Stil Adresse Vom Gestus zum Garnknäuel – Jean Messagiers Tapis serie „Die Gleich förmigkeit des schönen Wetters“ von 1971 (li.). Auf einer Illustrierten abbildung seines Gemäldes „Die Lau tenspielerin“ krit zelte Henri Matisse einen beschwing ten Rahmen – es war der Entwurf für seine Tapisserie von 1949 (unten).
Roger Die deren
Fotos: Isabelle Bideau
„Die Entwicklung der Tapisserie zeichnet den Parcours der modernen Kunst nach.“
Fliete gewirkt sind. „Das Können der Handwerker übersteigt alles, was ich je gesehen habe“, sagt Diederen. Nach dem Entwurf des Künstlers wird der Karton erstellt, gespiegelt, dann gehen die Weber ans Werk: über Kopf und per Hand. Stunden-, tage-, monate-, jahrelang. Eine Arbeit, die keinen Fehler erlaubt, jeder Farbton muss sitzen, zehntelmillimetergenau. Die schnelle ma lerische Geste – berechnet, seziert und in Tausenden Arbeitsstunden reproduziert. Und doch sind es Kunstwerke aus eigenem Recht. „Durch ihre Materialität und Ästhetik“, sagt Diederen, „werden künstlerische Aussagen verdichtet, neue assoziative und sensuelle Verbindungen geknüpft. Angewandte Kunst“, erklärt er dann, „ist in Frankreich Staatsauftrag, und Kunsthandwerk eine nationale Angelegenheit.“ Dass alle vier Tapisserie-Manufakturen, deren wirtschaftliche Blüte auf Louis XIV zurückgeht, noch heute bestehen, sei das Verdienst des Mobilier national, einer staatli-
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