Chemnitz25 Bid Book 1

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Chemnitz2025

Kandidat // Bid Book I

Chemnitz2025 Kulturhauptstadt Europas

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Dirk Hanus

„Proletarier aller Länder vereinigt euch!“: Das Relief hinter dem Karl-Marx-Monument in der Chemnitzer Innenstadt Chemnitz2025 zeigt das berühmte Zitat aus dem Kommunistischen Manifest in vier Sprachen.


Inhalt

INTRODUCTION

EINLEITUNG 3 ВСТУПЛЕНИЕ

INTRODUCTION

ВКЛАД В ДОЛГОСРОЧНУЮ СТРАТЕГИЮ

BEITRAG ZUR LANGZEITSTRATEGIE 9 CONTRIBUTION À LA STRATÉGIE LONG TERME

CONTRIBUTION TO THE LONG-TERM STRATEGY

CONTENU CULTUREL ET ARTISTIQUE

KULTURELLE UND KÜNSTLERISCHE INHALTE 17 CULTURAL AND ARTISTIC CONTENT

EUROPEAN DIMENSION

ЕВРОПЕЙСКИЙ МАСШТАБ

INTÉGRATION DE LA SOCIÉTÉ

EINBINDUNG DER GESELLSCHAFT 34 OUTREACH ВОВЛЕЧЕНИЕ

ОБЩЕСТВА

УПРАВЛЕНИЕ GESTION

VERWALTUNG 39 MANAGEMENT

CAPACITÉ DE MISE EN ŒUVRE

СПОСОБНОСТЬ РЕАЛИЗАЦИИ

UMSETZUNGSFÄHIGKEIT 53 CAPACITY TO DELIVER

Chemnitz2025

EUROPÄISCHE DIMENSION 26 DIMENSION EUROPÉENNE

Die Esse des Heizkraftwerks Chemnitz-Nord ist nicht nur das höchste Bauwerk Sachsens, sondern seit 2013 durch die Gestaltung des französischen Künstlers Daniel Buren auch das höchste Kunstwerk der Welt

КУЛЬТУРНОЕ И ХУДОЖЕСТВЕННОЕ СОДЕРЖАНИЕ

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Ich kann nichts dafür, doch die meisten begreifen nicht Dass es nicht meine Schuld ist, wenn mein Leben scheiße ist Sondern eigentlich das System, Politik und Hartz-IV Egal woran es liegt, es liegt nicht an mir Ich komm' aus Karl-Marx-Stadt Bin ein Verlierer Baby Original Ostler Ich steh' auf keiner Gästeliste, ich bin nicht mal cool In einer Stadt, die voll mit Nazis ist, Rentnern und Hools Ich cruise Banane essend im Trabant um den Karl-Marx-Kopf Die Straßen menschenleer und das Essen ohne Farbstoff Diskriminiert, nicht motiviert Von der Decke tropft das Wasser, nichts funktioniert Und so wohnen wir in Sachsen auf modernden Matratzen Immer gut drauf auch ohne Kohle in den Taschen Ich komm' aus Karl-Marx-Stadt Bin ein Verlierer Baby Original Ostler

Youtube

Rock am Ring 2017: Bei einem Festival-Auftritt der Chemnitzer Band Kraftklub in Rheinland-Pfalz singen zehntausende Fans lauthals „Ich komm aus Karl-Marx-Stadt“.

Ich steh' auf Kaffee, Kippen und Diamanträder Ich war nie der in-der-Klasse-vorne-Sitzer-und-die-Hand-heber Eher so Angeber, ein verpeilter Hänger, daran Hat sich bis heute eigentlich nicht viel geändert, verdammt


0 Einleitung

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INTRODUCTION

EINLEITUNG ВСТУПЛЕНИЕ

INTRODUCTION

0.1 Warum möchte Ihre Stadt am Wettbewerb um den Titel Kulturhauptstadt Europas teilnehmen?

Kameniz – Chemnitz – Karl-Marx-Stadt – und wieder Chemnitz. Unsere Stadt ist viele Städte. Drei unterschiedliche Innenstädte, zwei Stadtnamen, verschiedene Gesellschaftssysteme innerhalb weniger Jahrzehnte – UMbrüche kennzeichnen die Geschichte unserer Stadt. Chemnitz ist Veränderung. AUFbrüche machen die kulturelle Dynamik unserer Stadt aus.

Wir haben es erlebt: AUFbrüche sind dynamisch und optimistisch, getrieben von Neugier auf das Unbekannte, von Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Kluge europäische Köpfe wie der Waliser Evans, der Elsässer Hartmann, der Ungar Zimmermann haben dieser Stadt innovative Kraft verliehen und durch ihren Erfindungsgeist ihr Bild geprägt. Chemnitz ist eine Mitmach-Stadt. Chemnitz2025 schöpft aus diesem großen Potential an Kreativität. Dank solchen Geistes der „Macher“ steht Chemnitz zu seinen Brüchen und wertet sie mit bodenständigem Urvertrauen und mit dem Mut des Neuerfindens in eine Zukunftsvision um. Über diese AUFbrüche möchte Chemnitz mit Europa intensiv ins Gespräch kommen. Chemnitz bewirbt sich als Kulturhauptstadt weil wir Europa zeigen möchten, wie die Menschen in dieser Stadt Krisen und Zusammenbrüche mit Neuerfindungen und Neuanfängen beantwortet haben. Vielleicht haben die Menschen hier ja eine besondere Fähigkeit entwickelt, UMbrüche in AUFbrüche zu verwandeln? Die Herausforderungen, die Chemnitz in seiner historischen Entwicklung gemeistert hat, stehen beispielhaft für viele Städte in Europa: wirtschaftliche Umstrukturierung, politische Systemwechsel oder demographischer Wandel sind europäische und weltweite Themen. Leerstellen im Chemnitzer Stadtbild deuten auf offene, neu zu deutende Orte im Stadtkörper, auf Ambivalenzen der Stadtgeschichte, auf Räume, die entfaltet werden müssen. Unter dem Motto AUFbrüche stellen wir die Geschichte von Chemnitz in ein neues Licht, beleuchten die Fragen der Gegenwart als gemeinsame europäische Herausforderung und machen die Energie der fortwährenden Neuerfindungen für die Zukunft dieser Stadt und Europa sichtbar.

Chemnitz sieht in der Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas eine große Chance: Wir wollen gemeinsam mit Europa AUFbrüche wagen. Wir wollen sowohl Chemnitz als auch Europa fragen: Was verbindet uns? Wie können wir gemeinsam ein lebenswertes Europa gestalten? Gemeinsam mit Europa möchten wir dabei unsere Stadt und Stadtgesellschaft neu erkunden und nachhaltig weiterentwickeln. Durch diese AUFbrüche wollen wir neue Perspektiven einnehmen, Gewohntes hinterfragen, Festgefahrenes aufbrechen. Mit und in der Region, mit und in Europa setzen solche Fragen nach den realen und imaginären Räumen unseres Lebens kreative Energien frei, Lösungen für ein zukunftsfähiges europäisches Miteinander zu suchen und zu erproben. Wir bewerben uns aber auch als Kulturhauptstadt, weil es uns keine Ruhe lässt, dass sich in jüngster Zeit in unserer Stadt und in Europa bedrohliche Bruchlinien abzeichnen – zwischen Arm und Reich, zwischen Alt und Jung, zwischen Zentren und Peripherien. Die Auswirkungen wirtschaftlicher Ungleichverteilung und bewaffneter Konflikte weltweit sind überall in Europa und damit auch in Chemnitz spürbar. Migrations- und Fluchtbewegungen bringen Menschen aus den Krisengebieten der Welt zu uns. Wirtschaftlicher Protektionismus, Populismus und Extremismus sind die fast schon reflexhaften Reaktionen des nationalistischen Lagers. Wir alle sind also aufgefordert, Lösungen zur Bewahrung gesellschaftlicher und individueller Resilienz, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit zu entwickeln. In Zeiten, in denen reaktionäre Kräfte Heil durch Rückkehr zu Abgrenzung und Ausgrenzung versprechen, brauchen sowohl Chemnitz als auch Europa ein starkes Miteinander. Als ostdeutsche Stadt unterstreicht Chemnitz2025 mit seiner Bewerbung in besonderer Weise dabei den Gedanken der europäischen Freiheit und Demokratie als elementaren Bestandteil des europäischen Einigungsprozesses. Kreativität ist die wichtigste Ressource, ein offenes, tolerantes Zusammenleben zu fördern. Wir brauchen die Erfahrungen der Chemnitzer UMbrüche auf dem Weg in ein Europa der AUFbrüche: Für Chemnitz2025 schaffen wir mit und in der Region, mit und in Europa reale und imaginäre Räume für verständnisvolle Begegnungen. Aus

Chemnitz2025

Chemnitz ist auf der Suche nach der Einheit in der Vielheit. Nach den Kontinuitäten angesichts der historischen Brüche. Nach den Eindeutigkeiten angesichts der Widersprüche. Es erfordert geistige Offenheit, Mut und Fantasie, sich der Unfertigkeit der Gegenwart und den Möglichkeiten einer ungewissen Zukunft zu stellen, das scheinbar Unvereinbare in neue Zusammenhänge zu bringen. Wir denken, dass unsere Bewerbung entscheidend dazu beiträgt, aus den Brüchen und Widersprüchlichkeiten der Vergangenheit ein zukunftsorientiertes Selbstverständnis für Chemnitz zu entwickeln - AUFbrüche.

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dem kreativen Miteinander von Menschen unterschiedlicher nationaler und kultureller Prägungen erwachsen daraus grenzübergreifende Dialoge, auf die Europa gründet – eben AUFbrüche.

Chemnitz – die Stadt der UMbrüche – lädt alle Bürger Europas dazu ein, die AUFbrüche in Projekten, Aktionen und Dialogen gemeinsam zu gestalten und zu erleben – in der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025.

0.2 Hat Ihre Stadt die Absicht, die umliegenden Regionen mit einzubeziehen? Warum? Im November 2018 haben sich Gemeinde- und Stadträte sowie Oberbürgermeister und Bürgermeister von 24 Kommunen bei einer gemeinsamen Ratssitzung öffentlich dazu bekannt, die Kulturhauptstadtbewerbung von Chemnitz aktiv zu unterstützen und gemeinsam mit Chemnitz eine Strategie der Kulturregion zu entwerfen.

Ja, Chemnitz wird mit seiner umliegenden Region Kulturhauptstadt Europas werden. Chemnitz2025 steht für die Erweiterung der Horizonte des bisher Denk- und Machbaren und für die zukunftsweisende Gestaltung neuer Räume. Stadt und Region teilen die Erfahrung der UMbrüche. Im Zuge der Bewerbung wird Chemnitz seine historisch gewachsene Kulturregion neu definieren und neu gestalten.

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Assoziierte Partnerstädte der Region

Chemnitzer Kulturregion

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Das Chemnitzer Modell verbindet Stadt mit Umland. Dementsprechend wurde auch der Chemnitzer Hauptbahnhof umgebaut und empfängt seitdem die Menschen der Kulturregion Chemnitz mit digitaler Kunst.

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Burgstädt

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Limbach-Oberfrohna

Zwickau


0 Einleitung

Arbeit: Pfeiler regionaler Zusammenarbeit Mit der Bewerbung ergreift die Kulturregion Chemnitz die Chance, ihr Miteinander zu stärken, denn über die Arbeitsbeziehungen zwischen Stadt und Region sind Gemeinsamkeiten gewachsen, für die die Stadt sich stärker in die Verantwortung stellen will. Chemnitz übernimmt wirtschaftlich und kulturell zentrale Funktionen als Oberzentrum einer Region mit rund 500.000 Einwohnern, die von Aue bis Hainichen reicht und neben Chemnitz den Landkreis Zwickau und die Ausläufer des Erzgebirges einschließt. Dieser Mittelgebirgsraum ist dank seiner Bergbauvergangenheit ein ausgesprochenes Stadt- und Burgenland und reich an attraktiven Zeugnissen europäischer Geschichte – unzählige Burganlagen und die Bergbaustädte, die, wie die Grundrisse zeigen, Planstädte gewesen sind, zeugen von der strategischen Wichtigkeit dieses Raumes für die frühneuzeitlichen Herrschaften in Europa. Im 19. Jahrhundert machten die regionalen Arbeitsbeziehungen Chemnitz zum „Sächsischen Manchester“, dessen rauchende Schlote als Wahrzeichen für den wirtschaftlichen Fortschritt standen. Heute zeichnet sich die Region durch eine Vielfalt mittelständischer Unternehmen aus, die oftmals durch Spezialisierung Marktführerschaft innehaben. Die Region erhält durch die Verbindung von wirtschaftlicher

Wachstumsstärke und landschaftlicher Attraktivität eine hohe Standortqualität und weist dank der Technischen Universität eine große Innovationsfreudigkeit in den Branchen Textiltechnologie, Mikrosystemtechnik und Maschinenbau auf. Auch heute pendeln zehntausende Menschen aus dem Umland täglich nach Chemnitz, um hier zu arbeiten. Und sie nutzen die vielfältigen kulturellen Angebote und begründen dadurch die Region als gemeinsamen Kulturraum. Wir halten Traditionen und Kulturen der Arbeit für einen tragfähigen Pfeiler unserer Kulturhauptstadtbewerbung und glauben, dass Kultur – aufgefasst in diesem weiten Sinne – auch auf das Verständnis einer breiten Öffentlichkeit stößt. Der Bewerbungsprozess, die Vorbereitungsjahre sowie das Veranstaltungsjahr 2025 stehen im Zeichen der Festigung und Verstetigung der regionalen Zusammenarbeit und zielen auf Nachhaltigkeit als einem weiteren zentralen Aspekt der Bewerbung.

Räume: Zukunft einer Stadtregion Chemnitz entstand aus einem Knotenpunkt alter innereuropäischer Fernhandelsrouten – der Frankenstraße von Bautzen nach Zwickau und der sächsischen Salzstraße von Halle nach Prag –, und wenige Jahrhunderte später führte der Textilhandel bis in den Balkan. Heute decken sich die Raumbeziehungen dieser Region mit dem Netzwerk des Chemnitzer Modells. Aus dieser Geschichte der Mobilitätsbeziehungen entwickelt Chemnitz2025 Mobilität als ein Leitmotiv seiner Vorbereitungen auf das Kulturhauptstadtjahr. Das Chemnitzer Modell, dessen Endausbau für 2035 geplant ist, macht auf diese Weise die Vorzüge einer ausgedehnten Stadtregion „erfahr-

bar“. Seine Regionalstadtbahnen verbinden Menschen und Orte in der Kulturregion Chemnitz. Es zeigt schon heute zukünftige Möglichkeiten, wie die Grenzen von Stadt und Land verkehrstechnisch überschrieben werden können, ohne die Eigenständigkeiten der Kommunen aufzulösen. Indem es die Kommunen der Region mit dem Oberzentrum mittels nachhaltiger Lösungen zur regionalen Mobilität jenseits des Individualverkehrs vernetzt, bahnt es durch konsequentes Vorantreiben innovativer Mobilitätskonzepte neuen Lösungen für das Leben, Arbeiten und Wohnen in der Kulturregion den Weg.

Spuren: industriegeschichtliche Verbindungen und UMbrüche

Chemnitz bewirbt sich 30 Jahre nach der politischen Wende. Wir erfahren derzeit, dass dieser UMbruch bis heute unbeantwortete Fragen hinterlassen hat: ● Wie haben sich Freiheit, Freizügigkeit und ein völlig anderes Wirtschaftsmodell im Stadtbild niedergeschlagen? ● Wohin führen die Spuren derjenigen, die nach 1989 aus den

verschiedensten Gründen die Stadt oder die Region verlassen haben – immerhin rund ein Viertel der Bevölkerung? ● Haben sich aus dem Verlust neue Allianzen im Umfeld der Stadt oder auch über die Abgewanderten selbst begründet? Gibt es neben Wegzügen auch Zuzüge und wie haben die Wanderungsprozesse Stadt und Region verändert? ● Hat die Wende Energien freigesetzt, die jetzt, zwei Generationen später, Früchte tragen? ● Welche Erfahrungen stärken Stadt und Region, welche hindern sie an der weiteren Entfaltung?

Die Bewerbung ermöglicht uns, eine kulturgeleitete Regionalentwicklung anzustoßen und eine regionale Kulturstrategie auszuarbeiten. Die Kulturregion Chemnitz mindert durch das Zusammenwirken von wirtschaftlichen, kulturellen und verkehrsstrategischen Entwicklungen den Druck auf den ländlichen Raum, der andernorts noch zu Prozessen der Landflucht führt.

Chemnitz2025

Die Spuren der Nah- und Fernbeziehungen all jener, die in Chemnitz leben, arbeiten und wirken, verweben Chemnitz mit Europa. Diesen Spuren nachzuspüren, ist ein zentraler Bestandteil des Programms von Chemnitz2025.

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11 CLUBS // 13 MUSEEN / 7 BÜHNEN // 4 FREIE THEATER // >10 KULTURE FESTIVALS // 0 Einleitung

0.3 Erklären Sie kurz das Gesamtkulturprofil Ihrer Stadt.

Sucht man einen gemeinsamen Nenner aller kulturellen Entwicklungen und Institutionen in Chemnitz, so kommt man an der engen, durchaus ambivalenten Beziehung von Industrie und Kultur in dieser Stadt nicht vorbei. Die kulturelle Infrastruktur in Chemnitz baut auf Traditionen kommunaler, privater und staatlicher Kulturpflege auf. Die Institutionen und Sammlungen sind Ausdruck der städtisch-bürgerlichen Kultur, aber auch Ausdruck der industriellen und kommunikativen Vernetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Daraus resultiert nicht nur eine bemerkenswerte Dichte der kulturellen Infrastruktur und eine Fülle potentieller Spielstätten, sondern auch eine hohe Neugier auf spartenübergreifende künstlerische Projekte und eine große Offenheit für verbindende Kulturformate. Kommunale Einrichtungen, wie die Städtischen Theater oder die Kunstsammlungen Chemnitz bilden mit Landeseinrichtungen wie dem smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz oder dem Industriemuseum Chemnitz und zahlreichen privaten und vereinsgetragenen Museen, Sammlungen und Galerien ein kulturelles Gesamtgefüge, das sich durch seine Vielfalt und Qualität auszeichnet. Chemnitz entwickelt eine besondere Lebendigkeit seines Kulturlebens aus dem zunehmenden Miteinander von etablierten Kulturinstitutionen und zahlreichen freien Initiativen. Die kreativen Energien in den verschiedenen künstlerischen Szenen der Stadt erschließen immer wieder neue Spielstätten und damit auch neue Ausdrucksformen. Beispielhaft hierfür steht das Konzept zum 875. Stadtjubiläum im Jahr 2018 – ein Meilenstein und ein Erprobungsfeld für prozessuales, partizipatives Kulturschaffen in Chemnitz. Die dezentralen Aktivitäten und eigenverantwortlichen Kulturprojekte rund um dieses Jubiläum haben die Menschen in neuen Netzwerken miteinander verbunden und ein Bewusstsein für Stadtgeschichte in die Quartiere und Stadtteile gebracht.

Chemnitz2025

Von den großen Institutionen bis hin zu den mit viel Engagement oftmals von Einzelpersonen oder Vereinen geführten Galerien bringen alle Akteure wichtige Impulse ein: AUFbrüche signalisiert auch eine Öffnung der Stadt in Richtung Europa, für welche die Kulturhauptstadt-Initiative einen zentralen Moment darstellt. Nicht erst durch den Bewerbungsprozess zur Kulturhauptstadt wurden in Chemnitz völlig neue Veranstaltungsformate ins Leben gerufen. Projekte wie das RAW Festival, das Festival für Industriekultur oder das Kunst- und Kulturfestival „Begehungen“ sind aus dem Kulturprogramm nicht mehr wegzudenken.

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Stadt der Brüche Noch immer sind wir dabei, aus den Splittern der Geschichte ein neues Bild der Stadt zusammenzusetzen – denn die Wechselfälle der Geschichte sind im Stadtbild von Chemnitz nicht zu übersehen. Phasen des Wohlstands und der Expansion wie auch der Krisen und Stagnation lassen sich am baukulturellen Erbe der Stadt ablesen. Gerade die Fragmentierung und Uneinheitlichkeit machen den Wert des vielfältigen architektonischen Erbes von Chemnitz aus – Vieles, was andernorts längst verloren ist, vereint sich hier in einem Stadtraum und harrt der Wiedererweckung. Die Stadt verweist in ihren Leerstellen, Brachen und in ihren vielen baulichen Wiederanfängen auf gesamteuropäische wie auf

deutsch-deutsche Geschichte. Markante Kontraste im Stadtbild, überraschende Ansichten und kulturelle Brückenschläge prägen diese „Stadt der Brüche“. Im weithin offenen Stadtareal, in dem sich die flächendeckenden Zerstörungen der letzten Kriegswochen bis heute als weite Plätze und großzügige Parks eingravieren, stehen historische Bauten der Vorkriegszeit vielfach im Kontrast zu den Bauten der DDR sowie zur zeitgenössischen Architektur aus den Jahren nach der Wende.

Das stadtbildprägende Ensemble aus städtischem Opernhaus (1900-1906) und städtischem König-Albert-Museum (1909), heute Heimat eines Teils der Kunstsammlungen Chemnitz, bezeugen den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt vom 18. bis in das 20. Jahrhundert und den damit verbundenen Wohlstand. Private Residenzen von Industriellenfamilien, wie die vom belgischen Architekten Henry van de Velde für den Chemnitzer Textilfabrikanten und Mäzen Herbert Eugen Esche als Gesamtkunstwerk des Jugendstils erbaute Villa Esche (1902/03) sind maßgebliche Zeugnisse des kulturellen Aufschwungs bis in die 1930er Jahre. Viele Museen der Stadt und der Region sowie das Industriemuseum und der Schauplatz Eisenbahn in Hilbersdorf präsentieren Meilensteine der Chemnitzer Industriegeschichte. Darüber hinaus hat die Stadt mit der Bauhauskünstlerin Marianne Brandt und dem Designer Prof. Karl Clauss Dietel wesentliche, internationale Impulse im Bereich Formgestaltung und Industriedesign setzen können. Sie weisen in der Zusammenschau mit den architektonischen Zeugnissen des Neuen Bauens und der Reformarchitektur der 1920er Jahre Chemnitz als Stadt der Moderne aus.

Kultur Raum geben Zu den kommunalen Einrichtungen zählen Die Theater Chemnitz als Fünf-Sparten-Haus, die Kunstsammlungen Chemnitz mit dem Museum am Theaterplatz, dem Museum Gunzenhauser, dem Schloßbergmuseum und dem Henry van de Velde-Museum in der Villa Esche sowie der Kulturbetrieb der Stadt Chemnitz, der neben dem Kulturmanagement im ‚Kulturkaufhaus‘ TIETZ die Volkshochschule, die Stadtbibliothek, das Museum für Naturkunde und als Partner die Neue Sächsische Galerie unter einem Dach vereint und zu dem außerdem die Städtische Musikschule und das Stadtarchiv gehören. Als großer städtischer Eigenbetrieb ergänzt C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren das Kulturangebot um Großveranstaltungen an seinen Veranstaltungsorten Stadthalle, Messe, Stadion an der Gellertstraße, Wasserschloss Klaffenbach und am neuen Carlowitz Congress Center.

Chemnitz kann ebenso auf private Galerien verweisen wie auf ein breit gefächertes Spektrum an Sammlungen und Museen, darunter das Deutsche Spielemuseum, den Schauplatz Eisenbahn Hilbersdorf und das Straßenbahnmuseum. Des Weiteren ist Chemnitz stolz auf seine kulturellen Landeseinrichtungen – das „smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz“ sowie das Industriemuseum Chemnitz als Haupteinrichtung des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum und zudem auf etwa 100 geförderte Kultureinrichtungen in freier Trägerschaft. Eine wesentliche Triebfeder der kulturellen Positionierung der Stadt ist die Technische Universität (TU)


0 Einleitung

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Chemnitz. Gemeinsam bieten diese Einrichtungen über 15.000 Veranstaltungen bzw. Projekte pro Jahr an.

Kulturelle Vielfalt leben Seine größten kulturellen Stärken entfaltet Chemnitz in den vielen privaten Initiativen. Über kreative Aktivitäten konnten in Chemnitz immer schon „Nischen“ bedient und angesprochen werden. Der vielfältige und reichhaltige Kulturkalender der Stadt lebt auch von den großen Festivals „Internationales Filmfestival Schlingel für Kinder und junges Publikum“, „Sächsisches Mozartfest“, das Jazzfestival, die Filmnächte, „Kosmonaut Festival“, „Begehungen“, „Tage der jüdischen Kultur“ und dem Festival „Tanz │ Moderne │ Tanz“, das sich unter anderem auch mit der Kultur der Chemnitzer Partnerstädte auseinandersetzt. Wichtige und prägende Impulse kommen darüber hinaus von einer überaus lebendigen freien Kulturszene, deren Aktivitäten von der Filmproduktion über Museen und Jugendkultur bis zur Literatur sowie der konfessionellen Kultur und Heimatpflege reichen. Initiativen wie das neue Festival Kosmos Chemnitz, das internationale Theaterfestival „NONSTOP EUROPA!“, die „Interkulturellen Wochen“, das vielfältige Programm des Alternativen Jugendzentrums Chemnitz (AJZ), des Soziokulturellen Zentrums Kraftwerk e.V. oder des Clubs Atomino e. V., der Internationale Marianne-Brandt-Wettbewerb für junge Gestalter sowie Künstler stehen beispielhaft für den weltoffenen Blick der Chemnitzer Kunstszene.

