Agrarforschung Schweiz, Heft 4, April 2014

Page 1

AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ 2 0 1 4

|

H e f t

4

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich

A p r i l

Agrarwirtschaft

Synergien und Zielkonflikte zwischen ­Ernährungssicherheit und Ressourcen­effizienz Seite 132

Nutztiere

Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­weisen eine gute Silagequalität auf Seite 146

Kurzbericht

Die Schweizer Pferdebranche Seite 154


In der Studie «Wirtschafts-, g ­ esellschafts- und umwelt­ politische Bedeutung des Pferdes in der Schweiz – Stand 2013» stellt das Schweizerische Nationalgestüt von Agroscope interessante Z­ ahlen zur Pferdebranche der Schweiz vor. (Foto: Carole Parodi, ­Agroscope)

Inhalt April 2014 | Heft 4 131 Editorial Agrarwirtschaft Synergien und Zielkonflikte zwischen 132

Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB; Institut für Nutztierwissen­schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits­wissenschaften INH), www.agroscope.ch b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.ch b Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, ­Zollikofen, www.hafl.ch b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / ­Recherche Agro­nomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21,Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1 E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili und Sibylle Willi (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), ­Brigitte Dorn (ETH Zürich). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch, Fax +41 26 407 73 00 Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

­ rnährungssicherheit und Ressourcen­ E effizienz Birgit Kopainsky et al. Agrarwirtschaft Globale Ernährungssicherheit – 138

­Schlussfolgerungen für die Schweiz Barbara Becker, Marc Zoss und Hans-Jörg ­Lehmann Nutztiere Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel 146

­weisen eine gute Silagequalität auf Ueli Wyss und Catherine Metthez Kurzbericht Die Schweizer Pferdebranche 154 Lea Schmidlin et al. Kurzbericht Mechanische Regulierung der Begleitflora 158

bei Rispenhirse Rosalie Aebi, Samuel Knapp und Jürg Hiltbrunner 162 Interview 163 Aktuell 167 Veranstaltungen


Editorial

Neues zum Stand der Schweizer Pferdebranche Liebe Leserin, lieber Leser

Stefan Rieder, Forschungs­ bereichsleiter Agroscope – Schweizerisches Nationalgestüt

Wirtschaftliche Stabilität und ein liberales Umfeld, steigende Verfügbarkeit von Zeit und Mitteln für Freizeitaktivitäten, das Bedürfnis breiter Bevölke­ rungsschichten zu einem aktiven Ausgleich des Berufslebens, Interesse an Natur und Tieren, Globalisierung von Information, Traditionen und die Faszi­ nation für das Pferd- darunter zu verstehen sind alle domestizierten Equiden, also Pferde, Ponys, Esel, Maultiere und Maulesel – ganz generell, sind Schlüs­ selfaktoren, die zur Entwicklung und Popularisierung des Pferdewesens in der Schweiz in den letzten Jahren beigetragen haben. Der ländliche Raum als Lebens- und Nutzungsraum des Raufutterverwerters Pferd sowie die Landwirte als Dienstleister spielen dabei für die Pferdebranche eine zentrale Rolle. Rund drei Viertel der Pferde stehen nämlich in der Landwirtschafts­ zone und nutzen rund 60 000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) in unse­ rem Land. Je nach Region trägt die Pferdehaltung auf Betriebsebene subs­ tanziell zum landwirtschaftlichen Einkommen bei und leistet einen Beitrag zum Erhalt der Betriebe. In Anlehnung an die Pferdebranchenrapporte der Jahre 2007 und 2009 «Wirtschafts-, gesellschafts- und umweltpolitische Bedeutung des Pferdes in der Schweiz» liegt nun seit kurzem ein neuer Bericht zum Stand 2013 vor. Mitarbeitende des Schweizerischen Nationalge­ stüts von Agroscope (SNG), fachlich unterstützt von Kollegen aus der Agrar­ ökonomie von Agroscope in Tänikon (INH) aber auch von Mitarbeitenden aus dem BLW und weiteren Bundesämtern sowie Hochschulen, erstellten diesen Rapport im letzten Jahr. In diesem Sinne ist der Rapport auch ein schö­ nes Beispiel gelebter Agroscope-interner und -externer Zusammenarbeit. Zusammengefasst liegen die Herausforderungen für die Schweizer Pfer­ debranche darin, einerseits möglichst dauerhaft wettbewerbsfähig zu wirt­ schaften und gleichzeitig Umweltwirkungen zu minimieren, und anderer­ seits auch das Tierwohl und soziale Umfeld im ländlichen Raum sowie den Austausch zwischen Stadt und Land positiv mitzugestalten. Der Rapport Pfer­ debranche 2013 zeigt in einem ersten Teil das aktuelle Bild der Schweizer Pferdebranche auf sowie deren Bedeutung und Entwicklung während der letzten zehn Jahre. Der zweite Teil widmet sich ausgewählten Themengebie­ ten, welche die aktuellen Veränderungen und auch Neuerungen in der Bran­ che prägen. In den letzten Jahren waren die verschiedenen Akteure auf­ grund zahlreicher gesetzlicher Anpassungen in vielerlei Hinsicht gefordert. Fakt bleibt jedoch, der Pferdebestand in der Schweiz wächst nach wie vor, ebenso die Anzahl Besitzer und Pferdehalter. Die Pferdenutzung ist heute mehrheitlich Frauensache. Die Pferdezucht und -haltung ist demgegenüber mehrheitlich bäuerlich und in Männerhand. Zwischen urbanen Ansprüchen und ländlichen Befindlichkeiten können Welten aufeinander treffen. In die­ sem Spannungsfeld Beiträge zur wirtschaftlichen Rentabilität der Pferde­ zucht und -haltung zu liefern aber auch den Ansprüchen einer modernen Gesellschaft in Bezug auf Tierschutz und Tierwohl gerecht zu werden, bewe­ gen sich die Tätigkeiten der Mitarbeitenden von Agroscope im Bereich Pferd. Mehr dazu finden Sie im Beitrag auf Seite 154 in dieser Ausgabe der Agrar­ forschung Schweiz.

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 131, 2014

131


A g r a r w i r t s c h a f t

Synergien und Zielkonflikte zwischen Ernährungs­ sicherheit und Ressourceneffizienz Birgit Kopainsky1, Theresa Tribaldos1, Christian Flury1, Matteo Pedercini2 und Hans-Jörg Lehmann3 Flury&Giuliani GmbH, 8006 Zürich, Schweiz 2 Millennium Institute, 20006-4021, Washington DC, USA 3 Bundesamt für Landwirtschaft, 3003 Bern, Schweiz Auskünfte: Birgit Kopainsky, E-Mail: birgit.kopainsky@flury-giuliani.ch

1

Abb. 1 | Nahrungsmittelerzeugung unter stetigem Druck: Steigende Siedlungsansprüche reduzieren die freien Bodenflächen für die Nahrungsmittelerzeugung. (Foto: BLW)

Einleitung Der vorliegende Beitrag stützt sich auf das Teilprojekt Modellierung und befasst sich mit den Zielkonflikten und Synergien zwischen Produktions- und Umweltwirkungen der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft (L&E; vgl. Kasten «Ressourceneffizienz» S. 133). In diesem Teilpro­ jekt wurde untersucht, wie sich die Schere zwischen Nah­ rungsmittelbedarf und Produktionspotenzial in der Schweiz schliessen liesse (Abb. 1). Allerdings kann das weitere Umfeld dabei nicht ausser Acht gelassen werden, da fast 50 % der in der Schweiz verbrauchten Lebensmit­ tel importiert werden (BLW 2012a). Laut Jungbluth et al. (2011) fallen ausserdem etwa 60 % der Umweltbelastun­ gen durch den Konsumbereich Ernährung im Ausland an. Vor diesem Hintergrund wurden im Teilprojekt Modellie­

132

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 132–137, 2014

rung die Herausforderungen für die Schweizer L&E im Zeithorizont 2050 identifiziert. Dabei wurden insbeson­ dere die Hebelwirkungen einzelner Interventionen zur langfristigen Sicherung der Produktion und einer effizi­ enten Ressourcennutzung untersucht. Die folgenden Forschungsfragen werden beantwortet: ••Welche Handlungsfelder bestehen, um die Schweizer L&E gezielt hinsichtlich Ressourceneffizienz und Ernährungssicherheit ausrichten zu können? ••Was sind die Produktions- und Umweltwirkungen dieser Handlungsfelder? ••Entstehen Zielkonflikte und Synergien? ••Zur Erreichung der formulierten Ziele und Beantwor­ tung der Forschungsfragen wurde ein dynamisches Simulationsmodell auf den Schweizer Kontext angepasst und entsprechend kalibriert.


Ressourceneffizienz im Dienste der Ernährungssicherheit – Umgang mit Knappheit Die intensive und gleichzeitig nachhaltige Nutzung der Ressourcen ist ein Schlüsselfaktor für die künftige globale Ernährungssicherheit. Die absehbaren demografischen Veränderungen, die zunehmende Knappheit der natürlichen Ressourcen sowie die Konsequenzen der Klimaveränderungen erfordern auch in der Schweiz neue Denkansätze und Lösungen. Vorausschauend diese Veränderungen zu identifizieren, zu quantifizieren und zu priorisieren sowie Handlungsbedarf abzuleiten, ist ein Gebot der Zeit. Die einzelnen nationalstaatlichen Landund Ernährungswirtschaften sind über den globalen Agrarhandel und die Auswirkungen der globalen Klimaveränderungen verbunden. ­Diese Tatsache macht es noch mehr als früher nötig, die Entwicklungen und auch die Schlussfolgerungen aus einem grösseren Blickwinkel zu betrachten. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat zu diesem Zweck ein Projekt mit dem Titel «Ressourceneffizienz im Dienste der Ernährungssicherheit» (REDES) lanciert. Im Rahmen dieses Projekts werden die langfristigen (2050) internationalen und nationalen Entwicklungen zusammengeführt und die diesbezüglichen prioritären Handlungsfelder für die Schweizer Landund Ernährungswirtschaft aufzeigt. Die Ergebnisse von zwei REDES-Teilprojekten werden in Beiträgen in dieser Ausgabe dargestellt.

Methode Das hier verwendete Modell testete verschiedene Hand­ lungsfelder innerhalb und ausserhalb der Landwirt­ schaft. Das Modell basiert auf dem Threshold-21-Ansatz des Millennium-Instituts (Barilla 2011), das aus einem System von Differenzialgleichungen erster Ordnung besteht. Es beschreibt die Entwicklung der Schweizer L&E über die Zeit und die Auswirkungen von Rahmenbe­ dingungen und Interventionen auf diese Entwicklung. Da es sich um ein Simulationsmodell handelt, werden weder Ziele im Bereich der Produktion noch im Bereich der Ressourcennutzung mathematisch optimiert. Die Simulationsrechnungen zeigen vielmehr auf, was es brauchen würde, um bestimmte Produktions- und/oder Umweltziele zu erreichen, was durch Anpassung ver­

Zusammenfassung

Synergien und Zielkonflikte zwischen Ernährungs­s icherheit und Ressourceneffizienz | Agrarwirtschaft

Die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft steht vor grossen Herausforderungen – und mit ihr die Gesellschaft. Die Schere zwischen gewünschter und realisierbarer Nahrungsmittelproduktion öffnet sich weiter, denn die Ernährungssicherheit für eine wachsende Bevölkerung verlangt nach einer ständigen Steigerung der Produktion, während gleichzeitig eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs nötig ist. Durch die Anwendung eines dynamischen Simulationsmodells auf den Schweizer Kontext konnten die Zielkonflikte und Synergien zwischen den Umwelt- und Produktionswirkungen für den Zeithorizont 2050 quantifiziert werden. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Hebelwirkungen zur langfristigen Sicherung der Produktion bei gleichzeitiger Sicherung einer effizienten Ressourcennutzung zu identifizieren. Zentrale Erkenntnis der Modellierung ist, dass die Schweizer Landwirtschaft das Potenzial hat, die Produktions- und Umweltziele in Einklang zu bringen. Allerdings bedingt die Realisierung der Hebelwirkungen unter anderem einen technischorganisatorischen Fortschritt, der über die heute absehbaren Möglichkeiten hinausgeht.

schiedener Interventionsmöglichkeiten, so genannter Handlungsfelder, erreicht wird. Um die Herausforderungen für die Schweizer L&E zu identifizieren, wurde ein Baseline-Szenario entwickelt, das unter den zu erwartenden Rahmenbedingungen ohne Interventionen die zukünftigen Entwicklungen aufzeigt. Die Diskrepanz, die sich zwischen den Ergeb­ nissen aus dem Baseline-Szenario und wünschenswerten Umwelt- und Produktionszielen ergibt, zeigt den Hand­ lungsbedarf auf. Die Bedingungen des Baseline-Szena­ rios sowie die Umsetzbarkeit einzelner Handlungsfelder wurden in Expertenworkshops erarbeitet.

Resultate Die Modellrechnungen zum Baseline-Szenario zeigen, dass die landwirtschaftliche Produktion im Zuge von Bevölkerungswachstum und Flächenverlust abnimmt. Dabei wird angenommen, dass die Bevölkerung in der Schweiz auf neun Millionen anwächst, während die land­ wirtschaftliche Nutzfläche von heute über 1 000 000 ha auf etwas mehr als 900 000 ha abnimmt. Die Gesamtnachfrage nach produzierten Nahrungsmitteln hängt zusätzlich von

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 132–137, 2014

133


Agrarwirtschaft | Synergien und Zielkonflikte zwischen Ernährungs­s icherheit und Ressourceneffizienz

Selbstversorgungsgrad 1,4 1,2 1

Stickstoffverluste

Importe

0,8 0,6 0,4 0,2 0

Produktion Inland

Ammoniakemissionen

CO2 Inland

CO2 Total

Abb. 2 | Zusammenfassung Ergebnisse Baseline-Szenario (2010=1) (Kopainsky et al. 2013, 23). Rote und grüne Kreise: Qualitative Bewertung der Veränderungen zwischen 2010 und 2050. Im Bereich der Umweltwirkungen sind die Bewertungen eindeutig, weil entweder quantitative oder qualitative Zielvorgaben bestehen. Die drei nationalen Indikatoren zu den Umweltwirkungen entwickeln sich alle in Richtung ihrer Zielgrösse und sind daher grün dargestellt. Die hellgrüne Farbe im Fall der Ammoniakemissionen ist damit begründet, dass die Ammoniakemissionen im Baseline-Szenario zwar abnehmen, aber immer noch deutlich vom Zielwert der 25 000 Tonnen pro Jahr entfernt sind. Der internationale Indikator zu den Umweltwirkungen ist hingegen rot, da die gesamten CO2-Äquivalente des Schweizer Konsums von Nahrungsmitteln ansteigt. Im Bereich der Produktionswirkungen ist die Bewertung weniger eindeutig, da es keine wissenschaftlichen Vorgaben zur Produktions-, Importmenge oder zum Selbstversorgungsgrad gibt. In Abbildung 2 wird ein Rückgang der inländischen Produktion und des Selbstversorgungsgrades als negativ bewertet und daher rot dargestellt. Ebenso fällt der damit verbundene Anstieg an Importen negativ ins Gewicht. Eine gegenteilige politische Bewertung, d.h. eine positive Bewertung einer rückläufigen Produktion, würde die Farbgebung verändern. Auf die Simulationsergebnisse hat eine solche Bewertung aber keinen Einfluss.

sich ändernden Konsummustern ab. Durch einen höheren Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung wird generell ein niedrigerer Pro-Kopf-Konsum angenommen (AFSSA 2009, Max Rubner-Institut 2008), der jedoch den Gesamtanstieg durch mehr Menschen nicht auszugleichen vermag. Verbesserungen im Bereich der nationalen Umweltwirkungen durch eine geringere landwirtschaftli­ che Produktion sind nur aus inländischer Sicht relevant, müssen aber in einem globalen Kontext kritisch bewertet werden, da der Produktionsrückgang im Inland durch Importe kompensiert werden muss (Abb. 2). Ambivalente Wirkungen einzelner Handlungsfelder Wegen der sich anbahnenden Problematik zwischen Bevölkerungswachstum und Produktionsrückgang wur­ den verschiedene Handlungsfelder im Modell unter­ sucht. Einige setzen ausserhalb der produzierenden Landwirtschaft an (Veränderung von Konsummustern, Reduktion von Abfällen/Verlusten in der Verarbeitung/ im Konsum, Verfügbarkeit produktiver Fläche), andere innerhalb (Umweltauflagen, Reduktion Stickstoffemissi­ onen, Produktivitätssteigerungen und Optimierung von Produktionssystemen).

134

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 132–137, 2014

Beim Handlungsfeld Konsummuster wurde ein Rück­ gang des Konsums tierischer Produkte um 10 % als rea­ listisch erachtet. Dieser Rückgang hat sowohl positive als auch negative Auswirkungen zur Folge. Während die Umweltwirkungen sowohl im Inland als auch im Ausland gesenkt werden können, steigt die Nachfrage nach pflanzlichen Produkten, die im Inland mangels geeigne­ ter Fläche nicht produziert werden können. Dadurch steigen die Importe leicht an, was wiederum den Selbst­ versorgungsgrad etwas senkt. Eine Reduktion von Abfällen und Verlusten in der Verarbeitung und dem Konsum um 20 % kann massgeb­ lich zu einer Verbesserung bezüglich Selbstversorgungs­ grad beitragen. Um die Importe bis 2050 auf dem Niveau von 2010 zu behalten, wäre eine Reduktion um 30 % nötig, was aber als unrealistisch eingeschätzt wird (WWF 2012). Eine zunehmende Ökologisierung der Landwirt­ schaft durch mehr ökologische Ausgleichsflächen hat einerseits eine positive Auswirkung auf die Biodiversität und andere Umweltindikatoren. Andererseits vermin­ dert sie aber auch die Produktivität der Landwirtschaft, was wieder höhere Importe zur Folge hat.


Synergien und Zielkonflikte zwischen Ernährungs­s icherheit und Ressourceneffizienz | Agrarwirtschaft

Umweltwirkungen

Konsummuster

Synergien zwischen Produktionsund Umweltwirkungen aus Handlungsfeld gegenüber Baseline-Szenario

Emissionen

Produktive Fläche (mehr ÖAF)

Abfälle & Verluste

Auflagen

Produktivität Produktive Fläche (weniger ÖAF)

Produktionswirkungen

Zielkonflikte zwischen Produktions- und Umweltwirkungen aus Handlungsfeld gegenüber Baseline-Szenario Abb. 3 | Wirkungen bezüglich Produktion und Umwelt der untersuchten Handlungsfelder (Kopainsky et al . 2013, S. 30).

