusam­ menfasst. Hier stehen wir beim hexaploiden Weizen erst am Anfang. Eine Verdoppelung der Fotosyntheseeffizienz ist angedacht, erfordert aber eine Neukonstruktion der drei Milliarden Jahre alten Fotosynthese, und lässt sich nicht in den nächsten Jahrzehnten verwirklichen. Somit wird der intelligente Einsatz ALLER Hilfsmittel nötig sein, um auf den Klimawandel mit begleitenden Maßnah­ men zu reagieren, damit sich neue Sorten an das rasante Wechselspielen von Nässe und Trockenheit sowie Kälte und Hitze anpassen können. Gleiches gilt für die Anpassung an immer neue Schädlinge und Krankheiten in einer globalisierten Welt.

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Pflanzenbau | Wie geht es weiter mit der Weizenzüchtung?

Informatik Genetik/ Biotechnologie Testung auf dem Feld

Biologie

Selektion Agronomie

Physiologie, Phenomics

Inhaltsstoffe, Qualität Abb. 2 | Moderne Züchtung ist die Vernetzung von komplexem Fachwissen.

Heute verstehen wir die biochemischen Grundlagen für die Backqualität sehr gut. Es ist vor allem die Zusammensetzung des Glutens, der Speichereiweisse im Mehlkörper. Gluten besteht aus vielen kleinen Eiweisstypen, den Gliadinen, sowie den ebenfalls zahlreich vertretenen grossen Eiweisstypen, den Gluteninen. In einem sehr komplexen Zusammenspiel bestimmen vorwiegend die Glutenbestandteile die Backqualität. Zwar sind für deren wichtigste Vertreter die genetischen Grundlagen schon bekannt, aber noch wird dieses Wissen nicht gezielt genug eingesetzt, um routinemässig im Labor eine Vorprüfung des Zuchtmaterials auf künftige Backeigenschaften zu machen (Gobaa 2007). Leider wissen wir inzwischen auch, dass die Ernährungsqualität des Weizeneiweisses nicht beliebig gesteigert werden kann, da für die «Verklebung» der Eiweisse schwefelhaltige Aminosäuren wesentlich sind; diese sind also technisch für das Backen wichtig, aber diätetisch weitgehend bedeutungslos. Zugleich erklären diese Aminosäuren auch, warum es für hohe Brotweizenerträge bei über 12 % Eiweiss eben auch genügend Schwefel im Boden braucht. Die Umverteilung von Stroh zu Korn war für 100 Jahre das Leitmerkmal für den ansteigenden Kornertrag, gleichzeitig auch für die steigende Kornzahl pro Hektar.

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Noch kennen wir kein vergleichbares starkes Leitmerkmal auf physiologischer oder molekularer Ebene, mit dem sich die Erträge weiterhin rasch steigern lassen können. Die Grünflächendauer nach Blüte ist zusammen mit dem Ernteindex sicher sehr wichtig für gutes Kornwachstum und -ertrag. Da die Grünflächendauer jederzeit durch Krankheiten, Schädlinge, Hitze und Dürre gefährdet ist, erklärt sich die Wichtigkeit von biotischen und abiotischen Toleranzen. So erreicht Wildweizen zwar sehr hohe Fotosyntheseraten, aber die Blätter sterben bald nach der Blüte ab. Unsere standfesten Weizensorten sorgen bei guter Stickstoffversorgung für eine sehr lange Grünflächendauer, doch die Grenzen dieser Selektionsmöglichkeit wird am Beispiel Mais deutlich, wo «BleibGrün»-Typen im Extremfall bei grünen Blättern erntereife Körner haben. Fazit daraus: es sind keine grossen Sprünge in der Weizenzüchtung für die kommenden Jahrzehnte in Sicht. Ein Lichtschimmer im reinen Wortsinn sind weltweite Beobachtungen bei Weizen und Mais, dass erstmals eine verbesserte Fotosyntheseleistung in Hochleistungssorten zum Zuchtfortschritt beiträgt (Fischer und Edmeades 2010). In die gleiche Richtung weisen Berechnungen von Biochemikern, denen zufolge die Pflanzenleistung theore-


Wie geht es weiter mit der Weizenzüchtung? | Pflanzenbau

Wilder Emmer AABB

Emmer AABB

Hybridisierung vor 7-9500 a

Unbekannter Aegilops Verwandter BB

Domestikation vor 10-12’000 a

Wilder Weizen (T. boeticum) AA

Walch (Aegilops tauschii) DD

Weichweizen AABBDD

Abb. 3 | Abstammung des Brotweizens. (Quelle: www.sortengarten.ethz.ch)

tisch verdoppelt werden kann, in dem Enzymaktivitäten und andere Prozesse mit grundlegenden Eingriffen an die steigenden Konzentrationen von CO2 in der Atmosphäre angepasst werden (Zhu et al. 2010). Dies ist Zukunftsmusik und eine Aufgabe für die vor uns liegenden Jahrzehnte. Momentan muss erforscht werden, wie sich vor allem die Fotosyntheseausbeute während der Blüte verbessern lässt, um die Anzahl Körner pro Fläche weiter steigern zu können. Aktuell fehlen sofort umsetzbare Selektionsmerkmale für die Züchtung. Dies ist eine der grossen Herausforderungen für die moderne Molekularbiologie. Zuchtfortschritt geht auch heute weiter Der Fokus für die nächsten Jahre richtet sich auf die Gesamtvitalität der Pflanze, einschliesslich einer verbesserten Toleranz gegenüber Krankheiten und Klimaschwankungen. Auch dem Erfolg dieser Zuchtziele sind natürlich Grenzen gesetzt, da Toleranzen der Pflanze oft «Kosten verursachen», durch zusätzliche Stoffwechselleistungen oder Wechselwirkungen mit Wachstumsvorgängen. Dies wurde bereits am Beispiel der Sorte Arina richtungsweisend gezeigt (Ortelli et al. 1996). Andererseits können wir zunehmend die neuen Selektionswerkzeuge der molekularen Genetik einsetzen. Sie stehen seit langem im Zentrum des öffentlichen Interesses. Aber die moderne Züchtung ist ein sehr komplexes Unterfangen, das nur dann zur neuen Sorte führt, wenn die Züchterin / der Züchter alle Abläufe beherrscht (Abb. 2). Seit

mehr als zwei Jahrzehnten läuft bereits eine intensive Diskussion über die Nutzungspotentiale der Erkenntnisse auf molekularer Ebene, beständig angefeuert durch Fortschritte in der Kenntnis von Aufbau und Funktion einzelner Gene und ihrem sehr komplexen Zusammenspiel bei der Ausbildung von Eigenschaften der Pflanze (Stamp und Visser 2012). Oft fokussiert sich das Interesse leider nur auf die Gentechnologie und deren Potential, durch Einfügung einzelner Gene/Allele Schwächen einer sonst sehr guten Sorte zu beheben. Die molekulare Genetik ist begrifflich der Gentechnologie übergeordnet, sie umfasst die Entschlüsselung der Gesamtheit aller Gene einer Pflanze − dem Genom − deren Zusammenspiel und deren Diagnostik. Ermöglicht die Gentechnik die Ergänzung oder Reparatur der genetischen Ausstattung, so erlauben von der Kenntnis wichtiger Gene abgeleitete Marker die Selektion am Gen, international mit MAS (marker assisted selection) abgekürzt. Ein neuer Ansatz ist, die genomweite Anordnung vieler Marker zu berücksichtigen, um den Wert einer zu selektierenden Pflanze oder Linie zu bestimmen. Diese «genomische Selektion» steckt bei Weizen allerdings noch in den Kinderschuhen. Oft wird die intelligente Integration aller molekularbiologischen und konventionellen Techniken, die es erlaubt, schneller und präziser zu züchten, als «Smart-Breeding» bezeichnet (Lusser et al. 2012). Theoretisch könnte man bei der Auswahl der Kreuzungseltern oder vor der Anerkennung ausgezeichneter Test- 

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Pflanzenbau | Wie geht es weiter mit der Weizenzüchtung?

linien mit «Smart-Breeding» untersuchen, ob alle gewünschten Gene für Backqualität, Krankheitsresistenzen etc. vorhanden sind. Dies klingt gut, ist bei Weizen aber gar nicht so schnell umzusetzen. So hat Reis ein sehr kleines Genom, Brotweizen dagegen vereinigt gleich die kompletten Genome von drei verschiedenen wenn auch verwandten Wildweizenarten in sich, fünffach grösser als beim Menschen (Abb. 3). Daher ist die Gesamtentschlüsselung des Weizengenoms erst 2009 an der Modelllinie Chinese Spring gelungen, auf dieser Wissensbasis entwickelte Sorten werden nicht vor 2030 erwartet (Brenchley et al. 2012). Allerdings ist die Generkennung in den letzten Jahren zwanzigfach billiger und sehr viel schneller geworden. So können bereits heute viele bekannte Eigenschaften mit Hilfe der DNA-Chip-Technologie oder durch Sequenzierung diagnostiziert und selektiert werden. Die genetischen Ressourcen der Genbanken stellen immer noch ein riesiges unerschlossenes Potential für die Entdeckung unbekannter Gene dar, das mit der DNAChip-Technologie erschlossen werden kann. Noch liegen dort Hunderttausende alter Weizenlandsorten aus aller Welt im Dornröschenschlaf. Wir wissen beispielsweise, dass viele Krankheitsresistenzgene dort zu finden sind, deren Erschliessungsmöglichkeit eine richtungweisende Studie an der Universität Zürich aufzeigte (Bhullar et al. 2010). Die Züchterinnen und Züchter werden sich erst dann dafür interessieren, wenn er das neue Gen oder das neue Allel mit Hilfe von Markern schnell und präzise in eine Zuchtsorte hinein platzieren kann, mit Hilfe der Rückkreuzung oder eventuell durch den Einsatz der Gentechnologie.

Literatur ▪▪ Bhullar N.K., Mackay M. & Keller B., 2010. Genetic Diversity of the Pm3 Powdery Mildew Resistance Alleles in Wheat Gene Bank Accessions as Assessed by Molecular Markers Diversity 2: 768–786. ▪▪ Brenchley R., Spannagl M., Pfeifer M., Barker G.L.A., D'Amore R., Allen A.M., McKenzie N., Kramer M., Kerhornou A., Bolser D., Kay S., Waite D., Trick M., Bancroft I., Gu Y., Huo N., Luo M.-C., Sehgal S., Gill B., Kianian S., Anderson O., Kersey P., Dvorak J., McCombie W.R., Hall A., Mayer K.F.X., Edwards K.J., Bevan M.W. & Hall N., 2012. Analysis of the breadwheat genome using whole-genome shotgun sequencing. Nature 491, 705-710. DOI: 10.1038/nature11650. ▪▪ Brisson N., Gate P., Gouache D., Charmet G., Oury F.-X. & Huard F., 2010. Why are wheat yields stagnating in Europe? A comprehensive data analysis for France. Field Crops Research 119, 201-212. DOI: 10.1016/j. fcr.2010.07.012. ▪▪ Curtis F. & Nilson M., 2012. Collection systems for royalties in wheat, an International study. Bio-Science Law Review 12. ▪▪ Fischer R.A. & Edmeades G.O., 2010. Breeding and Cereal Yield Progress. Crop Science 50, S85-S98. DOI: 10.2135/cropsci2009.10.0564. ▪▪ Fossati D. & Brabant C., 2003. Die Weizenzüchtung in der Schweiz. ­A grarforschung 10 (11–12): 447–458.

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Schlussfolgerungen Seit mehr als hundert Jahren wird in der Schweiz Weizen gezüchtet, die Aufgabe Gesundheit, Backqualität und Ertrag auf hohem Niveau zu verbinden, bleibt unverändert bestehen. Doch gibt es mittlerweile europaweit ertragsstarke Sorten mit akzeptabler Backqualität. Steigen grosse Firmen zudem in die Weizenzüchtung ein, werden wir wahrscheinlich eine Erhöhung der Präzision und Schnelligkeit erleben, wie dies bereits bei Mais der Fall ist. Dennoch hat auch das zwar kleine, aber auf langjährigem fokussiertem Einsatz basierte Züchtungsprogramm der Agroscope ein erstaunlich hohes Potenzial, diesen Herausforderungen zu begegnen. Seine große Stärke sind engagierte, in der Züchtung erfahrene und wissenschaftlich bestens ausgebildete Fachleute; sie haben in der Vergangenheit bewiesen, dass durch eine effiziente Zusammenarbeit mit der DSP auch die staatliche Züchtung Marktchancen nutzen kann. Zudem bietet die engräumig vernetzte Schweiz grosse Chancen, die Züchtungsforschung von ETH und kantonalen Universitäten mit Agroscope so abzustimmen, dass eine Win-Win-Situation entsteht. Mit anderen Worten, durch oft nur geringfügige Anpassung von Zielen und Durchführung der Forschung können Wissenschaft und Züchtung gewinnen. Dies bedeutet keine Abschottung, sondern zusätzliche Möglichkeiten, durch internationale Kontakte wichtige Veränderungen im internationalen Raum umzusetzen. Nur wer geben n kann, bekommt auch etwas.

▪▪ Gobaa S., Bancel E., Kleijer G., Stamp P. & Branlard G., 2007. Effect of the 1BL.1RS translocation on the wheat endosperm, as revealed by proteomic analysis. Proteomics 7, 4349-4357. DOI: 10.1002/pmic.200700488. ▪▪ Hategekimana A., Schneider D., Fossati D. & Mascher F, 2012. Performance and nitrogen efficiency of Swiss Wheat varieties from the 20th century. Agrarforschung Schweiz 3 (01), 44–51. ▪▪ Lusser M., Parisi C., Plan D. & Rodriguez-Cerezo E., 2012. Deployment of new biotechnologies in plant breeding. Nat. Biotechnol. 30, 231–239. ▪▪ Peltonen-Sainio P., Muurinen S., Rajala A. & Jauhiainen L., 2008. Variation in harvest index of modern spring barley, oat and wheat cultivars ­a dapted to northern growing conditions. Journal of Agricultural Science 146, 35–47. DOI: 10.1017/s0021859607007368. ▪▪ Porsche W. & Taylor M., 2001. German Wheat Pool, In: The World Wheat Book: A History of Wheat Breeding (Eds W. J. Bonjean & W. J. Angus), ­L avoisier Publishing, Paris, Chapter 5, 167–191. ▪▪ Stamp P., 2011. How to increase yield and quality of wheat?, 61. Tagung der Vereinigung der Pflanzenzüchter und Saatgutkaufleute Österreichs 2010. pp. 5–7. ▪▪ Stamp P. & Visser R., 2012. The twenty-first century, the century of plant breeding. Euphytica 186, 585–591. DOI: 10.1007/s10681-012-0743-8. ▪▪ Zhu X.G., Long S.P. & Ort D.R., 2010. Improving Photosynthetic Efficiency for Greater Yield. Annual Review of Plant Biology 61, 235–261. DOI: 10.1146/annurev-arplant-042809-112206.


L'avvenire del miglioramento genetico del frumento In Svizzera il contributo di istituzioni pubbliche alla selezione di frumento può vantare una lunga tradizione nella produzione di varietà sane e di elevata qualità panificabile ed esiste tuttora un buon margine per migliorare il potenziale di rendimento. Diversa è la situazione nel resto d’Europa, dove la selezione è prevalentemente organizzata da enti privati. Un secolo fa la loro preoccupa­ zione primaria era la resa, ed è solo qualche decennio più tardi che si assiste a un riorientamento verso la qualità. Oggi l’aumento di rendimento delle varietà più comuni languisce intorno all’ 1 %, mentre sarebbe necessario un aumento del 2,5 % per nutrire la popolazione mondiale. Un tale progresso necessiterebbe di maggiori investimenti, che però mancano a causa delle basse riscossioni legate alle licenze. In certi Paesi il tasso di rinnovamento della semenza è inferiore al 50 % e non ci si può dunque aspettare salti impressionanti nei rendimenti. Inoltre l’indice di resa, cioè la percentuale di grano nella massa aerea della pianta, si attesta intorno al 50 % e ha probabilmente raggiunto l’optimum biologico, perdendo il suo ruolo come stimolo di progresso. D’altra parte, la selezione diventa più precisa e celere grazie all’impiego di metodi molecolari, noti anche come «smart breeding». Per il grano tenero si è ancora agli inizi. Si mira, è vero, a un raddoppiamento dell’effi­ cienza fotosintetica, ciò comporta tuttavia una ricostruzione dell’intero sistema fotosintetico vecchio di 3 miliardi d’anni che giungerà a completamento solo nel prossimo secolo. Di conseguenza, l’im­ piego intelligente di tutti i mezzi a disposizione è indispensabile per rispon­ dere al cambiamento climatico con nuove varietà più adatte ai giochi d’alternanza tra periodi umidi e di siccità, e ondate di freddo e di calore. Lo stesso dicasi per l’adattamento alla diffusione di nuovi parassiti e malattie in un mondo sempre più globalizzato.