Repräsentativ hierfür ist auch das Festival „Kammermachen“, das zeitgenössische Musik, Performance, Tanz, Theater und Klangkunst verbindet. Kulturelle Impulse aus der Wirtschaft Die Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt setzt seit mehr als zwei Jahrzehnten innovative Impulse. Eine der jüngsten Errungenschaften ist das Förderprogramm KRACH in Zusammenarbeit mit Kreatives Chemnitz e. V., das Unternehmen und Projekte der Kreativ- und Kulturwirtschaft aus ganz Europa in Chemnitz und der Region ansiedeln will. Die 1993 gegründete gemeinnützige Organisation „solaris FZU“ ist international auf den Gebieten Bildung, Kultur, Kinder- und Jugendhilfe, soziale Arbeit, Integration, Umweltschutz sowie Forschung tätig und vermittelt zwischen Wirtschaft und kultureller Bildung. Im Jahr 2019 präsentiert sich Chemnitz mit profilierten kommunalen Kultureinrichtungen, einer vielseitigen privaten Kulturwirtschaft und einer facettenreichen freien Kulturszene. Zudem erhält die Chemnitzer Kulturlandschaft ihre charakteristische Lebendigkeit auch aus der enagierten Arbeit der nicht geförderten Träger. Das Programm für Chemnitz2025 kann auf einer Vielzahl etablierter Kultureinrichtungen mit überregionaler bzw. europäischer Ausstrahlung und europäischem Potential aufbauen. Es gilt, dieses Profil europäisch zu schärfen und folglich die europäische Wahrnehmung zu stärken.

Chemnitz2025

Das Ensemble am Chemnitzer Theaterplatz mit den Kunstsammlungen Chemnitz, der St. Petrikirche, dem Opernhaus und dem Hotel Chemnitzer Hof.

Dirk Hanus

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0 Einleitung

0.4 Erklären Sie das Programmkonzept, das Sie umsetzen würden, wenn die Stadt zur Kulturhauptstadt Europas ernannt wird.

Das Programmkonzept für Chemnitz2025 entfaltet aus dem Begriff AUFbrüche die drei thematischen Säulen Arbeit, Räume und Spuren. Chemnitz2025 thematisiert AUFbrüche in den Spuren der vielfach gebrochenen Geschichte der Stadt, denn wie viele Städte braucht Chemnitz die Auseinandersetzung mit blinden Flecken der Stadtgeschichte, um sich in der Gegenwart verstehen zu lernen. Chemnitz2025 folgt den Spuren seiner Bewohner in die persönliche wie kollektive Vergangenheit der Stadt: Spuren von Persönlichkeiten, die hier eine Heimat fanden und die Stadt prägten – aber auch Spuren von Menschen, die diese Stadt verlassen mussten und von diesem Verlust geprägt wurden. Chemnitz2025 denkt diese Spuren weiter in die Zukunft: Welche Wege müssen weiter beschritten, welche Weichen gestellt werden – für eine Zukunft, in der sich Verantwortung für die Geschichte und zukünftige Lebensqualität verbinden?

SPUREN

Chemnitz2025 erzählt von AUFbrüchen im (Stadt-)Raum, schafft Räume für das Miteinander unterschiedlicher Generationen und ethnischer Gruppen und lädt die Bürger ein, reale wie imaginäre Räume mitzugestalten. In der Gestaltung des öffentlichen Raums spiegeln sich Entwürfe gesellschaftlichen Lebens. Wie prägt die vielfaltige Vergangenheit der Stadt bis heute die Begegnung der Menschen, und wie kann Chemnitz den Visionen für ein zukünftiges Zusammenleben Raum geben? Die Fragen, wieviel Raum wir uns persönlich nehmen und welchen Raum wir uns gegenseitig geben, verhandelt Chemnitz2025 aktiv im Stadtraum und der Region.

RAUM

ARBEIT

Chemnitz2025 thematisiert AUFbrüche in der Arbeitswelt, denn wie nur wenige Städte definiert sich Chemnitz über Arbeit. Wie verstehen wir den Wandel der Arbeit vom Kapitalismus der industriellen Revolution über die Planwirtschaft des Sozialismus und die marktzentrierten Verselbständigungen des Neoliberalismus? Wie sieht die Zukunft von Arbeit in der Wissensgesellschaft aus? Welche Rolle nimmt Kultur- und Kreativarbeit für die Standortbestimmung und Lebensqualität in Zukunft ein? Welche Allianzen zwischen Kunst und Kultur sowie anderen Arbeitsbereichen lassen sich etablieren? Chemnitz2025 stiftet unterschiedliche Arbeitsfelder zu neuen, bisher unbekannten Kollaborationen an und schafft trans- und interdisziplinäre Verbindungslinien zwischen Kunst, Industrie, Stadtplanung und Wissenschaft.

Chemnitz2025

Chemnitz2025 wertet das wiederkehrende Motiv des AUFbruchs um.

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Sowohl während der Kaiserzeit als auch in der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR, aber auch nach der Wiedervereinigung haben kreative, querdenkende Köpfe oft die Stadt verlassen. Wir wollen Künstler aus ganz Europa zu Residenzen nach Chemnitz einladen, um ihre Spuren mit künstlerischen Mitteln wieder im Stadtraum sichtbar zu machen. Damit kehrt Chemnitz2025 Tendenzen um, welche die Stadt nachweislich geschwächt haben, und greift über Kunst und Kreativität Fäden wieder auf, die zerrissen waren.

Chemnitz erfindet sich neu als Stadtlabor eines europäischen AUFbruchs, der unterschiedliche Akteure der Stadtgesellschaft einbindet und untereinander sowie mit Europa vernetzt. Chemnitz2025 positioniert die Stadt als Ort geschichtlicher, gesellschaftlicher AUFbrüche, die gleichermaßen exemplarisch für vergangene wie für aktuelle gesellschaftliche Diskurse stehen, an denen sich die Zukunft Europas entscheidet. Lokale und internationale Künstler betrachten im Zusammenspiel mit der Stadtgesellschaft das kulturelle Erbe von Chemnitz durch das Brennglas zeitgenössischer Kunstformen und entwickeln Visionen einer europäischen Stadt, die sich den Herausforderungen der Zukunft stellt.


1 Beitrag zur Langzeitstrategie

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ВКЛАД В ДОЛГОСРОЧНУЮ СТРАТЕГИЮ

BEITRAG ZUR LANGZEITSTRATEGIE

CONTRIBUTION À LA STRATÉGIE LONG TERME

CONTRIBUTION TO THE LONG-TERM STRATEGY

1.1 Beschreiben Sie die Kulturstrategie, die in Ihrer Stadt zum Zeitpunkt der Bewerbung besteht, einschließlich der Pläne für die Fortführung kultureller Aktivitäten über das Veranstaltungsjahr hinaus.

Kulturhauptstadt Europas als integraler Bestandteil übergreifender Entwicklungsstrategien.

Die Kulturstrategie entstand als partizipativer, integrativer und vielschichtiger Prozess im Zusammenwirken von rund 250 Akteuren aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Wir sind überzeugt, dass die Menschen einer Stadt zum Glücklichwerden mehr brauchen als Einrichtungen zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse (Wohnen, Arbeiten, Erholung, Versorgung, Bildung, Soziales und Mobilität). Wir wollen über künstlerische und kulturelle Aktivitäten und Projekte unsere Stadt zum Ort für persönliche Entfaltung und Kreativität aller Bürger machen, über ästhetische Erfahrungen zwischenmenschliche Begegnung und (inter)kulturelle Kommunikation ermöglichen und dem Nachdenken über unsere Vergangenheit und unsere zukünftigen Möglichkeiten Raum geben. Gerade die nichtmateriellen Lebensqualitäten machen Chemnitz zum unverwechselbaren und stabilisierenden Lebensmittelpunkt seiner Bewohner und sind deswegen fester Bestandteil städtischer Entwicklungsstrategien. Die Aufmerksamkeit der Kulturstrategie gilt daher den Prozessen des Kunst- und Kulturschaffens, nicht nur deren Produkten. Das kreative Miteinander erhält so einen neuen Stellenwert. Kulturelle Prozesse sind für uns Netzwerkleistungen – seien sie analog, seien sie digital. Prozess und Beteiligung eröffnen Räume für Begegnung mit Kultur ohne Schwellenangst. Auch die weiterführende Strategieentwicklung für Chemnitz bis 2040 ist prozess- und beteiligungsorientiert konzipiert und versteht die kulturelle Dimension als Innovationsmotor und gestaltende Kraft der Stadtentwicklung. Die neue Kulturstrategie, Chemnitz2025 und die Chemnitz-Strategie

2040 sind folglich eng aufeinander bezogene und einander inspirierende Elemente einer kulturgeleiteten Stadtentwicklung für Chemnitz.

Durch die kreative und offene Beteiligung von Akteuren aus unterschiedlichsten Sparten sowie unter Einbeziehung von Ideen und Vorschlägen der Bürger konnte dieses ambitionierte Konzept realisiert werden. Zudem wurde die städtische Kulturverwaltung in diesem Prozess im Zeitraum von 2016 bis 2018 von „Culture for Cities and Regions“, einem Coaching für Mitgliedsstädte von EUROCITIES, methodisch begleitet. In den Jahren 2023 und 2027 sind Evaluierungen der Kulturstrategie unter professioneller Begleitung geplant. KULTUR RAUM GEBEN Die neue Kulturstrategie der Stadt Chemnitz ist von einem weiten Kulturbegriff geleitet. In ihr ist das Thema „Raum“ allgegenwärtig: Raum geben, Raum lassen, Raum schaffen, Raum füllen. Sie beschreibt die Schwerpunkte der kulturellen Entwicklung bis zum Jahr 2030 in sechs zentralen Themenfeldern: Moderne(s) in Chemnitz Die Stadt gibt Räume frei für Innovationen und Interventionen technologischer, künstlerischer und gesellschaftlicher Art und fördert Prozesse und Vorhaben innerhalb der Stadtgesellschaft. Diese Vorhaben zielen darauf ab, den Menschen Freiräume im Denken, Zusammenarbeiten und in der Gestaltung der städtischen Lebensräume zu eröffnen. Gebt Raum! – Entwicklung von Fördermodellen Chemnitz hat seine kommunalen Fördermechanismen in eine flexibilisierte, transparente Form der Kulturförderung transformiert, die neuen wie auch etablierten Kulturschaffenden offensteht und sie integriert, vernetzt und unterstützt. Industriekultur Sachsen ist das Land der Industrie und der Kultur in der Mitte Europas. Industriekultur stärkt das Gefühl für Heimat und Herkunft. Sie fördert die Bürgergesellschaft und den Wirtschaftsstandort Sachsen. Industriekultur ist Bestandteil unseres kulturellen Gedächtnisses. Sie trägt zur kulturellen Bildung und zur Entwicklung des Tourismus bei. Industriekultur ist ständig im Wandel. Chemnitz ist geprägt von dem Geist der Ingenieure, Unternehmer,

Chemnitz2025

Im August 2016 gaben Kulturakteure und Kulturpolitik der Stadt im Rahmen einer Zukunftswerkstatt zur Kulturstrategie ein überzeugendes Votum dafür ab, dass Chemnitz sich auf den Weg zur Kulturhauptstadt Europas 2025 machen soll. So ist es nur folgerichtig, dass die Bewerbung Inspiration und Motor für die neue Kulturstrategie 2018-2030 KULTUR RAUM GEBEN war, die im Januar 2019 im Stadtrat beschlossen wurde und sich seither in Umsetzung befindet. www.chemnitz2025.de/kultur

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1 Beitrag zur Langzeitstrategie

Künstler und Gestalter. Innovative Formgestaltung und wegweisendes Industriedesign haben hier ebenso eine Heimat wie unangepasste Lebenseinstellungen und avantgardistische Ausdrucksformen der Kunst. Kultur- und Kreativwirtschaft als Impulsgeberin Die Kultur- und Kreativwirtschaft belebt untypische Industrie-/ Arbeitsorte mit Kreativprojekten/-unternehmen und steigert damit die Urbanität von Chemnitz. Kulturelle Angebote stärken die vom UMbruch betroffene Region und die Stadt und fungieren als Brücke zwischen urbanem und ländlichem Raum.

Kulturelle Bildung verknüpft künstlerische Praktiken mit gesellschaftlichen Fragestellungen und gestaltet so den Wertewandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft aktiv mit. Der schöpferische Akt und die Selbsterfahrung stehen im Mittelpunkt eines lebenslangen Lernprozesses, der außerhalb bestehender Verwertungslogiken stattfindet. Kulturkommunikation, Kulturmarketing und internationale Kooperationen Dank einer offenen Kulturplattform, welche von Vereinen und Kultureinrichtungen in Zusammenarbeit mit der Kultur­verwaltung gepflegt wird, nutzt ein Großteil der Chemnitzer die kulturellen Angebote im gesamten Stadtgebiet und kennt die Angebote der Kulturregion Chemnitz.

1.2 Beschreiben Sie die Pläne der Stadt zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des Kultur- und Kreativbereichs, auch durch die Entwicklung langfristiger Verzahnungen zwischen diesen Sektoren und den Sektoren Wirtschaft und Soziales in Ihrer Stadt.

Die Kulturstrategie der Stadt hat Kultur- und Kreativwirtschaft als eines von sechs ausgewählten Themenfeldern definiert. Dabei sollen in erster Linie kreative Akteure vernetzt werden, Brücken zu Industrie und Handel gebaut, der Vormarsch der Digitalisierung und der Einsatz von neuen Technologien im Alltag thematisiert werden. Diese Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft erfolgt in Chemnitz sektorenübergreifend. Sie gilt in Chemnitz als

selbstverständlich, wenn es um integrierte Stadtentwicklung und zukunftsgewandte Wirtschaftsförderung geht. Zur Entwicklung von Projekten für die Kultur- und Kreativwirtschaft wird dabei auf interdisziplinäre Teams gesetzt. Zudem hat die Stadt Chemnitz von 2016 bis Ende 2020 mit EFRE-Mitteln Stadtteilmanager für Kultur- und Kreativwirtschaft beschäftigt. Fest verankert in den städtischen Strukturen ist zudem eine Beratungsstelle für Kultur- und Kreativwirtschaftende bei der Wirtschaftsförderung.

Chemnitz2025

Wir wollen jungen Menschen, die gerne ihr Umfeld gestalten möchten, Perspektiven in Chemnitz bieten. Ungenutzter Raum wird daher im Zuge des Bewerbungsprozesses zur Kulturhauptstadt Europas und im Sinne von Chemnitz 2030 für kreative Ideen geöffnet.

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Chemnitz ist auf Grund der Stärke der TU Chemnitz spezialisiert auf den Wissens- und Technologietransfer in Wirtschaft und Gesellschaft der Region. Um dem Brain-Drain entgegenzuwirken, entwickelt die Stadt ein wirkungsvolles Gründungsklima im Umfeld der TU Chemnitz weiter. Der Gründungsradar 2018 bescheinigt der TU Chemnitz mit einem Ranking unter den TOP 10 der Gründerhochschulen (Kategorie mittelgroße Hochschulen) die Qualität und Effektivität von Initiativen und Institutionen wie dem TUClab oder dem Gründernetzwerk SAXEED (seit 2006). Stadt und TU Chemnitz betreiben gemeinsam das Technologie Centrum Chemnitz, das Start-Ups aus dem Universitätsumfeld unterstützt. Aktuell haben etwa 80 Start-Ups aus dem Hightech- und Kreativbereich ein Zuhause bei diesem Hub gefunden – das Angebot reicht von Labor-, Produktions- und Büroflächen bis hin zu einem Coworking-Space. Von der lokalen Wirtschaft initiiert, verknüpft der Q-HUB regionale Start-ups mit der Wirtschaft, bietet kreative Räume für Innovation und Gründern sowie Mittelständlern eine Unterstützung. Der Q-HUB gibt durch seine starke internationale Vernetzung den Chemnitzer Start-ups eine Bühne und holt internationale Investoren in die Stadt und befördert die Bildung von Netzwerken. Mit dem Beschluss der Kulturstrategie rückt die Entwicklung einer eigenständigen Strategie zur Förderung der Kulturund Kreativwirtschaft in den Fokus der kulturpolitischen

Arbeit. Sie soll in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung der Stadt, der TU Chemnitz sowie Kreativwirtschaftsverbänden wie Kreatives Chemnitz erfolgen. Dies korrespondiert mit den in der Kulturstrategie festgestellten Zielen: Wissenstransfer Etablierung eines Jour Fixe Kultur- und Kreativwirtschaft für ein besseres Verständnis der Branche mit Vertretern des Landesverbandes und des lokalen Verbandes für die Kultur- und Kreativwirtschaft, den Kammern, den verschiedenen Ämtern der öffentlichen Verwaltung, der TU Chemnitz sowie der Wirtschaftsförderung der Stadt Chemnitz Capacity Building Aufbau einer Akademie zur Weiterbildung von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft Kulturelle Bildung Einbindung von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft in die städtische Initiative zur Stärkung der kulturellen Bildung im schulischen und außerschulischen Kontext Zentrales Anliegen der Stadt Chemnitz ist die Sichtbarmachung der innovativen, richtungsweisenden Leistungen und des wirtschaftlichen Potenzials der Kultur- und Kreativwirtschaft. Entsprechend werden Formate wie die Maker-Faire-Sachsen mit ihren Bastlern, Tüftlern und Hackern gefördert, die auch auf kulturelle Bildung setzt und Kindern und Jugendlichen


1 Beitrag zur Langzeitstrategie

Wissenschaft und Innovationstechnologien spielerisch näherbringen möchte. In dem noch bis Ende 2021 laufenden InterregProjekt InduCCI – Cultural and Creative Industries in Traditional Industrial Regions as Drivers for Transformation in Economy and Society arbeitet die Chemnitzer Wirtschaftsförderung CWE (Lead) mit Partnern aus Mitteleuropa, unter anderem aus Linz (Creative Region Linz & Upper Austria), Padua (Padova Chamber of Commerce, Industry, Crafts and Agriculture), Bielitz-Biała (Regional Development Region Bielsko-Biała) sowie der Microregion Sokolov-East (Tschechien) an der Schaffung von tragenden Rahmenbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft

in Industrieregionen. Im Fokus stehen die Entwicklung von Strategien zur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft und die Sensibilisierung der öffentlichen Verwaltungen für die Bedürfnisse der Branche. Als Ergebnis des Projektes stehen am Ende neue Verbindungen zwischen Industrie sowie Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft, neue Wertschöpfungsketten werden sichtbar.

Eine Kulturhauptstadt Europas bedeutet mit Blick auf 2030 auch Experiment, Weiterbildung und Internationalisierung.

KRACH – Kreativraum Chemnitz Mit KRACH etablierte die Stadt Chemnitz 2018 ein Förderprogramm, das auf die besonderen Bedürfnisse der Kultur- und Kreativwirtschaft zugeschnitten ist. Das Förderprogramm stellt den Preisträger für bis zu drei Jahre mietfrei Gewerbeflächen in Stadtteilen zur Verfügung, in denen sich aktuell eine Kreativszene entwickelt. Die KRACH-Preisträger erhalten zudem ein Startbudget von 5.000 Euro sowie Know-How aus Wirtschaft, Recht und Marketing. Durch maßgeschneiderte Beratungsangebote und eine intensive Betreuung der Preisträger wird eine nachhaltige Unternehmensgründung gefördert. Im Hintergrund bringt KRACH ein interdisziplinäres städtisches Team, den Branchenverband „Kreatives Chemnitz“ sowie kommunale und private Vermieter zusammen. Es ist daher ein Beispiel für öffentlichprivate Partnerschaft an der Schnittstelle von Wirtschaft, Kultur und Stadtentwicklung. KRACH ist von Bolognas Erfolgsprogramm „IncrediBOL!“ inspiriert, das Chemnitzer Akteure während einer „Culture for Cities and Regions“-Studienreise im Herbst 2015 kennenlernen durften. Durch Best-Practice-Einblicke sowie Wissens- und Erfahrungsaustausch mit europäischen Experten während und im Anschluss an die Studienreise, konnte KRACH in Chemnitz wachsen. Eine europäische Jury – unter anderem mit Beteiligten von IncrediBOL!, Portos UPTEC PINC und EUROCITIES – vergab in den ersten beiden KRACH-Runden 15 Räume an junge Start-Ups. Unter den Preisträgern finden sich Designer, Softwareentwickler und ein Zentrum für darstellende Kunst, das lokale und internationale freie Theatermacher zusammenbringen und in Workshops weiterbilden möchte. Diese

Theatermacher werden auch ein Residenzprogramm für Theaterakteure in Chemnitz anstoßen. KRACH – ein wegweisendes Beispiel auf dem Weg zu einer möglichen Kulturhauptstadt Europas 2025. Die Stadtwirtschaft Als Gründerzentrum für die Kultur- und Kreativwirtschaft entsteht im Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg der Kreativhof „Die Stadtwirtschaft“ als exemplarischer Impuls für nachhaltige Stadtentwicklung. Betrieben vom Branchenverband „Kreatives Chemnitz“, bietet das Projekt über 2000 m2 Raum für Kreative, Start-Ups und Unternehmen. Ein ehemals städtischer Wirtschaftshof wird hier mit Mitteln aus der EFRE-Förderung saniert und anschließend von der Stadt Chemnitz für KRACH zur mietfreien Nutzung gestellt. Weitere Abschnitte werden mit Mitteln aus nationalen Programmen unterstützt. Die ersten Kreativen sind im Sommer 2019 eingezogen. Die Lage am Sonnenberg ermöglicht besondere Synergien zwischen etablierten Initiativen und Gründern – auch dank den neuen, gemeinsam nutzbaren Werkstätten sowie den Proberäumen, die hier im Zuge der weiteren Sanierung ab 2020 entstehen. Indem wir so Räume für Kultur und Kreativität schaffen, entlasten wir die angespannte Probenbühnensituation der freien Kultur. Bandbüro Chemnitz Der von der Stadt Chemnitz geförderte Verein Bandbüro Chemnitz betreibt mit dem Musikkombinat das erste Gründerzentrum für Bands in den neuen Bundesländern Deutschlands. In dem ehemaligen Schulgebäude, in dem das Musikkombinat zu Hause ist, haben heute über 100 Bands ihre Probenräume und es gibt ein professionelles Tonstudio. Ein internationales Bandaustauschprogramm und Weiterbildungsangebote tragen zur Stärkung, Professionalisierung und Internationalisierung der Chemnitzer Musikszene bei. Das Bandbüro, das von Chemnitzer Musikern gegründet wurde, spricht die Sprache der Branche, kennt sich bestens mit den Anforderungen im Musikgeschäft aus, stellt einen beispielgebenden AUFbruch nach Europa dar und soll im Zuge des Bewerbungsprozesses konsequent ausgebaut werden.

Der Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025“ soll ein positives Image der Stadt nach außen transportieren. Diesen AUFbruch will die Stadt Chemnitz durch Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft konsequent unterstützen.

Chemnitz2025

Die Bewerbung ermöglicht die Etablierung einer Akademie für experimentelle Kunst und setzt Anreize zur Entwicklung neuer Formate. Sie lädt internationale Kulturschaffende zu Residenzen nach Chemnitz ein, ermöglicht lokalen Kulturakteuren die Mitarbeit in europäischen Netzwerken und setzt auf den Aufbau eines internationalen Weiterbildungsprogramms für Kulturmanager. Dies ist auch eine wesentliche Antriebsfeder der Branchenverbände „Kreatives Chemnitz“ und „Kreatives Sachsen“, die wesentliche Treiber dieser Bewerbung sind. Im Folgenden werden drei Beispiele dargestellt:

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1 Beitrag zur Langzeitstrategie

1.3 Wie ist die Aktion Kulturhauptstadt Europas in diese Strategie eingebunden?

2 Die Bewerbung der Stadt Chemnitz für den Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 baut auf einem langfristigen Kulturentwicklungsprozess auf.

Chemnitz2025

3 Chemnitz2025 ist ein Meilenstein zur Umsetzung der Kulturstrategie und kann daher auch die in der Chemnitz-Strategie 2040 als notwendig identifizierten Prozesse beschleunigen. Der Kulturhauptstadtprozess wird zum Katalysator der in der Kulturstrategie gesteckten Ziele.

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4 Die Einbindung der Region wird durch eine regionale Kulturstrategie untermauert. Auf individueller Ebene ermöglicht sie, kulturelle Interessen der Bürgerschaft zu erkennen und zu wahren. Auf stadträumlicher Ebene gibt die Kulturstrategie Impulse bei der Entwicklung von Leitlinien zu gesamtregionalen Planungen sowie gesellschaftlichen Fragen der Regionalentwicklung. Auf europäischer Ebene befördert die Kulturstrategie die Verankerung der Kulturregion Chemnitz in der überregionalen und internationalen Kulturlandschaft. Stadtentwicklung Mittels der Kulturförderung sowie der Wirtschaftsförderung, aber auch durch die Etablierung von Anerkennungsstrukturen zur Würdigung des Ehrenamtes und der Bürgerbeteiligung wird der Output einer kulturellen Leistung der Stadt in der kommenden Dekade zur vollen Entfaltung kommen. Durch die Belebung von ehemaligen Industriearealen wie beispielsweise dem Spinnereimaschinenbau (im Prozess), der Schönherrfabrik und dem Wirkbau Chemnitz (beide weitgehend entwickelt), die sich aufgrund ihrer Nutzungsmischung und Anpassungsfähigkeit zu „urbanen Magneten“ entwickeln, soll eine nachhaltige Stadtentwicklung angestoßen werden: Aus „brownfields“ werden „coloured fields“.

Wie sieht das Chemnitz der Zukunft aus? Beim Workshop zum Thema „Die Kulturhauptstadtbewerbung als Stadtentwicklung“ im Oktober 2018 diskutieren Chemnitzer über mögliche Interventionsflächen.

Ernesto Uhlmann

1 Im Januar 2019 beschloss der Stadtrat mit überwiegender Mehrheit die neue Kulturstrategie und verabschiedete die auf den Kulturentwicklungsplan aus dem Jahre 2004 aufbauende kulturspezifische Entwicklung für den Kulturraum Chemnitz, die Kultur als Erneuererin, Gestalterin und Innovatorin urbaner Entwicklung begreift. Als übergreifendes Anliegen der Strategie wurde die kulturelle Integration auf drei Ebenen, der „individuellen Ebene“, der „stadträumlichen Ebene“ und der „europäischen Ebene“ als Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt, zu Teilhabegerechtigkeit und zu kreativem Austausch beschlossen.


