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Auf ein Wort... Udo Pein
| SERIE: AUF EIN WORT MIT... |
Die Serie »Auf ein Wort mit...« stellt in jeder Ausgabe eine Person der Zeitgeschichte vor. Eine persönliche Begegnung mit Menschen, die diese Region prägen. Wir setzen diese Reihe mit Udo Pein, Rechtspfleger und Musiker, fort...
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»Mein Leben ist in diesem Verein Wirklichkeit geworden«
»Drei mal drei macht vier – Widiwidiwit und drei macht neune«… Die Melodie von Pippi Langstrumpf zieht durch das Geraer Stadtzentrum und macht ganz offensichtlich gute Laune. Mancher summt leise mit, ein Lächeln auf den Lippen. Vom Rathausturm tönt die Melodie vom Carillon, dem Glockenspiel der Stadt. Das Lächeln in die Gesichter zaubert heute Udo Pein, der dort oben an den Tasten sitzt. Fast magisch ist die Geschichte, die er zum Carillon erzählt: »2010 half ich einem Nachbarn im Garten. Aus der Ferne hab ich ganz leise ein Glockenläuten gehört. Und sofort war ich wieder im Jahr 1988. Ich hatte den Geruch dieses Tages in meiner Nase, an dem ich mit meiner Familie erstmals diesen wunderbaren Klang des Geraer Glockenspiels hörte. Ich war einmal da oben, und da ist es passiert«, erzählt Udo Pein mit strahlenden Augen. Die berühmte Liebe auf den ersten Blick eben. Aus Mühlhausen hat er einen Übetisch besorgt. »In der Jugend habe ich Klavier lernen müssen. Klar, später in der Beatles-Zeit war ich damit ganz vorn bei den Mädels«, lacht er. »Doch das Carillon zum Klingen zu bringen, das ist eine Herausforderung mit viel Übung.« Eine Mischung aus Orgel und Klavier – ganz vereinfacht kann man sich so ein Carillon vorstellen. Die Tasten sind Stöcke und werden mit den Fäusten geschlagen. In verschiedenen Tönen erklingen die Glocken, die in letzter Zeit immer öfter die Geraer erfreuen. Gespielt von vier Musikern, zwei »alten Hasen« - Udo Pein und Holger Grandke - und zwei jungen Leuten: Johannes Schubert und Tina Hoffmann, die ebenfalls ihre Liebe zum Carillon gefunden haben. Dennoch – ein bisschen undankbar ist das Instrument ja, finde ich. Da übt man stundenlang, steigt 163 steile Stufen zum Rathausturm empor, aber kein Zuhörer sieht den Künstler. Applaus ist da oben auch nicht zu hören. »Carillon spielt man nicht für den Applaus, sondern aus Leidenschaft zur Musik«, sagt Udo Pein. Und die hat er an seine Kinder und Enkel weitergegeben, freut er sich. Was immer Udo Pein tut, tut er mit Leidenschaft. So auch in seinem Beruf im Justizzentrum Gera – als Rechtspfleger. Perfekt für meine Standardfrage: »Und was macht man da so den ganzen Tag?« Udo Pein lacht, diese Frage kennt er nur zu gut. »Eigentlich ist es schade, dass die Menschen so wenig über das Gerichtswesen wissen. Dabei ist das Recht mit dem gesamten Leben verwoben: Von der Geburtsurkunde bis zum Tod.« Dieses spannende Gebiet will er verständlicher machen und hat deshalb den »Förderverein Rechtspflege Kunst und Kultur« gegründet, der mittlerweile 69 Mitglieder hat. Filme über die Arbeit der Justiz sind entstanden. Vorträge zur Rechtsgeschichte, über mittelalterliche Räuberbanden, Recht und Gerechtigkeit; Ausstellungen und Podiumsveranstaltungen finden statt. Das nächste Projekt ist schon in Arbeit: Ein »Bürgerliches Gesetzbuch für Kinder«. Auf die Idee brachte ihn Enkel Niklas. Der kleine Para Graf erkundet die Welt. Bunt illustriert und leicht