Dieselbe Argumentation gilt für verstärkte Umweltau­ flagen wie beispielsweise eine Reduktion des Einsatzes von Mineraldünger. Während solche Auflagen auf die Umwelt positive Auswirkungen haben, verringern sie die Produktion und steigern damit die Importmenge. Bezüglich Effizienzsteigerungen im Bereich Stickstoffund Ammoniakemissionen besteht hingegen ein höhe­ res Potenzial als bei Umweltauflagen. Hier können die Umweltwirkungen verbessert werden, ohne die Produk­ tionsindikatoren negativ zu beeinflussen. Für eine Produktivitätssteigerung in der Landwirt­ schaft durch verbesserte Produktionssysteme und neue Züchtungen besteht ein grosses Potenzial. Die Literatur und Experten gehen davon aus, dass Erträge durch diese Methoden bis 2050 um 25 % gesteigert werden könnten bei gleichbleibendem Einsatz nichterneuerbaren Res­ sourcen (FAO 2011). Für eine Stabilisierung der Produk­ tion auf dem Niveau von 2010 wären allerdings Ertrags­ steigerungen von 80 % nötig. Kombination verschiedener Handlungsfelder Als wichtigstes zusammenfassendes Ergebnis zeigen die Modellrechnungen, dass die Schweizer Landwirtschaft auch 2050 das Potenzial hat, einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit zu leisten und dabei gleichzeitig Produktions- und Umweltwirkungen in Einklang zu brin­ gen. Dies bedingt jedoch Massnahmen, die breiter fassen als die heute bekannten und gängigen Bewirtschaftungsund Managementmethoden. Neue Bewirtschaftungs- und Managementmethoden müssen einen Systemansatz für die Problematik wählen, der eine Balance zwischen den

einflussreichsten und effizientesten Massnahmen erreicht. Einige Handlungsfelder wirken nur einseitig bezüglich Produktion oder Umwelt (z.B. Auflagen), während andere sowohl im Bereich der Produktion als auch der Ressour­ censchonung zu Verbesserungen führen können (z.B. Emissionsreduktionen, Reduktion von Abfällen und Ver­ lusten) (Abb. 3). Allerdings ist kein Handlungsfeld alleine in der Lage, in allen Bereichen der erfassten Produktions- und Umweltwirkungen deutliche Verbesserungen gegen­ über der Baseline Szenario Situation herbei zu führen. Daher ist eine Kombination dieser verschiedenen Hand­ lungsfelder gefragt. Die Berücksichtigung der folgenden drei Handlungsfelder führt beispielsweise zu deutlich besseren Resultaten: Reduktion der Abfälle und Verluste um 20 %, Verdoppelung der realisierten Ertragssteige­ rung gegenüber dem Baseline-Szenario (bei gleich blei­ bendem Einsatz externer Inputs) sowie Verbesserung der Effizienz im Bereich Stickstoff. Die Produktion im Inland steigt an, und in der Kombination mit einer Reduktion von Abfällen und Verlusten gehen die Importe stark zurück. Parallel dazu gehen sowohl Stickstoffverluste als auch Emissionen zurück. Eine solche Kombination hat den Effekt, den Selbstversorgungsrad auf dem Stand von 2010 zu erhalten. Die Modellierung zeigt, dass die Problematik von Ernährungssicherheit mit mehr Ressourceneffizienz sehr komplex ist und daher auch komplexe Lösungsansätze nötig sind. Sie ergibt weiter, dass die nötigen Schritte bereits heute eingeleitet werden müssen, um die Ziele  bis 2050 zu erreichen.

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 132–137, 2014

135


Agrarwirtschaft | Synergien und Zielkonflikte zwischen Ernährungs­s icherheit und Ressourceneffizienz

Diskussion Integrierte Perspektive notwendig Die Ergebnisse des dynamischen Simulationsmodells zei­ gen, dass es besonderer Anstrengungen bedarf, um über die heute bestehenden oder absehbaren Verbesserungs­ möglichkeiten im Bereich von Produktion und Ressour­ censchonung hinauszugehen. Dabei greift eine rein technische Auffassung im Sinne von Reduktion der Emis­ sionen durch spezielle Auflagen zu kurz. Nur eine integ­ rierte Perspektive über die gesamte L&E erlaubt es, oben genanntes Potenzial zu realisieren. Es müssen also auch explizit Bereiche wie verschiedene Produktionssysteme, Abfälle und Verluste sowie Konsummuster mitberück­ sichtigt werden. Ausserdem müssen Hebelwirkungen innerhalb und ausserhalb der Landwirtschaft kombiniert werden. Die Ergebnisse sind konsistent mit bestehenden Arbeiten (z.B. BLW 2012b, Peter 2011, SGPW 2008) und ergänzen diese dadurch, dass sie die Beiträge der einzel­ nen Handlungsfelder zur Minimierung von Diskrepan­ zen im Bereich der Produktion und Ressourcenschonung quantifizieren. Ausserdem konnten auch Synergien und Zielkonflikte zwischen einzelnen Zielen (z.B. Zielkon­ flikte zwischen Ressourcenschonung und Produktion bei reinen Umweltauflagen oder die gleichzeitigen positi­ ven Produktions- und Umweltwirkungen bei der Reduk­ tion von Abfällen und Verlusten) aufgezeigt werden. Immer öfter werden solche Systeme von der Pro­ duktion (Feld) bis zum Konsum (Teller) im Kontext von sozio-ökologischen Systemanalysen betrachtet (z.B. Hammond & Dubé, 2012). In diesem Zusammenhang ist eine globale Perspektive auch für die Schweiz essenziell, importiert sie doch einen erheblichen Teil ihrer Nah­ rungsmittel oder Rohstoffe, die zur Nahrungsmittel­ produktion benötigt werden. Daher genügt es auch nicht, den ökologischen Fussabdruck nur im Inland zu verringern, wenn dadurch Umwelt oder Sozialkosten andernorts entstehen. Transdisziplinäre Zusammenarbeit Entscheidend für eine zielgerichtete Strategie über die zukünftige Ernährungssicherheit in der Schweiz ist wei­ ter eine intensive Auseinandersetzung in Politik und Gesellschaft über zu erreichende Vorstellungen und Ziele. Wenn Klarheit herrscht über wünschenswerte und nicht wünschenswerte Zustände, die auch in Zukunft Gültigkeit behalten sollen, können die entsprechenden Massnahmen ergriffen werden. Dabei ist es wichtig, dass essenzielle Ressourcen wie beispielsweise der Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzfläche im heutigen Ausmass qualitativ und quantitativ gesichert werden. Eine effek­ tive Strategie ist in diesem Bereich wahrscheinlich noch

136

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 132–137, 2014

nicht gefunden. Weiter ist zu beachten, dass komplexe Lösungen auch vermehrt trans- und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern, die heute noch zu wenig stattfindet. Ein optimierter Austausch zwischen verschie­ denen Forschungsdisziplinen sowie zwischen Forschung und Praxis ist nötig, um die effizientesten Methoden in verschiedenen Bereichen zu garantieren und neue inno­ vative Ansätze zu testen. Weitere offene Fragen bestehen einerseits beim Sys­ temwissen zur Internalisierung externer Kosten, Produk­ tivitätssteigerungen mit geringeren negativen Effekten, Agrobiodiversität und Bodenfruchtbarkeit. Andererseits mangelt es an Transformationswissen in den Bereichen Reduktion von Abfällen und Verlusten oder Veränderun­ gen im Konsumverhalten. Das bedeutet, dass Probleme und Lösungen in diesen Handlungsfeldern eigentlich bekannt sind, dass aber die geeigneten Prozesse fehlen, um die Lösungen umzusetzen. Das in diesem Beitrag angewendete Simulationsmo­ dell formalisiert gewissermassen die Rahmenbedingun­ gen des sozio-ökologischen Systems L&E in der Schweiz. Um die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sinnvoll wei­ ter zu entwickeln, ist allerdings eine verstärkte Zusam­ menarbeit zwischen und innerhalb von Forschung und Entwicklung, Planung, Beratung und Praxis notwendig.

Schlussfolgerungen Durch die Anpassung und Kalibrierung eines dynami­ schen Simulationsmodells konnten die Komplexität der Schweizer L&E und ihre zukünftigen Herausforderun­ gen abgebildet und quantifiziert werden. Diese integ­ rierte Perspektive ist für eine umfassende Abschätzung von Produktions- und Umweltwirkungen nötig. Wich­ tigste Erkenntnis der in diesem Beitrag diskutierten Mo­ dellierung ist, dass die Realisierung der Hebelwirkungen unter anderem einen technisch-organisatorischen Fort­ schritt bedingt, der über die heute absehbaren Möglich­ keiten hinausgeht. Ohne besondere Anstrengungen und Koordination dieser Anstrengungen bringt die Schweizer L&E die Produktions- und Umweltziele nicht in Einklang. Unter Berücksichtigung der notwendigen Zeit, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gene­ rieren, müssten die relevanten Weichen so schnell wie n möglich gestellt werden.


Sinergie e conflitti d'obiettivo tra la sicurezza alimentare e l'efficienza delle risorse L'agricoltura e la filiera alimentare ­svizzere, e con esse la società, sono chiamate ad affrontare grandi sfide. Il divario tra la produzione auspicata e realizzabile di derrate alimentari continua ad acuirsi, perché la sicurezza alimentare per una popolazione in crescita richiede un costante aumento della produzione, mentre al tempo stesso è necessario ridurre il consumo di risorse. Con l'utilizzo di un modello dinamico di simulazione del contesto svizzero potrebbero essere quantificati i conflitti d'obiettivo e le sinergie tra gli effetti sull’ambiente e sulla produzione fino al 2050. L'obiettivo del presente contributo è quello di identificare i fattori che influiscono sulla sicurezza della produzione a lungo termine assicurando al contempo un utilizzo efficiente delle risorse. Il modello si basa sul presupposto che l'agricoltura svizzera possiede il potenziale per armonizzare gli obiettivi ambientali e di produzione. Tuttavia la realizzazione presuppone, tra le altre cose, un progresso tecnico-organizzativo che va oltre le possibilità prevedibili ad oggi.

Summary

Riassunto

Synergien und Zielkonflikte zwischen Ernährungs­s icherheit und Ressourceneffizienz | Agrarwirtschaft

Synergies and trade-offs with regard to ensuring food security and the efficient use of resources In Switzerland, agriculture and the food industry are facing major challenges, as is society in general. The gap between desired and achievable levels of food production is growing wider, since ensuring sufficient food supplies for a growing population requires a constant increase in production while at the same time it is necessary to reduce the use of resources. By applying a dynamic simulation model to the situation in Switzerland it was possible to quantify the trade-offs and synergies between environmental and production outcomes with a time horizon of 2050. The aim of this project was to identify the key conditions for ensuring both long-term food provision and the efficient use of resources. The main finding arising from the application of the model was that Swiss agriculture has the potential to reconcile the aims of food provision and environmental protection; however, implementing the key conditions will depend inter alia upon technical and organisational progress that goes beyond the currently foreseeable possibilities. Key words: food security, resource efficiency, dynamic simulation, ­scenarios, impact analysis.

Literatur ▪▪ Abele M., Blumenfeld N. & Imhof S. 2012. Univox Landwirtschaft 2012. Schlussbericht einer repräsentativen persönlichen Bevölkerungsbefragung im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft. Zürich, gfs, 24 S. ▪▪ AFSSA, 2009. Étude Individuelle Nationale des Consommations Alimentaires 2 (INCA2), 2006–2007, 225 S. ▪▪ Barilla, 2011. New models for sustainable agriculture. Parma: Barilla ­Center for Food and Nutrition, 95 S. ▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 2012a. Agrarbericht 2012. Bern, 246 S. ▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 2012b. Forschungskonzept Landund Ernährungswirtschaft 2013–2016. Bern, 123 S. ▪▪ FAO 2011. Looking ahead in world food and agriculture. Perspectives to 2050. Rom, FAO, 539 S. ▪▪ Hammond R.A. & Dubé L. (2012). A systems science perspective and transdisciplinary models for food and nutrition security. Proceedings of the National Academy of Sciences , 109 (31), 12356–12363.

▪▪ Jungbluth N., Nathani C., Stucki M. & Leuenberger M., 2011. Environmental impacts of Swiss consumption and production. A combination of input-output analysis with life cycle assessment. Bern, BAFU, 171 S. ▪▪ Kopainsky B., Flury C., Pedercini M., Sorg L. & Gerber A., 2013. Ressourceneffizienz im Dienste der Ernährungssicherheit. Teilprojekt Modellierung – Schlussbericht. Zürich/Washington: Flury&Giuliani GmbH/Millennium Institute, 55 S. ▪▪ Max Rubner-Institut, 2008. Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht, Teil 1. Karlsruhe, 280 S. ▪▪ Peter S., 2011. Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoffemissionen bis im Jahr 2020. Agrarforschung Schweiz 2 (4), 162–169. ▪▪ Schweizerische Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften SGPW 2008. Vision Pflanzenbau 2050. ▪▪ WWF, 2012. Lebensmittelverluste in der Schweiz – Ausmass und Handlungsoptionen. WWF Schweiz, 16 S.

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 132–137, 2014

137


A g r a r w i r t s c h a f t

Globale Ernährungssicherheit – ­Schlussfolgerungen für die Schweiz Barbara Becker1, Marc Zoss1,2 und Hans-Jörg-Lehmann3 1 ETH Zürich, 8092 Zürich 2 HEKS, 8057 Zürich 3 Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern Auskünfte: Barbara Becker, E-Mail: bbecker@ethz.ch

Abb. 1 | Rwanda: Ergebnis einer nachhaltigen Intensivierung der Maisproduktion im Distrikt B ­ ugesera. (Foto: BLW)

138

Einleitung

Methode

Das Teilprojekt «Literaturanalyse» (vgl. Kasten «Res­ sourceneffizienz» S. 139) analysiert die aktuelle Litera­ tur und klassifiziert sie in drei Kategorien: (i) Hauptbe­ richte, die als primäre Informationsquellen dienen, (ii) komplementäre, wissenschaftliche Publikationen, die zu einzelnen Bereichen vertiefte Erläuterungen geben und (iii) Politikdokumente, die eher von normativem Charakter sind.

Vier Hauptberichte bilden die Grundlage der Studie ­(Abb. 2, Tab. 1): Der World Development Report on Agriculture (2008) der Weltbank (WDR) arbeitet heraus, wie Landwirtschaft als Motor für Entwicklung dienen kann. Methodisch basiert der WDR auf der Analyse von historischen, makro­ ökonomischen Länderdaten. Der WDR empfiehlt fol­ gende Massnahmen, um Landwirtschaft für Entwicklung

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 138–145, 2014


Zusammenfassung

Globale Ernährungssicherheit – ­S chlussfolgerungen für die Schweiz | Agrarwirtschaft

Ressourceneffizienz im Dienste der Ernährungssicherheit – Umgang mit Knappheit Die intensive und gleichzeitig nachhaltige ­Nutzung der Ressourcen ist ein Schlüsselfaktor für die künftige globale Ernährungssicherheit. Die absehbaren demografischen Veränderungen, die zunehmende Knappheit der natürlichen Ressourcen sowie die Konsequenzen der Klimaveränderungen erfordern auch in der Schweiz neue Denkansätze und Lösungen. ­Vorausschauend diese Veränderungen zu identifizieren, zu quantifizieren und zu priorisieren sowie Handlungsbedarf abzuleiten, ist ein Gebot der Zeit. Die einzelnen nationalstaatlichen Land- und Ernährungswirtschaften sind über den globalen Agrarhandel und die Auswirkungen der globalen Klimaveränderungen verbunden. Diese Tatsache macht es noch mehr als früher nötig, die Entwicklungen und auch die Schlussfolgerungen aus einem grösseren Blickwinkel zu betrachten. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat zu diesem Zweck ein Projekt mit dem Titel «Ressourceneffizienz im Dienste der Ernährungssicherheit» (REDES) lanciert. Im Rahmen dieses Projekts werden die langfristigen (2050) internationalen und nationalen Entwicklungen zusammengeführt und die diesbezüglichen prioritären Handlungsfelder für die Schweizer Landund Ernährungswirtschaft aufzeigt. Die Ergebnisse von zwei REDES-Teilprojekten werden in Beiträgen in dieser Ausgabe dargestellt.

nutzbar zu machen: eine Reform der Handels-, Preis- und Subventionspolitik; stärkere Marktorientierung der Landwirtschaft; die Unterstützung der Wettbewerbsfä­ higkeit von Kleinbauern durch institutionelle Innovatio­ nen; Innovationen durch Forschung und Wissenschaft; ökologisch nachhaltigere Landwirtschaftssysteme und der Einbezug nicht-landwirtschaftlicher Erwerbsmög­ lichkeiten. Der Weltagrarbericht (International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development, IAASTD) wurde 2009 veröffentlicht und ist das Resultat eines mehrjährigen, sehr breit abgestütz­ ten multi-lateralen Prozesses. Über 400 Wissenschaftle­ rinnen und Wissenschaftler fassten den Stand des Wis­ sens über die globale Landwirtschaft zusammen, um die Frage zu beantworten: Wie können wir landwirtschaftli­

Die Gesellschaft steht bezüglich globaler Ernährungssicherheit grossen Herausforderungen gegenüber. Die internationalen Entwicklungen seit der Krise um die Nahrungsmittelpreise 2008 haben deutlich neue Risiken gezeigt. 2012 hat das Bundesamt für Landwirtschaft entschieden, diese Risiken zu identifizieren, zu quantifizieren und zu priorisieren sowie den daraus resultierenden Handlungsbedarf abzuleiten. In einer Literaturanalyse (Teilprojekt 2) wurde anhand vorhandener grundlegender globaler Publikationen eine Analyse betreffend der Ernährungs- und Ressourcensituation und den diesbezüglichen Prognosen erstellt. Aufgrund der Literaturanalyse werden sieben Haupteinflussfaktoren für die Zukunft des globalen Ernährungssystems identifiziert: (i) das Bevölkerungswachstum, (ii) der Klimawandel, (iii) die Konkurrenz um die natürlichen Ressourcen Land, Wasser und Energie, (iv) sich ändernde Ernährungsmuster und Konsumpräferenzen, (v) der Anstieg und die Volatilität der Nahrungsmittelpreise, (vi) die wachsende vertikale Integration der Nahrungsmittelwertschöpfungsketten, sowie (vii) der technologische Fortschritt. In sechs Themenbereichen werden Schlussfolgerungen für die Schweiz abgeleitet, für die jeweils Handlungsfelder und Interventionsmöglichkeiten vorgeschlagen werden: (i) Landwirtschaftliche Produktion, (ii) Ökologie, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz, (iii) Ernährungsmuster, (iv) Handelspolitik und die Rolle von globalen Agrarkonzernen, (v) Forschung und Innovation, sowie die (vi) Internationale Zusammenarbeit.

