Das Gehirn

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DEZ 2015

Das Gehirn Der Gesundheitsguide

Gehirnchirurgie

Psyche

Gehirnchirurgie Innovative Navigationstechnik und computergestützte Operationen vereinfachen anspruchsvolle Eingriffe an unserem Denkorgan. Doch die Spitze des Hightech-Berges ist damit noch nicht erreicht. Ab Seite 3

Wirbelsäulenmedizin Über das Rückenmark gelangen Anweisungen vom Oberstübchen in den restlichen Teil unseres Körpers. Vor allem der Verschleiss macht unserer Wirbelsäule zu schaffen – doch ausgeklügelte Massnahmen helfen. Ab Seite 4

Psyche

Wirbelsäulenmedizin

Studien zeigen, dass unser Denken, unsere Emotionen und Erwartungen einen Einfluss auf unsere körperliche Konstitution haben. Bedeutet das also, dass wir Krankheiten einfach wegdenken können? Ab Seite 8

Neurorehabilitation Neurorehabilitation Zurück ins Leben – das ist für Menschen mit einer neurologischen Erkrankung ein müh­ samer Weg. Um körperliche und geistige Fähigkeiten zurückzugewinnen, ist eine interdisziplinäre Therapie wichtig. Ab Seite 10

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2 | Das Gehirn – Der Gesundheitsguide

Dezember 2015

Gr uss wo r t

Liebe Leserinnen, liebe Leser! · Denken Sie daran: Das Gehirn profitiert von einem gesunden Körper. Machen Sie regelmässig körperliche Übungen, um Muskelkraft, Ausdauer und Beweglichkeit zu erhalten. Indem Sie Ihren Körper fit halten, trainieren Sie auch Ihr Gehirn, denn die Koordination der Glieder und das Aufrechterhalten des Gleichgewichts sind Leistungen des Gehirns. Halten Sie Ihren Körper durch eine ausgewogene Ernährung in Form.

Noch sind etliche Fragen offen, und es bleibt viel zu tun. In dieser Schwerpunktausgabe sind einige klinische und theoretische Themen über unser Zentralorgan herausgegriffen, wovon einige nicht minder wichtige etwas weniger im Fokus des öffentlichen Interesses stehen. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre! Ihr Christian W. Hess

· Vermeiden Sie Gesundheitsrisiken wie Tabakoder übermässigen Alkoholkonsum. · Planen Sie Ihre Zukunft. Denken Sie beizeiten an Ihr Leben im Ruhestand.

D

as Gehirn ist unser wichtigstes Organ. Es steuert unseren Körper, unsere Sinne und unsere Gefühle. Und doch wissen wir noch wenig über das Gehirn. Dies hat seinen Grund: Mit rund 100 Milliarden Nervenzellen – halb so viele wie es Sterne in der Milchstrasse gibt – ist das menschliche Gehirn die komplexeste uns bekannte Struktur im Universum. Erfreulicherweise darf festgestellt werden, dass die schweizerische Hirnforschung zur Weltspitze gehört. In den letzten Jahren hat die Hirnforschung eindrückliche Fortschritte erzielt. So wurden im Gehirn Zellen mit sogenannten Stammzell-Kapazitäten entdeckt. Das bedeutet, dass Hirnzellen gefunden wurden, die neue Zellen bilden können. Diese grossartige Entdeckung könnte eines Tages die Therapie von Gehirnerkrankungen wie Parkinson, Alzheimer oder Schlaganfall revolutionieren. «Könnte», weil manches noch unsicher ist. Bisher wurde erst in zwei Regionen des erwachsenen Gehirns eine Neubildung von Nervenzellen beobachtet. Vieles muss noch erforscht werden, bevor wir die Fähigkeit des Gehirns zur «Selbstreparatur» gezielt für

die Therapie von hirnverletzten Menschen nutzen können. Der Zellnachwuchs im Gehirn reicht noch nicht aus, um massive Schäden wie nach einem Schlaganfall oder einer schweren Hirnverletzung wieder auszugleichen. Die Hirnforschung arbeitet daher an der Frage, wie man es erreichen kann, dass ganz bestimmte Typen von Nervenzellen nachwachsen. Für eine Parkinson-Therapie würde man beispielsweise spezielle Zellen benötigen, welche den Botenstoff Dopamin im Gehirn ausschütten. Neuere Forschungen zeigen auch: Das Gehirn ist formbar, es kann sich auch im hohen Alter noch verändern. Man spricht von der Plastizität des Gehirns. Es gibt einfache Möglichkeiten, dem Gehirn zu helfen, widerstandsfähig und fit zu bleiben: · Beschäftigen Sie Ihr Gehirn, indem Sie lesen, Rätsel lösen, ein Instrument spielen oder etwas Neues erlernen. Schreiben Sie sich zum Beispiel in einen Sprachkurs ein oder nehmen Sie an Diskussionsgruppen teil. Unternehmen Sie etwas, das Sie interessiert und das Ihnen Freude macht.

· Pflegen Sie Ihre Hobbys und Ihre gesellschaftlichen Kontakte, denn sie halten Ihr Gehirn aktiv. Isolieren Sie sich im Alter nicht von Ihren Mitmenschen und lassen Sie sich nicht in die Einsamkeit treiben.

Weitere Informationen Die Schweizerische Hirnliga gibt das Magazin «das Gehirn» mit Tipps für ein gesundes Gehirn heraus. Spenderinnen und Spender erhalten das Magazin automatisch gratis zugestellt. Tipps für ein gesundes Gehirn finden Sie auf www.hirnliga.ch

· Seien Sie auf der Hut: Veränderungen in Ihrer Persönlichkeit, Ihrer Stimmung und in Ihrem Verhalten – oft sind es die anderen, die Sie darauf aufmerksam machen –, können Zeichen einer ernsthaften Gesundheitsstörung sein, welche behandelt werden muss. Suchen Sie in solchen Fällen Ihren Arzt oder Ihre Ärztin auf. · Gehirn und Körper gesund zu erhalten, ist nicht nur für Sie selbst wichtig, sondern auch für Ihre Familie und Ihre Freunde. Die wichtigste Aufgabe in der Hirnforschung wird darin bestehen, dass wir Probleme angehen können, die Krankheiten betreffen. Die immer bedeutenderen Fortschritte in der Behandlung von Hirnschlag, Multipler Sklerose und der Parkinson-Krankheit weisen darauf hin, dass die Forschung sich auf dem richtigen Weg befindet.

Zum Autor Christian W. Hess ist Präsident der Schweizerischen Hirnliga. Von 1990–2012 war er Klinikdirektor der Neurologischen Universitätsklinik am Inselspital und ordentlicher Professor an der Universität Bern.

G a s t bei t r ag

«Wir machen kleine Schritte vorwärts» Die Forschung über die Ursachen der Alzheimer-Krankheit ist auf dem Stand der Krebsforschung vor 30 Jahren. Rückschläge nimmt die Stiftung Synapsis – Alzheimer Forschung Schweiz AFS sportlich. Im Kampf gegen die unheilbare Krankheit sind auch kleine Erkenntnisse wichtig. gensatz zu Krebs – sehr wenig für die AlzheimerForschung getan wurde. So wurde die Stiftung ins Leben gerufen.

Im Interview Dr. Margrit Leuthold ist Präsidentin der Stiftung Synapsis – Alzheimer Forschung Schweiz AFS. Die Stiftung setzt sich zum Ziel, die Erforschung der Alzheimer-Krankheit und anderer neurodegenerativer Krankheiten in der Schweiz zu unterstützen.

Frau Leuthold, Sie sind Präsidentin der Stiftung Synapsis, die Mittel für die Finanzierung qualifizierter Projekte zur Erforschung der AlzheimerKrankheit beschafft. Warum wurde die Stiftung 2003 gegründet? Wir haben damals gesehen, dass auf diesem Gebiet noch eine Lücke existiert. Dass – im Ge-

20 bis 25 Prozent der Menschen ab 85 Jahren erkranken an Alzheimer – eine Altersgruppe, die immer stärker wächst. Die Alzheimer-Krankheit ist noch immer unheilbar. Wann können wir mit konkreten Ergebnissen aus der Forschung rechnen? Ich will da keine falschen Hoffnungen wecken. Mit jedem Projekt gibt es neue Erkenntnisse, und wir finden kleine Teile in diesem grossen Puzzle. Aber wir gehen davon aus, dass wir heute in der Forschung über die Ursachen der AlzheimerKrankheit auf dem Stand der Krebsforschung vor 30 Jahren sind. Da besteht noch grosser Forschungsbedarf. Wir sehen noch nicht, dass die Krankheit in absehbarer Zeit heilbar sein wird. Aber es gibt Fortschritte? Auf jeden Fall. Wir erkennen mehr und mehr die Zusammenhänge, aber auch die grosse Komplexität des ganzen Bereichs. Was wir heute alles unter Alzheimer subsumieren, werden wir in 20 Jahren sicher anders betrachten. Wir machen eben kleine Schritte vorwärts. Sie müssen immer wieder auch Rückschläge bei Forschungsprojekten hinnehmen. Wie gehen Sie damit um? Rückschläge muss man in der Forschung sportlich nehmen. Das heisst ja nichts anderes, als dass eine Richtung, die man gewählt hat,

sich im Verlauf der Studie als falsch herausstellt. Man forscht an der Grenze von Bekanntem und Unbekanntem. Man muss bereit sein, umzudenken, wenn man in einer Sackgasse gelandet ist. Wichtig ist, dass die Forschung auf hohem Niveau betrieben wird. Welche sind aus Ihrer Sicht die vielversprechendsten Projekte, die aktuell von der Stiftung Synapsis gefördert werden? Ich will nicht einzelne Projekte herausstellen, aber es gibt spannende Ansätze in der Diagnostik, die extrem wichtig sind. Denn je früher man erste Anzeichen von Alzheimer erkennt, ohne dass sich schon klinische Symptome ausgebildet haben, umso eher besteht die Möglichkeit, dass man die Krankheit verlangsamen und vielleicht sogar in ferner Zukunft heilen kann. Viele Menschen haben Angst, einmal selbst an Alzheimer zu erkranken. Kann man präventiv etwas gegen eine Erkrankung tun? Wir propagieren einen Lebensstil, der auch für andere Krankheiten wie etwa Diabetes vorbeugend wirkt: viel Bewegung, Sport und sozialer Austausch. Dazu sollten die kognitiven Teile des Hirns aktiv gebraucht werden. Dieses Jahr kamen zwei Filme über Alzheimer ins Kino: «Still Alice» von Richard Glatzer und Til Schweigers «Honig im Kopf». Helfen diese Filme, dass wir die Krankheit besser ver-­ stehen?

Weitere Informationen Stiftung Synapsis – Alzheimer Forschung Schweiz AFS Zollikerstrasse 27, 8008 Zürich T: +41 (0)44 271 35 11 E: info@alzheimer-synapsis.ch www.alzheimer-synapsis.ch Spendenkonto PC 85-678574-7 IBAN: CH31 0900 0000 8567 8574 7

Diese Filme waren wichtig. Alzheimer ist in Hollywood angekommen. Man hat das, was immer noch ein bisschen tabuisiert wird, an die Öffentlichkeit gebracht. Denn Alzheimer ist etwas, das existiert. Und zwar nicht nur bei alten Menschen in Pflegeheimen. Bei «Still Alice» wird ja eine Frau mitten im Leben gezeigt, die einen intellektuell anspruchsvollen Beruf hat. Was ich bei beiden Filmen berührend fand, war, wie menschlich und liebenswert die Hauptfiguren gezeichnet waren. Sie haben gezeigt: Auch mit Alzheimer ist das Leben lebenswert. Das war ein starkes Signal. In «Still Alice» vergisst die Hauptdarstellerin zunächst nur ab und zu eine Kleinigkeit. Das kann ja auch normal sein. Wenn die Vergesslichkeit aber gehäuft auftritt: Wann sollte man sich untersuchen lassen? Das ist eine wichtige Frage. Ich denke, wenn man selbst das Gefühl hat, das bewegt sich jetzt nicht mehr in der Norm, oder wenn man von einem nahestehenden Menschen darauf aufmerksam gemacht wird, dann sollte man das unbedingt ernst nehmen. Es gibt heute einfache kognitive Tests oder auch Apps, die aufzeigen, ob ein Verdacht auf Alzheimer oder eine andere Demenz bestehen könnte. Man muss nicht hysterisch reagieren, wenn man mal einen Vornamen vergisst, aber wenn sich die Zeichen häufen oder das Gefühl aufkommt, irgendwas stimmt nicht mehr so ganz, dann würde ich empfehlen, in einer Memory-Klinik oder beim Hausarzt einen Test zu machen.