Summary

Riassunto

Wie geht es weiter mit der Weizenzüchtung? | Pflanzenbau

The future of wheat breeding Unlike the situation in the European Union, where wheat breeding is almost exclusively in the hands of the private sector, public breeding of disease-resistant wheat with high baking quality has a long-standing tradition in Switzerland. Important increases in yield potential are still possible here. After World War I, wheat yield in other European countries increased rapidly due to a focus on mass production and a demand for high baking quality. The current annual breeding progress in mass-produced wheat remains at 1 %, and large investments would be necessary to raise this rate to the 2.5 % required for global food security. However, investment does not pay back when seed rotation is reduced to 50 % as it is the case in some countries. Therefore, significant yield leaps cannot be expected in the near future. As the harvest index—the driving trait of the Green Revolution—is close to its theo­ retical maximum above 50 % and thus no longer drives progress, smart-breeding may allow fast and precise breeding. Smartbreeding combines cheap and efficient molecular tools with new phenotyping techniques to produce novel varieties, such as hexaploid bread wheat. The theoretical possibility of doubling the photosynthetic efficiency is a silver line at the horizon, but it demands fundamental changes to an age-old breeding system. In the face of climate change and ongoing globalization, the reasonable use of new breeding tools will help us develop new productive wheat varieties that are tolerant to rapid changes from hot to cold or flooding to drought and are resistant to pests and diseases. Key words: wheat breeding; breeding investments; smart-breeding; baking quality.

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P f l a n z e n b a u

Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte: Analyse verschiedener Faktoren Frédéric Tschuy, Aurélie Gfeller, Roger Azevedo, Caroline Khamissé, Lydie Henriet und Judith Wirth Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz Auskünfte: Judith Wirth, E-Mail: judith.wirth@agroscope.admin.ch

Übersicht über den Feldversuch. (Foto: Frédéric Tschuy)

Einleitung Seit einigen Jahren nimmt der Zwischenfruchtanbau in der Schweiz zu und wird von den Schweizer Behörden gefördert. Zwischenfrüchte sind Pflanzenbestände, die zwischen zwei Hauptkulturen angebaut, selbst aber nicht geerntet werden (Arvalis 2011). Sie erbringen ökologische Leistungen wie die Verringerung von Nährstoffauswaschung, Stickstoff-Bereitstellung für die Folgekultur, Schutz vor Erosion, Verbesserung der Bodenstruktur sowie des Wasserhaushaltes, eine Verringerung des Schädlingsdruckes auf die Kulturen und eine Reduzierung des Unkrautwachstums (Justes et al. 2012). Bei der Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Einerseits gibt es die Konkurrenz um verfügbare Ressourcen wie Wasser, Nährstoffe und Licht, andererseits gibt es eventuell allelopathische Effekte der angepflanzten Kulturen. Allelo-

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pathie wird definiert als direkter oder indirekter, positiver oder negativer Effekt einer Pflanze auf eine andere mittels biochemischer Substanzen, die in die Umwelt abgegeben werden (Rice 1984). In den meisten Fällen handelt es sich um die hemmende Wirkung einer Pflanze (Donor) auf die Entwicklung (Keimung und Wachstum) einer anderen Pflanze (Akzeptor). Allelochemische Substanzen können von den Donorpflanzen durch Verdunstung, Auswaschung aus den Blättern, verrottende Pflanzenteile oder Wurzelausscheidungen freigesetzt werden. Es ist sehr schwierig, die Konkurrenz um Wachstumsfaktoren von den allelopathischen Effekten zu trennen. Mehrere Autoren sind der Meinung, dass dies in natürlichen Systemen praktisch unmöglich ist (He et al. 2012; Inderjit und del Moral 1997). Um das Phänomen Allelopathie nachzuweisen, werden die meisten Versuche im Labor oder im Gewächshaus unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt. In


vielen Studien werden oberirdische Pflanzenteile und/ oder Wurzeln mit Wasser oder Ethanol extrahiert, um anschliessend Keimtests mit Testpflanzen wie Kresse oder Salat durchzuführen (Kalinova und Vrchotova 2009). Unter natürlichen Bedingungen ist eine Studie viel komplexer, da biotische und abiotische Interaktionen im Boden das Vorhandensein allelopathischer Stoffe beeinflussen können. Zudem können die unterschiedlichen Formen der Konkurrenz zwischen den Pflanzen die gesuchten allelopathischen Effekte maskieren (Inderjit und Callaway 2003). Für die vorliegende Studie wurden drei Arten ausgewählt (Buchweizen, Sorghum, Brauner Senf), die dafür bekannt sind, während ihres Wachstums Unkräuter im Feld stark zu unterdrücken (Kumar et al. 2009; Tominaga und Uezu 1995; Weston et al. 2013). Ziel dieses Feldversuchs ist es zu verstehen, warum wachsende Zwischenfruchtbestände Unkräuter unterdrücken. Zugleich soll eine Methode entwickelt werden, mit der die verschiedenen Konkurrenzfaktoren, vor allem die Beschattung, von möglichen allelopathischen Effekten getrennt werden können. Diese Methode soll dazu dienen verschiedene Arten oder Sorten von Zwischenfrüchten bezüglich ihrer allelopathischen Wirkung zu charakterisieren und zu beurteilen. Sobald ein allelopathischer Effekt bewiesen ist, werden wir versuchen, die Allelochemikalien im Boden zu identifizieren und zu quantifizieren.

Material und Methoden Verwendetes Pflanzenmaterial Das Saatgutmaterial wurde bei der Firma UFA-Samen erworben. Folgende Arten und Sorten wurden ausgewählt: Fagopyrum esculentum Moench (Buchweizen, Sorte Lileija), Sorghum bicolor Moench x Sorghum sudanense (Piper) Stapf (Hybridsorghum, Sorte Haykin) und Brassica juncea (Brauner Senf, Sorte Vitasso). Die Samen des Zurückgekrümmten Fuchsschwanz (Amaranthus retroflexus) wurden von Herbiseed (Twyford, England) geliefert.

Zusammenfassung

Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte: Analyse verschiedener Faktoren | Pflanzenbau

Der Zwischenfruchtanbau in der Schweiz nimmt aufgrund seiner umfangreichen ökolo­ gischen Leistungen immer mehr zu. Eine wichtige Funktion von Zwischenfrüchten ist die Unkrautunterdrückung, die auf zwei Faktoren zurückzuführen ist. Einerseits die Konkurrenz um Wachstumsfaktoren (Wasser, Licht und Nährstoffe), andererseits eventu­ elle allelopathische Wechselwirkungen (biochemische Interaktionen zwischen Pflanzen). Um die Mechanismen der Unkraut­ unterdrückung durch Zwischenkulturen besser zu verstehen, haben wir einen Feldversuch durchgeführt, bei dem wir den Effekt dreier Zwischenfrüchte auf das Unkrautwachstum, vor allem Amarant, untersucht haben. Dabei haben wir versucht zu verstehen, welche Faktoren bei der Unkrautunterdrückung eine Rolle spielen. Dazu haben wir einen neuartigen Versuchs­ aufbau entwickelt, der es uns ermöglicht, die Einflussfaktoren Beschattung durch die Deckfrucht und allelopathische Wurzelinter­ aktionen zwischen Deckfrucht und Amarant jeweils isoliert zu untersuchen. Im ersten Versuchsjahr konnte der Konkurrenzfaktor Licht stark reduziert werden, allerdings gelang es uns aus methodischen Gründen nicht, Wurzelinteraktionen komplett zu verhindern. Die vorliegenden Zwischener­ gebnisse machen deutlich, dass die Lichtkon­ kurrenz bei der Unkrautunterdrückung im Feld eine sehr wichtige Rolle spielt. Ein allelopathischer Effekt der Zwischenfrüchte bei der Wachstumshemmung der Unkräuter konnte jedoch noch nicht nachgewiesen werden.

Anlage des Feldversuchs Nach dem Pflügen (22 cm tief) am 5. August 2013 wurden die drei Kulturen am 6. August auf einen lehmigen Boden (29,1 % Ton, 42 % Schluff, 28,9 % Sand, 2,2 % OS, pH 8) gesät. Die Vorfrucht war Luzerne (Medicago sativa), welche am 30. März 2012 gesät worden war. Die Zwischenfrüchte wurden mit einem Reihenabstand von 12,5 cm mit folgenden Saatmengen gedrillt: Buchweizen 75 kg/ha, Hybridsorghum 60 kg/ha und Brauner Senf mit 10 kg/ha. Jede Kultur wurde in einem Block von 48 m² angelegt, wobei jeder Block in vier Teilflächen von glei- 

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Pflanzenbau | Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte: Analyse verschiedener Faktoren

(18 TnS) wurden die Amarant Pflanzen auf fünf Pflanzen pro Rohr beziehungsweise pro Ring ausgedünnt, damit in allen Varianten die gleiche Anzahl Pflanzen vorhanden war. Für die Versuchsvariante Beschattung der Amarante, die es ermöglicht den Konkurrenzfaktor Licht zu untersuchen, wurden am 26. August (21 TnS) starre Metallnetze (1,2 × 0,5 m, Maschenweite 12 mm) zwischen die Pflanzreihen positioniert (Tab. 1 | Versuchsvarianten B und D, N=4; Abb. 1).

Abb. 1 | Versuchsvarianten B und D im Buchweizenbestand am 28. August (23 TnS). Zwischen zwei Netzen befinden sich zwei PVC-Rohre und zwei Ringe mit je fünf Amarant Pflanzen. Die Netze drücken das Blattwerk zur Seite, damit die Amarant Pflanzen nicht beschattet werden. (Foto: Frédéric Tschuy, Agroscope)

cher Grösse unterteilt war. Eine Kontrollparzelle mit nacktem Boden wurde identisch vorbereitet. Am 12. August, (7 TnS (= Tage nach der Saat)), wurde eine Düngergabe von 50 kg N/ha (27,5 % Ammoniumnitrat) auf dem ganzen Versuch ausgebracht. Für die Versuchsvariante Trennung der Rhizosphären wurden PVC-Rohre (Durchmesser 10 cm, Länge 25 cm) zwischen den Saatreihen der Zwischenfrüchte, sowie in der Kontrollparzelle (Tab. 1 | Versuchsvarianten C, D und F, N=8, Abb. 2b) am 6. August direkt nach der Saat in den Boden geklopft. Für die Versuchsvariante ohne Trennung der Rhizosphären wurden PVC-Ringe (Durchmesser 10 cm) zwischen den Saatreihen der Zwischenfrüchte sowie in der Kontrollparzelle mit dem nackten Boden ausgelegt, um den Amarant Testpflanzen die gleiche Fläche wie in den PVCRohren zuzuweisen (Tab. 1 | Versuchsvarianten A, B und E, N=8, Abb. 2a). Am selben Tag wurden etwa 30 Amarant Samen in die Rohre und in die Ringe gesät. Am 23. August

A)

Bodenanalyse Am 6. August wurde in jedem Block eine Bodenprobe gezogen, um die verfügbaren Nährstoffgehalte an P, K und Mg (Wasserextraktion) und die entsprechenden Reservenährstoffgehalte (Extraktion mit Ammoniumacetat + EDTA) zu analysieren. Am 9. und 27. September (35 und 53 TnS) wurde der Boden in jedem Block auf verfügbares P, K und Mg (Extraktion mit CO2 gesättigtem Wasser gemäss Dirks-Scheffer) untersucht. Am 3. und 27. September (29 und 53 TnS) wurden Nmin Gehalte gemessen (mit Ionen-Austausch-Chromatographie) (Agroscope ART undACW 2010). Messung der photosynthetisch aktiven Strahlung Die PAR (photosynthetically active radiation) wurde zu verschiedenen Zeitpunkten während des Versuchs (25, 31, 39, 45 et 49 TnS) mit einem LI-191 Line Quantum Sensor (LI-COR Biosciences) gemessen. Die Messungen wurden stets zur Mittagszeit beim höchsten Sonnenstand vorgenommen. Die photosynthetisch aktive Strahlung wurde jeweils knapp oberhalb des Pflanzenbestandes und auf Bodenniveau gemessen. Die Fraktion des zurückgehaltenen photosynthetisch aktiven Lichts (absorbierte PAR) wurde nach folgender Formel berechnet: (1 - (PAR Bodenniveau / PAR Niveau Pflanzenbestand)) * 100.

B)

Abb. 2 | A) Versuchsvarianten mit Ring (A, B, E) und B) PVC-Rohr (C, D, F) am 28 August (23 TnS) im nackten Boden. In jedem Ring und Rohr wachsen fünf Amarant Pflanzen.

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Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte: Analyse verschiedener Faktoren | Pflanzenbau

Tab. 1 | Versuchsaufbau im Feld. P = PVC-Rohr, N = Netz, - = Fehlen, + = Vorhandensein Trennung der ­Rhizosphären

Wurzelinteraktionen

Netz

A (-P, -N)

nein

ja

B (-P, +N)

nein

ja

C (+P, -N)

ja

Versuchsvariante

D (+P, +N)

Beschattung der Amarante

Vorhandensein ­einer Zwischenfrucht

nein

ja

ja

ja

nein

ja

nein

nein

ja

ja

ja

nein

ja

nein

ja

E (-P)

nein

nein

nein

F (+P)

ja

nein

nein

Bestimmung der Trockenmasse der Amarant Pflanzen Am 27. September (53 TnS) wurden die in den Rohren und Ringen wachsenden Amarant Pflanzen auf Bodenniveau abgeschnitten. Das so geerntete Pflanzenmaterial wurde während 24 Stunden bei 50 °C getrocknet und anschliessend gewogen um die Trockenmasse (TM) zu bestimmen. Bestimmung der Trockenmasse der Unkräuter Am 7. August (2 TnS) wurden vier Zählrahmen (0,25 m²) zufällig in jedem Block ausgelegt um Anzahl und Biomasse der Unkräuter in den Pflanzenbeständen während des Versuches bestimmen zu können. Am 1. Oktober (57 TnS) wurden die in diesen Rahmen vorhandenen Unkräuter bestimmt, gezählt und auf Bodenniveau abgeschnitten. Danach wurden die so geernteten Pflanzen während 48 Stunden bei 50 °C getrocknet und anschliessend gewogen. Statistische Analysen Die Daten wurden mit R studio 3.0 analysiert. Für jede Pflanzenart wurde ein Shapiro-Wilk-Test auf Normalverteilung der Daten durchgeführt. Die Homogenität der Varianzen wurde anschliessend mit dem Levene-Test überprüft. Eine nicht-parametrische Analyse wurde mit Hilfe des Statistikpaketes Rfit (Rank-based Estimation for Linear Models) (Kloke et McKean 2012) durchgeführt. Für Buchweizen und Sorghum musste eine logarithmi-

sche Transformation der Daten vorgenommen werden. Mit dem Bonferroni-Test wurden multiple Mittelwertvergleiche durchgeführt um signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen (p<0,5) festzustellen.

