50 Jahre Chronik der Kritischen Akademie

50 Jahre Stiftung zur Fรถrderung von Bildung, Erholung und Gesundheitshilfe 1964 - 2014

Eine Chronik

Vorwort

Seit 50 Jahren gibt es die »Stiftung« mit dem langen Namen.

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Jahre hält nun schon, was als Vorbild galt für weitere tarifliche Vereinbarung zur Bildung und zur Gesundheitsförderung. Doch kein Arbeitgeberverband - außer dem der Miederindustrie - konnte sich zu diesem Schritt entschließen. Die »Stiftung« blieb also alleine. Und doch erfreut sie sich bester, geradezu jugendfrischer Gesundheit.

Jubilare werden stets gefeiert, am Ehrentag erzählt man sich lustige Anekdoten aus Kindheitsund Jugendtagen. Auch in dieser Publikation werden Geschichten aus den Jugendjahren der »Stiftung« erzählt. Allerdings sind diese nicht immer lustig, sondern berichten von Auseinandersetzungen und Streiks, von schlechten Arbeitsbedingungen, vom Verlust unzähliger Arbeitsplätze.

Dennoch ist die »Stiftung« lebendiger denn je.

Besonnene Eltern haben ihr gute Anlagen (auch finanzieller Art) mit auf den Weg gegeben, und viele Weggefährten nahmen sich der »Stiftung« fürsorglich an.

Natürlich muss man im Jubiläumsjahr auch der drei Paten der »Stiftung« gedenken. Karl Buschmann, Vorsitzender der Gewerkschaft Textil-Bekleidung, Herbert Braun, Mitinhaber von Triumph International und Karl-Heinz Koch von der Arbeitsgemeinschaft der Miederindustrie haben ganz persönliche Verdienste daran, dass die »Stiftung« gegründet wurde.

Zum Autor: Hans-Otto Wiebus, freiberuflicher Journalist, vorwiegend für die IG Metall tätig. Autor zahlreicher Sachbücher.

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Inhaltsverzeichnis

50 Jahre Stiftung zur Förderung von Bildung, Erholung und Gesundheitshilfe Kapitel 1 - Der Anfang

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Die Gründung der Stiftung: Weiterbildung per Tarifvertrag

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Kapitel 2 - Die Stiftung

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Neue Strukturen, neue Inhalte, neue Bildungsziele Kritisches Bewusstsein als Grundlage der Demokratie Waldemar von Knoeringen: Der »rote Baron« der Arbeiterbewegung

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Kapitel 3 - Kritische Akademie

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Bildungspolitische Debatte prägt die Anfänge der Kritischen Akademie »Der Nürnberger Trichter gehört nicht zur Ausstattung der Kritischen Akademie« Die Akademie fügt sich ein »wie eine Klosteranlage oder ein Gutshof« Eröffnung: Es sprechen der Kanzler und die Betriebsratsvorsitzende »Die Leute sind aufgeschlossener bei ihren eigenen und bei tarifpolitischen Problemen«

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Kapitel 4 - Erholung in der Akademie

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Gesundheit- und Familienwochen: Die Akademie als Wohlfühl-Platz

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Kapitel 5 - Bildungskonzepte

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Auseinandersetzung mit der „Kritischen Theorie“ Diskussion um das Akademie-Konzept in Zeiten gesellschaftlicher Umwälzung Gewerkschaftliche Bildungsarbeit neu bestimmen Bildungsarbeit in Inzell: Die Teilnehmenden stehen im Mittelpunkt Kompetenz für Kolleginnen und Kollegen: Kritikfähigkeit wird gefördert Die Computer-Akademie: C + @: Computer und Arbeitswelt Die Betriebsräteakademie und die Fachakademie für Arbeitsrecht

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Kapitel 6 - Leben in der Akademie Die Kunst des Kochens Die Kunst am Bau Impressum

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Herbert Braun (Triumph International)

Karl-Heinz Koch

(Arbeitsgemeinschaft der Miederindustrie)

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Karl Buschmann

(Gewerkschaft Textil-Bekleidung)

Kapitel 1 Der Anfang Sie vereinbarten den Tarifvertrag: Herbert Braun (Triumph International), Karl Buschmann (Gewerkschaft Textil-Bekleidung), Karl-Heinz Koch (Arbeitsgemeinschaft der Miederindustrie)* Gemälde von Hans Brunner im Eingangsbereich der Kritischen Akademie

Der Anfang

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Kapitel 1

Die Gründung der Stiftung: Weiterbildung per Tarifvertrag

Empfang für Betriebsräte, Vorstands- und Beiratsmitglieder der GTB bei Bundespräsident Heinrich Lübke im Juli 1968

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Rückblende Anfang der 60er Jahre war eine Debatte um den sogenannten Nachteilsausgleich entstanden.

Das bedeutet, dass die Gewerkschaften danach strebten, ihren Mitgliedern einen Ausgleich für deren materielle und ideelle Bemühungen bei der Gestaltung der Tarifverträge zu verschaffen. Bei den Arbeitgeberverbänden stieß dieses Bemühen auf schroffe Ablehnung.

Jahre »Stiftung zur Förderung von Bildung und Erholung der Arbeitnehmer der Miederindustrie«, heute: »Stiftung zur Förderung von Bildung, Erholung und Gesundheitshilfe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern«. Die Trägerin der Kritischen Akademie in Inzell feiert Jubiläum.

Gegründet wurde die Stiftung auf der Grundlage eines Tarifvertrags zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Miederindustrie und der Gewerkschaft Textil-Bekleidung.

24. April 1964: Die beiden Parteien einigen sich auf die Gründung der Stiftung. Tarifpolitisch ist diese Vereinbarung ein Einzelfall geblieben. Nie wieder schlossen Gewerkschaften mit den Arbeitgeberverbänden ein ähnliches Abkommen. Wie konnte es dazu kommen? Und warum gerade in der Miederindustrie?

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Tabukatalog der Arbeitgeber In dem berüchtigten »Tabukatalog« der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDI) wurde insbesondere gegen die Freistellung von Arbeitnehmer/innen gewettert: »Die generelle Freistellung der Arbeitnehmer für Bildungszwecke ... würde eine weitere spürbare Verkürzung der effektiven Arbeitszeit bedeuten.«

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Einzig die Tarifparteien der Miederindustrie konnten sich auf eine Vereinbarung einigen.

Vorausgegangen war eine Periode mit zahlreichen Arbeitskämpfen, das Verhältnis zwischen der Gewerkschaft Textil-Bekleidung (GTB) und den Unternehmern war nahezu auf dem Nullpunkt angekommen.

Auf der anderen Seite aber sahen insbesondere die Arbeitgeber der Miederindustrie, dass Tarifverträge auch für sie von Vorteil seien. In den 60er Jahren war vor allem die Firma Triumph stürmisch gewachsen - auf mehr als 14.000 Beschäftigte.

Mitinhaber Herbert Braun, ein studierter Volkswirt, hatte erkannt, dass der geschäftliche Erfolg des 1902 gegründeten Unternehmens auch davon abhängt, dass die Belegschaft qualifiziert ist und die Fluktuation bei den Fachkräften eingedämmt wird.

Herbert Braun versuchte konsequenterweise das Verhältnis der Firmenleitung zur Gewerkschaft neu zu definieren: »Die Geschäftsleitung verlangt von allen Filialleitern eine einwandfreie und entgegenkommende Haltung gegenüber den Vertretern der Gewerkschaft.«

Diese Ungerechtigkeit (z.B. unzureichender Zugang für Arbeiterkinder zu den weiterführenden Schulen oder gar zu den Universitäten) wurde vor allem von den Gewerkschaften und den Arbeiterparteien kritisiert. Die Unternehmer hingegen bemängelten, dass nicht ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stünden.

Als Konsequenz aus den tarif- und gesellschaftspolitischen Gegebenheiten einigten sich die Tarifparteien auf die Gründung des »Vereins Berufs- und Lebenshilfe für die Arbeitnehmer in der Miederindustrie e.V.« Von diesem Verein wurde 1964 als selbstständige Einrichtung die »Stiftung zur Förderung von Bildung und Erholung der Arbeitnehmer der Miederindustrie« gegründet.

Die Stiftung war zunächst eine Einrichtung der Gewerkschaft Textil-Bekleidung, nach dem Zusammenschluss mit der IG Metall (1998) ging sie in die IG Metall über.

„

Karl Buschmann neuer Vorsitzender Gleichzeitig hatte es bei der GTB einen Wechsel auf der Führungsebene gegeben. Karl Buschmann wurde neuer Vorsitzender der GTB, der Tarifexperte Hermann Schumacher rückte in den Geschäftsführenden Hauptvorstand ein. In dieser Konstellation wurden die Tarifverhandlungen zwar nicht wesentlich einfacher - aber immerhin stellte sich eine halbwegs vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre ein.

Da Herbert Braun sehr dringlich einen Tarifvertrag haben wollte, nutzte die GTB die Gunst der Stunde, um ein anderes wesentliches Gewerkschaftsanliegen durchzusetzen — die gesellschaftspolitische Bildungsarbeit, mitgetragen und finanziert von den Arbeitgebern.

Wir sind der Meinung, je informierter die Arbeitnehmer sind, je größer ihre Kenntnisse über das Funktionieren eines demokratischen Staatswesens, umso größer wird zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit, dass man dabei erkennt, dass Gewerkschaften in diesem Staat wichtig und notwendig sind.