1 Beitrag zur Langzeitstrategie

1.4 Welche wären Ihrer Meinung nach die langfristigen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen für Ihre Stadt (einschließlich der Stadtentwicklung), sollte ihr der Titel Kulturhauptstadt Europas verliehen werden?

Wir erwarten, dass der Bewerbungsprozess und das Jahr als Kulturhauptstadt Europas einen weiteren AUFbruch für

Chemnitz bedeuten – ein bewusster Wandel für eine nachhaltige, widerstandsfähige, lebenswerte und liebenswerte Stadt.

Bereits der Bewerbungsprozess zur Kulturhauptstadt Europas 2025 stellt einen nachhaltigen und langfristigen Impuls für die kulturelle Entwicklung der Stadt und der Kulturregion Chemnitz dar. Exemplarische Auswirkungen ● Durch die eingeführte Dialog- und Feedbackkultur im Prozess der Erarbeitung der Kulturstrategie 2018 2030 wurde eine breite Teilhabe und Partizipation der Kulturakteure, der Kulturpolitik und weiterer Fachgremien erreicht. Dieses offene Beteiligungsformat wird innerhalb der Erarbeitung des Umsetzungsplanes der Kulturstrategie, des Bewerbungsprozesses zur Kulturhauptstadt Europas und schließlich in der Phase der Implementierung konsequent fortgeführt. ● Exemplarisch hierfür ist das Bürgerdialog-Format „Im Gespräch bleiben“ zu Zukunftsthemen der Chemnitzer Stadtentwicklung. Ein Forum in der ehemaligen Hartmannfabrik im Oktober 2018 bot Gelegenheit, über die möglichen Interventionsflächen der Kulturhauptstadt Europas mit Experten sowie den Bürgern zu debattieren und zu reflektieren. In den kommenden Jahren wird dieses Format auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet und die Stadtteile sowie Ortschaftsräte konkret eingebunden, um grundlegende Fragen und Anliegen der einzelnen Stadtteile gemeinsam zu erarbeiten, die Kultur vor Ort zu stärken und eine entsprechende Stadtteilentwicklung voranzutreiben. ● Weitere Foren zum Austausch wurden initiiert, beispielsweise das erste Chemnitzer Stiftertreffen im November 2018, das von der CWE und dem Netzwerk für Kultur und Jugendarbeit e. V. im neu gegründeten Club „TRANSIT“ im Gebäude des Bahnhofs Chemnitz Süd durchgeführt wurde. Daraus entstanden neue Kooperationen unter den teilnehmenden Akteuren und mit bundesweit agierenden Kulturstiftungen. Das Format wird im Herbst 2019 fortgesetzt. ● Anknüpfend an die Erfahrungen des #wirsindmehrKonzertes im September 2018 wird die Chemnitzer Innenstadt für größere Festivitäten und Aktionen weiterentwickelt

werden. Den Auftakt hierzu bildete das neue Format „KOSMOS Chemnitz –#wirbleibenmehr“ in diesem Sommer mit etwa 50.000 Besuchern. ● Die Zugänglichkeit von Kultureinrichtungen wird seit 2008 sukzessive erweitert, zunächst mit Blick auf junge Menschen mit freiem Eintritt in den städtischen Museen für Kinder und Schüler bis zum 18. Lebensjahr, seit 2016 mit der Einführung des Studenten-Kulturtickets, das für städtische Museen und Die Theater Chemnitz gilt. Das Programm wird fortlaufend erweitert: Die freien Museen gewähren seit 2018 freien Eintritt für Kinder und Schüler, ab 2020 ermöglicht das Azubi-Kulturticket Auszubildenden bis zum 27. Lebensjahr freien Eintritt in die städtischen Museen und in Die Theater Chemnitz. Seit Mai 2019 ist darüber hinaus in den städtischen Museen, in der Neuen Sächsischen Galerie und im Industriemuseum Chemnitz immer am ersten Freitag des Monats der Eintritt für alle frei. Damit verbunden ist die Absicht, ein möglichst langfristiges Konzept der Museumspädagogik aufzubauen, um freie Teilhabe an Kunst und Kultur erlebbar zu machen und zu ermöglichen. Des Weiteren soll geprüft werden, wie andere Kommunen des Oberzentrums Chemnitz in die Eintrittsmodelle zukünftig einbezogen werden können. ● Der Internationale Marianne-Brandt-Wettbewerb, der als Triennale in den Jahren 2019, 2022 und 2025 in Chemnitz durchgeführt wird, sucht das Interesse und Engagement von Unternehmen aus der Industrie. Industrie und Kultur werden in diesem Sinne verbunden. Durch die Förderung des künstlerischen Nachwuchses auf dem Gebiet der angewandten Kunst können darüber hinaus Partner in der Wirtschaft für die enge Zusammenarbeit und Förderung im Bereich Produktgestaltung und Industriedesign motiviert werden.

● Es erfolgt die Weiterentwicklung bestehender Veranstaltungsformate mit Blick auf eine Steigerung der Diversität und Teilhabe. Dies wäre neben der internationalen Ausrichtung und entsprechenden Synergieeffekten ein erhoffter Effekt der themen- und genreübergreifenden Maßnahmen und Konzeptionen für Festivals und internationale Großveranstaltungen.

● Wir planen für die einzelnen Festivalformate eine Erweiterung der spezifischen Angebote für ältere Menschen, für Kinder, für Menschen, die nach Chemnitz zugewandert sind wie auch für Menschen mit Behinderung (siehe Kapitel 4). So werden im Rahmen der Konzeptionsentwicklung der 4. Sächsischen Landesausstellung „Boom! 500 Jahre Industriekultur in Sachsen 2020“ für den Schauplatz Eisenbahn in

Chemnitz2025

Weitere in den kommenden Jahren erwartete Effekte

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1 Beitrag zur Langzeitstrategie

Chemnitz-Hilbersdorf Barrierefreiheit, ein Spiel- und Erholungsbereich für Kinder sowie englische, deutsche und zum Teil tschechische Übersetzungen von Ausstellungsinhalten und des Wegeleitsystems von hoher Bedeutung sein. Dabei meint Barrierefreiheit vor allem Rollstuhlzugänglichkeit und Führungsangebote, die auf die Bedürfnisse der jeweiligen Gruppen abgestimmt sind. Die Umsetzung von größtmöglicher Barrierefreiheit ist eine Querschnittsaufgabe und verlangt ein anspruchsvolles Gestaltungs-, Kommunikations-, Service- und Vermittlungskonzept. ● Die übergreifenden Festivals wie „Interkulturelle Wochen“, „Willkommen in Chemnitz“, „Europäisches Nachbarschaftsfest“, „Chemnitzer Friedenstag“, „Interkulturelle Filmwoche“, „Tage der jüdischen Kultur“, „KOSMOS Chemnitz“, „Kosmonaut Festival“ oder „Interkulturelles Weihnachtsfest“ werden dezidiert gesellschaftspolitisch mit Blick auf die Stärkung des Miteinanders und der Sichtbarkeit der kulturellen und religiösen Vielfalt in Chemnitz ausgerichtet. Die Volkshochschule richtet ihre Angebote explizit auf den Bereich Deutsch als Fremdsprache und der beruflichen Integration von Migranten aus (siehe Kapitel 4).

● Zudem sind eine umfassende Pflege und Sanierung von Kulturdenkmälern und Kunstwerken im öffentlichen Raum sowie künstlerische und interaktive Auseinandersetzungen innerhalb des Projekts Zukunft Werk Stadt Chemnitz, einer begehbaren Ausstellung im öffentlichen Raum, geplant. Soziale Wirkungen Die künstlerische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe, mit Tradition und Geschichte der Stadt und der Region, wie beispielsweise durch die multimediale Biennale "POCHEN - Tage des Aufbruchs - Die Wismut“ im Jahr 2018, durch die 4. Sächsische Landesausstellung „Boom! 500 Jahre Industriekultur in Sachsen“ im Jahr 2020 und durch die Entwicklung des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses zum Gedenk- und Lernort führt zu einer lebendigen Bewahrung und multimedialen Präsentation von stadtspezifischen Geschichten und Besonderheiten. Die daraus folgende kritische Auseinandersetzung mit den politischen Staatssystemen, aber auch mit der kulturellen Identität innerhalb der europäischen Gemeinschaft ist ein Ansatz zum weiteren Verständnis lokaler und internationaler Beziehungen, was sich im Programm der Kulturhauptstadt Europas 2025 wiederfinden wird.

KULTURSTRATEGIE 2030 // KULTUR RAUM ● Vor allem durch die Digitalisierung der Bestände des Stadtarchivs, des Sammlungsbestandes der Neuen Sächsischen Galerie und der Kunstsammlungen Chemnitz, durch die Entwicklung einer digitalen Werkdatenbank von sächsischen Kunstschaffenden und letztendlich durch die Entwicklung eines umfassenden lokalen digitalen Archivkonzepts, wird Stadtgeschichte für die Bevölkerung zugänglich und ästhetisch erlebbar gemacht. Durch die Archivpädagogik, die audiovisuellen Archivgüter sowie innovative Präsentationsformen wie beispielsweise das virtuelle Museum, Augmented Reality-Spaziergänge und Soundscapes werden neuartige Erschließungsformate der Vermittlungsarbeit beschritten. Die Erweiterung der digitalen Infrastruktur ermöglicht damit eine breite Zugänglichkeit zu kulturellen Ressourcen und Wissen. Die virtuellen Technologien ermöglichen neue Perspektiven auf Stadträume, die durch Augmented Reality auch Zukunftsmodelle und Visionen der Stadt einbeziehen. Beispiele dafür sind die geplante Neugestaltung der Dauerausstellung des Museums für Naturkunde sowie die geplante Neukonzeption der Ausstellung zur Stadtgeschichte im Schloßbergmuseum.

Chemnitz2025

● Durch den Aufbau eines Schul-Kultur-Zentrums als einen zentralen kommunalen außerschulischen Lernort und als einer kooperativen Nutzungsform der Kreativ- und Lernwerkstätten des TIETZ werden handlungsorientierte Lehr- und Lernmethoden vor Ort sowie auf der digitalen Vernetzungs- und Weiterbildungsplattform vermittelt.

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Die Präsentation und Restaurierung ehemaliger Industrieareale mit europäischen und zum Teil weltweiten Alleinstellungsmerkmalen führt zur einer Steigerung der Identifizierung mit der eigenen Region und zur gesteigerten Attraktivität für nationale und internationale Besucher. Dazu zählen das Eisenbahnviadukt, die ehemalige Hartmannfabrik und der Schauplatz Eisenbahn in Chemnitz-Hilbersdorf.

Zukunftsperspektive Die eingeführten Partizipations- und Bildungsformate innerhalb der zeitgenössischen Kunst- und Kulturbereiche führen zu demokratischer Bildung durch praktische Vermittlung. Beispielhaft ist das Projekt „Kunst und Demokratie“ der Kunstsammlungen Chemnitz aus dem Jahr 2018. Mit dem partizipativen Projekt Chemnitz Open Space − partizipativer Raum eröffneten die Kunstsammlungen Chemnitz im Stadtzentrum für zehn Monate im Jahr 2019 einen Treffpunkt und Verhandlungsort für die Menschen im Stadtzentrum. Neben Gesprächsrunden, Workshop- und Diskussionsprogrammen sowie dem Gastprogramm "Kinkerlitzchen" wurden die Inhalte durch lokale Kooperationen mit Schulen und Kulturinstitutionen wie dem Sächsischen Museum für Archäologie (smac) und den gemeinnützigen Vereinen Arthur e. V. und Taupunkt e. V. ergänzt.


1 Beitrag zur Langzeitstrategie

1.5 Umreißen Sie kurz die Monitoring- und Evaluierungspläne.

● Das Evaluierungsprojekt ist so konzipiert, dass es ebenso wie das Kulturhauptstadt-Programm selbst den Vorgaben der EU zur Frage von Partizipation und Bürgernähe entspricht. ● Der Evaluierungsprozess von Chemnitz ist transparent. Die Themen, Zielsetzungen, Fragestellungen, Methoden, Abläufe, die Teamzusammenstellung sowie die Ergebnisse werden öffentlich kommuniziert. In seinen Darstellungsformaten wie in Bezug auf die Zugänglichkeit zielt der Evaluierungsprozess auf ein breites Publikum. ● Um den Evaluierungsprozess zu Chemnitz2025 wissenschaftlich begleiten zu lassen, befindet sich die Stadtverwaltung in Verhandlungen mit der TU Chemnitz. Dies soll die Unabhängigkeit des Projekts in Entscheidungsprozessen und einen kritischen Außenblick garantieren. Es ist daran gedacht, einzelne Forschungsfragen mit langfristigen Beobachtungszeiträumen für akademische Abschlussarbeiten auszuweisen. Über die TU Chemnitz, aber auch über weitere Netzwerke wird angestrebt, weitere Universitäten und Fachhochschulen europaweit als Projektpartner zu gewinnen.

● Das Evaluierungsteam umfasst externe Experten ebenso wie lokale Ressourcen (Projektteam, Gremien, Verbände wie Kreatives Sachsen/Chemnitz), um vorhandenes Wissen optimal in den Prozess einbinden zu können und zugleich das Wissen externer Experten lokal zu etablieren. In Ergänzung hierzu reflektiert ein externes Advisory panel Prozess, Methoden und Ergebnisse. ● Aufbauend auf dem Evaluierungsprojekt wird an der Entwicklung einer Best-Practice Datenbank gearbeitet, deren Ziel es ist, den Wert der Initiative Kulturhauptstadt Europas in und für Chemnitz bürgernah zu vermitteln und künftigen Bewerberstädten (vor allem) in der Anfangsphase als Hilfestellung anzubieten. ● Bürgernähe. Der Evaluierungsprozess von Chemnitz verfolgt ebenso wie die Bewerbungsschrift das Ziel, der lokalen Bevölkerung zu Gute zu kommen. Neben dem Internet werden die Erkenntnisse in Broschüren oder ähnlichen Publikationen aufbereitet bzw. als Ausstellungen im öffentlichen Raum präsentiert. Die Daten werden deshalb grafisch verständlich und sinnlich ansprechend aufbereitet sein. Evaluierung und Monitoring sollen als eigenständig agierende Abteilung im operativen Kulturhauptstadtbüro geführt werden. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit der „ECoC Policy Group“ dienen als Basis und werden auf die Situation in Chemnitz angepasst und erweitert. Die Evaluierung in Chemnitz wird um die Thematik „Stadt-Kartierung“ erweitert, bei der es darum geht, Veränderungen auch visuell zu erfassen.

Chemnitz2025

Der Monitoring- und Evaluierungsprozess für Chemnitz2025 zielt auf ein umfassendes Portrait der Stadt Chemnitz sowie auf eine nachhaltige Dokumentation und Reflexion der mit Bewerbung und Durchführung einhergehenden Veränderungen. Monitoring und Evaluierung sind als eigenständiges, methodenplurales Kulturhauptstadtprojekt mit dem Titel Die Vermessung der Stadtveränderung Chemnitz2025 konzipiert. Der Prozess hat bereits mit Beginn der Bewerbung im September 2017 begonnen. Für die Definition der Erfolgsindikatoren wurden Workshops mit lokalen Experten sowie Bürgern abgehalten. Damit sollte das Verständnis für die Thematik möglichst früh entwickelt bzw. vorangetrieben werden, um über den Zeitraum der Kulturhauptstadt Europas hinaus Evaluierungen zur Routine der Chemnitzer Kulturpraxis werden zu lassen.

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Städtische Theater Chemnitz / Ida Zenna

Die Primaballerina Natalia Krekou bei der Inszenierung von Prokofjews „Romeo und Julia“ im Chemnitzer Opernhaus

Verbinde die Zahlen und male die Form aus.


2 Kulturelle und künstlerische Inhalte

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CONTENU CULTUREL ET ARTISTIQUE CULTURAL AND ARTISTIC CONTENT

KULTURELLE UND KÜNSTLERISCHE INHALTE КУЛЬТУРНОЕ И ХУДОЖЕСТВЕННОЕ СОДЕРЖАНИЕ 2.1 Wie sieht die künstlerische Vision und Strategie für das Kulturprogramm des Veranstaltungsjahres aus?

Das künstlerische Programm von Chemnitz2025 begreift Kunst als Prozess. Die Fokussierung der Prozesshaftigkeit künstlerischen Schaffens im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres zielt darauf ab, den Akt des Schaffens gegenüber der Präsentation des Werks ins Zentrum zu stellen. An der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Stadt sind die Chemnitzer maßgeblich beteiligt. Sei es durch Calls für eigene Projektideen im Rahmen der Mikroprojekte oder durch die Beteiligung an Projekten mit internationalen Künstlern. Die Bürger sind es, welche die Stadt in Bewegung setzen. Chemnitz2025 bewegt die Stadt Wir sind von der Kulturhauptstadt Europas als Katalysator gesellschaftlichen und kulturellen Wandels überzeugt. Chemnitz2025 bedeutet, eine Vision zu entwickeln, die es den Menschen in der Region ermöglicht, gemeinsam AUFbrüche zu gestalten. Im Gegensatz zu AUFbrüchen der Vergangenheit, die sich oftmals als Reaktionen auf politische und gesellschaftliche Zäsuren beschreiben lassen, bietet die Kulturhauptstadt eine einzigartige Möglichkeit, in einem Akt selbstbestimmten, kollektiven Handelns gemein­sam mit den Bürgern Prozesse der Veränderung umzusetzen. Chemnitz2025 wird „Die Stadt bewegen“, Chemnitz wird zu einer Stadt im AUFbruch.

Stadt im Wandel Chemnitz2025 versteht somit auch das Europäische Kulturhauptstadtjahr selbst weniger als Produkt denn als Prozess, weniger als Endpunkt einer Entwicklung und Präsentationsformat künstlerischer Werke denn als Blick in das Herz einer Stadt im Wandel und im AUFbruch: als Öffnung künstlerischer Prozesse bzw. als Präsentation unterschiedlicher künstlerischer Meilensteine auf dem Weg. Wann beginnt und wann endet ein solcher Prozess? Der Weg zur Kulturhauptstadt 2025 hat bereits jetzt begonnen, und er endet nicht 2025. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung begreifen wir Chemnitz2025 als Kulturhauptstadt 365+. Künstlerische Exzellenz Damit wird Chemnitz2025 auch zum Zentrum der Verhandlung dessen, wie Kunstproduktion und -rezeption im Rahmen eines solchen Projekts gedacht werden können. Wie können Hierarchien nivelliert werden, ohne künstlerische Qualität in Frage zu stellen? Wie kann Kunst in die Lebens- und Arbeitsräume der Menschen kommen und zu einem Akt der Selbstermächtigung und der kollektiven Gestaltung von Zukunft und AUFbruch werden?

AUFbrüche

Opening Minds. Creating Spaces. Programmvision

Arbeit Raum Spuren Themenfelder

Moving the City Stadt im Umbruch Stadt in Farbe Stadt im Fluss

Unter der Programmvision AUFbrüche fassen wir die Veranstaltungen des Kulturhauptstadtjahres in drei Programmsäulen entlang den thematischen Feldern Arbeit, Räume und Spuren zusammen, um so zu erkunden, wie sich mit offenem Geist in einer Stadt neue Räume eröffnen lassen. Die Prozesshaftigkeit unserer Bewerbung drückt sich im Motto „Die Stadt bewegen – Moving the City“ aus. Zugleich unterstreichen wir damit die emotionale Komponente des Kulturprogramms und zeigen, dass wir uns bewerben, weil wir uns und die Stadt verändern wollen. „Die Stadt bewegen“ berührt die Stadt als sozialer wie räumlicher Wandlungsprozess. Mit „Stadt im UMbruch“, „Stadt in Farbe“ und „Stadt im Fluss“ haben wir drei Assoziationsräume für die sinnliche Erfahrung und künstlerische Umsetzung innerhalb der Programmstruktur entwickelt. Wir verstehen sie ebenso als Ausdruck von und Bekenntnis zu Vielfalt und

Chemnitz2025

2.2 Geben Sie einen allgemeinen Überblick über die Struktur Ihres Kulturprogramms, einschließlich des Umfangs und der Vielfalt der Aktivitäten/Hauptveranstaltungen, die das Jahr kennzeichnen werden.

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2 Kulturelle und künstlerische Inhalte

Buntheit. Der Wirkungskreis schließt sich, wo konkrete städtebauliche Veränderungen entlang des Flusses den sozialen Wandel begleiten und befördern. Wir verdeutlichen die Anliegen dieser Struktur in der graphischen Darstellung ausgewählter Projekte.

In unserem Call laden wir Künstler wie auch Kulturakteure aller Disziplinen zur kreativen Auseinandersetzung mit den Inhalten der Bewerbung ein; Interdisziplinarität, Zugänglichkeit und europäische Vernetzung gilt es dabei besonders zu berücksichtigen.

Die Stadt bewegen – Moving the City Eine Stadt kann mit offenem Geist neue Räume öffnen. Stadt in Farbe Urban Colours

Stadt im Fluss City in Flow

Chemnitz – Karl-Marx-Stadt – Chemnitz: Die Geschichte einer Stadt verläuft niemals linear. In Chemnitz sind die Brüche der Stadtgeschichte sinnfällig in der Änderung des Stadtnamens greifbar. Als Symbol des Wandels leiten uns die Namen der Stadt dabei, zu erkennen und zu spüren, wie sich die Stadt verändert, und aus dieser Erkenntnis zukünftiges Handeln zu entwickeln.

Chemnitz gilt als farblos, als eine Stadt, die von Beton und vor allem überdimensionierten Straßenzügen dominiert wird. Durch das künstlerische Programm wird sich Chemnitz nicht nur optisch wandeln, sondern insbesondere im künstlerischen Sinne in eine bunte Stadt verwandelt.

Der Naturraum Wasser zählt zu den stärksten Anziehungsfaktoren für die Bewohner urbaner Lebensräume und schafft neue Standards städtischer Lebensqualität. Die veränderten Bedürfnisse einer mobilen, spontanen und vor allem individualisierten Gesellschaft werden im Dialog mit den Bürgern identifiziert und bezogen auf den Fluss Chemnitz in einem Prozess nachhaltiger Stadtentwicklung erfüllt. Unter Mitwirkung der Bürger entsteht eine neue Stadtlandschaft entlang der Chemnitz.

Das Jahr der Kulturhauptstadt Europas fällt mit dem 35. Jahr der Wiedervereinigung zusammen und bestärkt uns, der Auseinander­setzung mit zeitgeschicht­lichen Fragen eine zentrale Position im Programm zu verschaffen. Daraus entwickeln wir die Diskussion über Zukunftsfragen der Gesellschaft.

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FARBE

Chemnitz2025

Wir wollen die Stadt neu vermessen, die Stadt erlebbar machen und uns folglich im Dialog der Bürger Europas bewegen.

„Chemnitz ist weder grau noch braun“, Chemnitz besticht durch eine bunte Vielfalt an Ideen, an Farben, die das Stadtbild sinnbildlich prägen. Chemnitz hat alles: seine guten Seiten und seine Probleme. Womit die Stadt jedoch nicht leben wird, sind Hass, Gewalt, Intoleranz und vor allem eine Mentalität des „Wegschauens“. Das ist der Nährboden, auf dem Demokratiefeindlichkeit wächst. Das macht Angst. Aber aus dieser Angst entsteht jener Mut, den die Stadt jetzt benötigt, um das Fundament für eine europäische Modellstadt zu bauen, das im Geiste von Melina Mercouri und Jacques Lang die Vielfalt der Kulturen im Fokus hat.

Städte waren und bleiben ein Motor für Interessen, Austausch, Innovationen, Hoffnungen und Konflikte. Städte sind der Lebensraum der Zukunft. Mit Chemnitz2025 wird die Stadt zum „Labor Europa“. Der Fluss verweist auf die Wandlungsfähigkeit der Stadt als Inkubator für den gesellschaftlichen wie technischen Fortschritt. Der Fluss Chemnitz ist ein Sinnbild der Stadtentwicklung, das im Zuge der Kulturhauptstadtbewerbung mit dem Ziel thematisiert wird, den Bürgern ein Stück innerstädtischen Lebensraum zurückzugeben. Zudem werden wir mit diesem Themenfeld Bedarfe aufzeigen, welche die Stadt in der kommenden Dekade verändern werden: Mobilität, Digitalisierung und europäischer Wissenstransfer.

FLUSS

UMBRUCH

Stadt im UMbruch Wind of Change

Die Stadt Chemnitz stellt sich diesen Herausforderungen: Wir bauen auf eine bunte, inklusive Stadt, in der Menschen aller Kulturen und Nationalitäten Platz und Raum bekommen, sich friedlich zu entfalten und so auch einen Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander leisten können.