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 138–145, 2014

139


Agrarwirtschaft | Globale Ernährungssicherheit – ­S chlussfolgerungen für die Schweiz

Abb. 2 | Die ausgewerteten Berichte.

ches Wissen, Forschung und Technologie einsetzen, um Hunger und Armut zu verringern, um ländliche Existen­ zen zu verbessern und um weltweit eine gerechte, öko­ logisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Entwicklung zu fördern? Der Weltagrarbericht folgert, dass jegliche Entscheidungsfindung breit abgestützt sein muss und Kleinbauern einbezogen werden müssen; dass es mehr und vor allem besser fokussierte Forschung braucht; und dass Ernährungssicherung nicht nur eine Frage von Tech­ nologie ist, sondern vielmehr auch Gouvernanzaspekte umfassen muss. Agrimonde ist eine Initiative der französischen Insti­ tutionen CIRAD und INRA; die Resultate wurden 2010 veröffentlicht. Die Initiative beabsichtigt, Grundwissen über das globale Agrar- und Ernährungssystem bereitzu­ stellen und einen diesbezüglichen Diskurs anzustossen. Methodisch basiert Agrimonde auf einer umfangreichen Modellierung mit einem Zeithorizont bis 2050. Die Agri­ monde-Initiative folgert aufgrund ihrer Modellierung, dass die Ernährungsgewohnheiten, die Produktionstech­ nologien und die Formen landwirtschaftlicher Produk­ tion sowie der Handel von landwirtschaftlichen Gütern Potenzial für Interventionen bieten und dass diese Handlungsfelder besser erforscht werden sollen.

140

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 138–145, 2014

Foresight ist ein britisches Programm zur Analyse der Zukunft und möglicher Interventionen. 2011 fand das Foresight-Projekt «The Future of Food and Farming» seinen Abschluss: Es versucht, einen strategi­ schen Überblick über die Herausforderungen zu erlan­ gen, mit denen das globale Ernährungssystem bis 2050 konfrontiert sein wird. Foresight identifiziert fünf Hauptherausforderungen: (i) Angebot und Nachfrage nachhaltig ins Gleichgewicht zu bringen, (ii) die Stabili­ tät der Lebensmittelpreise sicherzustellen, (iii) globalen Zugang zu Lebensmitteln und die Beendigung von Hunger zu erreichen, (iv) den Herausforderungen des Ernährungssystems im Hinblick auf die Klimaerwär­ mung zu begegnen, und (v) die Biodiversität und Öko­ systemdienstleistungen zu erhalten. Während die Einschätzung der globalen Ernährungssi­ tuation in den Hauptberichten weitgehend kongruent ist, gibt es auch Bereiche, in denen die Beurteilung kontrovers ausfällt (Tab. 2). Namentlich der Einsatz von Biotechnologie, die Rolle der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, das Ausmass und der Nutzen der Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche, sind umstritten sowie die Frage, inwiefern Nati­ onalstaaten den Handel mit Agrarprodukten steuern sollen, um sich gegen Preisvolatilität zu schützen.


Globale Ernährungssicherheit – ­S chlussfolgerungen für die Schweiz | Agrarwirtschaft

Tab. 1 | Übersicht der vier Hauptberichte

Erscheinungsdatum Auftraggeber

Datengrundlage

Perspektive

WDR

IAASTD

Agrimonde

UK Foresight

2008

2009

2010

2011

Weltbank

Multilateral

INRA & CIRAD

UK

Vorwiegend historisch, keine Modellierung oder Prognose

Historische Daten und ­Modellierung; Ursprünglich vorgesehene ­umfassende Modellierung ­gestrichen

Extensive Modellierung und ­detaillierte Szenarienanalyse

Historische Daten und ­ odellierung; (nur für M ­Nahrungsmittelpreise)

Bewertung von Landwirtschaft als Treiber für Entwicklung – mit Fokus auf Entwicklungsländern

Wirkungsanalyse von vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen landwirtschaftlichen Technologien und Wissen in Bezug auf die Reduktion von Armut und Hunger, die Verbesserung der Lebensbedingungen und nachhaltige Entwicklung

Bereitstellung von Grundlagen für den kritischen Diskurs über die Entwicklung der Landwirtschaft bis 2050

Untersuchung der Heraus­ forderungen an das globale Ernährungssystem bis 2050 und Identifkation von Entscheidungsgrundlagen für ­politische Massnahmen

Resultate Aufgrund der Literaturanalyse werden die folgenden Haupteinflussfaktoren für die Zukunft des globalen Ernährungssystems identifiziert: Das Bevölkerungswachstum wird dazu führen, dass die Weltbevölkerung 2050 schätzungsweise bei rund neun Milliarden Menschen angelangt sein wird. Der Kli­ mawandel wird tiefgreifende Folgen für die landwirt­ schaftliche Produktion haben. Zwar wird davon ausge­ gangen, dass sich die globale landwirtschaftliche Produktion nur geringfügig ändert, aber regional wer­ den die Änderungen sehr gross sein. Die Konkurrenz um die natürlichen Ressourcen Land, Wasser und Energie wird stark zunehmen. Sich ändernde Ernährungsmuster und Konsumpräferenzen werden insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern zu erhöhter Nach­ frage nach höherwertigen und proteinhaltigen Nah­ rungsmitteln führen. Überernährung wird ein immer grösseres Problem für die öffentliche Gesundheit wer­ den. Die Volatilität der Nahrungsmittelpreise wird wei­ ter auf hohem Niveau bleiben oder ansteigen, und damit eine grosse Herausforderung für die Beendigung des globalen Hungers darstellen. Das Ernährungssystem wird zunehmend global mit wachsender vertikaler Inte­ gration der Nahrungsmittelwertschöpfungsketten, und einige wenige grosse Agrarkonzerne werden noch an Bedeutung gewinnen. Der technologische Fortschritt wird zu einer weiteren Erhöhung der landwirtschaftli­ chen Produktivität führen, die Produktivitätszuwächse nehmen jedoch ab.

Der Vergleich zwischen dem globalen Ernährungssystem und dem der Schweiz zeigt, dass der Beitrag der schwei­ zerischen landwirtschaftlichen Produktion für das glo­ bale Ernährungssystem marginal ist. Die Schweiz hat dagegen einen massgeblichen Einfluss auf das globale Ernährungssystem, indem viele weltweit tätige Agrar­ konzerne und Rohstoffhändler ihren Hauptsitz in der Schweiz haben (Tab. 3). Der Umstand, dass in relativ kurzer Zeit eine derar­ tige Fülle an Literatur – inklusive der untersuchten vier Berichte – publiziert wurde, zeigt, dass das Thema hoch­ aktuell ist und Forschungsbedarf besteht. Dabei stimmt die analysierte Literatur darin überein, dass eine Strate­ gie den Herausforderungen des Ernährungssystems nur dann erfolgreich begegnen kann, wenn sie über die klassische landwirtschaftliche Produktion hinausdenkt und weitere Bereiche und Akteure einbezieht.

Schlussfolgerungen für die Schweiz Die untersuchten Berichte beziehen sich auf die Frage der globalen Dimension, weshalb Empfehlungen für die Schweiz daraus nur beschränkt abgeleitet werden können. Die Schlussfolgerungen für die Schweiz sind in sechs The­ menbereiche gegliedert, für die jeweils Handlungsfelder und Interventionsmöglichkeiten vorgeschlagen werden. Landwirtschaftliche Produktion In der Schweiz wird die Nachfrage nach Nahrungsmit­ teln weiter zunehmen. Die zu erwartenden Produktivi­ tätsgewinne der landwirtschaftlichen Produktion wer­ 

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 138–145, 2014

141


Agrarwirtschaft | Globale Ernährungssicherheit – ­S chlussfolgerungen für die Schweiz

Tab. 2 | Unterschiedliche Perspektiven der Hauptberichte

WDR

IAASTD

Agrimonde

UK Foresight

Biotechnologie (BT)

Optimistisch

Pessimistisch

Neutral, BT als eine von ­mehreren Optionen -> «ökologische Intensivierung»

Neutral, BT als eine von mehreren ­Optionen

Rolle der kleinbäuerlichen Landwirtschaft

Kommerzialisierung als ­Schlüssel für Produktivitätssteigerung

Rückgrat der Landwirtschaft Wert in sich (Sozialsystem, ­Wissen) Optimistisch Potenzial in ausgewählten ­Regionen

Pessimistisch Potenzial begrenzt Wettbewerb mit nicht-­ landwirtschaftlicher ­Flächennutzung

Einzelne Länder können sich vor Preisschwankungen ­schützen

Liberalisierte Handels­ bedingungen reduzieren ­Preisschwankungen

Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche

Pessimistisch negative Umwelteffekte

Internationaler ­Handel und Preisschwankungen

den nicht reichen, um die gestiegene Nachfrage zu befriedigen. Der dabei angestrebte Selbstversorgungs­ grad des schweizerischen Ernährungssystems ist eine politische Frage, die nicht allein agrarökonomisch begründet werden kann. 1. Aufgrund der Dynamik des globalen Ernährungssys­ tems ist eine öffentliche Debatte über den gewünsch­ ten landwirtschaftlichen Selbstversorgungsgrad und dessen Realisierbarkeit zu führen. 2. Die verschiedenen Ziele der Agrarpolitik (Lebensmit­ telversorgung, Sicherung der natürlichen Ressourcen, Pflege der Kulturlandschaft, dezentrale Besiedlung) verlangen eine sektor-übergreifende Landwirtschafts­ strategie, sowohl innerhalb der Verwaltung als auch auf der Ebene der Gesetzgebung. 3. Die Weiterentwicklung der Agrarpolitik mit ihren technologischen, infrastrukturellen und institutionellen Dimensionen darf sich nicht nur an der Multifunktiona­ lität der einheimischen Landwirtschaft orientieren, sondern muss auch die multilateralen Verpflichtungen der Schweiz berücksichtigen (internationale Zusam­ menarbeit, Umwelt, Handel, etc.). Ökologie, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz Die ökologischen Auswirkungen des schweizerischen Ernährungssystems resultieren sowohl aus der einheimi­ schen landwirtschaftlichen Produktion als auch von den importierten Lebens- und landwirtschaftlichen Produkti­ onsmitteln. Der hohe Fleischkonsum ist dabei für einen

142

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 138–145, 2014

grossen Anteil des ökologischen Fussabdrucks verant­ wortlich mit den entsprechenden Auswirkungen auf die globale Umwelt und die Ernährungssicherheit. 1. Die Ressourceneffizienz der einheimischen landwirt­ schaftlichen Produktion ist zu verbessern. Dazu bedarf es nicht nur der entsprechenden Förderung von Forschung und Entwicklung, sondern auch der Verurteilung und dem Verbot von nachweislich ineffizienten Produktionstechniken, die aufgrund von Marktverzerrungen bestehen. 2. Zur Beurteilung der ökologischen Auswirkungen des Ernährungssystems Schweiz müssen die importierten Nahrungsprodukte und landwirtschaftlichen Produk­ tionsmittel zu den Auswirkungen der einheimischen Produktion hinzuaddiert werden. 3. Eine Reduktion des hohen Fleischkonsums und der damit verbunden hohen Umweltauswirkungen ist mittels politischer Lenkungsmassnahmen zu erreichen, die sowohl die Veränderung von Ernährungsmustern als auch die Reduktion von Futtermittelgetreide umfassen müssen. Ernährungsmuster Während die Alterung der Gesellschaft im Prinzip zu einer Verringerung des Pro-Kopf-Konsums an Nahrungs­ mitteln führt, wird dieser Effekt durch die Bevölkerungs­ zunahme mehr als kompensiert. Convenience- und Fer­ tigprodukte werden weiterhin an Bedeutung gewinnen und eine ausgewogene Ernährung wird für die öffentli­


Globale Ernährungssicherheit – ­S chlussfolgerungen für die Schweiz | Agrarwirtschaft

Tab. 3 | Gewicht der Schweiz im globalen Ernährungssystem Illustrative Parameter

Global

Schweiz

% Anteil Schweiz

7052 Mio.

7,7 Mio.

0,110 %

Gesamtfläche

13 459 Mio. ha

4,1 Mio. ha

0,031 %

Landw. Bewirtschaftungsfläche (2009)

4889 Mio. ha

1,5 Mio. ha

0,031 %

Ökologischer Fussabdruck - Konsum

18 013 Mio. gha*

37,5 Mio. gha*

0,208 %

Biokapazität

12 009 Mio. gha*

9 Mio. gha*

0,075 %

Nahrungsangebot pro Tag (2009)

19 301 gcal

26.3 gcal

0,136 %

Weizenproduktion (2010)

653,7 Mio. t

0,52 Mio. t

0,08 %

Käseproduktion (2010)

20,2 Mio. t

0,2 Mio. t

0,977 %

6,19 Mia. USD

1,22 Mia. USD

19,83 %

Bevölkerung (2012)

Physisch gehandelter Kaffee, geröstet (2010)

Globaler Hektar (gha) : Die Messgrösse globaler Hektar beschreibt die durchschnittliche Produktivität von biologisch produktive Land- und Wasserflächen pro Hektar in einem Jahr. Diese Messgröße quantifiziert die biologische Kapazität des Planeten sowie den Bedarf an biologischer Kapazität durch die Menschen (der Ecological Footprint). Landschaftstypen sind unterschiedlich produktiv. Deshalb beansprucht ein globaler Hektar Ackerland real weniger Fläche als Weideland. Ackerland verfügt nämlich über eine höhere biologische Produktivität. Da sich die weltweite biologische Kapazität von Jahr zu Jahr leicht ändert, verschieben sich entsprechend auch die Werte für einen globalen Hektar. Quelle: FAOstat (Population, Country size, Agricultural Area, Food supply, Wheat production, Cheese production, traded coffee); Global Footprint Network 2012: Ecological footprint, Biocapacity

*

che Gesundheit zentral sein. Ungefähr die Hälfte aller Lebensmittelverluste werden aktuell durch die Konsu­ mentinnen und Konsumenten verursacht. 1. Die nationale Agrarpolitik muss den Bereich des Konsumentenverhaltens und gesundheitsrelevante Aspekte des Konsums integrieren. Dies bedarf einer sektorübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Privatsektor und Zivilgesellschaft. 2. Eine substanzielle Reduktion von Lebensmittelverlus­ ten auf der Stufe der Endverbraucher muss ein prioritäres Ziel der Landwirtschaftsstrategie sein. Ein konkretes Reduktionsziel (z.B. 50 %) ist anzustreben. Handelspolitik und die Rolle von globalen Agrarkonzernen Die Schweiz ist und wird zunehmend von Lebensmittel­ importen abhängig. Ein stabiles und verlässliches Han­ delsregime ist deshalb für die schweizerische Ernäh­ rungssicherheit von zentraler Bedeutung. Während der Einfluss der schweizerischen landwirtschaftlichen Pro­ duktion auf die globale Ernährungssicherheit marginal ist, haben die in der Schweiz ansässigen grossen Agrar­ konzerne und die Rohstoffhändler einen massgeblichen Einfluss auf die globale Ernährungssicherheit. Die Rolle des Rohstoffhandels auf die Volatilität der Lebensmittel­ preis ist bislang ungeklärt. 1. Eine weitere Harmonisierung und Liberalisierung des Agrarhandels ist weiterzuverfolgen. Ein Abschluss der Doha-Runde wird ein wichtiger Schritt zur Verbesse­ rung der einheimischen und globalen Ernährungssi­ cherheit sein.

2. Nationale und globale Ernährungssicherheit sind gleichermassen in Handelspolitik und -verhandlungen zu berücksichtigen. Interessenkonflikte, beispielsweise zwischen sozialen nationalen Zielen und globaler Ernährungssicherheit, sind transparent zu machen. 3. Regierung und Verwaltung sollten anstreben, die Aktivitäten der in der Schweiz basierten internationa­ len Agrarkonzerne und Rohstoffhändler dahingehend zu steuern, dass diese ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Einhaltung ethischer Standards und globaler Ernährungssicherheit gerecht werden. 4. Die Wissenslücke zum Einfluss des Handels von Agrarrohstoffen und Lebensmitteln auf die globale Ernährungssicherheit muss geschlossen werden, und die öffentliche Hand sollte entsprechende Massnah­ men vorbereiten. Forschung und Innovation Wissenschaft, Forschung und Technologie werden auch weiterhin die wichtigsten Einflussfaktoren für zukünf­ tige Produktivitätsfortschritte sein. Eine Landwirtschaft, die ressourceneffizienter, nachhaltiger und an den Kli­ mawandel angepasst ist, kann nicht ohne Forschung entwickelt werden. Grundsätzlich ist das Potenzial für Produktivitätsgewinne in Entwicklungsländern höher als in Industrieländern. Die Forschung zum Welternährungs­ system ist unterfinanziert. 1. Die einheimische landwirtschaftliche Forschungs- und Ausbildungskapazität sollte ausgeweitet oder  zumindest erhalten werden.

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 138–145, 2014

143


Agrarwirtschaft | Globale Ernährungssicherheit – ­S chlussfolgerungen für die Schweiz

2. Die exzellente schweizerische Wissenschaftskompe­ tenz sollte vermehrt zur Erforschung der globalen Ernährungssicherheit genutzt werden, z.B. durch eine engere Verbindung mit dem internationalen Agrar­ forschungssystem. 3. Die für die Ernährungssicherheit relevanten wissen­ schaftlichen Disziplinen beschränken sich nicht auf die klassischen Agrarwissenschaften, sondern beinhalten alle Natur- und Sozialwissenschaften, die zu Innovationen im Ernährungssystem beitragen können. Forschung in diesem umfassenden Sinne ist zu unterstützen und zu institutionalisieren. Internationale Zusammenarbeit Das Ernährungssystem der Zukunft wird zunehmend global sein. Die Herausforderung, 2050 neun Milliarden Menschen zu ernähren, kann nicht erreicht werden mit einer Agrarpolitik, die einen ausschliesslich inländischen Fokus hat. Zudem erfordern die Themen einer zukunfts­ gerichteten Agrarpolitik den Einbezug von Akteuren jenseits der klassischen, produktionsorientierten Land­ wirtschaft.

