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„Man denkt sich: Jetzt nochmal Vollgas und alles rausholen!”

Was macht Slalomfahren herausfordernd?

MARCO SCHWARZ: Slalomfahren ist herausfordernd, weil es brutal schnell ist. Es ist eine schnelle Kraftsportart, es sind 60, 65 Schwünge, wo man auf ein paar Zentimeter, teilweise Millimeter bei den Toren dabei ist, das macht es sehr schwierig. Man braucht sehr viele Trainingstage, dass man da so runterblatteln kann.

Gehört Angst – vor Fehlern, vor dem Ausscheiden – zum Slalomfahren?

Teilweise gehört’s dazu, aber man versucht, das so gut wie möglich auszublenden. Es sind diese 60, 65 Schwünge, bei denen man sich sehr am Limit bewegt. Fehler können immer wieder passieren, aber dafür trainieren wir. Das Drumherum blenden wir aus.

Wie verbringst du die Pause zwischen erstem und zweitem Durchgang, um dann wieder voll angreifen zu können?

Wenn die Möglichkeit besteht, setze ich mich kurz aufs Radl, um ein bisschen das Laktat abzubauen. Dann esse ich eine Kleinigkeit, schaue vielleicht noch kurz übers Video drüber und bespreche mich mit dem Trainer. Und dann liegt der Fokus schon wieder auf dem zweiten Durchgang.

Was geht vor dem zweiten Durchgang in deinem Kopf vor?

Es kommt immer darauf an, wie man nach dem ersten Durchgang liegt. Wenn man in Führung liegt, ist der Druck natürlich ein bisschen höher. Man erwartet sich dann um einiges mehr. Wenn man ein bisschen zurückliegt, denkt man sich: Jetzt nochmal Vollgas, alles rausholen und wieder konzentriert ans Werk gehen!

Wie fühlt es sich an, im Starthaus zu stehen und auf das Go zu warten?

Es ist ein sehr cooles Gefühl, es kribbelt, rundherum kriegt man gar nicht mehr so viel mit, da fokussiert man auf seinen Lauf und die wichtigsten Keypunkte, aber auch darauf, nicht zu viel zu denken und dann mit Vollgas rauszustarten.

Woran denkst du während des Laufs? Blendest du alles um dich aus und bist hyperfokussiert oder haben noch andere Gedanken Raum?

Man ruft sich die Schlüsselpunkte in Erinnerung – zum Beispiel: Ich muss den Ski mehr laufen lassen, so ganz kleine Dinge –, aber eigentlich ist man mehr oder weniger im Tunnel.

Welche Bedeutung hat der Slalom in Kitzbühel für dich?

Er ist sicher das Highlight im Jahr für jeden Slalomfahrer. Der Kurs ist sehr speziell, kein Schwung ist wie der andere, es ist sicher einer der schwierigsten Hänge und darum ist es auch ein Ziel, hier zu gewinnen. Ich denke sehr gern an das Jahr zurück, in dem ich Zweiter geworden bin. Das war mein Comebackjahr: In der Woche davor bin ich Dritter in Adelboden geworden und in Kitzbühel, beim Heimrennen, am Podium zu stehen, war dann sehr speziell.

Nervenkitzel

Ein weiterer, damit verbundener Dauerbegleiter im Slalomzirkus: Angst. Nicht vor dem Rennen, der Strecke oder den möglichen Fehlern, sondern davor zu versagen. Im Gegensatz zum Druck sei sie allerdings nicht situationsabhängig, sondern immer im Hinterkopf mit dabei, betont Ryding:

Angst, die (n.) mit Beklemmung, Bedrückung, Erregung einhergehender Gefühlszustand [angesichts einer Gefahr]; undeutliches Gefühl des Bedrohtseins (Duden)

„Die Angst vor dem Versagen bleibt gleich, egal in welcher Position man in den zweiten Durchgang startet.“ Ganz los werde man sie nie, aber man lerne, damit umzugehen und sie auszublenden, damit sie nicht überhandnimmt.

Das ist besonders bei so anspruchsvollen Strecken wie am Ganslernhang wichtig, die kein Zögern und keine Zweifel verzeihen. Egal, wie oft sie sich der Situation stellen –selbst Routiniers wie Ryding sind hier am Start nervös: „Kitzbühel ist einfach schwierig. Du musst dein Bestes geben, um keine Fehler zu machen und das Rennen überhaupt zu beenden.“

Über die Ziellinie Kitzbühel gilt nicht umsonst auch unter Slalomfahrern als das Mekka des Skisports. Dass Ryding ausgerechnet dort seinen bislang einzigen Weltcupsieg gefeiert hat, passt: Schon vor sechs Jahren war der Brite nah dran an der HahnenkammSensation. Damals musste er sich nach der überraschenden Führung im ersten Durchgang nur Marcel Hirscher geschlagen geben – und das, obwohl er bis dahin kein einziges Rennen am Ganslernhang beendet hatte.

Nervosität, die (n.) nervöser Zustand, nervöse Art; infolge psychischer Belastungen von innerer Unruhe, Zerfahrenheit oder Unsicherheit geprägter Zustand (Duden)

„Der Hang ist extrem herausfordernd. Das Gelände verändert sich mit jedem Schwung, es ist immer eisig und die Fans sind so nah dran. Ich habe 2017 auch nach dem ersten Lauf nur daran gedacht, dass ich das Rennen zu Ende fahren muss, weil ich das bisher noch nie geschaff t hatte.“ Der Fokus war so sehr auf diesem Ziel, dass das Ergebnis in dem Moment nicht wichtig war.

Durchbruch

Letztes Jahr war die Situation etwas anders. Am Renntag fühlte Ryding sich nicht besonders gut, und auch die Rennen davor waren trotz eines vielversprechenden Saisonstarts nicht wie geplant gelaufen. Ein Sieg stand nicht auf der To-do-Liste, aber er nahm sich vor, eine seltsame Serie zu durchbrechen: Bisher hatte er alle seine Podestplätze mit der Startnummer 8 eingefahren, dieses Mal wollte er es mit Startnummer 15 aufs Podium schaff en und sich selbst beweisen, dass sein Erfolg nicht an eine Zahl geknüpft ist.

„Ich habe ehrlicherweise nie darüber nachgedacht zu gewinnen. Ich habe einfach versucht, mein Bestes zu geben“, erinnert er sich. Während des Laufs dachte er darüber nach, die Geschwindigkeit möglichst über alle Wellen und Geländetypen mitzunehmen, aber es fühlte sich nicht wirklich anders an als bei anderen Rennen. „Als dann nur noch eine Person oben war und ich immer noch führte, war das ein echter Moment. 2017 hat Marcel unten auf mich gewartet, dieses Mal habe ich im Ziel auf Alex Vinatzer gewartet. Das war mir defi nitiv lieber als als Führender am Start zu stehen und zu versuchen, das runterzubringen.“ Niemand rechnete mit seinem Sieg, am allerwenigsten er selbst. Möglicherweise machte genau das den Unterschied.

Das ist das Schöne am Slalom: Er ist hart, physisch und mental, aber er schreibt die mit Abstand spannendsten Geschichten.

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