Resultate und Diskussion Vollständige Unterdrückung der Unkräuter Die Unterdrückung der Unkräuter durch die drei Zwischenkulturen war praktisch vollständig (Tab. 2). In den drei Blöcken mit den Zwischenfrüchten war das Unkrautwachstum im Vergleich zur Kontrollparzelle mit nacktem Boden um 99 bis 100 % reduziert. Diese Beobachtungen decken sich mit Ergebnissen aus früheren Feldversuchen (Ergebnisse nicht gezeigt) sowie mit jenen anderer Forschergruppen (Kumar et al. 2009; Weston et al. 2013). Allerdings war der Unkrautdruck 2013, im Vergleich zu den vorherigen Jahren, sehr gering. In einem anderen Feldversuch 2012 wuchsen durchschnittlich 181 g Unkräuter/0,25 m² in der Kontrollparzelle mit nacktem Boden im Vergleich zu lediglich 64 g Unkräuter/0,25 m² 2013. Wir vermuten, dass der eineinhalbjährige Anbau von Luzerne ein sehr sauberes Feld hinterlassen hat. Zudem mussten wir feststellen, dass das Auftreten von Zurückgekrümmtem Fuchsschwanz in unserem Versuch, im Vergleich zum Versuch 2012, sehr schwach war. In den sechzehn Zählrahmen des Versuchs (vier pro Block) wurden folgende Pflanzenarten 

Tab. 2 | Die Trockenmasse (TM) der Unkräuter pro 0,25 m ² wurde 57 TnS bestimmt. Die Daten zeigen Mittelwerte aus vier Wiederholungen sowie Standardfehler. Mittelwerte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant voneinander (p ≤ 0,05). Mit einem Sternchen gekennzeichnete Prozentwerte sind statistisch signifikant Zwischenfrucht

TM Unkräuter/0,25 m² (g)

Reduktion im Vergleich zur Kontrolle nackter Boden (%)

Brauner Senf

0,09 ± 0,0 a

-100*

Sorghum

0,73 ± 0,4 a

-99*

Buchweizen

0,15 ± 0,0 a

-100*

Nackter Boden

64,03 ± 9,2 b

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Pflanzenbau | Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte: Analyse verschiedener Faktoren

Tab. 3 | Die Reservenährstoffe im Boden wurden am 6.8. bestimmt (A). Die verfügbaren Nährstoffe im Boden wurden am 6.8., am 9.9. und am 27.9. bestimmt (B). N min wurde am 3.9. und am 27.9. gemessen (C). Am 12.8. wurden 50 kg N (Ammoniumnitrat 27,5 %)/ha ausgebracht. A

Reservenährstoffe (mg/kg) P

Datum Brauner Senf

K

Mg

06.08. 42

143

337

Sorghum

47

144

340

Buchweizen

49

149

289

Nackter Boden

42

141

329

B

Verfügbare Nährstoffe (mg/kg) P

Datum

K

09.09.

27.09.

06.08.

09.09.

27.09.

06.08.

09.09.

27.09.

Brauner Senf

3,1

1,8

1,8

19,0

19,0

20,0

6,1

4,8

5,2

Sorghum

3,4

2,0

2,2

19,3

16,0

17,0

7,1

5,6

5,8

Buchweizen

2,5

1,8

1,7

19,8

16,0

17,0

7,4

6,0

6,2

Nackter Boden

2,6

1,6

2,1

18,9

15,0

18,0

6,6

5,2

5,4

C Datum

Nmin (kg N/ha) 03.09.

27.09.

Brauner Senf

22,6

16,8

Sorghum

34,4

23,8

Buchweizen

31,4

23,2

Nackter Boden

56,2

23,3

bestimmt: Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli), Weisser Gänsefuss (Chenopodium album), Vielsamiger Gänsefuss (Chenopodium polyspermum), Luzerne (Medicago sativa), Sonnwend-Wolfsmilch (Euphorbia helioscopia), Gewöhnliches Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris), Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense) und Raue Gänsedistel (Sonchus asper). Die Zählrahmen in der Kontrollparzelle enthielten im Mittel elf Unkrautpflanzen. Bodenfruchtbarkeit Zu Beginn des Versuchs (06.08.13) war die Menge der Reservenährstoffe im Boden ausreichend (P und K) bis reichhaltig (Mg) (Tab. 3A). Die Menge an verfügbarem P und K (Korrekturfaktor gemäss Düngungsnorm: 1.0) war während der gesamten Versuchsdauer ebenfalls ausreichend, die Mg-Gehalte hingegen waren mittelmässig (Korrekturfaktor gemäss Düngungsnorm: 1.4) (Tab. 3B) (Sinaj et al. 2009). Auf Grund dieser Ergebnisse gehen wir davon aus, dass alle Zwischenfrüchte gut mit Nährstoffen versorgt und keiner Mangelsituation unterworfen waren. Was die Stickstoffversorgung angeht, so hat die Düngergabe von 50 kg N/ha Anfang August bis zum Versuchsende (Messung vom 27.09) ein optimales Stickstoffangebot für die Entwicklung der

296

Mg

06.08.

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Pflanzen gewährleistet (Tab. 3C). Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Nährstoffgehalte zwischen den verschiedenen Versuchsvarianten (darunter auch der nackte Boden) während der gesamten Wachstumsperiode sehr ähnlich waren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es wahrscheinlich keine Konkurrenz um die Makronährstoffe P, K, Mg und N gab, da die Pflanzen während der gesamten Versuchsdauer ausreichend versorgt waren. Indessen kann man nicht ausschliessen, dass andere Makronährstoffe und/oder Mikronährstoffen in un­ zureichenden Mengen vorlagen. Ebenso lässt sich nicht ausschliessen, dass allelopathische Substanzen im Boden eventuell die Nährstoffaufnahme durch die Amarant Pflanzen beeinflusst haben. Es konnte gezeigt werden, dass die Ausscheidung des Phytotoxins 8HQ (8-hydroxy-Quinolin) durch die Sparrige Flockenblume (Centaurea diffusa Lam.) die Aufnahme von Metallen, insbesondere von Eisen, erleichtern kann (Tharayil et al. 2009). Um mögliche Effekte der Wurzelausscheidungen der Zwischenfrüchte auf die Nährstoffaufnahme durch Amarant zu untersuchen, ist es in unserem nächsten Feldversuch unter anderem vorgesehen, den Nährstoffgehalt in den Amarant Blättern zu messen.


Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte: Analyse verschiedener Faktoren | Pflanzenbau

100 90 absorbierte PAR (%)

80 70

Buchweizen N

60 50

Buchweizen S

40

Sorghum N

30

Sorghum S

20

Brauner Senf N

10

Brauner Senf S

0 25

31

39

45

49

Tage nach der Saat (TnS) Abb. 3 | Die absorbierte photosynthetisch aktive Strahlung (PAR) wurde zur Mittagszeit zwischen den Netzen (N) und innerhalb der verschiedenen Pflanzenbestände (S) 25, 31, 39, 45 und 49 TnS gemessen. Die Daten zeigen Mittelwerte aus vier Wiederholungen sowie Standardfehler. N = Netz, S = Schatten

Konkurrenzfaktor Beschattung Der Anteil der photosynthetisch aktiven Strahlung der durch die Zwischenkulturen absorbiert wurde, konnte durch PAR Messungen zu verschiedenen Zeitpunkten (25 bis 49 TnS) bestimmt werden. Dabei wird deutlich, dass die drei Pflanzenbestände 39 TnS das Licht praktisch vollständig absorbieren (zwischen 97 und 98 %, Abb. 3, Buchweizen S, Sorghum S und Brauner Senf S). Der Sorghum Bestand (Sorghum S) hat sich dabei am langsamsten entwickelt. Durch die Installation der Netze (Abb. 1) konnte die Beschattung der Amarant Pflanzen beträchtlich reduziert werden (absorbierte PAR zwischen 0 bis 9 %, Abb. 3, Buchweizen N, Sorghum N und Brauner Senf N). Durch das Ausschalten der Lichtkonkurrenz konnte der Beschattungseffekt der verschiedenen Zwischenfrüchte auf das Amarant Wachstum untersucht werden. Der Gesamteffekt der Wachstumsreduzierung der Ama-

rante, genauer gesagt der Unterschied zwischen den Versuchsvarianten D (keine Lichtkonkurrenz, keine Wurzelinteraktionen) und A (starke Beschattung, Wurzelinteraktionen) war für die drei Kulturen sehr hoch (zwischen 76 und 97 %) (Tab. 4A und B). In unserem Versuch lässt sich der Gesamteffekt der Wachstumsreduzierung durch die Beschattung erklären (Tab. 4B, Effekt des Lichts). Es scheint daher, dass der Faktor Beschattung allein für die Wachstumshemmung der Amarante verantwortlich ist. Wurzelinteraktionen Im Feldversuch konnte kein wachstumshemmender Effekt der Wurzelinteraktionen auf die Amarant Entwicklung aufgezeigt werden (Tab. 4B, Effekt des Rohrs). Ausser beim Braunen Senf, führte das Vorhandensein der PVC-Rohre (Trennung der Rhizosphären) zu keinem 

Tab. 4 | TM pro Amarant (mg) 53 TnS in den drei Zwischenfruchtbeständen für die Versuchsvarianten A bis D (A). Die Daten zeigen Mittelwerte aus acht Wiederholungen sowie Standardfehler. P = PVC-Rohr; N = Netz; - = Fehlen; + = Vorhandensein. Wirkung (%) zwischen den Versuchsvarianten (B). Mittelwerte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant voneinander (P ≤ 0,05). Mit einem Sternchen gekennzeichnete Prozentwerte sind statistisch signifikant. A Variante

TM pro Amarant (mg) Buchweizen

Sorghum

Brauner Senf

A (-P -N)

24 ± 9 a

232 ± 49 a

34 ± 12 a

B (-P +N)

670 ± 191 b

1429 ± 305 b

264 ± 47 b

C (+P -N)

20 ± 3 a

273 ± 64 a

39 ± 13 a

D (+P +N)

746 ± 127 b

969 ± 54 b

521 ± 54 c

B Zwischenfrucht

Gesamteffekt (%) (D vers. A)

Effekt des Lichts (%)

Effekt des Rohrs (%)

(B vers. A)

(D vers. C)

(C vers. A)

(D vers. B) -10

Buchweizen

-97*

-96*

-97*

18

Sorghum

-76*

-84*

-72*

-15

48

Brauner Senf

-93*

-87*

-93*

-11

-49*

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297


Pflanzenbau | Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte: Analyse verschiedener Faktoren

signifikantem Effekt auf das Amarant Wachstum (Brauner Senf -11 und -49 %, Sorghum -15 und 4 %, Buchweizen 18 und -10 %, Vergleich der TM von Amarant bei Vorhandensein und Fehlen der PVC-Rohre). Im Gegensatz zur Beschattung, kann der Gesamteffekt der Wachstumsreduzierung der Amarante daher nicht durch die vorhandenen Wurzelinteraktionen erklärt werden. Aufgrund versuchstechnischer Probleme konnte die Trennung der Rhizosphären im Feldversuch allerdings nicht vollständig gewährleistet werden. In der Tat konnte die Trennung der Rhizosphären durch ein Rohr nicht verhindern, dass es zu Wurzelkontakten zwischen dem Unkraut und den verschiedenen Zwischenfrüchten kam. Die Methode mit dem Rohr wurde gewählt, da das Rohr nach der Saat in den Boden geklopft werden konnte, ohne graben und die Bodenstruktur verändern zu müssen. Die lange Pfahlwurzel der Amarant Pflanzen hat allerdings wahrscheinlich schon nach circa 15 Tagen das untere offene Ende der PVC-Rohre erreicht (Beobachtung aus einem nachfolgenden Versuch in der Klimakammer, Ergebnisse nicht gezeigt). Die Wurzeln der Zwischenfrüchte hatten also Kontakt mit den Amarant Wurzeln. Trockenperioden während des Versuchs haben möglicherweise zu Wasserstress der Kulturen geführt. Wasserkonkurrenz zwischen den Zwischenkulturen und den Unkräutern kann daher nicht ausgeschlossen werden. Es ist erwiesen, dass das Vorhandensein von Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli) die Ausscheidung von allelopathischen Molekülen bei Reis induziert (Zhao et al. 2005). Es ist daher möglich, dass Unkräuter als ökologischer Auslöser vorhanden sein müssen, um die allelopathische Wirkung der untersuchten Zwischenkulturen auszulösen. Die geringe Unkrautdichte (besonders von Amarant) in unserem Versuch könnte daher erklären, weshalb die Wurzelinteraktionen keinen Effekt auf das Amarant Wachstum hatten. Es ist auch möglich, dass ein dichter, sich rasch entwickelnder Zwischenfruchtbestand genügend Beschattung verursacht, um das Unkrautwachstum praktisch vollständig zu unterdrücken. Die Zwischenfrüchte hätten somit keinen «Bedarf» Wurzelausscheidungen zu produzieren um die Konkurrenzpflanzen zu unterdrücken. Das hätte zur Folge, dass allelopathische Effekte nicht während der gesamten Vegetationsperiode zu beobachten sind, sondern lediglich während bestimmter Entwicklungsphasen der Pflanze, insbesondere in den ersten Entwicklungsstadien vor der Etablierung eines dichten Bestandes. Dennoch kann die Unkrautunterdrückung im Feld nicht allein durch den Deckungsgrad der Zwischenkulturen erklärt werden (Gebhard et al. 2013). In einem Topfversuch in der Klimakammer mit denselben Versuchsvarianten (Dauer 28 Tage) konnte gezeigt werden, dass

298

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Wurzelinteraktionen zwischen Unkraut und Zwischenfrucht vorhanden sein müssen um das Amarant Wachstum durch Buchweizen und Sorghum zu unterdrücken. Der das Wachstum unterdrückende Effekt auf den Amarant war grösser wenn sowohl Beschattung als auch Wurzelinteraktionen vorhanden waren. Der beobachtete Effekt war bei Buchweizen stärker als bei Sorghum. Im Klimakammerversuch konnten Wasser und Nährstoffkonkurrenz durch regelmässige Bewässerung und optimale Nährstoffgaben ausgeschlossen werden. Zu bemerken ist jedoch, dass der Klimakammerversuch kürzer als der Feldversuch war und dass der Buchweizenbestand 53 TnS im Feld sehr dicht war im Vergleich zum Topfversuch in der Klimakammer 28 TnS. Diese Ergebnisse lassen uns hoffen, dass wir nach einigen Veränderungen des Versuchsaufbaus, das Vorhandensein oder das Fehlen allelopathischer Effekte unter Feldbedingungen nachweisen können.

Schlussfolgerungen ••Der vorliegende Feldversuch wurde durchgeführt um das Phänomen Allelopathie vom Konkurrenzfaktor Licht getrennt zu untersuchen. ••Wir haben eine Methode entwickelt, die es ermöglicht die Beschattung der Unkräuter durch Zwischenfrüchte effizient zu verhindern und konnten zeigen, wie wichtig Lichtkonkurrenz zwischen den Pflanzen ist. ••Die Nährstoffkonkurrenz konnte kontrolliert werden und wir gehen davon aus, dass dieser Faktor für die Ergebnisse nicht entscheidend war. ••Wasser spielte in dem Versuch nur eine marginale Rolle. Es wäre jedoch wünschenswert seinen Einfluss besser in den Griff zu bekommen. ••Die Trennung der Rhizosphären konnte durch 25 cm lange PCV-Rohre nicht gewährleistet werden. Weitere Versuche sind notwendig um allelopathische Effekte in situ auf dem Feld verstehen und nachweisen zu können. n


Soppressione delle avventizie mediante ­coperture vegetali: diversi fattori analizzati Le colture intercalari rappresentano una tecnica colturale sempre più diffusa in Svizzera grazie ai loro servizi ecosistemici, tra i quali la soppressione delle avventizie. Questo fenomeno può essere spiegato dall’azione congiunta di fattori di competizione (per acqua, luce ed elementi nutritivi) e di eventuali fenomeni allelopatici (interazioni biochimiche tra le piante). Per meglio comprendere i fenomeni di soppressione delle avventizie attraverso le coperture vegetali, abbiamo realizzato una prova in campo che permette di misurare l’effetto di tre coperture sulla crescita delle avventizie, in particolare, l’amaranto. Inoltre, abbiamo tentato di comprendere il ruolo dei diversi fattori di soppressione attraverso l’istallazione di un nuovo dispositivo sperimentale. Si trattava di studiare separatamente l’effetto dovuto alla competizione per la luce attraverso le coperture e l’effetto dovuto ai fenomeni allelopa­ tici in seguito a interazioni radicali tra le coperture e gli amaranti. Durante questo primo anno di prova, la competizione per la luce ha potuto essere fortemente ridotta; tuttavia, per ragioni metodolo­ giche, le interazioni radicali non hanno potuto essere completamente soppresse in campo. I risultati intermedi hanno mostrato il ruolo impor­ tante della concorrenza per la luce nel controllo delle avventizie in campo, mentre non è ancora stato possibile osservare il ruolo dell’allelopatia.