2 Kulturelle und künstlerische Inhalte

Projekte im Prozess Sämtliche Projekte für Chemnitz2025 durchlaufen einen Prozess, in dem Qualität, europäische Relevanz und dramaturgische Stringenz im Sinne des Programms „Die Stadt bewegen“ im Dialog mit den Akteuren angestrebt werden. Diesbezüglich wird es im Falle einer Nominierung für die Shortlist eine deutliche Ausweitung der Projekte sowie deren Bedeutung für ein mögliches Kulturhauptstadtjahr 2025 geben.

neue unentd_ckte narrative Multimediale Biennale POCHEN Begehungen Zukunft Werk Stadt Chemnitz Mural-Trail Chemnitz Vierzig

Stadt im UMbruch

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Stadt nach Acht – Dialogfelder Dance@Station 4.0 Tanz | Moderne | Tanz NONSTOP EUROPA! Stefan und Inge Heym-Forum Kinderstadt Institut für Ostmoderne

Stadt in Farbe

Stadt im Fluss

neue unentd_ckte narrative (nun) Als transnationales, mehrfach ausgezeichnetes Schnittstellenprogramm zwischen Kultur, Zivilgesellschaft und Wissenschaft in Chemnitz entwickelt nun generations- und zielgruppenübergreifende Kulturproduktionen und bündelt sie im Rahmen von Festivals, die Gesprächs- und Handlungsräume für eine breite Stadtgesellschaft eröffnen (Aufstand der Geschichten 2018, Aufstand der Utopien 2019). Im Zentrum steht die kritische Bearbeitung solcher Narrative, wie sie gerne zur Begründung menschenfeindlicher Haltungen herangezogen werden. Projektträger: ASA-FF e. V., Netzwerk für Globales Lernen Projektpartner: Die Theater Chemnitz, smac Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, Haus Arthur e. V., Kulturbüro Sachsen e. V., AGIUA e. V., ifzw impulsstiftung (D), Yucel Cultural Foundation (TR), YouthCan (TN), YMCA (RO) Multimediale Biennale POCHEN erzählt Geschichte und Geschichten rund um die Kulturregion Chemnitz. Dabei fokussiert die Biennale jeweils ein Thema, das eng mit den Menschen der Region, ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, vor allem aber mit ihrer Identität verbunden ist. Die erste Auflage von POCHEN widmete sich 2018 mit den „Tagen des Aufbruchs“ der Geschichte des Bergbauunter-

RAUM

SPUREN

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ARBEIT

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nehmens Wismut und seiner Bedeutung für die Region. Der thematische Schwerpunkt 2020 liegt auf plötzlichen wirtschaftlichen UMbrüchen und staatlichen Interventionen, die den Markt kurzzeitig außer Kraft setzen. Projektträger: Spinnerei e. V. Projektpartner: Stadt Chemnitz, TU Chemnitz, Chemnitzer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Kunstsammlungen Chemnitz, smac - Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, Industriemuseum Chemnitz, Fritz Theater, Museum der Werte (Berlin), FraunhoferInstitut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, Re:publica Festival / Denkfabrik - Digitale Arbeitsgesellschaft (Berlin), Shape Netzwerk (EU-Projekt), Cynetart (Dresden), Sonica Festival (Ljubljana), Node Festival (Modena), Athens Digital Art Festival (Athen), WRO Biennale (Wrocław), Galerie Borssenanger (Chemnitz), Martin Bricelj Baraga (Ljubljana), MoTA – Museum for Transitory Art (Ljubljana) Begehungen Seit 2003 bespielt das inklusive Kunst- und Kulturfestival Begehungen verlassene, leerstehende Gebäude und Orte in Chemnitz und bringt sie so zurück ins gesellschaftliche Bewusstsein. Jedes Jahr werden internationale Nachwuchskünstler eingeladen, sich mit einer

Chemnitz2025

Titel

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2 Kulturelle und künstlerische Inhalte

aktuellen, gesellschaftlichen Thematik auseinanderzusetzen. Ein Artist-in-Residence-Programm lädt außerdem zu einer Auseinandersetzung mit der Stadt Chemnitz ein. Die entstandenen Arbeiten werden an vier Tagen im August präsentiert, begleitet durch ein umfangreiches Rahmenprogramm, zu dem Führungen, Musikacts, Workshops und Talkshowformate gehören. Die Begehungen fanden unter anderem bereits in einem Gefängnis, einem Kulturpalast aus DDR-Zeiten und einer Schrebergartenanlage statt. Bis 2025 sollen weitere Orte des UM- und AUFbruchs thematisiert werden. Projektträger: Begehungen e. V. Zukunft Werk Stadt Chemnitz greift die Idee des Projekts „InSicht“ (2001) zu Kunst im öffentlichen Raum auf und konzipiert es als kuratierte Triennale für 2020 und die Folgejahre neu, um Möglichkeiten der Wandlung und Verwandlung des öffentlichen Raumes durch künstleri­ sche Interventionen zu erkunden. Der Stadtraum ist dabei zugleich Spielraum und Rahmen der künstlerischen Auseinandersetzung mit Strukturen der Stadt. Die Beiträge zum Projekt stellen Beziehungen zu den Stadt­räumen der neuen Innenstadt her und machen die öffentlichen Räume über die Kunst sinnlich erfahrbar und immer wieder neu erlebbar. Zukunft Werk Stadt Chemnitz lädt die Menschen dazu ein, sich in dem stets im Wandel befindlichen Erzähl- und Kommunikations­raum Stadt auf Spurensuche und Entdeckungsreise zu begeben. Für 2020 hat die Kulturstiftung des Bundes eine Förderung von 450.000 Euro zugesagt. Projektträger: Kunstsammlungen Chemnitz Projektpartner: Künstler aus europäischen Ländern, Kulturstiftung des Bundes Mural Trail Chemnitz Bis 2025 entsteht im Zentrum von Chemnitz eine Route aus mehreren Spots mit großflächigen Fassadenmalereien, durch die der urbane Raum zur Open Air Galerie wird. Diese Outdoor-Galerie wird in Zusammenarbeit regionaler sowie europäischer Künstler geschaffen. Sie ist Spiegel des aktuellen künst­lerischen Zeitgeistes und zugleich eine Hommage an die Chemnitzer Kunstgeschichte. Die sparten- und gene­rationsübergreifende Kooperation etablierter regionaler und internationaler Künstler zeichnet dieses Projekt aus. Wissenstransfer und künstlerischer Austausch stehen für die Akteure im Zentrum des Vorhabens und transportieren die Botschaft eines harmonischen Miteinanders.

bar und zu einem sichtbaren Zeichen für die Veränderung der Geschichte der Stadt und der Kulturregion. Vierzig thematisiert den Wandel der Kulturhauptstädte Europas in den letzten 40 Jahren und setzt sich auch mit den Fragen der Bewerbung sowie mit dem Umsetzungskonzept in Form eines kritischen Dialogs auseinander. Projektträger: Stadt Chemnitz, Kulturhauptstadtbüro Projektpartner: Kommunen aus der Kulturregion Stadt nach Acht – Dialogfelder Das Projekt zielt auf die Etablierung einer vielfältigen Abend- und Nachtkultur sowie Nachtökonomie in Chemnitz. Die „Dialogfelder“ bauen auf jeweils vierwöchige Residenzen von Akteuren ganz unterschiedlicher Bereiche auf: Designer, Köche, bildende Künstler, Musiker, Informatiker, Architekten, Gärtner, Performer und/oder Stadtgeografen werden Orte auf dem Sonnenberg neu erlebbar machen. Das Pilotprojekt 2018 hat die Chancen einer solchen Initiative aufgezeigt. Geplant ist, die Dialogfelder ab 2020 zu fördern und europäisch zu vernetzen. Projektträger: Klub Solitaer e. V. Dance@Station 4.0 Im Mittelpunkt stehen die Bahnhöfe von Umeå und vier europäischen Partnerstädten als urbane Begegnungsstätten von Gestern, Heute und Morgen. Das Projekt wirft die Frage auf, wie ein Bahnhof wieder ein Ort des Willkommens werden kann, ein Ort des Verweilens, Auftankens, Durchatmens und Nachdenkens, bevor man sich auf eine neue Reise begibt. Gemeinsam untersuchen und entwickeln die fünf Partner mittels zeitgenössischen Tanzes, Performances und Interventionen im öffentlichen Raum diese Orte. Im Vordergrund stehen Aspekte des Erhalts des kulturellen Erbes der Industriekultur sowie die Einbindung aller Bevölkerungsschichten und Generationen. Projektträger: Theaterförderverein der Städtischen Theater Chemnitz e. V. Projektpartner: Umeå und Chemnitzer Partnerstädte Manchester, Ljubljana, Tampere Tanz | Moderne | Tanz Das internationale Festival für zeitgenössischen Tanz setzt sich mit Fragen der (kulturellen) Identität und Politik auseinander und mischt sich aktiv in den gesellschaftlichen Diskurs und das gesellschaftliche Handeln ein. Einen weiteren Entwicklungsschritt stellt der Wissenstransfer mit den Tanzszenen in Prag und Stockholm dar, um mittelfristig ein choreografisches Zentrum für den Freistaat Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Chemnitz zu etablieren. Bis Ende 2020 sollen ein bedarfsorientiertes Konzept sowie eine Finanzierungsgrundlage vorliegen.

DIE STADT Chemnitz2025

Projektträger: Europäische Kunstgemeinschaft e.V. Projektpartner: Stadt Chemnitz, Wohnungsgenossenschaften, Galerien, eins energie, Kunstsammlungen Chemnitz, Red Tower Films, Betriebe auf dem Brühl

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Vierzig Im Rahmen dieses Projekts werden 40 Schornsteine in der Kulturregion in den Jahren 2021 bis 2025 von 40 Künstlern aus ehemaligen Kulturhauptstädten Europas mit künstlerischen Interventionen gestaltet. Vierzig macht authentische Orte der Industriegeschichte völlig neu erleb-

Projektträger: Förderverein für zeitgenössischen Tanz Chemnitz e. V. Projektpartner: Internationale Tanzcompanien, Tanzhäuser und Produktionsstätten, z. B. Düsseldorf, Manchester, Taiyuan, Tampere, Łodz, Ljubljana, Mulhouse, Libanon, Mali, Japan, Türkei, Israel und Südafrika


2 Kulturelle und künstlerische Inhalte

NONSTOP EUROPA! Dieses internationale Theaterfestival mit Profis und Studierenden ist zugleich eine generationenübergreifende Arbeitsbegegnung. Es steht ganz im Zeichen des künstlerischen Austausches und stellt die friedliche europäische Kooperation und die Verwirklichung eines zukunftsorientierten Europas in den Mittelpunkt. Die Theaterproduktionen nehmen aktuelle Themen Europas in den Blick und erwecken in Chemnitz die Stimmen Europas. Alle Stücke werden in den jeweiligen europäischen Originalsprachen (mit deutschen Untertiteln) aufgeführt. Projektträger: Die Theater Chemnitz Projektpartner: Zürcher Hochschule der Künste, Anton Bruckner Privatuniversität Linz, Kunstuniversität Graz, Hochschule für Musik und Theater der West-Universität Timişoara, Hochschule der Künste Bern, Akademie für Kunst und Kultur Osijek, Theater Divadlo pod Palmovkou Prag, Lubuski Teatr Zielona Góra, Heinrich Böll Stiftung (Sachsen) Stefan und Inge Heym-Forum Wie wenige andere Schriftsteller seiner Zeit hat sich Stefan Heym beharrlich immer wieder mutig in Debatten und Kontroversen eingemischt und die Auseinandersetzung mit den großen gesellschaftlichen Konflikten befördert. Die Stadt Chemnitz lobt in Kooperation mit dem Verein Internationale Stefan-Heym-Gesellschaft seit 2008 den Internationalen Stefan Heym-Preis aus. Seit einigen Jahren laufen gemeinsame Planungen, das Arbeitszimmer Stefan Heyms mit seinen wertvollen Buchbeständen in die Geburtsstadt des Schriftstellers zu bringen und damit in Chemnitz einen Ort und Fundus des lebendigen Gedenkens an diesen Autor mit Weltgeltung zu schaffen. Die Eröffnung findet im Jahr 2020 im Tietz statt.

Kinderstadt Seit 2018 ergänzt die Kinderstadt als vier- bis sechswöchiges Großplanspiel das Sommerferienangebot in Chemnitz. Die Kinder und Jugendlichen vollziehen das All­tags­leben in einer Stadt spielerisch nach, sie bringen ihre Ideen in die Spielhandlung ein, gestalten den Raum der Kinderstadt kreativ und selbsttätig mit, sie sammeln Erfahrungen mit komplexen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Vorgängen und erfahren sich selbst als aktive Mitglieder einer Gemeinschaft mit Rechten und Verantwortlichkeiten. Die Kinderstadt entsteht als Ort aus der Fantasie und den Wünschen der Kinder und Jugendlichen und gibt Raum für tätige und musische Gestaltung des Jetzt ebenso wie für die Auseinandersetzung mit Fragen der Zukunft. Projektträger: auxilium e. V. Projektpartner: Kreishandwerkerschaft, Rotary Club Institut für Ostmoderne Sowohl die Nachkriegsmoderne als auch die Ostmoderne sind im Kontext ihrer kulturhistorischen Bedeutung als Forschungsthemen noch relativ jung und unterbeleuchtet, insbesondere hinsichtlich Architektur und Städtebau der DDR. Die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas bietet Anlass, die wissenschaftlich-künstlerische Auseinandersetzung mit der jüngeren Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt in der DDR anzustoßen. Der Prozess beginnt in Chemnitz, das als einstige sozialistische Musterstadt Karl-Marx-Stadt besonderes Potential hat, ist aber skalierbar auf die europäische Ebene. Projektträger: Stadt Chemnitz, Kunstsammlungen Chemnitz Projektpartner: Institut für Ostmoderne e. V.

Projektträger: Stadt Chemnitz, Internationale Stefan-Heym-Gesellschaft e. V. Projektpartner: Cambridge University Library, TU Chemnitz

2.3 Erklären Sie kurz, wie das Kulturprogramm das lokale Kulturerbe und traditionelle Kunstarten mit neuen, innovativen und experimentellen künstlerischen Ausdrucksformen verknüpfen wird.

Etablierte Wettbewerbe und Auszeichnungen wie der „Internationale Marianne-Brandt-Wettbewerb“ (Formgestaltung) oder Tradition und Form (Kunstgewerbe) sowie bestehende multimediale Festivals wie POCHEN oder „Tage der Industriekultur“ operieren bereits heute an der Schnittstelle von Tradition und Experiment.

Chemnitz2025 setzt seine Schwerpunkte in vier Epochen, die als paradigmatisch für die historischen Phasen der Stadtentwicklung und damit für die kulturellen Errungenschaften der Stadt identifiziert wurden: ● in der benediktinisch geprägten Gründungsphase, die mit der benediktinischen Regel und dem daran anschließenden Humanismus das Fundament für das immaterielle Erbe und Geistesleben der Stadt gelegt hat ● in der Phase der Frühindustrialisierung mit den durch die Textilindustrie geprägten räumlichen und wirtschaftlichen Vernetzungen ● in der Phase der Hochindustrialisierung mit ihrer stärksten industriellen und städtebaulichen Expansion und den entsprechend intensiven kulturellen Impulsen der Moderne

Chemnitz2025

Das Programm von Chemnitz2025 ist zugleich „showcase“ und Prüfstein der lokalen Tradition und des kulturellen Erbes der Stadt: Es dient zum einen der Sichtbarmachung einzigartiger Elemente des kulturellen Erbes von Chemnitz und schafft damit Möglichkeiten der Identifikation mit und der Anerkennung von historischen Leistungen und Werten. Zum anderen eröffnet es Räume für künstlerische Dialoge über die spezifische Spannung von Identität und Wandel, die das Thema AUFbrüche charakterisiert.

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2 Kulturelle und künstlerische Inhalte

● in der Phase der deutsch-deutschen Nachkriegszeit mit ihren politischen UMbrüchen, die sich stadträumlich und ästhetisch in den Neuorientierungen der Ostmoderne niederschlagen In seinen drei Programmsäulen Arbeit – Räume – Spuren eröffnet Chemnitz2025 Denk- und Schaffensräume für die ästhetische und sinnliche Auseinandersetzung mit der Erinnerung und dem kulturellen Erbe der Stadt wie auch den Erfahrungen der Chemnitzer mit ihrer Stadt. Im Fokus des Programms stehen prozessorientierte Projekte und partizipative Formate. Die Programmsäule Arbeit öffnet Gestaltungsräume für künstlerische Herangehensweisen an die Techniken und die Erzeugnisse der Industrievergangenheit von Chemnitz. Die lokale Textilindustrie bietet beispielsweise eine reiche Grundlage für zeitgenössische textilkünstlerische Ausdrucksformen. Sammlungen, Museen und Archive in der Stadt und der Region bilden dafür ein historisches Fundament an Wissen und Material und finden beispielsweise an der Fakultät für Angewandte Kunst Schneeberg einen textilgestalterischen Ankerpunkt. Neben der Sammlung des Sächsischen Industriemuseums Chemnitz bilden das Esche-Museum in LimbachOberfrohna, die Mustersammlung der Kunstsammlungen Chemnitz, die Schauweberei Tannenhauer in Braunsdorf sowie die Spinnmühlen der Region weitere Knotenpunkte für ein Netzwerk herausragender Textilkunst. Unschätzbar, aber unmittelbar bedroht ist dabei das immaterielle Erbe textiltechnologischen Wissens, das heute noch von ehemaligen Mitarbeitern der ehemaligen Textilbetriebe bewahrt und weitergegeben wird, oftmals in ehrenamtlicher Tätigkeit für kleine Museumsvereine. Die Programmsäule Räume bietet an den industriell konnotierten Orten der Stadt für solche Vorhaben konkrete Spielstätten, Resonanz- und Erinnerungsräume. Der Stadtraum tritt hier als Bühne für künstlerische Ausdrucksformen in Erscheinung (temporäre öffentliche Kunstaktionen, Kunst im öffentlichen Raum) und wird auch selbst über Architekturpreise und Gestaltungs-Wettbewerbe zum Ort ästhetischer Verständigung über das Verhältnis von lokalen Bautraditionen und Zukunftserwartungen an Architektur und Städtebau. Das Projekt Vierzig macht die

Kulturregion von Chemnitz2025 über neugestaltete Schornsteine sichtbar. Jeder Schornstein weist auf Spuren des Wandels im industriekulturellen Erbe hin – von „Werk-Stätten zu KunstWerken“ – und steht als Denkzeichen für die Erfahrungen von UMbruch und Wandel genauso wie für AUFbruch aus der Krise. Die Programmsäule Spuren verfolgt den Dialog von Tradition und Zukunft zum einen quer durch alle Programmpunkte hindurch, geht zum anderen aber auch auf die sinnliche Dimension lokaler Traditionen ein. Chemnitz2025 kann eine sinnliche Brücke zurück zu den historischen Anfängen von Chemnitz schlagen, indem es beispielsweise die benediktinische Klostertradition über die Braukunst thematisiert. Hieraus lassen sich neben Präsentationsformaten zur Chemnitzer Brauereigeschichte alle möglichen Spielformen der Geselligkeit im Stadtraum entwickeln. In ähnlicher Weise fügen sich Themen des Handels von Salz, Kaffee oder Süßwaren in das Programm ein und bilden damit historische Vernetzungen erfahrbar ab. Die musikalische Umsetzung der Erfahrung von Industrialisierung und die damit einhergehende Ausweitung der Klangwelten bildet in dieser Programmsäule eine weitere Verbindungsmöglichkeit von traditionellen Kunstformen und ästhetischem Experimentieren. Als Ort des Musikschaffens im 20. Jahrhundert changiert Chemnitz zwischen Kanon („sächsisches Bayreuth“) und Avantgarde. Chemnitz2025 ermöglicht es, das musikalische Vermächtnis der Industriekultur zu vermessen (Mäzenatentum, Werksorchester) und die experimentelle Musik zu stärken. Die Pflege von zeitgenössischem Musikschaffen an der Schnittstelle von Klassik, Elektronik und Popkultur gilt es in Abstimmung mit regionalen Akteuren auszubauen. Der Dialog von Tradition und Zukunft bedient sich in der Programmsäule Spuren aber auch technischer Innovationen: Mittels digitaler Spuren entfaltet Chemnitz2025 einfach zugängliche Sinnes- und Erfahrungsräume und spielt mit der Spannung von Innen- und Außenräumen. Klangspaziergänge, „soundscapes“ oder Kunstwanderungen auf Spuren von Chemnitzer Künstlern erschließen das kulturelle Erbe digital für eine breite Öffentlichkeit und sichern es zudem über zeitgemäße Technologien der Virtualität (Archivierung und Präsentation).

2.4 Wie hat die Stadt örtliche Künstler und Kulturorganisationen bei der Gestaltung und Durchführung des Kulturprogramms

Chemnitz2025

einbezogen bzw. wie beabsichtigt sie, dies zu tun?

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Wir haben lokale Künstler und Kulturorganisationen vom ersten Moment an eingebunden. Es ist uns ernst mit dem Auftrag, den uns 54 freie Träger sowie Kunst- und Kulturvereine gleich zu Beginn der Planungen in einem offenen Brief mit der Botschaft: „Die Chemnitzer Subkultur will gewinnen“ erteilt haben. Denn wir sind davon überzeugt, dass…

2 ...sich die Mühe lohnt, sich gemeinsam den Fragestellungen der Bewerbung zu stellen.

1 ...diese Bewerbung zur Sichtbarmachung des künstlerischen Potenzials der Stadt und der Kulturregion beiträgt.

4 ...die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2025 wie ein Katalysator wirkt, um auf dem Weg der Selbstermächtigung die Stadt aktiv zu gestalten.

3 ...der offene und gleichberechtigte Dialog, Pluralismus im Diskurs und das gemeinsame Suchen nach Antworten zu nachhaltigeren Lösungsansätzen für die kulturelle Stadtentwicklung führen.


2 Kulturelle und künstlerische Inhalte

Der Bewerbungsprozess hat uns überzeugt, den Dialog mit den Akteuren konsequent fortzuführen. Von August 2016 bis zur Abgabe des Bidbooks wurde die neue Kulturstrategie mit 250 Akteuren erarbeitet, Kulturbotschafter bestellt, ein Freundeskreis zur Unterstützung der Bewerbungsidee gegründet, die Gremien Lenkungsgruppe und Programmrat

haben in mehr als 30 Sitzungen getagt (siehe Kapitel 4). Mit dem KLUB2025 wurde zudem ein Netzwerk aus Wirtschaft und Industrie zur Förderung von Kulturprojekten gegründet. Alle zu Frage 2.2 definierten Projekte sind im gemeinsamen Dialog mit den jeweiligen Akteuren entstanden.

Die Einbindung aller Kulturschaffenden ist ein Kernanliegen der Chemnitzer Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025 und trägt wesentlich dazu bei, die kulturelle Zukunft der Stadt zu gestalten. dato wegweisende Ergebnisse des Dialogs auf dem Weg zu Chemnitz2025:

Institution:

Theme:

Sächsisches Industriemuseum Chemnitz

Sächsische Landesausstellung Industriekultur 2020 ● Textil- und Industriegeschichte von Chemnitz

Kunstsammlungen Chemnitz

Impulse für eine zu erarbeitende Museumsstrategie, Kulturquartier ● Zusammenarbeit bei Zukunft Werk Stadt Chemnitz ● Ausstellungen im Kontext 2025 ● Konzept Karl-Schmidt-Rottluff-Ensemble ● Künstlerresidenzen

Städtische Theater Chemnitz

Festival Tanz | Moderne | Tanz ● Dance@Station 4.0 ● Festival NONSTOP EUROPA!

Stadtbibliothek Chemnitz

Literaturfestival „Leselust“ (Ausweitung in die Region)

Villa Arte e. V.

100 Jahre Bauhaus 2019, Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb

Klub Solitaer e. V.

Kreativviertel Sonnenberg, „Die Stadt nach Acht – Dialogfelder“● IG Nacht Diskurs über zeitgemäße Kulturarbeit

Spinnerei e. V.

Multimedia Biennale POCHEN

Kreatives Chemnitz e. V.

Programm KRACH ● Sommerakademie

Förderverein Karl-Schmidt-Rottluff e. V.

Karl Schmidt-Rottluff Ensemble ● Erarbeitung von Residenz-Programmen, auch in Zusammenarbeit mit den Kunstsammlungen Chemnitz und den Städtischen Theatern

ASA-FF e. V.

neue unentd_ckte narrative

Filmwerkstatt e. V.

Filmprojekt/Clubkino

Radio T e. V.

Bürgerradio

Bandbüro Chemnitz e. V.

internationaler Bandaustausch

Initiative Transeuropa2025

Forschungsprojekt „Wie die Baumwolle nach Chemnitz kam“

Deutsches SPIELEmuseum e. V.

Ausstellungsprojekt „Was Europa wirklich verbindet – DIE SPIELE“: Kartenspiel zum Thema Region und Kulturhauptstadt Europas

Sächsischer Kinder- und Jugendfilmdienst e. V.

Internationales Filmfestival für Kinder und junges Publikum SCHLINGEL (Ausweitung in die Region)

Sächsische Mozart-Gesellschaft e. V.

Sächsisches Mozartfest ● Europäische Sommerphilharmonie

Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit e. V.

Diskurs zu Jugendbeteiligung ● Vielfalt der Freien Kultur ● Beratung zu Konzeption und Beantragung der Mikroprojekte

Chemnitz2025

Strategische Entwicklungen und Rahmenkonzeptionen folgender Institutionen und Kulturvereine sind für uns bis

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Agentur Focus / Thomas Victor

Chemnitz, 27. August 2018


Paris, 1. Dezember 2018

Reuters / Stephane Mahe


OPENING MINDS. CREATING SPACES. CHEMNITZ 2025

3 Europäische Dimension

3

DIMENSION EUROPÉENNE

EUROPÄISCHE DIMENSION EUROPEAN DIMENSION

ЕВРОПЕЙСКИЙ МАСШТАБ

3.1 Geben Sie einen allgemeinen Überblick über die vorgesehenen Aktivitäten im Hinblick auf: die Förderung der kulturellen Vielfalt in Europa, des interkulturellen Dialogs und des besseren gegenseitigen Verstehens der europäischen Bürger; die Hervorhebung der Gemeinsamkeiten der Kulturen, des Erbes und der Geschichte Europas sowie der europäischen Einigung und aktueller europäischer Themen; das Getragensein von europäischen Künstlern, Zusammenarbeit mit Akteuren und Städten in verschiedenen Ländern und länderübergreifende Partnerschaften.

Chemnitz2025

Chemnitz2025 wird vermitteln, dass die europäische Idee für Partnerschaft und Zusammenarbeit in Frieden und für ein Bewusstsein eines gemeinsamen Kulturerbes und geteilter Erfahrungen steht. Weil wir wissen, dass wir in Verantwortung für diese Werte stehen, bilden die Betonung des Verbindenden und die friedliche Koexistenz in Vielfalt zentrale Anliegen unserer Programmgestaltung. Dies verstehen wir als ‚europäisches Lebensgefühl‘.