144

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 138–145, 2014

1. Die schweizerische Strategie und Politik zur Ernäh­ rungssicherheit muss explizit in den Kontext des globalen Ernährungssystems eingebettet sein. 2. Das schweizerische Engagement in multilateralen Organisationen zur Verbesserung der globalen Ernährungssicherheit ist zu erhöhen. 3. Die Lenkung und Entwicklung des schweizerischen Ernährungssystems kann nicht nur mit der Agrarpoli­ tik erfolgen, sondern muss auch andere Politikberei­ che wie Handel, Umwelt oder Gesundheit umfassen. Dies erfordert eine interdepartementale Zusammen­ arbeit. 4. Ernährungssicherheit ist ein traditioneller Schwer­ punkt der schweizerischen Entwicklungszusammenar­ beit. Dieser Fokus ist beizubehalten. n


Sicurezza alimentare globale, conclusioni per la Svizzera La società si trova di fronte a grandi sfide concernenti la sicurezza alimentare globale. Gli sviluppi sul piano internazionale, a partire dalla crisi dei prezzi delle derrate alimentari del 2008, hanno mostrato chiaramente nuovi rischi. Nel 2012 l'UFAG ha deciso di identificare tali rischi, di quantificarli e di fissare delle priorità facendo confluire il tutto nella definizione delle azioni necessarie. Esaminando la letteratura (progetto parziale 2), a fronte delle principali pubblicazioni provenienti da tutto il mondo, è stata redatta un’analisi sulla situazione dell’alimentazione e delle risorse e sulle relative previsioni. Sulla scorta dell'analisi della letteratura sono stati identificati sette fattori d'influenza principali per il futuro del sistema alimentare globale: (i) la crescita demografica, (ii) il cambiamento climatico, (iii) la concorrenza per le risorse naturali - suolo, acqua ed energia, (iv) la costante mutazione dei modelli alimentari e delle preferenze dei consumatori, (v) l'aumento e la volatilità dei prezzi delle derrate alimentari, (vi) la crescente integrazione verticale della catena di valore delle derrate alimentari e (vii) il progresso tecnologico. Per la Svizzera si traggono conclusioni in sei ambiti tematici, con relativi campi e possibilità d'intervento: (i) produzione agricola, (ii) ecologia, sostenibilità ed efficienza delle risorse, (iii) modello alimentare, (iv) politica commerciale e ruolo di gruppi industriali agricoli globali, (v) ricerca e innovazione e (vi) cooperazione internazionale.

Literatur ▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft, 2010a. Land- und Ernährungswirtschaft 2025: Diskussionspapier des Bundesamtes für Landwirtschaft zur strategischen Ausrichtung der Agrarpolitik. ▪▪ FAO, 2011. Looking ahead in world food and agriculture: Perspectives to 2050. Rome, Italy. ▪▪ Foresight, 2011. The Future of Food and Farming: Challenges and choices for global sustainability – Final Project Report. London: The Government Office for Science.

Summary

Riassunto

Globale Ernährungssicherheit – ­S chlussfolgerungen für die Schweiz | Agrarwirtschaft

Global food security – the consequences for Switzerland Society is facing major challenges in ensuring global food security. Global trends since the food-price crisis in 2008 have revealed significant new risks. In 2012, the Swiss Federal Office for Agriculture decided to identify, quantify and prioritise these risks and to derive potential areas of intervention. A literature review based on the analysis of key publications (Subproject 2) provides a global perspective on the global food security situation and future projections. The literature study identified seven drivers influencing the future of the global food security system: (i) population growth; (ii) climate change; (iii) environmental degradation and competition for land, water and energy resources; (iv) changing dietary patterns and consumer preferences; (v) rise in, and volatility of food prices; (vi) increasing vertical integration of value chains in food production and markets; (vii) technological progress. The report identifies six intervention areas for which conclusions and options for action are suggested: (i) agricultural production; (ii) environmental sustainability and resource efficiency; (iii) dietary patterns; (iv) trade policies and the role of multinational food companies; (v) research and innovation; and (vi) international cooperation. Key words: food security, resource ­efficiency, scenarios, world food system.

▪▪ IAASTD, 2009. Agriculture at a Crossroads: Global Report. (B. D. McIntyre, H. R. Herren, J. Wakhungu, & R. T. Watson, Eds.) Washington D.C.: ­I sland Press. ▪▪ Paillard S., Treyer S. & Dorin B., 2010. Agrimonde. Scénarios et défis pour nourrir le monde en 2050. CIRAD/INRA. ▪▪ World Bank, 2008. World Development Report on Agriculture for Development (WDR). Washington DC.

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 138–145, 2014

145


N u t z t i e r e

Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­weisen eine gute Silagequalität auf Ueli Wyss1 und Catherine Metthez2 Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz 2 Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld AG, 3270 Aarberg, Schweiz Auskünfte: Ueli Wyss, E-Mail: ueli.wyss@agroscope.admin.ch

1

Abb. 1 | Beim Flachsilo konnten die trockenen Schnitzel gut befahren beziehungsweise verdichtet werden. (Foto: Ueli Wyss, Agroscope)

Einleitung Vor einigen Jahren betrug der Trockensubstanz (TS)Gehalt der Pressschnitzel knapp 20 %. Im Jahr 2009 wurde der TS-Gehalt erhöht. Nun werden die Press­ schnitzel mit TS-Gehalten von rund 25 % ausgeliefert. Durch das stärkere Abpressen weisen die Schnitzel einen geringeren Zuckergehalt auf. Dadurch findet eine weni­ ger intensive Milchsäuregärung und eine geringere pHWert-Absenkung statt. Wie Untersuchungen von Wyss (2002) gezeigt haben, wird die aerobe Stabilität der Sila­ gen durch den höheren TS-Gehalt nicht beeinflusst.

146

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 146–153, 2014

Auch nach Weber (2006) führt ein TS-Gehalt der Press­ schnitzel von knapp 30 % weder zu Nachteilen für die Gärqualität, noch zu erhöhten Hefekeimzahlen oder zu einer verringerten aeroben Stabilität. Zur Reduzierung der Transportmengen möchten die Zuckerfabriken in Zukunft die Pressschnitzel noch stärker abpressen. Tro­ ckensubstanz-Gehalte von über 30 % sollen angestrebt werden. Welchen Einfluss die höheren TS-Gehalte bei ver­ schiedenen Silierverfahren (Flachsilo, Schlauchsilo und Ballen) auf die Silagequalität und die aerobe Stabilität haben, wurde auf Praxisbetrieben untersucht.


Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­w eisen eine gute Silagequalität auf | Nutztiere

Silierverfahren In einem Flachsilo wurden 93 t Pressschnitzel mit einem TS-Gehalt von 35 % einsiliert. Die Höhe der Schnitzel­ schicht varierte zwischen 40 bis 65 cm, darunter befan­ den sich Mais und Gras. In ein Schlauchsilo (Durchmesser 1,95 m) wurden im hinteren Teil 49 t mit einem TS-Gehalt von 34 % und im vorderen Teil 48 t mit einem TS-Gehalt von 24 % einsiliert. In der Zuckerfabrik Frauenfeld wurden acht Siloballen mit zwei unterschiedlichen TS-Gehalten hergestellt (Abb. 2). Die Standardballen hatten einen TS-Gehalt von 25 % und ein durchschnittliches Gewicht von 1200 kg; die stärker abgepressten Pressschnitzel hatten einen TSGehalt von 31 % und wiesen im Durchschnitt 1180 kg auf. Erhebungen Beim Einsilieren und an verschiedenen Zeitpunkten beim Aussilieren wurden Proben zur Bestimmung der Gehalte an TS und Rohnährstoffen gezogen. Im Flachsilo und im Siloschlauch wurden bei jeder Entnahme mit dem Probenbohrer sechs Proben gezogen und jeweils die Dichte der Silagen bestimmt (Abb. 3). Die Proben 1 bis 3 (oben) und die Proben 4 bis 6 (unten) vom Flachbeziehungsweise Schlauchsilo wurden für die Analysen 

Zusammenfassung

Material und Methoden

Zurzeit werden die Pressschnitzel mit Trockensubstanz (TS)-Gehalten von rund 25 % ausgeliefert. In Zukunft wollen die Zucker­ fabriken die Pressschnitzel noch stärker abpressen, um die Transportmengen zu reduzieren. In der vorliegenden Erhebung wurde untersucht, welchen Einfluss höhere TSGehalte bei verschiedenen Silierverfahren auf die Silagequalität und die aerobe Stabilität haben. Dabei wurden Pressschnitzel mit 25 und 34 % TS in Ballen, Schlauchsilo und Flachsilo einsiliert und während der Entnahme mehrere Proben gezogen. Die Rohnährstoffe der Standard- und der Pressschnitzel mit dem hohen TS-Gehalt waren im Ausgangsmaterial sowie in den Silagen praktisch identisch. Kleinere Unterschiede gab es zwischen dem Material der beiden Zuckerfabriken. Die stärker abgepressten Schnitzel wiesen eine höhere TS-Dichte und eine bessere aerobe Stabilität im Vergleich zu den Standard-Schnitzeln auf. Alle Silagen zeichneten sich durch eine gute Gär- und eine gute mikrobiologische Qualität aus.

Abb. 2 | In der Zuckerfabrik Frauenfeld wurden Siloballen mit zwei unterschiedlichen TS-Gehalten hergestellt. (Foto: Ueli Wyss, Agroscope)

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 146–153, 2014

147


Nutztiere | Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­w eisen eine gute Silagequalität auf

Abb. 3 | Im Siloschlauch wurden bei jeder Entnahme mit dem Probenbohrer sechs Proben gezogen, die Dichte der Silagen bestimmt sowie die Silagequälität bestimmt. (Foto : Ueli Wyss, Agroscope)

gepoolt. Bei den Ballen wurden jeweils drei Proben pro Balle mit dem Probenbohrer gezogen und eine Pool­ probe gemacht. Zusätzlich wurden im Flach- und Schlauchsilo Temperaturmessungen im Silo durchge­ führt. Dabei wurde die Temperatur mit einer Tempera­ tursonde rund 30 und 70 cm hinter der Anschnittfläche gemessen. Bei den Silagen wurde auch die mikrobiologische Quali­ tät (Hefen, Schimmelpilze und aerobe mesophile Bakte­ rien), die Gärparameter (pH, Ammoniak, Gärsäuren und Ethanol) und die aerobe Stabilität in den Silagen erho­ ben. Zur Bestimmung der aeroben Stabilität wurden Silageproben bei Raumtemperatur unter aeroben Bedin­ gungen gelagert. Die aerobe Stabilität wurde anhand von Temperaturmessungen ermittelt: Alle 30 Minuten wurde die Temperatur gemessen und registriert. Als aerob stabil wurden die Silagen angesehen, solange die Temperatur in der Silage die Umgebungstemperatur nicht um mehr als 3 °C übertraf.

148

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 146–153, 2014

Resultate und Diskussion Ausgangsmaterial Bei den Ballen waren die Unterschiede zwischen den zwei TS-Stufen kleiner als beim Siloschlauch (Tab. 1). Das Material für die Ballen stammte aus der Zuckerfabrik Frauenfeld; das Material für den Schlauch beziehungs­ weise das Flachsilo von der Zuckerfabrik Aarberg. Dass es gewisse Unterschiede beim Ausgangsmate­ rial gab, zeigen die unterschiedlichen Rohaschegehalte beim Material für die Ballen beziehungsweise für das Material, welches in den Siloschlauch und das Flachsilo einsiliert wurde. Das stärker abgepresste Material für die Ballen aus Frauenfeld wies tiefere Zuckergehalte (wasser- und ethanollösliche Kohlenhydrate) auf. Dies deckt sich mit den Untersuchungen von Wyss (2002). Hingegen waren die Zuckergehalte zwischen den beiden TS-Stufen beim Material von Aarberg praktisch identisch. Die wasserlös­


Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­w eisen eine gute Silagequalität auf | Nutztiere

Tab. 1 | Gehaltswerte des Ausgangsmaterials beim Einsilieren Silierverfahren

Balle

TS-Stufe Anzahl Proben TS

Schlauchsilo

Flachsilo

Standard

Hoch

Standard

Hoch

Hoch

2

2

2

2

2

%

25,1

31,2

23,9

34,2

35,4

Rohasche

g/kg TS

93

85

71

70

66

Rohprotein

g/kg TS

79

79

89

92

93

Rohfaser

g/kg TS

180

190

176

177

184

ADF

g/kg TS

210

223

219

215

210 367

NDF

g/kg TS

358

373

391

361

Rohfett

g/kg TS

11

13

11

12

11

WSC

g/kg TS

125

77

121

128

115

ESC

g/kg TS

102

59

107

106

115

NEL

MJ/kg TS

7,1

7,1

7,2

7,2

7,2

APDE

g/kg TS

102

103

108

109

110

APDN

g/kg TS

55

56

63

65

65

TS: Trockensubstanz, ADF: Lignozellulose; NDF: Zellwände; WSC: wasserlösliche Kohlenhydrate; ESC: ethanollösliche Kohlenhydrate; NEL: Netto-Energie Milch; APDE: Absorbier­ bares Protein im Darm, welches auf Grund der verfügbaren Energiemenge aufgebaut werden kann; APDN: Absorbierbares Protein im Darm, welches auf Grund des abgebauten Rohproteins aufgebaut werden kann

lichen Kohlenhydrate waren gleich oder höher als die ethanollöslichen Kohlenhydrate. Nach Hollaus et al. (1983) sind 15 g Zucker pro kg Frischsubstanz oder 60 bis 70 g pro kg TS erforderlich, damit eine gute Milchsäure­ gärung und dementsprechend eine ausreichende pHWert-Absenkung stattfinden kann. Diese Werte wurden in der vorliegenden Untersuchung in den meisten Fällen deutlich überschritten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass den Pressschnitzeln Melasse beigemischt wurde. Dichte Bezogen auf die Frischsubstanz wiesen die Pressschnit­ zel mit den höheren TS-Gehalten eine tiefere Verdich­ tung auf. Doch bezogen auf die TS wiesen die Proben mit den höheren TS-Gehalten eine höhere Verdichtung auf (Tab. 2). Dabei waren die Ballen um 11 % und die Pressschnitzel im Schlauchsilo um 26 % stärker verdich­ tet. Unterschiede gab es jedoch je nach Position der Pressschnitzel im Schlauch beziehungsweise Flachsilo. Bei den Standardschnitzeln variierte die Dichte im Siloschlauch zwischen 163 und 194 kg TS pro m3. Bei den

höher abgepressten Schnitzeln konnten im Siloschlauch Dichten zwischen 203 und 263 kg TS pro m3 und im Flachsilo zwischen 173 und 283 kg TS pro m3 festgestellt werden. Dies deckt sich mit den Untersuchungen im Folienschlauch von Weber (2006), wo die Lagerungs­ dichte vom TS-Gehalt und von der Position der Probe abhängig war. Temperaturmessungen Beim Siloschlauch beziehungsweise Flachsilo wurden die ersten Proben 40 beziehungsweise 66 Tage nach dem Einsilieren genommen. Trotz Minustemperaturen waren die Schnitzel im Schlauchsilo zwischen 11 und 20 °C und im Flachsilo zwischen 2 und 15 °C warm. Da die Schnit­ zelschicht im Flachsilo bedeutend kleiner war als im Schlauch, kühlten sich die Schnitzel oben schneller ab. Mit zunehmender Lagerdauer kühlten sich die Schnitzel kontinuierlich ab. Im Frühling stiegen die Temperaturen in den Schnitzeln – bedingt durch die höheren Aussen­ temperaturen – wieder an. Dabei waren die Temperatu­  ren oben höher als unten im Silo.

Tab. 2 | Frischsubstanz- und Trockensubstanzdichte der Pressschnitzelsilagen Silierverfahren

Balle

TS-Stufe

Schlauchsilo

Flachsilo

Standard

Hoch

Standard

Hoch

Hoch

Frischsubstanz

kg/m3

849

837

744

674

659

Trockensubstanz

kg/m3

231

256

181

228

227

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 146–153, 2014

149


Nutztiere | Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­w eisen eine gute Silagequalität auf

Tab. 3 | Gehaltswerte der Silagen Silierverfahren

Balle

TS-Stufe

Flachsilo

Standard

Hoch

Standard

Hoch

Hoch

4

4

4

6

4

Anzahl Proben TS

Schlauchsilo

%

27,4

30,7

25,0

34,4

35,3

Rohasche

g/kg TS

99

94

74

78

81

Rohprotein

g/kg TS

82

81

91

93

93

Rohfaser

g/kg TS

185

188

180

181

182

ADF

g/kg TS

222

224

222

217

214

NDF

g/kg TS

389

392

417

411

393

Rohfett

g/kg TS

15

15

12

13

12

WSC

g/kg TS

25

36

28

51

31

ESC

g/kg TS

22

34

16

42

26

NEL

MJ/kg TS

6,9

7,0

7,1

7,1

7,1

APDE

g/kg TS

97

97

102

102

102

APDN

g/kg TS

54

54

60

62

62

TS: Trockensubstanz; ADF: Lignozellulose; NDF: Zellwände; WSC: wasserlösliche Kohlenhydrate; ESC: ethanollösliche Kohlenhydrate; NEL: Netto-Energie Milch; APDE: Absorbierbares Protein im Darm, welches auf Grund der verfügbaren Energiemenge aufgebaut werden kann; APDN: Absorbierbares Protein im Darm, welches auf Grund des abgebauten Rohproteins aufgebaut werden kann

Entnahmemengen Das Futter aus dem Schlauchsilo wurde mit einem Fräs­ mischwagen entnommen. Der durchschnittliche Vor­ schub im Schlauchsilo betrug 16 cm pro Tag. Aus dem Flachsilo wurden wöchentlich mit einem Blockschneider Blöcke herausgeschnitten und anschlies­ send im Futtertenn gelagert. Der berechnete Vorschub betrug 15 cm pro Tag. Gehaltswerte und Gärparameter der Silagen Durch den Gärprozess wurde in erster Linie der Zucker (wasser- und ethanollösliche Kohlenhydrate) abgebaut (Tab. 3). In den Standardschnitzeln war nur noch rund 20 % des Zuckers vorhanden. Dies deckt sich mit Angaben von Weber (2006) bei Silagen mit TS-Gehalten zwischen 19 und 32 % TS. Bei den Silagen mit höherem TS-Gehalt wurde etwas weniger Zucker abgebaut; hier wurden noch rund 40 % des Zuckers in den Silagen gefunden. Die übrigen Nährstoffe waren in den Silagen leicht höher als im Ausgangsmaterial, was auf den Zuckerab­ bau zurückzuführen ist. Der NEL-Gehalt lag im Durch­ schnitt 0,1 MJ/kg TS tiefer als im Ausgangsmaterial.

150

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 146–153, 2014

Wie bereits in früheren Versuchen (Wyss 2002) fest­ gestellt, war auch in dieser Untersuchung die Milchsäure­ bildung in den Pressschnitzeln mit den höheren TSGehalten im Vergleich zu den tieferen TS-Gehalten weniger stark, und dementsprechend wiesen diese Sila­ gen leicht höhere pH-Werte auf (Tab. 4). Die Essigsäure war in allen Silagen recht tief. Buttersäure konnte nur in Spuren nachgewiesen werden. Der Ammoniakanteil am Gesamtstickstoff war gering. Alle Silage wiesen die maxi­ male Punktzahl – bewertet nach dem Schlüssel der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) – auf. Dement­ sprechend waren alle Silagen von sehr guter Gärqualität. Mikrobiologische Qualität der Silagen Bezüglich der mikrobiologischen Qualität wiesen alle Sila­ gen eine sehr gute Qualität auf. Alle untersuchten Keim­ gruppen lagen nach der VDLUFA-Beurteilung (2012) im Bereich der guten Qualität (Tab. 4). Die hohe Verdichtung, die täglichen beziehungsweise wöchentlichen Entnahme­ mengen sowie die Tatsache, dass die Pressschnitzel im Win­ ter und Frühling bei tieferen Aussentemperaturen verfüt­ tert wurden, haben sicher zu diesem Ergebnis beigetragen.


Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­w eisen eine gute Silagequalität auf | Nutztiere

Tab. 4 | Gärparameter, mikrobiologische Qualität und aerobe Stabilität der Silagen Silierverfahren

Balle

TS-Stufe

Schlauchsilo

Flachsilo

Standard

Hoch

Standard

Hoch

Hoch

Proben

n

4

4

4

6

4

TS

%

27,4

30,7

25,0

34,4

35,3

3,9

4,1

3,8

4,0

4,1

pH Milchsäure

g/kg TS

60

38

80

59

45

Essigsäure

g/kg TS

9

5

15

13

15

Propionsäure

g/kg TS

0

0

0

0

0

Buttersäure

g/kg TS

1

1

0

0

0

Ethanol

g/kg TS

4

2

4

2

8

%

3,4

3,2

3,6

3,1

2,6

100

100

100

100

100

NH3-N/N tot DLG-Punkte 1)

Bakterien

log KBE/g

2,7

2,7

3,4

2,7

2,8

Bakterien2)

log KBE/g

4,8

4,5

4,3

2,8

4,0

2,7

3,2

3,2

3,2

Bakterien3)

log KBE/g

2,7

4)

log KBE/g

2,2

2,2

1,1

1,5

2,3

Schimmelpilze5)

log KBE/g

2,4

2,2

1,1

2,1

2,3

Schimmelpilze6)

log KBE/g

2,2

2,2

1.1

1,5

2,3

Hefen

log KBE/g

4,4

4,5

2,9

1,9

4,8

Tage

4,4

6,9

4,8

6,5

7,8

Schimmelpilze

7)

Aerobe Stabilität

TS: Trockensubstanz; NH3-N/N tot.: Ammoniakstickstoff-Anteil am Gesamtstickstoff KBE: koloniebildende Einheiten 1) produktetypische Arten, gute Qualität < 5,6 log KBE/g 2) Verderbniserreger, gute Qualität < 5,3 log KBE/g 3) Streptomyceten, gute Qualität < 4,5 log KBE/g 4) produktetypische Arten, gute Qualität < 3,7 log KBE/g 5) Verderbniserreger, gute Qualität < 3,7 log KBE/g 6) Mucoraceen, gute Qualität < 3,7 log KBE/g 7) Hefen, gute Qualität < 6,0 log KBE/g

Aerobe Stabilität der Silagen Ein direkter Vergleich bezüglich der aeroben Stabilität ist nur bei den Ballen möglich, da hier die Ballen gleichzeitig geöffnet wurden. Dabei zeigte sich, dass die Silagen mit dem höheren TS-Gehalt im Vergleich zu den StandardPressschnitzeln (Tab. 4) sogar stabiler waren. Auch bei den Pressschnitzeln aus dem Schlauchsilo bezie­ hungsweise Flachsilo waren diejenigen mit dem höheren TS-Gehalt stabiler als jene mit dem tieferen TS-Gehalt. Bei den einzelnen Entnahmeterminen zeigte sich, dass die Stabilität etwas variierte. Zwischen den Proben oben und unten gab es praktisch keine Unterschiede. Die Ergeb­ nisse bestätigen die Untersuchungen von Wyss (2002) und Weber (2006), dass ein höherer TS-Gehalt nicht zu einer verringerten aeroben Stabilität der Silagen führt.

Strategie der Zuckerfabriken Aufgrund der positiven Ergebnisse der Studie planen die Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld (ZAF) für die Kampagne 2014, in einem ersten Schritt den TS-Gehalt auf 28 % zu erhöhen. Die angestrebten 30 % TS sollen erst in einem späteren Schritt umgesetzt werden. Dies gibt den Fabriken einerseits Zeit, das Gewollte umzuset­ zen; andererseits können auch die Kunden schrittweise Erfahrungen sammeln. Wann eine weitere Erhöhung der TS erfolgen wird und in welcher Höhe, hängt deshalb massgeblich von der Resonanz der Kunden und dem technisch Machbaren in den Fabriken ab. Die höhere Abpressung der Schnitzel ist für die ZAF essentiell, da die Transportkosten in den letzten Jahren angestiegen sind. Vor allem bei Pressschnitzeln, welche 

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 146–153, 2014

151


Nutztiere | Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­w eisen eine gute Silagequalität auf

franko Bahn angeboten werden, kann durch diese Mass­ nahme eine Preiserhöhung pro kg TS vermieden werden. Die Kosteneinsparungen werden von den Zuckerfabriken möglichst weitergegeben. Die meisten Produkte werden dadurch – bezogen auf die TS – sogar etwas günstiger.

Schlussfolgerungen ••Die Rohnährstoffgehalte der Standard- und der Pressschnitzel mit dem hohen TS-Gehalt waren im Ausgangsmaterial sowie in den Silagen praktisch identisch. ••Die Pressschnitzel der Zuckerfabrik Frauenfeld wiesen einen leicht höheren Rohaschegehalt und einen dementsprechend leicht tieferen NEL-Gehalt im Ausgangsmaterial und den Silagen auf als jene der Zuckerfabrik Aarberg. ••Beim Flachsilo konnten die trockenen Schnitzel gut befahren beziehungsweise verdichtet werden. Auch beim Schlauchsilo konnten die trockeneren Schnitzel problemlos mit der Maschine eingefüllt werden.

152

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 146–153, 2014

••Bezogen auf die TS wiesen die Schnitzel mit dem höheren TS-Gehalt in den Ballen eine um 11 % und im Schlauchsilo um 26 % höhere Verdichtung auf als die Standard-Schnitzel. ••Alle Silagen erreichten einen tiefen pH-Wert. Dieser war bei den trockeneren Schnitzel leicht höher. Dass bei höherem TS-Gehalt der pH-Wert weniger stark absinkt, ist normal. ••Nach der Entnahme und Lagerung bei Raumtempera­ tur (20 °C) erwärmten sich die Schnitzel nur langsam. Die aerobe Stabilität war bei den trockeneren Schnitzeln sogar leicht besser als bei den StandardSchnitzeln. ••Bezüglich der mikrobiologischen Qualität (Bakterien, Schimmelpilze und Hefen) wiesen alle Proben einen geringen Keimbesatz und eine dementsprechend gute Qualität auf. n


Influsso del tenore di SS della polpa pressata sulla qualità e sulla stabilità aerobica degli insilati Al momento la polpa pressata è distribuita con tenori di SS di circa il 25 per cento. In futuro gli zuccherifici intendono pressare maggiormente la polpa per ridurre i volumi di trasporto. Nelle presenti rilevazioni è stato analizzato quale influsso hanno maggiori tenori di SS dei diversi sistemi d'insilamento sulla qualità e sulla stabilità aerobica degli insilati. La polpa pressata è stata insilata con il 25 e il 34 per cento di SS in balle, silo con pompa e silo a fondo piatto e durante il rilevamento sono stati prelevati regolarmente dei campioni. Le sostanze nutritive grezze della polpa standard e di quella pressata con un elevato tenore di SS erano praticamente identiche nel materiale di base e negli insilati. Vi erano lievi differenze nel materiale di entrambi gli zuccherifici. La polpa maggiormente pressata presentava una densità di SS maggiore e una migliore stabilità aerobica rispetto alla polpa standard. Tutti gli insilati sono caratterizzati da una buona qualità fermentativa e da una buona qualità microbiologica.

Literatur ▪▪ Hollaus F., Braunsteiner W. & Kubadinow N., 1983. Beiträge zur Aufklärung mikrobiologischer und chemischer Zusammenhänge bei der Pressschnitzelsilierung. 1. Mitteilung: Untersuchungen über Mikroorganismen in Pressschnitzeln. Zuckerindustrie 108 (11), 1049–1058. ▪▪ VDLUFA, 2012. Keimgehalte an Bakterien, Hefen, Schimmel- und Schwärzepilzen. Methodenbuch III, Die chemische Untersuchung von Futtermitteln, 8. Ergänzungslieferung 2012.

Summary

Riassunto

Stärker abgepresste Zuckerrübenschnitzel ­w eisen eine gute Silagequalität auf | Nutztiere

Sugar beet pulp with higher DM-­ contents shows a good silage quality Currently, pressed sugar-beet pulp is delivered with a DM content of around 25 %. In future, sugar refineries hope to press the pulp even harder, with a view to reducing transported quantities. In the present study, we investigated the influence of higher DM content on silage quality and aerobic stability in various silage methods. To this end, pressed pulp with 25 % and 34 % DM was ensiled in large bales, in a large plastic bag, and in a bunker silo. Several samples were taken during feed-out. The crude nutrients of the standard pulp and of the pressed pulp with the higher DM content were practically identical in both the basic raw material and in the silages. Small differences were observed in the raw material of the two sugar refineries. The pulp that was pressed harder exhibited higher DM density and better aerobic stability than the standard pulp. All silages were characterised by both good fermentation quality and good microbiological quality. Keywords: sugar beet pulp, silage, DM-content, fermentation quality, aerobic stability.

▪▪ Weber U., 2006. Untersuchungen zur Silierung von Zuckerrübenpressschnitzeln in Folienschläuchen. Dissertation der landwirtschaftlich-­ gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin, 153 Seiten. ▪▪ Wyss U., 2002. Pressschnitzel und Silagequalität. Agrarforschung 9 (11+12), 512–517.

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 146–153, 2014

153


K u r z b e r i c h t

Die Schweizer Pferdebranche Lea Schmidlin1, Iris Bachmann1, Sandra Flierl1, Anja Schwarz2, Andreas Roesch2, Stefan Rieder1 und Ruedi von Niederhäusern1 1 Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, Schweizerisches Nationalgestüt, 1580 Avenches, Schweiz 2 Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Tänikon, Schweiz Auskunft: Ruedi von Niederhäusern, E-Mail: ruedi.vonniederhauesern@agroscope.admin.ch

Abb. 1 | Bislang war es aufgrund der fehlenden Registrationspflicht kaum möglich, genauere Aussagen über die Struktur des Schweizer Equidenbestandes zu machen. Seit 2011 müssen nun alle Equiden auf der zentralen Tierverkehrsdatenbank TVD gemeldet werden. (Foto: Agroscope – Schweizerisches Nationalgestüt)

Die neue Studie «Wirtschafts-, gesellschafts- und umweltpolitische Bedeutung des Pferdes in der Schweiz – Stand 2013» des Schweizerischen Nationalgestüts von Agroscope liefert interessante Zahlen zur Pferdebranche Schweiz. Obwohl die Pferdebranche in den letzten Jahren insbesondere aufgrund verschiedener gesetzlicher Anpassungen immer wieder stark gefordert wurde, nimmt die Anzahl Pferde, Ponys und Esel in der Schweiz weiter zu. Entwicklung des Equidenbestandes Ende 2012 zählte das Bundesamt für Statistik BFS insge­ samt 103010 Equiden (Pferde, Ponys und Kleinpferde, Esel, Maultiere und Maulesel). Der Equidenbestand ist somit während der letzten zehn Jahren im Mittel um 4 %

154

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 154–157, 2014

pro Jahr gestiegen. Dabei verzeichnete im Verhältnis zum Gesamtbestand an Equiden der Anteil «andere Equiden» – also Ponys, Kleinpferde, Esel, Maultiere und Maulesel – ein höheres Wachstum (Abb. 2). Knapp zwei Drittel (64 %) der Equiden sind in Betrie­ ben der Westschweiz und den deutschsprachigen Teilen des Mittellandes untergebracht. Diesen Gebieten kommt somit eine hohe Bedeutung als wichtige Zentren der Schweizer Pferdebranche zu. Gesamtschweizerisch wer­ den 9,8 Equiden pro km2 LN (Landwirtschaftliche Nutz­ fläche) beziehungsweise 12,8 Equiden je 1000 Einwoh­ ner gehalten. Drei Viertel aller Equiden in der Schweiz sind in Land­ wirtschaftsbetrieben untergebracht. Der Pferdehaltung kommt deshalb vor allem im ländlichen Raum eine wich­ tige Bedeutung zu. Seit 2011 werden Betriebe, welche Equiden halten, aber über zu wenig LN verfügen, in den Statistiken des BFS nicht mehr als landwirtschaftliche Betriebe ausgewiesen (Bencheikh, 2013). Die Zahl der in Landwirtschaftsbetrieben gehaltenen Equiden ist zwi­ schen 2002 und 2012 dennoch um 21 % von 64 445 auf 78 171 Tiere gestiegen. Insgesamt hält jeder fünfte nutz­ tierhaltende Betrieb auch Equiden. Etwa die Hälfte aller auf Landwirtschaftsbetrieben stehenden Equiden wer­ den in der Talzone und auf Betrieben unter 20 ha gehal­ ten. Während der letzten zehn Jahre verzeichneten jedoch vor allem die grossen Betriebe von 20 ha oder mehr eine Zunahme des Bestandes. Im Jahr 2012 lag die Gesamtsumme der Direktzahlungen für Pferde und für von Pferden genutzte Flächen bei rund 65–70 Millionen Franken. Der benötigte Flächenbedarf für einen durchschnitt­ lichen Equiden (0,58 GVE) für die Raufutter-, Kraftfutterund Strohproduktion sowie die Auslaufflächen beträgt 0,5 ha in der Talzone. Der Flächenbedarf je Tier steigt von Zone zu Zone in Abhängigkeit des Ertragspotenzials der Futterflächen stetig an. Die Futtermittelimporte konnten – in Unkenntnis der den Equiden anzurechnen­ den Quantitäten – nicht in der Kalkulation berücksich­ tigt werden.


Die Schweizer Pferdebranche | Kurzbericht

zu führen; dafür dürfen diese Tiere nicht in die Lebens­ mittelkette gelangen. Der Anteil der als Heimtier dekla­ rierten Equiden hat von 33 % im Jahr 2011 auf 38 % im Jahr 2012 zugenommen. Die Ursache dieser Verschie­ bung dürfte darin liegen, dass im Startjahr der Equiden­ registrierung primär die auf Landwirtschaftsbetrieben stehenden Equiden registriert und als Heimtier dekla­ rierte Equiden hauptsächlich gegen Ende der Über­ gangsfrist erfasst wurden (TVD 2012).

120000

100000

80000

60000

40000

20000 2002 2012

0 Total

Pferde

andere Equiden

Abb. 2 | Entwicklung der Gesamtzahl der Equiden in der Schweiz zwischen 2002 und 2012. (Quelle: BFS 2012, landwirtschaftliche Strukturerhebung)

Zusammensetzung des Equidenbestandes Insgesamt waren in der Tierverkehrsdatendank TVD per Ende 2012 mehr als 150 verschiedene Rassen registriert. Der grösste Teil der Schweizer Equiden sind Warmblüter (40 %). Bei den Warmblütern gibt es insgesamt rund 15  000 (36  %) Schweizer Tiere. Auch die Freiberger machen mit rund 22 000 beziehungsweise rund einem Fünftel aller Equiden einen grossen Anteil der Schweizer Equidenpopulation aus. Bei den Ponys (23 %) sind insbe­ sondere die Shetlandponys stark vertreten (rund 6800 Tiere bzw. 28 % der Ponys). In der Schweiz sind 81 % der Equiden älter als drei Jahre. Dies macht ein Jungpferd auf vier erwach­ sene Pferde. Bei einem erfassten Gesamtbestand von 103 010 Equiden (BFS 2012) ergibt dies einen Bestand an mindestens vier Jahre alten Equiden von insgesamt 83 438. Der Altersdurchschnitt der gesamten registrier­ ten Schweizer Equidenpopulation liegt bei 10,6 Jahren. Bereits ein Drittel der Schweizer Equiden sind 15-jährig und älter. Die bislang verfügbaren Daten der TVD zei­ gen ein durchschnittliches Abgangsalter von 15,5 Jah­ ren. Geht man von einer ersten regelmässigen Nut­ zung der Equiden im Alter von drei Jahren aus, beträgt die durchschnittliche Nutzungsdauer 12,5 Jahre. Bei den Equiden muss in der TVD deklariert werden, ob es sich um ein Nutz- oder ein Heimtier handelt. Bei Heimtieren entfällt die Pflicht, ein Behandlungsjournal

Equidenhaltung Das Bundesamt für Statistik zählte 2012 insgesamt 17 454 equidenhaltende Betriebe, davon sind 65 % landwirt­ schaftliche Betriebe. Im Schweizer Durchschnitt werden 5,9 Equiden pro Betrieb gehalten. In der Tierverkehrs­ datenbank waren per Ende 2012 erst 12532 equidenhal­ tende Betriebe registriert. Demnach waren zu diesem Zeitpunkt rund 5000 Betriebe noch nicht gemeldet. Von den auf der TVD gemeldeten Betrieben halten 44 % aus­ schliesslich eigene Equiden, 56 % halten auch fremde Tiere (Pensions- und Aufzuchtställe). Pferdemarkt Die Equidenimporte sind in den letzten zehn Jahren um 43 % gestiegen. Zwar haben im selben Zeitraum auch die Equidenexporte zugenommen, seit 2009 sinken die Exportzahlen jedoch kontinuierlich. Die Ausfuhr von Equiden wird insbesondere durch die hohe Mehrwert­ steuer von gegen 20 % und zusätzlichen Zollabgaben erschwert. Die in die Schweiz eingeführten Pferde, Ponies und Esel stammen vorwiegend aus Deutschland (48 %) und Frankreich (23 %). Verwendung von Equiden In der Schweiz werden die meisten Equiden für Freizeit-, Sport- und Zuchtzwecke gehalten. Analog verhält es sich mit der Pferdehaltung in unserem europäischen Umfeld. Je nach Land gibt es allerdings auch Nutzungs­ unterschiede. So scheinen in Frankreich seit einiger Zeit Equiden wieder vermehrt für diverse landwirtschaftli­ che und kommunale Arbeiten eingesetzt zu werden. Dieser Trend wird auch in der Schweiz aufgenommen. Eine immer wichtigere Rolle kommt den Equiden im Bereich diverser Therapieformen zu. Die Pferdezucht war während den letzten Jahren besonders stark von verschiedenen gesetzlichen Anpas­ sungen betroffen. Das liberalere Umfeld und die damit verbundene Zunahme der Importe, die steigenden Kos­ ten und die Neuerungen in der Tierzuchtverordnung führten insgesamt zu einer tieferen Anzahl der aner­ kannten Zuchtorganisationen sowie zu einer Abnahme der Geburtenzahlen. So hat die Zahl der in der Schweiz 