Literatur ▪▪ Agroscope ART & ACW, 2010. Schweizerische Referenzmethoden der landwirtschaftlichen Forschungsanstalten, Band 1 ▪▪ Arvalis, 2011. Cultures intermediaires. Impacts et conduite. Arvalis ­I nstitut du végétal, 1–236 S. ▪▪ Gebhard C.A., Büchi L., Liebisch F., Sinaj S., Ramseier H. & Charles R., 2013. Screening de légumineuses pour couverts végétaux: azote et ­a dventices. Recherche Agronomique Suisse 4 (9), 384–393. ▪▪ He H.B., Wang H.B., Fang C.X., Lin Z.H., Yu Z.M. & Lin W.X., 2012. Separation of Allelopathy from Resource Competition Using Rice/Barnyardgrass Mixed-Cultures. Plos One 7 (5). ▪▪ Inderjit & del Moral R., 1997. Is separating resource competition from ­allelopathy realistic? Botanical Review 63 (3), 221–230. ▪▪ Inderjit & Callaway R.M., 2003. Experimental designs for the study of ­allelopathy. Plant and Soil 256 (1), 1–11. ▪▪ Justes E., Beaudoin N., Bertuzzi P., Charles R., Constantin J., Dürr C., ­H ermon C., A. J., Le Bas C., Mary B., Mignolet C., Montfort F., Ruiz L., Sarthou J.P., Souchère V. & Tournebize J., 2012. Réduire les fuites de nitrate au moyen de cultures intermédiaires: conséquences sur les bilans d'eau et d'azote, autres services écosystémiques. INRA (France), 1–31 S. ▪▪ Kalinova J. & Vrchotova N., 2009. Level of Catechin, Myricetin, Quercetin and Isoquercitrin in Buckwheat (Fagopyrum esculentum Moench), Changes

Summary

Riassunto

Unkrautunterdrückung durch Zwischenfrüchte: Analyse verschiedener Faktoren | Pflanzenbau

Weed suppression by cover crops: analyzing different factors Cover crops represent an increasingly widespread agricultural technique in Switzerland as they provide different ecosystem services. One important role of cover crops is weed control, which can be explained by resource competition (for water, nutrients and light) and allelopathic effects (biochemical interac­ tions between plants). To better understand the phenomenon of weed suppression by cover crops, we set up a field experiment that has allowed us to measure the effect of three cover crops on weed growth, particularly amaranth. In addition, we tried to understand the role of different weed growth suppression factors by using a new experimental approach. It allowed us to study separately the factor of light competition by the plant cover and the allelopathic root interactions between the cover crops and the amaranth plants. In this first year of the trial, light competition could be strongly reduced, but root interactions in the field could not be prevented completely due to methodological reasons. The intermediate results have demonstrated clearly the important role of light competition for weed control in the field. The role of allelopathy in weed suppres­ sion by cover crops remains to be identified. Key words: cover crops, weed suppression, buckwheat, sorghum, brown mustard, resource competition, allelopathy, root interactions.

of Their Levels during Vegetation and Their Effect on The Growth of Selected Weeds. Journal of Agricultural and Food Chemistry 57 (7), 2719–2725. ▪▪ Kloke J.D. & McKean J.W., 2012. Rfit: Rank-based Estimation for Linear Models. R Journal 4 (2), 57–64. ▪▪ Kumar V., Brainard D.C. & Bellinder R.R., 2009. Effects of Spring-sown Cover Crops on Establishment and Growth of Hairy Galinsoga (Galinsoga ciliata) and Four Vegetable Crops. Hortscience 44 (3), 730–736. ▪▪ Rice E.L., 1984. Allelopathy. Academic Press Inc. (London) Ltd, London. p. ▪▪ Sinaj S., Richner W., Flisch R. & Charles R., 2009. Données de base pour la fumure des grandes cultures et des herbages. Revue suisse d'agriculture 41 (1). ▪▪ Tharayil N., Bhowmik P., Alpert P., Walker E., Amarasiriwardena D. & Xing B., 2009. Dual purpose secondary compounds: phytotoxin of Centaurea diffusa also facilitates nutrient uptake. New Phytologist 181 (2), 424–434. ▪▪ Tominaga T. & Uezu T., 1995. Weed Suppresion by Buckwheat. Current Advances in Buckwheat Research 693–697. ▪▪ Weston L.A., Alsaadawi I.S. & Baerson S.R., 2013. Sorghum AllelopathyFrom Ecosystem to Molecule. Journal of Chemical Ecology 39 (2), 142–153. ▪▪ Zhao H., Li H.B., Kong C.H., Xu X.H. & Liang W.J., 2005. Chemical response of allelopathic rice seedlings under varying environmental conditions. Allelopathy Journal 15 (1), 105–110.

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U m w e l t

Einfluss von Streptomycin in Apfelanlagen auf Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt Fiona Walsh1, Cosima Pelludat 2, Brion Duffy3, Daniel P. Smith4, Sarah M. Owens 4, Jürg E. Frey2, Eduard Holliger2 1 National University of Ireland, Department of Biology, Maynooth, Co Kildare Ireland 2 Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 8820 Wädenswil, Schweiz 3 ZHAW Life Sciences und Facility Management, Umweltgenomik und Systembiologie, Grüental, 8820 Wädenswil, Schweiz 4 Argonne National Laboratory, 60439 Illinois, United States Auskünfte: Fiona Walsh, E-Mail: fiona.walsh@nuim.ie

Apfelanlage in Vollblüte.

Einleitung Das Antibiotikum Streptomycin wurde erstmals 1943 ­ us dem Bakterium Streptomyces griseus isoliert. Die a Ent­ deckung seiner besonders guten Wirkung gegen den Tuberkulose-Erreger (Mycobacterium tuberculosis) wurde 1952 gar mit dem Nobelpreis für Medizin gewürdigt. Streptomycin hemmt die bakterielle Proteinsynthese an den Ribosomen, was zum Absterben der Bakterien führt. In Streptomyceten selber, und natürlich auch

300

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 300–305, 2014

in anderen Bakterien, die Streptomycin ausgesetzt werden, entstehen Mechanismen, um die tödliche Wirkung des Antibiotikums zu umgehen und zu verhindern – es entwickeln sich Streptomycin-Resistenzen. Eine Streptomycin-Resistenz kann vielerlei Ursachen haben. Eine Modifikation der Ribosomen durch genetische Mutationen kann dazu führen, dass das Streptomycin nicht mehr an Ribosomen binden kann und somit nicht mehr in der Lage ist, die Proteinsynthese zu hemmen. Eine weitere Möglichkeit sind Resistenzgene (z. B.


strA (aph3), strB (aph6) und aadA (ant3)), welche auf mobilen DNA-Elementen liegen und für Enzyme kodieren, die Streptomycin inaktivieren. Solche mobilen Resistenzgene können nicht nur innerhalb einer Bakterienspezies, sondern auch an «verwandte» Bakterien weitergegeben werden. Es sind vor allem diese mobilen Resistenzgene, die in der Humanmedizin für die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen verantwortlich sind und Befürchtungen wecken, dass ein Resistenzgentransfer vom Agro-Ökosystem in das Umfeld humanpathogener Bakterien erfolgt. Agroscope konnte im Vorfeld der hier beschriebenen Untersuchungen zeigen, dass die in Apfelanlagen applizierten Streptomycin-Formulierungen keine Resistenzgene enthalten (Rezzonico et al. 2009). Antibiotika-Resistenzen kommen natürlicherweise in Bakterien vor. Es ist jedoch weitgehend ungeklärt, wie hoch der Anteil der natürlich vorkommenden, antibiotikaresistenten Bakterien ist, und in welchem Ausmass dieser durch menschliche Einwirkung verändert wird. Es konnte bereits festgestellt werden, dass die Düngung mit Gülle von antibiotikabehandeltem Mastvieh die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Umwelt fördert. Die letzten 35 Jahre zeigten zudem, dass das Auftreten von Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika mit deren Einsatz in der Viehzucht korreliert. Daher wird in der Europäischen Union und in der Schweiz der Antibiotika-Einsatz in der Viehzucht streng reguliert und überwacht. Feuerbrand ist eine Pflanzenkrankheit, die wichtige Kulturpflanzen wie beispielsweise Apfel, Birne und Quitte befällt und durch das Bakterium Erwinia amylovora ausgelöst wird. Bei starkem Feuerbrandbefall müssen Einzelbäume oder ganze Kernobstanlagen gerodet werden, um ein Ausbreiten und Übergreifen der Krankheit auf umliegende Pflanzen zu verhindern. In den USA wird deshalb in Obstanlagen schon seit 1955 Streptomycin zur Bekämpfung des Feuerbrandes eingesetzt. Streptomycin weist gegen Blüteninfektionen eine Wirksamkeit zwischen 70% bis 90% auf und ist damit zur Zeit der beste Wirkstoff gegen den Feuerbrand. Um einer Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien in der Nahrungskette und dem damit verbundenen möglichen Gesundheitsrisiko vorzubeugen, besteht jedoch in der EU für Streptomycin keine Zulassung im Obstbau. Ausnahmen sind Deutschland und Österreich, in denen dieser Wirkstoff für die Feuerbrandbekämpfung durch eine Notfallzulassung bewilligt wurde. Ein Jahr nach dem katastrophalen Feuerbrandjahr 2007 liess das Bundesamt für Landwirtschaft erstmals einen örtlich begrenzten und befristeten Einsatz von Streptomycin zur Bekämpfung von E. amylovora in Kern-

Zusammenfassung

Einfluss von Streptomycin in Apfelanlagen auf Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt | Umwelt

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) liess 2008 den Einsatz von Streptomycin zur Bekämpfung von Feuerbrand unter kontrol­ lierten Bedingungen zu. Es knüpfte diese Zulassung an die Auflage, die behandelten Flächen auf die Entwicklung von Antibiotika­ resistenzen hin zu beobachten. Agroscope in Wädenswil führte dazu eine erste quantitative Analyse von mobilen Streptomycin-, Tetrazyklin-Resistenzgenen (strA, strB, aadA, tetB, tetM, tetW) und der Insertionssequenz IS1133 in Streptomycin­ behandelten Kernobstanlagen durch. Von drei Streptomycinbehandelten Apfelanlagen wurden in den Jahren 2010, 2011 und 2012 Blüten-, Blätter- und Bodenproben entnom­ men. Die Häufigkeit und Verteilung der Resistenzgene wurden zu verschiedenen Zeitpunkten und in Abhängigkeit der Behandlung untersucht. Die mobilen Strepto­ mycin- und Tetrazyklinresistenzgene konnten bereits vor der Streptomycin-Applikation in fast allen Proben nachgewiesen werden, was das Vorkommen dieser Resistenzgene in der Natur dokumentiert. Statistisch relevante Anstiege in der Häufigkeit der Resistenzgene traten gelegentlich auf, waren aber nicht konstant und traten im Folgejahr nicht wieder auf. Zusätzlich wurde in der Studie die bakterielle Zusammensetzung in Boden­ proben mit und ohne Streptomycin-Applika­ tion untersucht. Es zeigten sich ebenfalls keine signifikanten und konstanten Verände­ rungen.

obstanlagen in der Schweiz zu. Nur während der Blütezeit und unter sehr strengen Auflagen durften bis zu maximal drei Anwendungen in den blühenden Anlagen erfolgen, bei denen das Antibiotikum in einer Aufwandmenge von rund 130 Gramm Wirkstoff pro Hektare appliziert wurde. Um die Auswirkungen dieser Streptomycin-Applikationen auf die Umwelt zu evaluieren, führte Agroscope in Wädenswil im Auftrag der EFBS (Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit) während drei Jahren (2010 – 2012) eine detaillierte  Studie durch.

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Umwelt | Einfluss von Streptomycin in Apfelanlagen auf Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt

Abb. 1 | Beispiel für eine Blüten- und Blattprobe, sowie «Blütenproben» zur Erntezeit (insgesamt drei Standorte und je drei Wiederholungen für jede Behandlung).

Material und Methode Versuchsaufbau In dieser Studie wurden die bakteriellen Populationen von Boden-, Blätter und Blütenproben verschiedener Streptomycin-behandelter Apfelanlagen (Wädenswil, Güttingen, Lindau ZH) untersucht. Da in den USA auch das Antibiotikum Tetrazyklin bei der Bekämpfung des Feuerbrands eingesetzt wird, wollten wir auch eine eventuelle Kreuzwirkung der Streptomycin-Applikation auf die Tetrazyklin-Resistenz untersuchen. Deshalb wurden alle Proben mit einer für die Tetrazyklin-Resistenzgene tetB, tetM und tetW entwickelten qPCR zusätzlich getestet.

In allen Anlagen wurde Streptomycin in gleicher Aufwandmenge pro Hektare dreimal pro Blühsaison auf dieselben Bäume appliziert. Die dreimalige Applikation entspricht dem Maximum der jemals in der Schweiz zugelassenen Anzahl pro Blühsaison (nur 2008 und 2009). In Schweizer Obstanlagen wurden in den folgenden Jahren nur zwei Applikationen zugelassen, in der Versuchsreihe von Agroscope hat man aber weiterhin mit der dreifachen Applikation gearbeitet. Somit waren die untersuchten Anlagen einer höheren StreptomycinMenge ausgesetzt als kommerziell genutzte Anlagen auf Obstbaubetrieben. Als Kontrolle wurde die gleiche Anzahl Apfelbäume pro Anlage mit Wasser behandelt. Die Verfahren Streptomycin und Wasser wurden in jeder

Applikation von Streptomycin oder Wasser während der Apfelblüte 1.

1 Tag vor Applikation T1

2.

3.

1 Tag nach dritter Applikation T2

2 Wochen nach dritter Applikation T3

Ernte T4

Abb. 2 | Versuchsplan mit den Streptomycin/Wasser-Applikationen und den Zeitpunkten der Probenentnahme zur Analyse.

302

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Einfluss von Streptomycin in Apfelanlagen auf Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt | Umwelt

Wädenswil 300 Wädenswil

Relative Relative Häufigkeit Häufigkeit Relative Häufigkeit

250 300

Wädenswil

300 200 250

492

Anlage dreifach wiederholt. Aus jeder dieser Wiederholung wurden je Zeitpunkt Proben von Blüte/Frucht, Blatt und Erde entnommen (Abb. 1). Die erste Probenentnahme erfolgte zum Zeitpunkt T1, einen Tag vor der ersten Streptomycin-Applikation. Die drei folgenden Probenahmen erfolgten einen Tag (T2) nach der dritten Streptomycin-Applikation bzw. nach zwei Wochen (T3) und zur Erntezeit (T4) (Abb. 2).

492

250 150 200 200 100 150 150 50 100 100 0 50

T1

T2

T3

Ernte

T1

T2

T1

T2

Wasser T3

Ernte

T1

Streptomycin T2 T3 Ernte

T1

T2 Wasser T3

439 439 Ernte

T1

819 1912 819 1912 T2Streptomycin T3 Ernte

50 0 0 300

Wasser 250 300 Relative Relative Häufigkeit Häufigkeit Relative Häufigkeit

492

439 439 439 439

300 200 250

Lindau Lindau

T3

Ernte

Streptomycin 819 1912 819 1912

Lindau

819 1912 819 1912

250 150 200 200 100 150 150 50 100 100 0 50

T1

T2

T3

Ernte

T1

T2

T1

T2

Wasser T3

Ernte

T1

Streptomycin T2 T3 Ernte

T1

T2 Wasser T3

Ernte Güttingen T1

Streptomycin T2 T3 Ernte

50 0 0 300

T3

Ernte

Streptomycin

Wasser Güttingen

Relative Relative Häufigkeit Häufigkeit Relative Häufigkeit

250 300

Güttingen

Analyse der bakteriellen Bodenpopulation In neun Bodenproben von Parzellen, die mit Streptomycin oder Wasser behandelt worden sind und in Güttingen, Lindau und Wädenswil (2008, 2011) stehen, wurde zusätzlich die Zusammensetzung der Bakterienpopulationen auf mögliche Veränderungen hin untersucht. In der isolierten DNA dieser Proben wurde die V4-Region der bakteriellen 16S rRNA sequenziert, um Populationen zu definieren und miteinander vergleichen zu können.