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Allerdings befindet sich die Stadt – bedingt durch die Umwälzungen der Wendezeit – in einer erklärungsbedürftigen Situation: Anfang der 1990er Jahre verließen neben fast 70.000 Chemnitzern auch viele der bis dahin in Chemnitz lebenden ausländischen Vertragsarbeitern und Beschäftigte in der Industrie der ehemaligen DDR die Stadt. Das führte dazu, dass Menschen anderer Nationalitäten im

öffentlichen Leben der Stadt kaum mehr wahrnehmbar waren. Selbstverständlich arbeiten in Chemnitzer Firmen internationale Experten, selbstverständlich setzt sich das Ballettensemble der Theater Chemnitz aus 17 Nationalitäten zusammen, selbstverständlich ist die TU Chemnitz mit fast 30 % internationalen Studierenden aus rund 90 Ländern eine der internationalsten Universitäten Deutschlands. Dennoch


3 Europäische Dimension

befördern Unkenntnis und fehlende interkulturelle Kontakte in Chemnitz bis heute Ängste, Vorurteile, Unverständnis und Ablehnung. Kulturelle Vielfalt und die manchmal auch problematischen Folgen von Flucht und Migration stellen eine Stadtgesellschaft, die sich als überwiegend homogen wahrnimmt, vor große gesellschaftliche und kulturelle Herausforderungen. In Chemnitz ist zu beobachten, wie rechtspopulistische und nationalistische Strömungen aus einer Gemengelage von Befindlichkeiten und politischen Umständen fremdenfeindliche Stimmung erzeugen und Ängste schüren. Die Reaktionen auf die gewaltsame Auseinandersetzung im August 2018 zeigen, wie leicht Ressentiments aktiviert werden können. Deswegen setzt Chemnitz2025 ganz besonders auf die Begegnung der Menschen im interkulturellen Dialog und im gesellschaftlichen Miteinander. Chemnitz2025 begreift die Wertschätzung kultureller Vielfalt als fortgesetzte Aufgabe der Stadtgesellschaft. Mit der Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025“ und dem damit verbundenen Programm soll

die stärkere Öffnung der Gesellschaft angestoßen und Raum für den Dialog zwischen den Kulturen geschaffen werden. Dabei berücksichtigt Chemnitz2025 auch die Geschichte der Migrantengemeinden, die aus Partnerschaften der DDR erwachsen sind, und stärkt gleichermaßen die kulturellen und sozialen Aktivitäten der mittel- und osteuropäischen Kulturvereine und Partnerschaften (z. B. Ungarn, Tschechien, Polen) wie die der in Chemnitz vorhandenen außereuropäischen Migrantengemeinden (z. B. aus Vietnam, Russland, Angola und Mosambik). Dieser Dialog der Kulturen der in den letzten Jahren neu zugezogenen Chemnitzern aus allen Teilen der Welt, etwa dem Maghreb, dem Nahen und Mittleren Osten, wird intensiviert. Wir sind überzeugt, dass Integration und Verständnis auf lokaler Ebene die europäische Integration spiegeln und befördern. Damit wird unter dem Stichwort „Die Stadt bewegen“ beispielsweise in den Programmsäulen Arbeit und Spuren Migration in ihrer gegenwärtigen wie in ihrer geschichtlichen Dimension zum zentralen Thema.

Chemnitz2025 will auch folgende Aspekte des europäischen Einigungsprozesses thematisieren: 1 In Europa wächst erstmals eine Generation heran, für die die Teilung Europas in Ost und West keine Lebensrealität mehr darstellt und die sich in einem Europa ohne Binnengrenzen bewegen kann. Diese europäische Realität steht in eklatantem Widerspruch zu den vielschichtigen Tendenzen, Nationalstaaten über die europäische Idee zu stellen und erneut Grenzen zu ziehen bzw. zu schließen. Folglich betont das Programm für Chemnitz2025 die grenzüberschreitenden Verbindungen und setzt auf europaweite künstlerische Kooperationen und Wissenstransfer.

Was länderübergreifende Partnerschaften angeht, kann Chemnitz für seine Bewerbung unter Rekurs auf die wirtschaftlichen Verbindungen mit Osteuropa zu DDR-Zeiten heute wieder interkulturelle Kompetenzen aktivieren, die andernorts weniger leicht verfügbar sind. Die Bewerbung ermöglicht eine Neudefinition der Funktion der Stadt Chemnitz als Bindeglied zwischen den ehemaligen geopolitischen Blöcken, heute unter den Vorzeichen kultureller Kooperationen und zivilgesellschaftlichen Austauschs.

2 In Chemnitz hat die Utopie einer sozialistischen Gesellschaft an vielen Orten Spuren hinterlassen, die Stadt galt vor der Wende als sozialistische Vorzeigestadt. Dies zeigt sich im Stadtbild an Einzelbauten wie der Stadthalle, an Gebäudeensembles wie der Kammbebauung entlang der Straße der Nationen oder in Großwohnanlagen wie dem Heckert-Gebiet, aber auch punktuell in der Gestaltung des öffentlichen Raums durch Brunnen, Kunstobjekte und Denkmale. Auch wenn der Entstehungskontext solcher Orte einer Neuinterpretation bedarf, appellieren die Stätten nach wie vor an Ideale der Völkerverständigung und des Friedens, der Toleranz und der sozialen Gerechtigkeit. Darauf nimmt auch das Programm in seinen drei Programmsäulen Arbeit – Räume – Spuren immer wieder Bezug. Die Ideen von Stadt und Gesellschaft verbinden Chemnitz mit ganz verschiedenen europäischen Städten. Diese Spuren wollen wir aufdecken und so überraschende, unerwartete Wege in ein Europa der Zukunft aufzeigen.

Wir planen eine enge Vernetzung mit bisherigen und designierten Kulturhauptstädten Europas und werden das Programm für Chemnitz2025 insbesondere mit der zu benennenden Kulturhauptstadt Europas 2025 aus Slowenien sowie den Chemnitzer Partnerstädten verknüpfen. Weitere Kooperationen werden zudem mit den deutschen Bewerberstädten für 2025 entstehen, um bundesweit kulturelle Impulse auszulösen und neue Netzwerke und Partnerschaften zwischen den Städten entstehen zu lassen.

Als konkretes Ergebnis ist aus diesem LAB for European Project Making die Idee einer weiteren Zusammenarbeit zwischen Rijeka und Chemnitz entstanden: In einem Peer-to-peer Learning Programm werden Akteure der Freien Kulturträger aus Rijeka ihr Wissen über Internationalisierungsprozesse und die Bedeutung für ihre Projekte an Kulturschaffende in Chemnitz weitergeben.

Chemnitz2025

3 Chemnitz will mit seiner Bewerbung und mit den Projekten für das Kulturhauptstadtjahr Lust auf Europa machen, Neugier auf die Spuren Europas in der Stadt wecken und sich einem europäischen savoir vivre hingeben. Weil wir wissen, dass neben Heimatverbundenheit auch Fernweh zu Europa gehört, erweitern wir mit Blick auf Chemnitz2025 auch innereuropäische Begegnungs- und Reiseprogramme.

Erste Kooperationen mit anderen Bewerber- und Kulturhauptstädten gab es bereits im Rahmen des LAB for European Project Making, einem Weiterbildungsprogramm zur Entwicklung europäischer Projekte für Kulturschaffende insbesondere der freien Kultur. Organisiert von Rijeka 2020, Novi Sad 2021 und Timişoara 2021 sowie unter Mitwirkung von Akteuren aus den ehemaligen Bewerberstädten Oradea 2021 und Debrecen 2023, war LAB for EPM ein wertvolles Forum des internationalen Erfahrungsaustausches.

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3 Europäische Dimension

Partnerstädte: Ljubljana – Łódź – Manchester – Mulhouse – Tampere – Ústí nad Labem – Wolgograd Chemnitz baut seit Jahrzehnten auf gelebte Städtepartnerschaften. Mit dieser Kulturhauptstadtbewerbung werden bestehende Verbindungen weiter gefestigt. Kulturhauptstadt Europas zu sein bedeutet für Chemnitz, in den Erfahrungsaustausch mit anderen europäischen Städten zu treten und voneinander sowie miteinander zu lernen.

Chemnitz2025

Ljubljana Auch Ljubljana möchte Kulturhauptstadt Europas 2025 werden. Unabhängig von einer Kooperation im Zuge der Kulturhauptstadtbewerbung werden beide Partnerstädte ihre Zusammenarbeit vertiefen und ein auf zehn Jahre angelegtes Kooperationsabkommen im Kulturbereich schließen. Insbesondere sollen Austausch und Wissenstransfer zwischen den Verwaltungen zum Thema „Kunst im öffentlichen Raum“ sowie bei der Erarbeitung von konkreten Strategien in diesem Bereich gefördert werden. Beide Städte unterstützen zudem die bereits begonnene Zusammenarbeit der Chemnitzer Multimedialen Biennale POCHEN mit dem slowenischen Künstler Martin Bricelj Baraga, „seinem“ Museum for Transitory Art (MoTA) sowie dem Festival SONICA. Zudem sollen Künstlerresidenzen in beiden Städten das Kunst- und Kulturfestival für Nachwuchskünstler Begehungen, aber auch das Festival neue unentd_ckte narrative stärken.

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durch die globale Geschichte der Baumwolle, die Textilindustrie und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Wandel. Sie stehen vor vergleichbaren Herausforderungen, die mit den veränderten Beziehungen von Zentrum und Peripherie und den Transformationen der Industriegesellschaft verknüpft sind. Das Forschungsprojekt widmet sich dabei vor allem der Frage, welche Möglichkeiten durch das gemeinsame industrielle Erbe freigesetzt wurden und werden. Ústí nad Labem Die Stadtbibliothek Ústí nad Labem möchte ein Projekt anstoßen, bei dem sich Schulkinder auf eine virtuelle Reise nach Chemnitz begeben können. Durch Recherchen im Internet sollen sich Schüler aus Ústí nad Labem ein Bild von „ihrer“ Partnerstadt Chemnitz machen und Projekte für eine zukunftsgerechte Entwicklung der Stadt Chemnitz überlegen. Ein tatsächlicher Besuch der Stadt Chemnitz und der Besuch einer Chemnitzer Schule werden sich an die virtuelle Reise anschließen.

Dublin

Wolgograd Der Austausch mit Wolgograd soll insbesondere im Bereich Film und Bildende Kunst forciert werden. Eine engere Vernetzung mit dem Filmfestival Schlingel, das sich vor allem an ein junges Publikum wendet, wird erarbeitet. Einen weiteren Schwerpunkt werden Fragen rund um die Ostmoderne bilden.

Manchesters Binding Europe Together

Manchester Gerade vor dem Hintergrund des anstehenden Brexits gewinnen Städtepartnerschaften für britische Kommunen an Bedeutung. Chemnitz möchte vor diesem Hintergrund ein starker, verlässlicher Partner für Manchester sein. Im Oktober 2018 unternahm die Stadtverwaltung Chemnitz eine Reise mit städtischen Vertretern sowie Kulturakteuren nach Manchester. Der angestoßene Wissenstransfer im Bereich der Kulturförderung und der Professionalisierung von Kulturprojekten soll in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Die Teilnahme an der Reise war für das Projekt „neue unentd_ckte narrative“ zugleich ein Impuls, um die Vernetzungsreise „Von Manchester Lernen?!“ für 15 Kooperationspartner aus Chemnitzer Kultureinrichtungen zu organisieren. Ziel war es, sich mit unterschiedlichen kulturellen Akteuren in Manchester zu vernetzen und innovative Handlungsansätze kennenzulernen.

Im Frühjahr 2020 lädt die Stadt Chemnitz europäische Städte mit dem Beinamen Manchester zur Konferenz „Manchester Binding Europe Together“ ins „Sächsische Manchester“ Chemnitz ein. Diese Konferenz widmet sich Fragen der Transformation, die für all diese Städte charakteristisch ist, beispielsweise das Verfügbarmachen der einst industriell genutzten Flüsse für die städtischen Bewohner, die Revitalisierung von Industriebrachen, der gesellschaftliche Wandel und die Arbeitsmigration. Zudem soll im Rahmen dieser Konferenz eine gemeinsame künstlerische Intervention entwickelt werden, die richtungsweisend für die Kooperationsfähigkeit der Städte ist. An der Konferenz sollen Manchester, das finnische Tampere, das polnische Łodz, das französische Mulhouse und das tschechische Brünn teilnehmen.

Tampere Tampere bewirbt sich um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2026. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Tampere 2026 und Chemnitz2025 wird beabsichtigt. Tampere DOC, ein Projekt zur Dokumentarfotografie und Stadt im Wandel, kann als Auftakt und Modell dieser Zusammenarbeit gelten: Während der Europawoche 2019 arbeiteten finnische und Chemnitzer Fotografen in Workshops und Ausstellungsprojekten zusammen. Für die weitere Kooperation sind Künstlerresidenzen in Ausarbeitung, Koproduktionen und internationale Ausstellungsbeteiligungen in Planung.

Chemnitz steht seit Beginn des deutschen Wettbewerbs zur Kulturhauptstadt Europas 2025 in engem Kontakt mit den deutschen Mitbewerbern. Verschiedene Konferenzen beschäftigten sich in Hildesheim, Dresden, Berlin und Nürnberg mit Fragestellungen rund um dieses Bidbook. Chemnitz selbst lud die Mitbewerber-Städte im November 2017 zur Tagung „Stadt-Kultur Chemnitz2025“. Im Fokus standen Impulse für die kulturelle Stadtentwicklung, ein Bar-Camp für Projektideen sowie Benchmarking mit Impulsen von Graz 2003, Linz 2009, Ruhr 2010, Paphos 2017, Aarhus 2017, Rijeka 2020 und der Bewerberstadt Kalamata 2021. Chemnitz arbeitet zudem mit den sächsischen Mitbewerbern Dresden und Zittau zusammen, eine mögliche gegenseitige Einbindung im Falle des Titelgewinns ist im Gespräch.

Mulhouse Die Professur für Interkulturelle Kommunikation der TU Chemnitz arbeitet an der Projektidee „Thessaloniki – Chemnitz – Mulhouse“. Die drei Städte sind verbunden

Die deutschen Mitbewerber

Porto

Faro


3 Europäische Dimension

Chemnitz' European Cultural Web

Oulu Umeå Tampere

Helsinki Oslo

Tallinn

Sankt Petersburg

Stockholm

Riga Aarhus Kopenhagen

Moskau

Kaunas Vilnius

Leeds

Leeuwarden Den Haag

Cambridge

Hannover

Rotterdam London

Brüssel

Magdeburg

Amsterdam Essen

Chemnitz

Hildesheim

Pilsen Linz

Zürich

Bad Ischl

Bern Padua Turin

Marseille

Modena

Rybnik

Wrocław

Liberec Chomutov Ústí nad Labem Prag

Mulhouse

La Rochelle

Dresden

Zittau

Düsseldorf Gera Seraing Most Microregion Sokolov-East Nürnberg

Zielona Góra

Bielsko-Biała

St. Pölten Wien

Wolgograd Bratislava

Debrecen

Graz Budapest Ljubljana Rijeka

Bologna

Łódź

Osijek

Oradea Timișoara

Novi Sad

Bucharest

Constanța

Vilafranca del Penedès

Athen Kalamata

ECoC Städte und ECoC Bewerberstädte Zusammenarbeit Wissenstransfer

Paphos

Tel Aviv

Partnerstädte Deutsche ECoC Bewerberstädte

Jerusalem

Chemnitz2025

Manchester

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3 Europäische Dimension

Zentrale Anliegen der Stadt Chemnitz in Bezug auf den kulturellen Austausch in Europa 1 Die europäische Mobilität soll insbesondere den Kunst- und Kulturschaffenden neue Dimensionen des künstlerischen Wachsens ermöglichen. 2 Der europäische Austausch ist auch ein zivilgesellschaftlicher Austausch. Über die Mikroprojekte wird es beispielsweise Chemnitzern ermöglicht, europäische Gäste einzuladen und mit ihnen Projekte für die Stadtgesellschaft zu verwirklichen. „Gemeinsam gestalten“ lautet dabei die Maxime. Dies wird als ein zentrales Thema der Bewerbung weiter ausgebaut werden. 3 In Bezug auf die Stadtverwaltung wird der Wissenstransfer für die Mitarbeiter sowie deren Fähigkeiten, europäisch zu agieren, gestärkt und zudem neue Impulse und Denkanstöße für den Dienst für Bürger geliefert. Im Rahmen der Chemnitzer Partnerstädtekonferenz im April 2019 wurden mit den europäischen und außereuropäischen Partnerstädten konkrete Verabredungen für zukünftige Kooperationsprojekte auf unterschiedlichen Ebenen getroffen, wie zum Beispiel ein Arbeitsbesuch in den Partnerstädten. Thematische Schwerpunkte der Konferenz waren die Inszenierung öffentlicher Räume durch Kunst, Kultur und städtebauliche Interventionen sowie die Entwicklung von Strategien und Innovationen für die „Stadt der Zukunft“.

4 Chemnitz ist seit 2002 Mitglied von EUROCITIES und hat im April 2019 erstmals das Kulturforum veranstaltet. Ziel des länderübergreifenden Austauschs ist die Stärkung kommunaler Entwicklung im europäischen Kontext. Schwerpunktthemen für Chemnitz in den kommenden Jahren sind ein zeitgemäßer Kulturbegriff, künstlerische Mobilität sowie Kunst und Kultur für junges Publikum. Wissenstransfer und Benchmarking sichern die Professionalisierung von Chemnitzer Akteuren. 5 Seit 2015 ist die Stadt Chemnitz Mitglied im internationalen Forschungs- und Innovationsnetzwerk Morgenstadt: City Insights. Hier entwickeln Kommunen gemeinsam mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen europäische und internationale Verbundforschungsvorhaben mit einem Schwerpunkt auf digitale Stadt und smarte Lösungen für die „Stadt der Zukunft“. Ein Projekt mit nachhaltigen Entwicklungsimpulsen für die Chemnitzer Stadtentwicklung war das Morgenstadt „CityLab“, in dessen Folge das europäisch ausgerichtete Förderprogramm KRACH und die Entwicklung der Chemnitz-Strategie 2040 entstanden sind.

3.2 Können Sie Ihre Gesamtstrategie, das Interesse eines breiten europäischen und internationalen Publikums zu wecken, erläutern?

Wir verfolgen mit unserem Programm vier große Ziele der Außenwahrnehmung 1 Chemnitz2025 soll als ein Ort nach Europa ausstrahlen, an dem alltagsrelevante Fragen des europäischen Zusammenlebens und aktuelle Themen der politischen Diskussion um Europa aufgegriffen und ggf. mit kreativen Mitteln durchgearbeitet werden. So können wir ein Bewusstsein für gemeinsame Herausforderungen innerhalb Europas, aber auch für die Kraft gemeinsamer Lösungsansätze schaffen. 2 Zum zweiten wollen wir für Chemnitz Wiedererkennbarkeit in Europa herstellen und bauen dabei sowohl auf das Verbindende des gemeinsamen Kulturerbes als auch auf Alleinstellungsmerkmale dieser Stadt, wie beispielsweise historische Persönlichkeiten und Errungenschaften oder zukunftsweisende Ansätze und innovative Projekte aus den Bereichen kulturgeleiteter Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit.

Chemnitz2025

3 Chemnitz wird mit der Kulturhauptstadt Europas 2025 das Zentrum für Ostmoderne. Gemeinsam mit den Kunstsammlungen der Stadt wird eine bewusste Auseinandersetzung von 40 Jahren sozialistischer Kunst erfolgen.

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4 Die Historie der Stadt sowie deren Innovationskraft lassen Chemnitz zudem zu einem Ort der Mobilitäts- und Industriegeschichte werden, was sich in außergewöhnlichen Ausstellungsformaten in Zusammenarbeit mit dem Industriemuseum Chemnitz und dem Schauplatz Eisenbahn

in Chemnitz-Hilbersdorf darstellen wird. Zu den Alleinstellungsmerkmalen dieses Eisenbahnmuseums gehören die weltweite letzte erhaltene Seilablaufanlage mit Befehlsstellwerken und das größte vollständige, noch funktionsfähige Bahnbetriebswerk der Dampflokzeit in Europa. Auch weitere Besonderheiten, wie die erste deutsche Dampflokomotive, die größte Ziegelsteinbrücke weltweit, der erste Eisenbahntunnel auf dem europäischen Festland, das dichteste Eisenbahnnetz weltweit und der größte Kopfbahnhof kann man in der Region und in Sachsen finden. Wir nehmen die Umbenennungen der Stadt zum Anlass, um anhand der Geschichte der Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands zu zeigen, was es für Einzelne und für die Gesellschaft bedeutet, wenn politische Systeme zusammenbrechen und Gesellschaften sich transformieren. Diese Erfahrungen und die Spuren, die sie hinterlassen haben, verbinden Chemnitz mit den Städten und Gesellschaften Mittel- und Südosteuropas. Wie lange die Teilung nachwirkt, zeigt sich daran, dass auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung in Kategorien von „Westen“ und „Osten“ gedacht und gesprochen wird. Dass der Systemwechsel trotz gegenteiliger Versprechen und Hoffnungen ökonomische Ungleichgewichte mit sich gebracht hat, die beispielsweise in Lohnstruktur und Rentensystem lange nachwirken werden, ist nur ein weiteres Indiz für die Disparitäten innerhalb Europas, die sich in Chemnitz wie in einem Brennglas verdichten.


3 Europäische Dimension

Der Transformationsprozess spiegelt sich in den Biographien vieler Chemnitzer, wie auch in deren Perspektive auf Stadtentwicklung und gesellschaftliches Miteinander, auf den politischen Prozess und auf Europa. Angesichts einer Geschichte der Brüche – den UMbrüchen im Zuge des Wandels einer Agrargesellschaft in eine Industriegesellschaft, den politischen AUFbrüchen von autoritären zu demokratischen Strukturen, den wirtschaftlichen Umwälzungen im Übergang von Plan- zur Marktwirtschaft – verschwimmen die Konturen einer städtischen oder regionalen Identität. Mit der Bewerbung wollen wir für Chemnitz eine europäische Identität behaupten – denn wir stehen mit unseren Erfahrungen nicht allein in Europa und können über den Umgang mit Wandel und UMbruch europaweit ins Gespräch kommen. In einem Europa der Solidarität und Gleichberechtigung finden diese Erfahrungen ihren Ort im politischen, gesellschaftlichen und moralischen Diskurs. Die von der Systemtransformation ausgehenden sozialen Brüche, die Aufkündigung des politischen Konsenses in Bezug auf gegenseitigen Respekt und Menschenrechte oder die offene Darstellung von rassistischem und nationalsozialistischem Gedankengut veranschaulichen eindrücklich, welchen Herausforderungen sich die Gesellschaft der Stadt und die Gesellschaften Europas derzeit stellen müssen, um ein freiheitliches, gleichberechtigtes, solidarisches Miteinander in die Zukunft zu retten. Diese Herausforderungen nehmen wir mit unserem Programm für Chemnitz2025 an. Wir meinen aber auch, dass Chemnitz Besonderheiten aufzuweisen hat, die sowohl Spezialisten als auch eine breite Allgemeinheit ansprechen werden: Stadt und Region bieten eine einzigartige Kombination aus großartigen Zeugnissen einer historisch bedeutenden Industriekultur und überraschend schönen Naturlandschaften. Die Band-

breite reicht vom 290 Millionen Jahre alten Versteinerten Wald über reiche Zeugnisse der Eisenbahngeschichte und der gründerzeitlichen Stadtbaukultur bis zu innovativen Konzepten für Mobilität und Industrie. Insbesondere die Epoche der Moderne hat Chemnitz in Kunstschaffen und Architektur geprägt. Die Stadt war Ursprung und Schauplatz avantgardistischen Kunstschaffens – belegt im Werk der Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Ludwig Kirchner und Max Pechstein, belegt auch in den weitergehenden Aktivitäten der Künstlergruppe Die Brücke, belegt in den Ausdrucksformen der Neuen Sachlichkeit und in der Verbindung zum Neuen Bauen und zur Bauhaustradition in Form- und Textilgestaltung. Von europaweitem Interesse dürfte darüber hinaus sein, dass der Begriff der Nachhaltigkeit von Chemnitz aus durch Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) seinen Eingang in die Forst- und Umweltwissenschaften gefunden hat. Der gleichnamige Preis wird seit 2013 an Vordenker einer ökologischen und gemeinwohlorientierten Neuorientierung im wirtschaftlichen Handeln verliehen. Wir leiten daraus Themen einer grünen Stadtentwicklung im Bereich Grünflächengestaltung und Mobilität ab, die wir auf europäischer Ebene diskutieren möchten. Avantgarde und Nachhaltigkeit sind für die Menschen von bleibender Aktualität. Innovation, Fortschritt und bewusstes Handeln und davon abgeleitete Haltungen und Prozesse wollen wir im europäischen Kontext thematisieren und designierte wie ehemalige Titelträger dazu einladen, sie in künstlerischen Prozessen zu bearbeiten.

3.3 Inwieweit planen Sie, Verknüpfungen zwischen Ihrem Kulturprogramm und dem Kulturprogramm anderer Städte, denen der Titel Kulturhauptstadt Europas verliehen wurde, zu schaffen?

Unser Motto AUFbrüche signalisiert auch unsere Offenheit für länderübergreifende Zusammenarbeit und unsere Bereitschaft, von den Erfahrungen europäischer Städte mit dem ECoC-Prozess zu lernen. Bereits in der Bewerbungsphase zur Kulturhauptstadt Europas hat ein intensiver Austausch mit ehemaligen Kulturhauptstädten Europas stattgefunden. peer learning-Ansätzen haben die Kollegen in Wrocław (2016) und Rijeka (2020) mit uns geteilt. Das European Capital of Culture Forum 2018 in Kaunas (2022) hat uns mit den langfristigen Effekten des Titels „Kulturhauptstadt Europas“ bekannt gemacht. Die ausführliche Auseinandersetzung im Rahmen von zwei Studienreisen (2019) mit Marseille-Provence 2013 diente zudem der Bewusstseinsbildung von Gestaltung des öffentlichen Raumes am Beispiel des „Lieu Public“ von Pierre Sauvageot, der Umsetzung von Urban Art-Ideen für Chemnitz und insbesondere einer Qualitätsdiskussion über die Einbindung der Region.