Das Gehirn – Der Gesundheitsguide | 3

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Neurochirurgie: Präzise navigiert Vorsprung durch Technik: Viele Eingriffe am Gehirn, die heute Routine sind, waren früher gar nicht möglich. Mittels 3-D-Darstellung des Organs gelingt eine millimetergenaue Navigation der Instrumente – dank Hightech. schon seit den 70er-Jahren einen Einblick in den menschlichen Schädel und machen krankhafte perationen am Gehirn sind äusserst anspruchsVeränderungen wie Blutungen, Entzündungen voll und komplex. Nehmen wir das Beispiel oder Tumoren räumlich sichtbar – allerdings nur Gehirntumor: Bei dessen Entfernung besteht stets zweidimensional. Doch dann kam der Computer die Gefahr, dass auch gesundes Gewebe beschädigt samt intelligenter Software ins Spiel, sodass seit wird – oder gar muss, weil der Tumor nicht an einigen Jahren die Aufnahmen aus MRT und CT der Oberfläche, sondern tief im Innern des Hirns zu einem dreidimensionalen Bild zusammengefügt sitzt. Je nachdem, an welcher Stelle der Tumor sich werden können. befindet, kann dies unter Umständen schwerwieDieses bringt zum Beispiel auch Blutgefässe, gende Folgen haben – wie Lähmungen, Sprachgrössere Nervenbahnen wie Hör- und Sehnerv und Sprechstörungen oder Gedächtnisschwierigund die genauen Umrisse krankhafter Struktukeiten. Genau­so kann ren präzise zutage. Eine es vorkommen, dass enorme Hilfe für den Neue Technologien das kranke Gewebe Chirurgen, der zudem nicht vollständig entden Eingriff vor der Opeermöglichen fernt wird. ration am Rechner genau präzisere Eingriffe. Früher, bevor inplanen kann. Doch damit novative Navigationsnicht genug: Im OP-Saal technik und die computergestützte Chirurgie kommt zudem modernste Technik, die sogenannte Einzug in die OP-Säle hielten, kam es sogar vor, Neuronavigation, ins Spiel. dass der Chirurg nach dem Öffnen des Schädels den Tumor erst gar nicht fand, da mit blossem Mit «GPS» durchs Gehirn Auge der Unterschied zwischen gut- und bösartigem Gewebe häufig nicht auszumachen ist. Dank Neuronavigationsgeräte der neuesten Generation dem Einsatz modernster Operationsmethoden machen sich die 3-D-Darstellung des Gehirns und Fortschritten in den bildgebenden Verfahren zunutze – und zwar intraoperativ. Heisst: Der gehört das Nicht-Finden der Vergangenheit an Chirurg kann sich während des Eingriffs mithilfe und die Risiken bei chirurgischen Eingriffen, von des Systems durch den Körper beziehungsweise denen viele heutzutage Routine sind, konnten das Gehirn des Patienten navigieren lassen. Verminimiert werden. gleichbar ist das Ganze mit Navigationsgeräten, die viele von uns im Auto haben. Die Landkarte entspricht dabei dem 3-D-Bild des Gehirns. GeMeilenstein: 3-D-Bildgebung nauso wie uns via GPS der aktuelle Standort und Bilder, die mithilfe bildgebender Verfahren wie das Ziel der Fahrt angezeigt werden, erfährt der Computertomografie (CT) oder MagnetresonanzChirurg über die aus der Planung vorliegenden tomografie (MRT) erstellt werden, liefern Ärzten Daten, die auf den Rechner im OP-Saal übertragen Von Nadine Effert

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Neurochirurgen müssen bei Eingriffen am Hirn Feinstarbeit leisten.

werden, wo die Reise hingehen soll. Auf einem Monitor sieht er die exakte, millimetergenaue Position der Instrumente im Gehirn. Möglich wird dies durch das Zusammenspiel von einer Kamera, die die Position der Instrumente während des Eingriffs überwacht, kleinen Reflektoren an den Instrumenten, die Informatio­ nen kontinuierlich an den Rechner schicken und einem Computerprogramm, das die verschiedenen Daten zusammenfügt. Dank der Neuronavigation

können am Gehirn minimalinvasive und hoch präzise Eingriffe durchgeführt werden, was vor allem im Bereich hochsensibler Areale wie den motorischen Regionen von grosser Bedeutung ist. Fakt ist: Das Zusammenspiel von Mensch und Technik nimmt in der Neuromedizin eine zentrale Rolle ein. Die computerassistierte Chirurgie trägt in erheblichem Masse zur Patientenversorgung mit höchster Präzision und Sicherheit bei – einen erfahrenen Neurochirurgen vorausgesetzt.

I n t er vi e w

«Enormer Gewinn an Patientensicherheit» Ein Eingriff am zentralen Nervensystem muss umfassend abgewogen werden. Hightech und präzise Vorbereitung der Neurochirurgen sind die Basis für eine erfolgreiche Behandlung.

Im Interview PD Dr. med. Ralf A. Kockro Facharzt FMH für Neurochirurgie Neurochirurgie Hirslanden Zürich

Dr. Kockro, Dr. Cesnulis, Sie sind Spezialisten für Neurochirurgie. Welche Regionen umfasst sie? Die Neurochirurgie umfasst Operationen im Gehirn, an der Schädelbasis, im Rückenmark und an der Wirbelsäule. Das Gehirn, hat Autor Jürgen Thorwald vor 30 Jah­ren formuliert, ist das «zerbrechliche Haus der Seele». Wie gross ist die Verantwortung, daran zu operieren? Jede neurochirurgische Operation ist ein Eintritt in einen komplexen dreidimensionalen Raum,

Prof. h.c. Dr. med. Evaldas Cesnulis Facharzt FMH für Neurochirurgie Neurochirurgie Hirslanden Zürich

in dem alles, was wir tun, denken und fühlen gesteuert wird – daher ist Jürgen Thorwalds Umschreibung sehr anschaulich. Um dem Vertrauen gerecht zu werden, das uns von Patientenseite entgegen gebracht wird, ist es überaus wichtig, jeden Eingriff am zentralen Nervensystem umfassend gegen andere Behandlungsoptionen abzuwägen, detailliert vorzubereiten und präzise durchzuführen. Die Verantwortung des Chirurgen wird somit in erster Linie durch gewissenhaftes Handeln getragen. Das wiederum ist die Voraussetzung des neurochirurgischen Erfolges.

Eine OP am Gehirn hatte früher oft neurologische Störungen zur Folge. Was ist der grösste Unterschied zu Operationen, die vor 20 Jahren stattfanden? Durch die enorme Verfeinerung der vor und während der OP zur Verfügung stehenden Technologie ist es heute möglich, das chirurgische Zielgebiet minimal-invasiv zu erreichen und vor Ort das umliegende gesunde Gewebe zu schonen. In den vergangenen 20 Jahren ist es uns insbesondere gelungen, ein besseres Verständnis für die von Patient zu Patient immer individuell zu betrachtende Krankheitssituation zu entwickeln und damit jeweils ein massgeschneidertes neurochirurgisches Konzept zu entwickeln. Die Vorbereitung beginnt dabei lange vor der eigentlichen Operation durch die Analyse von hochauflösenden MRI und CT-Aufnahmen und insbesondere durch deren interaktive dreidimensionale Darstellung. Wie bei der Landung in einem „Virtual Reality“ Flugsimulator kann dadurch die individuelle Anatomie einer Operation vorausgesagt und eine Operationsstrategie entworfen werden. Welche Rolle spielt Hightech für den Operateur? Während der Operation stehen uns heute ausgefeilte mikrochirurgische Instrumente zur Verfügung, die es uns ermöglichen, auch in schwer zugänglichen Regionen das Risiko zu minimieren. Lichtstarke und hochauflösende Mikroskope bieten einen kristallklaren Blick auf das OP-Gebiet, und Endoskope können wie kleine Kameras hinter Strukturen schauen, die Blickachsen kreuzen. So können manche Tumoren der Schädelbasis durch

die Nase operiert werden und in anderen Fällen ist es möglich, die natürlichen Hirnwasserräume in chirurgische Korridore zu integrieren. Enorme Fortschritte wurden auch in der intraoperativen Bildgebung gemacht, richtig? Ja, wir haben heute die Möglichkeit, während der Operation das OP-Gebiet und dessen Umgebung sichtbar zu machen. Das MRI und der Ultraschall zeigen vor allem bei Tumoroperation das zeitechte Voranschreiten der Operation und präzisieren damit unser räumliches Verständnis in Bezug auf die Grenzregionen zwischen Tumor und gesundem Gehirn. Die intra-operative Angiographie ist bei Operationen an den Blutleitern des Gehirns von unschätzbarem Wert. So stellt sie beim Verschliessen eines Aneurysmas durch das Anbringen eines Clips den Blutfluss am Aneurysma dar und bei der Entfernung einer Gefässmalformation (AVM) zeigt sie punktgenau die aktuelle Durchblutungssituation. Beides ermöglicht einen enormen Gewinn an Patientensicherheit. Schliesslich ist es uns heute möglich, elektrische Ströme während einer Operation zu messen, um damit wichtige Nervenbahnen zu schonen. In manchen Fällen kann sogar im wachen beziehungsweise halbwachen Zustand operiert werden – insbesondere wenn es darum geht, die Sprachfähigkeit zu erhalten. Wie gelingt es Ihnen, Risiken für den Patienten zu verringern? In erster Linie durch die Kombination aus detaillierter OP-Vorbereitung und konsequenter Ausnutzung der uns zur Verfügung stehenden Technologie. Hinzu kommt das individuelle Abwägen des erforderlichen Ausmasses einer Operation, denn der Schlüssel zum Erfolg liegt oft in der Kombination aus chirurgischer und nicht-chirurgischer Therapie. Die Patientenversorgung ist mehr als nur die Operation. Wie sieht die Vor- und Nachsorge aus? Die moderne Neurochirurgie ist weit über die eigentliche Operation hinaus in allen Phasen der Patientenbetreuung in enge interdisziplinäre Zusammenarbeit eingebettet. Nur so kann eine weiterführende Therapie, sei es onkologisch, strahlentherapeutisch, endokrinologisch oder neurologisch auf höchstem fachlichem Niveau garantiert werden.


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Die Wirbelsäule: Brücke zwischen Gehirn und Körper Unser Nervensystem ist ein wahres Kommunikationsnetzwerk. Hauptakteure sind das Gehirn und das Rückenmark sowie das fein verästelte periphere Nervensystem. Von Tobias Lemser

Ist von Neurologie beziehungsweise von neurologischen Erkrankungen die Rede, denken die meisten von uns in erster Linie an unser Gehirn. Bei genauerem Betrachten wird jedoch schnell klar, dass sich die Neurologie mit dem kompletten menschlichen Nervensystem befasst. Es steuert und reguliert Körper- und Empfindungsaktivitäten, indem es ununterbrochen Botschaften aus dem Körperinneren und seiner Umgebung überwacht, auswertet und beantwortet. Durch das Zusammenwirken von Sinneszellen und Nervensystem können wir uns in der Umwelt orientieren und an Veränderungen anpassen.

Zentrales vs. peripheres Nervensystem Unterteilt wird unser Nervensystem in das zen­ trale und periphere Nervensystem. Letzteres umfasst Nerven, die den Körper wie ein Telefonnetz durchziehen. Über die Nervenbahnen des peripheren Nervensystems werden sowohl Informationen vom zentralen Nervensystem zum Körper als auch vom Körper zurück zur Schaltzentrale, dem Gehirn, übertragen. Anders das zentrale Nervensystem: Dieses lebenswichtige Steuerungszentrum regelt zusammen mit dem Hormonsystem sämtliche Körperfunktionen, wie die Atmung, Bewegung und Verdauung. Es ist unter anderem für die Kontrolle

von Körperhaltung und Bewegungen, unsere Gefühle und Triebe sowie für unser Bewusstsein, Sprache, Denken, sowie das Erinnerungs- und Vorstellungsvermögen verantwortlich.