Georg Leber

Damals Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden, später Bundesverkehrsminister, Bundesverteidigungsminister und Mitglied des Beirats der Stiftung.

Bildungsnotstand Damit war ein Problemfeld angesprochen, das in den 60er Jahren in der gesamten Bundesrepublik Deutschland diskutiert wurde: Der Bildungsnotstand. Gemeint war damit, dass zu dieser Zeit ein Bewusstsein dafür entstand, dass das Bildungswesen in der Bundesrepublik nicht ausreichend entwickelt, vor allem aber höchst ungerecht war.

Der Anfang

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Kapitel 2 Die Stiftung

Die Stiftung

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Kapit 2

Neue Strukturen, neue Inhalte, neue Bildungsziele Berthold Keller, Friedhelm Farthmann und Willi Arens (Von links nach rechts)

Die

Entscheidung der »Arbeitsgemeinschaft der Miederindustrie« für tarifvertragliche Regelungen zur »Berufs- und Lebenshilfe« war ein wichtiger Schritt auf die Gewerkschaft zu. In den 60er Jahren war das alles andere als üblich.

In vielen Bereichen, vor allem in der Metallindustrie, tobten heftige Arbeitskämpfe. 1963 zum Beispiel reagierten die Arbeitgeber in Baden-Württemberg auf einen zweiwöchigen Streik von 120.000 Kolleginnen und Kollegen mit der Aussperrung von nicht weniger als 250.000 Beschäftigten.

Rechtsanwalt Karl-Heinz Koch als Vertreter der »Arbeitsgemeinschaft der Miederindustrie« sagte genau zu dieser Zeit: »Der Arbeitgeberverband Miederindustrie stellt der Gewerkschaft ohne jedes Mitspracherecht, ohne jede Beanspruchung von Beeinflussung dessen, was damit geschieht, Geld zur Verfügung, um Erholung und Bildung für Arbeitnehmer in diesem Bereich zu organisieren und zu gestalten.« Die Arbeitgeber verpflichteten sich in der Vereinbarung von 1963, der gemeinnützigen Stiftung (zunächst) jährlich mindestens 2,5 Prozent der Bruttolohn- und Gehaltssumme der Mitgliederbetriebe zur Verfügung zu stellen.

„ Anfang Mai sperrten 800 baden-württembergische Unternehmer ihre Lohnempfänger aus, nachdem die IG Metall am 29. April einen Teil der Werke lahmgelegt hatte.

Der Feiertag der Arbeit wurde zur Demonstration des Klassenkampfes. Der Stuttgarter Bezirksleiter der IG Metall, Willi Bleicher, 55: „Hier sollen freie Arbeiter in einem demokratischen Land zu Untertanen erniedrigt werden.“

Mindestens 25 Prozent an Stiftung Bis 2011 waren es 4,0 Prozent. Derzeit zahlen die Arbeitgeber 3,4 Prozent der Bruttolohn- und Gehaltssumme an den Verein »Berufs- und Lebenshilfe«. Dieser wiederum ist verpflichtet, jährlich mindestens 25 Prozent der Mittel an die Stiftung weiterzuleiten. Die Arbeitgeber (Triumph International) wollten 2008 aus dem Tarifvertrag komplett aussteigen und hatten sogar die Kündigung erwogen. Nach langen Verhandlungen und nachdem den Arbeitgebern sehr deutlich klar gemacht wurde, dass sich die IG Metall notfalls

Aus: Der Spiegel, 19/1963

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„

mit einem Arbeitskampf für den Erhalt des Tarifvertrages einsetzen würde, kam es am 23.11.2011 zu einer Einigung: Der Satz wurde auf 3,4 Prozent reduziert. Die Arbeitgeber verpflichteten sich die 0,6 Prozent für betriebliche berufliche Weiterbildung einzusetzen und diese Verwendung jährlich der IG Metall nachzuweisen. Der Tarifvertrag erhielt eine Laufzeit bis zum 31.12.2021.

Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.

Neue Inhalte für die Bildung In den ersten programmatischen Überlegungen ging die Stiftung davon aus, dass im Bildungsbereich neue Strukturen, neue Inhalte und neue Erziehungsziele notwendig seien. Damit waren der Vorstand der Stiftung und die Mitglieder des Beirats auf der Höhe der bildungspolitischen Diskussion der Zeit. Vielen Menschen war klar geworden, dass die Inhalte der schulischen Bildung, aber auch die Fortbildung zum Beispiel in den Volkshochschulen und selbst die gewerkschaftliche Schulungsarbeit zu starr und schematisch waren und vor allem die gesellschaftspolitische Analyse vermissen ließen.

Das Leitbild für die Bildungsarbeit war, die Kolleginnen und Kollegen kritischer zu machen.

Soziale und politische Handlungsfähigkeit sollte erworben werden. Nicht die berufliche Weiterbildung dürfte Inhalt sein, sondern die »staatsbürgerliche Bildung«. Damit sollte auch der (selbst in den 60er Jahren noch vorhandenen) mangelnden Identifikation mit der jungen Demokratie abgeholfen werden. Über die Zeit des Nationalsozialismus herrschte in breiten Kreisen der Bevölkerung erschreckendes Unwissen. Die Verbrechen der Nazis, der Völkermord an Juden, die Eliminierung der Arbeiterbewegung, der Größenwahn der Eroberungsfeldzüge der Wehrmacht - viel davon war in den Zeiten des Wiederaufbaus und des »Wirtschaftswunders« verdrängt und vergessen worden. Die Aufarbeitung der Nazizeit und die kritische Würdigung der Errungenschaften der deutschen Demokratie waren wichtige Inhalte für die Bildungsarbeit, auch um die großen Defizite bei der schulischen Bildung auszugleichen. Zugleich sollte die »staatsbürgerliche Bildung« eine vertiefte Erkenntnis der Funktionsweise der Demokratie und die Wichtigkeit der Gewerkschaftsbewegung vermitteln. Die „Neutralität“ der Schulen, hatte dazu geführt, dass zeitgeschichtliche Themen in allen Schularten kaum behandelt wurden.

Theodor W. Adorno

(1903 - 1969) Deutscher Philosoph, Musiktheoretiker und Komponist

„ In der Bundesrepublik studierten nach 1945 höchstens acht Prozent eines Altersjahrgangs.

Der Großteil der Bevölkerung besaß nur Volksschulbildung.

Es setzte eine Diskussion über eine Bildungsreform ein. Die Reform wurde teilweise technisch-ökonomisch, teilweise auch politisch (Demokratisierung der Gesellschaft) begründet. Mit der Studentenrevolte 1967/1968 traten marxistische Emanzipationstheorien hinzu.

Bei den Wählern stießen Konzepte der Bildungsmodernisierung auf Zustimmung („Aufstieg durch Bildung“). Auch die Defizite bei der Frauenbildung wurden kritisiert.

Quelle: Wikipedia

Die Stiftung

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Kapitel No. 2

Kritisches Bewusstsein als Grundlage der Demokratie

Seminar der Stiftung, 1970

„

Die

Idee, dass ein Schulungs- und Erholungsheim benötigt werde, wurde in den Beratungen des Stiftungsvorstands frühzeitig erörtert.

Für den Erwerb eines Grundstücks war in den ersten Jahren allerdings das Stiftungskapital noch nicht ausreichend.

Der Schulungsbetrieb freilich wurde sehr schnell aufgenommen. Nach fünf Jahren bereits hatten rund 3.000 Teilnehmer/innen an 98 Wochenlehrgängen teilgenommen. Damit waren 26 Prozent der Beschäftigten in der Miederindustrie in den Genuss von Schulungsmaßnahmen gekommen.

Darüber hinaus nahmen 2.300 Beschäftigte an insgesamt 62 Wochenendschulungen teil. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden war 29 Jahre, 92 Prozent waren weiblich. In den Folgejahren stieg die Beteiligung weiter kontinuierlich an.

Alle Erwachsenenbildung, die nicht vom Interesse und der konkreten Situation des Menschen ausgeht und ihn zum persönlichen Engagement im Seminar führt, muss in einer Sackgasse enden. Demokratische Bildung muss Lebenslehre sein, sie muss sich am Menschen, d.h. an unserem Wissen über den Menschen orientieren.« Waldemar von Knoeringen

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„ Wir meinen, dass der Zeitpunkt gekommen ist, den Dialog um die Einrichtung kritischer Akademien in die Öffentlichkeit zu tragen. Es geht bei dieser Idee, die mit der Entwicklung einer neuen Form der kritischen Didaktik verknüpft ist, um mehr als eine Variante theoretischer Überlegungen. Es geht, wie wir auf Grund der bisherigen Ergebnisse der Diskussion behaupten können, um eine in die Zukunft weisende Konzeption, die es wert ist, verwirklicht zu werden.

Gute Belegung Die sehr guten Belegungszahlen machten allerdings auch deutlich, dass die Unterbringung der Teilnehmenden in angemieteten Räumlichkeiten zunehmend schwierig wurde, zumal deren Qualität nicht immer den Anforderungen entsprach.

Bei einer Betriebsrätekonferenz 1969 in Berlin hielt der Erwachsenenbildner Waldemar von Knoeringen das Hauptreferat. Er benannte in seinem Vortrag ein »waches, kritisches Bewusstsein der Öffentlichkeit« als Grundlage der Demokratie.