300 200 250 250 150 200 200 100 150 150 50 100 100 0 50

T1

T2

T1

Wasser T2 T3

T1

strA T2 Wasser T3

50 0 0

T3

Ernte

Nachweis und Quantifizierung der Resistenzgene Aus allen Proben wurde die gesamte DNA isoliert und für anschliessende Analyseverfahren verwendet. Die mobilen Streptomycin-Resistenzgene strA (aph3), strB (aph6) und aadA (ant3) sowie die Insertionssequenz IS1133, die mit dem Vorkommen von strA (aph3), strB (aph6) assoziiert wird, wurden durch eine von Agroscope entwickelte multiplex (Untersuchung mehrerer Gene in einem Reaktionsansatz) quantitative PCR (qPCR) nachgewiesen (Walsh et. al. 2011). Als interner Standard zur Bestimmung der Gesamtanzahl vorkommender Bakterien wurde die in allen Bakterien vorkommende 16S rRNA bestimmt. Dieses Vorgehen und die eingesetzten Techniken berücksichtigten, dass ein grosser Anteil an Umweltbakterien unter Laborstandard-Bedingungen nicht kultiviert werden kann. Die gewählten Verfahren ermöglichen die Bestimmung der Bakterienanzahl in den einzelnen Proben, die dann in Relation zur Anzahl detektierter Antibiotika-Resistenzen gesetzt wird. Die gewonnenen Daten wurde mit der Xlstat 2011 Software und ANOVA (P< 0,05) statistisch ausgewertet.

T1

T2

Ernte

T1

Streptomycin T2 T3 Ernte

T3

Ernte

strB Ernte

IS1133 T1

aadA T2Streptomycin T3 Ernte

Wasser Streptomycin strA strB IS1133 aadA Abb. 3 | Relative Häufigkeit der Streptomycin-Resistenzgene strA, strB, aadA und desstrA Insertionselement IS1133 strB IS1133(normalisiert aadA mit definierten PCR Produkten) der Blütenproben aus den drei Apfelanlagen (Wädenswil, Lindau ZH und Güttingen). In den Anlagen erfolgten während der Blühsaison drei Streptomycin- bzw. Wasser- (als Kontrolle) Applikationen. Die Probeentnahmen erfolgten vor der ersten (T1) und an drei verschiedenen Zeitpunkten nach der dritten Streptomycin-Applikation (T2,T3, Ernte).

Resultate und Diskussion Bis auf aadA konnten die untersuchten Streptomycinund Tetrazyklin-Resistenzgene in nahezu allen Proben bereits vor der ersten Streptomycin-Behandlung nachgewiesen werden. In 15 Proben trat auch aadA auf. 2010 gab es einen Tag und auch zwei Wochen nach erfolgter Streptomycin-Applikation (T2, T3) einen statistisch relevanten Anstieg der Resistenzgene strA und strB in den Blütenproben aller Apfelanlagen. Dieser 

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303


Umwelt | Einfluss von Streptomycin in Apfelanlagen auf Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt

W

S

W

W

S

W

W

W

S

W = Wasser S = Streptomycin Acidobacteria; Acidobacteria Acidobacteria; Acidobacteria-6 Acidobacteria; Solibacteres Actinobacteria; Actinobacteria Bacteroidetes; Sphingobacteria Firmicutes; Bacilli Gemmatimonadetes; Gemmatimonadetes Nitrospirae; Nitrospira Proteobacteria; Alphaproteobacteria

Güttingen 2011

Güttingen 2008

Wädenswil 2008

Lindau 2008

Wädenswil 2011

Wädenswil 2011

Güttingen 2011

Lindau 2011

Lindau 2011

Proteobacteria; Betaproteobacteria Verrucomicrobia; Pedosphaera Verrucomicrobia; Spartobacteria

Abb. 4 | Bakterielle Zusammensetzung der untersuchten Erdproben von Apfelanlagen (2008, 2011). Aufgelistet sind die in den untersuchten Erdproben vorkommenden bakteriellen Klassen.

Anstieg konnte 2011 nicht beobachtet werden. Bei aadA konnte zu keinem Zeitpunkt und in keiner der Proben eine statistisch relevante Veränderung im Vorkommen festgestellt werden. Ein Vergleich der T1-Proben aus den Jahren 2010 und 2012 hat ebenfalls keinen statistisch relevanten Unterschied in der Resistenzgenhäufigkeit ergeben. Dies ist ein Hinweis darauf, dass durch drei Streptomycin-Applikationen pro Jahr keine Langzeiteffekte auf die Häufigkeit der untersuchten Resistenzgene hervorgerufen werden. Bei den Tetrazyklin-Resistenzgenen konnte 2011 eine statistisch relevante Erhöhung des tetM-Gens in T3 Bodenproben von Güttingen detektiert werden, aber nicht mehr zur Erntezeit und auch zu keinem Zeitpunkt im folgenden Jahr. tetM war ebenfalls nur zum Zeitpunkt T2 in Blütenproben von Güttingen erhöht vorhanden, tetB und tetW nur zur Erntezeit auf Früchten aus Lindau. Statistisch relevante Anstiege des untersuchten Resistenzpools waren in den untersuchten Boden-, Blätterund Blütenproben über die Jahre sporadisch, instabil und nicht wiederholbar (Abb. 3). Wir folgern daraus, dass die dreimalige Applikation von Streptomycin pro Saison in diesen Apfelanlagen keine anhaltende Erhöhung von Streptomycin- oder Tetrazyklin-Resistenzgenen zur Folge hat (Duffy et al. 2014). Nicht nur die Auswirkungen einer StreptomycinBehandlung auf die Resistenzgenhäufigkeit, sondern

304

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 300–305, 2014

auch auf die Zusammensetzung der bakteriellen Gemeinschaft war von Interesse. Die ermittelten Daten (Abb. 4) zeigen, dass die Applikation von Streptomycin in den Apfelanlagen zu keiner signifikanten Verschiebung der bakteriellen Populationszusammensetzung führte (Walsh et. al. 2014). Bedenkt man, dass die im Boden vorkommenden Bakterien der Ordnung Actinomycetales, zu denen auch S. griseus gehört, bekannte Antibiotikaproduzenten sind, ist dieses Ergebnis nicht überraschend. Bodenbakterien hatten Millionen von Jahren Zeit, sich an Antibiotika und ihre Wirkung anzupassen. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse ziehen wir die Schlussfolgerung, dass die Applikation von Streptomycin in den ausgewählten Apfelanlagen nicht zu einem dauerhaften Anstieg der untersuchten Streptomycinund Tetrazyklinresistenzgene führte und auch keine Auswirkung auf die Zusammensetzung der bakteriellen Population hatte. Die sehr strengen Auflagen für den begrenzten und befristeten Einsatz von Streptomycin bewähren sich im Hinblick auf die Antibiotikaresistenzentwicklung in der Umwelt. n Dank

Agroscope dankt dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) für die Finanzierung dieses Forschungsprojektes. Ein weiterer Dank gehört den Betriebsleitern für das zur Verfügungstellen der Kernobstanlagen und für das Durchführen der Applikationen in den Versuchsparzellen.


Effetto dello steptomicina nei meleti sulle resistenze agli antibiotici d’nell’ambiente Nel 2008 l’Ufficio federale dell’agricoltura (UFAG) ha autorizzato l’uso regolamentato di streptomicina nella lotta contro il fuoco batterico. Una delle condizioni poste era il monitoraggio dello sviluppo della resistenza all’antibiotico usato negli appezzamenti trattati. Inoltre Agroscope ha condotto i primi studi inerenti l’analisi quantitativa dei geni trasferibili di resistenza alla streptomicina e alla tetraciclina (strA, strB, aadA, tetB, tetM, tetW), così come quella della sequenza di inserzione IS1133 in appezzamenti trattati con streptomicina. Nel 2010, 2011 e 2012 sono stati raccolti campioni di fiori, foglie e terreno da tre diverse parcelle trattate con streptomicina. La presenza e la distribuzione delle suddette sequenze è stata analizzata per identificare gli effetti dovuti ai tratta­ menti. I geni mobili di resistenza agli antibio­ tici sono stati trovati in quasi tutti i campioni raccolti prima dei trattamenti con la strepto­ micina, cosa che indica la naturale distribu­ zione di questi geni nelle popolazioni del patogeno. Sporadicamente sono stati riscontrati aumenti significativi nella fre­ quenza di questi geni, ma questi non sono stati osservati sistematicamente tra appezza­ menti e non sono stati confermati con i campioni raccolti l’anno seguente. Infine è stata comparata la composizione batterica tra suoli prelevati da appezzamenti con e senza trattamento con streptomicina senza trovare differenze costanti e significative. Dai risultati ottenuti è stato possibile concludere che l’applicazione di streptomi­ cina in meleti, seguendo le raccomandazioni attuali, non porta all’aumento dei geni mobili di resistenza agli antibiotici indagati in questo studio e non ha effetti negativi sulle popolazioni batteriche nel terreno.

Literatur ▪▪ Rezzonico F., Stockwell V.O. & Duffy B., 2009. Plant agricultural streptomycin formulations do not carry antibiotic resistance gene. Antimicrob Agents Chemother 53 (7), 3173–3177. ▪▪ Walsh F., Ingenfeld A., Zampicolli M., Hilber-Bodmer M., Frey J. E. & ­D uffy B. 2011. Real-time PCR methods for quantitative monitoring of streptomycin and tetracycline resistance genes in agricultural ecosystems. Journal of Microbiological Methods 86 (2), 150-5.

Summary

Riassunto

Einfluss von Streptomycin in Apfelanlagen auf Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt | Umwelt

Impact of streptomycin applications on antibiotic resistance in apple orchards The Federal Office for Agriculture (FOAG) authorized the use of streptomycin to fight fire blight under controlled conditions in 2008 with the provison that the development of antibiotic resistance in the treated plots is monitored. Agroscope in Wädenswil thus performed the first study to quantitatively analyze the influence of streptomycin use in agriculture on the abundance of the mobile streptomycin and tetracycline resistance genes (strA, strB, aadA, tetB, tetM, tetW) and the insertion sequence IS1133. Furthermore, the effect of the strepto­ mycin treatment on the bacterial community structure was assessed. Flowers, leaves and soil were collected from three streptomycin-treated orchards in 2010, 2011 and 2012. The abun­ dance and distribution of the resistance genes was analyzed at different time-points and included as a function of the treatment. The mobile antibiotic resistance genes were detected prior to streptomycin treatment in almost all samples, indicating the presence of these genes in nature. Statistically significant increases in the resistance gene abundance were occasional, inconsistent and not repro­ ducible from one year to the next. Analysis of the bacterial community in soils from orchards with or without streptomycin treatment revealed no statistically significant or constant alterations. We conclude that the application of strepto­ mycin in these orchards led neither to an increase in streptomycin or tetracycline resistance gene abundance nor to a negative impact on the bacterial community. Key words: streptomycin, antibiotics, apple orchard, development of resistance, bacterial community in soil.

▪▪ Duffy B., Holliger E. & Walsh F. 2014. Streptomycin use in apple orchards did not increase abundance of mobile resistance genes. FEMS Microbiology Letters 350 (2),180-9.4. ▪▪ Walsh F., Smith D. P., Owens S. M., Duffy B. & Frey J. E. 2014. Restricted streptomycin use in apple orchards did not adversely alter the soil bacteria communities. Front Microbiol 31 (4), 383.

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 300–305, 2014

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K u r z b e r i c h t

Erhaltung der genetischen Vielfalt von Nutztieren in der Schweiz: Erkenntnisse und Herausforderungen Maurice Tschopp, Catherine Marguerat und François Pythoud Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern, Schweiz Auskünfte: Catherine Marguerat, E-Mail: catherine.marguerat@blw.admin.ch

Die Rasse des Evolèner Rinds erholt sich, ist aber immer noch gefährdet. Das BLW unterstützt ein Erhaltungsprojekt. (Foto: Evolèner Viehzuchtgenossenschaft)

An der Konferenz von Interlaken wurde der erste Weltzustandsbericht über tiergenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft vorgestellt (Kasten 1). In diesem Bericht wurden weltweit 7616 Tierrassen erfasst. Rund 20 Prozent dieser Rassen wurden als gefährdet eingestuft, 690 waren bereits ausgestorben – davon verschwanden 62 während der sechs Jahre, die für die Vorbereitung und das Verfassen des FAO-Berichts benötigt wurden (FAO 2007)1! Eine hohe genetische Vielfalt bei den Nutztieren ist von zentraler Bedeutung (Notter 1999; LPP et al. 2010). Im Gegensatz zur Pflanzenwelt sind genetisch uniforme Populationen insbesondere aufgrund der abnehmenden Fruchtbarkeit und der Risiken, die mit Inzucht verbunden sind, in der Tierwelt unerwünscht. Ein diversifiziertes Genmaterial bedeutet meist eine bessere Krankheitsresistenz und es ist nicht ausgeschlossen, dass traditionelle Rassen vor dem Hintergrund des Klimawandels erneut an Die Zahl der gefährdeten oder ausgestorbenen Rassen könnte auch höher liegen, namentlich mangels verfügbarer Daten in zahlreichen Ländern.

1

2002 hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Ver­ einten Nationen (FAO) einen ersten Bericht über den Zustand der tiergenetischen Ressourcen in der Schweiz vorgelegt. Dies geschah im Hinblick auf die Erarbeitung des Weltzustandsberichts über tiergenetische Ressour­ cen durch die FAO. Dieser Bericht zeigte die kritische Lage bei zahlreichen Rassen auf. Im März 2014 hat das BLW bei der FAO einen zweiten Bericht eingereicht, der die Entwicklung dokumentiert. Obwohl verschiedene Schweizer Rassen noch immer als gefährdet gelten, fällt die Bilanz unter dem Strich positiv aus. Am 8. September 2007 verabschiedeten die Vertreter und Vertreterinnen von 109 Staaten in Interlaken den Globalen Aktionsplan für tiergenetische Ressourcen. Dieser Aktionsplan sowie die damit verbundene politische Botschaft – die Erklärung von Interlaken – betonten die Wichtigkeit einer tiergenetischen Ressourcenvielfalt und legten Prinzipien und Massnahmen zum Schutz und Erhalt dieser Vielfalt dar.

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Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 306–309, 2014

Kasten 1 | Chronologie 1996 – 1998: Bildung einer Arbeitsgruppe im Auftrag des BLW zur Bestandsaufnahme der Schweizer Rassen und zur Beurteilung der ­nötigen Massnahmen für ihre Erhaltung. 2002: Erarbeitung des ersten Berichts über den Zustand der tiergenetischen Ressourcen in der Schweiz zuhanden der FAO. 2007: Konferenz von Interlaken; organisiert vom BLW und der FAO. Vorstellung des Welt­ zustandsberichts über tiergenetische Ressour­ cen und Verabschiedung des Globalen Akti­ onsplans für tiergenetische Ressourcen. 2013/2014: Vorbereitung des zweiten Berichts über den Zustand der tiergenetischen Ressour­ cen in der Schweiz und die Entwicklung seit der Verabschiedung des Globalen Aktions­ plans.


Erhaltung der genetischen Vielfalt von Nutztieren in der Schweiz: Erkenntnisse und Herausforderungen | Kurzbericht

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Veränderungder der Veränderung Nachfragevon von Nachfrage Zuchterzeugnissen Zuchterzeugnissen

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leichte 6 keine mittlere Datenreihe 7 Datenreihe Datenreihe 5 Datenreihe 8 starke keine mittlere leichte starke Abb. 1 | Auswirkung auf die tiergenetischen Ressourcen und deren Management in den letzten zehn Jahren (Bewertung).