Nerven treffen sich im Rückenmark Wesentlich, damit das zentrale Nervensystem überhaupt funktionieren kann, sind seine Hauptbestandteile, das Gehirn und das Rückenmark. In diesem fingerdicken und zylindrischen «Kabelstrang», der die Verbindung zwischen Gehirn und peripherem Nervensystem darstellt, werden sämtliche Nervenbahnen gebündelt. Die ankommenden und wegführenden Nervenbahnen sorgen über Nervensignale dafür, dass zwischen dem Gehirn auf der einen Seite und der Skelettmuskulatur, den Sinnesorganen und den inneren Organen auf der anderen Seite Informationen ausgetauscht werden. Das aus mehreren Millionen Nervenfasern bestehende und bis zu 45 Zentimeter lange Rückenmark beginnt am verlängerten Mark des Gehirns und zieht sich im Wirbelkanal bis zum zweiten Lendenwirbel. Entsprechend der Austritte der Spinalnerven ist es in die fünf Abschnitte Zervikalmark, Thorakalmark, Lumbalmark, Sa­ kralmark und Kokzygealmark unterteilt. Während die zervikalen Spinalnerven für den Hals, die Arme und die Atmungsorgane zuständig sind, kontrollieren die thorakalen Spinalnerven die Haltung und zahlreiche innere Organe. Die sakra­

len Nerven regulieren die Blase, den Darm und die Sexualorgane. Auffällig ist, dass das Rückenmark da deutlich verdickt ist, wo die in die Arme und Beine laufenden Spinalnerven liegen. Dies deutet darauf hin, dass die Bewegungskontrolle der Arme und Beine komplex ist und unzählige motorische Nervenzellen und Schaltkreise erfordert.

Reflexartige Bewegungen Neben der beeinflussbaren Steuerung der Muskulaturbewegungen entstehen im Rückenmark auch unbewusste Reflexe. Auf diese Weise ermöglicht das Rückenmark zum Beispiel schnelle Fluchtreaktionen, wie etwa das Wegziehen der Hand von einer heissen Herdplatte. Ein weiteres Beispiel für eine unbewusste und immer gleich bleibende Reaktion des Körpers auf Reize ist der Patellarsehnenreflex, wobei ein leichter Schlag mit dem Reflexhammer auf die Sehne unterhalb der Kniescheibe ein kurzes Muskelzucken des Kniegelenkstreckers auslöst.

Schaltzentrale Gehirn Kontrolliert wird das komplette System über das Gehirn, dessen unterster Abschnitt mit dem Rückenmark verbunden ist. Das sogenannte verlängerte Mark und die nach oben folgende Brücke und das Mittelhirn bilden zusammen den Hirnstamm, der etwa die Atmung reguliert und

Das Rückenmark besteht aus mehreren Millionen Nervenfasern.

die Sinnesorgane versorgt. Dient das Kleinhirn der Bewegungskoordination und den Gleichgewichtsreaktionen, reguliert das oberhalb gelegene Zwischenhirn die Körpertemperatur und filtert die Informationen aus Körper und Umwelt, bevor es einen Teil davon zum Grosshirn weiterleitet. Dieses wiederum registriert und verarbeitet die Meldungen der Sinnesorgane und ist zudem für unsere Gedanken und Gefühle verantwortlich. Fakt ist: Egal ob wir reden, Sport treiben oder am Laptop sitzen – stets führt unser zentrales Nervensystem samt Gehirn und Rückenmark Regie. Keine Maschine hat es bislang geschafft, diese unvorstellbaren Leistungen nachzuahmen, sodass Wissenschaftler unser Nervensystem zu Recht als das komplexeste Gebilde im Universum bezeichnen.

I n t er vi e w

«Selbstbewusst dem Schmerz entgegentreten» In der Schweiz leiden über eine Million Menschen unter chronischen Schmerzen. Dr. med. Thomas Blaettner erklärt, warum eine ganzheitliche, aktiv gestaltete Therapie die beste Massnahme ist. Dabei gelten chronische Schmerzen als eigenständige Krankheit… Ja, das stimmt. Es ist jedoch noch mehr Aufklärung nötig, damit mehr Verständnis für die Betroffenen aufgebracht werden kann. Wir müssen den chronischen Schmerz als Krankheit akzeptieren und lernen, den Betroffenen die begleitende Hand zu reichen. Wir dürfen sie nicht mit den Worten «Der oder die bildet sich das doch nur ein!» sozial in die Ecke drängen.

Im Interview Dr. med. Thomas Blaettner Leiter der Klinik für Schmerztherapie Kantonsspital Baselland, Laufen

Mit welchen Beeinträchtigungen haben Betroffene hauptsächlich zu kämpfen? Zu den körperlichen Einschränkungen kommen vor allem Schlaflosigkeit, Energiemangel, fehlende Konzentration und Lustlosigkeit. Durch das häufig fehlende Verständnis im privaten und beruflichen Umfeld leiden sehr viele Patienten zusätzlich unter sozialer Abgrenzung. Sie zweifeln an sich selbst und rutschen in die Depression.

Erschwert wird dies sicherlich durch die Tatsache, dass man Schmerzen – im Gegensatz etwa zu einem gebrochenen Bein – nicht sieht und die Ursache nicht offensichtlich ist... Die Ursache ist in der Tat schwer zu benennen, da eine Chronifizierung das Resultat aus einem körperlichen Prozess, psychologischen Faktoren und soziokulturellen Zusammenhängen ist, die sich in einem ständigen Entwicklungsprozess gegenseitig beeinflussen – und leider meist verstärken. Dabei spielen sehr viele Faktoren eine Rolle: die Dauer des Schmerzes, die Kultur, aus der wir kommen, das soziale Umfeld sowie psychische Faktoren, die ihre Ursache auch in der frühen Kindheit oder der aktuellen Partnerbeziehung haben können. Hier gilt es vor allem jene Faktoren zu finden, die das persönliche Schmerzerleben intensivieren. Können Sie das näher erläutern? Gerne. Wenn ich zum Beispiel nicht mehr richtig schlafen kann, habe ich tagsüber keine Kraft, um gegen den Schmerz zu kämpfen. Ich

bewege mich weniger, ziehe mich mehr und mehr zurück, mein Umfeld versteht mich nicht, ich bin zunehmend mit meinem Schmerz alleine, dadurch wird er immer stärker und irgendwann bin nicht mehr ich, sondern der Schmerz «der Herr im Haus». Dazu kommt der Leistungsdruck, schnell wieder arbeiten, in der Familie und in der Partnerschaft funktionieren zu wollen oder zu müssen. Die Multimodale Schmerztherapie (MMST) hat zum Ziel, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Was ist der wesentliche Unterschied zu anderen Massnahmen? Bei fast allen Therapieformen ist der Therapeut sehr aktiv und der Patient bleibt passiv – oder er wird in seiner Passivität sogar noch unterstützt. Wir schlucken Pillen und Kräuter, damit die uns gesund machen. Die MMST zielt auf den aktiven Umgang des Patienten mit dem Schmerz. Es geht darum, die körperlichen und psychischen Fähigkeiten des Einzelnen herauszufinden und zu stärken, damit er mit dem Schmerz besser umgehen und wieder am Leben teilnehmen kann. Welche Rolle spielen dabei Erkenntnisse über das menschliche Schmerzsystem? Eine grosse Rolle. Das Schlagwort lautet «Neuroplastizität», also die Fähigkeit der Nerven, sich bedarfsgerecht zu verändern. Das bedeutet: Wenn eine Nervenzelle über längere Zeit Schmerzimpulse weiterleitet, dann verändert sie sich, die Verbindungsstellen werden grösser, der Nerv wird empfindlicher. Bereits kleinste

Informationen werden als «Katastrophe» an das Gehirn weitergeleitet. Glücklicherweise scheint diese Reaktion nach klinischen Erfahrungen reversibel zu sein. Wichtig sind aber auch die Erkenntnisse aus der Psychologie – etwa zur Schmerzverarbeitung oder zum Schmerzvermeidungsverhalten. Welche Behandlungsbausteine umfasst die Therapie? Vor allem Gutes für die Seele und Bewegung! Von medizinischer Trainingstherapie, Walking und physiotherapeutischer Einzelbehandlung über Schmerzverarbeitungstraining und psychologisch/psychiatrische Einzelbehandlungen bis hin zu Körperwahrnehmungsverfahren wie Yoga oder QiGong, Entspannungstherapie und kreativen Verfahren wie zum Beispiel Maltherapie. Voraussetzung für die MMST ist dementsprechend eine interdisziplinäre Zusammenarbeit für dieses Therapiekonzept, das wir in Laufen stationär anbieten. Wie sehen die Erfolgsraten aus? Es gibt klare Studien, die eine Verbesserung der Lebensqualität belegen und zeigen, dass sich die Therapie auch volkswirtschaftlich rechnet. Jedoch besteht in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern noch viel Informationsbedarf, und das Angebot an Institutionen, bei denen Psychiater und Somatiker zusammen an einem Tisch sitzen, und nicht nur konsiliarisch ihre Befunde abgeben, ist relativ überschaubar. Hier besteht aus meiner Sicht Nachholbedarf.


Das Gehirn – Der Gesundheitsguide | 5

Dezember 2015 I n t er vi e w

«Die Spinalkanalstenose – wenn der Rückenmarkkanal zu eng wird» Oft nicht erkannt oder unterschätzt: die Spinalkanalstenose. PD Dr. med. Constantin Klöckner über die verschleissbedingte Erkrankung der Wirbelsäule und deren Therapiemöglichkeiten. Die Spinalkanalstenose tritt häufig mit zunehmendem Alter auf. Woran liegt das und welche Beschwerden haben Patienten? Das liegt am voranschreitenden Verschleiss, der zu einer weichteiligen und knöchernen Ein­ engung des Rückenmarkkanals führt. Die Patienten leiden zum Teil unter erheblichen Beschwerden, welche oft als schicksalhaft hingenommen werden. Abhängig von der Position der Wirbelsäule kommt es zu einem Druck auf die Nerven und die Rückenmarkfasern. So wird die sitzende Position meist als angenehm empfunden. Hingegen treten beim Gehen, von zum Teil nur kurzen Strecken, und mitunter beim Stehen Schmerzen auf, die vom Kreuz aus übers Gesäss bis in ein Bein oder beide Beine ausstrahlen. Häufig berichten Patienten auch über unsichere beziehungsweise schwere Beine, in denen zudem oft Empfindungsstörungen wie ein Kribbeln oder Krämpfe auftauchen. Beugt sich der Patient nach vorne oder setzt er sich hin, kommt es meist zu einer deutlichen Linderung. Viele Betroffene berichten auch über Rückenschmerzen. Die Beschwerden führen häufig zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität der oft ansonsten sehr rüstigen Patienten. Wie erfolgt die Diagnose? Die Sicherung des Krankheitsbildes erfolgt durch die ärztliche Untersuchung und die Durchführung einer Magnetresonanztomographie (MRI). Damit lässt sich auch eine Einteilung über das Ausmass der Spinalkanalstenose vornehmen und erkennen, ob die Verengung in einer oder mehreren Etagen vorliegt. Die Beurteilung

der Statik der Wirbelsäule erfolgt anhand von Röntgenbildern. Abzugrenzen ist die Spinalkanalstenose unter anderem von gefässbedingten Erkrankungen, aber auch anderen orthopädischen Problemen. Was für Möglichkeiten der Behandlung hat der Patient? Bei leicht- und mittelgradigen Spinalkanalstenosen mit nur mässigen Beschwerden steht die Behandlung mit Schmerzmedikamenten und Physiotherapie an erster Stelle. Tritt keine Linderung ein, ist die Durchführung einer ambulanten schmerztherapeutischen Intervention indiziert. Dabei werden unter Röntgenkontrolle Medikamente direkt an beziehungsweise in die Wirbelsäule gespritzt. Diese Vorgehensweise eignet sich auch bei Patienten mit ausgeprägten Spinalkanalstenosen, die keine OP wünschen, oder bei denen aufgrund anderer zusätzlicher Erkrankungen eine OP zu risikoreich ist. Grundsätzlich ist bei Patienten, bei denen konservative Therapien nicht zu einer Beschwerdelinderung geführt haben, und bei Betroffenen mit einer hochgradigen Spinalkanalstenose, einhergehend mit starken Schmerzen oder mit Funktionsausfällen wie Lähmungen, eine OP möglich. Eine spontane Heilung ist aufgrund der Natur der Krankheit nicht zu erwarten, meist nehmen die Symptome über Monate und Jahre hinweg zu. Allerdings ist ein voreiliger Entscheid für eine OP nicht sinnvoll, da echte Notfall-Operationsindikationen bei der degenerativen Spinalkanalstenose selten sind. Auch sollte sich der Patient nicht vom Chirurgen

zu einer Operation überredet oder gar gedrängt fühlen. Wenn der Entscheid gefällt ist – welches Verfahren kommt dann zum Einsatz? In den meisten Fällen reicht eine Erweiterung des eingeengten Spinalkanals, sodass Nerven und Rückenmarkfasern wieder ausreichend Platz haben. Wenn der Verschleiss im betroffenen Segment so stark ist, dass die Funktion und Stabilität dort nicht mehr gewährleistet ist oder eine Fehlstellung besteht, ist zusätzlich eine Korrektur und Stabilisierung mit Implantaten zu erwägen. In Einzelfällen besteht auch die Möglichkeit, sogenannte bewegungserhaltende, dynamische Implantate zu verwenden. Bei der Notwendigkeit der Operation in mehreren Segmenten ist auch die Kombination der beschriebenen Techniken möglich und sinnvoll.

deutlichen Verbesserung der Beschwerden, bis hin zur Beschwerdefreiheit vor allem der quälenden Beinschmerzen führen. Der Wiedergewinn an Lebensqualität ist bei den meisten Patienten gross.