Die Bildungsarbeit, so Waldemar von Knoeringen (Leiter der Georg-von-Vollmar-Akademie, Kochel), dürfe nicht alleine Ausbildung sein, sondern müsse das kritische Bewusstsein fördern. Die Diskussion um Form und Inhalte der Bildungsarbeit wurde fortgesetzt. Frühzeitig gingen die Verantwortlichen der Stiftung in die (Gewerkschafts)-Öffentlichkeit. »Kritische Akademien«, angeschlossen an gesellschaftliche Institutionen, sollten Orte der Diskussion sein und zur Mobilisierung für die Demokratie beitragen.

Damit war der Begriff »Kritische Akademie« geboren, der schließlich zum Namen des Hauses in Inzell wurde.

Internationale Konferenz in der Kritischen Akademie: Die festinstallierte Anlage für Simultanübersetzung macht die Akademie zu einem begehrten Tagungsort.

Aus: Der Kochel-Brief II, Mitteilungsblatt der Georg-von-Vollmar-Akademie, 1970

Betriebsräteseminar in der Kritischen Akademie: Dritter von rechts in der vorderen Reihe: Der langjährige Schulleiter Fritz Richter

Die Stiftung

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Kapitel No. 2

Waldemar von Knoeringen: Der »rote Baron« der Arbeiterbewegung

Waldemar von Knoeringen 1949 - Landesparteitag der SPD in Rosenheim

Er

stammte aus einer verarmten Adelsfamilie und wuchs in Aisingerwies bei Rosenheim auf. Waldemar von Knoeringen besuchte in Rosenheim das Gymnasium, das er aber nach der neunten Klasse wegen schlechter Leistungen in Latein, hauptsächlich wohl aber aus wirtschaftlichen Gründen verlassen musste.

Nach dem Abschluss der Handelsschule arbeitete er bei der AOK in Rosenheim. Ähnlich wie die Konsumgenossenschaften oder andere Selbsthilfeeinrichtuingen war die AOK stark von sozialdemokratischen Funktionären getragen. Hier knüpfte der junge Knoeringen erste Kontakte. Er übernahm bald leitende Funktionen in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ).

In Rosenheim gründete er die Arbeiterbibliothek »Volkstümliche Bücherei des Freien Bildungskartells Rosenheim«. 1933 schlossen die Nazis die Bibliothek und sandten die Bücher zur »Überprüfung« an die Polizei in München.

Flucht nach Österreich Am 12. März 1933 musste Waldemar von Knoeringen vor den Nazis fliehen, zunächst nach Wörgl in Tirol. Nach dem Dollfuß-Putsch (1934 hatten österreichische Faschisten geputscht; der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß kam dabei ums Leben) musste Knoeringen in die Tschechoslowakei fliehen. Dort übernahm er ein »Grenzsekretariat« der Sopade (so nannte sich der Vorstand der SPD, der ins Prager Exil gegangen war).

Radiosendungen für die BBC Über Frankreich gelangte Waldemar von Knoeringen schließlich nach Großbritannien, wo er bis zur Befreiung vom Faschismus blieb. In London gestaltete er zunächst Radiosendungen für die BBC. Diese richteten sich an Hörer in Deutschland.

Später unterrichtete er im Lager Wilton Park deut-

(Foto: Fosch / Süddeutsche Zeitung Photo)

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sche Kriegsgefangene. Diese Phase des Unterrichtens und auch des Zuhörens prägte Waldemar von Knoeringen. Wie viele Intellektuelle, die ins Exil gegangen waren, wurde auch Knoeringen nach seiner Rückkehr angefeindet.

Im April 1946 wirkte er in der bayerischen verfassungsgebenden Landesversammlung mit, schließlich wurde er Landesvorsitzender der SPD Bayern.

Nach großen Ämter strebte Knoeringen nicht.

Er war zu unabhängig, zu sehr verbunden seinen Idealen: der Aufklärung, der Gerechtigkeit, der Bildung für alle.

„ Waldemar von Knoeringen hat die Gabe gehabt, die Wirklichkeit von heute und morgen oft deutlicher zu erkennen, als es manche derer vermochten, die dem bloßen Tagesgeschehen verhaftet waren.

Georg-von-Vollmar-Akademie 1948 gründete er die Georg-von-Vollmar-Schule (später wurde sie in Akademie umbenannt) in Kochel. Dies war die eigentliche Berufung Knoeringens: Wissen vermitteln, diskutieren, neue Gedanken entwickeln. Die Georg-von-Vollmar-Akademie war so etwas wie ein linker »Think-tank«, eine Vereinigung von Wissenschaftlern, Politikern, Intellektuellen, die Vorschläge zur Lösung von gesellschaftlichen Problem machten.

Auch die Stiftung verdankt den Experten der Georg-von-Vollmar- Akademie viel. Wesentliche Gedanken zur »Bildung und Erholung von Arbeitnehmern« entstanden in Kochel.

Willy Brandt

Bei der Beisetzung Waldemar von Knoeringens auf dem Münchner Waldfriedhof am 7. Juli 1971

„

„

Seine größte Gabe aber lag im Dialog. Er hatte eine Begabung, über die heute kaum mehr ein Politiker verfügt: Er konnte sich, in der Tradition der Jugendbewegung und der Reformpädagogik stehend, selbst so begeistern, dass er andere Menschen für ihr Leben prägen, für sich und seine Sache gewinnen konnte.

Waldemar von Knoeringens Größe bestand in der unermüdlichen Bereitschaft das »unvollendete Projekt der Aufklärung« voranzubringen.

Hermann Glaser

Kulturhistoriker und Publizist, von 1964 bis 1990 Schul- und Kulturdezernent in Nürnberg

Peter Glotz

1981 - 1987 Geschäftsführer der SPD

Die Stiftung

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Kapitel 3 Kritische Akademie

Kritische Akademie

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Kapitel No. 3

Bildungspolitische Debatte prägt die Anfänge der Kritischen Akademie

Er

hatte die Idee einer „Kritischen Akademie“ ins Spiel gebracht. Und er hatte auch eine Berghütte in der Nähe von Inzell. Außerdem pflegte Waldemar von Knoeringen freundschaftliche Beziehungen zum Inzeller Bürgermeister Ludwig Schwabl.

1970 suchte er den Bürgermeister auf und erzählte, dass er Ausschau nach einem Grundstück für die Akademie halte. Schwabl kannte einen geeigneten Baugrund, der schon wenige Woche später vom Inzeller Gemeinderat als Sonderbaufläche für Bildungs- und Erholungszwecke ausgewiesen wurde.

1972 schließlich erhielt der Architekt Hermann Joseph den Auftrag einen Bebauungsplan für das Grundstück zu erstellen. Während die ersten Vorbereitungen für den Bau der Kritischen Akademie begannen, wurden im Vorstand der Gewerkschaft

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Textil-Bekleidung und der Stiftung ausführlich die inhaltlichen Perspektiven einer Akademie erörtert.

Waldemar von Knoeringen, der Leiter der Georgvon-Vollmar-Akademie in Kochel, gründete eine Arbeitsgruppe, die zusammen mit dem pädagogischen Ausschuss der Miederstiftung die Bedingungen für eine neue Bildungspolitik diskutierte.

Bindeglied zwischen den Experten in Kochel und der Miederstiftung war Fritz Richter, der Bildungssekretär der GTB und später langjähriger Leiter der Kritischen Akademie.

Denkschrift Im November 1970 erschien die Denkschrift »Die Kritische Akademie - Ein Modell«. Diese Ausarbeitung wurde nicht nur in der GTB breit, und teils auch kontrovers, diskutiert. In der Öffentlichkeit war das Interesse an Fragen der Weiterbildung

gewachsen. Gleichzeitig wurde in einer Reihe von Bundesländern Gesetze zur Erwachsenen- und Weiterbildung verabschiedet.

Klar war für die Autoren der Denkschrift, dass es in der Diskussion nicht um die berufliche Weiterbildung gehen solle, sondern um gesellschaftspolitische Fragen. Die politische Bildung, die bis dahin vorwiegend von den Parteien geleistet wurde, teilweise auch von den Volkshochschulen, erreichte allerdings die Kolleginnen und Kollegen nicht mehr im notwendigen Maß.

Der Soziologe Oskar Negt analysierte: »Schichtarbeit, Überanstrengung durch nervliche und physische Beanspruchung am Arbeitsplatz, geringe Lernmotivation durch die Grundschulbildung sind die Hauptgründe dafür, dass das Bildungsangebot der Volkshochschulen aus objektiven Gründen von der Mehrheit der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie den Angestellten nicht in Anspruch genommen werden konnte.« Waldemar von Knoeringen meinte: »Die in der Zwischenzeit erstellten Analysen haben ergeben, dass es für die politische Erwachsenenbildungsarbeit kein brauchbares, auf die konkreten Bedürfnisse des Menschen abgestelltes Modell gibt.«

„ Es muss ein radikaler Umdenkprozess bei den verantwortlich in der Bildungsarbeit Tätigen einsetzen. Wenn sich diese Erkenntnis bisher nicht mehr durchgesetzt hat, dann nur deshalb, weil die meisten der bestehenden Institutionen ihr Bildungsangebot von vorneherein auf eine relativ kleine Gruppe von bereits vorgebildeten oder von der Funktion her interessierte Personen abstellen.