verständlich soll das Buch werden. Ein Lesetipp auch für Eltern: »Denn danach kennen die Kleinen ihre Rechte ganz bestimmt«, schmunzelt Udo Pein. Weitere Justiz-Projekte sind in Arbeit, aber auch viel Kultur. Das eine schließt das andere nicht aus. So gibt es Theater- und Filmprojekte mit Häftlingen oder Lesungen. Alles rund ums Recht. Was uns zu seinem Beruf zurückbringt. Udo Pein ist im Kostenrecht zu Hause. Da geht es um die im Gerichtsverfahren entstehenden Kosten. Zum einen als Einnahmen für die Gerichte, zum anderen, um deren gerechte Verteilung. »Leben ist Mathematik«, sagt Udo Pein. Und davon kommt er nicht los. Denn eigentlich ist der 67-jährige im verdienten Ruhestand. Doch es fehlen Mitarbeiter. »So bin ich für ein paar Stunden Arbeit pro Woche zurückgekehrt. Und das liebend gern. Obwohl mein Ruhestand ausgefüllt wäre mit schönen Dingen.« Doch die Sammlungen von Münzen, Briefmarken, Sprüchen müssen weiter warten. »Wenn ich etwas mache, will ich es richtig machen.« Es scheint, als müssten die Projekte – und auch seine Familie - noch etwas länger auf ihn warten. Udo Pein betreut Ausstellungen für Schulen zur Strafprävention und unterrichtet künftige Justizsekretäre. Auch will er den Marktplatz, »das Herz der Stadt«, weiter als große Geraer Kulturbühne nutzen. Wie im letzten Sommer, als die Carillonspieler mit einem Jenaer Streichorchester bei einem Open Air Konzert begeisterten. Das Land Thüringen hat Udo Pein mit der Kulturnadel 2020 ausgezeichnet. Pein winkt ab. »Kultur entsteht aus sich selbst heraus«, sagt er. Stimmt. Aber einer muss den Anfang machen. Lebensfrohe Menschen mit Herz und Leidenschaft – so wie Udo Pein.
Das Gespräch führte Katharina Reinhardt.
Auf ein Wort mit: Udo Pein
| EMPFEHLUNGEN |
Lese-, Hör- und Sehempfehlungen

Grandioser Gesellschaftsroman
Wenngleich das »Grand Hotel Europa« in die Jahre gekommen ist, atmet es immer noch den Glanz vergangener Zeiten. Den genießen auch die zumeist ebenfalls in die Jahre gekommenen Gäste, in deren Gedanken die Vergangenheit immer mehr Raum einnimmt. Dem kann sich auch der Schriftsteller Ilja Pfeijffer nicht entziehen, der in das geheimnisvolle Hotel einzieht nachdem ihn seine große Liebe Clio verlassen hat. Während er sich fragt, wie er sie zurückgewinnen kann, lernt er nach und nach die anderen Gäste kennen...
Der echte Ilja Leonard Pfeijffer, dem »Grand Hotel Europa« in seiner niederländischen Heimat den Vergleich mit Thomas Mann einbrachte, erzählt jedoch nicht nur – teils deftig erotisch - von der Liebesgeschichte zwischen Clio und Ilja, sondern in vielen spannenden Geschichten von einem alten Kontinent, der vor lauter Geschichte und Nostalgie keine Zukunft hat. Mit scharfer Beobachtungsgabe skizziert er - kurzweilig, klug, voller Sprachwitz, in geschliffenen, manchmal auch boshaften Dialogen – auf wunderbare Weise die verschiedenen europäischen Mentalitäten. So ist dieses Buch nicht nur ein grandioser Gesellschaftsroman, sondern auch eine Liebeserklärung an Europa. (ule)
Ilja Leonard Pfeijffer »Grand Hotel Europa« – Übers. Ira Wilhelm; Piper Verlag München 2020; 560 S., 25 €; EAN 978-3-492-07011-9


Leidenschaftlich und ambitioniert