Chemnitz2025

Impulse zur Entwicklung des Kulturtourismus hat Chemnitz im Erfahrungsaustausch mit Graz (2003) und Linz (2009) erhalten. Fragen und Herausforderungen einer zeitgemäßen Stadtentwicklung waren zentrale Themen im Austausch mit Aarhus (2017), Linz (2009) und Wrocław (2016). Über die Einbindung der Zivilgesellschaft in den Bewerbungsprozess haben wir viel von Leeuwarden (2018) gelernt. Anregungen zur Entwicklung von Kulturimmobilien kamen aus Pilsen (2015) und Aarhus (2017). Das LAB for European Project Making hat uns mit Blick auf die Vernetzung von Kulturakteuren mit Timişoara (2021), Novi Sad (2021) und Rijeka (2020) in Austausch gebracht. Ihre Erfahrungen zu Wissenstransfermodellen, Weiterbildungsmöglichkeiten und peer to

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WAS SEHEN SIE? Käfer

Bushaltestelle

Karl Marx

Einzige Sehenswürdigkeit in Chemnitz

Treffpunkt für Skater Kunst

Brutalistische Büste

Nostalgie / Ostalgie

Linker Flügel


Sozialismus Rechter FlĂźgel

Kapitalismus

Futurismus

Umrisse von Europa

Gesicht von Chemnitz

Touristenfalle

BĂźhne von Erich Honecker

Vladimir Ilyich Ulyanov

Touristenmagnet


4

4 Einbindung der Gesellschaft

INTÉGRATION DE LA SOCIÉTÉ

EINBINDUNG DER GESELLSCHAFT OUTREACH

ВОВЛЕЧЕНИЕ ОБЩЕСТВА

4.1 Erklären Sie, wie die örtliche Bevölkerung und Zivilgesellschaft bei den Bewerbungsvorbereitungen und der Durchführung der Aktion eingebunden werden.

Kulturhauptstadt Europas wird man nur gemeinsam. Menschen zusammenbringen, voneinander lernen Chemnitz begibt sich mit seiner Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas in einen fortwährenden Lernprozess, der Dezentralisierung als Stärke begreift und damit ein sensibles Instrumentarium für die Stadtgesellschaft bereitstellt sowie ein breites Fundament für die Stadtkultur legt. Die Leidenschaft der Chemnitzer für ihre Stadt, ihre Lust

am Engagement und die Energien, die sie daransetzen, begegnen einer ebenso ambitionierten Verwaltung, die sich zum Ziel setzt, Bürgerbeteiligung zum Selbstverständnis des Verwaltungshandelns zu machen – das heißt, verbindliche Leitlinien hierfür zu entwickeln und neue Formate und Instrumente der Bürgerbeteiligung einzusetzen.

Chemnitz2025 will optimale Rahmenbedingungen für das bereits in der Stadt vorhandene Engagement und die vielfältige soziokulturelle Basisarbeit in den Stadtteilen schaffen und über Partizipation die vorhandenen Kompetenzen stärken. Über verschiedene Beteiligungsszenarien kommen Stadtverwaltung und -politik nicht nur den Wünschen und Anregungen ihrer Bürger entgegen, sondern auch als Kooperationspartner in Bürgerprojekten zu ihnen in die Stadtteile. Auf diesem grundsätzlich bürgerschaftlichen Miteinander beruht unsere Gastgeberschaft für Chemnitz2025 und darüber hinaus.

Der intensive Austausch mit Chemnitzer Bürgern über die Idee der Kulturhauptstadtbewerbung begann bereits vor dem Beschluss des Stadtrates im Sommer 2016. Zwei Veranstaltungen um die Jahreswende 2016/2017 – „Kosmos Chemnitz – Kulturhauptstadt 2025: Alles möglich?!“ im historischen Chemnitzer Stadtbad und der Debattentag am 11. Januar 2017 in der Stadthalle Chemnitz – setzten erste Ausrufezeichen. Beide Veranstaltungen waren von einer in dieser Intensität nicht erwarteten Aufbruchsstimmung geprägt und haben gleich zu Beginn des Kulturhauptstadtbewerbungsprozesses eine Vielzahl an interessanten und ausschlaggebenden Impulsen geliefert. Seither haben zahlreiche Termine und Gespräche zum Thema „Kulturhauptstadt Europas“ das positive erste Stimmungsbild und den Wunsch nach einer europäischen Sichtbarkeit für die Stadt bestätigt. Kooperation und Austausch mit Akteuren aus den verschiedensten Bereichen der Stadtgesellschaft – Sport, Jugendarbeit, Integration, Kleingartenarbeit, Inklusion, Quartiersmanagement – sind zentrale Anliegen von Chemnitz2025, für die wir an geeigneten Formaten arbeiten.

Chemnitz2025

FREUNDES KREIS CHEMNITZ 34

Bereits seit einigen Jahren arbeiten Teile der Stadtverwaltung mit verschiedenen Formaten und Instrumenten, um Bürgerbeteiligung und zivilgesellschaftliches Engagement für Chemnitz zu unterstützen, zu fördern und sichtbar zu machen. Im Dezember 2018 hat der Stadtrat die finanziellen und personellen Ressourcen zur Etablierung einer Struktur in der Stadtverwaltung beschlossen. Mitsprache und Mitgestaltung in Chemnitz beginnen mit Formaten der Information über Entscheidungen der Stadtpolitik und der Rückmeldung von Einwohnerversammlungen dazu, die im vierteljährlichen Rhythmus durch die Stadtgebiete rotieren. Daraus entstanden in mehreren Chemnitzer Stadtteilen die sogenannten Bürgerplattformen, die als Modellprojekt 2011 ins Leben gerufen wurden und in denen sich Vereine, Initiativen und einzelne Bürger der jeweiligen Stadtgebiete zusammenschließen, um die Lebensbedingungen unmittelbar vor Ort in den Stadtteilen zu verbessern. In diesem Rahmen lassen sich Anliegen und Probleme in den Quartieren identifizieren und artikulieren, stadtteilspezifische Lösungsvorschläge erarbeiten und deren Umsetzungsmöglichkeiten mit Vertretern aus Politik und Verwaltung auf gleicher Augenhöhe verhandeln. Diese Netzwerkarbeit hat auch die Erarbeitung der Kulturstrategie geprägt und drückt sich ebenso in der Gestaltung des Bewerbungsprozesses für Chemnitz2025 aus.

Organisatorisch verankert ist der Informationsaustausch im Kulturhauptstadtbüro, der zentralen Anlaufstelle für alle Chemnitzer. Dort haben Bürger die Möglichkeit, auf kurzem Weg Ideen und Vorschläge für die Bewerbung einzubringen. Gleichzeitig können sie sich über den aktuellen Stand der Bewerbung erkundigen und erhalten diverses Informationsmaterial. Auf Veranstaltungen und Festen in Stadt und Region bietet das Sofa des mobilen Wohnzimmers seit Juni 2017 einen Ort für den persönlichen Dialog über Chemnitz2025. Hier kommen am Prozess Beteiligte und noch weniger involvierte Bürger der Stadt miteinander ins Gespräch, teilen einander Gefühle und


4 Einbindung der Gesellschaft

Neugier, Veränderungswünsche und Zukunftssorgen in Bezug auf die Stadt im Allgemeinen und den Bewerbungsprozess im Besonderen mit. Weitere Möglichkeiten, über die Chancen der Kulturhauptstadtbewerbung zu diskutieren oder auch einfach nur zuzuhören und Wünsche einzusammeln, bieten außerdem die Stände des Kulturhauptstadtbüros auf dem Chemnitzer Weihnachtsmarkt, die Rosenhof-Abende der Volkshochschule zur Stadtkultur (Open Air und mitten im Stadtzentrum) oder die Straßenbahntouren des Freundeskreises Chemnitz2025 e. V. sowie die Citybahn-Erkundungen in der Kulturregion. Ein eigenes Format des unverbindlichen Austausches und des geselligen Miteinanders ist das öffentliche picnic2025 des Freundeskreises Chemnitz2025 e. V., das mit markanten Orten des Stadtraums spielt. Mit dem Freundeskreis Chemnitz2025 e. V. ist im Bewerbungsprozess eine eigene Organisationsform der Bürgerbeteiligung „von unten“ entstanden, die Partizipation am dialogischen Austausch von Ideen und Mitmachangeboten sowie an Formaten der Konsultation, Kooperation und Netzwerkarbeit lebt. Seit Sommer 2017 hat der Freundeskreis rund 100 öffentliche Treffen mit etwa 1500 Menschen bei verschiedenen Kulturakteuren an unterschiedlichen Orten organisiert, um nach und nach die verschiedenen Gruppen der Stadtgesellschaft in die inhaltliche Debatte über die Stadtkultur und den Prozess der Kulturhauptstadtbewerbung einzubeziehen. Der Freundeskreis Chemnitz2025 e. V. setzt auf die Multiplikatoren-Wirkung seiner Mitglieder und Veranstaltungen. Seit Oktober 2018 findet der monatliche Kultur-Jour Fixe als modellhaftes Forum für den Austausch über ausgewählte Themen der städtischen Kulturpolitik und des Bewerbungsprozesses statt. Die Arbeit des Freundeskreises Chemnitz2025 e. V. ist von der Überzeugung geleitet, dass sowohl funktionierende Schnittstellen zwischen Zivilgesellschaft und Stadtverwaltung als auch Transparenz notwendige Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit und den Erfolg der Bewerbung sind. Mitglieder des Freundeskreises Chemnitz2025 e. V. haben auf nationaler wie internationaler Ebene an Konferenzen und am Erfahrungsaustausch zwischen Bewerberstädten zur Kulturhauptstadt Europas teilgenommen.

S-

Der Wunsch nach Bürgerbeteiligung äußert sich darüber hinaus in der Einbindung von Chemnitzer Bürgern in die beratenden Gremien (siehe Impressum) für Chemnitz2025. Diese wurde im Frühjahr 2017 über eine Ausschreibung intensiviert, in der fünf Chemnitzer als Kulturbotschafter für den Programmrat Chemnitz2025 zur Mitgestaltung der Bewerbung gesucht wurden. Der bürgerschaftliche Wunsch nach Mitgestaltung zeigte sich in der überwältigenden Resonanz auf die Ausschreibung: Bürger aus den verschiedensten Bereichen der Stadtgesellschaft bewarben sich. Vom Schüler bis hin zum Senior sowie aus durchaus unterschiedlichen Beweggründen wollen Chemnitzer als Kulturbotschafter für ihre Stadt einstehen, etwas für „ihre Stadt“ bewirken. Die Leidenschaft und Tatkraft, mit der sich Chemnitzer für ihre Stadt zur Verfügung stellen, muss außerhalb der etablierten Gremien noch besser genutzt werden. Hier liegt ein Zukunftspotenzial für die Stadt, das mit geeigneten Beteiligungsformaten und intensivierter organisatorischer und personeller Unterstützung noch viel besser eingesetzt werden kann. Formate der Bürgerbeteiligung, die zur eigenverantwortlichen, aktiven Mitgestaltung im Bewerbungsprozess aufrufen, stehen seit September 2017 mit dem Förderprogramm Mikroprojekte zur Verfügung. Die Projekte binden auf originelle Weise Kunst und Kultur in alltägliche Lebensbezüge und -räume ein und setzen sich zunehmend mit europäischen Themen und Perspektiven auseinander. In ihrer Absicht, Bürger vor Ort in den Quartieren zu aktivieren und zu motivieren, lassen die Mikroprojekte kreative Formen der Kommunikation und des gesellschaftlichen Miteinanders entstehen. Aus den über 200 Projektideen wurden in bislang vier Runden bereits über 40 von einer Jury aus haupt- und ehrenamtlichen Kulturhauptstadtmachern zur Umsetzung empfohlen, die mit finanzieller, administrativer und organisatorischer Unterstützung seitens des Kulturhauptstadtbüros in Planung sind oder schon realisiert werden konnten. Dieses Beteiligungsformat kann als ein erster Erfolg der Einbindung der Bürgerschaft und der nachhaltigen Wirkung der Bewerbung von Chemnitz2025 gewertet werden.

Im Jahr 2020 werden die bis dato nicht umgesetzten Mikroprojekte erneut evaluiert und dem Versuch unterzogen, Projektideen verschiedener Akteure zu neuen Projekten und Formaten zu verweben. So können Ideen weiterentwickelt und zudem noch mehr Beteiligte für die Kulturhauptstadtidee gewonnen werden. Chemnitz2025

Z

Von Seiten der Stadtverwaltung stellte die Präsentation der sogenannten „Interventionsflächen – Objekte und Areale in Chemnitz“, für deren Entwicklung, Nutzung und Neukonzipierung der Kulturhauptstadtprozess als

Katalysator wirkt – vor etwa 150 interessierten Bürgern im Oktober 2018 eine erste Weiterentwicklung der informativen und konsultativen Formate über inhaltliche Anliegen von Chemnitz2025 dar. Die Nachhaltigkeit und Bindungskraft solcher Inhalte durch eine intensivierte Öffentlichkeitsarbeit zu erhöhen ist ein Hauptziel der gesamten Bewerbungsphase.

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4 Einbindung der Gesellschaft

Ein Format kooperativer Beteiligung, das auf die Stadtteilebene zielt, ist mit dem Wettbewerb Nimm Platz! entstanden. Getreu dem Motto der Bewerbung ruft Chemnitz2025 Chemnitzer dazu auf, ungenutzte Areale oder Plätze nach eigenen Ideen zu entwickeln. Leitend hierfür ist ein Gedanke sozialräumlicher Wechselseitigkeit: „Gemeinschaften schaffen Plätze – Plätze schaffen Gemeinschaft“. Durch überschaubare und machbare Kreativlösungen/Kreativitätsangebote erhöht „Nimm Platz!“ die Aufenthaltsqualität verschiedener von Anwohnern vorgeschlagener Orte im öffentlichen Raum der Stadt. So schafft Chemnitz2025 überall in der Stadt, ihren Stadtteilen und der Region einladende Orte für den Aufenthalt im öffentlichen Raum – zum urbanen Gärtnern, zum Sport treiben, zum Spielen, zum Feiern, zum Ausruhen,

zum Freunde treffen, zum Rodeln, zum Planschen, zum Kunst genießen, zum Musik hören, zum Theater spielen, zum Lernen – und vernetzt die daran Beteiligten über ihre in den Prozess eingebrachten oder dabei erworbenen Gestaltungskompetenzen auch in größeren Raumbezügen. Feiern bringt die Menschen zusammen Feste und Feiern im öffentlichen Raum machen Lust auf Stadt, Lust auf die Region und auf Europa. Deshalb lädt Chemnitz2025 seit Anfang Februar 2019 die Chemnitzer Bürger und ihre Gäste immer wieder zu Kulturhauptstadt-Partys ein und nimmt dies zum Anlass, auch Akteure aus Partnerstädten oder designierten europäischen Kulturhauptstädten in die Veranstaltungen einzubeziehen.

4.2 Erklären Sie, wie Sie Möglichkeiten für die Teilhabe oder Mitwirkung von Randgruppen und benachteiligten Gruppen schaffen wollen.

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Strampeln für Kultur: Das städtisch geförderte Mikroprojekt Chemnitz 2025 „Fahrradkino Chemnitz“ feierte 2019 Premiere in den ehemaligen Diamant Fahrradwerken.

regelmäßig an den Sitzungen des Programmrates für Chemnitz2025 teil und wirken dadurch direkt am Kulturhauptstadtprogramm mit. Ebenso engagieren sich in der Chemnitzer Zivilgesellschaft viele freie Vereine und Initiativen und haben über die Jahre feste inklusive und integrative Formate geschaffen. Dazu gehören bereits heute Musik- und Theaterprojekte am terra nova-Campus, die „Traumkonzerte“ und die Förderung und Projektarbeit der 100 Mozartkinder, die Arbeit des SFZ Flemmingstraße sowie wegweisende Einzelprojekte von Betreuungseinrichtungen wie das Marco Polo-Theater. Auf diesen Fundamenten kann Chemnitz2025 inklusiv gelingen.

Ernesto Uhlmann

Chemnitz2025

Gemeinsamkeit bereichert Für die Entwicklung von inklusiven Projekten und Integrationsmaßnahmen kann Chemnitz2025 strukturell auf eine gute Ausgangsposition aufbauen: Seit 1991 gibt es innerhalb der Stadtverwaltung die Position der Migrationsbeauftragten, der Behindertenbeauftragten und eine Koordinatorin für den „Lokalen Aktionsplan (LAP) für Demokratie, Toleranz und ein weltoffenes Chemnitz“. Diese Beauftragten stehen für starke Netzwerke, die sich beispielsweise im Behinderten- und Seniorenbeirat der Stadt Chemnitz organisieren und als Gremien in die Arbeit der Stadtverwaltung eingebunden sind. Die Behindertenbeauftragte, die Migrationsbeauftragte und die Koordinatorin des LAP nehmen


4 Einbindung der Gesellschaft

Chemnitz2025 verfolgt folgende Ziele: 1 Inklusion – Brücken bauen, Entgegenkommen, gemeinsame Wege. Wir möchten mit Chemnitz2025 auf Menschen mit ihren vielfältigen, speziellen Bedürfnissen eingehen, weil sie alle mit besonderen Kompetenzen zum kulturellen Reichtum und zur Diversität in Chemnitz beitragen. 2 Perspektivwechsel. Wir möchten aber selbst ebenfalls den angemessenen Perspektivwechsel erlernen und sind neugierig auf neue Kunstformen, die mit anderen Sprachen und Verfahren der sinnlichen Präsentation arbeiten. Wir laden deshalb ausdrücklich alle Chemnitzer ein, die auf die eine oder andere Weise eingeschränkt, in ihren Möglichkeiten begrenzt oder benachteiligt und dadurch an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, sich in den Bewerbungsprozess einzubinden. 3 Zugänglichkeit. Ökonomische, kulturelle, soziale, ethnische, gesundheitliche oder altersbedingte Ursachen können es Menschen erschweren, am öffentlichen Leben der Stadt, der Region oder innerhalb Europas teilzuhaben. Wir sehen dies als große Herausforderung für städtische, aber auch europäische Entwicklungsplanung. 4 Barrierefreiheit. Menschen mit Einschränkungen erleben in ihrem Alltag Barrieren und Zugangserschwernisse, die im Programm für Chemnitz2025 grundsätzlich und vollumfänglich berücksichtigt werden. In den Institutionen und in verschiedenen Veranstaltungsformaten bestehen bereits zukunftsweisende Ansätze – Führungen für Menschen mit Einschränkungen, Erläuterungen in Braille oder in einfacher Sprache sowie die Begleitung öffentlicher Veranstaltungen in Gebärdensprache – die es systematisch zusammenzuführen

gilt, damit sie im Kontext von Chemnitz2025 ausgebaut und weiterentwickelt werden können. Dabei kommen auch die Möglichkeiten digitaler Technik zum Einsatz, wie es das Chemnitzer Kunst- und Kulturfestival „Begehungen“ praktiziert. 5 Integration – Der Welt eine Heimat in Chemnitz geben. In Chemnitz leben im Jahr 2019 etwa 21.000 Menschen aus anderen Ländern, entsprechend 8,4 % der Stadtbevölkerung. Davon haben etwa 28 % einen asylbezogenen Hintergrund. Der menschliche Reichtum, der durch Internationalität und Interkulturalität einer Stadt geschenkt wird, ist bisher eher punktuell in Patenschaftsprogrammen für internationale Studierende oder in der zivilgesellschaftlichen Städtepartnerschaftsarbeit zu spüren. 6 Jugendarbeit – der Zukunft eine Heimat in Chemnitz. Aus der statistischen Beobachtung der Demographie von Chemnitz erwachsen der Stadt Zukunftsaufgaben, die auch mit den künstlerisch-kreativen Strategien von Chemnitz2025 angepackt werden müssen. Eines der großen Ziele dabei ist, die Stadt für Heranwachsende, für junge Erwachsene und für Familien attraktiv und zukunftsträchtig zu gestalten. Die Kulturstrategie antwortet auch auf diese Bedarfslagen. Chemnitz2025 knüpft für seine Projekte und Veranstaltungen an Visionen, wie der „Stadt nach Acht“, an Vernetzungsmöglichkeiten der Kultur- und Jugendarbeit, an intensivierte Anstrengungen der kulturellen Bildung und an ökonomische Zugangserleichterungen für Kinder und Jugendliche an. Das Jugendforum wie auch das Netzwerk Kultur- und Jugendarbeit und die Kontaktstelle kulturelle Bildung bieten hier erste Verstetigungen von Mitsprache und Mitgestaltung, die mit Blick auf Chemnitz2025 weiterentwickelt werden müssen.

Wir wollen voneinander lernen, Erschwernisse auf dem Weg zu Chemnitz2025 zu erkennen, zusammen daran arbeiten, die bestehenden Grenzen der Teilhabe abzubauen und darüber die Stadt gemeinsam in die Zukunft tragen. 4.3 Erläutern Sie Ihre Gesamtstrategie zur Erreichung neuer Publikumskreise, insbesondere zur Verzahnung mit dem Bildungsbereich und zur Einbeziehung von Schulen.

Erfolgt dies auf individueller Ebene über Ansätze und Projekte kultureller Bildung, welche die kulturellen Interessen der Bürgerschaft erkennen und weiterentwickeln, so zielen die Strategien auf stadträumlicher Ebene darauf, kulturelle Entfaltungsräume zu erschließen und Orte gesellschaftlicher Identifikation zu schaffen. Chemnitz2025 entwickelt zur Einbindung neuer Publikumskreise Modellprojekte (beispiels-

weise neue unentd_eckte narrative oder Zukunft Werk Stadt Chemnitz), die Freiräume für Neues, für Spontanität schaffen, und die den Gestaltungswillen in Umbruchssituationen motivieren. Kulturelle Integration ist der Leitgedanke für Projektentwicklungen auf dem Weg zu Chemnitz2025. Auf europäischer Ebene intensiviert Chemnitz2025 die Vernetzung der Kulturakteure sowohl im Kulturschaffen als auch im Bereich der Kulturverwaltung durch internationale Zusammenarbeit und grenzüberschreitenden Austausch. Insgesamt machen vielgestaltige und mehrsprachige Kommunikationsstrategien Chemnitz2025 weitreichend zugänglich, holen künstlerische Residenzen, Wettbewerbe und Preise Kulturschaffende über existierende und neu aufgebaute europäische Netzwerke in die Stadt und bauen darüber die Rahmenbedingungen für hochkarätige Projekte auf, die im Jahr 2025 und darüber hinaus ein nationales wie internationales Publikum nach Chemnitz ziehen.

Chemnitz2025

Vermittlungskunst und Identifikation Partizipation, Inklusion und Integration können durch Ansätze kultureller Bildung Möglichkeiten der Teilhabe schaffen, indem sie Berührungsängste abbauen und Menschen die Möglichkeit geben, ihre Talente und Gaben in neuen Erfahrungsräumen zu entfalten. In diesem Sinne hat die Stadt Chemnitz in ihrer neuen Kulturstrategie kulturelle Bildung als Querschnittskompetenz für alle Bereiche städtischer Kulturpolitik und -planung verankert. Kulturelle Bildung öffnet individuelle und gesellschaftliche Entfaltungsräume.

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4 Einbindung der Gesellschaft

Kulturelle Bildung zieht sich als roter Faden durch das Programmkonzept. Wir erwarten diesbezügliche Kompetenzen im Kuratoren-Team, denn wir wollen mit den erwähnten Ansätzen neuartige Lernsphären in der Demokratie entwickeln. Kulturelle Bildungsarbeit fördert durch Vernetzung und Austausch über vermeintliche Grenzen von Sparten, Fächern und Institutionen hinweg das Verständnis der Beteiligten füreinander und bringt neue Kooperationen hervor, beispielsweise in den Bereichen Nachhaltigkeit, Sport, Interkulturalität oder in der generationenübergreifenden Arbeit.

Chemnitz2025

Schule Alle geplanten und bestehenden Projekte werden auf ihren Zugang zur Kulturvermittlung hinterfragt und für junge Menschen leichter zugänglich gemacht. Vom Kindergarten an werden Kinder durch schöpferische Prozesse für Kunst und Kultur begeistert: Kunstvermittlung wird zur Vermittlungskunst. Chemnitz wird die 268 Kindertagesstätten, 39 Grundschulen, 13 Oberschulen, 7 Gymnasien, 11 Förderschulen sowie die Technische Universität Chemnitz als Partner von der Bewerbung bis ins Kulturhauptstadtjahr und möglichst auch darüber hinaus in die Weiterentwicklung kultureller Bildung einbinden, damit die Kreativformate kultureller Bildung und die formalisierteren Bildungsformen der Schule noch besser aneinander Anschluss finden.

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Innovative Vermittlungsansätze sollen den schulischen Alltag aufbrechen, wie beispielsweise die Integration von tänzerischem Ausdruck in den Schulalltag. Denn junge Menschen brauchen Schlüsselerlebnisse im Umgang mit Kunst und Kultur, die sie in Folge zu Rezipienten und vor allem selbst zu Akteuren machen. Sing mit, Chemnitz! Der Ansatz des Projektes „Sing mit, Chemnitz!“, das im August 2019 gestartet wurde, knüpft an die zentralen Anliegen kultureller Bildung in Chemnitz an und erprobt mit seinen Musikcamps die Bildung von Gemeinschaft durch Gesang und Bewegung. „Sing mit, Chemnitz!“ versteht die menschliche Stimme als persönliche Spur. Denn mit der Stimme können Menschen ihre Gefühlslagen ausdrücken. Die eigene Stimme entdecken, ihr Raum geben und diesen spürbar mit anderen teilen: Allein und gemeinsam gibt das Singen der Stimme Raum zur Spurensuche, die den Menschen in Kontakt mit sich selbst und der Außenwelt bringt. „Sing mit, Chemnitz!“ soll die Teilnehmenden bekräftigen, neues Selbstbewusstsein in Bezug auf die eigene Stimme zu entwickeln, sowie sich und anderen eine Stimme zu geben, ganz gleich vor welchem sozialen oder kulturellen Hintergrund.