Es muss aber unterhalb dieser Schwelle angesetzt werden, wenn die politische Erwachsenenbildungsarbeit in ihrer immer wieder herausgestellten Bedeutung für den Fortbestand unserer demokratischen Grundordnung über die Bildung eines kritischen Bewusstseins möglichst vielen Menschen gerecht werden will und wenn verhindert werden soll, dass sich eine schmale elitäre Gruppe politisch Informierter herausbildet.

Aus: Der Kochel-Brief II, Mitteilungsblatt der Georg-von-Vollmar-Akademie, 1970

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Kapitel No. 3

»Der Nürnberger Trichter gehört nicht zur Ausstattung der Kritischen Akademie«

Die

Kritische Akademie war von Anfang an geplant als ein neues Modell der gewerkschaftlichen Bildung. Die Tatsache, dass die Teilnehmenden von ihren Arbeitgebern freigestellt wurden und auch Anspruch auf Lohnausgleich hatten, spielte dabei eine wichtige Rolle.

Dies ermöglichte, dass auch jene Kolleginnen und Kollegen angesprochen werden konnten, die bis dahin wenig oder gar keine Gelegenheit zur Weiterbildung hatten. In den vorbereitenden Diskussionen im pädagogischen Ausschuss der Stiftung und im Expertenkreis rund um Waldemar von Knoeringen wurde intensiv an diesem neuen Modell der gewerkschaftlichen Bildung gearbeitet.

In der Denkschrift »Die Kritische Akademie Ein Modell« wird das so formuliert: »Wenn der Teilnehmer zu bewusster Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt angeregt wird, wenn er lernt, gefühlsabhängige Vorstellungen und persönliche Einstellungen zu überwinden, wenn ihm zu der Erfahrung verholfen wird, dass es für ihn förderlich sein kann, andere Auffassungen anzuhören und sich gegenteiligen Standpunkten gegenüber offen zu halten, dann ist ein wesentliches Bildungsziel erreicht.«

„ Mit Nürnberger Trichter wird scherzhaft eine bestimmte Art des Lernens und Lehrens („Eintrichtern“) bezeichnet.

Das geflügelte Wort geht auf den Titel eines Lehrbuchs des Nürnberger Dichters Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658) zurück, das unter dem Titel „Poetischer Trichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst, ohne Behuf der lateinischen Sprache, in VI Stunden einzugießen“ 1647 in Nürnberg erschienen war.

Teilnehmerorientierung Das pädagogische Konzept, das so entstand, hob stark auf Teilnehmerorientierung, Gruppenarbeit, Diskussionen, selbstständiges Entwickeln von Gedanken ab. Jede Art von Frontalunterricht oder Dozieren vom Rednerpult herab wurde strikt abgelehnt. Oder wie Waldemar von Knoeringen meinte: »Der Nürnberger Trichter gehört nicht zur Ausstattung der Kritischen Akademie.« Was heute selbstverständlich ist, war in den 60er und 70er Jahren in der Erwachsenenbildung noch weitgehend unbekannt.

Statt Diskussionen waren lange Referate an der Tagesordnung, statt selbstständig lernen und

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damit begreifen zu können, waren Lehrmethoden an der Tagesordnung, die die Teilnehmenden oft an die vergange Schulzeit erinnerten.

In der Denkschrift hatte die Arbeitsgruppe um »kritische Bemerkungen zur Kritischen Akademie« gebeten. Erwachsenenbildner/innen, 22 Professoren und Gewerkschafter meldeten sich in ausführlichen Stellnahmen zu Wort. Diese wurden 1972 auszugsweise in der Broschüre »Echo auf ein großes Projekt« veröffentlicht.

Die Reaktionen waren durchaus gespalten. So bemängelte Gisela Axt von der dem BDI zugeordneten Arbeitsstelle für betriebliche Berufsausbildung: »Was da im ersten Teil geschrieben steht, ist hochgestochener deutscher Philosophenquarrel und widerlegt sich selbst.«

„ Im Gegensatz zu der etwa anderthalb Jahrhunderte gültigen Anschauung, dass gebildet sei, wer ein bestimmtes Wissen sich zu eigen gemacht hat, gilt heute die Erkenntnis, dass gebildet ist, wer über Interpretation, Analyse und Urteilsfähigkeit zu kritischem Selbstverständnis, zu einem Standort und zu dem Willen der Daseinsbewältigungen gelangt ist.

Neue Wege in der Erwachsenenbildung Carlo Schmid, einer der Väter des Grundgesetzes, Vizepräsident des Bundestags und Mitglied des Beirats der Stiftung hingegen sah das Konzept positiv: »Ich stimme der Auffassung zu, dass wir in der politischen Erwachsenenbildung neue Wege werden gehen müssen, um ihre Effektivität zu erhöhen.« Der Vorsitzende des Bayerischen Hochschulverbandes Josef Baudrexel befürchtete, dass es in der Denkschrift nicht gelungen war, dem »schlichten Menschen in seiner Lebenssituation« wesentliche Hilfe anzubieten. »Immer war es meine Befürchtung, dass der Begriff der Akademie - das liegt in ihrer Entstehungsgeschichte - die Gefahr in sich birgt, den Blick auf die Basis zu verlieren.« Der Frankfurter Professor Hermann Josef Wallraff von der Theologischen Hochschule Sankt Georgen: »Wahrscheinlich sehen sich alle ernsthaften Akademien bald genötigt, den hier angedeuteten Weg einzuschlagen oder zu verschwinden.« Der Fernsehjournalist Manfred Jenke begrüßte den Vorschlag audiovisuelle Medien einzusetzen.

Er schlug vor, mehr als einen Fernsehraum bereit zu stellen, mit Argumenten, die aus heutiger Sicht etwas kurios wirken: »Da wir heute schon drei Programme haben, könnte der Fall entstehen, dass eine Teilnehmergruppe unterhalten zu werden wünscht und eine andere eine informierende oder künstlerisch anspruchsvolle Sendung im Dritten Programm sehen möchte.« Heute gibt es in der Akademie in jedem Zimmer ein TV-Gerät mit mehr als 20 Programmen zu Auswahl.

Kritische Akademie

Aus der Denkschrift »Die Kritische Akademie - Ein Modell«

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Kapitel No. 3

Die Akademie fügt sich ein »wie eine Klosteranlage oder ein Gutshof«

GTB-Vorsitzender Karl Buschmann legt den Grundstein für die Kritische Akademie in Inzell

Bereits

bei den ersten Vorüberlegungen ob es denn möglich sein, dass die Stiftung ein eigenes Schulungs- und Erholungshaus errichten könne, wurden Architektur-Skizzen vorgelegt. Das gehörte zum Konzept der Kritischen Akademie.

Auch im Bau sollte sich niederschlagen, was bei den Überlegungen zur Gestaltung zukünftiger Seminare diskutiert worden war. »Der Stand der Gebäude und die Ausgestaltung der Akademie sollen der Idee einer kritischen Didaktik helfen.

Sie müssen so angelegt sein, dass sie die Arbeit des Seminars unterstützen«, heißt es in der Denkschrift »Die Kritische Akademie - Ein Modell«.

Waldemar von Knoeringen fasste es so zusammen: »Beratende Kleingruppen müssen sich jederzeit in geeignete, das offene Gespräch fördernde Räume zurückziehen können. Speise-

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saal, Wohn- und Gemeinschaftsräume müssen in einem derartigen Bezug zueinander stehen, dass kommunikative Aktivitäten, Gespräche und Begegnungen wie von selbst zustandekommen. Das Gebäude, in dem dieser Prozess stattfinden soll... muss die Identität von Theorie und Praxis ausdrücken.« Mit dem Architekten Hermann Joseph aus Rückersdorf bei Nürnberg hatte von Knoeringen einen Architekten gefunden, der von Anfang an in der Expertenrunde von Kochel mitarbeitete.

Der Gruppenlernprozess und das interkommunikative Verhalten der Teilnehmer/innen sollten durch die baulichen Gegebenheiten unterstützt werden. Auch über die Lage der Akademie wurde frühzeitig nachgedacht. Sie solle »verkehrsgünstig, nicht zu nahe an einer Großstadt, jedoch auch nicht so weit entfernt davon liegen, dass die kulturellen Kontakte erschwert würden.«

Die Grundstücksfläche und die Lage sollten so beschaffen sein, dass die Akademie gegen Lärm und Störungen von außen abgeschirmt werden könne, bei dem Besuchern der Akademie solle »ein Gefühl der Verbundenheit mit der räumlichen Umgebung« entstehen.

Hermann Joseph, der zuständige Architekt, gruppierte die Räume um einen Innenhof – den „Klosterhof“. Er schuf so eine ruhige Zone zum Nachdenken oder für Diskussionen in den Seminarpausen.

In einem Gutachten, das Professor Paul Seitz für den Inzeller Gemeinderat anfertigte, heisst es: »Die angebotene Lösung fügt sich ähnlich wie eine Klosteranlage oder ein Gutshof in die gegebene Situation ein, ohne sie zu verletzen und ohne den Gedanken der Selbstständigkeit der Akademie als Bauanlage aufzugeben. Die hervorragende Idee der Erwachsenen-Bildung in Form einer kritischen Akademie hat in dem Entwurf einen ausgezeichneten baulichen Ausdruck gefunden.« Paul Seitz hatte in Hamburg zahlreiche Schulen sowie den Campus der Universität entworfen, war also Fachmann auf dem Gebiet Lernen und Bauen.