Bedeutung gewinnen werden (FAO 2010). Mit der Haltung verschiedener Rassen steigt auch die Vielfalt in der Ernährung, zudem kann die Nachhaltigkeit der Ernährungssysteme verbessert werden (Baumung et al. 2012). Vor mehr als zehn Jahren hat das BLW den ersten Bericht zur tiergenetischen Vielfalt in der Schweiz verfasst. Diese Arbeit wurde nun in einem zweiten Bericht, der auch die Entwicklung seit der Verabschiedung des Globalen Aktionsplans umfasst, fortgesetzt. Das Dokument wurde im März 2014 der FAO unterbreitet. Aufgabe der UN-Organisation ist es nun, auf der Grundlage der Daten von mehr als hundert Ländern, den Weltzustandsbericht über tiergenetische Ressourcen zu verfassen, der 2016 erscheinen soll. Ein partizipativer Prozess Für die Erarbeitung dieses zweiten Berichts hat das BLW eine umfassende Befragung durchgeführt. Insgesamt 26 Fragebögen wurden an die wichtigsten Züchtervereinigungen, die Schweizer Forschungsanstalten und an weitere Akteure, die im Bereich der Rassenerhaltung agieren, versendet. Ziel dieses Prozesses war es, bei den verschiedenen betroffenen Akteuren Informationen über Lücken und Handlungsbedarf einzuholen. Die Ergebnisse der Umfrage, die im Folgenden kurz beschrieben werden, sind in den Abbildungen 1 und 2 veranschaulicht. Im Allgemeinen scheinen die wichtigsten

0%

Veränderung der Nachfrage von Zuchterzeugnissen starke

Klimatische Veränderungen mittlere

leichte

Politische Aspekte

keine

Abb. 2 | Auswirkung auf die tiergenetischen Ressourcen und deren Management (Prognose für die nächsten zehn Jahre).

Vertreter des Sektors mit den vom Bund erarbeiteten Massnahmen, die namentlich im Rahmen der Tierzuchtverordnung (TZV 916.310) umgesetzt werden, zufrieden zu sein. Die befragten Organisationen sind der Meinung, dass der Bund die Bemühungen zum Erhalt lokaler und gefährdeter Rassen in den letzten Jahren verstärkt hat. Der Marktzutritt habe sich verbessert und die Nachfrage nach tierischen Produkten habe sich gesteigert. Dies treffe vor allem auf Spezialprodukte zu, die ein Label wie geschützte Ursprungsbezeichnung (GUB), Bio usw. tragen. Dennoch äussern verschiedene Organisationen Kritik am wechselhaften Charakter der Direktzahlungen und an der Unvorhersehbarkeit eines Wirtschaftssystems, das in erster Linie auf staatlicher Unterstützung basiert. Viele sind auch wegen der Öffnung der Märkte besorgt, da sie die Schweizer Preise direkt beeinflusst und dies das Fortbestehen einzelner traditioneller Rassen gefährdet, weil diese eine geringere Produktivität als moderne Rassen aufweisen. Die Züchterorganisationen zeigen sich bezüglich langfristiger Phänomene, wie dem Verlust von Sömmerungsgebieten oder dem Klimawandel, wenig besorgt. Zustand der tiergenetischen Ressourcen in der Schweiz Der Fragebogen umfasste 77 Fragen und war in vier Teile aufgeteilt: 1. Tendenzen und Schlüsselelemente, die den Umgang mit tiergenetischen Ressourcen beeinflussen, sowie

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Kurzbericht | Erhaltung der genetischen Vielfalt von Nutztieren in der Schweiz: Erkenntnisse und Herausforderungen

Abb. 3 | Die Rasse der Walliser Schwarzhalsziege ist aufgrund ihrer eingeschränkten regionalen Verbreitung und des hohen Inzuchtgrads gefährdet. Das BLW unterstützt ein Erhaltungsprojekt. (Foto: Schweizerischer Ziegenzuchtverband)

Stärken, Schwächen, Mängel, Herausforderungen und strategische Prioritäten im Hinblick auf zukünftige Aktivitäten 2. Daten zur Vorbereitung des Berichts über die tiergenetischen Ressourcen (Flüsse tiergenetischer Ressourcen, Entwicklung des Zuchtsektors, Bestandsaufnahme der tiergenetischen Ressourcen, Beschreibung, involvierte Institutionen und Akteure, Zuchtprogramme, Erhalt, reproduktive und molekulare Biotechnologien) 3. Daten zur Vorbereitung des «Globalen Zustands der Biodiversität für Ernährung und Landwirtschaft» (Berücksichtigung des Umgangs mit tier- und pflanzengenetischen Ressourcen sowie den Wald- und Wasserressourcen, Erbringung von Ökosystemleistungen) 4. Zwischenbericht über die Umsetzung des Globalen Aktionsplans für tiergenetische Ressourcen. Die Tierzucht stellt einen wichtigen Teil der Schweizer Agrarproduktion dar. In der Schweiz werden ca. 13 Millionen Nutztiere gehalten: Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde, Hühner und Kaninchen. Nur 4,3 Millionen Tiere zählen zu den Gattungen Rinder, Schweine, Schafe oder Ziegen: Davon sind 29 Prozent in einem Herdebuch mit zwei Elterngenerationen derselben Rasse eingetragen. Dieser Aspekt ist bei der Erhaltung reinrassiger Tiere zentral. Mehr als die Hälfte (33) der ca. 70 wichtigsten Rassen der Rinder-, Schweine-, Schafund Ziegengattungen sind traditionelle Rassen (Ursprungsland Schweiz) oder an die lokalen Gegeben-

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Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 306–309, 2014

heiten angepasste Rassen (Zuchtnachweis in der Schweiz seit 1949, namentlich anhand eines Herdebuchs). Diese Vielfalt ist in erster Linie auf die topografischen und landschaftlichen Besonderheiten zurückzuführen. Die Bestände der verschiedenen Tiere, die in der Schweiz in Herdebüchern eingetragen sind, werden regelmässig auf Informationsportalen wie EFABIS und DAD-IS2 publiziert. 2013 galten 23 Schweizer Rassen aufgrund ihres Bestands (effektive Populationsgrösse unter Berücksichtigung des Verhältnisses von männlichen und weiblichen Tieren in Relation zum Gesamtbestand), ihres Inzuchtgrads oder ihres für eine bestimmte Region typischen traditionellen Werts als gefährdet (Abb. 3). Dieser letzte Aspekt spielt insofern eine grosse Rolle als eine Rasse, die vorwiegend in einer bestimmten Region gehalten wird, infolge einer Epidemie aussterben könnte. Trotz des kritischen Zustands dieser Rassen, hat sich die allgemeine Lage in den letzten Jahrzehnten verbessert. Beispiel hierfür ist das Evolèner Rind, dessen Bestand gemäss dem schweizerischen Informationsportal EFABIS.ch zwischen 1995 und 2007 um 200 Prozent zugenommen hat. Dass die Bestände gefährdeter Rassen steigen, ist das Ergebnis enormer Anstrengungen seitens der Schweizer Züchter und Zuchtorganisationen. Immer mehr Züchter und Züchterinnen sind bereit, gefährdete

2 EFABIS: European Farm Animal Biodiversity Information System; DAD-IS: Domestic Animal Diversity Information System of the Food and Agriculture Organization of the United Nations; vgl. z. B. www.efabis.ch


Erhaltung der genetischen Vielfalt von Nutztieren in der Schweiz: Erkenntnisse und Herausforderungen | Kurzbericht

Rassen trotz geringerer Leistung zu halten und so zum Schutz dieses bedeutenden nationalen Erbguts beizutragen. Die hohe Beteiligung der verschiedenen Akteure und Stakeholder an der Ausarbeitung und Umsetzung der Zuchtprogramme ist ebenfalls unter den positiven Punkten dieser nationalen Evaluation zu vermerken. Auch die Einhaltung des Globalen Aktionsplans für tiergenetische Ressourcen kann als zufriedenstellend beurteilt werden. Die Schweiz hat die meisten Ziele der vier Strategiebereiche (Kasten 2) bereits erreicht und setzt die 23 strategischen Prioritäten des Aktionsplans um. Dank des Berichts konnten auch Lücken aufgedeckt werden, wie beispielsweise die Massnahmen der Ex-situErhaltung. Während das Genmaterial, das in der Schweiz in den Genbanken von Swissgenetics, SUISAG und des Nationalgestüts in Avenches lagert, theoretisch eine «Revitalisierung» der meisten gefährdeten Rinder-, Schweine- und Pferderassen erlauben würde, wäre dies bei den Schaf- und Ziegenrassen bei weitem nicht der Fall. Nur knapp die Hälfte dieser Rassen ist in den Genbanken vorhanden. Ähnliches lässt sich auch in der Forschung feststellen. Ein Grossteil der heutigen Forschung konzentriert sich auf die Rindergattung, die anderen Rassen kommen zu kurz.

Kasten 2 | Die strategischen Prioritäten des Globalen Aktionsplans Strategiebereich 1: Beschreibung, Bestandsaufnahme und Monito­ ring der Trends und damit verbundener Risiken (umfasst zwei strategische Prioritäten) Strategiebereich 2: Nachhaltige Nutzung und züchterische ­Weiterentwicklung (umfasst vier strategische Prioritäten) Strategiebereich 3: Erhaltung (umfasst fünf strategische Prioritäten) Strategiebereich 4: Politik, Institutionen und Kapazitätsausbau (umfasst zwölf strategische Prioritäten)

Abb. 4 | Mit dem Kauf eines Produkts gefährdeter Schweizer Rassen tragen die Konsumentinnen und Konsumenten zu deren Erhaltung bei. (Foto: ProSpecieRara)

Schlussfolgerungen Die Schweiz verfügt dank ihrer vielfältigen Landschaft und den diversifizierten klimatischen Bedingungen über eine bedeutende genetische Vielfalt sowohl bei den Kulturpflanzen als auch bei den Nutztieren. Mit dem nationalen Bericht über den Zustand der tiergenetischen Ressourcen wurde über das in den letzten zehn Jahren im Bereich der Rassenerhaltung Erreichte, Bilanz gezogen. Auch wenn diese positiv ausfällt, müssen sich die Regierung und die verschiedenen Organisationen weiterhin engagieren, damit dieses nationale Erbe erhalten werden kann. Zukünftige Massnahmen könnten insbesondere einen Ausbau des Ausbildungsangebots umfassen. Massnahmen, die einen Rahmen für die nachhaltige Nutzung der genetischen Ressourcen der Schweiz schaffen, sind jedoch weiterhin prioritär. Dies kann in erster Linie mit der Förderung von Erzeugnissen lokaler Rassen (Abb. 4), aber auch mit der Sensibilisierung der Gesellschaft bezüglich gefährdeter Rassen in der Schweiz erreicht werden. n

Literatur ▪▪ Baumung R., Hoffmann I., Burlingame B., & Dernini S., 2012. Animal ­g enetic diversity and sustainable diets. In Sustainable Diets and Biodiversity: Directions and Solutions for Policy, Research and Action. ­I nternational Scientific Symposium , 82–93, FAO. ▪▪ BLW, 2012. Agrarbericht. ▪▪ BLW, 2005. Tiergenetische Ressourcen der Schweizerischen Landwirtschaft. ▪▪ FAO (2007). The State of the World’s Animal Genetic Resources for Food and Agriculture, Rome. ▪▪ LPP, LIFE, IUCN–WISP und FAO, 2010. Adding value to livestock diversity – Marketing to promote local breeds and improve livelihoods. FAO Animal Production and Health Paper. Nr. 168. Rome, FAO. ▪▪ Notter, D. R., 1999. The importance of genetic diversity in livestock populations of the future. Journal of Animal Science 77 (1), S. 61–69.

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 306–309, 2014

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K u r z b e r i c h t

Rundballenraufe für Pferde mit ­zeitgesteuertem Fütterungssystem Sabrina Briefer, Samuel Schär und Iris Bachmann, Agroscope, Schweizerisches Nationalgestüt, 1580 Avenches, Schweiz Auskünfte: E-Mail: iris.bachmann@agroscope.admin.ch

wickeln von Stereotypien (McGreevy et al. 1995). Der Häufigkeit der Futtervorlagen kommt ebenfalls grosse Bedeutung zu. Natürlicherweise machen Pferde keine Fresspausen von mehr als drei bis vier Stunden, im Extremfall nur max. 40 Minuten (Tyler 1972). Lange Fresspausen sind unnatürlich für Pferde. Wie bei anderen Nutztieren kommen daher computergesteuerte Futterabrufstationen zum Einsatz, die allerdings mit hohen Investitionskosten verbunden sind. Mit kostengünstigeren zeitgesteuerten Raufen können mehrere kleine Portionen verteilt über den ganzen Tag vorgelegt werden. Dies lässt zwar keine tierindividuelle Futterzuteilung zu, ist aber nicht mit Mehraufwand für den Betreuer verbunden und verkürzt die Fresspausen.

Material und Methoden Ein wichtiger Aspekt der tiergerechten Haltung von Pferden ist die Möglichkeit, dass die Pferde sich lange und über den Tag verteilt mit der Futteraufnahme beschäftigen. (Foto: Agroscope)

Im Unterschied zu anderen Nutztieren ist für Pferde gemäss Schweizer Tierschutzgesetzgebung keine behördliche Bewilligung für serienmässig hergestellte und zum Verkauf angepriesene Stalleinrichtungen vor­ geschrieben, welcher allenfalls eine wissenschaftliche Prüfung auf Tiergerechtheit voranzugehen hätte. Mit dem steigenden Pferdebestand in der Schweiz bauen Stallbaufirmen aber auch ihr Angebot für den Pferde­ sektor aus und treten vermehrt an das Schweizerische Nationalgestüt von Agroscope, um auf freiwilliger Basis neue Produkte prüfen zu lassen. Ein Beispiel stellt diese Untersuchung dar. Die Resultate wurden in Form eines Prüfberichts veröffentlicht (Briefer et al. 2013).

Einleitung Ein wichtiger Aspekt der tiergerechten Haltung von Pferden ist die lange und über den Tag verteilte Futteraufnahme (Vervuet und Coenen 2002), die unter natürlichen Bedingungen bis 16 Stunden (Duncan 1980) betragen kann. Eine zu geringe Fressdauer gilt als Risikofaktor für Erkrankungen des Verdauungstrakts und für das Ent-

310

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Die zu testende Pferdefressgitterraufe misst B x T x H = 2,12 × 2,12 × 2,7 m (Höhe verstellbar). Sie verfügt auf jeder Seite über drei Fressplätze von 28,5 cm Breite, die mit drei senkrechten Stahlrohren (Abstand 55 mm) voneinander abgetrennt sind. Die Raufe ist überdacht und kann mit einer Rundballe Heu befüllt werden. Auf jeder Seite kann eine in Schienen geführte 2 m breite Polyester-Plane den Zugang zum Heu gewähren oder verschliessen. Das Öffnen beziehungsweise Schliessen des Zugangs geschieht mittels eines Elektromotors (Rohrmotor Becker; 230 V, 255 Watt, 1,2 A, 44 Nm), kann programmiert werden (Steuerungssystem STAVEB AG) und lässt wahlweise bis zu sieben Öffnungsvorgänge von frei wählbarer Dauer in 24 Stunden zu. Versuchsanlagen und Tiere Der Versuch wurde in einer Gruppenanlage des Schweizerischen Nationalgestüts durchgeführt. Die Anlage wurde in zwei Bereiche unterteilt. Im Bereich K wurden Referenzwerte bei Fütterung in den bestehenden Fressständen erhoben; im Bereich T erfolgte die Fütterung in der zu prüfenden Heuraufe. Die Pferde hatten in jedem Bereich 70 m² Liegefläche und rund 250 m² planbefestigte Auslauffläche zur Verfügung. Beide Liegebereiche waren mit einer Tiefstreu versehen. Täglich wurden insgesamt 60 kg Weizenstroh nachgestreut.