5 Verwaltung

MANAGEMENT

5

VERWALTUNG УПРАВЛЕНИЕ

GESTION

5A Finanzierung

5A.1 Kulturbudget der Stadt 5A.1.1 Wie hoch war das Jahresbudget der Stadt für Kultur in den letzten fünf Jahren

(die Ausgaben für die jetzige Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas nicht inbegriffen)?

Jahresbudget für Kultur in der Stadt Jahr

in Euro

in % des Jahresgesamtbudgets

2015

46.137.100

7,12 %

2016

46.823.000

6,50 %

2017

47.190.000

6,40 %

2018

48.060.200

6,42 %

2019

53.602.248

6,72 %

Trotz des steigenden Kulturbudgets ergeben sich Schwankungen des prozentuellen Anteils im Verhältnis zum Gesamthaushalt der Stadt Chemnitz, unter anderem auf Grund großer Infrastrukturmaßnahmen sowie Tarif-

steigerungen, die den städtischen Haushalt überproportional erhöhen. Planungssicherheit für die freie Kultur Die freie Kultur von Chemnitz ist im kulturellen Leben der Stadt eine tragende Säule. Um der freien Kultur ausreichend Planungssicherheit für ihre Arbeit und Weiterentwicklung zu geben (hierzu gehört etwa auch der von der freien Kultur immer wieder angeregte kritische Diskurs über das Stadtleben) und Kostensteigerungen, insbesondere bei Mieten, Personal- und Betriebskosten zu berücksichtigen, hat die Stadt Chemnitz im November 2015 den Beschluss im Stadtrat gefasst, dass ab dem Jahr 2017 mindestens fünf Prozent des Kulturetats der Stadt für die freien Kulturträger bereitgestellt werden.

Damit konnten sich die Zuschüsse zur freien Kultur wie folgt entwickeln: Kulturetat gesamt in Euro davon 5 %

2015

2016

2017

2018

2019

46.137.100

46.823.000

47.190.000

48.060.200

53.602.248

2.306.855

2.341.150

2.359.500

2.403.010

2.680.112

Quantensprung Im Jahr 2019 erfolgte eine deutliche Steigerung des städtischen Kulturetats, insbesondere dank der Erhöhung der Förderung für das Theater Chemnitz durch den Freistaat Sachsen. Damit ergeben sich neben den

staatlichen Investitionen in die Kulturinstitutionen auch Verbesserungen bestehender Partnerschaften von freien Kulturinstitutionen sowie Möglichkeiten neuer Initiativen.

5A.1.2 Für den Fall, dass die Stadt plant, Mittel aus ihrem Jahresbudget für Kultur zur Finanzierung des Projekts

Die Stadt Chemnitz hat im Jahr 2016 mit der Prüfung einer möglichen Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas begonnen. Der Stadtrat der Stadt Chemnitz hat im Januar 2017 beschlossen, das Projekt „Kulturhauptstadt Europas

2025“ mit zusätzlichen Mitteln zum regulären Kulturetat für die Bewerbungsphase in den Jahren 2017 bis 2020 wie folgt auszustatten:

Chemnitz2025

Kulturhauptstadt Europas zu verwenden, geben Sie bitte diesen Betrag ab dem Jahr der Einreichung der Bewerbung bis zum Kulturhauptstadtjahr an.

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5 Verwaltung Jahr

in Euro

2017

250.000

2018

250.000

2019

350.000

2020

350.000

GESAMT

Diese 1.200.000 Euro sind für Programmentwicklung, Bürgerbeteiligung, Kommunikation, Overhead/Organisation und Beratungskosten sowie den Betrieb des „offenen“ Kulturhauptstadtbüros in den Jahren 2017 bis 2020 vorgesehen.

1.200.000

Die Stadt plant zusätzliche Mittel zur Finanzierung des Projektes Kulturhauptstadt Europas wie folgt zu verwenden: Jahr

in Euro

2025

3.040.000

2024

4.344.000

2023

4.148.000

2022

4.834.000

2021

4.714.000

2020

4.247.000

2019

3.188.000

GESAMT

Diese 28.515.000 Euro schlüsseln sich auf in 8.800.000 Euro operatives Budget und 19.715.000 Euro für Kapitalausgaben. In den Jahren 2018 bis 2020 sind Förderungen des Freistaates Sachsen in Höhe von 800.000 Euro inkludiert. Die Ausgaben der Jahre 2019 und 2020 dienen der Vorbereitung sowie ersten Maßnahmen zur Umsetzung der Infrastrukturprojekte/Interventionsflächen.

28.515.000

5A.1.3 Welchen Betrag aus dem Jahresgesamtbudget plant die Stadt nach dem Kulturhauptstadt-Jahr für Kultur auszugeben (in Euro und in Prozent des Jahresgesamtbudgets)?

Basis 2018

2026

2027

Gesamtbudget in Euro

748.783.694

912.320.222

935.128.228

Kulturbudget in Euro

48.060.200

58.556.687

60.020.604

643.000

400.000

309.000

48.703.200

58.956.687

60.329.604

6,50

6,46

6,45

Budget Kulturhauptstadt in Euro Gesamtkulturetat in Euro Anteil % Kulturbudget zum Gesamtbudget

Es wurde mit einer Steigerung von durchschnittlich 2,5 % sowohl im Gesamtbudget der Stadt als auch im Gesamtkulturbudget auf der Basis 2018 kalkuliert. Bis einschließlich 2018 stieg das jährliche Kulturbudget mit jeweils rund

1,4 %. Mit dieser zusätzlichen Steigerung sollen Projekte, wie beispielsweise „Zukunft Werk Stadt Chemnitz“ (siehe Frage 2.2) über das Kulturhauptstadtjahr hinaus Bestand haben.

5A.2 Operatives Budget für das Veranstaltungsjahr Einnahmen zur Abdeckung der operativen Ausgaben

5A.2.1 Erklären Sie bitte das operative Gesamtbudget (d. h. Mittel, die eigens für die Deckung der operativen Ausgaben

bereitgestellt werden). Das Budget deckt die Vorbereitungsphase, das Veranstaltungsjahr sowie die Bewertung und die Reserven für Maßnahmen mit nachhaltiger Wirkung ab.

Chemnitz2025

Gesamteinnahmen

40

zur Deckung der operati- aus dem öffentlichen ven Ausgaben (in Euro) Sektor (in Euro)

aus dem öffentlichen Sektor (in %)

aus dem privaten Sektor (in Euro)

aus dem privaten Sektor (in %)

60.234.000

91,40

5.175.000

8,60

55.059.000

Chemnitz2025 baut auf ein nachhaltiges Budget, welches das kulturelle Profil der Stadt weit über das Jahr der Kulturhauptstadt Europas hinaus schärfen wird.

Im Gesamtbudget für das Projekt Kulturhauptstadt Europas 2025 sind für die Jahre 2026 und 2027 884.000 Euro vorgesehen.


5 Verwaltung

Diese Mittel setzen sich wie folgt zusammen: Projektkosten Um über das Jahr 2025 hinaus Kulturhauptstadt-Projekte nachhaltig im kulturellen Leben der StadtRegion implementieren zu können, sind für 2026 und 2027 Projektgelder in Höhe von 344.000 Euro vorgesehen. Kommunikationsmaßnahmen Um einen nachhaltigen Werbeeffekt für die Stadt-Region zu erzielen, sind für die Jahre 2026 und 2027 100.000 Euro kalkuliert.

Evaluation Um sicherzustellen, dass die Evaluierung des Kulturhauptstadtjahres 2025 auch abgeschlossen werden kann, und um einen nachweislichen Lerneffekt für die Stadt zu garantieren, sind weitere 60.000 Euro für die Jahre 2026 und 2027 geplant. Personal und Infrastruktur Für die Realisierung all der oben genannten Maßnahmen in den Jahren 2026 und 2027 sind 340.000 Euro für Personal und Infrastruktur/Overhead vorgesehen.

Abschließend lässt sich das operative Gesamtbudget für Chemnitz2025 in vier Phasen unterteilen: Phase 1: Bewerbung 2017 – 2020

2.300.000 EURO

Phase 2: Vorbereitung 2021 – 2024

36.500.000 EURO

Phase 3: Kulturhauptstadtjahr 2025

20.550.000 EURO

Phase 4: Nachbereitung 2026/2027

884.000 EURO

Mit der seit Jahresbeginn 2019 in Umsetzung befindlichen Fundraising-Strategie kann zudem ein neues Bewusstsein für privatwirtschaftliches Engagement für den Kunst- und Kulturstandort Chemnitz erzielt werden. Einnahmen aus dem privaten Sektor sind entsprechend im operativen Gesamtbudget berücksichtigt.

Einnahmen aus dem öffentlichen Sektor

5A.2.2 Wie schlüsseln sich die Einnahmen aus dem öffentlichen Sektor auf, die zur Deckung der operativen Ausgaben dienen? Einnahmen aus dem öffentlichen Sektor zur Deckung der operativen Ausgaben

in Euro

in %

Bundesregierung 1

30.000.000

56,01

Stadt Chemnitz

10.009.000

18,69

Freistaat Sachsen

10.800.000

20,16

Kulturregion Chemnitz 2

1.750.000

3,27

EU (mit Ausnahme des Melina-Mercouri-Preises)

1.000.000

1,87

0

0,00

53.559.000

100

Sonstige GESAMT

Im Einvernehmen mit den anderen deutschen Bewerberstädten werden bis zum Ende der Antragsphase im Herbst 2020 gemeinsam Verhandlungen über das tatsächliche Budget und dessen Verteilung über die Jahre geführt. Die hier angegebenen Zahlen sind daher Richtwerte. Das Budget und die Inhalte des Programms werden je nach Ergebnis der Verhandlungen angepasst. 2 Die Schaffung einer gemeinsamen Kulturregion ist ein fortlaufender Prozess. Eine Kofinanzierungsvereinbarung mit Projektmitteln ist geplant. 1

5A.2.3 Haben die Finanzbehörden (Stadt, Region, Staat) bereits über finanzielle Verpflichtungen zur Deckung der operativen Stadt Chemnitz Der Stadtrat der Stadt Chemnitz hat mit Beschluss im Januar 2017 1.200.000 Euro für die Bewerbungsjahre 2017 bis 2020 zur Verfügung gestellt. Im Falle der Zuerkennung des Titels wird ab dem Jahr 2021 eine Förderung in Höhe von 8.809.000 Euro an die „Kulturhauptstadt Chemnitz2025 gGmbH“ angewiesen:

Jahr

in Euro

2021

1.500.000

2022

1.500.000

2023

1.600.000

2024

1.800.000

2025

1.700.000

2026

400.000

2027

309.000

Chemnitz2025

Ausgaben abgestimmt oder sind sie solche Verpflichtungen bereits eingegangen? Wenn nein, wann werden sie dies tun?

41


5 Verwaltung

Freistaat Sachsen Die Regierung des Freistaates Sachsen hat am 21. Mai 2019 beschlossen, bei einem möglichen Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 eine Förderung von bis zu 20.000.000 Euro bereitzustellen. Davon werden 10.000.000 EUR wie folgt für operative Ausgaben eingeplant: Jahr

in Euro

2021

1.000.000

2022

1.500.000

2023

2.500.000

2024

2.500.000

2025

2.500.000

Der Freistaat Sachsen hat zudem den drei Bewerberstädten im Jahr 2018 und 2019 jeweils 100.000 Euro sowie für eine zweite Bewerbungsphase im Jahr 2020 jeweils 600.000 Euro zugesichert. Bundesregierung Über die Vermittlung der Kulturstiftung der Länder und abgestimmt unter den Bewerberstädten Deutschlands wird bei der Bundesregierung eine Fördersumme für das Projekt Kulturhauptstadt Europas 2025 in Höhe von 30.000.000 Euro für die Jahre 2021 bis 2025 für operative Ausgaben beantragt.

Einnahmen aus dem privaten Sektor

5A.2.4 Wie sieht die Mittelbeschaffungsstrategie aus, um Unterstützung durch private Sponsoren zu suchen? Wie planen Sie, Sponsoren in die Veranstaltung mit einzubeziehen?

Der weithin spürbare wirtschaftliche Aufschwung, den die Stadt seit gut zwei Jahrzehnten im technischen und industriellen Sektor erlebt, findet in der Initiative zur Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas seine kulturelle Entsprechung. Privates und unternehmerisches Engagement sind dabei eine wichtige Säule, wenn es gilt, im Rahmen der Kulturhauptstadt-Bewegung außergewöhnliche Kunst- und Kulturproduktionen zu ermöglichen. Im Bewerbungsprozess bauen wir auf eingespielte Mechanismen des Zusammenwirkens der Stadt mit der Privatwirtschaft in Form von Public Private Partnership-Modellen: ● Co-Finanzierung der Stadtmarketing-Kampagne: Chemnitz-zieht-an.de ● „Chemnitz ist weder grau noch braun“ – Unterstützung durch die (Kreativ)Wirtschaft und die Industrie ● „#wirsindmehr-Konzert“ – Unterstützung durch die (Kreativ-)Wirtschaft ● Kosmos Chemnitz Klassische Sponsoringmodelle, wie sie in Chemnitz beispielsweise für das Schlingel Filmfestival, das Hutfestival, den Parksommer, die Fête de la Musique, die Dialogfelder – Stadt nach Acht oder das Kosmonaut Festival schon gelebt werden, werden im Zuge einer möglichen zweiten Bewerbungsphase für das Veranstaltungsjahr mit neuen Ideen aktiviert.

● Der KLUB 2025 akquiriert Gelder und Sachleistungen aus der Privatwirtschaft und spricht über Crowdfunding-Modelle auch die Bürgerschaft an. ● Der KLUB 2025 betreibt aktive Akquise von Sponsoren über Informationsvermittlung (Vorträge, Veranstaltungen, Medien) und konkrete Ansprache der Unternehmen mit der Bitte um Unterstützung/Sponsoring. ● Sieben gut vernetzte Gründer und deren Mitarbeiter nutzen das Vertrauensverhältnis zu ihren Kunden und Mitgliedern und laden diese aktiv zum Sponsoring ein. Die Sponsoren werden dabei auf für sie potentiell relevante Themen angesprochen, sie gewinnen Sichtbarkeit durch die Bereitstellung des Kulturhauptstadt-Labels. ● Die Erkenntnisse aus der Bewerbungsphase werden vom Kulturmanagement der Stadt Chemnitz bzw. dem Kulturhauptstadtbüro dahingehend weiterentwickelt, dass darauf aufbauend für die Jahre 2021 bis 2026 langfristige Partnerschaften etabliert werden können. Ziel Jahr

in Euro

2027

25.000

2026

100.000

2025

1.500.000

2024

750.000

2023

500.000

2022

300.000

2021

200.000

2020

300.000

Chemnitz2025

KLUB 2025 // 42

Nachhaltigkeit Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas bietet in ihrer Komplexität völlig neue Möglichkeiten des Zusammenspiels von Stadt, Kulturinstitutionen, freier Kultur, Wirtschaft und Mäzenen. Ein erster Impuls ist die Gründung des KLUB 2025, in dem sich auf Initiative der Volksbank Chemnitz und der Sparkasse Chemnitz die IHK, die HWK, Chemnitzer Wirtschafts- und Entwicklungs GmbH und private Unternehmen zusammengeschlossen haben, um unabhängig von der Entwicklung des Bewerbungsprozesses und in Abstimmung mit dem Bewerbungsbüro Unterstützungsinitiativen zu entwickeln, abzustimmen und zu koordinieren.


5 Verwaltung Operative Ausgaben

5A.2.5 Bitte schlüsseln Sie die operativen Ausgaben auf, indem Sie die nachstehende Tabelle ausfüllen. Ausgaben

Programmkosten

Werbung und Marketing

Gehälter, Fixkosten und Verwaltung

Sonstiges

GESAMT

in Euro

37.354.000

8.500.000

11.640.000

2.740.000

60.234.000

in %

62,01

14,12

19,32

4,55

In die Programmkosten sind Honorare, Produktions- und Reise- und Übernachtungskosten einberechnet.

100

Im Bereich Sonstiges sind die Kosten für eine Evaluierung (560.000 Euro), Recherche (680.000 Euro) sowie Reserve (1.500.000 Euro) inkludiert.

5A.3 Budget für Kapitalausgaben 5A.3.1 Wie schlüsseln sich die Einnahmen aus dem öffentlichen Sektor auf, die zur Deckung der Kapitalausgaben im Zusammenhang mit dem Veranstaltungsjahr dienen? Einnahmen aus dem öffentlichen Sektor zur Deckung der Kapitalausgaben

in Euro

in %

0

0.00

Stadt

20.500.000

67.21

Freistaat Sachsen

10.000.000

32.79

Kulturregion Chemnitz

0

0.00

EU (mit Ausnahme des Melina-Mercouri-Preises)

0

0.00

Sonstige

0

0.00

30.500.000

100

Bundesregierung

GESAMT

5A.3.2 Haben die Finanzbehörden (Stadt, Region, Staat) bereits über finanzielle Verpflichtungen zur Deckung der Kapitalausgaben abgestimmt oder sind sie solche Verpflichtungen bereits eingegangen? Wenn nein, wann werden sie dies tun?

Freistaat Sachsen Gemäß dem Beschluss der Regierung des Freistaates Sachsen, plant die Stadt Chemnitz für die Jahre 2021 bis 2025 mit 20.000.000 Euro. Davon fließen 10.000.000 Euro in den Kapitalbereich (Infrastrukturmaßahmen/ Interventionsflächen). Diese Fördersumme soll im Falle des Titels ab dem Jahr 2021 wie folgt an die „Kulturhauptstadt Chemnitz2025 gGmbH“ angewiesen werden:

Jahr

in Euro

Jahr

in Euro

2017

392.000

2021

1.500.000

2018

393.000

2022

2.500.000

2019

2.838.000

2023

2.296.000

2020

3.897.000

2024

1.500.000

2021

3.214.000

2025

2.204.000

2022

3.334.000

2023

2.548.000

2024

2.544.000

2025

1.340.000

Bundesregierung Die Förderung des Bundes für das Projekt „Kulturhauptstadt Europas“ beschränkt sich auf operative Kosten. Investitionsmaßnahmen werden gesondert, abhängig von diversen nationalen Förderprogrammen, mit der Bundesregierung verhandelt.

Chemnitz2025

Stadt Chemnitz Die Stadt Chemnitz hat insgesamt 20.500.000 Euro für die Umsetzung des Kulturhauptstadt-Projekts im Kapitalbereich (Infrastrukturmaßahmen/Interventionsflächen) geplant. Im Falle des Titelgewinns würden ab dem Jahr 2021 folgende Zahlungen an die „Kulturhauptstadt Chemnitz2025 gGmbH“ angewiesen:

43


DANCE@ STATION 4.0 // I-PORTUNU URBACT III 5 Verwaltung

5A.3.3 Wie sieht Ihre Mittelbeschaffungsstrategie zur Beantragung von finanzieller Unterstützung aus Programmen/Fonds der Union aus, um die Kapitalausgaben zu decken?

Chemnitz2025 sieht in Europäischen Förderprogrammen ein starkes Instrument zur Vernetzung von Kulturakteuren und zur Steigerung des Innovationsgrades. Vor diesem Hintergrund ermutigt und unterstützt das Kulturhauptstadtbüro Projekte, die Potenzial und Interesse an einer europäischen Zusammenarbeit haben.

Hierzu zählt unter anderem das Projekt Dance@Station 4.0 des Theaters Chemnitz, das an das Festival Tanz | Moderne | Tanz anknüpft. Es setzt auf urbanen und zeitgenössischen Tanz im öffentlichen Raum und greift dabei die Themen Ankunft und Migration auf. Außerdem stärkt dieses Projekt die Beziehungen zu Chemnitzer Partnerstädten. Für das Projekt konnten die Company Chameleon aus Manchester, das PTL Dance Theatre aus Ljubljana und das Dance Theatre MD aus Tampere gewonnen werden. Dance@Station 4.0 wird 2019 als europäisches Kooperationsprojekt im Rahmen von Kreatives Europa eingereicht werden. Den Lead des Projekts hat das Theater Chemnitz inne.

Auch das Projekt „neue unentd_ckte narrative“ wird sich in seiner Arbeit nicht nur mit bedeutsamen europäischen Themen auseinandersetzen, sondern sich zugleich stärker in den europäischen Diskurs einbringen und selbst auf die europäische Bühne treten. Entsprechend planen die Projektmacher für die dritte Auflage des Festivals im Jahr 2020, das sich mit zukunftsgerichteten Narrativen beschäftigen wird, eine Einbindung europäischer Partner. Es sollen Partner aus europäischen Städten gewonnen werden, in welche das Projekt bereits Vernetzungsreisen unternommen hat, beispielsweise nach Budapest (2017), Rotterdam (2018) und Manchester (2019). Eine Antragsstellung für ein europäisches Kooperationsprojekt bei Kreatives Europa ist für das Jahr 2020 geplant.

Chemnitz2025

In der Durchführungsphase ist zudem das Projekt Alt/ Bau. Es befindet sich in der zweiten Stufe des Transfernetzwerkes bei URBACT III. Das Projekt konzentriert sich auf alternative Nutzungskonzepte für ungenutzte Altbauten. Die Chemnitzer Agentur StadtWohnen gibt dabei als URBACTBest-Practice-Beispiel und Projektleiterin ihre Erfahrungen an europäische Städte weiter und erhält zugleich Hinweise zur Weiterentwicklung der eigenen Agentur. Ungenutzter Raum in vielen europäischen Städten erhält so wieder Bedeutung. Projektpartner sind Rybnik (PL), Vilafranca del Penedès (ES), Seraing (B), Metropolregion Turin (I), Constanţa (RO), Riga (LT).

44

Schon in der ersten Ausschreibungsrunde des Kreatives Europa-Pilotprojektes „i-Portunus“ gelang es, einen erfolgreichen Antrag zu stellen. Weitere Antragsstellungen in der Pilotphase, aber auch innerhalb des regulären Förderprogrammes ab 2021 werden durch Chemnitz2025 unterstützt, um Mobilitätsangebote für Chemnitzer Künstler zu schaffen, aber auch um internationale Gäste in Chemnitz begrüßen zu können. Wenngleich erste europäische Förderanträge feststehen, ist die Zahl der Anträge, die von Kulturakteuren aus der Region Chemnitz in Richtung EU gesandt werden, noch zu gering. Dementsprechend hat es sich die Kulturstrategie zum Ziel gesetzt, Kulturakteure für die europäische Antragsstellung zu ermächtigen. Ein umfassendes Weiterbildungsangebot bezüglich dieser europäischen Förderprogramme ist somit auch ein wesentliches Ziel von Chemnitz2025.

Sofern es zu einer Neuauflage des Programms zur Förderung von grenzübergreifenden Projekten mit Partnern in der Tschechischen Republik und Sachsen kommt (Förderprogramm SN-CZ 2014-2020), in jedem Fall aber bis zum Ablauf der aktuellen Förderperiode im Jahr 2020, sollen Kulturakteure auf das relativ niedrigschwellige europäische Förderprogramm zur Förderung des interkulturellen Dialogs und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit befähigt werden. Das Programm finanziert sich aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Darüber hinaus wird aktiv auf die Vielfalt der Fördermöglichkeiten für Kulturprojekte hingewiesen werden, die sich auch in anderen Programmsträngen bieten. Hierzu zählen unter anderem der Europäische Sozialfonds (ESF), Erasmus+ sowie das neue, für zivilgesellschaftliche und kommunale Kooperationen entwickelte Programm Rechte und Werte 2021-2027, die für Kulturprojekte sowie für Projekte mit Themenbezug Migration oder auch Austauschprojekte genutzt werden.


5 Verwaltung

5A.3.4 Fügen Sie hier bitte gegebenenfalls eine Tabelle ein, in der aufgeführt wird, welche Beträge für im Rahmen des Veranstaltungsjahrs zu nutzende neue kulturelle Infrastruktur ausgegeben werden. Infrastruktur

in Euro

Der Eisenbahnbogen

1.000.000

Das Kulturquartier

2.000.000

Das Sportforum

3.500.000

Die Stadt am Fluss

9.000.000

Öffentliche Plätze

6.000.000

Orte des Aufbruchs – Industriebrachen

4.000.000

Schauspielhaus

5.000.000

US // I //

Eine ausführliche Darstellung dieser Infrastrukturmaßnahmen/Interventionsflächen findet sich bei Frage 6.3.

5B Organisationsstruktur

5B.1 Geben Sie bitte einen Abriss der beabsichtigten Steuerungs- und Durchführungs­struktur für die Umsetzung des Veranstaltungsjahres Kulturhauptstadt Europas.

Die Durchführung von Chemnitz2025 wird mittels der Organisationsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deutschem GmbH-Gesetz gewährleistet. Während der Bewerbungsphase bereitet die Stadt Chemnitz die Gründung der Gesellschaft vor, damit sie zum 01.01.2021 im Falle des Titels die operative Ausgestaltung von Chemnitz2025 übernehmen kann.

Das Organigramm baut auf Erkenntnissen verschiedener Impulse aus ehemaligen und designierten Kulturhauptstädten Europas und garantiert eine professionelle Struktur für eine künstlerisch-kulturelle Kulturhauptstadt-Produktion.

Gesellschafterversammlung Aufsichtsrat

Fachbeirat // Programmrat

Kulturbotschafter

Künstlerischer Betrieb

Kaufmännischer Betrieb

Kaufmännische Direktion (Geschäftsführung)

Audience Development

Betriebsbüro

Kommunikation

Prokura: Rechtsfragen

Schnittstelle Stadtentwicklung

Regionale Vernetzung

Dramaturgie

Marketing

Administration

KuratorenTeam

Sponsoring // Fund-Raising

Evaluierung

Produktion Technik

Presse

Controlling

Chemnitz2025

Programmdirektion (Geschäftsführung)

45


5 Verwaltung

Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat als Lenkungsgremium der „Kulturhauptstadt Chemnitz2025 gGmbH“ überwacht und berät die Geschäftsführung (Programmdirektion und Kaufmännische Direktion).