„

Tieferer Sinn unseres Wollens Am 1. August 1974 wurde der Grundstein für die Kritische Akademie gelegt. In seiner Ansprache betonte der Stiftungsvorsitzende Karl Buschmann: »Der Architekt Hermann Joseph arbeitet bereits seit über fünf Jahren gemeinsam mit unserer Stiftung und es hat sich als besonders gut erwiesen, dass durch die ständige Diskussion, die wir gegenseitig führen konnten, Herr Architekt Hermann Joseph den tieferen Sinn unseres Wollens verstanden hat und es durch die Baugestaltung versucht bildlich darzustellen.«

Kritische Akademie

Wir wissen, dass jeder Mensch einmalig und einzigartig ist in seiner Individualität. Er kann sich nicht entwickeln und bilden ohne die Hilfe der Gemeinschaft, er braucht das Miteinander in Liebe, Freundschaft, Arbeit und Gesellschaft.

Aber auch die Gemeinschaft kann sich nicht entwickeln ohne die schöpferische Kraft des Einzelnen, die aus dem ihm eigenen Wesenskern kommt und die sich nur in der Freiheit entfalten kann.

Waldemar von Knoeringen

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Kapitel No. 3

Eröffnung: Es sprechen der Kanzler und die Betriebsratsvorsitzende

Bundeskanzler Helmut Schmidt bei der Eröffnung der Kritischen Akademie

Agnes Sinzenich, die Betriebsratsvorsitzende des Triumph-Werkes in Neuburg an der Donau und Mitglied des Stiftungsbeirates, hielt eine bewegende Rede: »Ich bin glücklich, weil ich in dieser feierlichen Stunde einige Worte sagen darf. In einer Zeit geboren, wo der Besuch einer höheren Schule nur Kindern gut situierter Eltern möglich war, hatte ich immer das Gefühl des Unbefriedigtseins, immer den Gedanken, eigentlich eine bessere Position ausfüllen zu können, wenn mir der Besuch einer höheren Schule möglich gewesen wäre. 1955 trat ich als Arbeitnehmerin in die Firma Triumph ein. Wir merkten bald, dass die Arbeitnehmerinnen in einer schwachen Position standen. Niemand hatte das Wissen, um sich vor Ungerechtigkeiten schützen zu können.

Zur

Eröffnung der Kritischen Akademie am 17. Januar 1977 setzte sich Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Rede mit dem Begriff der Kritik auseinander. Zum selbstgestellten kritischen Auftrag der Akademie meinte der Kanzler in der Gegenwart seien Selbstständigkeit des Denkens, die Fähigkeit zur Kritik und zur Konsequenz daraus von operativer Bedeutung.

Helmut Schmidt sparte nicht an Spitzen gegen politische Kräfte, die links von der SPD standen: »Kritik ist große Mode in Deutschland, aber nicht alles was sich als Kritik gebärdet, ist wirklich kritisch, sondern oft leider nur eine billiges Anpassen und Nachplappern. Die Eigenständigkeit der Kritik ist nicht so häufig, wie das Schlagwort von der Kritik gebraucht wird. Konfliktausgleich kann nur derjenige schaffen, der selbst vernünftig zu urteilen und dann zu handeln vermag.“ «

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Gründung des Betriebsrates Wir erkannten aber auch, dass die Schuld daran zum großen Teil in der Unkenntnis der Arbeitnehmer selbst zu suchen war. 1956 wurde in unserem Werk Neuburg zum ersten mal ein Betriebsrat gegründet. Unsere Arbeit bestand darin, sich erst einmal das notwendige Wissen anzueignen.

Gelegenheit dazu bot unsere Gewerkschaft TextilBekleidung. Dann begannen wir damit, unsere Kolleginnen und Kollegen auf diese Bildungsmöglichkeit aufmerksam zu machen. Und wir hatten Erfolg. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen besuchten die Lehrgänge. Selbstbewusster und aufgeschlossener kamen die Arbeitnehmer an ihre Arbeitsplätze zurück. Die Kritische Akademie ist vollendet. Glück und Stolz erfüllt mich, weil ich als kleines Rädchen im großen Geschehen mithelfen durfte. Ich wünsche, dass viele Arbeitnehmerinnen der Miederindustrie in der Akademie ihr Wissen vermehren und gleichzeitig Erholung finden können Es wird dringend notwendig sein, wenn die Arbeitnehmer in dem immer härter werdenden Kampf um die Arbeitsplätze bestehen wollen.«

»Die Leute sind aufgeschlossener bei ihren eigenen und bei tarifpolitischen Problemen«

Zum

„ Die „Nebenwirkungen“ der Seminare: »Nach dem Grundlehrgang war ich anders. Ich war selbstsicherer geworden, ich konnte mit einem Mal zuhören.«

Konzept der Kritischen Akademie gehörte es von Beginn an, die Meinung und auch die Kritik der Teilnehmenden einzuholen. In der Festschrift anlässlich der Eröffnung, wurden eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen zitiert. »Die Einrichtung der Stiftung wird im Betrieb positiv beurteilt. Die Auswirkungen im Betrieb sind klar zu erkennen, die Leute sind aufgeschlossener bei ihren eigenen Problemen und bei tarifpolitischen Themen.« »Wenn wir nicht so viele Kolleginnen auf den Lehrgängen gehabt hätten, hätten wir die schwierige Zeiten der Werkschliessungen und Unruhe in den Betrieben nicht über die Bühne bringen können.« »Die Lehrgänge wirken sich natürlich auch auf den Ehepartner aus. Wenn man zurückkommt, will man das, was man gelernt hat, anbringen. Mein Mann akzeptierte, dass ich zu den Lehrgängen fahre. Auch die Kinder werden selbstständiger und die Hausarbeiten werden mit dem Vater erledigt.« »Wenn man nur arbeitet und in der Familie nur einseitig gefordert ist, verkümmert man. Durch die Lehrgänge angeregt, schlägt man wieder mal was nach. Die altersgemischten Kurse finde ich gut, die Schranken zwischen jung und alt werden gebrochen.«

»Ich habe durch die Lehrgänge meine ganze Kindererziehung umgestellt, indem ich jetzt nicht mehr so streng bin, sondern über bestimmte Dinge diskutiere.«

Kritische Akademie

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Kapitel 4 Erholung in der Akademie

Erholung in der Akademie

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Kapitel No. 4

Gesundheit- und Familienwochen: Die Akademie als Wohlfühl-Platz

Von

Anfang an war für die Kolleginnen und Kollegen der GTB, die den Tarifvertrag mit den Unternehmern aushandelten, klar, dass es dabei auch um Gesundheit und Erholung gehen müsse.

Das hatte unter anderem mit der Situation in der Textil- und Bekleidungsindustrie zu tun. Die Arbeitsplätze waren laut, oft staubig, es musste meist in ungünstiger Körperhaltung gearbeitet werden. Zudem waren die vorwiegend weiblichen Belegschaftsmitglieder in vielen Fällen der Mehrfachbelastung von Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung ausgesetzt.

Obwohl in der Miederindustrie vorwiegend junge Frauen arbeiteten, waren Gesundheitsprobleme an der Tagesordnung. Erholungsmaßnahmen wurden naturgemäß stark nachgefragt. Bevor die Kritische Akademie in Inzell eröffnet wurde, fanden diese

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in angemieteten Häusern oder Hotels statt. Die Stiftung hatte also wenig Einfluss auf Gestaltung und Qualität der Betreuung oder den Komfort der Unterbringung. Die Beurteilung der Maßnahmen durch die Teilnehmenden war oft nicht positiv.

Ruhe und Entspannung Das änderte sich mit der Eröffnung der Kritischen Akademie. Die Lage und Gestaltung des Hauses und der Außenanlagen boten den Akademiegästen ausreichend Ruhe und Entspannung, egal ob sie zum Seminar oder zur Gesundheitswoche angereist waren. Die hauseigenen Bäder-, Fitnessund Schwimmabteilungen, die im Lauf der Jahre ausgebaut und immer komfortabler wurden, stehen allen Hausgästen zur Verfügung. Im Winter zum Beispiel gibt es Skilanglauf, Eisschnelllaufen, Eisstockschießen, Schneeschuhwandern, Rodeln

und Snowtubing, im Sommer Nordic-Walking und Wandern. Für die Seminargäste werden diese Aktivitäten natürlich außerhalb der Seminarzeiten angeboten — und sind kostenlos. Massagen oder Bäder sowie die übrigen Leistungen der medizinischen Bäderabteilung können auf eigene Kosten oder gegen Rezept in Anspruch genommen werden.

Auch das gehört zur Kritischen Akademie: Familienurlaube für die in der Miederindustrie Beschäftigten und Seniorenfreizeiten. Wenn Familien anreisen (man kann in Inzell auch einen Urlaub oder einen Wochenendaufenthalt buchen, falls die Kapazitäten es zulassen), oder Senioren sich treffen: Auf die speziellen Wünsche wird eingegangen.

Bei den Familienurlauben ist das insbesondere die Kinderbetreuung. Diese wird aber auch, falls gewünscht, bei anderen Veranstaltungen angeboten und auch lebhaft nachgefragt. Dadurch können überdurchschnittlich viele Eltern kleiner Kinder an den Veranstaltungen teilnehmen, da die Kinderbetreuung natürlich nicht alleine die alleinerziehenden Mütter entlastet.