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 154–157, 2014

155


Kurzbericht | Die Schweizer Pferdebranche

5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500

Importe

0

Exporte 2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

Abb. 3 | Entwicklung der Equidenimporte und -exporte zwischen 2002 und 2012. (Quelle: Eidgenössische ­Z ollverwaltung EZV 2012)

geborenen und durch die einzelnen Zuchtorganisatio­ nen registrierten Fohlen während der letzten zehn Jahre um 18 % abgenommen. Im genannten Zeitraum sank auch der Anteil der beim Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) neu eingetragen inländischen Pferde von 38 % auf 29 %. Somit stammt noch knapp ein Drittel der Neueinträge aus Schweizer Zucht. Die züchterisch bedeutendste Schweizer Pferderasse ist nach wie vor der Freiberger mit fast 60 % der Geburten. Im Jahr 2012 betrugen die Beiträge an die Pferde­ zucht 2 027 700 Franken. Dies entspricht 5,9 % des gesamten Tierzuchtbudgets. Seit 2001 gibt es Beiträge für die Erhaltung der Freibergerrasse. 2012 wurden insge­ samt 900 000 Franken für 2250 Freibergerstuten ausbe­ zahlt. Der Pferdesport ist mit einem Anteil von 80 % überwie­ gend ein Frauensport. 64 % der Personen, welche in der Schweiz Pferdesport ausüben, tun dies nicht-organisiert, das heisst ohne Mitglied in einem Verein oder einer fes­ ten Gruppe zu sein (Lamprecht et al. 2009). Betrachtet man die Aktivsportlerinnen und -sportler des SVPS fällt auf, dass sich immer mehr junge Personen für den Pfer­ desport interessieren. Der Anteil Lizenzen, welche an Personen im Alter von unter 26 Jahren vergeben wur­ den, stieg während den letzten zehn Jahren stetig an. Die sozioökonomische Bedeutung des Pferdes Durch die Aktivitäten rund um das Pferd werden Arbeits­ plätze für Reitzentren, Unterricht, Pferdetourismus, Zucht, Pferderennbahnen, Pferdehandel, Berufsfach­ leute der Pferdebranche, Hippotherapie, Sattlerei, Huf­

156

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 154–157, 2014

schmiede, Geschäfte für Reitartikel, Pferdefutter, Tier­ ärzte, Pferdemetzgereien usw. geschaffen. In der Landwirtschaft schafft das Pferd vor allem Arbeitsplätze im Bereich der Pferdepension. Für das Jahr 2012 wurden rund 12  900 Vollzeitstellen berechnet, welche direkt oder indirekt im Zusammenhang mit der Pferdebranche stehen. Dabei wird angenommen, dass sich pro acht Pferde etwa ein Arbeitsplatz ergibt. Der Umsatz wird auf 1,91 Milliarden Franken geschätzt. Im Laufe der letzten Jahre hat die Pensionspferde­ haltung insbesondere für landwirtschaftliche Betriebe zunehmend an Bedeutung gewonnen. Bislang existier­ ten für die Haltung von Pensionspferden in der Schweiz keine Vollkostenberechnungen, weshalb eine Beurtei­ lung der Wirtschaftlichkeit bis dato kaum möglich war. Anhand von Fallbeispielen haben nun das Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften (früher Forschungsan­ stalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART) und das Schweizerische Nationalgestüt SNG den Betriebszweig Pensionspferdehaltung für Gruppen- und Einzelhal­ tungsbetriebe analysiert. Insgesamt zeigte sich die Grup­ penhaltung anhand der Untersuchungen wirtschaftli­ cher als die Einzelhaltung. Vor allem die beiden Kostenpositionen Arbeit sowie Gebäude und Einrichtun­ gen nahmen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis des Betriebszweigs Pensionspferdehaltung1. Die Rolle des Pferdes in unserer Gesellschaft hat sich während der letzten Jahrzehnte stark gewandelt. Einst Nutztier in der Landwirtschaft und in der Armee, wird Siehe auch ART-Bericht 771, http://www.agroscope.admin.ch/haras/06556/index. html?lang=de

1


Die Schweizer Pferdebranche | Kurzbericht

Insgesamt erreichten alle untersuchten Betriebe mehr­ heitlich den tendenziell nachhaltigen Bereich. Vor allem Betriebe, welche die Milchwirtschaft zugunsten der Pen­ sionspferdehaltung aufgegeben haben, gaben an, im sozialen Bereich einen Mehrwert erhalten zu haben. Diesen Mehrwert bildeten in erster Linie die flexibleren Arbeitszeiten. Der Zeitanspruch durch die Kundenbe­ treuung war im Betriebszweig Pferdehaltung hingegen höher als bei anderen Betriebszweigen.

Abb. 4 | Die Pensionspferdehaltung bietet zahlreichen Landwirten eine rentable Möglichkeit zur Diversifizierung ihrer Betriebe. (Foto: Agroscope – Schweizerisches Nationalgestüt)

das Pferd heute in erster Linie als Freizeitpartner gehal­ ten. Mit diesem Wandel ging auch eine Veränderung der an die Pferdehaltung gestellten Ansprüche einher. Dies macht sich vor allem in diversen Anpassungen verschie­ dener Gesetzgebungen bemerkbar. Auch die Frage nach der Nachhaltigkeit der Pferde­ branche hat unter den heutigen Rahmenbedingungen an Bedeutung gewonnen. Bislang wurden an der Hoch­ schule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) 27 pferdehaltende Betriebe in der Landwirt­ schaftszone mit RISE analysiert. Das Modell RISE ist ein von der HAFL entwickeltes Tool und ermöglicht die Erfassung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe. Es folgt einem ganzheitlichen Ansatz und berücksichtigt im Gegensatz zu vielen anderen Bera­ tungsinstrumenten neben den ökologischen und ökono­ mischen auch die sozialen Aspekte der Landwirtschaft. Die untersuchten pferdehaltenden Betriebe waren im Allgemeinen stark grünlandbasiert, woraus ein ver­ gleichsweise geringer Dieselverbrauch und ein geringes Risiko der Bodendegradation durch Erosion, Schadver­ dichtung oder Humuszehrung resultierten. Eine grosse Stärke von Betrieben mit Pensionspferdehaltung ist die Stabilität betreffend regelmässigem Einkommen auf­ grund der normalerweise monatlich bezahlten Pensions­ gelder. So sind Liquiditätsengpässe weniger wahrschein­ lich als etwa beim reinen Ackerbaubetrieb. Zudem stammt das Einkommen bei Pensionsbetrieben in der Regel von sehr vielen verschiedenen Kunden bezie­ hungsweise Pferdebesitzer, was zusätzliche Sicherheit garantiert.

Ausblick Dank der eingeführten Registrationspflicht für Equiden wird es in Zukunft möglich sein, die Entwicklung der Schweizer Pferdebranche genauer zu beobachten und zu analysieren. Daraus können wiederum wertvolle Hin­ weise und Tendenzen für die einzelnen, zahlreichen Akteure der Pferdebranche abgeleitet werden. Insbe­ sondere durch die teilweise widersprüchlichen Ziele der verschiedenen Gesetzgebungen entstehen gewisse Ein­ schränkungen und Herausforderungen, denen sich die Pferdebranche in Zukunft zwingend stellen muss. Die Schweizer Pferdebranche wird unter Berücksichtigung der aktuellen sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Situation Lösungen und Strategien entwi­ ckeln müssen, damit der Platz des Pferdes und der mit ihm zusammenhängenden Tätigkeiten auch in Zukunft gesichert bleibt. n

Literatur ▪▪ Bencheikh M., 2013. Persönliche Mitteilung, Mamoun Bencheikh, ­B undesamt für Statistik, Neuenburg, [30. Okt. 2013]. ▪▪ BFS 2012. Landwirtschaftliche Strukturerhebung, Bundesamt für Statistik. ▪▪ EZV 2012. Equidenimporte und -exporte, eidgenössische Zollverwaltung. ▪▪ Lamprecht M., Fischer A., Stamm H., 2009. Factsheets Sportarten, Observatorium Sport und Bewegung Schweiz. Zugang:http://www.baspo.­ admin.ch/internet/baspo/de/home/dokumentation.parsys.0001121. downloadList.14431.DownloadFile.tmp/dfactsheetssportarten2008screen.pdf, [22. Oktober 2013]. ▪▪ TVD 2012. Datenabfragen Equiden, Tierverkehrsdatenbank, betrieben durch die Identitas AG. ▪▪ Vollständiger Bericht «Wirtschafts-, Gesellschafts- und Umweltpolitische Bedeutung des Pferdes in der Schweiz – Stand 2013». Zugang: http:// www.agroscope.admin.ch/haras/00343/index.html?lang=de.

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 154–157, 2014

157


K u r z b e r i c h t

Mechanische Regulierung der Begleitflora bei Rispenhirse Rosalie Aebi, Samuel Knapp und Jürg Hiltbrunner Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 8046 Zürich, Schweiz Auskünfte: Jürg Hiltbrunner, E-Mail: juerg.hiltbrunner@agroscope.admin.ch

Die Rispenhirse ist eine interessante Alternative für die Frucht­ folgen im Bioackerbau, im frühen Stadium aber reagiert sie ­e mpfindlich auf die Einwirkung des Striegels. (Foto: Jürg Hiltbrunner, Agroscope)

Fundierte Empfehlungen zur mechanischen Regulierung der Begleitflora im Rispenhirseanbau sind rar. Basierend auf mehrjährigen Versuchen kann nun gezeigt werden, dass der Einsatz der Hacke nicht nur die Begleitflora erfolgreich reduziert, sondern bei einem zweimaligen Einsatz auch zu einer Ertragsverbesserung führt. Rispenhirse – eine interessante Alternative Rispenhirse wurde in der Schweiz und auch in anderen mitteleuropäischen Ländern bereits in der späten Jung­ steinzeit angebaut (Miedaner und Longin 2012). Obwohl die Rispenhirse unter anderem aufgrund der Ausdeh­ nung des Kartoffelanbaus und der Abschaffung des Breis in der täglichen Ernährung aus dem Anbau ver­ drängt wurde, war vor allem der hohe Arbeitsaufwand zur Regulierung der Unkräuter für diese Verdrängung entscheidend (Miedaner und Longin 2012). Mittlerweile ist die Rispenhirse wieder zu einer interessanten Alter­ native für die Fruchtfolgen im Bioackerbau geworden

158

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 158–161, 2014

(Knapp et al. 2014). Aufgrund des zunehmenden Bewusstseins für eine gesunde Ernährung und aufgrund ändernder Umweltbedingungen könnte die Bedeutung dieser Kultur künftig weiter zunehmen. Zwischen 2001 und 2011 wurden jährlich zwischen 2700 und 5400 t Hirse in die Schweiz eingeführt, was bei einem mittleren Flächenertrag von 25 dt/ha (Ertragserwartung unter Bio­ bedingungen in der Schweiz) einer Anbaufläche von 1000 bis 2200 ha entspricht. Aufgrund der tiefen Import­ preise beschränkt sich der inländische Anbau momentan aber fast ausschliesslich auf den Biolandbau. Im Jahr 2013 haben in der Schweiz 20 Bio-Produzenten auf einer Fläche von 26 ha Rispenhirse angebaut. Wie bei anderen Ackerkulturen ist die erfolgreiche Regulierung der Begleitflora auch bei der Rispenhirse für einen erfolgreichen Anbau zentral. Aktuell sind in der Schweiz keine Herbizide im Rispenhirseanbau zuge­ lassen. Zudem äusserte die Praxis das Bedürfnis nach mehr Informationen zur mechanischen Regulierung der Begleitflora. Nachdem in einem vorhergehenden Artikel die Stickstoffwirkung auf Ertrag und Nährstoffe beschrie­ ben wurde (Knapp et al. 2014), werden in diesem Artikel nun die Ergebnisse von mehrjährigen Versuchen vorge­ stellt, in denen die Wirkung verschiedener Verfahren auf die Begleitflora und auf die Kornerträge untersucht wurde.

Material und Methoden Die Versuche wurden auf zertifizierten Knospe-Betrie­ ben in Dietikon (2010), Sulzbach (2011), Seebach (2010 und 2012) und Schlieren (2012) durchgeführt. Die Saat­ dichte betrug 500 keimfähige Körner/m2 bei einem ­Reihenabstand von 18 cm. Die Parzellenfläche betrug 21 m2 und die Düngung wurde betriebsüblich durchge­ führt (Biorga Quick 12 % oder Hofdünger, insgesamt 60 kg N/ha). Die Versuche wurden als 2-faktorielle ran­ domisierte komplette Blockanlage mit vier Wiederho­ lungen angelegt. Erster Faktor: die zwei russischen ­Sorten Quartett und Krupnoskoroje, die in der Schweiz seit 2006 durch die Sativa-Genossenschaft (Rheinau) ­vermehrt und für die Vertragsproduktion mit der Bio­


Mechanische Regulierung der Begleitflora bei Rispenhirse | Kurzbericht

Tab. 1 | Übersicht der untersuchten Verfahren zur mechanischen Regulierung der Begleitflora der Rispenhirse 1. Eingriff (3–4-Blattstadium)

Verfahren Kontrolle (KO)

2. Eingriff (6–8-Blattstadium)

Anzahl Versuche

5

Rotorhacke

3

Striegel, Rotorhacke (SR)

Striegel

Rotorhacke

3

Striegel, Hacke (SH)

Striegel

Hacke

5

Rotorhacke (R), –

Hacke, Hacke (HH)

Hacke

Hacke

5

Striegel (S), –

Striegel

2

Hacke (H), –

Hacke

2

farm-Genossenschaft (Kleindietwil) empfohlen werden. Zweiter Faktor: vier verschiedene UnkrautregulierungsVerfahren im Vergleich zu einem unbehandelten Kont­ rollverfahren (Tab. 1). Die Eingriffe wurden zu zwei ver­ schiedenen Entwicklungsstadien durchgeführt: Der erste erfolgte im 3- bis 4-Blattstadium und der zweite im 6- bis 8-Blattstadium. Die Verfahren mit der Rotorhacke wur­ den aufgrund ihrer ungenügenden Wirkung nur in den Jahren 2010 und 2011 getestet. 2012 wurde dafür ein einmaliger Striegel- sowie ein einmaliger Hack-Durch­ gang im frühen Stadium getestet. Vor und nach jedem Eingriff wurde der Bodenbedeckungsgrad der Begleitar­ ten in Prozent geschätzt, und bei der Ernte wurde der Kornertrag erfasst. Wirkung auf die Begleitarten und den Hirseertrag Aufgrund der fehlenden Wechselwirkung zwischen den beiden geprüften Sorten und den Verfahren in der Vari­ anzanalyse darf angenommen werden, dass beide Sor­ ten in gleicher Weise auf die Verfahren reagieren. Aus diesem Grund werden alle Daten als Mittelwerte beider Sorten präsentiert. Der Bodenbedeckungsgrad der Begleitarten in den verschiedenen Jahren war sehr unterschiedlich und insbesondere am Standort Sulzbach und in Schlieren sehr hoch (Tab. 2). Ebenfalls variierten die Erträge stark zwischen den Versuchen: Mit 31,2 dt/ha

konnte am Standort Seebach ein sehr guter und am Standort Schlieren mit 10,2 dt/ha ein unbefriedigender Ertrag erzielt werden. Die am Standort Schlieren schwie­ rigen Standort- und Witterungsbedingungen sind auch im hohen Variationskoeffizient ersichtlich. Ein früher Eingriff mit der Hacke (H) hat den Unkraut­ druck stärker verringert als die Rotorhacke (R) und der Striegel (S) (Abb.1 A). Durch den zweiten Eingriff konnte mit dem Einsatz der Hacke gegenüber den Verfahren, bei denen kein zweiter Eingriff vorgenommen wurde, der Bodenbedeckungsgrad nochmals reduziert werden. Die Wirkung war dabei grösser, wenn im ersten Durch­ gang der Striegel eingesetzt wurde. Im Mittel über alle Versuche konnte mit den Verfahren SH und HH der Bodenbedeckungsgrad der Begleitarten am wirksams­ ten reduziert werden (Abb.1 A und B). Obwohl der Unkrautdruck an den Standorten sehr unterschiedlich war (Tab. 1), waren die Effekte der verschiedenen Ver­ fahren auf den Bodenbedeckungsgrad der Unkräuter nach dem zweiten Eingriff in allen Versuchen signifikant (p < 0,001). Diese Unterschiede beim Bodenbedeckungs­ grad wirkten sich aber nicht im gleichen Masse auf den Kornertrag aus. Lediglich für das Verfahren mit zweima­ ligem Einsatz der Hacke konnte eine signifikante Verbes­ serung des Ertrags festgestellt werden (Abb. 2). Daraus wird abgeleitet, dass eine reduzierende Wirkung des 

Tab. 2 | Mittlerer Kornertrag (dt/ha mit 14 % H2O) und mittlerer Bodenbedeckungsgrad der Begleitarten nach dem zweiten Eingriff im ­M ittel über alle Verfahren in den Versuchen der Jahre 2010 bis 2012. V.K. = Variationskoeffizient

Mittlerer Kornertrag

V.K.

