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JAMES JOYCE UND DER TRAUM VOM TENOR

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RIBAL MOLAEB

RIBAL MOLAEB

In der Reihe «Feder und Bogen» begegnen sich literarische und musikalische Welten im ZKO-Haus. Der deutsch-britische Schauspieler Thomas Douglas zeichnet sowohl für Konzept und Regie als auch für den sprachlichen Ausdruck.

TEXT CORINNE HOLTZ

Schon im Jesuitenkolleg ist James’ Stimme aufgefallen: eine von der irischen Folktradition geprägte Tenorstimme, die sich mit dem Belcanto grosser Tenöre misst. 1903 mietet der fertig studierte Philologe in der Shelbourne Road ausserhalb des Zentrums von Dublin einen Raum mitsamt einem Flügel. Das Geld dafür dürfte von seinem Onkel stammen, der in einer Anwaltskanzlei angestellt ist und den ambitionierten Neffen unterstützt. James Joyce hat sich in den Kopf gesetzt, am Tenorwettbewerb des irischen Musikfestivals «Feis Ceoil» teilzunehmen und sich über Monate dafür vorzubereiten. «Eines Morgens hörte ich ihn singen. Seine Stimme war klar und deutlich, und obwohl hoch gestimmt, war sie überhaupt nicht schrill. Seine Statur war vielleicht zu schwach für einen erfolgreichen Tenor.»

Der Zeitzeuge sollte recht behalten: Joyce blieb ein Amateur. Aus Enttäuschung soll er die Bronzemedaille des «Feis Ceoil» weggeworfen haben, den Traum von einer Tournee mit alten englischen Liedern musste er begraben, und den Gesangsunterricht bei Giuseppe Sinico in Triest gab er bald wieder auf. Joyce verdiente ab 1905 sein Brot als Englischlehrer in der österreichisch-ungarischen Hafenstadt und begann an seinem ersten Roman A Portrait of the Artist as a Young Man zu arbeiten.

Der Musik blieb Joyce eng verbunden und übertrug deren Verfahren im Umgang mit Klang, Geräusch und Struktur in seine Literatur. Das Sirenenkapitel etwa aus Ulysses ist zum Grossteil als kanonische Fuge angelegt, die Verschachtelung von Wortfolgen gleicht polyfonem Komponieren.

«Wir möchten unser Publikum musikalisch und literarisch verführen und zu einer sinnlichen Entdeckungsreise einladen.»

Lena-Catharina Schneider, künstlerische Leiterin des Zürcher Kammerorchesters, hat sich für die Reihe «Feder und Bogen» mit dem Schauspieler Thomas Douglas zusammengetan: «Wir möchten den Kosmos Joyce als szenische Collage aus Musik, Literatur und Zeitdokumenten zugänglich machen.» Kurzgeschichten aus Dubliner, Briefe und Zeitzeugenberichte greifen ineinander, es gibt fliessende Übergänge zur Musik aus Klassik und Folk. Beethovens selten aufgeführte Irische Lieder treffen auf einen der Songs, komponiert von James Joyce. Irish Folk verweist auf die irischen Wurzeln des Exilanten Joyce, der auch im Licht seiner Jahre in Zürich beleuchtet werden soll.

Für den irischen Ton sorgen die beiden Folkmusiker Matthias Lincke und Dide Marfurt, während das Klaviertrio mit Philipp Wollheim, Nicola Mosca und Suguru Ito den roten Teppich für den Tenor Yves Ehrsam webt. Zusammen mit Ausschnitten aus Finnegans Wake, Joyce’ Epos aus Wortklängen und Klangwörtern, geht in unserer Collage vielleicht der Traum vom Tenor in Erfüllung: Liest ein Sängerschauspieler Joyce, ist die Trennung von Wort und Ton – ähnlich der antiken Praxis – überwunden.

FEDER UND BOGEN I: JAMES JOYCE DO, 18. NOV. 2021, 19.30 UHR ZKO-HAUS

Thomas Douglas Konzept und Erzählung Yves Ehrsam Tenor Philipp Wollheim Violine Nicola Mosca Violoncello Suguro Ito Klavier Matthias Lincke Fiddle Dide Marfurt Halszither, Banjo, Gitarre und Bodhrán

Musikalisches Programm um James Joyce

CHF 40

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