„ Von der ersten Stunde an stand bei der Kritischen Akademie nicht nur die Erwachsenenbildung im Vordergrund, sondern auch die Gesundheitsvorsorge in Form von Kuren, Maßnahmen der Familienerholung und Seniorenwochen. Die dabei gemachten Erfahrungen führten zur Entwicklung von gezielten Gesundheitswochen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eigeninitiative ist gefragt. Nur durch eigenes Tun und Wollen kann der Einzelne seine Gesundheit auf Dauer erhalten. Schwerpunkte der Gesundheitswochen sind: Information und Beratung, Untersuchungen, Bewegungstherapie und Anwendungen in der medizinischen Badeabteilung.

Die Bedingungen in der Kritischen Akademie sind optimal, weil schon bei der Planung und dem Bau alle Voraussetzungen für wirkungsvolle Erholung und Gesundheitsvorsorge geschaffen wurden.

Gesundheitswochen der Kritischen Akademie, Band 1

Erholung in der Akademie

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Kapitel 5 Bildungskonzepte

Bildungskonzepte

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Kapitel No. 5

Auseinandersetzung mit der „Kritischen Theorie“

„

Was

ist eigentlich eine »Kritische Akademie«? In den Jahren der Diskussion um das Konzept, also zwischen 1970 und 1976, war der Begriff des »Kritischen« assoziativ noch stark verbunden mit der Kritischen Theorie, wie sie die Frankfurter Schule lehrte.

Diese Theorie fußt im Wesentlichen auf dem Werk »Dialektik der Aufklärung«, das die beiden deutschen Philosophen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno zwischen 1944 und 1947 im amerikanischen Exil erarbeitet hatten. Bevor er vor den Nazis fliehen musste, hatte Horkheimer das Frankfurter Institut für Sozialforschung geleitet daher der Begriff »Frankfurter Schule«.

Die »Kritische Theorie« analysiert die westliche Gesellschaftsordnung und stellt fest, dass der Einzelne den gesellschaftlichen Verhältnissen ohnmächtig gegenüber stehe. Diese gesellschaft-

Das Halbverstandene und Halberfahrene ist nicht die Vorstufe der Bildung, sondern ihr Todfeind.

Theodor W. Adorno (1903 - 1969) deutscher Philosoph, Musiktheoretiker und Komponist

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lichen Verhältnisse würden durch die Sozialisation (die Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster), die Massenmedien und die Kultur stabilisiert.

Diese (in ihren schriftlichen Äußerungen im übrigen nicht immer einfach zu verstehende Theorie) hatte während der Studentenbewegung (»68er«) viele Menschen elektrisiert. Auf besonderes Interesse und Begeisterung stieß dabei, dass Horkheimer und Adorno zwei wesentliche Denk- und Analyseinstrumente, nämlich die Psychoanalyse (Sigmund Freud) und die Ökonomie (Karl Marx) zusammen zu führen versuchten.

In der pädagogischen Theorie und Praxis fühlten sich besonders viele Menschen der Frankfurter Schule verbunden. Sie hofften damit, die Pädagogik aus ihrer Isolierung als bloßer Wissenschaft der Erziehung und Wissensvermittlung herauszulösen, um ihr gesellschaftspolitische Bedeutung zu verleihen. Bei den gesellschaftspolitischen Praktikern (Parteien, aber auch Gewerkschaften) sowie bei den Schulen und Universitäten stieß die »Kritische Theorie« hingegen auf weniger Begeisterung.

„

Bildungskonzepte

Die Wissenschaftler huldigen einem „Konkretismus“ bei einer Art von Verstand, den an der Uhr die Räder interessieren und nicht die Zeit, die sie misst.

Max Horkheimer (1885 - 1973) deutscher Philosoph

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Kapitel No. 5

Diskussion um das Akademie-Konzept in Zeiten gesellschaftlicher Umwälzung

Um

zu verstehen unter welchen gesellschaftspolitischen Verhältnissen die Debatte um das Konzept für eine Kritische Akademie stattfand, ist es nützlich einen Blick auf wesentliche, teilweise weltgeschichtliche, Ereignisse dieser Zeit zu werfen.

per Mehrheit Willy Brandt zum Bundeskanzler; Vizekanzler wird Walter Scheel (SPD-FDP-Koalition).

1970 (Vorstellung des Modells einer Kritischen Akademie) - Unterzeichnung des Gewaltverzichtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR.

1964 (Gründung der Stiftung zur Förderung von Bildung und Erholung der Arbeitnehmer der Miederindustrie) - Heinrich Lübke wird zum zweiten Mal als Bundespräsident gewählt.

1977 (Eröffnung der Kritischen Akademie in Inzell) - Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer wird entführt und dann getötet aufgefunden; Lufthansa-Maschine wird nach Mogadischu entführt.

1965 (Offizieller Beginn der Stiftungsarbeit) Wahl von Ludwig Erhard zum Bundeskanzler, Vizekanzler wird der FDP-Politiker Erich Mende.

Das heißt: In diesen Jahren fanden entscheidende Veränderungen in der Bundesrepublik statt.

Die Vorherrschaft der CDU/CSU, die die Politik der Bundesrepublik seit deren Gründung 1949 bestimmt hatte, wurde durch die Wahl von Willy

1969 (Betriebsrätetagung in Berlin diskutiert über Akademie) - Der Bundestag wählt mit knap-

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Brandt gebrochen. Der Ausgleich zwischen Ost und West (Kalter Krieg) wurde durch die diversen Verträge der Brandt-Regierung mit u.a. der Sowjetunion und der DDR besiegelt. Der RAF-Terrorismus erschütterte die Bundesrepublik .

Die Gesellschaft in der Bundesrepublik war gespalten: Teile der Generation, die während des Faschismus groß geworden war, konnten sich mit Kanzler Willy Brandt, der als Widerstandskämpfer im Exil war, nur schwer abfinden. Die Studentenbewegung hatte gesellschaftspolitische und kulturelle »Gewissheiten« durcheinandergewirbelt.

„

Debatte um Sozialpartnerschaft In der Gewerkschaftsbewegung war eine erbitterte Debatte um die »Sozialpartnerschaft« zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften entstanden. In den Betrieben, vor allem in der Metallindustrie, kam es zu spontanen Streiks, also zu Arbeitsniederlegungen, die von den Gewerkschaftsvorständen nicht gebilligt worden waren.

Die Diskussion um eine »Kritische Akademie« fand in einer Periode großer Anspannungen und heftiger Konflikte zwischen »Alt« und »Neu« statt.

Auch die Arbeiterbewegung war von diesen Spannungen und Konflikten betroffen.

Geteiltes Echo in der GTB In der Gewerkschaft Textil-Bekleidung stieß die Auseinandersetzung mit der Kritischen Theorie auf ein geteiltes Echo. Dennoch konnte sich der Vorstand der Stiftung darauf verständigen, wesentliche Gedanken der Denkschrift »Die Kritische Akademie - Ein Modell« für das Inzeller Projekt zu übernehmen. Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, dass Inzell tatsächlich ein wirklich neues Modell für eine Bildungsstätte wurde.

Bildungskonzepte

Die uns aus der Vergangenheit überlieferte Form des Lehrens und Lernens war weitgehend davon bestimmt, dass sich der Lernende mit der Autorität des jeweils Lehrenden identifizierte und damit einfach die zurechtgemachten Bewusstseinsinhalte übernahm. Von hier aus führte keine Weg zu einem Erkenntnis- oder Denkvorgang, der es ermöglicht hätte, kritisches Bewusstsein zu erlangen. Die traditionelle Form der Wissensvermittlung ist daher trotz unserer voll institutionalisierten politischen Demokratie ein Instrument zur Erhaltung eines geistigen Herrschaftsverhältnisses geblieben.

Aus der Denkschrift »Die Kritische Akademie Ein Modell

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Kapitel No. 5

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit neu bestimmen

„ Bereits in der Frühzeit des Industriezeitalters entstanden die ersten Arbeiterbildungsvereine. 1833 zum Beispiel der Bildungsverein der Leipziger Buchhandlungsgehilfen. Im gleichen Jahr gründeten die Erlanger Brauereiarbeiter einen Bildungsverein. Zunächst ging es diesen Vereinen darum, vor allem den Handwerkern und später auch den Industriearbeitern Teile jener allgemeinen Bildung zu vermitteln, die ihnen in der Schule vorenthalten worden war. Gleichzeitig wurden die Arbeiterbildungsvereine, die selbstverständlich auch die gesellschaftlichen Verhältnisse diskutierten, zu politisch agierenden Gruppen und damit zu Vorläufern der Arbeiterparteien. Nach dem Ende der Sozialistengesetze (September 1890) verloren viele Arbeitervereine an politischer Bedeutung, setzten freilich ihre Bildungsarbeit verstärkt fort.

Ihre Blütezeit hatten sie in der Weimarer Republik. Von den Nationalsozialisten wurden die Vereine sofort verboten und ihre Mitglieder verfolgt.

Mit

der durch die Stiftung angestoßenen Diskussion wurde die Erwachsenenbildung natürlich nicht neu erfunden. Es gab berühmte und bewährte Beispiele: Die Arbeiterbildungsvereine, die Volkshochschulbewegung, die Akademien der politischen Parteien, die Einrichtungen der Erwachsenenbildung bei den christlichen Kirchen.

Die Arbeitsgruppe setzte sich vor allem mit der Bildungsarbeit der Gewerkschaften auseinander.