Wie gross sind die Risiken eines Eingriffs? Diese sind aufgrund der grossen Fortschritte bei den Operationstechniken, der Narkose und den Implantaten als gering zu betrachten. Sehr wichtig ist die gesundheitliche Gesamtsituation des Patienten. Neben der korrekten Operationsindikation, sind die Planung und die Vorbereitung auf die Operation sehr wichtig, damit man sich möglichst immer «auf dickem und trittsicherem Eis» befindet. Wie sind die Erfolgsaussichten einer Operation? Die operative Therapie kann bei entsprechendem Leidensdruck in 70 bis 80 Prozent zu einer

Im Interview PD Dr. med. Constantin Klöckner FMH Orthopädische Chirurgie Praxis für Wirbelsäulenerkrankungen und Wirbelsäulenchirurgie Hohlstrasse 192 · 8004 Zürich Baarerstrasse 53 · 6300 Zug info@spine-in-balance.ch www.spine-in-balance.ch

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Meine Arthrose hat mein Leben verändert – und ich meine Arthrose

Von führenden Fachärzten empfohlen Internationale Spezialisten wie Prof. Dr. med. Christoph Erggelet, Zürich, Professor für Orthopädie und Präsident der renommierten Ärztegesellschaft für Knorpelregeneration «International Cartilage Repair Society ICRS» und Dr. med. Lukas Weisskopf, Rheinfelden,

Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Sportmedizin, Vorstandsmitglied Schweizer Gesellschaft für Sportmedizin SGSM und Vertrauensarzt von diversen Spitzenathleten empfehlen meine komplette Ernährung für Knorpel, Bänder und Sehnen. Kontakt: R. Baer, infobaer@bluewin.ch

Der Unfall passierte vor rund 29 Jahren beim Fussballspiel. Ich war damals 18 Jahre jung und hatte meine Kreuz- und Aussenbänder gerissen. Ich wurde umgehend operiert. Eine Woche später bekam ich starke Fieberschübe und die Ärzte diagnostizierten eine Staphylokokken-Infektion im operierten Knie. Ich erhielt starke Antibiotika und wurde sechs weitere Male operiert. Bereits zwei Jahre später wurde dann eine fortgeschrittene Arthrose (Abbau des Knorpels) diagnostiziert. Mit 20 Jahren war ich aber noch zu jung, um an ein künstliches Gelenk zu denken.

Sechs Bausteine meiner Ernährung • Niedermolekulares Kollagenhydrolisat (mind. 10g pro Tag, Kollagen Typ I, II, III) • Spezifische essentielle Aminosäuren • Chondroitin und Glukosamin in Sulfatform • Natürliche hochdosierte Antioxidantien (Hagebutte, Melonenpulver mit einem hohen SOD Gehalt, Edelweiss, Enzian) • Mineralstoffe (Calcium, Mangan, Kupfer, Chrom) • Vitamine (C, D, E, K, Niacin)

Die komplette Formulierung für

Knorpel, Bänder Sehnen und Knochen

Empfohlen durch führende Sportärzte und Knorpel-Spezialisten.

Während meiner Arbeit in der pharmazeutischen Industrie begann ich mich dann intensiv mit dem Knorpelgewebe und dem Bindegewebe (Extrazelluläre Matrix, ECM auseinander zu setzen. Mich interessierte insbesondere wie ich die Inhaltsstoffe des Knorpelgewebes, Bänder, Sehnen und der extrazellulären Matrix in meine tägliche Ernährung integrieren kann.

Heute, 29 Jahre nach meinem Unfall, habe ich immer noch eine hohe Beweglichkeit im linken Knie, treibe regelmässig Sport (Ski, Langlauf, Rad und Nordic Walking) und kräftige täglich während 5 Minuten meine Bein- und Rumpfmuskulatur.

Als Folge habe ich mir dann einen Ernährungscocktail in Form eines Pulvers zusammengemischt, der die spezifischen Inhaltsstoffe des Knorpels und Bindegewebes abdeckt. Diese komplette und spezifische Formulierung hat meine Beweglichkeit und Lebensqualität verändert. Mittlerweilen gibt es viele Sportärzte und Knorpel-Spezialisten, welche das Pulver einsetzen.

Mein Arzt ist jeweils erstaunt, wenn er auf mein Röntgenbild schaut und feststellt, wie stabil meine Entwicklung ist und wie wenig Schmerzen und Schwellungen ich vergleichsweise habe. Ich bin überzeugt, dass meine «Knorpelernährung» sowie das gezielte Muskeltraining meinem Knie stark geholfen haben und auch meinen noch gesunden Gelenken gut tun.

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6 | Das Gehirn – Der Gesundheitsguide

Dezember 2015

Fachbei t r ag

Moderne Behandlungsmethoden bei Abnützungen an der Halswirbelsäule Abnützungen an der Wirbelsäule treten durch die älter werdende Bevölkerung immer häufiger auf. Moderne Behandlungsmethoden beinhalten vielfältige nicht-invasive Massnahmen, Spritzen und Operationen.

D

ie Bevölkerung in den westlichen Industrienationen wird im Schnitt immer älter – was zur Folge hat, dass Abnützungen oder Verschleisserscheinungen ein immer häufigeres medizinisches Problem werden. Die Halswirbelsäule, die den Kopf trägt und dessen Beweglichkeit erlaubt und auch unser Rückenmark und wichtige Nerven schützt, ist von solchen Abnützungserscheinungen besonders häufig betroffen. Das führt oft zu Beschwerden, die eine ärztliche Konsultation veranlassen. Wie kann es zu Abnützungserscheinungen an der Halswirbelsäule kommen? Was sind die Symptome? Und: Wann sollte man unbedingt einen Spezialisten aufsuchen?

möglichst sofortigen Operation. Glücklicherweise sind solche Fälle nicht sehr häufig.

Ausgefeilte Operationsmethoden

Probleme mit der Bandscheibe sind altersunabhängig Die Bandscheiben sind die grössten Strukturen des menschlichen Körpers, die nicht direkt über Blutgefässe versorgt werden. Ihre Versorgung muss über die sogenannte «Diffusion» gewährleistet werden, die einen kritischen Engpass darstellt. Alterungserscheinungen an den Bandscheiben können daher schon vor dem 20. Lebensjahr beginnen. Dieser Alterungsprozess ist ein normaler, sehr langsamer Vorgang, von dem alle Menschen betroffen sind. Abnützungserscheinungen hingegen sind ein krankhafter Prozess, der schneller verläuft und in erster Linie durch die Genetik beeinflusst wird. Das heisst: Es ist schon bei der Geburt festgelegt, wie hoch das Risiko für die Entstehung von Abnützungserscheinungen ist. Haben beide Elternteile frühzeitige Bandscheibenschädigungen, ist auch das Risiko für die Nachkommen deutlich erhöht. Anders als allgemein angenommen, spielen die während des Lebens ausgeführten Berufe eine untergeordnete Rolle. Eine Sekretärin hat etwa ein gleich hohes Risiko wie ein Bauarbeiter. Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass am Beginn von Verschleisserscheinungen an der Wirbelsäule die Degeneration der Bandscheiben steht. Hier spielt die kritische Versorgung mit Nährstoffen eine Rolle. Es kommt im weiteren Verlauf zu Knochenanlagerungen zwischen Bandscheibe und Wirbelkörper und zu Arthrosen der Zwischenwirbelgelenke.

Vielfältige Symptome Die Beschwerden stellen sich typischerweise auf zwei verschiedene Arten ein: entweder als schleichende Entwicklung oder sehr plötzlich und heftig. Ist die Entwicklung schleichend, liegen zum Beispiel eine allgemeine Abnützung der Bandscheibe, eine Arthrose der Zwischenwirbelgelenke oder eine muskuläre Ursache vor. Treten die Beschwerden schlagartig auf, steckt dahinter in der Regel ein Bandscheibenvorfall.

Die millimetergenaue Platzierung von Medikamenten kann bei Einklemmungen von Nervenwurzeln entscheidende Schmerzlinderung bewirken.

Die Symptome können sehr vielfältig und beeinträchtigend sein: einerseits lokale Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich und andererseits Schmerzen, die in die Arme oder zwischen die Schulterblätter ausstrahlen, falls Nervenwurzeln durch die Verschleisserscheinungen beeinträchtigt werden. Es können neurologische Ausfälle wie Lähmungen einzelner Muskelgruppen und Gefühlsstörungen auftreten. Bei einer Kompression des Rückenmarks kann es gar zu Lähmungen mehrerer Muskelgruppen an Armen und Beinen kommen und zu Gleichgewichtsstörungen, Gehstörungen und Lähmungen von Blase und Mastdarm sowie zu Potenzstörungen beim Mann. Der Neurochirurg Dr. Sascha Zosso aus Bern ist auf solche Fälle spezialisiert. Er argumentiert: «Natürlich sollten Patienten mit solchen Symptomen sofort zum Arzt gehen.» Zosso arbeitet in einer Praxisgemeinschaft mit dem Schmerzspezialisten Dr. Ivo Lappe, der akute und chronische Schmerzen mit verschiedenen Methoden behandelt.

Eine Operation ist «ultima ratio» Für alle Betroffenen lautet die gute Nachricht zunächst einmal: Es muss bei Weitem nicht immer operiert werden. Neurochirurg Zosso betont: «Es kommt sehr oft vor, dass wir zunächst keine Operation empfehlen, weil keine relevanten Ausfälle bestehen und eine konservative Therapie durchaus zum Erfolg führen kann.» In diesen Fällen wird zunächst eine physiotherapeutische oder chiropraktische Behandlung in Kombination mit Schmerzmitteln, die auch als Entzündungshemmer wirken, durchgeführt. Letztere sind kurz- bis mittelfristig sinnvoll, da

Moderne Bandscheibenprothese: Prodisc-C Vivo, Firma DePuy Synthes

dem akuten Schmerz eine Entzündung zugrunde liegt. Können diese Massnahmen die Symptome nicht genügend lindern, sind weitergreifende Therapieoptionen angezeigt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Vorstellung bei einem Spezialisten sinnvoll. Er kann in erster Linie die Diagnostik verfeinern: Stehen muskuläre Verspannungen im Vordergrund, sind manuelle Lockerungen der Muskulatur, Anwendung von Wärme und Training oft hilfreich. Bei überempfindlichen Stellen von Muskelfaserbündeln (sogenannte Triggerpunkte) muss etwa eine spezielle physiotherapeutische Triggerpunkt-Behandlung erfolgen. Bei Einklemmungen von Nervenwurzeln kann eine computertomografisch gesteuerte Infiltration die entscheidende Schmerzlinderung bewirken. Mit dieser Methode kann eine millimetergenaue Platzierung von Medikamenten an die Einklemmungsstelle einer Nervenwurzel erreicht werden, was den Vorteil einer hohen Wirkung vor Ort bei gleichzeitig vergleichbar geringer allgemeiner Nebenwirkung mit sich bringt. Sollte unklar sein, ob sogar zwei Nervenwurzeln betroffen sind, kann mit dieser Methode auch der entsprechende diagnostische Schritt zur Klärung dieser Frage gelingen. Muss später doch eine Operation erfolgen, kann der Operationsumfang gegebenenfalls deutlich reduziert werden.