Rundballenraufe für Pferde mit zeitgesteuertem Fütterungssystem | Kurzbericht

Im Bereich K standen den sechs Pferden nebeneinander sieben Fresstände zur Verfügung. Die überdachten Stände verfügten über eine lichte Breite von 80 cm, über 3 m lange und 2,2 m hohe Trennwände mit Sichtschlitzen im oberen Bereich. Das Pferdeheu (5 kg / Tag / Pferd) wurde am Boden vorgelegt. Die zu testende Pferdegitterraufe im Bereich T wurde alle vier Tage maschinell mit einer Rundballe Pferdeheu befüllt. Für den Versuch wurden zufällig vier Warmblut- und zwei Freibergerpferde im Alter von elf bis 14 Jahren ausgewählt. Diese Stuten waren alle gesund, seit mindestens sechs Monaten in der Herde und wurden nicht genutzt. Versuchsdurchführung Zur Erfassung der Referenzwerte wurden die sechs Stuten während der Woche 1 (= Versuchsphase K) im Bereich K in den Fressständen beobachtet. Der Beobachter hielt sich dreimal täglich während der üblichen Fütterungszeiten um 7:15 Uhr, 11:15 Uhr und 15:45 Uhr ab Beginn der Heuvorlage bis kein Heu mehr vorhanden war im Stallgang vor den Fressständen auf. Es konnten zeitgleich von allen sechs am Kopf markierten Pferden die totale Heu-Fressdauer in Minuten sowie die Anzahl allfälliger Verdrängungen vom Fressplatz erhoben werden (Abb. 1). Die Woche 2 (= Versuchsphase T1) verbrachten die Pferde im Bereich T. Die Öffnungen der Testraufe erfolgten dreimal von 7:15 Uhr bis 8:45 Uhr, 11:15 Uhr bis 12:45 Uhr und 15:45 Uhr bis 17:15 Uhr. Pro Tag hatten die Tiere während total 270 Minuten Zugang zum Heu. Zwischen 17:15 Uhr und 7:15 Uhr war die Raufe durchgehend geschlossen, die Tiere hatten freien Zugang zum Stroh im Liegebereich. Der Beobachter hielt sich jeweils bei geöffneter Raufe im Bereich T auf und erhob die totale Fressdauer aller Pferde in Minuten sowie die Anzahl Verdrängungen vom Fressplatz.

Resultate Totale Heu­Fressdauern und Zwischenintervalle In Testphase K bei Vorlage von total 5 kg Heu / Pferd / 24 Std. verteilt auf drei Portionen pro Tag dauerte die Heuaufnahme im Median 151 Minuten pro Tag (125– 216 Min.). Gefressen wurde jeweils bis kein Heu mehr vorhanden war. Bei dreimaligem Zugang zum Raufutter in Testphase T1 und insgesamt 270 Minuten Zugang zur 

300

Tägliche Dauer der Heu-Aufnahme

250 Fressdauer [Min.]

Abb. 1 | Futteraufnahme in Versuchsphase K (= Fütterung in Fressständen). (Foto: Agroscope)

In der Woche 3 (= Versuchsphase T2) blieben die Pferde im Bereich T. Die sechs Fressintervalle mit der Testraufe erfolgten von 07:15 Uhr bis 8:00 Uhr, 08:45 Uhr bis 09:30 Uhr, 10:15 Uhr bis 11:00 Uhr, 12:30 Uhr bis 13:15 Uhr, 14:00 Uhr bis 14:45 Uhr und 15:30 Uhr bis 16:15 Uhr. Pro Tag war der Zugang zu Heu somit wie in Testphase T1 während 270 Minuten gegeben. Über Nacht war die Raufe wiederum durchgehend geschlossen. Die Beobachtungen erfolgten analog Testphase T1. Die Funktionalität der Technik wurde anhand der Parameter «Genauigkeit der Steuerung» und «korrektes Öffnen und Schliessen der Planen» kontrolliert und sämtliche Vorkommnisse qualitativ beschrieben. Die Pferde wurden täglich auf Verletzungen untersucht. Das Gewicht der Tiere wurde jeweils zu Beginn und am Ende der Testphasen auf einer Brückenwaage gemessen. Die erfassten Daten wurden mithilfe des Statistikprogramms SYSTAT©13 ausgewertet. Zur Überprüfung von Unterschieden zwischen Medianen wurden Mann-Whitney-UTests durchgeführt. Das Signifikanzniveau wurde auf 5 % (p < 0,05) festgelegt.

200

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Abb. 2 | Tägliche Heu-Fressdauern während der drei Versuchsphasen (K = 5 kg Heu / Pferd / Tag verteilt auf drei Portionen pro Tag in Fressständen; T1 = dreimal 90 Min. geöffnete Testraufe; T2 = sechsmal 45 Min. geöffnete Testraufe).

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 310–313, 2014

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Kurzbericht | Rundballenraufe für Pferde mit zeitgesteuertem Fütterungssystem

Abb. 3 | Funktionalitätsstörungen des Schliessvorgangs. (Foto: Agroscope)

geöffneten Raufe haben die Pferde im Median während 268 Minuten (145–270 Min.) Heu aufgenommen. In Testphase T2 bei sechsmal geöffneter Raufe und ebenfalls insgesamt 270 Minuten geöffneter Raufe betrug die Fressdauer im Median 250 Minuten (212–270 Min) (Abb. 2). Der Unterschied war nicht signifikant. Die Verteilung des Zugangs auf sechs Phasen führte zu einer Verkürzung der Intervalle mit geschlossener Raufe tagsüber auf maximal 1½ Stunden im Vergleich zu maximal drei Stunden bei nur drei Phasen mit Zugang zum Heu. Bei Fütterung in den Fressständen in der Woche 1 betrugen die Zeiten zwischen der Heuaufnahme zwischen 2 Std. 48 Min. und 3 Std. 18 Min. Während der drei Versuchswochen hatten die Pferde immer Zugang zum eingestreuten Liegebereich. Die Aufnahme von Stroh wurde jedoch nicht erfasst.

ckiert. Die Schliessung erfolgte dann nicht korrekt, die Pferde konnten trotz heruntergelassener Plane durch verbliebene Öffnungen Heu aufnehmen (Abb. 3, links). Zweimal öffnete sich eine der vier Planen nicht automatisch und musste manuell bedient werden. Einmal verrutschte die Plane gegen innen und verschloss den Zugang zum Heu hinter dem Fressgitter (Abb. 3, rechts). Mehrmals geriet eine Plane aus der Schiene und lief somit nicht mehr horizontal. Die Programmierung der Öffnungszeiten erfolgte während der gesamten Versuchsdauer ohne Probleme, die Steuerung funktionierte zeitgenau. Verletzungen der Pferde wurden keine festgestellt. Die Raufe weist keine gefährlichen Stellen auf. Es erfolgte keine signifikante Gewichtsveränderung der Pferde während der Versuchsperiode.

Verdrängungen vom Fressplatz Verdrängungen vom Fressplatz wurden bei Fütterung in den Fressständen (Testphase K) nicht festgestellt. Bei dreimaliger Fütterung an der Testraufe (Testphase T1) erfolgten mit im Median 47-mal pro Tag (36– bis 73-mal) signifikant weniger Verdrängungen als bei sechsmaliger Fütterung an der Testraufe (Testphase T2) mit im Median 87 Verdrängungen pro Tag (72- bis 99-mal) (p = 0,043).

Diskussion

Funktionalität der Raufe und der Technik Während der gesamten Versuchsdauer konnten Funktionalitätsprobleme der Pferderaufe festgestellt werden. Das Heruntergleiten der Planen wurde gelegentlich durch zwischen den Gitterstäben liegendem Heu blo-

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Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 310–313, 2014

Systembedingt werden die heutigen Hauspferde in der Regel rationiert gefüttert, um einer Überversorgung vorzubeugen. Aufgrund arbeitswirtschaftlicher Überlegungen erfolgt die Futtervorlage für 48 % der Schweizer Pferde nur zweimal und für 34 % dreimal pro Tag (Bachmann und Stauffacher 2002). Dieses Fütterungsmanagement widerspricht den Bedürfnissen von Pferden und führt zudem in Gruppenhaltung zu einer erhöhten Verletzungsgefahr, da lange Fresspausen zu Unruhe und potenziell verletzungsträchtigen Interaktionen zwischen Gruppenmitgliedern führen können (Gülden et al. 2011). Die getestete Pferderaufe mit zeitgesteuertem


Rundballenraufe für Pferde mit z­ eitgesteuertem Fütterungssystem | Kurzbericht

Zugang zum Raufutter soll eine häufigere Verteilung der Raufuttervorlage mit deutlich kürzeren Fresspausen ermöglichen, ohne dem Pferdehalter Mehrarbeit zu verursachen. In einer Gruppe von sechs Pferden wurden für diese Arbeit zwei verschiedene Verteilungen des Zugangs zum Raufutter an der Testraufe über den Tag verglichen: Drei Phasen à 90 Minuten gegenüber sechs Phasen à 45 Minuten. Im Vergleich zu natürlichen Verhältnissen von 12 bis 16 Stunden lagen die totalen Heu-Fressdauern von 4 ½ Stunden insgesamt tief. Allerdings stand den Pferden im Liegebereich Stroh permanent zur Verfügung. Die totale Dauer der Heuaufnahme nahm im Vergleich zur Referenzwoche bei Fütterung an der Testraufe zu, unterschied sich jedoch nicht signifikant bei dreimaliger oder sechsmaliger Öffnung der Raufe pro Tag. Die Zwischenintervalle konnten bei sechsmaliger Öffnung hingegen stark verkürzt werden. Diese bessere Verteilung des Zugangs zum Raufutter über den Tag beugt einer Überfüllung des vergleichsweise kleinen Pferdemagens vor und stellt somit ein pferdegerechteres Fütterungsmanagement dar. In der Gruppenhaltung von Pferden führt die Futtervorlage in Rundraufen aufgrund der hierarchischen Organisation von Equiden zu regelmässigen Verdrängungen tiefrangiger Tiere vom Fressplatz. Dies zeigte sich deutlich beim Vergleich der Testphase K mit Fütterung in Fressständen (keine Verdrängungen) mit den Testphasen T1 und T2 mit Fütterung an der Heuraufe. Die Verabreichung von Raufutter in Grossraufen für mehrere Tiere eignet sich somit nur bei grosszügigem Tier-Fressplatz-Verhältnis oder bei ad-libitum-Fütterung. Die Testraufe mit zwölf Plätzen eignet sich für eine Gruppe von bis zu vier Pferden, denn die Anzahl Verdrängungen vom Fressplatz pro Tag waren bei sechs Tieren erheblich, was einer ungestörten Futteraufnahme widerspricht.

Literatur ▪▪ Bachmann I. & Stauffacher M., 2002. Haltung und Nutzung von Pferden in der Schweiz: Eine repräsentative Erfassung des Status quo. Schweiz. Arch. Tierheilk. 144, 331–347. ▪▪ Briefer S., Bucher F., Schär, S. & Bachmann I., 2013. Rundballenraufe für Pferde mit zeitgesteuerter Fütterungsplane. Prüfbericht, Agroscope – Schweizerisches Nationalgestüt. 6 S. ▪▪ Duncan P., 1980. Time-budgets of Camargue horses. II. Time-budgets of adult horses and weaned sub-adults. Behaviour 72 (1–2), 26–49. ▪▪ Gülden A., Gauly M. & Troxler J., 2011. Die computergesteuerte Kraftfutterstation für Pferde in Gruppenhaltung – Der Einfluss einer Austreibhilfe auf den Fütterungsablauf. KTBL-Schrift 489, Münster-Hiltrup, 113–121.

Während der mehrwöchigen Testphase der Heuraufe traten technische Probleme beim Öffnungs- oder Schliessvorgang der Planen auf. Diese führten zwar nicht zu gefährlichen Situationen für die Pferde, erforderten aber eine manuelle Korrektur durch den Pferdehalter. Da die Testraufe ohne Mehrarbeit eine bessere Verteilung der Futtergaben über den Tag erlauben soll, auch ohne dass der Pferdehalter vor Ort ist, besteht hier Handlungsbedarf.

Schlussfolgerungen Die Rundballenraufe für Pferde mit zeitgesteuerter Fütterungsplane der Firma B und M, Haus- und Agrotech AG, Densbüren, führte zu der beabsichtigten Verkürzung der Intervalle zwischen Heu-Aufnahmephasen. Die Verteilung der Futterrationen auf bis zu sieben Portionen in 24 Stunden trägt wesentlich zu einem pferdegerechten Fütterungsmanagement bei. Allerdings ist in Gruppenhaltung bei Futterverabreichung in einer Rundraufe auf ein angepasstes Tier-Fressplatz-Verhältnis zu achten, und es muss sich um eine homogene Gruppe handeln, also Pferde mit gleichem Futterbedarf. Auf Grund der beobachteten technischen Probleme bei Öffnungs- und Schliessvorgängen der Abdeckplanen kann auf eine mehrmals tägliche Kontrolle der Funktionalität der Raufe nicht verzichtet werden. Dies widerspricht dem Einsatz der Rundraufe in einem Pferdestall ohne Anwesenheit von und regelmässiger Kontrolle durch Betreuungspersonal. n

▪▪ McGreevy P. D., Cripps P. J., French N. P., Green L. E. & Nicol C. J., 1995. Management factors associated with stereotypic and redirected behaviour in the Thoroughbred horse. Equine Vet. J. 27, 86–91. ▪▪ Tyler S. J., 1972. The behaviour and social organization of the New Forest ponies. Animal Behaviour Monographs 5, 85–196. ▪▪ Vervuert I. & Coenen, M., 2002. Aspekte der Fütterungs- und Haltungstechnik von Pferden. Pferdeheilkunde 18, 629–63.

