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Im Schatten des Obelisken

| FUNDSTÜCK |

UNWEIT DES GRABMALS FÜR CARL ZEISS AUF DEM JOHANNISFRIEDHOF ist im vergangenen Herbst das lange Zeit verschollene und durch glücklichen Zufall wiedergefundene Grabkreuz seiner ersten Ehefrau aufgestellt worden. Bertha Zeiss war 1850 nur wenige Monate nach beider Hochzeit bei der Geburt des gemeinsamen Sohnes, Roderich Zeiss, ums Leben gekommen.

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DAS GRABKREUZ VON BERTHA ZEISS und das Grabmal von Carl Zeiss auf dem Johannisfriedhof.

Glücklicher Fund zu einem traurigen Ereignis: Als der Jenaer Frank Wiedemann 2018 ein Grundstück in Stadtroda erwarb, staunten er und sein Sohn Laurenz nicht schlecht, als sie auf dem Gelände unversehens auf ein altes gusseisernes Kreuz stießen. Trotz der stark verwitterten Buchstaben vermochten sie zu ihrer großen Überraschung einige Zeit später einen berühmten Familiennamen darauf zu entziffern: »Zeiss« — Bertha Zeiss. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem Fundstück um das Grabkreuz von Carl Zeiss’ erster Ehefrau, die unter tragischen Umständen am 24. Februar 1850 im Alter von nur 22 Jahren in Jena verstorben und auf dem Garnisonfriedhof, heute Johannisfriedhof, beigesetzt worden war. »Theilnehmenden die traurige Nachricht, dass es Gott gefallen hat, meine gute Bertha, geborene Schatter, in Folge ihrer ersten Niederkunft am 24. vor. Mon. wieder zu sich zu nehmen. Für die mir bei diesem herben Unglücksfall vielfach bewiesene Theilnahme meinen wärmsten Dank«, hieß es in einer Todesanzeige, die Zeiss in den »Blättern von der Saale« am 2. März 1850 veröffentlichen ließ. Das schlichte Kreuz, mit dem seinerzeit das Grab versehen worden war, hatte sich vermutlich in dem Teil des Friedhofs befunden, der 1938 dem Bau der neuen Fernstraße nach Weimar hatte weichen müssen. Für die lokalgeschichtlich interessierten Finder stand vollkommen außer Frage, wo das Kreuz am besten aufgehoben ist: Es wurde von ihnen an den »Förderverein Johannisfriedhof« übergeben, inzwischen restauriert und im September 2021 unweit des repräsentativen Grabmals von Carl Zeiss aufgestellt. Der Firmengründer war mit 72 Jahren am 3. Dezember 1888 verstorben und ebenfalls dort begraben worden. Das »schwere Leid«, das er durch den Tod seiner ersten Frau erfahren hatte, war ihm zeitlebens im Gedächtnis geblieben.

KURZES EHEGLÜCK

Schließlich hatte das Eheglück des damals 33-Jährigen und seiner 12 Jahre jüngeren Frau nach nur neun Monaten ein jähes Ende gefunden. Kennengelernt hatte Zeiss die junge Pfarrerstochter in Neunhofen, einem Dörfchen nahe Neustadt/Orla, in dem Berthas Vater Carl Gottfried bereits in fünfter Generation den Gottesdienst versah. Zeiss hatte die als bescheiden und arbeitsam geltende 21-Jährige bald ins Herz geschlossen. Am 29. September 1848 — Zeiss war mit seiner Werkstatt gerade aus der Neu- in die Wagnergasse gezogen — wurde im Neunhofener Pfarrhaus Verlobung und am 20. Mai 1849 auch Vermählung gefeiert.

Die Hochzeit musste recht bescheiden ausfallen. Penibel hielt Zeiss die Kosten in einem Kassenbuch fest, u. a. 1 Taler für das Gesangbuch der Braut, 18 Groschen für den Trauschein, 1 Taler, 18 Groschen und 10 Pfennige für das Aufgebot, 3 Taler und 20 Groschen für die Trauringe. Sich selbst staffierte Zeiss zur Feier des Tages mit einem neuen Hut für 2 Taler und einer Seidenkrawatte zu 20 Groschen aus.

ARZT KOMMT ZU SPÄT

In der über der Werkstatt gelegenen Wohnung in der Wagnergasse war in vielerlei Hinsicht Schmalhans Küchenmeister. Zeiss steckte die nicht eben üppigen Einnahmen seiner Arbeit wieder ins Geschäft. Seine Frau, wie er selbst aus einfachen Verhältnissen stammend, hatte als Aussteuer lediglich Wäsche aus selbstgesponnenem Leinen, Meißener Porzellan, ein Silberbesteck und etwas Bargeld in die Ehe gebracht. Trotzdem wusste man es sich in den »überaus einfachen, ja fast ärmlichen« vier Wänden einzurichten. Im Vertrauen auf Zeiss’ Können, den Fleiß und die »hausfraulichen Qualitäten« seiner jungen Braut schien dem sich anbahnenden Familienglück nichts im Wege zu stehen.

Doch es kam anders. Bertha Zeiss verstarb am 24. Februar 1850 noch im Wochenbett, nur einen Tag nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Roderich. Der Arzt, von einem Maskenball herbeigerufen, vermochte nicht mehr zu helfen. Das wiedergefundene Metallkreuz von Bertha Zeiss, das jetzt nahe dem schwarzen Marmor-Obelisken auf Carl Zeiss’ Grabstätte steht, ruft den frühen Tod der jungen Frau und Mutter und den fast vergessenen, frühen Schicksalsschlag im Leben des Zeiss-Gründers in Erinnerung. (akl)

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