Pepys Magazin Nr. 1

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26.01.2010

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um meinen Büchern keine Schande zu machen, wenn es dort gefunden wird.« Selbst heute, wo die Dienstpflicht viel stärkeren Kontrollen unterliegt, verdiente der Briefschreiber noch unsere Achtung. Doch was soll man bitte zu dem Tagebuchschreiber sagen, der nicht nur ein unzüchtiges Buch kauft, sondern der sich dessen schämt, der es aber dennoch tut und dann beides ins Tagebuch schreibt – daß er es tut und daß er sich schämt.

Sa m u e l Pe pys Tagebücher 1661

Jeder von uns, ob er schreibt oder spricht, muß eine gewisse Haltung annehmen, wenn er sich an ein Gegenüber wendet. Bei verschiedenen Gegebenheiten erleben wir uns sehr verschieden, wir sind fröhlich mit dem einen, ernst mit dem anderen, je nachdem wie es die Art der Beziehung und die Situation erfordert. Es geht dabei nicht um Verstellung, denn der Mensch ist ein wandelbares, unbeständiges Wesen, ist Teil einer Umwelt, die ihn fortwährend verändert, und diese Anpassungsfähigkeit ist das beste, was einer in der Schule des Lebens lernen kann. Wer zu jedem Zeitpunkt unverrückbar auf seinem Standpunkt beharrt, oder wer geradlinig wie ein Tambourmajor durchs Leben marschiert, ist eine Plage für seine Mitmenschen und ein Narr dazu. Aber für wen nimmt Pepys in seinem Tagebuch eine bestimmte Haltung an, und wie soll man diese Haltung charakterisieren? Hätte er das unzüchtige Buch einfach nicht erwähnt oder hätte er es gekauft und sich dessen heimlich gefreut und diese Freude dann im Tagebuch notiert, wir hätten ihn nur zu gut verstanden. Aber nein, er ist ängstlich darauf bedacht, die »Schande« des Buchkaufs zu verbergen, und kann es doch nicht lassen, die ganze Angelegenheit schwarz auf weiß festzuhalten. Das Verhalten der Menschen ist widersprüchlich, was auch an einer anderen Stelle im Tagebuch sehr deutlich wird.

22. April 1661: Umzug des Königs vom Tower nach Whitehall.

Mrs. Pepys hat ein Schreiben verfaßt, in dem sie ihre nur allzu berechtigten Klagen über ihren Ehemann in klaren Worten und in aller Schärfe zusammengefaßt hat. Pepys gerät in Panik, entreißt es ihr brutal und vernichtet das verräterische Dokument, auf daß es ja niemand zu sehen bekommt. Und dann – man traut seinen Augen nicht – landet die ganze Geschichte im Tagebuch, ungeschönt und mit allen grausamen Details. Ganz offensichtlich ist ihm nichts wichtiger, als seinen guten Ruf zu wahren, und doch hält er sich ein Tagebuch, in dem er beweist, daß er diesen guten Ruf kaum verdient. Das mag uns für einen Moment an die selbstquälerische religiöse Bekenntnisliteratur der Zeit erinnern, aber doch nur für einen Moment. Pepys will durchaus nicht erbaulich sein, die Niederschrift seiner vielen kleineren und größeren Sünden ist keine Form der Buße, wenn er auch immer wieder seine Handlungen bereut – und auch das muß gesagt sein: auf seine ehrliche Reue folgt häufig eine deutliche Besserung. Nein, die Sünden der religiösen Bekenntnisliteraten folgen einem sehr gleichförmigen Schema, und der Ton, in dem sie vorgetragen werden, ist geflissentlich zerknirscht. Bei Peyps erleben wir vielmehr, wie sich einer schlicht und ergreifend danebenbenimmt, in seinem Blick sehen wir ein Funkeln, von dem wohl allein Pepys nichts ahnt. Gesunde Wutausbrüche der triebhaften Sorte, lächerliche Versuche, sich selbst etwas vorzumachen – ein Verhalten, das nur allzugut nachvollziehbar ist und oft unser Mitleid verdient. Sa m u e l Pe pys M aga z i n N r . 1 Seite 7

23. April 1661: Krönungszeremonie in Westminster-Abbey.


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