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P o r t r ä t

Selber Wissen zu generieren, macht ihr Spass «Pferde können nicht lügen. Auf Reize reagieren sie unmittelbar und entsprechend ihrer unverfälschten Persönlichkeit. Das ist eine Erfahrung und Lebensschule, die ich jedem gönne, sie zu erleben.» Wenn Iris Bachmann von Pferden spricht, ist ihre Begeisterung für die sensiblen Vierbeiner fast mit Händen greifbar. Leiterin Team Ethologie, Pferdehaltung und -nutzung lautet ihre Funktion am Schweizerischen Nationalgestüt von Agroscope in Avenches seit Anfang 2014. Mit ihrem Team – übrigens eine reine Frauengruppe – testet Iris Bachmann einerseits neue Haltungssysteme (siehe Bericht zur Sparraufe in dieser Ausgabe); andererseits untersucht das Team das Verhalten und im Speziellen das Lernverhalten von Pferden. Pferdehaltung und Raumplanung ist ein weiteres Thema, das immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Die Ethologin ist überzeugt, dass eine moderne Pferdehaltung und -nutzung sowohl tiergerecht als auch praxistauglich sein kann, und «dass davon sowohl der Mensch wie das Tier profitieren». Aufgewachsen ist Iris Bachmann mit Jahrgang 1968 im Kanton Zürich, auf dem Land und mit vielen Haustieren. So lernte sie schon als Kind, Tiere zu beobachten und aus ihrem natürlichen Verhalten Rückschlüsse auf die optimale Haltung und den Umgang zu ziehen. Dass sie später Biologie und im Hauptfach Zoologie und Ethologie studierte, liegt auf der Hand. Auf ihr Studium an der Universität Zürich folgte 2002 eine Dissertation zum Thema «Pferde in der Schweiz. Prävalenz und Ursachen von Verhaltensstörungen unter Berücksichtigung der Haltung und Nutzung». Seit 2003 arbeitet Iris Bachmann am Nationalgestüt, zuerst als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Beratungsstellenleiterin und in der Weiterbildung, 2012 und 2013 als Forschungsgruppenleiterin. «Wir konnten uns in den letzten Jahren sehr viel neues Wissen aneignen und dieses auch an die Praxis weitergeben.» Die Neuorientierung 2012 des Nationalgestüts hin zur Forschung betrachtet sie für sich persönlich, aber auch für die Schweizer Pferdebranche, als «spannend, motivierend und insgesamt sehr positiv». Das Bewusstsein der Pferdebranche in den Bereichen Ethologie und Haltung habe sich stark verändert. Iris Bachmann: «Obwohl noch viel Wissen fehlt, konnten wir bereits viel bewegen. Und darauf bin ich stolz.» Mit ihrer Familie – dazu gehören der Ehemann und die zwei Buben Nick (12) und Till (14) – und vielen Haustieren wohnt sie in Mur auf dem Mont Vully. Familien-

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frau, Tierhalterin und Forschungsteamleiterin – ihr Leben bezeichnet sie als «genial». Aber: «Ich wünsche mir oft, dass die Tage doppelt so lange dauern würden». Den Ausgleich findet sie beim Joggen. «Einfach die Laufschuhe anziehen und von zuhause aus losrennen, das bedeutet für mich Loslassen vom Alltag und Erholung pur.» Und wenn die Forscherin einen Wunsch frei hätte? – «Dann wünschte ich mir, dass die Ethologie von allen Praktikern, Forschern und Behörden als ernsthafte wissenschaftliche Forschungsdisziplin anerkannt wird.» Denn: «Die Bemühungen um das Wohlergehen der Tiere sind nicht einfach eine Begleiterscheinung einer übersensibilisierten Wohlstandsgesellschaft, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Menschen», ist sie überzeugt. Christine Caron-Wickli, Agroscope


A k t u e l l

Neue Publikationen

Der Film zu AlpFUTUR: Alpsommer auf DVD Das Vieh ist jetzt bereits wieder auf den Alpweiden. Pünktlich zu Beginn der neuen Alpsaison wurde der Dokumen­t­arfilm «Sommerzeit – Alpwirtschaft: Tradition mit Zukunft?» von Pascale Gmür auch auf DVD veröffentlicht. Er ist im Rahmen des Forschungsprogramms ­«AlpFUTUR – Zukunft der Sömmerungsweiden in der Schweiz» entstanden. Der Film zeigt, von welchen Faktoren die Tiersömmerung abhängt, und regt dazu an, über die Bedeutung der Alpwirtschaft nachzudenken. Was ist Idealisierung, was ist Realität? Wohin bewegt sich diese langjährige Tradition? Auf der Suche nach Antworten begleitet der Film Älpler, Älplerinnen und Forschende von AlpFUTUR, um Facetten zu zeigen, die über die Sommerzeit hinweg dauern. Dem Buch «Zukunft der Schweizer Alpwirtschaft» sind die AlpFUTUR-Umsetzungsfilme «Von Älplern für Älpler» sowie der Dokumentarfilm «Sommerzeit» auf zwei DVDs beigelegt. Das Buch kann bei der WSL für 30 Franken (zzgl. Porto) bezogen werden: www.alpfutur.ch/buch. Beide DVDs werden auch separat verkauft. Zudem steht das Buch unter www.alpfutur.ch/ebook gratis zum Download bereit.

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Aktuell

Neue Publikationen

Beitrag der Bäuerinnen für die landwirtschaftli­ chen Familienbetriebe in der Schweiz

Ökonomie Agroscope Transfer | Nr. 21

Beitrag der Bäuerinnen für die landwirtschaftlichen Familienbetriebe in der Schweiz Eine Zeitbudgeterhebung Juni 2014

Autorinnen

Gabriela Brändle, Agroscope

Ruth Rossier und Linda Reissig

Abb. 1: Mit ihrem vielfältigen Einsatz tragen die Bäuerinnen massgeblich zum guten Funktionieren der landwirtschaftlichen Familienbetriebe bei: Bäuerin in ihrem Hofladen.

Laut der Zeitbudgeterhebung von 2011 auf 179 bäuerlichen Familienbetrieben beträgt die zeitliche Beanspruchung der Bäuerinnen im Durchschnitt 65 Stunden pro Woche. Rund ein Drittel dieser Zeit wenden Bäuerinnen für den Landwirtschaftsbetrieb sowie administrative und landwirtschaftsnahe Tätigkeiten auf. Weitere 13 Prozent entfallen auf die ausserbetriebliche Erwerbstätigkeit. Haushalt und Familie beanspruchen die Hälfte ihrer Zeit und bleiben die Domäne der Bäuerinnen, auch wenn die Partner heute mehr Zeit für die Kinderbetreuung aufwenden, als dies früher der Fall war. Bäuerinnen stimmen ihre Tätigkeiten innerhalb und ausserhalb des Betriebs auf die Familiensituation ab: Mit kleinen Kindern nehmen sie sich auf dem Betrieb und bei der ausserbetrieblichen Erwerbstätig-

keit zurück und investieren dafür mehr Zeit in die Kinderbetreuung. Seit 1974 ist der Zeitaufwand der Bäuerinnen für Haushalt und Betrieb gesunken, jener für Erziehung und ausserbetriebliche Erwerbsarbeit hat hingegen zugenommen. Es gibt inzwischen auch dreimal mehr Bäuerinnen mit nichtlandwirtschaftlicher Ausbildung als damals. Die Ergebnisse dieser Zeitbudgeterhebung zeigen, dass der Beitrag der Bäuerinnen für die landwirtschaftlichen Familienbetriebe nach wie vor von grosser Bedeutung ist. Ihr vielseitiger Einsatz in Haushalt, Familie, Betrieb und Administration sowie ihre landwirtschaftsnahe und ausserbetriebliche Erwerbstätigkeit tragen unbestritten zum guten Funktionieren der bäuerlichen Familienbetriebe bei.

Agroscope Transfer | Nr. 21 Laut der Zeitbudgeterhebung von 2011 auf 179 bäuerlichen Familienbetrieben beträgt die zeitliche Beanspruchung der Bäuerinnen im Durchschnitt 65 Stunden pro Woche. Rund ein Drittel dieser Zeit wenden Bäuerinnen für den Landwirtschaftsbetrieb sowie administrative und landwirtschaftsnahe Tätigkeiten auf. Weitere 13 Prozent entfallen auf die ausserbetriebliche Erwerbstätigkeit. Haushalt und Familie beanspruchen die Hälfte ihrer Zeit und bleiben die Domäne der Bäuerinnen, auch wenn die Partner heute mehr Zeit für die Kinderbetreuung aufwenden, als dies früher der Fall war. Bäuerinnen stimmen ihre Tätigkeiten innerhalb und ausserhalb des Betriebs auf die Familiensituation ab: Mit kleinen Kindern nehmen sie sich auf dem Betrieb und bei der ausserbetrieblichen Erwerbstätigkeit zurück und investieren dafür mehr Zeit in die Kinderbetreuung. Seit 1974 ist der Zeitaufwand der Bäuerinnen für Haushalt und Betrieb gesunken, jener für Erziehung und ausserbetriebliche Erwerbsarbeit hat hingegen zugenommen. Es gibt inzwischen auch dreimal mehr Bäuerinnen mit nichtlandwirtschaftlicher Ausbildung als damals. Die Ergebnisse dieser Zeitbudgeterhebung zeigen, dass der Beitrag der Bäuerinnen für die landwirtschaftlichen Familienbetriebe nach wie vor von grosser Bedeutung ist. Ihr vielseitiger Einsatz in Haushalt, Familie, Betrieb und Administration sowie ihre landwirtschaftsnahe und ausserbetriebliche Erwerbstätigkeit tragen unbestritten zum guten Funktionieren der bäuerlichen Familienbetriebe bei. Ruth Rossier und Linda Reissig, Agroscope

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Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 315–319, 2014


Aktuell

Fleischfett – Ein Geschmacksträger mit Einfluss auf die menschliche Gesundheit? Lebensmittel Agroscope Science | Nr. 4 / 2014

Fleischfett – Ein Geschmacksträger mit Einfluss auf die menschliche Gesundheit? Autorin: Alexandra Schmid

Agroscope Science Nr. 4 / 2014 Das Fett spielt eine wichtige Rolle in der Ernährung des Menschen. Fette sind lebenswichtig für einen gesunden Körper, versorgen ihn mit Energie, tragen zur Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen bei und wirken als Strukturelemente von Zellwänden. Auch beim Kochen spielt Fett als Träger von Geschmacks- und Aromastoffen eine wichtige Rolle. Andererseits hat kein anderer Nährstoff mit derart vielen Vorurteilen zu kämpfen wie das Fett. Offizielle Stellen und Ernährungsfachgesellschaften empfehlen seit Jahren den Fettgehalt der Ernährung zu reduzieren und pflanzliche Öle und Fette den tierischen vorzuziehen. Sie haben damit die Einstellung vieler Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber tierischem Fett geprägt, wie dies verschiedene Meinungserhebungen in der Schweiz zeigen. Von Anfang an wurde kritisiert, dass diese Empfehlungen nicht auf ausreichend wissenschaftlichen Fakten fussen; in den letzten Jahren haben sich nun die Hinweise verdichtet, dass Fett generell und auch tierisches Fett nicht die Bösewichte sind, als die sie oft dargestellt werden. In der vorliegenden Übersicht wird die wissenschaftliche Literatur zu ausgewählten Aspekten zum Thema Fleischfett zusammengetragen (Fettgehalt von Fleisch, Zusammensetzung von Fleischfett, Aromaträger Fett, Geschichte der Fettempfehlung, gesundheitliche Wirkungen von tierischem Fett). Da Fleischfett meist im Rahmen eines Fleischkonsums verzehrt wird, wird auch kurz auf möglicherweise negative gesundheitliche Aspekte des Fleischkonsums eingegangen. Alexandra Schmid, Agroscope Agroscope Science erscheint nur in elektronischer Form. Download im PDF-Format: www.agroscope.ch > Publikationen

Agrarforschung Schweiz 5 (7–8): 315–319, 2014

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Aktuell

Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 30.06.2014 Minierfliegen häufig auf Import-Pflanzen

10.06.2014 Gelbrost: Herausforderung resistente Sorten

Die Sommerferien beginnen bald. Im Urlaub sind ReiseSouvenirs sehr begehrt. Während schöne Wohnaccessoires grösstenteils problemlos sind, benötigt man bei exotischen Pflanzen oft Einfuhr-Dokumente, oder es gelten gar Einfuhrverbote. Damit sollen Pflanzen-Krankheiten und -Schädlinge (Quarantäneorganismen) von der Schweiz ferngehalten werden. Dazu gehören Minierfliegen. Deshalb empfehlen Fachleute vom AgroscopePflanzenschutzdienst zusammen mit dem Eidgenössischen Pflanzenschutzdienst, auf Pflanzen als Souvenir zu verzichten. Dennoch liegt die Häufigkeit der Vergehen gegen die Pflanzenschutzvorgaben auf einem hohen Niveau.

Dieses Jahr wird ganz Europa von einer schweren Gelbrostepidemie auf Weizen und Triticale heimgesucht. In der Schweiz sind mehrere Sorten betroffen. Die Ursache ist in einer Kombination aus besonders günstigen Witterungsbedingungen und dem Auftreten eines neuen, sehr virulenten Gelbroststammes zu finden. Das Resistenzlabor der Weizen- und Sojazüchtung von Agroscope untersucht zurzeit die Virulenzen der Stämme des Krankheitserregers und bewertet die Resistenzen der inund ausländischen Weizen- und Triticalesorten. Dies mit dem Ziel, den Produzenten so schnell wie möglich Empfehlungen zu den Sorten mit den besten Resistenzen geben zu können.

24.06.2014 Auch der Biolandbau braucht gezielte Massnah­ men für die Biodiversität Um die Artenvielfalt im Landwirtschaftsgebiet zu erhalten, ist die Anzahl an unterschiedlichen Lebensräumen entscheidend. Bio-Betriebe ohne gezielte Fördermassnahmen wie die Schaffung zusätzlicher artenreicher Lebensräume haben nur eine leicht grössere Artenvielfalt als die übrigen Betriebe. Das zeigt eine Studie in zehn europäischen und zwei afrikanischen Regionen. Die Programme von BioSuisse und IP Suisse zur Förderung der Lebensraum-Vielfalt können auf europäischer Ebene als Vorbild dienen.

17.06.2014 Von «Chetteli und Stäbli» – die Ausbildung der Alpkäserinnen und -käser Alpkäse erfreuen sich bei Konsumentinnen und Konsumenten grosser Beliebtheit. Weil die Käse mit viel Handarbeit hergestellt werden, ist die Milchverarbeitung auf der Alp anspruchsvoller als im Tal. Mitarbeitende von Agroscope haben in diesem Frühjahr in mehr als 20 Alpsennenkursen mitgewirkt und ihr Fachwissen an gegen 500 Alpkäserinnen und -käser weiter gegeben.

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Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Fachvideos von Agroscope

August 2014

www.agroscope.ch/publikationen

09.08.2014 Geschmackserlebnis Kartoffelvielfalt in Marani ProSpecieRara und Forschungsanstalt Agroscope (IPB, INH) Schaugarten Maran, Arosa/GR

Die Fachvideos von Agroscope vermitteln auf informative und unterhaltsame Art Aspekte aus Forschung und Extension von Agroscope für schmackhafte Lebensmittel, für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft und für eine gesunde Umwelt.

Vor schau September 2014 / Heft 9 Ferkel werden aus wirtschaftlichen Gründen von der Muttersau getrennt, bevor sie von ihr gelernt haben, Trockenfutter zu fressen. In einem Fütterungsversuch haben Forschende von Agroscope und der ETH untersucht, ob diese jungen Ferkel fähig sind, von früher abgesetzten, erfahrenen Jungtieren die Aufnahme von Festfutter zu lernen. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)

••Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht, Andreas Gutzwiller et al., Agroscope und ETH Zürich ••Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes, Achim Walter et al., ETH Zürich ••Ergebnisse der Sortenversuche 2011 – 2013 mit Luzerne, Rainer Frick, Agroscope ••Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft, ­Franziska Götze und Ali Ferjani, Agroscope ••Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion, Andreas Hochuli et al., HAFL

14.08.2014 Ostschweizer AGFF-Tagung 2014 Agroscope INH, AGFF, Landw. Zentrum SG, Profi-Lait Moorhof, 9464 Rüthi SG

21. – 22.08.2014 Info-Tag: Medizinal- und Aromatische Pflanzen Agroscope IPB, Conthey Le Prese, GR 23.08.2014 Güttingertagung 2014 Agroscope + BBZ Arenenberg Versuchsbetrieb Güttingen, Güttingen TG 28.08.2014 AGFF-Waldhoftagung INT, INH, AGFF, Inforama, HAFL, Profi-Lait Inforama Langenthal 30. – 31.08.2014 Tage der offenen Tür: Forschung berühren Agroscope Conthey September 2014 11.09.2014 37. Informationstagung Agrarökonomie Agroscope Agroscope INH, 8365 Ettenhausen 17.09.2014 Journée Semis direct Agroscope IPB, Changins

••Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten, Daniel Hoop et al., Agroscope ••World Café «Wachstum in der Landwirtschaft», Linda Reissig, Agroscope ••Gerstenflugbrand – Sortenanfälligkeit und Bekämpfungsalternativen, Heinz Krebs et al., Agroscope

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

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Donnerstag,11. September 2014

37. Informationstagung Agrarökonomie Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, Tänikon

An der Tagung wird über die laufenden agrarwirtschaft­ lichen Arbeiten des Instituts für Nachhaltigkeitswissen­ schaften (vormals Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz­ Tänikon) informiert. Mehrere Beiträge sind dem Thema Kostensenken gewidmet. Themen • Buchhaltungsergebnisse 2013 • Vollkosten wichtiger Schweizer Ackerbaukulturen • Kosten und Nutzen der Gentechnik • Wechselkurs und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft • Zukunft im Internet: Swiss Agricultural Outlook • Zufriedenheit und soziale Vernetzung

Detailprogramm www.agroscope.ch > Aktuell > Veranstaltungen Anmeldung Bis am 28. August 2014 bei diana.niederer@agroscope.admin.ch Tagungsort Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, Tänikon 1, 8365 Ettenhausen, Hörsaal Refenthal Kosten Fr. 80.– (inkl. Dokumentation und Mittagessen)

Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra

Eidgenössisches Departement für W irtschaft, Bildung und Forschung WBF Agroscope


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