Wer über 40 Jahre engagiert und empathisch als Journalist und Kulturredakteur unterwegs ist, begegnet unzähligen Menschen, deren Geschichten mehr oder weniger beeindrucken. Wolfgang Leißling – auch nach seinem Berufsleben bei zwei Thüringer Tageszeitungen noch als Pensionär im UnruheStand – kann da aus einem wahren Füllhorn schöpfen. Immerhin brachte er seinen Lesern herausragende Persönlichkeiten vorwiegend aus Kunst und Kultur, aber auch aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nach persönlichen Begegnungen oder Telefon-Interviews auf spannende Weise nahe. In seinem aktuellen Buch erinnert sich Wolfgang Leißling nun an rund 50 dieser Begegnungen, von der jede einzelne ihn prägte. Das Spektrum reicht dabei von Schriftstellern wie Günter Grass und Rolf Hochhuth, bildenden Künstlern wie Werner Tübke und Wolf Vostell, über den Urenkel Otto von Bismarcks, Modezar Wolfgang Joop, Erotikexpertin Beate Uhse, Lokalpolitiker wie Knut Keuch bis zu Theaterleuten wie Fritz Bennewitz und Schauspielern wie Senta Berger. Der titelgebende Satz stammt übrigens von der Schriftstellerin, Soziologin und Psychologin Esther Vilar. »Die Käfigtür muss offenbleiben«, ist sie überzeugt, dass Beziehungen ohne Ehevertrag glücklicher sind. (ule)
07 Das Magazin verlost 2 Exemplare dieses Buches Bewerbungen bitte bis zum 10.03.2021 mit Angabe Ihrer Kontaktdaten unter: redaktion@07-thueringen.de Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Wolfgang Leißling »Die Käfigtür muss offen bleiben – Begegnungen eines Journalisten« – RhinoVerlag Ilmenau 2020; 176 S., 20 €; ISBN 978-3-95560-891-0
Wunder aus Sand
An keinem Ort der Welt stehen Tafelberge so zahlreich und dicht wie in der Sächsischen Schweiz. Auf dieses Naturwunder, das durch eine Verkettung geologischer Vorgänge entstehen konnte, lenkt der dortige Tourismusverband den Blick in seinem Urlaubsmagazin 2021. In zahlreichen weiteren Reportagen und Berichten zeichnen die Autoren in »Wunder aus Sand« ein facettenreiches Bild des Reiseziels. Dafür haben sie unter anderem mit Wissenschaftlern, Naturschützern, Klettersportlern, Künstlern, Köchen, Winzern, Hoteliers sowie ehrenamtlichen Museums- und Theatermachern gesprochen. Der Paläozoologe Markus Wilmsen etwa erläutert die Entstehung der Landschaft aus einem kreidezeitlichen Meer. Der Pirnaer Winzer Wolfgang Winn beweist, dass im Sandstein auch Wein gedeiht. Profifotograf Philipp Zieger gibt Tipps für bessere Landschaftsbilder. Junge Gastronomen erklären, warum sie historischen Mühlenwirtschaften wieder neues Leben einhauchen. Nationalparkführer verraten besonders geheimnisvolle Plätze und Einheimische ihre persönlichen Lieblingstouren. (ule)
»Wunder aus Sand. Urlaubsmagazin Sächsische Schweiz 2021« — Hrsg. Tourismusverband Sächsische Schweiz; 132 S., zahlreiche Abb.; kostenlos bestellbar unter www.saechsische-schweiz.de oder E-Magazin zum Download unter www.saechsische-schweiz.de/service-shop/ prospekte.html.


Frauen - Männer - Missverständnisse
»Ich liebe sie so, wie sie ist. Manchen Moment könnte ich sie auf den Mond schießen, doch im nächsten würde ich ihr nachfliegen und sie zurückholen.« Diese Feststellung trifft auf den Punkt das ambivalente Verhältnis der Protagonisten in Mark Jischinskis neuem Buch. Im Mittelpunkt seiner Kurzgeschichten steht mit Karla und Mark ein völlig normales Paar im Hier und Heute. Die beiden lieben, streiten und versöhnen sich, leben mit- und gegeneinander. Reibungspunkte sind oftmals die kleinen alltäglichen Dinge; etwa die Fragen, was jeder unter einer sauberen Wohnung versteht, wer auf welcher Seite schläft oder wer das Badezimmer länger blockiert.