Wenn der Schmerz zum Dauerzustand wird Leider können sich in seltenen Fällen auch chronische Schmerzsyndrome entwickeln. Die Ursache dieser Schmerzen kann keinem anatomischpathologischen Korrelat zugeordnet werden und die herkömmlichen Behandlungsmethoden können nicht angewendet werden. Schmerzspezialist Ivo Lappe ist auf solche hartnäckigen Fälle vorbereitet: «Wir beschränken uns in solchen Fällen nicht auf eine Monotherapie, sondern kombinieren TherapieMethoden.» Zur Anwendung kommen die medikamentöse Dauertherapie (auch Antidepressiva), die kognitive Verhaltenstherapie, die «Transkutane elektrische Neurostimulation» (TENS) oder implantierbare Neurostimulatoren. Auch alternativ-medizinische Methoden wie Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), medizinische Hypnosetherapie, Osteopathie oder Kraniosakraltherapie kommen infrage. Positive Effekte wurden kürzlich auch für Pilates, Yoga und Tai-Chi nachgewiesen. Wichtigstes Ziel jeder Therapie ist die Wiederherstellung der Aktivität. Unter Umständen kann auch eine Rehabilitation erwogen werden. Wenn Patienten mit Problemen an der Halswirbelsäule zum Arzt gehen, kann es allerdings auch wesentlich dramatischere Fälle geben: Liegen schwere, medikamentös nicht beeinflussbare Schmerzen vor oder bestehen bereits Lähmungserscheinungen, schwere Gefühlsstörungen, Gangstörungen, eine Beeinträchtigung der Kon­ trolle von Blase und Mastdarm oder Potenzstörungen beim Mann, raten die Spezialisten zu einer

Im Falle einer Operation gibt es heute zwei Möglichkeiten: Die Versteifung von Wirbelkörpern oder das Implantieren einer Bandscheiben-Prothese zwischen den Halswirbeln. Die Bandscheiben-Prothese ist die neuere der beiden Methoden. Sie wurde in intensiver Forschungsarbeit entwickelt und wird seit zehn Jahren bei ausgewählten Patienten implantiert. Die Bandscheiben-Prothese – auch DiskusProthese genannt – ist keine Alternative zur versteifenden Operation, sondern eine Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten, die sich nicht für jeden Patienten eignet. Trotz der weit verbreiteten Begeisterung für das Implantat – die Bewegungsmöglichkeit wird erhalten, die Revisionsrate ist gering und ein Implantatversagen praktisch inexistent – sollte sie nur nach genauer Diagnose zum Einsatz kommen. Nicht jeder Patient kann von einem Implantat profitieren, bei manchen würden die Beschwerden mit einem Implantat sogar schlimmer werden, betont Dr. Zosso. «Für Patienten, die beispielsweise eine Instabilität an der Halswirbelsäule aufweisen, ist die BandscheibenProthese nicht geeignet.» Entwickelt wurde die Bandscheiben-Prothese, die sich bisher als sichere und relevant wirksame Therapie-Option erwiesen hat, weil man Nachteile der versteifenden Eingriffe befürchtete. Einige Studien legten den Verdacht nahe, dass ein benachbartes Bewegungssegment sich nach einer Versteifung schneller abnützen kann. Das weckte den Wunsch nach einem bewegungserhaltenden Bandscheibenersatz.

Genaue Diagnosestellung nötig «Während der Diagnostik muss genau festgestellt werden, welcher krankhafte Prozess zu den klinischen Symptomen führt. Denn häufig werden kombinierte Abnutzungserscheinungen oder funktionelle Störungen nachgewiesen», bemerkt Dr. Lappe. Darunter verstehen die Mediziner die Kombination aller Bestandteile in einem «Bewegungssegment», das aus mehreren Teilen besteht: aus den Wirbelkörpern mit der dazwischenliegenden Bandscheibe, den Zwischenwirbelgelenken, den Unkovertebralgelenken und den Bändern und Muskeln, die kombinierte Abnutzungserscheinungen aufweisen können. Wenn eine Bandscheibe abgenutzt ist und in den Zwischenwirbelgelenken gleichzeitig eine Arthrose vorhanden ist, würde eine Bandscheiben-Prothese die Gelenke belasten und zu weiteren Schmerzen führen. Im Gegensatz dazu würde eine Versteifung der Gelenke die erwünschte Ruhigstellung gewährleisten.

Zu den autoren Dr. med. Sascha Zosso (links) Facharzt FMH für Neurochirurgie s.zosso@hin.ch Dr. med. Ivo Lappe Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie FA Interventionelle Schmerztherapie i.lappe@hin.ch Rückenpraxis Bern RPB www.hirslanden.ch


Das Gehirn – Der Gesundheitsguide | 7

Dezember 2015 I n t er vi e w

«Bei hartnäckigen Rückenschmer­zen und bei Ausstrahlungen in Arm oder Bein sollte man zum Arzt.» Eine OP an der Wirbelsäule ist immer «ultima ratio». Bei sorgfältiger Indikation und Durchführung des Eingriffs sind die Erfolgschancen aber gut. Prof. Dr. Payer, welche Erkrankungen treten an der Wirbelsäule auf? Payer: Aufgrund der demografischen Entwicklung sind degenerative Wirbelsäulenerkrankungen wie Bandscheibenvorfälle (Diskushernien), enger Wirbelkanal (Spinalkanalstenose), Gelenkzysten oder Wirbelgleiten am häufigsten, mehr an der Lendenwirbelsäule als an der Halswirbelsäule. Osteoporose-Brüche, Wirbelsäulenverletzungen und Tumoren in der Wirbelsäule sehen wir auch immer wieder, aber seltener als die Abnützungserkrankungen. Was sind die Ursachen von Bandscheibenvorfällen und Verengungen des Wirbelkanals? Payer: Durch jahrzehntelange Beanspruchung werden Bandscheiben und Wirbelgelenke abgenützt. Das Ausmass der Abnützung wird aber insbesondere durch die genetische Veranlagung bestimmt. Bei der Diskushernie tritt ein Teil des inneren knorpeligen Bandscheibengewebes durch den Faserring der Bandscheibe aus und drückt auf eine oder mehrere Nervenwurzeln. Dieser Druck kann Schmerzen, eine Gefühlsstörung und/oder eine Schwäche im Arm oder Bein verursachen. Eine Spinalkanalstenose entsteht durch chronische Verdickung der kleinen Wirbelgelenke und der sie umgebenden Bindegewebsbänder, wodurch sich der Wirbelkanal zunehmend verengt. Dies führt oft zu Beinschmerzen beim Gehen und Stehen. Am besten können Bandscheibenvorfälle oder Spinalkanalstenosen mithilfe einer Magnet­­resonanztomographie (MRT) nachgewiesen werden. Gelegentlich kommt es zu Gelenkzysten – gutartigen Ausstülpungen der Gelenkkapsel – oder auch zum sogenannten Wirbelgleiten. Wie machen sich diese Erkrankungen bemerkbar? Payer: Gelenkzysten sind gutartige Bindegewebsausstülpungen aus den Wirbelgelenken

Gelenkzyste

Mikrochirurgische Operationstechnik

in den Wirbelkanal hinein, vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule. Man nimmt an, dass ein abgenütztes Wirbelgelenk eine Zellvermehrung seiner Gelenkkapsel begünstigt, welche sich dann ballonartig in den Wirbelkanal vorwölbt und auf Nervenwurzeln drückt (s. Abb. li.). Beim degenerativen Gleitwirbel schiebt sich ein Lendenwirbel über dem nächsten leicht nach vorne. Beide verstärken den Druck auf die Nervenwurzeln und akzentuieren die Schmerzen und Krämpfe in den Beinen. Man hört immer wieder, es werde zu viel operiert – gerade im Bereich des Rückens. Dr. Wiesli, sehen Sie das auch so? Wiesli: Wenn immer möglich, sollen nicht-chirurgische Therapiemöglichkeiten wie Physiotherapie, Chirotherapie, Osteopathie, medikamentöse

Therapie oder TCM (chinesische Medizin) angewendet werden, da viele Wirbelsäulenerkrankungen dadurch zur Ruhe gebracht oder zumindest kontrolliert werden können. Eine Operation ist immer «ultima ratio» und sollte unseres Erachtens bei Patienten geprüft werden, bei denen schwerwiegende Symptome und ein relevanter korrelierender Befund in der Bildgebung vorliegen. Inwiefern sind Operationen an der Wirbelsäule gefährlich? Wiesli: Wirbelsäuleneingriffe sind einerseits immer mit allgemeinen Operationsrisiken verbunden wie Infekt, Nachblutung, Wundheilungsstörung oder Narkosekomplikation, andererseits mit spezifischen neurochirurgischen Risiken wie Nervenverletzung, Rückfall, Instabilität, oder – falls verwendet – Implantat-Problemen.

Ist es richtig, dass der Erfolg einer OP im Wesentlichen von der Indikationsstellung abhängt? Payer: Dem können wir nur beipflichten. Das Outcome von Wirbelsäulenoperationen hängt jedoch von vielen verschiedenen Faktoren ab wie dem zugrunde liegenden Wirbelsäulenproblem, dem Zustand der benachbarten Wirbel, der körperlichen Fitness des Patienten und dem Ausmass des Eingriffes. Bei sorgfältiger Indikation und Durchführung des Eingriffs sowie kooperativem Patient sind die Erfolgschancen gut.

Wenn man Rückenbeschwerden hat, wann sollte man zum Arzt gehen? Payer: Bei Rückenschmerzen, die mehr als vier bis sechs Wochen intensiv andauern oder die hartnäckig in Arm oder Bein ausstrahlen, bei gleichzeitiger Gefühlsstörung oder Schwäche im Arm oder Bein, was jedoch eher selten vorkommt. Wie entscheiden Sie, ob eine Operation notwendig ist? Wiesli: Anhand der Anamnese, Untersuchung des Patienten, Durchsicht der Bildgebung – in der Regel MRI oder CT – und Überprüfung der nicht-operativen Therapiemöglichkeiten, und dann natürlich auf Basis einer Diskussion mit dem Patienten über die Therapiemöglichkeiten.

Navigationsgestützte Wirbelsäulen-Stabilisation

Apropos Therapiemöglichkeiten: Welche Operationstechniken kommen konkret infrage? Wiesli: Meistens wenden wir die mikrochi­ rurgische Diskushernienentferung und Spinalkanalerweiterung, mikrochirurgische Zysten- und Tumorentfernung, computernavigierte Stabilisationen sowie Zementverstärkung von OsteoporoseBrüchen (Vertebroplastie) an.

