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Theater in Esch: Ein moderner Pirandello

Theater in Esch

EIN MODERNER PIRANDELLO

Julia Vidit bringt „So ist es (wenn es Ihnen so scheint)“ auf die Bühne. Ein Stück mit ironischem Unterton im Titel, verfasst 1917 von Luigi Pirandello. Zu sehen am 16. Dezember im Theater von Esch an der Alzette.

Während das ursprüngliche Stück sich in einem bürgerlichen Salon abspielt, ist das Bühnenbild hier von M. C. Eschers unendlicher Treppe inspiriert. Diese sich endlos wiederholende und in alle Richtungen verlaufende Treppe zeichnete der Künstler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Bühnenbild versetzt den Zuschauer damit unmittelbar in einen unendlichen Spielraum und verweist mit dem Bild der Treppen zugleich auf eine dem Stück eigene mentale Konstruktion: Die Figuren streben nach einer unerreichbaren Wahrheit.

Das Werk stellt die Frage nach der Wahrheit im Theater in den Mittelpunkt, ein Thema, mit dem sich Julia Vidit in ihrer Arbeit immer wieder befasst. Bereits drei Stücke hat sie dazu auf die Bühne gebracht.

IN DER REALITÄT VERANKERT

Pirandellos Text ist inspiriert von einem traurigen Ereignis, einem Erdbeben, das sich 1913 in den Abruzzen ereignete und viele Bewohner ins Exil trieb. In seinem Stück stellt der Autor eine kleine norditalienische Gemeinde in den Mittelpunkt, die sich bemüht, das Verhalten einer Familie zu verstehen, die jüngst aus dem Süden des Landes in ihre Stadt geflüchtet ist. Diesen Süditalienern steht die Gesellschaft im Norden ablehnend gegenüber. Verschiedene Kontroversen tun sich auf. Warum werden sie abgelehnt? Was befürchten die Einheimischen? Wie erzeugt Andersartigkeit Angst? Über diese Realität hinaus befasst sich Pirandello in seiner dramaturgischen Gleichung mit der Frage, wie die Wahrheit in die Krise gerät und seine Figuren dem Wahnsinn verfallen. Die Frage nach dem Wahnsinn einer Person existiert im Blick des anderen. Wer bin ich? Bin ich viele? Existiere ich nur in den Augen des anderen?

EINE KOMÖDIE MIT BISSIGEM HUMOR

Für diese Inszenierung hat Julien Cayet gemeinsam mit Julia Vidit an einer Adaptation gearbeitet, um insbesondere die Charaktere zu straffen, das Stück an das neue Bühnenbild anzupassen und es ein wenig dramatischer zu gestalten. Zudem hat Julien Cayet einen eigenen vierten Akt ergänzt.

In der Originalfassung dreht sich alles um die unmögliche Suche nach der Wahrheit; eine Frage, auf die Pirandello keine Antwort gibt. Mit seinem vierten Akt gelingt es Cayet, eine Brücke von 1917 in die heutige Zeit zu schlagen. Er greift den auch für unsere heutige Zeit relevanten, präfaschistischen historischen Kontext auf. Die Idee ist, diese Überlegungen fortzusetzen und uns in einer Art Verlängerung mitzunehmen. Wie ein burleskes Ventil werden wir dabei, während wir die Treppe Stock für Stock hinaufsteigen, mit viel Humor in den Keller geführt, um schließlich zu begreifen, dass uns diese Wahrheitssuche ins Unheil führt.

Patricia SCIOTTI

Freitag, 16. Dezember, 20 Uhr. Reservierung: www.theatre.esch.lu. Ab 16 €.

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