Mittlerer Bodenbedeckungsgrad der Begleitarten

Standort

Jahr

(dt/ha)

(%)

(%)

Seebach

2010

n.e.*

10,0

Dietikon

2010

21,0

8,9

9,1

Sulzbach

2011

22,3

14,5

28,0

Seebach

2012

31,2

10,7

13,0

Schlieren

2012

10,6

46,5

22,4

*nicht erhoben

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 158–161, 2014

159


Kurzbericht | Mechanische Regulierung der Begleitflora bei Rispenhirse

40

(B)

40

(A)

30

KO S H SH HH

KO: Kontrolle R: Rotorhacke SR: Striegel, Rotorhacke

20

Bodenbedeckung Unkraut (%) 10 20 30

KO R SR SH HH

SH: Striegel, Hacke 10

HH: Hacke, Hacke S: Striegel

0

0

H: Hacke V1

N1

V2

N2

V1

N1

V2

Zeitpunkt

N2

Zeitpunkt

Abb. 1 | Bodenbedeckungsgrad (%) der Begleitarten, gemittelt über die beiden Sorten Krupnoskoroje und Quartett vor (V) beziehungsweise nach (N) dem ersten (1) beziehungsweise zweiten (2) Eingriff. (A) Mittelwerte über die drei Versuche der Jahre 2010 und 2011, (B) Mittelwerte über die zwei Versuche des Jahres 2012.

a

25

(B)

b

ab

ab

a b

b

KO: Kontrolle

20

b

b

R: Rotorhacke

15

b

An drei der vier Standorte konnte eine ertragsmin­ dernde Wirkung durch einen erhöhten Bodenbe­ deckungsgrad der Begleitarten beobachtet werden (Abb. 4). Wie beim Striegeleinsatz kann jedoch auch der Einsatz des Hackgeräts zu einer Schädigung der Pflanzen führen. Vor allem, wenn im frühen Stadium der Boden zu nahe an die Pflanzen hin bearbeitet wird und dadurch die Wurzeln geschädigt werden. Im Vergleich zu anderen bedeutenden Ackerkultu­ ren wie dem Mais weist die Rispenhirse eine langsame Jugendentwicklung auf und ist von kurzem Wuchs. Des­ halb ist eine gute Bestandesführung für eine gute Jugendentwicklung und Konkurrenzkraft notwendig. In diesen Versuchen wurde die Rispenhirse in allen Verfah­ ren in einem Reihenabstand von 18 cm gesät und ein für dieses Anbausystem passendes Hackgerät verwendet, da bei einem für das Hacken üblichen weiteren Reihenab­ stand wegen des verstärkten Lichtangebots eine zu

SR: Striegel, Rotorhacke SH: Striegel, Hacke

10

Ertrag (dt/ha) 10 15 20

30

(A)

25

30

Striegels auf die Begleitarten im frühen Stadium mög­ lich ist, der Striegel aber aufgrund der ausbleibenden ertragssteigernden Wirkung die Rispenhirse negativ beeinflusst hat (Zillger und Buchmann 2012). Dank der Versuche im Jahr 2012 kann die Wirkung der Hacke im zweiten Durchgang beurteilt werden, je nachdem ob beim ersten Durchgang entweder die Hacke oder der Striegel eingesetzt wurde. Es ist zu erkennen, dass der erste Eingriff keine Wirkung auf den Ertrag hatte (Abb. 3). Der Einsatz der Hacke im zweiten Durch­ gang hatte nur dann eine Wirkung auf den Ertrag, wenn schon beim ersten Eingriff gehackt wurde. Der Hack­ durchgang nach einem erstmaligen Striegeln führte hin­ gegen zu keiner Ertragsverbesserung, zeigte aber eine gute Wirkung auf die Begleitflora (Abb. 1). Dadurch kann die Samenproduktion und der -eintrag in den Boden reduziert werden, weshalb ein solcher Einsatz trotzdem längerfristig lohnend sein kann.

S: Striegel H: Hacke

0

0

5

5

HH: Hacke, Hacke

KO

R

SR

SH

HH

KO

S

H

SH

HH

Abb. 2 | Mittlerer Kornertrag (dt/ha mit 14 % H2O) der beiden Rispenhirsesorten Krupnoskoroje und Quartett bei verschiedenen Unkrautregulierungsverfahren. (A) Mittelwerte der Versuche der Jahre 2010 und 2011, (B) Mittelwerte der Versuche im Jahr 2012. Verfahren, die mit dem selben Buchstaben versehen sind, sind nicht signifikant voneinander verschieden (LSD-Test, α = 0,05).

160

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 158–161, 2014


Mechanische Regulierung der Begleitflora bei Rispenhirse | Kurzbericht

KO (21,4)

SH (21,9) S (22,9)

S (22,9)

F 1,23 = 0,95 n.s.

HH (24,7) H (22,4)

H (22,4)

1. Eingriff

F 1,23 = 10,42**

2. Eingriff

F 2,38 = 1,26 n.s.

Abb. 3 | Wirkung von Striegel (S) und Hacke (H) bei einem frühen Eingriff und Wirkung der Hacke beim zweiten Eingriff auf den Kornertrag (dt/ha mit 14 % H2O) von Rispenhirse im Vergleich zur Kontrolle (Mittelwert von zwei Versuchen im Jahr 2012). F-Test mit angegebenen Freiheitsgraden, **: p < 0,01, n.s.: nicht signifikant)

starke Konkurrenz durch die Begleitarten befürchtet wurde. Weil in der Praxis aber häufig Hackgeräte für einen weiteren Reihenabstand eingesetzt werden, sollte der Anbau von Rispenhirse im weiteren Reihenabstand untersucht werden. Lohnt sich ein Eingriff? Werden für ein zweimaliges Hacken Kosten von 307 CHF/ha angesetzt, müsste bei einem Produzenten­ preis von 170 CHF/dt Rohhirse ein Mehrertrag von 1,8 dt/ha erzielt werden, damit dieses Verfahren wirt­ schaftlich interessant ist. Dies wurde in allen vier geern­ teten Versuchen erreicht. Unabhängig davon sind aber auch die folgenden beiden Effekte zu berücksichtigen: die Reduktion des Anteils von Unkrautsamen im Ernte­ gut sowie das Verhindern eines übermässigen Eintrages von zusätzlichen Samen in den Samenvorrat des Boden. Im Zusammenhang mit der Regulierung der Begleitflora kann für Rispenhirse aus ökonomischer und pflanzen­ baulicher Sichtweise folgende Zusammenfassung gege­ ben werden: So viel wie nötig (Reduktion des Unkraut­ drucks und Anstieg des Samenvorrates im Boden) und so wenig wie möglich (Aufwand und mögliche Schädi­ gung der Rispenhirse).

Schlussfolgerungen Aufgrund der geringen Konkurrenzkraft in der Jugend­ entwicklung kommt der erfolgreichen Regulierung der Begleitflora im Rispenhirseanbau eine zentrale Bedeu­ tung zu. Mit einem Einsatz der Hacke im 3- bis 4-Blatt­ stadium und im 6- bis 8-Blattstadium kann sowohl der Unkrautdruck erfolgreich reduziert als auch eine posi­ tive Wirkung auf den Kornertrag erzielt werden. Grund­ sätzlich gilt es aber, der Rispenhirse in der Jugendent­ wicklung günstige Bedingungen zu schaffen, damit sie sich möglichst rasch entwickeln kann. n

Ertrag (dt/ha) 20 30

40

50

2010 Dietikon (R² = 0,26, **) 2011 Sulzbach (R² = 0,46, ***) 2012 Seebach (R² = 0,34, ***) 2012 Schlieren (R² < 0,01, n.s.)

Dank

0

10

Wir danken der Stiftung Hauser (Weggis) und BioSuisse für die finanzielle Unterstützung sowie den Familien Spahn, Weidmann, Huber und Götsch für die gute Zusammenarbeit und Alexander Zorn für die Berechnung der Maschinenkosten.

0

10

20 30 40 Bodenbedeckung Unkraut (%)

50

60

Abb. 4 | Korrelation von Bodenbedeckungsgrad (%) der Begleitarten nach dem zweiten Eingriff und Kornertrag (dt/ha mit 14 % H2O) in den Versuchen der Jahre 2010 bis 2012. F-Test, ***: p<0,001, **: p<0,01, n.s.: nicht signifikant.

Literatur ▪▪ Knapp S., Aebi R. & Hiltbrunner J., 2014. Wie die Rispenhirse auf Stickstoff reagiert. Agrarforschung Schweiz 5 (3), 118–121. ▪▪ Miedaner T. & Longin F., 2012. Unterschätzte Getreidearten. Einkorn, Emmer, Dinkel & Co., Agrimedia, Erling Verlag GmbH & Co. KG, Clenze. 136 S. ▪▪ Zillger C. & Buchmann I., 2012. Rispenhirse – alte Kulturpflanze neu entdeckt. Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau Rheinland-Pfalz. 7 S. Zugang: http://www.oekolandbau.rlp.de/Internet/global/themen.nsf/ ALL/B54AEF7A31BBDCB9C1257BD3003BF909/$FILE/Artikel_Hirse_2012.pdf [24.1.2014].

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 158–161, 2014

161


I n t e r v i e w

Jean-Daniel Charrière an der Spitze des ­Zentrums für Bienenforschung von Agroscope Seit dem 1. März diesen Jahres hat das Zentrum für Bie­ nenforschung (ZBF) von Agroscope einen neuen Leiter: Jean-Daniel Charrière übernimmt das Amt von Peter Gall­ mann, der Ende Februar in den Ruhestand ging. Der an der ETH ausgebildete Ingenieur-Agronom Jean-Daniel Charrière arbeitet und forscht seit über 20 Jahren im ZBF und ist selbst leidenschaftlicher Imker. Somit betritt der Bieler in seiner neuen Funktion keineswegs Neuland. Wir haben ihn gefragt, mit welchen Herausforderungen die Bienenforschung in der Schweiz in den nächsten Jahren konfrontiert sein wird und welches seine persönlichen Ziele in seiner neuen Stellung sind. Infolge der Umstruk­ turierung von Agroscope gehört das ZBF nunmehr zum Institut für Nutztierwissenschaften (INT). Welches sind die Herausforderungen für die Bienenforschung in der Schweiz? Die Imkerei befindet sich in der Schweiz in derselben Situ­ ation wie in den meisten anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern. Unsere Hauptsorge gilt der Bienensterblichkeit, weswegen das ZBF eng mit anderen Bienenforschungsinstituten in Europa, aber auch welt­ weit, zusammenarbeitet. Dieses Thema ist so komplex, dass man einfach zusammenarbeiten muss. Die Zusam­ menarbeit ist von wesentlicher Bedeutung, um dieses Pro­ blem langfristig klären und lösen zu können. In der Schweiz überwachen wir weiterhin die Europäische Faul­ brut, denn wie man weiss hat sich die Anzahl der bekann­ ten Fälle dieser bis anhin wenig verbreiteten Krankheit seit dem Jahre 2000 rasant verbreitet. Seit nunmehr drei Jahren sinkt die Anzahl der Fälle, wenngleich man sich immer noch auf einem hohen Niveau befindet. Daher ist hier nach wie vor Wachsamkeit geboten. Welche Ziele verfolgen Sie als neuer Leiter des ZBF? Mein Ziel besteht darin, strategisch sinnvolle und klare Entscheidungen zu treffen, d.h. zwei oder drei For­ schungsthemen auszuwählen und sich darauf zu kon­ zentrieren anstatt sich in zu vielen Fragestellungen zu verzetteln, denn es ist ganz offensichtlich, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht alle Themenfelder abdecken können. Unsere oberste Priori­ tät gilt dabei dem Kampf gegen die Varroose, welche die häufigste Todesursache ganzer Bienenkolonien ist. In den nächsten Jahren werden wir bestrebt sein, nach­ haltige Lösungen, wie zum Beispiel mit entomopathoge­

162

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 162, 2014

Jean-Daniel Charrière, Leiter des Zentrums für Bienenforschung ­b eantwortet Fragen von Agrarforschung Schweiz.

nen Pilzen, bereitzustellen. Diese Art von Pilz bekämpft die schädlichen Organismen und entwickelt sich aus ihrer Substanz – ohne dabei dem Wirt, also in diesem Falle der Biene, zu schaden. Die Forschung über Imkerei­ produkte bleibt ein wesentlicher Bestandteil des ZBF, denn hierbei geht es um die Qualitätssicherung unserer Produkte. Nur wenn die Imkerinnen und Imker sich wei­ terhin der Produktion von Qualitätshonig verschreiben, können wir unsere Produkte gut absetzen. Ohne diesen Leitgedanken würde es immer weniger Imker geben und ohne Imker keine Bienen und ohne Bienen keine flächendeckende Bestäubung! Was sagen Sie zur Ausbildung der Imkerinnen und Imker? Die Imkerausbildung fällt von nun an in den Verantwor­ tungsbereich des Bienengesundheitsdienstes (BGD), der im letzten Jahr in Folge der im Jahre 2004 eingereichten Motion Gadient «Förderung der Bienen in der Schweiz» ins Leben gerufen wurde. Natürlich werden wir diesen Bereich aber nach wie vor im Auge behalten, denn wir brauchen ein Feedback aus der Praxis, um zu evaluieren, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen. Allerdings konzentrieren wir uns auf spezifische Weiterbildungen, die in direktem Zusammenhang mit der Verbreitung unserer Forschungsergebnisse und neuen Methoden im Kampf gegen Krankheiten etc. stehen. In diesem Sinne überlassen wir die Imker-Grundausbildung dem BGD. Evelyne Fasnacht, Agroscope


A k t u e l l

Neue Publikationen

ART-Bericht 766

TASC V3.0 – Prognose Bodengefährdung und Treibstoffverbrauch Eine PC-Anwendung zur Beurteilung der Bodenbeanspruchung im Ober- und Unterboden in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Schätzung des Energie- und Treibstoffbedarfs im Ackerbau. September 2013

Autoren Etienne Diserens, Andrea Battiato, ART etienne.diserens@ agroscope.admin.ch Abb. 1: TASC V3.0 berechnet Druckspannungen und Zugkraft-Schlupf-Kurven mit Angaben über Bodenscherung. Dadurch lässt sich die Bodengefährdung beurteilen. Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon 1, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

TASC V3.0 (Tyres/Tracks And Soil Compaction) ist eine praxistaugliche, aktualisierte Excel-Anwendung von Agroscope für die Entscheidungsfindung für die Ausrüstung und den Einsatz von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen mit Bezug auf die Bodenschonung und zum Teil auch auf den Treibstoffverbrauch. Diese Anwendung besteht aus fünf Modulen. Das Erste befasst sich mit Schadverdichtungen. Übermässige, durch Fahrwerke im Boden verursachte Druckspannungen werden in der entsprechenden kritischen Tiefe angezeigt. Das neue zweite Modul rechnet die Zugkraft-Schlupf-Kurven mit Angaben, ab welchem Radschlupf der Boden geschert wird. Zugkraft- und Treibstoffbedarf lassen sich für unterschiedliche Anbaugeräte, Boden- und Traktorparameter bestimmen.

Das dritte Modul berechnet den Fahrspurflächenanteil eines oder mehrerer Arbeitsgänge. Ein weiteres Modul enthält die technischen Angaben von über 1270 Reifen inkl. Felgen aus der Forst- und Landwirtschaft. Auf Grundlage der internationalen Reifen- und Felgennormen lässt sich in einem fünften Modul auch die maximal zulässige Belastung je nach Bereifung, Reifeninnendruck und Fahrgeschwindigkeit für forst- und landwirtschaftliche Bereifungen berechnen. Die Simulationsberechnungen basieren auf Feldversuchen auf landwirtschaftlichen Böden. Seit einer Dekade leistet TASC europaweit einen Beitrag zur Sensibilisierung und Verbesserung des Bodenschutzes, der mit der aktuellen Version noch vertieft werden soll.

TASC V3.0 – Prognose Bodengefährdung und Treibstoffverbrauch ART-Bericht 766 TASC V3.0 (Tyres/Tracks And Soil Compaction) ist eine praxistaugliche, aktualisierte Excel-Anwendung von Agroscope zur Entscheidungsfindung für die Ausrüstung und den Einsatz von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen mit Bezug auf die Bodenschonung und zum Teil auch auf den Treibstoffverbrauch. Diese Anwendung besteht aus fünf Modulen. Das Erste befasst sich mit Schadverdichtungen. Übermässige, durch Fahrwerke im Boden verursachte Druckspannungen werden in der ent­ sprechenden kritischen Tiefe angezeigt. Das neue zweite Modul rechnet die Zugkraft-Schlupf-Kurven mit Anga­ ben, ab welchem Radschlupf der Boden geschert wird. Zugkraft- und Treibstoffbedarf lassen sich für unter­ schiedliche Anbaugeräte, Boden- und Traktorparameter bestimmen. Das dritte Modul berechnet den Fahrspur­ flächenanteil eines oder mehrerer Arbeitsgänge. Ein weiteres Modul enthält die technischen Angaben von über 1270 Reifen inkl. Felgen aus der Forst- und Land­ wirtschaft. Auf Grundlage der internationalen Reifenund Felgennormen lässt sich in einem fünften Modul auch die maximal zulässige Belastung je nach Bereifung, Reifeninnendruck und Fahrgeschwindigkeit für forstund landwirtschaftliche Bereifungen berechnen. Die Simulationsberechnungen basieren auf Feldversuchen auf landwirtschaftlichen Böden. Seit einer Dekade leistet TASC europaweit einen Beitrag zur Sensibilisierung und Verbesserung des Bodenschutzes, der mit der aktuellen Version noch vertieft werden soll. Etienne Diserens und Andrea Battiato, Agroscope

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 163–167, 2014

163


Aktuell

Neue Publikationen

Artenvielfalt auf verbuschten Alpweiden ART-Bericht 769

Artenvielfalt auf verbuschten Alpweiden Empfehlungen zur Bewirtschaftung von artenreichen Alpweiden mit Verbuschungsproblemen

Oktober 2013

Autorinnen und Autoren Bärbel Koch, Gabriela Hofer, Thomas Walter, ART Peter J. Edwards, ETH Zürich Wolf U. Blanckenhorn, Universität Zürich Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Erika Meili, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Abb. 1: Ein Mosaik aus Grasland und Sträuchern wirkt sich positiv auf die Biodiversität aus: Alp Pian Doss in S. Bernardino, Graubünden. (Fotos: Bärbel Koch, ART) Sömmerungsweiden prägen grosse Teile der alpinen Landschaft. Aber immer mehr Graslandflächen werden vom Wald zu­ rückerobert. Ohne Gegenmassnahmen verschwinden diese kulturgeprägte Land­ schaft und ihre wertvolle Biodiversität. Strukturreiche Weiden mit einem Mosaik von Grasland und Sträuchern bieten einen Lebensraum für Pflanzen und Tiere mit unterschiedlichen Ansprüchen, was sich positiv auf die Artenvielfalt auswirkt. Trotzdem ist eine geeignete Weidefüh­ rung und ­pflege erforderlich, damit die Sträucher nicht die Oberhand gewinnen und die Flächen unbrauchbar machen. Der vorliegende Bericht stellt Ergebnisse aus dem Forschungsprogramm AlpFUTUR

(www.alpfutur.ch) zum Einfluss der Ver­ buschung durch Zwergsträucher auf die Artenvielfalt von Pflanzen, Tagfaltern und Heuschrecken vor und fasst in der Litera­ tur beschriebene Bewirtschaftungsmass­ nahmen gegen die Verbuschung zusam­ men. Daraus wurden zehn Empfehlungen abgeleitet. Eine genügend starke und gleichmässig verteilte Weideintensität ermöglicht eine bessere Nutzung der Weideressourcen und wirkt dem Fortschreiten der Verbu­ schung entgegen.

