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Die Musiker und ihre Instrumente
«ICH SUCHE DAS MITEINANDER»
In der Interview-Serie «Die Musiker und ihre Instrumente» stellt Frauke Tometten Molino ihre geliebte Bratsche aus dem Jahr 1690 vor.
INTERVIEW PETRA MEYER
Frauke Tometten Molino ist eine Frau von auffälliger Grösse. Mit ihren 1,83 Metern ist sie im Zürcher Kammerorchester kaum zu übersehen. Wenn sie spricht, dann erklingt eine dunkle, volle Stimme. Ist es möglich, dass zwischen Musikerin und Instrument eine gewisse Form von Seelenverwandtschaft besteht? Wer hat hier wen gefunden? Das Instrument die Musikerin oder die Musikerin ihr Instrument? Ich bin als jüngstes Kind in einer siebenköpfigen musikalischen Familie aufgewachsen. Gemeinsames Singen und Musizieren in verschiedenen Besetzungen gehörte einfach dazu. Mein Wunschinstrument war das Klavier. Nachdem ich einige Monate privaten Unterricht genossen hatte, wollte ich an meiner neuen Schule das Spiel am Klavier weiterentwickeln. Aber genau für dieses Instrument gab es eine lange Warteliste. Bratschisten hingegen fehlten, sowohl in der Schule als auch in unserem Familienorchester. Ich wusste zwar nicht viel über das Instrument, aber die tiefen Töne fand ich richtig spannend. Dass die Bratsche vor allem ein Kammermusik- und Orchesterinstrument ist, war für mich gerade richtig: Ich suche das Miteinander.
Die Stradivari gilt als Rolls Royce unter den Geigen. Ihr Wert geht in die Millionen. Gibt es auch berühmte Bratschen, die sowohl klanglich als auch handwerklich als Mass der Dinge gelten? Soviel ich weiss, ist das teuerste Instrument der Welt eine Bratsche von Stradivari. Der astronomische Wert von rund 33 Millionen Euro erklärt sich u.a. dadurch, dass es nur noch zwölf Stradivari- Bratschen gibt und diese eine besonders gut erhalten ist. Während meiner musikalischen Laufbahn hatte ich das Glück, zwei dieser äusserst seltenen Stradivari-Bratschen spielen zu dürfen.
Wie lässt sich das Instrument einordnen, auf welchem du heute spielst? Meine Bratsche ist ebenfalls ein Sammlerstück, vermutlich aus dem Jahr 1690. Ihr Erbauer ist allerdings nicht bekannt, deshalb war sie noch erschwinglich. Sie hat einen ganz speziellen Charme. Als ich sie entdeckt hatte, war mir sofort klar: Mit diesem Instrument werde ich alt.
Und wie kommt man zu so einem besonderen Instrument? Obwohl ich bis vor 15 Jahren überzeugt auf modernen Instrumenten gespielt habe, kam im Laufe der Jahre das Bedürfnis nach etwas Älterem auf. In Paris bin ich bei einer Orchesterreise auf ein flämisches Modell aus dem 17. Jahrhundert gestossen. Ich war sehr sicher, dass es dieses Instrument werden sollte, gab mir aber noch etwas Bedenkzeit. Einen Tag, bevor ich die flämische Bratsche definitiv erwerben wollte, bekam ich einen Anruf von einem Geigenbauer aus der Schweiz. Ich hatte ihn vor einiger Zeit gebeten, für mich die Augen offenzuhalten, und auch von meiner Pariser Entdeckung erzählt: «Haben Sie sich schon für das flämische Modell entschieden? Darf ich Ihnen am Tag vor der Hochzeit, noch jemand anderes vorstellen?» Ich war wie elektrisiert, bin sofort hin und da lag sie: Meine Bratsche! Noch am selben Abend habe ich sie mit Kollegen im Tonhallesaal ausprobiert und mich danach sofort für sie entschieden.
Bach, Haydn, Mozart, Beethoven: Viele grosse Komponisten beherrschten das Spiel auf der Viola. Und dennoch gilt das Instrument weitläufig als unterschätzt. In Musikerkreisen werden besonders gerne Witze über Bratschisten erzählt. Woher kommt das? Die meisten Bratschisten finden erst über Umwege zu ihrem Instrument. Sie lernen zunächst das Spiel auf der Geige und steigen dann später aus verschiedenen Gründen um. Ich wollte von Anfang Bratsche spielen und bezeichne mich deshalb als «Edelbratscherin». Über Bratschisten wird gelacht, weil es eben zu viele Geiger gibt. Einige von ihnen mussten irgendwann zur Bratsche ausweichen. Dadurch landeten vielleicht nicht immer die besten Musiker in der Bratschengruppe.
Würdest du unseren Lesern abschliessend deinen Lieblings-Bratschenwitz verraten? Das würde den Rahmen sprengen, aber einen kurzen Witz habe ich: Ein Bratscher spielt den ganzen Tag nur einen Ton. Seine Frau beschwert sich: «Es gibt Leute, die können auch andere Töne spielen.» Der Bratscher: «Die anderen sind auf der Suche nach dem richtigen Ton. Ich habe ihn gefunden.»
«Von allen Instrumenten im Orchester ist die Viola dasjenige, dessen ausgezeichnete Eigenschaften man am längsten verkannt hat.»
HECTOR BERLIOZ