Es wurde anerkannt, dass ein wesentlicher Ansatz der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit die Aus- und Fortbildung von Betriebsrät/innen sein muss. Detaillierte Kenntnisse auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts sind die Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Betriebsratsarbeit.

Dabei komme aber, so monierte die Arbeitsgruppe, eine wesentliche Seite aller Bildung zu kurz: die anthropologische Orientierung. Gemeint ist damit, dass bei der Bildung der Blick auf den Menschen wesentlich ist: »Die anerkannt große Leistung der Gewerkschaften auf dem Gebiet der sachlich-fachlichen Ausbildung ihrer Mitglieder und Funktionäre kann aber nur dann einen gesellschaftsgestaltenden Effekt erzielen, wenn sie zum anthropologischen, gesellschaftskritischen Denken führt.«

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Bildungsarbeit in Inzell: Die Teilnehmenden stehen im Mittelpunkt

Im

Mittelpunkt der Pädagogik, die von der Expertengruppe 1970 vorgeschlagen wurde, steht eine kritisch-dialektische Haltung gegenüber Inhalten und Problemen. Was heißt das?

Zum einen müssen Lehrinhalte, Lehrformen und Bildungsziele ständig überprüft und immer wieder neu gestaltet werden. Das stellt zwangsläufig hohe Anforderungen an die Lehrenden und an den ganzen Akademiebetrieb.

Teilnehmerzentrierte Vermittlung von Inhalten bedeutet, dass tatsächlich die Teilnehmenden im Mittelpunkt stehen müssen. Vorgefertigte Lehrinhalte, Erwartungen der Seminarleiter/innen, was die Teilnehmerin, der Teilnehmer »mitzunehmen« hat aus der Veranstaltung, darf die Seminare in der Kritischen Akademie nicht bestimmen.

Im Gegenteil: Erst im Seminar selbst stellt sich heraus, wie, und teilweise auch welche, Inhalte besprochen werden. Eine der Grundmaximen der in der Denkschrift vorgeschlagegen Praxis ist: »Der Bildungsprozess sollte in jedem Fall von der persönlichen Situation und der Interessenlage der Teilnehmer ausgehen und immer wieder darauf zurückführen.« Das klingt einfach und einleuchtend, ist aber, wie es Bertolt Brecht in einem anderen Zusammnhang ausdrückte »Das Einfache, das schwer zu machen ist.«

Bildungskonzepte

„ Die Volkshochschulen entstanden später als die Arbeiterbildungsvereine und hatten einen anderen Ansatz. Als Vorläufer gilt die Berliner HumboldtAkademie (1878). Die meisten Gründungen erfolgten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Ihr Ziel: Die Bildung breiter Bevölkerungsschichten sollte verbessert werden. Die Nazis verboten viele Volkshochschulen oder lösten sie auf. Teilweise wurde sie auch NS-Organisationen einverleibt.

Nach dem Ende des Faschismus wurden die Volkshochschulen, zum Teil mit Hilfe der Alliierten wiedergegründet (»Education for Citizenship«). Heute gibt es rund 1.000 Volkshochschulen in Deutschland.

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Kapitel No. 5

Kompetenz für Kolleginnen und Kollegen: Kritikfähigkeit wird gefördert

Vieles

von dem, was das Team um Waldemar von Knoeringen als Anforderung formulierte, um den Erwerb eines kritischen Bewusstseins zu fördern, ist heute pädagogisches Allgemeingut. Allerdings oft nur auf dem Papier. Die schulische Bildung krankt, von Bundesland zu Bundesland in unterschiedlicher Intensität, an zu großen Klassen als Folge des Lehrermangels, einem übervollen Lehrplan und zunehmend auch unter baulich nicht mehr akzeptablen Schulen.

Mit diesen schulischen Erfahrungen der Teilnehmer/innen müssen sich auch die gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen auseinandersetzen.

Wer Lernen in seiner Schulzeit als freudlosen, anstrengenden Prozess mit großem Leistungsdruck kennengelernt hat, darf erwarten, dass eine Gewerkschaftsakademie anders arbeitet.

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In dem pädagogischen Konzept, das sich die Kritischen Akademie gegeben hat, heißt es: »Die Kritische Akademie stellt den einzelnen mit seiner Handlungskompetenz in den Mittelpunkt ihrer pädagogisch-didaktischen Konzeption.« Das heißt: In der Akademie wird die Kritikbereitschaft und -fähigkeit, einschließlich der Fähigkeit zur Selbstkritik gefördert.

Eigene Positionen entwickeln Damit soll bei den Teilnehmer/innen die Fähigkeit gefördert werden, eigene Positionen zu entwickeln und gegebenenfalls auch wieder zu verwerfen, sowie die Überzeugungskraft eigener Begründungen zu testen und zu verbessern.

Je nach Zielgruppe und Inhalt des Seminars legen die Referent/innen der Kritischen Akademie Wert darauf, die Handlungskompetenz der Teil-

nehmenden zu stärken. Die Schwerpunkte können sich von Seminar zu Seminar unterscheiden. In Betrieben, in denen der Betriebsrat möglicherweise nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen kann, weil das Gremium schlecht zusammenarbeitet, gilt es die Sozialkompetenz zu steigern. Soziale Verantwortung und solidarisches Verhalten sind keine Worthülsen, sondern können »erlernt« werden.

Offene Diskussionen in denen unterschiedliche Standpunkte deutlich vertreten werden, ebnen den Weg zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit.

In den Seminaren der Kritischen Akademie kann es aber auch um durchaus Persönliches gehen. Die Frage der Ausgewogenheit von Beruf und Familie spielt für die Beschäftigten in allen Bereichen eine zunehmend wichtige Rolle.

Zu lernen wie man mit den zum Teil einander widersprechenden Anforderung umgeht, ist für viele Teilnehmende von großer persönlicher Bedeutung.

Das gleiche gilt für eine Fähigkeit, die beruflichen Alltag immer wichtiger wird: Die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und auszubauen, um so zu einer Lebensplanung zu kommen. Diese kann auch die persönliche Entwicklung im Beruf und die Fähigkeit, Chancen zu nutzen, umfassen.

„ Handlungskompetenz wird verstanden als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten.

Kultusministerkonferenz (KMK), 23. September 2011

Eigenverantwortung Viele Kolleginnen und Kollegen beschäftigen sich bei den Seminaren in Inzell zum ersten mal mit Fragen, die in der beruflichen Wirklichkeit immer wichtiger werden: Eigenverantwortung, Team- und Kommunikationsfähigkeit, Kreativität. Das sind Fähigkeiten, die in einem sich verändernden und auch komplexerer werdenden beruflichen Umfeld gefragt sind, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Was ein wenig wie Managerschulung klingt, ist auch für »normale« Arbeitnehmer wichtig geworden. Denn die Anforderungen im Beruf steigen ständig, auch bei Arbeitskräften ohne Fachausbildung.

Einer der Grundsätze des pädagogischen Konzepts der Akademie lautet: Erwachsene sind nicht belehrbar, wohl aber lernfähig. Das bedeutet, dass die Seminarleiter/innen nicht nur ihr Fachwissen einbringen, sondern auch moderieren.

Sie versuchen die Teilnehmenden zu aktivem Handeln im Seminar zu ermuntern. Das bedeutet die Kolleginnen und Kollegen ernst zu nehmen in ihrem Wunsch, aus dem Seminar persönlich Verwertbares mitzunehmen.

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Kapitel No. 5

Die Computer-Akademie: C + @: Computer und Arbeitswelt

„

Da

sitzen sie, in Reih und Glied. Der Trainer mit Zeigestock vorne, die Erwachsenen als Schüler in ihren Bänken. Vorne ein Klick, hinten 13 Klicks hinterher.

So stellen sich manche ein »PC-Seminar für Betriebsräte« oder ein Seminar der beruflichen Bildung für Textilbeschäftigte vor.

Der Akademieschwerpunkt Computer und Arbeitswelt (C+@) wurde bereits 2001 eingerichtet.

Getreu dem Motto »PC-Seminare und mehr« hören die Seminare inhaltlich nicht dabei auf, zu zeigen, welche Klicks in einem Computerprogramm zum Erfolg führen. Medienkompetenz bedeutet den Rechner und seine vielfältigen Möglichkeiten für die eigenen Anliegen und Bedürfnisse einsetzen zu können. Und nicht von der Computerwelt beherrscht zu werden. In den Seminaren wird an der Kritischen Akademie Wert darauf gelegt, bei der

Insgesamt verfügen nur sieben Prozent der Deutschen über eine hohe, 29 Prozent über eine mittlere und 45 Prozent über eine geringe Kompetenz, wenn es um Computerfähigkeiten geht. Am besten schnitten Schweden, Finnland und die Niederlande ab, wo jeweils mehr als 40 Prozent mittlere oder hohe Kompetenz aufwiesen.

Internationale Studie (PIAAC 2012)

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Alltagswelt der Teilnehmenden und ihren Anliegen anzusetzen. Dies gilt sowohl für die Betriebsratsseminare als auch für die Seminare der beruflichen Bildung. Im Excel-Seminar werden zum Beispiel auch Zahlen zur Einkommenssituation in Deutschland aufgearbeitet und diskutiert. Bei Powerpoint besprechen die Teilnehmenden die Präsentationen inhaltlich und bereiten sie entsprechend auf. In Betriebsratsseminaren entwerfen sie die Betriebsratszeitung am PC und diskutieren die Ergebnisse anschließend. Methodisch wird in den Seminaren gearbeitet wie in der Erwachsenenbildung üblich.

