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Neues fürs Heimkino
| FILME |
Eine schrecklich nette Familie
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Es war ein Ereignis, das nicht nur die Modewelt in Aufruhr versetzte. Die Ermordung des GucciErben Maurizio Gucci (Adam Driver) sorgte 1995 weltweit für Schlagzeilen. Bezeichnend dabei war, dass die Frau schnell eine Verdächtige ins Visier aus seinem unmittelbaren Umfeld ins Visier nahm, von der bekannt war, dass sie auf das Opfer alles andere als gut zu sprechen war — Maurizios Ex-Frau Patrizia Reggiani (Lady Gaga). Während diese sich mit allen Mitteln gegen die Vorwürfe wehrte und auf ihrer Unschuld beharrte, kamen nach und nach immer neue Details ans Tageslicht, vor allem über die Geschichte ihrer Beziehung. Verschiedene Intrigen um die Vorherrschaft innerhalb der Gucci-Familie, eine geheime Affäre ihres Mannes und der daraus hervorgehende zwanghafte Wunsch nach Rache bei gleichzeitiger finanzieller Abhängigkeit formten ein wenig schmeichelhaftes Bild von Patrizia in der Öffentlichkeit, das die Boulevardpresse über Monate hinweg befeuert. Als es zum Gerichtsprozess kommt, kommt schließlich die Wahrheit ans Tageslicht: Patrizia hatte Profikiller angeheuert, um ihren Ex-Mann ermorden zu lassen. Regisseur Ridley Scott inszeniert seinen auf wahren Begebenheiten beruhenden Film »House of Gucci« als opulent ausgestattete italienische Upperclass-Seifenoper, die so schrill ist, dass sie schon wieder gut ist. Was weniger der schrägen Story, als vielmehr der bis in die kleinste Nebenrolle starbesetzten Darstellerriege zu danken ist, die dermaßen hemmungslos ihre Figuren überzeichnen, dass man kaum anders kann als sich köstlich zu amüsieren — und das über zweieinhalb Stunden! Selten so eine unterhaltsame Soap gesehen! (mei)
HOUSE OF GUCCI Ab 10.03.2022 auf DVD, Blu-ray und VoD
Überragende Literaturverfilmung
Berlin um 1930. In der Hauptstadt mäandert das Leben zwischen Vergnügen und Resignation, Kriegstraumata und Dekadenz, Weltwirtschaftskrise und politischem Extremismus. Mitten drin drei jungerwachsene Figuren, halt- und ruhelos, nach einer unbekannten Zukunft strebend, verstrickt in einer gemeinsamen Liebes- und Freundschaftsgeschichte: Zum einen Jakob Fabian (Tom Schilling), Moralist, Flaneur und Ironiker, der sich als Werbetexter bei einer Zigarettenfabrik verdingt, aber von einem Dasein als unabhängiger Schriftsteller träumt und alles, was ihm während seiner Streifzüge durch die Nacht als ironisierender Beobachter auffällt, in sein kleines Notizheft einträgt. Zum anderen Cornelia Battenstein (Saskia Rosendahl), eigentlich Juristin, viel lieber aber Schauspielerin, in Fabian sich unsterblich verliebt, nachdem er seinen ›Propagandistenjob‹ verloren hat. Und schließlich noch Stephan Labude (Albrecht Schuch), sein bester Freund aus reichem Hause, der tagsüber dem Weltschmerz, nachts dafür hedonistischen Idealen nachsinnt … Es ist ein Glück und eine Freude, zu sehen wie Regisseur Dominik Graf es geschafft hat, die Romanvorlage von Erich Kästner in einen an sich stillen und doch zärtlich intensiven Film zu verwandeln, der seinen drei prägnant und einprägsam gezeichneten Protagonisten tatsächlich all die Zeit zur Entfaltung gibt, die es braucht, um die vielen Momente des Glücks und des Unglücks, die »Fabian« ausmachen, nicht nur in Balance zu halten, sondern auch tatsächlich erfahrbar zu machen — und zu all dem auch noch die passende Bildsprache findet. Großartiger, traurig-schöner Film. (mei)
FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE Seit 14.01.2022 auf DVD, Blu-ray und VoD
First Lady of Soul
Es war gewissermaßen Wunsch und Fügung zugleich: Als Aretha Franklin 2018 im Alter von 76 Jahren verstarb, sang Jennifer Hudson während des Abschiedsgottesdienst jenen Gospelklassiker »Amazing Grace«, mit dem die Soul-Ikone einst berühmt geworden ist. Zu jenem Zeitpunkt war für Hudson längst klar, dass sie Aretha Franklin auch über diesen Moment des Abschied hinaus verbunden sein würde, denn die First Lady of Soul hatte sie vorab höchstpersönlich für das Biopic ausgewählt, das über sie gedreht werden sollte — und wäre ohne Zweifel auch mit Ergebnis sehr glücklich gewesen: »Respect« leuchtet musikbiografisch verschiedene Stationen ihrer Karriere wie auch die Schicksalsschläge ihres Lebens aus, von ihren ersten Auftritten als Kind bei Partys ihrer Eltern über jene schmerzvollen Phasen, in denen es ihr endlich gelingt, sich vom Einfluss übergriffiger Männer zu befreien bis hin zur Aufnahme ihrer erfolgreichsten Platte »Amazing Grace« im Jahr 1972. Auch wenn das Biopic die Lebensgeschichte Aretha Franklins in der nun doch schon etwas abgenutzt klassischen Struktur von Aufstieg, Zusammenbruch und Wiedergeburt erzählt, ist der Film dank seines herausragenden Schauspielensembles jede Minute wert — allen voran Jennifer Hudson, deren eindrucksvolle Verkörperung des gepriesenen Idols sich definitiv hinter dem Original verstecken muss. (mei)