Im Interview Prof. Dr. med. Michael Payer (oben) FMH Neurochirurgie Dr. med. Markus Wiesli FMH Neurochirurgie Klinik Hirslanden, Zürich Wirbelsäulenzentrum Neurochirurgie www.hirslanden.ch


8 | Das Gehirn – Der Gesundheitsguide

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Schnittstelle zwischen Körper und Geist

Wer positiv denkt, lebt länger. Doch haben unsere Gedanken, Vorstellungen und Emotionen wirklich einen Einfluss auf unsere Gesundheit? Studien zufolge lautet die Antwort: ja. Von Nadine Effert

Warum Placebo-Medikamente wirken

K

Am eindrucksvollsten zeigt sich der Zusammenhang zwischen psychischen Vorgängen und körperlichen Veränderungen beim Einsatz von Placebo-Medikamenten. Dass sie durchaus eine Wirkung zum Beispiel auf eine Schmerzlinderung erzielen, liegt an den positiven Erwartungen der Patienten an die Therapie. Die Aktivierung des präfrontalen Kortex hat zur Folge, dass bestimmte biochemische Veränderungen im Hirn stattfinden, die wiederum die Schmerzqualität beeinflussen und die Schmerzstärke reduzieren. Heisst: Allein der Glaube an die Wirksamkeit trägt zur Heilung bei.

rankheiten einfach wegdenken? Das ist wohl eher Utopie. Allerdings haben unser Denken und seelisches Wohlbefinden durchaus einen Effekt auf unsere körperliche Konstitution. Das belegen zum Beispiel Studien, die den Einfluss von Entspannungsübungen untersucht haben. Forscher der Havard University konnten die Auswirkungen von Meditation mittels funktioneller Kernspinuntersuchung messen. Es zeigte sich, dass es direkt nach der Meditation zu einer stärkeren Durchblutung von Teilen des präfrontalen Kortex kommt. Hier liegen jene Areale, die für

Entspannungsübungen wirken auf die Durchblutung des Hirns.

das Regulieren von Gefühlen verantwortlich sind, und die ebenso bei positivem Denken aktiv sind.

Umgekehrt kann ein negatives Gefühl gegenüber dem (echten) Medikament und dessen Nebenwirkungen die Wirkung schmälern oder gar aufheben. Man spricht in diesem Fall von einer Nocebowirkung, die auch durch ein schlechtes, nicht auf Vertrauen beruhendes Verhältnis zum Arzt oder Therapeuten ausgelöst werden kann.

Einfluss von Einsamkeit und Depression Auf einem ähnlichen Prinzip beruht die Wirkung von sozialen Kontakten. Eine Forschergruppe aus den USA rund um Julianne HoltLunstad analysierte die Daten von 300’000 Menschen und kam zu den Ergebnis, dass die Überlebensrate um 50 Prozent höher war, wenn sie über soziale Bindungen verfügen, also nicht einsam waren. Ein weiteres beeindruckendes Beispiel ist der Zusammenhang von Depressivität und Schlaganfallrisiko. Eine grosse amerikanische Studie konnte beweisen, dass Menschen mit Depressionen ein um 45 Prozent höheres Schlaganfall-Risiko aufweisen als nicht depressive Menschen. Die Tatsache, dass etwa 16 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken und allein in der Schweiz 16’000 Patienten pro Jahr einen Schlaganfall haben, rückt Depressivität als Risikofaktor für das Auftreten eines Schlaganfalls in ein völlig anderes Licht.

Un t er n ehmensbei t r ag

Im Interview

Die Sucht im Gehirn

Dr. med. Konrad Hitz Leitender Arzt MENTALVA Privatklinik

Nahrungsaufnahme, Arbeiten, Fortpflanzung: Ohne das Belohnungszentrum im Gehirn würden wir wohl so gut wie nichts machen. Im Interview erklärt Dr. med. Konrad Hitz, weshalb genau das Belohnungssystem verantwortlich für unsere Suchtanfälligkeit ist. Was passiert im Gehirn bei einer Abhängigkeit? Sucht ist, einfach gesagt, eine Fehlsteuerung im Belohnungs- und Verstärkungssystem des Gehirns. Suchtstoffe wirken, indem sie, ähnlich wie natürliche, körpereigene Botenstoffe, in unserem Gehirn bestimmte Stoffwechsel-Reaktionen auslösen. Daraus gehen Zustände wie Freude, Entspannung und Wohlbefinden hervor. Die entstehenden angenehmen Empfindungen halten, je nach Suchtstoff, nur einige Minuten oder mehrere Stunden an – danach schreit das Gehirn nach neuem Stoff. Alleine die Vorstellung, wie der Suchtstoff riecht, aussieht und schmeckt, kann für einen Suchtkranken schon den Weg zum nächsten Konsum bahnen. Welches sind die häufigsten Suchterkrankungen in der Schweiz?

Nach wie vor ist das die Alkoholsucht. Dann folgt die Nikotin- und danach die Cannabissucht. In den USA steigen die Zahlen von Opiatabhängigen. In der Schweiz sind diese Zahlen jedoch seit Jahren stabil.

geringen Mengen stimmungsaufhellend, und viele Betroffene versuchen, mit Alkohol ihre depressive Erkrankung selbst zu behandeln. Das Gleiche gilt für Angsterkrankungen, denn Alkohol ist für sie scheinbar ein gutes angstlösendes Mittel.

Eine Alkoholsucht geht häufig mit anderen Erkrankungen einher. Was weiss man darüber? Tatsächlich besteht ein enger Zusammenhang zwischen Depressionen und Alkohol. Nicht selten führt das eine zum anderen. Was zuerst da war, die Alkoholsucht oder die Depression, ist allerdings häufig nicht ganz klar. Denn der Teufelskreis aus Trinken, Scham und Depression schliesst sich oftmals sehr schnell. Man nimmt an, dass die depressiven Symptome bei Alkoholkranken meist die Folge des jahrelangen Alkoholmissbrauchs sind. Im umgekehrten Fall kann eine Depression auch zur Alkoholsucht führen. Alkohol wirkt in

Welche Rolle spielt die Genetik? Die Substanzabhängigkeit hat immer verschiedene Ursachen. Neben Umweltfaktoren wie Lebensereignisse oder Persönlichkeitsstruktur spielt die erbliche Veranlagung eine zentrale Rolle. Sind die Eltern oder ein Elternteil substanzabhängig, besteht für die Kinder ein deutlich höheres Risiko, ebenfalls eine Abhängigkeit zu entwickeln. Eine Untersuchung zeigte etwa den Unterschied bei adoptierten Söhnen. Söhne von alkoholabhängigen Eltern, die von Nichtalkoholikern adoptiert wurden, wurden später zu 40 bis 50 Prozent selbst alkoholabhängig.

Wie wird eine Suchterkrankung behandelt? Am Anfang ist es wichtig, ein Problembewusstsein zu entwickeln. Das kann im Kontakt mit dem Hausarzt oder im Familienkreis sein. Häufig ist es ein langer Weg, bis sich die Betroffenen ihr Suchtproblem eingestehen. Das weitere Vorgehen, ob ambulante Unterstützung bei einer Suchtstelle, Psychiater oder stationäre Einrichtung, muss dann individuell mit dem Betroffenen angeschaut werden. Kontakt MENTALVA Privatklinik Resort & Spa La Nicca Strasse 17 · CH-7408 Cazis T: +41 58 225 33 50 www.mentalva.ch

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Das Gehirn – Der Gesundheitsguide | 9

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Impressum Projektleitung: Michaela Pazderka, mp@xm-solutions.com Redaktion: Julia Borchert, Lars Christiansen, Nadine Effert, Tobias Lemser, Corinna Tonner V.i.s.d.P.: Nadine Effert Fotos: fotolia.com Produktion / Layout: Claudia Bachmann Druck: DZZ Druckzentrum Zürich AG Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Marc Kaars Sijpesteijn, ms@xm-solutions.com Xmedia Solutions AG, Hirschengraben 33, 6003 Luzern T: 044 998 11 33 Xmedia Solutions hat sich auf cross­mediale Publika­t ionen spezialisiert, welche in Tageszeitungen veröffentlicht werden. Inhalte von Unternehmensbeiträgen sowie Gastbeiträgen geben die Meinung der beteiligten Unternehmen wieder. Die Redaktion ist für die Richtigkeit der Beiträge nicht verantwortlich. Die rechtliche Haftung liegt bei den jeweiligen Unternehmen.

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Wenn Blitze durchs Gehirn zucken In der Tram, im Büro oder Supermarkt – epileptische Anfälle kommen völlig unerwartet. Wo Medikamente nicht helfen, kann eine OP Abhilfe schaffen, und zur Not schiebt ein kleiner Schrittmacher das Gewitter beiseite. Von Nadine Effert

Ein «Hirnschrittmacher» stimuliert in einem festen Rhythmus die Nervenzellen und unterdrückt so epileptische Anfälle.

I

n der Schweiz leben etwa 70’000 Menschen, davon etwa 15’000 Kinder, mit der neurologischen Krankheit Epilepsie. Sogenannte GrandMal-Anfälle, bei denen der ganze Mensch sich zusammenzieht und zuckt, prägen das Bild in der Bevölkerung. Dabei handelt es sich keineswegs um eine einheitliche Krankheit, und auch die Symptome treten unterschiedlich stark auf: von harmlos erscheinenden kurzen Aussetzern über verwirrtes Herumlaufen bis hin zu Verkrampfungen mit Bewusstlosigkeit – ausgelöst durch plötzliche, unkontrollierte Entladungen der Nervenzellen. Als Ursachen kommen Verletzungen von Nervenzellen etwa durch einen Schlaganfall, Hirnschädigungen oder -entzündungen, Tumoren oder Stoffwechselstörungen des Gehirns infrage. Epilepsie ist nicht erblich. Nur bei etwa zehn Prozent der Betroffenen liegt eine relevante erbliche Veranlagung vor. Durch eine medikamentöse Therapie mit sogenannten Antiepileptika bleiben zwei Drittel der Patienten anfallsfrei; bei einem Drittel bleibt die Krankheit schwer therapierbar und somit chronisch.

Auf den Millimeter genauer Eingriff Bei einem Teil dieser Patientengruppe könnte ein chirurgischer Eingriff helfen – vorausgesetzt die Anfallsursache beschränkt sich auf ein einziges Hirnareal. Mit einem neuen von Schweizer Neurologen entwickelten bildgebenden Verfahren konnte der Outcome des Eingriffs deutlich verbessert werden. Beim sogenannten high density electric source imaging (HD-ESI) werden dem

Patienten vor der OP insgesamt 256 Elektroden auf dem Kopf platziert – zehnmal mehr als bei der herkömmlichen Elektroenzephallografie (EEG). Kombiniert mit der dreidimensionalen Aufnahme aus dem MRT kann die Anfallsquelle im Gehirn mit dieser Methode millimetergenau lokalisiert werden. Die positive Bilanz der Forscher im Rahmen einer klinischen Studie: Knapp 80 Prozent der insgesamt 152 Epilepsie-Patienten, bei denen der Anfallsherd mit HD-ESI geortet wurde, sind nach dem Eingriff bis heute anfallsfrei und leiden unter keinerlei Beeinträchtigungen, zehn Prozent haben nur noch vereinzelt Anfälle. Die Erfolgsquote konnte dadurch um zehn bis 20 Prozent erhöht werden.

Im Takt gegen Krampfanfälle Seit einigen Jahren macht eine neue Therapie jenen Patienten Hoffnung, die auf Medikamente nicht anspringen oder bei denen andere neurochirurgische Eingriffe erfolglos blieben: die Tiefe Hirnstimulation (THS). Am Universitätsklinikum Tübingen in Deutschland setzten Ärzte im Jahr 2010 zum ersten Mal in Europa einem Epilepsie-Patienten Elektroden in das Gehirn. Der «Hirnschrittmacher» stimuliert in einem festen Rhythmus die Nervenzellen und unterdrückt so Anfälle. Laut einer vorangegangen US-Studie wird die Anfallshäufigkeit durch die Impulse im Schnitt um 40 Prozent reduziert.

Un t er n ehm ensbei t r ag

Un t er n ehm ensbei t r ag

Epilepsie im Zentrum

Tiefensystemische Suchtbearbeitung

Das UniversitätsSpital Zürich, das Kinderspital Zürich und die Schweizerische Epilepsie-Klinik der Klinik Lengg arbeiten enger zusammen.

Video- und EEG-Intensivmonitoring der Schweizerischen Epilepsie-Klinik der Klinik Lengg. Hier stehen an 365 Tagen im Jahr sechs Betten zur Verfügung, um Patientinnen und Patienten ununterbrochen von speziell ausgebildetem Fachpersonal für die Neurophysiologische Diagnostik zu betreuen und zu überwachen. Diese Überwachung ist unverzichtbar, wenn Antiepileptika abdosiert werden müssen, um Anfälle aufzeichnen zu können.

