07 Das Stadtmagazin für Jena & Region, Ausgabe 77, Mai 2016

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September Mai 2016 2012

Shakespeare am Theaterhaus

IVAR VAN URK (Regie) und FRIEDERIKE WEIDNER (Dramaturgie)

EIN KLASSIKER DER LITERATURGESCHICHTE FINDET IM MAI SEINEN WEG AUF DIE BÜHNE DES THEATERHAUSES JENA:

»Macbeth« von William Shakespeare. Klassisches Theater also? Halt! Dramaturgin Friederike Weidner und Regisseur Ivar van Urk räumen in unserem Gespräch endlich einmal mit falschen Vorstellungen über Shakespeare auf.

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ie meisten von uns dürften bereits zu Schulzeiten mit »Macbeth« zu tun gehabt haben. Fassen wir die Geschichte aber dennoch einmal kurz zusammen: Macbeth kämpft im Heer des schottischen Königs Duncan und avanciert zum Kriegsheld. Direkt nach seiner Heimkehr steigt er in seiner Position auf — was insofern beunruhigend ist, weil es ihm vorausgesagt wurde. Seine Ehefrau sieht nun die Chance, große Macht zu erlangen und überredet ihren Gatten, den König umzubringen, um selbst den Thron erklimmen zu können. Dieses Vorhaben gelingt, allerdings kommen beide mit ihrer Tat nicht zurecht: Macbeth ist traumatisiert vom Krieg und völlig überfordert in seiner neuen Position, seine Frau dagegen hat ständig den Anblick des toten Königs vor Augen. Man kann es sich also schon denken, gut wird diese Geschichte nicht ausgehen. POSTTRAUMATISCHE­ BELASTUNGSSTÖRUNG »In ›Macbeth‹ sehen wir eine Gesellschaft, in der Kriege unhinterfragt zur Lebensrealität gehören und in der Machtstreben völlig selbstverständlich ist. Alle wollen Karriere machen und mit allen Mitteln ihre Macht behalten. Dazu gibt es keinen alternativen Lebensentwurf«, so Dramaturgin Friederike Weidner. »Zudem beschreibt Shakespeare das, was wir heute unter »Posttraumatische Belastungsstörung« kennen. Zu seiner Zeit existierte dieser abstrakte Ausdruck natürlich noch nicht. Doch die Auswirkungen auf die Soldaten gab es schon immer — dieses Leid hat sich ja nicht erst in modernen Zeiten entwickelt.«

Viele der Zustandsbeschreibungen laufen bei »Macbeth« — so wie auch bei vielen anderen Shakespeare-Stücken — über Monologe. Regisseur Ivar van Urk: »Psychologisch ist das sehr interessant. Nach den Monologen sind die Protagonisten andere Personen als vorher. Man kann exakt nachverfolgen, warum sich ein Mensch in seinen Ansichten oder Vorstellungen ändert. Das ist ganz faszinierend, was Shakespeare da geschaffen hat.« »Macbeth« ist übrigens kein Stück für zartbesaitete Gemüter. Ivar van Urk: »Es geht schon ordentlich zur Sache. Das bringen wir auch auf die Bühne, denn es gehört zu ›Macbeth einfach dazu. Wir verzichten dabei aber auf Blut oder ähnliches. Aber es dreht sich nun einmal auch um große Schlachten, die können wir nicht einfach unter den Tisch kehren.« Friederike Weidner ergänzt: »Es geht uns auch um das Sichtbarmachen des Krieges und seiner Gräuel. Nach einer Schlacht sind die Toten ja nicht einfach wie im Film verschwunden.«

bilden oftmals nicht den wahren Shakespeare ab, sondern ihre jeweilige Zeit und die damit verbundene Vorstellung von Theater.« Ivar van Urk ergänzt: »Wir haben uns durch viele Übersetzungen gearbeitet und uns dann für die von Thomas Brasch aus dem 20. Jahrhundert entschieden. Sie ist die unserer Meinung nach am besten gelungene, folgt dem Rhythmus des Originals und bietet gute und klar sprechbare Sätze. Diese Übersetzung hat eine gewisse Schönheit — Shakespeares Bilder werden von ihr hervorragend übertragen.« Mit diesem Hintergrundwissen verwundert es auch nicht, dass es zu Shakespeares Zeiten durchaus tumultartig auf der Bühne und im Publikum zuging. Friederike Weidner lacht: »Da wurde während des Stückes gegessen und gegrölt.« So weit muss es ja nicht wieder kommen. Haben wir also ein falsches Bild von Shakespeare? »Das nun nicht unbedingt«, so Friederike Weidner. »Es hängt aber wirklich viel von der jeweiligen Übersetzung ab. Die schlechtesten lasten schwer auf Shakespeare. Seitdem ist er irgendwie in DIE ÜBERSETZUNG GIBT DEN ›TON‹ AN seinem Klischee gefangen.« Es wird also Zeit, Erwartet die Zuschauer nun ein typischer das zu ändern! (mst) und klassischer Shakespeare? Hier sind sich Friederike Weidner und Ivar van Urk schnell einig sind. »Man muss sich fragen: Was ist denn eigentlich ein ›klassischer‹ Shakes»Macbeth«: am 03., 05., 06., 07., 27. peare?«, so Friederike Weidner. Viel hängt und 28.05.2016 jeweils um 20 Uhr auf beim bekanntesten englischen Dichter nämder Hauptbühne des Theaterhauses lich von der Übersetzung ab — und von diesen Jena. gibt es viele. »Gerade die alten ÜbersetzunKarten und weitere Informa­tionen sind gen sind häufig etwas blumig und verschwurerhältlich unter: belt geraten. Das ist einfach der Zeit geschulwww.theaterhaus-jena.de det, in welcher sie angefertigt wurden. Sie

Foto: Michael Stocker

| THEATERHAUS JENA |


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