Diese Zwistigkeiten nimmt Mark Jischinski zum Anlass, um in seinen Geschichten der Jahrhunderte alten Frage nachzuspüren, ob Frauen und Männer angesichts der historisch überlieferten Geschlechterrollen überhaupt zusammenpassen und warum sie sich immer wieder der Herausforderung gemeinsamen Lebens stellen. Dabei skizziert er die Partnerschaft aus seiner – natürlich völlig objektiven (!) – männlichen Sicht und in derart humorvoller, leicht ironischer Weise, dass einen die Mitmenschen ob lauter Lachattacken verständnislos anschauen. (ule)
07 Das Magazin verlost 2 Exemplare dieses Buches Bewerbungen bitte bis zum 10.03.2021 mit Angabe Ihrer Kontaktdaten unter: redaktion@07-thueringen.de Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Mark Jischinski »Karla...das Leben und ich. ...oder Liebe bis in den Tod.« – Kurzgeschichten; adakia Verlag Leipzig 2021; 200 S.; 10 €; nur online unter: www.adakia-shop.de
Es geht den Tieren wie den Menschen
Pippinella ist ein Hasenmädchen und zugleich das, was Menschen einen Hasenfuß nennen. Viele Dinge machen der kleinen Häsin Angst, und dabei wäre sie so gern tapfer. Um allen Gefahren aus dem Weg zu gehen, bleibt sie lieber zu Hause – und grübelt. Doch je mehr sie grübelt, desto größer werden ihre Ängste. abgewinnen kann. Sie nimmt Pippinella an die Hand und zeigt ihr die Welt da draußen. Als sich das Hasenmädchen vor lauter Staunen von der Mutter entfernt, fällt es prompt in den Teich – und hat plötzlich einen Riesenspaß. Es ist bereits das fünfte Kinderbuch, das Caro07 Das Magazin verlost 3 Exemplare dieses Buches Bewerbungen bitte bis zum 10.03.2021 mit Angabe Ihrer Kontaktdaten unter: redaktion@07-thueringen.de Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. So fragt sie sich, was wird, wenn es regnet, lin Adler ganz ohne erhobenen Zeigefinger, wenn die anderen (Hasen)Kinder sie nicht aber einer großen Portion Lebensweisheit für mögen, wenn sie in den Teich fällt, wenn sie Leseanfänger geschrieben hat. Zudem bebilderte sie die Geschichte draußen die Zeit vergisst und es dunkel wird... Wie eine Mutter von mit ebenso zauberhaften wie amüsanten Illustrationen. Angeregt Menschenkindern versucht auch Mama Hase, sie zu beruhigen und wurde die Ergotherapeutin durch ihre Arbeit mit Kindern, die sich ihr klar zu machen, dass man jedem Erlebnis auch eine positive Seite mit alltäglichen Dingen etwas schwerer tun. (ule)
Carolin Adler (Text und Illustr.) »Pippinella Hasenfuß – Mama, was wäre wenn...?« — Wissensglück-Verlag 2020; 48 S., ab 4 Jahre, 12,95 €;
ISBN 978-3-96359-005-4
Lesespaß für die ganze Familie
Dem geheimnisumwobenen Seeungeheuer von Loch Ness hat der in Gera geborene Autor Detlef Färber sein zweites Kinderbuch gewidmet. Alles dreht sich um Nessie, das Wasserbiest, das Wanderer erschreckt, hohe Wellen schlägt, schaurig jault und das noch niemand wirklich zu Gesicht bekommen hat – weil sie nämlich nach einem Zauberspruch der Queen unsichtbar ist und nur noch im Sommerloch auftauchen darf. Doch damit geben sich neugierige Kinder natürlich nicht zufrieden. Sie wollen die wahre Geschichte kennenlernen, wollen wissen, ob die Wasser-Monsterin Eltern hat oder einen Liebsten oder gar ein Baby. Also begibt sich der Autor gemeinsam mit dem Hallenser Illustrator Thomas Leibe auf Nessies Fährte, um ihre Geheimnisse zu lüften, lassen Sagen und Mythen um die berühmte Nessie wahr werden – und geben ihr, die sich so lange versteckt hat, Gesicht und Körper.
Mit Augenzwinkern erzählt er die Geschichte von Nessie als Ballade wie als Märchen. Für Kinder gedacht, dürften viele hintergründige Anspielungen vor allem Erwachsenen gefallen. Also: Lesespaß für die ganze Familie ist garantiert, nicht zuletzt wegen der vortrefflichen Illustrationen von Thomas Leibe. (ule)
07 Das Magazin verlost 2 Exemplare dieses Buches Bewerbungen bitte bis zum 10.03.2021 mit Angabe Ihrer Kontaktdaten unter: redaktion@07-thueringen.de Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