ART-Bericht 769 Sömmerungsweiden prägen grosse Teile der alpinen Landschaft. Aber immer mehr Graslandflächen werden vom Wald zurückerobert. Ohne Gegenmassnahmen verschwinden diese kulturgeprägte Landschaft und ihre wertvolle Biodiversität. Strukturreiche Weiden mit einem Mosaik von Grasland und Sträuchern bieten einen Lebensraum für Pflanzen und Tiere mit unter­ schiedlichen Ansprüchen, was sich positiv auf die Arten­ vielfalt auswirkt. Trotzdem ist eine geeignete Weide­ führung und -pflege erforderlich, damit die Sträucher nicht die Oberhand gewinnen und die Flächen unbrauchbar machen. Der vorliegende Bericht stellt Ergebnisse aus dem Forschungsprogramm AlpFUTUR (www.alpfutur.ch) zum Einfluss der Verbuschung durch Zwergsträucher auf die Artenvielfalt von Pflanzen, Tag­ faltern und Heuschrecken vor und fasst in der Literatur beschriebene Bewirtschaftungsmassnahmen gegen die Verbuschung zusammen. Daraus wurden zehn Empfeh­ lungen abgeleitet. Eine genügend starke und gleich­ mässig verteilte Weideintensität ermöglicht eine bes­ sere Nutzung der Weideressourcen und wirkt dem Fortschreiten der Verbuschung entgegen. Bärbel Koch, Gabriela Hofer und Thomas Walter, Agroscope Peter J. Edwards, ETH Zürich Wolf U. Blanckenhorn, Universität Zürich

164

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 163–167, 2014


Aktuell

ART-Bericht 770

Arbeitszeitbedarf in der bäuerlichen Gästebeherbergung Arbeitswirtschaftliche Kalkulationsgrundlagen für den Agrotourismus neu im «ART-Arbeitsvoranschlag»

Oktober 2013

Arbeitszeitbedarf in der bäuerlichen Gästebeherbergung

ART-Bericht 770 Die bäuerliche Gäste­­beherbergung kann ein zusätzliches finanzielles Standbein für landwirt­ schaftliche Betriebe sein. Die Ausgaben für Arbeits­ kräfte zählen zu den kos­ tenintensivsten Positio­ nen in diesem Bereich. Deshalb ist es sinnvoll, den Arbeitszeitbedarf vorab zu berechnen, mit den verfüg­ baren Arbeitskapazitäten zu vergleichen und so die optimale Form der Gästebeherbergung zu finden (Früh­ stücks- oder Halbpension, Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen, Abhängigkeit von Jahreszeiten etc.). Auf diese Weise können negative Überraschungen nach getätigten Investitionen, welche die Kosten und den Arbeitszeitaufwand betreffen, vermieden werden. Momentan vorhandene Arbeitszeitbedarfswerte basie­ ren auf Schätzungen und sind daher für eine Kalkulation valider Daten oft unzureichend. Dem soll mit den nun vorliegenden Ergebnissen entgegengetreten werden. Mit Hilfe des EDV-Programms «ART-Arbeitsvoranschlag» der Forschungsanstalt Agroscope können künftig neben den landwirtschaftlichen Tätigkeiten zusätzlich Arbeits­ zeitkalkulationen für die bäuerliche Gästebeherbergung bereitgestellt werden. Dabei werden unter Einbezug von betriebsspezifischen Einflussparametern wie bei­ spielsweise Wegstrecken, Häufigkeiten, Flächengrössen, Stückzahlen etc. Berechnungen schnell und aussage­ kräftig durchgeführt. Da­durch lassen sich unter ande­ rem Arbeitsspitzen erkennen, die durch einen optimal abgestimmten Arbeitskräfteeinsatz termingerecht und stressfrei bewältigt werden können. Im Zuge der Erhe­ bungen wurden arbeitsablaufbezogene Optimierungs­ potenziale für die Praxis ermittelt. Autorinnen und Autoren

Karlheinz Rauter, Andrea Wagner, Katja Heitkämper, Matthias Schick, ART Elisabeth Quendler, BOKU Wien Auskünfte: Katja Heitkämper, E-Mail: katja.heitkaemper@ agroscope.admin.ch Impressum

Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Erika Meili, ART

Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Tätigkeiten in der bäuerlichen Gästebeherbergung. (Fotos: Karlheinz Rauter, ART)

Die bäuerliche Gästebeherbergung kann ein zusätzliches finanzielles Standbein für landwirtschaftliche Betriebe sein. Die Ausgaben für Arbeitskräfte zählen zu den kostenintensivsten Positionen in diesem Bereich. Deshalb ist es sinnvoll, den Arbeitszeitbedarf vorab zu berechnen, mit den verfügbaren Arbeitskapazitäten zu vergleichen und so die optimale Form der Gästebeherbergung zu finden (Frühstücks- oder Halbpension, Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen, Abhängigkeit von Jahreszeiten etc.). Auf diese Weise können negative Überraschungen nach getätigten Investitionen, welche die Kosten und den Arbeitszeitaufwand betreffen, vermieden werden. Momentan vorhandene Arbeitszeitbedarfswerte basieren auf Schätzungen und sind daher für eine Kalkulation valider Daten oft unzureichend. Dem soll mit den

nun vorliegenden Ergebnissen entgegengetreten werden. Mit Hilfe des EDV-Programms «ART-Arbeitsvoranschlag» der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART können künftig neben den landwirtschaftlichen Tätigkeiten zusätzlich Arbeitszeitkalkulationen für die bäuerliche Gästebeherbergung bereitgestellt werden. Dabei werden unter Einbezug von betriebsspezifischen Einflussparametern wie beispielsweise Wegstrecken, Häufigkeiten, Flächengrössen, Stückzahlen etc. Berechnungen schnell und aussagekräftig durchgeführt. Dadurch lassen sich unter anderem Arbeitsspitzen erkennen, die durch einen optimal abgestimmten Arbeitskräfteeinsatz termingerecht und stressfrei bewältigt werden können. Im Zuge der Erhebungen wurden arbeitsablaufbezogene Optimierungspotenziale für die Praxis ermittelt.

Karlheinz Rauter, Andrea Wagner, Katja Heitkämper und Matthias Schick, Agroscope Elisabeth Quendler, BOKU Wien

ART-Bericht 771

Wie wirtschaftlich ist die Pensionspferdehaltung? Eine Analyse dreier Betriebstypen auf Basis von Fallbeispielen

November 2013

Wie wirtschaftlich ist die Pensionspferdehaltung?

ART-Bericht 771 Die Pensionspferdehal­ tung hat für landwirt­ schaftliche Betriebe in der Schweiz im Laufe der letzten Jahre an Bedeu­ tung gewonnen. Um deren Wirtschaftlichkeit zu untersuchen, wurde der Betriebszweig für sechs Gruppen- und sechs Einzel­ haltungsbetriebe auf Vollkostenbasis analysiert. Dabei wurden drei gängige Betriebstypen miteinander vergli­ chen (Gruppenhaltung, Einzelhaltung mit Kleinbestand sowie Einzelhaltung mit Grossbestand). Die Gruppen­ haltung zeigte sich wirtschaftlicher als die Einzelhaltung: Während die Einzelhaltung durchschnittlich auf einen effektiv realisierten Stundenlohn von 33 Franken (mit Kleinbestand) bzw. 29 Franken (mit Grossbestand) kam, erzielten die Gruppenhaltungsbetriebe 52 Franken pro Stunde. Allerdings erreichten vier der total zwölf ana­ lysierten Betriebe den Opportunitätskosten- Lohnansatz von 28 Franken nicht. Auch beim Einkommen erzielten die Gruppenhaltungsbetriebe mit 8952 Franken pro Grossvieheinheit (GVE) deutlich höhere Werte als die Einzelhaltungsbetriebe (7165 Franken bei Kleinbestand bzw. 5581 Franken bei Grossbestand). Der Grund für den finanziellen Erfolg der Gruppenhaltung liegt in den tie­ feren Kosten. Von zentraler Bedeutung sind die Arbeits­ kosten, die in erster Linie aus dem jeweiligen Arbeits­ zeitbedarf resultieren: Die Gruppenhaltungsbetriebe nehmen mit 15 Minuten pro Pferd und Tag durchschnitt­ lich lediglich die Hälfte der Zeit der Einzelhaltungs­ betriebe (32 Minuten pro Pferd und Tag) in Anspruch. Tiefere Kosten verursachen bei der Gruppenhaltung auch die Gebäude und Einrichtungen. Ausserdem profi­ tieren Betriebe mit Gruppenhaltung von den Beiträgen für besonders tierfreundliche Stallhaltung. Autorinnen und Autoren Anja Schwarz und Christian Gazzarin, ART Ruedi von Niederhäusern, Agroscope – Schweizerisches Nationalgestüt SNG, Avenches Auskünfte: Christian Gazzarin, E-Mail: christian.gazzarin @agroscope.admin.ch T +41 (0)52 368 31 84 Impressum

Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Erika Meili, ART

Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Abb. 1: Pensionspferde gewinnbringend halten – eine Frage des Kostenmanagements. (Fotos: Anja Schwarz, ART) Die Pensionspferdehaltung hat für landwirtschaftliche Betriebe in der Schweiz im Laufe der letzten Jahre an Bedeutung gewonnen. Um deren Wirtschaftlichkeit zu untersuchen, wurde der Betriebszweig für sechs Gruppen- und sechs Einzelhaltungsbetriebe auf Vollkostenbasis analysiert. Dabei wurden drei gängige Betriebstypen miteinander verglichen (Gruppenhaltung, Einzelhaltung mit Kleinbestand sowie Einzelhaltung mit Grossbestand). Die Gruppenhaltung zeigte sich wirtschaftlicher als die Einzelhaltung: Während die Einzelhaltung durchschnittlich auf einen effektiv realisierten Stundenlohn von 33 Franken (mit Kleinbestand) bzw. 29 Franken (mit Grossbestand) kam, erzielten die Gruppenhaltungsbetriebe 52 Franken pro Stunde. Allerdings erreichten vier der total zwölf analysierten Betriebe den Opportunitätskosten-Lohnansatz von 28 Franken

nicht. Auch beim Einkommen erzielten die Gruppenhaltungsbetriebe mit 8952 Franken pro Grossvieheinheit (GVE) deutlich höhere Werte als die Einzelhaltungsbetriebe (7165 Franken bei Kleinbestand bzw. 5581 Franken bei Grossbestand). Der Grund für den finanziellen Erfolg der Gruppenhaltung liegt in den tieferen Kosten. Von zentraler Bedeutung sind die Arbeitskosten, die in erster Linie aus dem jeweiligen Arbeitszeitbedarf resultieren: Die Gruppenhaltungsbetriebe nehmen mit 15 Minuten pro Pferd und Tag durchschnittlich lediglich die Hälfte der Zeit der Einzelhaltungsbetriebe (32 Minuten pro Pferd und Tag) in Anspruch. Tiefere Kosten verursachen bei der Gruppenhaltung auch die Gebäude und Einrichtungen. Ausserdem profitieren Betriebe mit Gruppenhaltung von den Beiträgen für besonders tierfreundliche Stallhaltung.

Anja Schwarz und Christian Gazzarin, Agroscope Ruedi von Niederhäusern, Agroscope – Schweizerisches National­gestüt SNG, Avenches

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 163–167, 2014

165


Aktuell

Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 24.03.2014 Holzasche: eine neue Nährstoffquelle für die Schweizer Landwirtschaft

28.03.2014 Biologischer Ackerbau ist auch langfristig erfolgreich

Die Nachfrage an Energie wächst; heutzutage werden vermehrt erneuerbare Ressourcen wie z.B. Biomasse genutzt. Bei der Verbrennung von Holz entsteht Asche, die derzeit in Deponien entsorgt wird, da der Anteil metallischer Spurenelemente die in der Schweiz zulässi­ gen Grenzwerte für Recycling-Dünger auf landwirt­ schaftlichen Flächen übersteigt. Mit diesem Vorgehen bleibt eine natürliche Nährstoffquelle ungenutzt. Gleich­ zeitig nimmt die Menge an anfallender Asche im Bereich der erneuerbaren Energien zu.

Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe prüfen, ob sich die Umstellung von konventioneller auf biologische Produktion lohnt. Dabei sind Ertrags- und Umweltleis­ tungen zentral. Agroscope hat auf 34 Betrieben die Auswirkungen langjähriger biologischer Bewirtschaf­ tung untersucht. Mit den richtigen Massnahmen waren auch lange nach der Umstellung die Bodennährstoffge­ halte weiterhin hoch und die Biodiversität teilweise sogar erhöht. Der Unkrautdruck nahm nach einer anfänglichen Erhöhung bei der Umstellung in den Fol­ gejahren nicht weiter zu, und die Erträge der Ackerpar­ zellen nahmen mit der Dauer der Biobewirtschaftung nicht weiter ab.

19.03.2014 Grüne Gentechnologie: Chancen und Risiken identifizieren mittels Protected Site In der Schweiz finden erneut Freilandversuche mit gen­ technisch veränderten Pflanzen (GVP) statt. Dazu hat Agroscope am Standort in Zürich, Reckenholz, im Auf­ trag des Bundes ein umzäuntes und bewachtes Versuchs­ feld eingerichtet, eine so genannte Protected Site. Das Feld steht Forschenden aus der Schweiz offen, die Grund­ lagenforschung oder anwendungsorientierte Forschung betreiben möchten. Die Universität Zürich hat einen Feldversuch mit gentechnisch veränderten Weizenlinien gestartet.

6.03.2014 Agrometeo direkt auf dem Feld verfügbar Agrometeo ist ein Online-Tool, das Entscheidungshilfen und Informationen für ein besseres Pflanzenschutzma­ nagement den Landwirtinnen und Landwirten zur Ver­ fügung stellt. Agroscope bietet seit diesem Jahr eine Version der Website www.agrometeo.ch für Smartpho­ nes an. Diese erlaubt einen einfachen und schnellen Zugriff, beispielsweise auf Prognosen für Krankheiten und Schädlinge der Rebe, auf meteorologische Daten sowie im Hinblick auf die Dosierung von Pflanzenschutz­ mitteln in Funktion der Blattfläche. Darüber hinaus wurde das Modul «Angepasste Dosierung» für den Reb­ bau dahingehend ergänzt, dass es Weinbauern sämtli­ che für eine optimale Behandlung erforderlichen Infor­ mationen liefert.

166

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 163–167, 2014


Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Netzwerk Pferdeforschung Schweiz www.netzwerkpferdeforschung.ch Das Netzwerk Pferdeforschung Schweiz ist ein Verbund von Institutionen und Personen aus der Wissenschaft, der Industrie, der Zucht, sowie der Pferdehaltung und -nutzung. Die jährliche Netzwerktagung ist eine bewährte Plattform für den Austausch von Wissen zwi­ schen Forschung und Praxis.

April 2014 10.04.2014 Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung Schweiz Nationalgestüt Avenches Mai 2014 06.05.2014 Brauchen Nutztiere Antibiotika? Fachtagung ETH Zürich, Vetsuisse Zürich und Bern, Agroscope ETH Zentrum, Zürich 06. – 07.05.2014 Landtechnik im Alpenraum Agroscope und BLT Wieselburg Feldkirch, Österreich

Vor schau Mai 2014 / Heft 5 Bei der Sprühanwendung von Pflanzenschutzmitteln werden ­Gewässer und weitere Flächen durch Abdrift belastet. Forschende von Agroscope untersuchen ­abdriftmindernde Massnahmen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)

••Pflanzenschutzmitteleinsatz – Risikomindernde Massnahmen bezüglich Abdrift, Simon Schweizer et al., Agroscope ••Pflanzenschutzmitteleinsatz – Risikomindernde Massnahmen bezüglich Abschwemmung, Irene Hanke et al., Agroscope ••Schädlinge und Krankheiten im Kohl-Raps-Agrar­ ökosystem, Ute Vogler et al., Agroscope ••Heubläser als Alternative zum Heurechen: Einfluss auf die Vegetation nach vier Jahren, Nina Richner et al., Agroscope und Pro Natura Unterwalden

21.05.2014 AgriMontana - Zukünftige Perspektiven der ­Berglandwirtschaft AgriMontana / Agroscope Landquart 21.05.2014 Fachtagung Düngerkontrolle MARSEP-/­ VBBo-Ringversuche Agroscope BLW, Bern 25.5.2014 Breitenhof-Tagung 2014, Treffpunkt der ­Steinobstbranche Agroscope Steinobstzentrum Breitenhof, Wintersingen Juli 2014 06. – 10.07.2014 AgEng 2014 Zurich International Conference of Agricultural Engineering Agroscope, ETH Zürich Zürich

••Futtermittel im Nahinfrarotlicht, Silvia Ampuero Kragten und Ueli Wyss, Agroscope ••Wirkungsanalyse der Verkäsungszulage mit dem CAPRI-Modell, Giulia Listorti und Axel Tonini, BLW ••Liste der empfohlenen Winterrapssorten für die Ernte 2015 ••Agroscope, Spezialpublikation Mai 2014

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 5 (4): 163–167, 2014

167


harasnational.ch

9ème réunion annuelle du Réseau de recherche équine en Suisse

Neunte Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung Schweiz

10 avril 2014 9 h - 17 h, Théâtre du Château, Avenches -

-

10. April 2014 9 - 17 Uhr, Théâtre du Château, Avenches

Journée ouverte à tout public avec exposés et posters De la science à la pratique Thèmes comme p. ex. Prévention et maladies, Elevage et génétique, Bien-être et détention, La branche équine en chiffres Prix (y. c. les repas): Tarif normal CHF 120.- (€ 100.-) Participant-e-s Equigarde® CHF 100.- (€ 85.-) Etudiant-e-s et doctorant-e-s CHF 40.- (€ 35.-) Inscription* obligatoire

- Öffentliche Tagung mit Vorträgen und Ausstellung - Von der Wissenschaft in die Praxis - Themen wie z.B. Prävention und Krankheiten, Zucht und Genetik, Wohlbefinden und Haltung, Die Pferdebranche in Zahlen - Tagungsgebühren (inkl. Verpflegung): Normaltarif CHF 120.- (€ 100.-) Equigarde®- Reduktion CHF 100.- (€ 85.-) Studierende, Doktorierende CHF 40.- (€ 35.-) - Anmeldung* obligatorisch

* Inscriptions : www.reseaurechercheequine.ch

*Anmeldungen : www.netzwerkpferdeforschung.ch Renseignements : / Infos: Tel. 026 676 63 75 katja.sprenger@agroscope.admin.ch

Dienstag, 6. Mai 2014

Brauchen Nutztiere Antibiotika? Umgang mit Antibiotika in der Schweiz heute

Themen:

Anmeldung:

• • • •

Bis spätestens Donnerstag, 24. April 2014, an folgende Adresse:

Antibiotikaresistenzen Antibiotikaeinsatz in der Nutztierproduktion Alternativen zu Fütterungsantibiotika Highlights aus der Forschung

Ort:

ETH Zürich Institut für Agrarwissenschaften Sekretariat / LFW B 58.1 8092 Zürich Schweiz

Zürich, ETH Zentrum, Hauptgebäude, Rämistrasse 101 Auditorium Maximum (HG F 30)

E-Mail: tiziana-lanzini@ethz.ch

Universität Zürich UZH


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.