Eine Besonderheit der Kritischen Akademie ist die Online-Lernplattform »Lernplus«. Sie steht den Teilnehmenden im Internet, im Seminar und nach dem Seminar zur Verfügung. Lernplus ist die Weiterführung und Erweiterung dessen, was im Seminar stattfindet. Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Fachgebieten sind hier ebenso zu finden, wie die Arbeitsmaterialien, die im Seminar verwendet wurden.

Nach dem Seminar bleiben die Teilnehmenden über Lernplus in Kontakt und können die Diskussionen im Seminar mit nach Hause nehmen und weiterführen.

„ Ich könnte mir vorstellen, dass die größte Wirkung von Computern nicht darin bestehen wird, Raketen zum Mars zu steuern, Buchhaltungsirrtümer auszuschließen oder Herztransplantationen so genau zu überwachen, dass nichts mehr schiefgehen kann. Nein, die größte Wirkung des Computers wird darin bestehen, dass er einen neuen Typus Mensch schaffen kann - einen Fragensteller.

John Sculley

Geboren 1939, amerikanische. Topmanager, bis 1993 Vorstand von Apple Computer

Online-Phase bei Lernplus Lernplus wird, abgestimmt auf die Zielgruppe, den Inhalt und die Situation im Seminar (auch außerhalb der Computerseminare), eingesetzt. In den Seminaren schließt so teilweise eine von den Referent/innen intensiv betreute mehrwöchige »Online-Phase« an. Diese Verknüpfung von Aktivität im Seminar und anschließend weiterer Diskussion von zu Hause aus wird von den Teilnehmenden sehr gerne genutzt.

Die Plattform Lernplus wird so zu einem Instrument mit dessen Hilfe gelernt werden kann, wie Weiterbildung und auch politische Bildung online funktionieren. Dies ist umso wichtiger, als die persönliche Weiterbildung und gewerkschaftliche sowie politische Aktivitäten immer häufiger im Netz stattfinden. Die Teilhabe an diesen (vernetzten) Aktivitäten ist heute schon fast unverzichtbar und wird weiter an Bedeutung gewinnen. In der Kritischen Akademie werden auch solche Teilnehmenden mitgenommen in die Welt des Lernens und der vielfältigen gewerkschaftlichen und politischen Aktivitäten in Netz, die nicht zu den Computer-Nerds gehören.

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Kapitel No. 5

Die Betriebsräteakademie und die Fachakademie für Arbeitsrecht

Unter

dem Dach der Stiftung wurde 2012 mit der IG Metall die Betriebsräteakademie Bayern (BAB) gegründet, um die Kompetenz der Kritischen Akademie in der Betriebsrätebildung nutzen zu können. Absicht ist, dass es in Bayern für den Bereich der IG Metall nur noch einen regionalen Bildungsanbieter gibt.

Mit dieser Gründung ging die Stiftung zwar nicht inhaltlich, aber organisatorisch einen neuen Weg. Regionale, wohnortnahe Bildungsangebote sollen Bildung vor Ort an den Mann und die Frau bringen.

Dafür wurden sechs Außenstellen (Schweinfurt, Bamberg, Amberg, Ingolstadt, Augsburg, Landshut) gegründet. In diesen Außenstellen stehen Bildungsberater/innen für alle Fragen rund um das Angebot der BAB zur Verfügung.

Mit der Gründung der Betriebsräteakademie entwickelten sich die Bildungsangebote, die zunächst vorwiegend für die Angehörigen der Miederindustrie gedacht waren, hin zu breitgefächterten Seminaren für Betriebsräte.

„ Kommerzielle Anbieter werben aggressiv für ihre Seminare.

Gelockt wird mit Incentives bei Anmeldung und Bonuspreisen bei wiederholter Buchung.

Eine schlanke Organisationsstruktur - keine eigenen Häuser, wenige Beschäftigte ermöglicht es, in Werbung zu investieren. Professionell gemachte Internetseiten, gut platziert bei den großen Suchmaschinen, bieten Zusatzinfos zum Seminarthema. Heute belegen ca. 50% der Betriebsräte aus allen Branchen Seminare bei kommerziellen Anbietern.

Unterstützung bei Bildungsplanung Bildungsberater/innen unterstützen die betrieblichen Interessenvertreter/innen bei ihrer Bildungsplanung. Professionalität (Ziele, Inhalte, Methoden, Referentenauswahl) und Qualitätssicherung (Evaluation, Referentenfortbildung) bringen der/ dem einzelnen Teilnehmenden einen hohen Praxistransfer. Der Zusammenhang zwischen gewerkschaftlicher Organisation und Betriebsratsarbeit soll deutlicher in den Vordergrund rücken.

Die Verzahnung regionaler (BAB) mit zentraler Bildung (Kritische Akademie) ist ein weiteres Ziel.

So soll allen Interessenvertretungen ein gewerkschaftliches Bildungsangebot »aus einem Guss und aus einer Hand« unterbreitet werden. Damit wird eine stärkere Bindung an die gewerkschaftlich orientierte Betriebsrätebildung gesichert. Das ist ein klarer Vorteil gegenüber privaten Anbietern.

Aus: Gegenblende - das gewerkschaftliche Debattenmagazin des DGB, Ausgabe Mai/Juni 2013

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Die

Fachakademie für Arbeitsrecht mit Sitz an der Kritischen Akademie, befasst sich mit dem individuellen Arbeitsrecht.

Mit ihren jährlichen Fachtagungen stellt sich die Fachakademie kritisch aktuellen rechtspolitischen Fragen aus gewerkschaftlicher Sicht. Dabei wird der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansichten, auch aus dem Arbeitgeberlager, breiter Raum eingeräumt. Im Diskurs sollen so Gemeinsamkeiten, aber auch nicht überwindbare Unterschiede heraus gearbeitet werden.

Die Fachakademie organisiert zahlreiche arbeitsrechtliche Seminare mit großer Themenvielfalt für die Interessenvertretungen. Unterstützt wird sie von einem Beirat, dem Persönlichkeiten aus der Rechtswissenschaft, Vertreter der IG Metall und des DGB, Fachanwälte sowie Vertreter der Kooperationspartner angehören.

Die Fachakademie bietet mit ihren Seminaren und Tagungen natürlich keine juristische Ausbildung an. Vielmehr sollen den Praktiker/innen im Betrieb neue Tendenzen in der Arbeitsrechtsprechung und -gesetzgebung vermittelt werden.

Bestandteil sind Diskussionen über Probleme des Arbeits-, Tarif- und Betriebsverfassungsrechts.

„

Bildungskonzepte

Die Öffnung der Bildungsangebote für Beschäftigte der Textilund Bekleidungsindustrie sowie des „Textil-Service“ war ein wichtiger Schritt für die Kritische Akademie. Wesentlich ist dabei, dass für diese Branchen Tarifverträge zur Weiterbildung existieren. Das sind der Tarifvertrag zur Aus-, Fort- und Weiterbildung der Arbeitnehmer in der Textil- und Bekleidungsindustrie, die in den alten Bundesländer beschäftigt sind, sowie der Tarifvertrag für die Branche Textil Service. Beide Tarifverträge sind „Bildungstarifverträge“ mit Vorteilsregelungen für IG Metall-Mitglieder. Die Seminare für die Textilbranchen werden unter „Bildung im Tarifvertrag (BiT) ausgeschrieben.

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Kapitel 6 Leben in der Akademie

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Kapitel No. 6

Die Kunst des Kochens

Eine

Bildungsstätte ist so gut wie ihr Essen - viele Kolleginnen und Kollegen wßrden dem vorbehaltlos zustimmen. In Inzell stimmt die Kombination: Seminare gut, Essen gut. Gekocht wird nämlich stets frisch unter Verzicht auf vorgefertigte Lebensmittel und oft mit Produkten aus der Region.

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Die Kunst am Bau

Beim

ersten Rundgang durch die Akademie fällt bereits auf: In diesem Haus lebt man mit Kunst. Viele der Exponate stammen von Franz Angerer. Der Künstler, ein gelernter Maschinenbauer, lebt in Hammer, in der Nähe von Inzell. Sein Werk beschreibt er so: »Für mich ist das Material das Entscheidende, ich muss damit etwas anfangen können, es muss mich anmachen. Aber ich brauche auch einen gewissen Widerstand, den ich dann überwinden muss, Kunst braucht Widerstand. Aber ich lasse mir nichts vorschreiben. Das schönste an der Kunst ist, dass ich dann einfach loslegen und meine Vorstellungen verwirklichen kann.«

„ Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet.

Karl Marx (1818 – 1883) Deutscher Philosoph

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Impressum Herausgeber: Stiftung zur Förderung von Bildung, Erholung und Gesundheitshilfe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Ross-Straße 94 40403 Düsseldorf V.i.S.d.P.: Wilfried Heß Geschäftsstelle Inzell Salinenweg 45 83334 Inzell info@kritische-akademie.de Redaktion: Hans-Otto Wiebus Satz und Layout: Thomas Paschen c:tp | agentur für design und kommunikation Maiermühle 11 83334 Inzell info@c-tp.de Bildnachweis: Werner Bachmeier / Kritische Akademie

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