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pilepsien zählen zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Ihre Diagnose und Therapie ist das Spezialgebiet der Epileptologie. Heute können die Epilepsien vieler Patientinnen und Patienten erfreulicherweise sehr gut medikamentös behandelt werden. In manchen schwierigen Fällen helfen jedoch nur epilepsiechirurgische Operationen am Gehirn. Ob eine Operation möglich ist oder nicht, muss durch aufwendige Untersuchungen geklärt werden, die den Ursprungsort der Anfälle im Gehirn auffinden sollen. Diese Untersuchungen und die Operationen selbst verlangen die enge Zusammenarbeit vieler Spezialisten, weshalb sie auch zum Bereich der «hochspezialisierten Medizin» gehören. Auf allen Gebieten der Epileptologie ist in den letzten Jahren zwischen den in Zürich auf die Behandlung von Epilepsien spezialisierten Abteilungen des UniversitätsSpitals Zürich (USZ), des Kinderspitals Zürich (Kispi) und der Schweizerischen Epilepsie-Klinik der Klinik Lengg (EPI) eine enge Kooperation entstanden. Das Zentrum für Epileptologie und Epilepsiechirurgie (ZEE)

Zürich vereint nun die Spezialisten der beteiligten Einrichtungen. Es wird getragen von den Kliniken für Neurologie, Neurochirurgie und Neuroradiologie des USZ, von der Abteilung Neurologie des Kispi und der EPI. Das ZEE strebt die bestmögliche klinisch-epileptologische Versorgung der Patientinnen und Patienten an, indem es den Zugang zu den Spezialistinnen und Spezialisten erleichtert. Zudem hat sich das ZEE die Intensivierung und bessere Vernetzung der epileptologischen Forschung auf dem Forschungsplatz Zürich und international zum Ziel gesetzt.

Kontakt Klinik Lengg AG +41 44 387 67 67 www.kliniklengg.ch www.usz.ch www.kispi.uzh.ch

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ls der kleine Prinz den Säufer traf, fragte er ihn nach dem Grund seines Trinkens und dieser antwortete, er tue dies, um zu vergessen. Und der kleine Prinz fragte weiter und bekam zu Antwort, weil er sich schäme. Abschliessend, nach weiterem Nachfragen, kam: «Ich schäme mich, weil ich saufe!». Erklärungsversuche von Sucht sind häufig eindimensional: Persönlichkeit, Krankheit, Gene oder Lebensumstände. Aus der praktischen Suchtbearbeitung wissen wir jedoch, dass nur die Betrachtung des ganzen Menschen – also Biografie, Familie, der alltägliche Umgang mit dem Leben – es erlaubt, Sucht am konkreten Fall zu verstehen. Dann erst lassen sich wirksame Handlungsweisen und therapeutische Möglichkeiten ableiten. Die Neurobiologie vertieft dieses Verständnis, auch wenn dort häufig der Fokus nur auf dem «süchtigen Gehirn» liegt und nicht auf dem ganzen Menschen. Die Neurobiologen Robinson und Berridge etwa formulieren in ihrer «incentivesensitization theory», dass Drogen im mesolimbischen System (insbesondere der Nucleus accumbens) Prozesse auslösen, die dazu führen, dass bei fortschreitendem Konsum die drogenspezifische Wirkung immer schneller ausgelöst wird (Sensitivierung). Hinzu kommen klassisch-konditionierte Lernprozesse, die dem Gesamtkontext des Drogengebrauchs eine quasi überlebenswichtige Bedeutung aus subjektiver Sichtweise zuweisen. So wundert es nicht, dass weder Motivation noch intellektuelle Einsicht allein für eine Genesung von schwerer Drogensucht ausreichen. Die Arbeit mit Süchtigen zeigt, dass diese nicht nach den Substanzen per se, sondern nach den körperlich fühlbaren Empfindungen süchtig sind, die diese im Körper auslösen. Dies führt zu zwei wichtigen Fragen und Schlussfolgerungen: Um was geht es bei Sucht? Um das Fühlen bestimmter körperlicher Empfindungen. Und wie

sieht der Weg aus der Sucht aus? Lernen, mit diesen Empfindungen gleichmütig umzugehen. In Zürich setzt das Zentrum für Suchttherapie start again diese Erkenntnisse umfassend und mit Erfolg seit über 20 Jahren um. Der hier entwickelte tiefensystemische Ansatz zeichnet sich besonders dadurch aus, dass etwa die Bereiche Individuum, Peer-Ebene und berufliche Chancen mit der Tiefenbearbeitung von Sucht kombiniert werden. Letzteres wird durch Vipassana-Meditation geleistet, durch die ein neuer Umgang mit der eigenen Empfindungswelt gelernt wird. Sucht ist eine veränderbare Grösse. Darüber hinaus gelang es, die Tiefensystemik in anderen Bereichen wie Führung, Case Management und Arbeit mit Jugendlichen erfolgreich einzusetzen. Literaturhinweise: Gürtler, L., Studer, U., & Scholz, G., (2010). Tiefensystemik. Band 1. Lebenspraxis und Theorie. Wege aus Süchtigkeit finden. Münster: Monsen­ stein und Vannerdat. Scholz, G. (2015). Tiefensystemische Führung und Kommunikation: Humberto Maturana weiter gedacht und gelebt. Lernende Organisation, 88, 16–29.

Weiterführende Links und Kontakte Dr. Leo Gürtler, info@guertler-consulting.de www.tiefensystemik.net www.startagain.ch www.move-tageszentrum.ch


10 | Das Gehirn – Der Gesundheitsguide

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Interdisziplinär und individuell zum Erfolg Ob in der Rehaklinik oder im ambulanten Zentrum: Schweizweit bieten sich für Patienten mit Hirnschlag, Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson umfassende neurorehabilitative Angebote. sozialen Leben teilhaben und so selbstständig wie möglich leben zu können.

Von Tobias Lemser

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ie sind selten angeboren und entwickeln sich erst im Laufe des Lebens: neurologische Erkrankungen. Sie können sowohl das zentrale, als auch das periphere Nervensystem betreffen und angesichts ihrer Komplexität zu verschiedenen Krankheitsbildern führen. Beispielhaft hierfür sind Hirnschlag, Schädel-Hirn- und RückenmarksVerletzungen, Morbus Parkinson und Multiple Sklerose.

Neue Nervenzellen dank Reha Da deren Krankheitsverläufe nicht nur akut, sondern auch chronisch und vor allem mit den verschiedensten Symptomen auftreten können, ist es wichtig, für jeden Patienten ein individuelles Behandlungsprogramm zu erstellen. Dabei von besonderer Bedeutung ist die Neurorehabilitation, mithilfe derer die eingeschränkten körperlichen und geistigen Funktionen erkrankter Patienten wiederhergestellt werden sollen. Denn anders als Neurologen lange annahmen, ist das Gehirn in der Lage, auf eine Schädigung von Hirnarealen und das Absterben von Hirnzellen zu reagieren, beispielsweise indem es neue Nervenzellen bildet und die Nervenverbindungen untereinander umorganisiert. Unterstützt wird dieser Anpassungsprozess durch rehabilitative Therapien. Ziel ist es, neurologisch Erkrankte so in den Alltag zu integrieren, dass sie wieder am

Stationär oder ambulant Prinzipiell können Patienten hierzulande rehabilitative Massnahmen zuhause, ambulant an einem Zentrum oder stationär in spezialisierten Rehabilitationskliniken durchführen. Stationäre neurorehabilitative Behandlungen punkten vor allem aufgrund ihrer ganz besonderen Expertise für bestimmte Krankheitsbilder, ihrer adäquaten pflegerischen Unterstützung und hohen Inten­ sität. Einen positiven Effekt hat zudem die enge Zusammenarbeit zwischen Akuttherapie und Rehabilitation, da es weniger Informationsverlust und eine einheitliche Behandlungsdoktrin gibt.

Vernetzter, therapeutischer Ansatz Ebenso bedeutend ist die interdisziplinäre Struktur: Arbeiten doch die rehabilitativ Therapierenden aus Physio- und Ergotherapie, Logopädie, rehabilitativer Pflege und Neuropsychologie interaktiv zusammen, was sich besonders positiv auf die Genesung der Patienten auswirkt. Vielfach gekoppelt ist dieses umfassende Programm mit einer Ernährungsberatung. Darüber hinaus ist die moderne Rehabilitation heutzutage erheblich individueller, vielseitiger und vor allem ganzheitlicher. Der Mensch und seine Geschichte rücken in den Fokus.

Forschung gibt Hoffnung Um schwerstgelähmten Menschen zukünftig zu mehr Unabhängigkeit zu verhelfen, könnten Gehirn-Computer-Schnittstellen, sogenannte Brain Computer Interfaces von grosser Bedeutung sein – eine Technik, die neue Erkenntnisse über die Funktion des Gehirns und neue Therapieansätze ermöglicht, um den Patienten ein Stück Lebensqualität zurückgeben zu können. Neurologen sprechen von einer der vielversprechendsten und hochinnovativsten Forschungsbereiche der Neuromedizin, insbesondere für Patienten mit Querschnittslähmung. So soll langfristig erreicht werden, dass Computer eingeschränkte Funktionen bei Patienten wahrnehmen und diese letztlich umsetzen können – mit dem Ziel, dass beispielsweise Gedanken den Cursor am PC steuern oder Arm-Prothesen bewegen. In Gänze praxistauglich ist die Technik allerdings noch nicht, als fragwürdig ist zudem noch der ethische Aspekt zu anzusehen.

Nach einer neurologischen Erkrankung sind spezielle, breit aufgestellte Reha-Angebote unerlässlich für die Genesung der Patienten.

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Verstehen statt nur Hören Viele Schwerhörige vertrauen einzig und allein Hörgeräten, um besser zu verstehen. Dabei ist Verstehen nicht nur Sache der Ohren, sondern auch des Gehirns. Das Gute: Dieses lässt sich trainieren.

Innovativ: Die Kombination von Training für das Gehirn mit Technik für die Ohren. Fast jeder fünfte Schweizer ist schwerhörig, fast jeder zehnte leidet unter einem Tinnitus. Und so unterschiedlich die Gründe dafür sind, so ähn­ lich sind die Folgen einer unbehandelten Hör­ minderung: geistige Abwesenheit, frühes Ermü­ den, zunehmender Rückzug aus dem sozialen Leben.

Degeneration der Hörfilter

Viele Betroffene setzen all ihre Hoffnungen in die Technik: Hörgeräte. Tatsächlich hören sie beim erstmaligen Einschalten plötzlich wieder die Vögel zwitschern oder den Regen plät­ schern. Unbefriedigend bleibt das Hörverste­ hen jedoch in komplexeren Situationen – etwa einem Gespräch im Restaurant. Die Betroffe­ nen vermögen die unterschiedlichen Geräusche

GUTSCHEIN

nicht zu differenzieren. «Schon im Kindesalter entwickelt unser Gehirn eine Art Hörfilter, Sy­ napsen, die wichtige Töne von unwichtigen un­ terscheiden», erklärt Ohrenspezialist Dr. med. Marc Unkelbach. «Liefern unsere Ohren auf­ grund einer Hörminderung immer weniger akustische Signale, verkümmern die Hörfilter.» Als Resultat beklagen sich Schwerhörige oft, dass sie mit Hörgeräten zwar mehr hören, aber nicht unbedingt besser verstehen.

Wieder besser verstehen

Die gute Nachricht: Betroffene können die Fil­ terfunktion des Gehirns rehabilitieren – durch das Gehörtraining, das der Audiotherapeut Andreas Koj in Zusammenarbeit mit Fachärzten für Ohrenheilkunde und Lerndidaktikern ent­ wickelt hat. Ein kleiner Lerncomputer und ein innovatives Lernprogramm genügen, um da­ heim täglich 45 Minuten die Hörfilter zu trai­ nieren. «Nach nur 30 Tagen sind Erfolge spürbar und messbar», weiss Andreas Koj. Seit zwei Jahren bietet er seine neuartige Gehörtherapie exklusiv in der Schweiz an – mit grossem Erfolg für die Patienten. Dabei stellt Koj klar: Seine Therapie ersetzt kein Hörgerät. Im Gegenteil: In vielen Fällen liefert erst das Gehörtraining die nötigen Erkenntnisse, um das optimale Hörge­ rät zu finden und richtig einzustellen.

