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Blick in die Vergangenheit
GENERATIONEN IM ORCHESTER
Als Silvia Rohner Geiser das Probespiel fürs ZKO bestanden hatte, war Simon Wiener noch nicht einmal auf der Welt. Die Cellistin hat denn auch einiges von früher zu erzählen – und der junge Geiger schildert uns seinen Blick auf das heutige Musikerleben. Ein Gespräch zwischen den Generationen.
INTERVIEW SIMONE PFLÜGER
Ich habe mal nachgeschaut: Silvia, du bist 1987 ins ZKO eingetreten. 7 Jahre später kamst du, Simon, zur Welt. Silvia (lacht): Nein! Oh, Hilfe … Simon, ich könnte fast deine Grossmutter sein!
Kannst du dich noch erinnern, wie du damals angefangen hast? Silvia: Es war meine erste Bewerbung und ich dachte, das schaffst du nie, das Zürcher Kammerorchester, ich versteige mich da. Und doch war es mein Wunsch. Dann war ich lange die Jüngste in der Bassgruppe – und plötzlich hat es sich geändert, ich kam mir vor wie im Schleudersitz.
Du, Simon, bist erst seit diesem Jahr ein fester Teil des Orchesters. Hast du das Gefühl, schon richtig angekommen zu sein? Simon: Ich hoffe es! Weil es nur 20 Leute sind, kann man sich schnell integrieren. Auch die gute Atmosphäre macht es einem einfach. Der Orchesteralltag ist glücklicherweise nicht mit dem Stress verbunden, den ich aus einigen anderen Orchestern kenne.
Wolltest du deshalb beim ZKO mitspielen? Simon: Ich hatte verschiedene Probespiele gemacht und es war eigentlich purer Zufall, dass ich zum ZKO kam. Aber natürlich ist es insofern glücklich, als es mir mehr Spass macht, in einem kleineren Orchester zu spielen als in einem grossen. Und ohne einen Dirigenten zu spielen, ist für mich auch ein grosses Plus.
Inwiefern? Simon: Der Kontakt unter den Musikern wird absolut lebenswichtig. Man darf die anderen Stimmen nicht einen Moment lang vergessen – das gefällt mir. Ich staune auch, wie Willi Zimmermann als Konzertmeister mit kleinsten Gesten klarmachen kann, was er möchte.
Silvia: Das funktioniert tatsächlich wahnsinnig gut. Doch auch das Spielen unter einem Dirigenten hatte seinen Reiz. Was ich bei Edmond de Stoutz sehr inspirierend fand: Egal wie krank er war, wenn er auf der Bühne stand und die Musik begann, hatte er ein Leuchten in den Augen. Er besass auch immer eine sehr genaue Vorstellung: In den Proben liess er manchmal keinen Ton durch, ohne etwas dazu zu sagen.
Das klingt intensiv. Silvia: Ja, man hatte aber auch viel mehr Zeit zum Üben. Heute ist die Probezeit ein wenig gedrängter. Es muss schneller etwas zustande kommen.
Simon: Ich mag es aber auch, wenn man nicht allzu lange an einem Stück arbeitet. Die gedrängte und zielorientierte Arbeitsweise ist sicher ein allgemeines Zeitmerkmal, nicht nur in der Musik …

Neben den Probezeiten hat sich auch bei den Probeorten einiges geändert, oder? Silvia: Ja, früher sind wir von einem Kirchgemeindehaus zum anderen gezogen. Jeder musste sein Pult selbst aufstellen und der Bassist transportierte das Notenmaterial. Am Schluss der Probe sagte er jeweils: «Alles zusammenschlagen.» Dann wurde alles wieder in Koffern verpackt. So lernte man ganz Zürich kennen.
Simon: Ich spielte vorher bei der Sinfonietta de Lausanne, wo es ähnlich war. Auch da hatten wir keine fixen Räumlichkeiten, sondern probten einmal hier und einmal da. Es ist natürlich schon angenehmer, einen fixen Ort zu haben.
Silvia: Auf jeden Fall.
Silvia, welche Erinnerungen sind dir sonst noch besonders präsent? Silvia: Es gab so viele unmögliche Situationen, die wir geschafft haben. Einmal hätten wir für ein Konzert in Osaka morgens um 4 Uhr aufstehen müssen. Die meisten haben einfach die Nacht durchgemacht. In der Hauptprobe meinte Willi dann, er wisse, wir seien alle müde. Danach spielten wir unser bestes Konzert. Wie wir manchmal an unsere Grenzen kamen und trotzdem immer wieder die Kurve kriegten, das finde ich bewundernswert. Du, Simon, erlebst deine Anfangszeit mit Corona nun auch als turbulent. Simon: Die Situation ist speziell. Wir hoffen natürlich, dass wir es irgendwie überstehen.
Silvia: Ich finde es so schade, dass wir nicht mehr spielen können. Musik hat so etwas Verbindendes und jetzt darf man nicht …
Noch eine Frage: Was mögt ihr beide aneinander? Silvia: Ich habe das Gefühl, dass Simon alles, was er macht, gut macht. Ich freue mich unheimlich über die neuen Geiger, die in letzter Zeit zu uns gestossen sind. Sie haben neue Ideen und Impulse. Für mich ist das total erfrischend und bereichernd.
Simon: Ich mag die Atmosphäre, die Silvia ins Orchester bringt. Sie hat eine sehr entspannte Art.
Silvia, gibt es noch irgendeinen Rat, den du Simon auf seinen Berufsweg mitgeben würdest? Silvia: Nein, so etwas habe ich nicht. Aber einen Wunsch! Simon komponiert ja auch und ich wünsche mir von ihm eine Komposition fürs ZKO.
Und, Simon, wirst du dies umsetzen? Simon (lacht): Vielleicht, mal sehen.