Sichern Sie sich einen von 200 kostenlosen Studienplätzen für die Gehörtherapie im Wert von CHF 745.–

Was erwartet mich im KOJ-Institut? • Gehöranalyse mit präzisen audiologischen Messungen • Persönliche Beratung bei Hörminderung, Tinnitus, Überempfindlichkeit, Aufmerksamkeitsdefizit • Möglichkeit zur Teilnahme an der laufenden Studie • Bis zu 20 Lektionen Gehörtraining mit Lerncomputer • Auswertung der individuellen Fortschritte • Erprobung der passenden, dezenten Hörgeräte

Anmeldung bis zum 22.12.2015 T 044 350 43 43 Auf 200 Teilnehmer begrenzt, Studien­Code: SZ12

Schwerhörige, die bereits ein Hörgerät besitzen, können im KOJ­Institut ein individuell abge­ stimmtes Training zur Rehabilitation der Hör­ filter absolvieren. Und wer einfach das Gefühl hat, er höre oder verstehe nicht mehr gut, lässt am besten eine unverbindliche und kostenlose Gehöranalyse durchführen. Auch Ohrenspezia­ list Dr. med. Marc Unkelbach empfiehlt seinen Patienten: «Warten Sie nicht zu lange ab, son­ dern bewahren und aktivieren Sie das natürli­ che Potenzial Ihres Gehirns.»

Mit dem eigens entwickelten KOJ-Lerncomputer können Patienten ihr Gehör bequem zu Hause trainieren. 45 Minuten, 30 Tage – und Sie werden besser verstehen.

«Wer wirklich wieder gut verstehen will, sollte sein Gehör trainieren.» Dr. med. Marc Unkelbach Ohrenspezialist

Hör- und messbare Ergebnisse: Audiotherapeut Andreas Koj erklärt das Gehörtraining.

Ausweitung der Studie mit Uni Zürich Nach erfolgreichen Ergebnissen einer inter­ nen Studie ist eine Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut der Universi­ tät Zürich geplant. Die Forschungsgruppe «Neuroplastizität und Lernen des gesunden Alterns» (INAPIC) unter Leitung von Prof. Dr. Martin Meyer will die Trainingsergeb­ nisse aus der KOJ­Studie auswerten. Die Zusammenarbeit soll neue Erkenntnisse über die Anpassung von Hörgeräten liefern. Für die Ausweitung der Studie «Fortschritt­ liche Methoden der Gehörtherapie» vergibt das «KOJ­Institut für Gehörtherapie» 200 kostenfreie Studienplätze für die Gehörthe­ rapie (siehe unten).

T 044 350 43 43 info@koj-training.ch www.koj-training.ch 8006 Zürich, Walchestrasse 17 6300 Zug, Metallstrasse 2


Dezember 2015

Das Gehirn – Der Gesundheitsguide | 11

I n t er vi e w

Das Leben neu lernen – Rehabilitation ebnet Wege nach dem Trauma Bewährte Konzepte und neue Chancen: Neurowissenschaft und Lernpsychologie prägen die moderne Rehabilitationsmedizin.

W

ir kennen diese Szene aus Kinofilmen: Der Filmheld liegt nach einem schweren Unfall bewusstlos auf der Intensivstation, Monitore piepen und schon die nächste Kameraeinstellung bringt die Wende: Der Patient erwacht, steht auf und geht davon – ganz ohne Mühe, meist ohne Hilfsmittel. Der Realität entspricht das nicht. Das Leben schreibt in der Tat leider oft andere Drehbücher. In der Schweiz erleidet alle 30 Minuten ein Mensch einen Schlaganfall. Circa 12‘500 Menschen in der Schweiz erkranken pro Jahr an einer Durchblutungsstörung des Gehirns. Rund 5‘000 Menschen haben nach einem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Verletzung des Rückenmarks. Nach der Versorgung im Akutspital müssen die Betroffenen oft sehr lange und hart arbeiten für ihr persönliches «Happy End». Die Erholung des Nervensystems und seine Neuorganisation sind eine Vollzeitaufgabe auf Lebenszeit. Das Gehirn und das Rückenmark erholen und regenerieren sich in verschiedenen Stadien. Nervenzellen vernetzen sich neu. Für die betroffenen Patientinnen und Patienten bedeutet das oft, ihr Leben und ihren Alltag ganz neu zu erlernen. Wann ist eine stationäre Rehabilitation erforderlich? In welchen Fällen ist eine ambulante Behandlung ausreichend? Wenn Lähmungen, Sprachstörungen und veränderte Hirnleistungen die Betroffenen im Alltag unselbstständig und abhängig machen, ist klar eine stationäre Rehabilitation angezeigt. Nur mit diesem Setting lässt sich die erforderliche Anzahl und Intensität von Therapien für die Patienten sinnvoll herstellen und das Potenzial des Nervensystems zur Wiedererholung ausschöpfen. Teilstationäre, tagesklinische und ambulante Rehabilitation sind erst dann sinnvoll und erforderlich, wenn der betroffene Patient seine Selbstständigkeit für tägliche Abläufe wieder erlangt hat: Es besteht keine Spitalbedürftigkeit mehr, und es geht um weitere Verbesserungen für den begleiteten Rückweg in einen Alltag mit angepassten Anforderungen. Was erwartet den Patienten konkret in der statio­ nären Reha? Die Rehabilitation beginnt schon am Tag der Erkrankung oder des Unfalls, also noch in der Akutklinik. Ist die Erstbehandlung abgeschlossen, übernehmen wir im REHAB Basel die Betroffenen in vielen Fällen gerade von der Intensivstation in

Zum Unternehmen

REHAB Basel Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie T: +41 (0) 61 325 00 00 www.rehab.ch

Tiergestützte Therapie im REHAB Basel: Den Patienten gelingen einfache Alltagstätigkeiten besser, sie sind motivierter und länger bei der Sache, wenn ein Tier als Co-Therapeut in Spiel kommt. Eine wissenschaftliche Studie untersucht derzeit am REHAB die Effekte dieser neuen Therapieform in der Neurorehabilitation.

die Frührehabilitation, oftmals noch mit Kanülen, Kathetern und Teilbeatmung. Wir beginnen genau dort mit dem Patienten, wo er mit seinen Möglichkeiten steht: Sitz und Stand mit Hilfe statt Liegen, die Frühmobilisation beginnt. Der Patient wird mehr und mehr selbst zum Akteur. Art, Umfang und Länge der Therapien sind abhängig vom Ausmass der funktionellen Einschränkungen. Die beeinträchtigten motorischen, sprachlichen und kognitiven Funktionen müssen genau erfasst und zielgerichtet neu erlernt und trainiert werden. Begleiten, unterstützen, fordern und fördern in einem oftmals langwierigen Prozess des Neulernens und der Neuorientierung – das ist die Aufgabe des interprofessionellen Rehabilitationsteams. Ärzte, Logopädinnen, Ergo-, Physiotherapeuten, Psychologinnen und therapeutisch Pflegende sind im besten Fall auch Begleitende, Coaches, Motivatorinnen und Schrittmacher. Oft randvolle Therapiepläne sind die Basis für den Erfolg. Was hat sich in der Rehabilitation geändert? Die Rehabilitationsmedizin war im vergangenen Jahrzehnt selbst eine interprofessionelle, bewegliche Plattform mit grosser Lernkurve, und sie ist es weiterhin. Impulse und Wissen

Bei dieser Neurofeedback-Therapie werden Gehirnstromkurven (EEG-Wellen) des Patienten in der Sitzung automatisch analysiert. Durch visuell-akustische oder taktile Rückkoppelung können die Betroffenen unbewusst erlernen, ihre Gehirnwellenaktivität zu beeinflussen und zu trainieren. Dies dient in der Rehabilitation der Förderung der Wachheit, Aufmerksamkeit und Verbesserung der Hirnleistungen. Ein Forschungsprojekt im REHAB Basel klärt den Einfluss der Technik auf die Rehabilitationsverläufe.

aus der Verhaltens- und Lernpsychologie, aus den Neurowissenschaften und der Sporttherapie sind eingeflossen und hielten Einzug ins Patientenzimmer. Wenn es um Reha-Inhalte geht, ist etwa der Roboter zum Co-Therapeuten geworden. Die Gangrehabilitation erlebt hier gerade eine regelrecht technische Revolution. Vom ersten Stehen bis hin zum flüssigen Gangbild steht Robotik zur Verfügung. Der Patient nimmt trotz Lähmungen von Beinen und Armen geführt Bewegungen wieder auf, die eigentlich noch unmöglich wären. Durch repetitive Bewegungseinheiten wird kortikale Plastizität angebahnt. Das alles ersetzt aber keineswegs die erfahrene Physiotherapeutin. Welche weiteren Chancen eröffnen sich für die Patienten? Die Sprachtherapie der Logopädie in der Rehabilitation zielt heutzutage auf den frühen Erwerb von Kommunikationsstrategien mit allen Mitteln ab. Diese werden «zum Sprachrohr» für betroffene Patientinnen und Patienten mit Aphasien. Das Tablet ist dabei längst ein willkommenes Hilfsmittel. Neue Therapieverfahren sehen Techniken der mentalen Vorstellung (Imagery) und Videotherapie als Trigger für kortikale Plastizität, welche unabhängig und ergänzend neben den konventionellen, klassischen Therapieverfahren ihren Stellenwert für Reorganisationsprozesse liefern. Ein inzwischen fest etabliertes, interdisziplinäres Konzept für Ergo- und Physiotherapie ist die Spiegeltherapie. Bei einer Halbseitenlähmung sitzt der Patient so vor dem Spiegel, dass sich der gesunde Arm in seinem Blickfeld befindet. Beim SpiegelTraining entsteht die visuelle Illusion, dass sich die gelähmte Seite so gut bewegen kann wie die gesunde. Das Gehirn wird praktisch ausgetrickst. Am REHAB Basel hat jenseits der neuen Technik die besondere Beziehung zwischen Mensch und Tier eine ganz besondere Bedeutung in der Rehabilitation. In der Animal Assisted Therapy (AAT) nutzen wir diese zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten aus und haben in den vergangenen Jahren sehr ermutigende Erfahrungen gemacht: Das Gangbild des Patienten wird aufrechter und flüssiger, die Mimik besser und die Motivation grösser, wenn Hase, Esel, Meerschweinchen, Katze oder Huhn ins Spiel kommen. Eine umfassende erste Verhaltensstudie zu diesem Thema werten wir gerade aus. Wie lassen sich verloren gegangene Hirnleistungen trainieren? Neuropsychologische Diagnostik und Therapie beginnen als Bedside-Test in der Frühphase

Das REHAB Basel ist eine hochspezialisierte Klinik für Neurorehabilitation und Para­ plegiologie. Schwerpunktmässig nimmt sie Patienten mit einer Hirnverletzung und/oder Querschnittlähmung auf. Zum Angebot gehören Wachkoma-Station, Übungs­ wohnen, Tagesklinik und eine lebenslange Nachsorge.

und begleitet den Patienten massgeschneidert im gesamten Rehabilitationsverlauf. Das neuropsychologische Störungsprofil gibt auch vor, wie und wann der Patient für welche Therapieziele optimal gefördert werden kann. In der nahen Zukunft wollen wir am REHAB ebenfalls funktionelle kortikale Stimulationsverfahren gezielt in der Neurorehabilitation einsetzen, um die Hirnplastizität zu fördern und kurzfristig bessere Behandlungserfolge für ein langfristig besseres Outcome zu erzielen. Schon jetzt setzen wir in unserer Klinik das «Neurofeedback» als BioFeedback-Verfahren bei unseren Patienten ein und studieren seine Effekte in einer eigenen klinischen Studie. Der Hintergrund: Die Gehirnstromkurve erlaubt nach technischer Analyse Rückschlüsse auf Aufmerksamkeits- und Bewusstseinszustand unserer Patienten. In der Neurofeedback-Sitzung lernt der Patient mittels Feedback ohne grosse Anstrengung eine bessere Selbstregulation über ein gezieltes «Training» der Hirnströme. Dies kann er im besten Fall für ein verbessertes Rehabilitationspotenzial nutzen.

Zur Autorin PD Dr. med. Margret Hund-Georgiadis Chefärztin und medizinische Leitung Margret Hund-Georgiadis ist seit 2013 Chefärztin am REHAB Basel. Für sie bedeutet Neurorehabilitation stetiges Neu-Lernen für alle Beteiligten, Patient und Therapie-Team.


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