● Mitglieder: Zusammensetzung von Vertretern aus Verwaltung, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik Die Mitglieder des Aufsichtsrates sollen von der Stadt Chemnitz, dem Freistaat Sachsen und der Deutschen Bundesregierung nominiert werden. Der Aufsichtsrat soll auch gewährleisten, dass die Programmdirektion und das Kuratorium im Rahmen des vorgegebenen Budgets frei agieren können.

Der Aufsichtsrat der zu gründenden „Kulturhauptstadt Chemnitz2025 gGmbH“ soll wie folgt zusammengesetzt werden: ● Vorsitz ● stellvertretender Vorsitz

Künstlerischer Betrieb mit Programmdirektion und Kuratoren-Team Programmdirektion Der Programmdirektor agiert als primus inter pares und versteht seine Rolle als Herausgeber, als Katalysator für regionale, nationale und internationale Projektideen in Abstimmung mit dem Kuratoren-Team. Er steuert als künstlerischer Leiter die Programmentwicklung und fungiert als Moderator des Kuratoren-Teams. Kuratoren-Team Ein Kollegium hauptamtlicher Kuratoren erarbeitet sämtliche künstlerische Fragen unter Führung der Programmdirektion und bringt sie zur Umsetzung.

Kulturbotschafter Aus mehr als 50 Bewerbungen hat das Kulturhauptstadt-Team fünf offizielle Chemnitzer Bürger als Kulturbotschafter für die Bewerbungsphase ausgewählt, die Mitglieder des Programmrats sind. Alle weiteren Kandidaten bringen sich im Kulturbotschafter-Gremium mit Ideen ein, kommunizieren in ihren Netzwerken und mit der Stadtgesellschaft. Kultur ist hierbei ein weit gefasster Begriff, der nicht nur die künstlerischen Sparten umfasst, sondern alle gesellschaftlichen Bereiche, wie zum Beispiel Sport, Soziales, Kleingartenwesen oder Wissenschaft.

Kaufmännische Direktion/ Geschäftsführung

Es sind fünf Kuratoren vorgesehen: ● ● ● ● ●

Bildende und Angewandte Kunst Darstellende Kunst und Musik Literatur Architektur und Stadtplanung Digitales und neue Medien Die eher klassische Struktur wird durch folgende Querschnittsthemen aufgebrochen, die in allen Kurationen zu berücksichtigen sind:

● ● ● ● ●

Internationale Ko-Kreationen Lokales Erbe und Innovation Kulturelle Vermittlung/Bildung Partizipation und regionale Vernetzungen Kommunikation

Chemnitz2025

Fachbeirat/Programmrat Der Programmdirektion sowie dem Kuratoren-Team wird ein Fachbeirat zur Seite gestellt, der aus dem Programmrat der Bewerbungsphase hervorgehen wird. Dieses Gremium sichert die konzeptionelle Kontinuität der Bewerbung und begleitet die inhaltliche Umsetzung des Programmkonzepts. Diesem Gremium werden Chemnitzer, nationale und internationale Akteure aus Kunst, Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Tourismus und Stadtentwicklung angehören. Chemnitz möchte außerdem von den Erfahrungen anderer Kulturhauptstädte Europas lernen. Dem Rat sollen daher auch Akteure aus ehemaligen und designierten Kulturhauptstadtbüros angehören.

46

Neben der künstlerischen Programmdirektion wird es eine Kaufmännische Direktion für die kaufmännischen Agenden (Geschäftsführung) geben. Die kaufmännische Geschäftsführung übernimmt in erster Linie die Leitungsfunktion für das Innenleben der Gesellschaft und agiert als Schnittstelle zur Stadtverwaltung. Weitere Aufgaben: ● ● ● ● ● ● ●

Planung und Steuerung Personalentwicklung Rechtsfragen (Fokus: Arbeitsrecht) und Vertragswesen Budgetierung und Finanzplanung Controlling Ausschreibungen Drittmittelakquise (selbständige Erstellung von Förderanträgen mit Fokus auf EU-Förderungen und der internationalen Stiftungslandschaft, Abrechnung der Projektgelder) ● Akquise von Sponsorengeldern Alle zu besetzenden Stellen unterliegen einem formellen Stellenbesetzungsverfahren, die Stellen werden international ausgeschrieben.


5 Verwaltung 5C Notfallpläne

5C.1 Welche sind die wesentlichen Stärken und Schwächen Ihres Projekts? Wie planen Sie, die aufgezeigten Schwächen zu überwinden?

Der Prozess der Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas veranschaulicht wie ein Seismograph Entwicklungspotentiale und Entwicklungshemmnisse in Chemnitz. Wir begreifen Chemnitz2025 als Chance, um erneut ganz genau hinzusehen und uns bewusst mit den Stärken und Schwächen unserer Stadt auseinanderzusetzen.

Stärken ● Gelten vielfach Skepsis und Zurückhaltung als Grundmerkmale der „Chemnitzer Seele“, so fällt doch die Leidenschaft auf, mit der Chemnitzer für ihre Stadt eintreten. ● Daraus erwächst eine starke Zivilgesellschaft, ausgezeichnet durch ihre hohe Bereitschaft, sich für städtische Belange aktiv einzusetzen, ausgezeichnet durch ihre Offenheit für neue Mitstreiter, ausgezeichnet auch durch vielleicht zu oft stilles Engagement. ● Daraus erwächst ebenfalls ein lösungsorientierter Veränderungswille, der auf Beteiligung und Zusammenarbeit setzt. Letzterer ist beispielhaft in der neuen Kulturstrategie sichtbar, er spiegelt sich in den Bemühungen um die Kulturregion und nicht zuletzt im Bewerbungsprozess für Chemnitz2025. ● Auf dieses zivilgesellschaftliche Engagement bauen sowohl die vielfältigen Formate und Strukturen der Bürgerbeteiligung als auch die breit und partizipativ angelegte Gremienstruktur der Bewerbung auf. ● Schon jetzt zeigt sich als große Stärke des Bewerbungsprozesses, dass die AUFbrüche starke Partnerschaften gestiftet haben, die in Chemnitz und in der Region Wirtschaft, Wissenschaft, Soziales und Kultur auf neue Weise verknüpfen und die Chemnitz über sachsenweite Initiativen und europäische Netzwerke in größeren Handlungsrahmen positionieren. Diese Partnerschaften profitieren auch von der stabilen Wirtschaftssituation und von den wissenschaftlichen Einrichtungen in Chemnitz und der Region; angesichts eines strukturellen Schwerpunkts bei klein- und mittelständischen Unternehmen zeichnet sich die Unternehmenslandschaft durch Vielfalt, Spezialisierung, Innovativität und Produktivität aus. ● Chemnitz und seine Kulturregion bieten zudem noch viele (Frei-)Räume für kreative (Um-)Nutzung und damit gute Ausgangsbedingungen für Existenzgründer und ein großes Entfaltungspotenzial für Menschen, die Neues ausprobieren wollen. ● Administrative Stärken unserer Bewerbung sehen wir bei der frühzeitigen politischen Willensbildung auf Kommunal- und Landesebene wie auch bei der innerstädtischen Vernetzung.

Schwächen ● Noch haben wir nicht alle überzeugen können, dass unsere Bewerbung einmalige Chancen für eine nachhaltige Stadtentwicklung bietet, von der alle Chemnitzer profitieren können. ● Die Netzwerke, auf die unsere Bewerbung zurückgreift, sind weitreichend, aber nicht immer dicht gewebt, etliche Akteure vereinen verschiedene Funktionen und Aufgaben in einer Person. ● Oftmals müssen wir feststellen, dass Strukturen in Verwaltung und Kommunikation den Ansprüchen an eine partizipative Projektentwicklung nicht gerecht werden. Unsere Stadt selbst ist weitläufig, ihre Urbanität offenbart sich nicht unmittelbar, ihr Außenbild ist nicht eindeutig definiert. ● Das führt dazu, dass viele konkrete Herausforderungen koordiniert in Entwicklungsprozesse umgesetzt werden müssen, die einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont erfordern.

Ansätze zur Überwindung der Schwächen ● Unsere Stadt und unsere Bewerbung zeichnen sich durch ihre Offenheit und durch Platz für innovative Ansätze in allen gesellschaftlichen Bereichen aus. ● Die Chemnitzer bringen in den Bewerbungsprozess charakteristische Krisenbewältigungsstrategien in Form von „Anpacken“ und „Machen“ ein. ● Unser Bewerbungsprozess zielt in vielerlei Formen darauf ab, die Menschen mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt zu stellen und aus dieser Haltung heraus, Perspektiven und Angebote für Veränderung zu entwickeln. ● Wir denken, dass sich aus dieser Haltung auch wirkungsvolle Ansätze zum Umgang mit rechts­extremistischen Strukturen im Stadt- und Gesellschaftsraum entwickeln lassen.

Chemnitz2025

Mit Chemnitz2025 gehen wir den mit dem City LabProzess von 2016 eingeschlagenen Weg konsequent weiter und übersetzen die dabei gewonnenen Erkenntnisse in die kulturstrategische Ebene. Wir brauchen den Blick von außen, den europäischen Vergleich, um Chemnitz zu dem zu machen, was es sein kann. Unsere ver­borge­nen Talente zu heben, zu hüten, zu zeigen und zu teilen – daraus entwickelt Chemnitz2025 seine Zukunft in Europa.

47


5 Verwaltung

Die Chancen einer Bewerbung für unsere Stadt sehen wir in der fortgesetzten Stärkung der demokratischen Teilhabe und damit des städtischen Gemeinwesens durch eine Vertiefung der Bürgerbeteiligung. Diese Vertiefung befördert zunächst eine positive, vielfältige und gewaltfreie Kultur des Zusammenlebens in der Stadt. Des Weiteren gibt sie Anlass zu einer effizienteren Kommunikation über die Bewerbung selbst, und längerfristig kann sie den beginnenden Wandel hin zu einer proaktiven, ermöglichenden, stärker dienstleistungsorientierten Verwaltungskultur unterstützen.

Eine nachhaltige Chance für Stadt und Region stellt der Zusammenschluss zur Kulturregion dar. Sie ist ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für eine nachhaltige Regionalentwicklung in der Mitte Europas, die das breite, anspruchsvolle Kulturangebot und die vorhandene wertvolle kulturelle Infrastruktur zu voller Geltung und Beachtung bringen kann.

5D Marketing und Kommunikation

5D.1 Geben Sie bitte einen Abriss der beabsichtigten Marketing- und Kommunikationsstrategie der Stadt für das Veranstaltungsjahr „Kulturhauptstadt Europas“.

Die Bewerbung um die Aufgabe „Kulturhauptstadt Europas“ durch die Beteiligung der Chemnitzer Bürger mit Leben zu füllen - das ist die Aufgabe unserer Marketing-Kommunikation. Bereits heute weiß die große Mehrheit der Stadtgesellschaft (75 % bei der Chemnitzer Bürgerumfrage 2018) um die Ambition Chemnitz2025. Jetzt wollen wir die Bürger von Chemnitz für die Bewerbungs-Idee AUFbrüche motivieren und begeistern. Dazu öffnen wir den Dialog hin zu den Menschen, damit die Kraft der Idee aus ihnen selbst entspringen kann. Der Dialog besteht aus drei Kapiteln: 1 JA – wir können das! Auf dem Weg zur Shortlist haben wir eine integrierte Kampagne für die gesamte Region entwickelt, die das enorme AUFbrüche-Potenzial der Stadt für jeden sichtbar macht. Chemnitz hat in seiner Stadtgeschichte unzählige Beweise geliefert, wieviel Mut und Kraft zum AUFbruch in seinen Bürgern steckt. Die jüngsten Erfolge – etwa die Erfahrung, dass man in dieser Stadt scheinbar Unmögliches schaffen kann – haben wir in eine Serie von Kampagnenmotiven gepackt. So wollen wir für eine positive Selbstvergewisserung über die eigene Gestaltungskraft bei der Chemnitzer Bürgerschaft sorgen. Und wir senden ein starkes Zeichen für ein kulturvolles Miteinander in die Stadt und nach ganz Europa. Bereits jetzt binden wir unsere Partnerstädte – darunter mit Ljubljana und Tampere auch zwei aktuelle Bewerberstädte – mit ein, halten sie über unsere Bewerbung auf dem Laufenden und tauschen uns mit ihnen aus.

Chemnitz2025

2 Los – wir haben den richtigen Plan!

48

Auf dem Weg zum Titel werden wir in verschiedenen Beteiligungs-Formaten an Sichtbarkeit und Ausgestaltung der Projekte für Chemnitz2025 arbeiten. Wir zeigen nicht nur, was man schaffen kann – sondern auch, was der Titel für die Stadt bedeuten kann. Authentisch und nachhaltig. Mit Workshop-Formaten bringen wir wichtige Köpfe der Stadt mit internationalen Partnern zusammen, damit sie gemeinsam die Bewerbung lebendig machen – Bürger werden Botschafter für „Opening minds, creating spaces“.

Chemnitz empfängt Europa! Diese Freude schreibt die Kampagne nun nach ganz Europa und nicht mehr nur in die Partnerstädte fort. In einer Plakat- und AnzeigenKampagne, in bewegten Bildern und sozialen Medien kommen engagierte Mitmacher zu Wort. Content-Marketing zeigt dabei den Projektfortschritt der bereits begonnenen Kunstwerke und schafft den nötigen Fortschritt im Wissen zu Chemnitz2025. Durch Einbeziehung der Redaktionen internationaler Kultur-, Reise- und Lifestylemagazine übertragen wir die Botschaft Chemnitz2025: Ein Geheimtipp einer europäischen Kulturhauptstadt im AUFbruch. Dank Messenger-Kommunikation wächst eine ECoC2025-Community in ganz Europa und knüpft erste Kontakte zu potentiellen Freiwilligen, jungen Künstlern, künftigen Kulturhauptstädten in Europa und all den vielen Bewerberstädten. 3 Danke - wir gehören nun zur Familie! Nachdem sich Chemnitz in die 40-jährige ECoC-Historie eingeschrieben hat, gehört die Stadt nun zu dieser besonderen europäischen Familie. Deshalb wird die Kampagne weitergehen und authentisch erzählen, wie Chemnitz2025 nachwirkt: wie die kulturelle Vielfalt Europas in der Stadt verwurzelt ist und weiter wirken wird. Dazu werden bestehende und neue europäische Formate der Vernetzung mit Leben erfüllt und Beteiligte zu 'Botschafter n.



5 Verwaltung

Chemnitz2025 (C2025) ist dann eine Kultur-Marke mit internationalem Anspruch. Neue kulturspezifische Reiseund Kongressformate, internationale Messepräsenzen mit

Erfahrungsberichten aus Chemnitz2025 sowie Kooperationen mit den anderen europäischen Kulturhauptstädten machen diese Marke nachhaltig.

Das „C“ steht im Markenkern für „Chemnitz“ | „Capital“ | „Culture“ und wird zum starken Markenzeichen. Wenn wir zur Eröffnung 2025 die Kulturhauptstädte des vergangenen Jahres aus Österreich und Estland einladen, um deren Geist aus dem Veranstaltungsjahr nachzuspüren, dann weht auch ein Flair von Kulturhauptstadt für das

nächste Jahr in die Slowakei und nach Finnland – die Freude über das gemeinsame Haus Europa, ein Europa voller kultureller Vielfalt und Lebendigkeit. Chemnitz und seine Bürger werden mit Stolz dazu beitragen

5D.2 Wie möchte die Stadt betonen, dass die Aktion „Kulturhauptstadt Europas“ auf die Europäische Union zurückgeht?

Chemnitz hat sich aufgemacht, von einer Stadt in Europa zur europäischen Stadt zu werden.

Bewusstsein

Aufmerksamkeit

Frieden

Zukunft

Dazu gehört die Bewusstmachung, dass Urlaub für die meisten Chemnitzer eine Reise durch Europa bedeutet – an schöne Küsten, auf beeindruckende Berge, in pulsierende Städte – und das ganz ohne Warteschlangen an Grenzübergängen, ohne Visapflicht, oft sogar ohne Geldwechsel.

Dazu gehört die Aufmerksamkeit für die Möglichkeiten, etwa für Job oder Studium unkompliziert einen beliebigen Ort in Europa zu wählen, zumal so viele Jobs nicht mehr an feste Arbeitsorte gebunden sind.

Dazu gehört der stetige Verweis auf die Leistung, wie dank der Europäischen Union aus einstigen Kriegsgegnern befreundete Staaten wurden – Europa ist und bleibt ein Friedensprojekt.

Dazu gehört aber auch eine kritische Reflexion dessen, was Europagegnern zunehmend in die Karten spielt – und auch das Nachdenken darüber, was die Europäische Union künftig leisten könnte und sollte.

Chemnitz2025 50

ZUKUNFT

Beitrag leisten, den Gemeinschaftsgedanken, welcher der Europäischen Union zu Grunde liegt, ganz selbstverständlich zu leben.

BEWUSST SEIN AUFMERK SAMKEIT FRIEDEN

Das ist die Leitidee der Bewerbung. Dabei geht es nicht nur um Themen wie Demokratie, Freiheit, Frieden, sondern auch um Vielfalt, Toleranz und Klimaschutz. Was Europa bewegt, bewegt auch Chemnitz. Und wir werden unseren


5 Verwaltung

Dies alles und noch viel mehr sind Ansätze, die das Selbstverständnis im Bewerbungsprozess zur Kulturhauptstadt Europas und schließlich das Programmjahr bestimmen. Wir wollen also triftige, vernunftbasierte, aber auch emotional verankerte Gründe für ein Zusammenleben in Europa liefern, die stärker sind als populistische Reden und Facebook-Posts. Sichtbar Dass die Europaflagge die Stadt und unsere Werbung für das Europäische Kulturhauptstadtjahr schon von Beginn des Bewerbungsprozesses schmückt, ist für uns selbstverständlich. Viel wichtiger jedoch ist das Erleben der europäischen Idee als Bereicherung und Inspiration. Kultur ist dazu das ideale Mittel.

Chemnitz2025

Was verbindet Chemnitz mit den Ländern und Regionen Europas? Wir wollen die Vielfalt erlebbar machen, die Töne und die Stile, die Traditionen und kulinarischen Genüsse, die Lebensentwürfe. Wir wollen nachhaltige Netzwerke schaffen in kulturellen, sportlichen, sozialen Bereichen, zwischen Schulen, Institutionen, Vereinen. Dafür bietet nicht nur der lebendige Austausch mit unseren Partnerstädten eine gute Basis, dafür liefert auch die europäische Kulturhauptstadt-Community unzählige Anknüpfungspunkte – die wir schon jetzt rege nutzen.

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+49 (0) 371 488 413 3

Dr. Ing. Basel Fardi • CEO • Intenta GmbH • Chemnitz

+49 (0) 371 256 206 21

Katrin Günther • Quartiersmanagerin • Chemnitz

+49 (0) 371 821 937 00

Holm Krieger • Kulturschaffender • Chemnitz

+49 (0) 371 405 419 59

Neele Müller • Abiturientin • Mitglied Sportensemble Chemnitz • Burgstädt

ABEN SIE FRAGEN RUFEN SIE UNS A


6 Umsetzungsfähigkeit

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CAPACITY TO DELIVER

UMSETZUNGSFÄHIGKEIT CAPACITÉ DE MISE EN ŒUVRE

СПОСОБНОСТЬ РЕАЛИЗАЦИИ

6.1 Bitte bestätigen und belegen Sie, dass Sie politisch auf breiter Ebene und in starkem Maße unterstützt werden und sich die zuständigen lokalen, regionalen und nationalen Behörden dauerhaft beteiligen.

Die Stadt Chemnitz hat bei ihrer Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025“ von Anfang an großen politischen Rückhalt erfahren: Auf die Bekanntgabe der Idee durch Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig im Herbst 2016 folgte bereits im Januar 2017 der Auftrag des Chemnitzer Stadtrates an die Stadtverwaltung per öffentlichem und fast einstimmigem Beschluss, die Bewerbung der Stadt Chemnitz vorzubereiten. Mit diesem Beschluss stellte der Stadtrat 1,2 Mio. Euro für den Bewerbungsprozess zur Verfügung und beauftragte die Zusammenstellung des Projektteams sowie die Einrichtung des Kulturhauptstadtbüros. Im März 2019 hat der Stadtrat die Chemnitzer Bewerbung mit einem Budgetbeschluss bis 2027 untermauert. Mit diesem Beschluss wurden die grundlegende inhaltliche Ausrichtung der Bewerbung festgelegt und die geplante Organisationsstruktur für die Kulturhauptstadtgesellschaft sowie das Budget für die Jahre 2021 bis 2027 bestätigt. Verschiedene Mitglieder der Fraktionen im Stadtrat, einige davon auch Vertreter im städtischen Kulturausschuss, sind durch ihre Zugehörigkeit zur Lenkungsgruppe direkt in die Kulturhauptstadtbewerbung eingebunden. Einzelne Chemnitzer Abgeordnete des Sächsischen Landtages sind zudem Teil des Programmrates, der die Bewerbungsinhalte erarbeitet.

Die Oberbürgermeister und Bürgermeister aus der Region haben im November 2018 in einem Regionalkonvent den Beschluss gefasst, die Bewerbung von Chemnitz zu unterstützen. Auch der Freistaat Sachsen steht hinter der Bewerbung der Stadt Chemnitz: Zum Ausschreibungsauftakt am 24. September 2018 gab der Freistaat seine Unterstützung der Bewerbungsabsichten der sächsischen Städte Chemnitz, Dresden und Zittau bekannt. Die Bewerberstädte erhalten in den Jahren 2018 und 2019 jeweils 100.000 Euro für die Bewerbung. Für die zweite Phase der Bewerbung (short list) hat der Freistaat den Bewerberstädten bis Ende 2020 weitere Mittel im Umfang von 600.000 Euro in Aussicht gestellt. Sollte die Bewerbung von Chemnitz erfolgreich sein, kann die Stadt entsprechend einem Kabinettsbeschluss der Staatsregierung vom Mai 2019 mit einem Landeszuschuss in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro planen. Regelmäßig kommt es zudem in einer eigens für den Bewerbungsprozess gegründeten Arbeitsgruppe zum Austausch zwischen den drei sächsischen Bewerberstädten und dem Freistaat Sachsen. Dabei wurde den sächsischen Bewerberstädten bereits signalisiert, dass sie auch unabhängig von einem Titelgewinn mit weiterer Unterstützung zur Umsetzung des jeweiligen Plan B rechnen können.

6.2 Bitte bestätigen und belegen Sie, dass Ihre Stadt über eine zweckmäßige und tragfähige Infrastruktur verfügt oder ver-

fügen wird, um die Veranstaltung durchführen zu können. Zu diesem Zweck beantworten Sie bitte nachstehende Fragen:

Das Selbstbewusstsein und der Gestaltungswille der Chemnitzer haben sich immer auch im gesellschaftlichen Engagement für kulturelle Zielsetzungen geäußert. So kann die Stadt heute auf eine vielgestaltige und tragfähige kulturelle Infrastruktur aufbauen. Um noch intensiver in die Stadtgesellschaft hineinzuwirken, wird das Programm von Chemnitz2025 regelmäßig neue, ungewöhnliche Auftrittsorte außerhalb der gewohnten Spielstätten im Stadtraum erschließen und punktuell die bestehenden Spielstätten ertüchtigen. Im Folgenden werden Tragfähigkeit und Zukunftsperspektiven zur Weiterentwicklung der kulturellen Infrastruktur skizziert: Städtische Theater Chemnitz Die fünf Sparten Musiktheater, Schauspiel, Ballett, Figurentheater und Konzert haben ihre Bühnen in zwei großen Spielstätten. Zudem befindet sich in der Stadthalle ein akustisch sehr guter Saal mit 1.800 Plätzen für Konzerte.

Das Musiktheater ist im stadtbildprägenden Opernhaus (714 Plätze) verortet und bildet einen Kern der Kunstwahrnehmung in Chemnitz. Es bietet in ausgewogener Zusammenstellung die Genres Oper, Operette und Musical dar. Seit mehreren Generationen hat sich Chemnitz mit seinen Wagner-Interpretationen den Ruf als „sächsisches Bayreuth“ nachhaltig erarbeitet. Die Robert-SchumannPhilharmonie ist ein Anker des Qualitätsanspruchs für das gesamte Theater und gleichermaßen im Konzert- wie Musiktheater von überregionaler Bedeutung. Das Ballett entwickelt Eigenproduktionen in allen Stilen von klassisch bis zeitgenössisch und wirkt über Festivals in die Stadtgesellschaft hinein. Das Schauspiel im Schauspielhaus mit 400 Plätzen sowie zwei kleinen Bühnen mit 100 und 60 Plätzen ist ein Identifikationsträger der jüngeren Geschichte der Stadt; es ist Repräsentant des freien Wortes und die Sparte schneller,

Chemnitz2025

6.2.1 Erläutern Sie kurz, wie die Kulturhauptstadt Europas die kulturelle Infrastruktur der Stadt nutzen und entwickeln wird.

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6 Umsetzungsfähigkeit

direkter gesellschaftlicher Reflexion und Reaktion. Auch das Figurentheater als das älteste institutionelle Figurentheater Sachsens ist Teil des dramatischen Reflexionsprozesses der Zeitgeschichte und leistet zugleich durch einen großen Anteil von jugendspartenorientierten Produktionen starke Beiträge zur kulturellen Bildung. Traditionelle und moderne Spielweisen werden gleichermaßen gepflegt und weiterentwickelt.

der Universitätsbibliothek und anderen kulturellen Institutionen der Stadt. Durch ein Artist-in-ResidenceProgramm für internationale junge Künstler, das von den Kunstsammlungen betreut und seinen Ort in der Stadt finden wird, sollen ferner Vernetzung und Förderung des internationalen Austauschs, Auseinandersetzung mit der Stadt und in der Folge auch eine Befruchtung der städtischen Kultur erreicht werden.

Das Theater soll in die Gesellschaft hineinwirken. Dazu werden regelmäßig neue Auftrittsorte außerhalb der gewohnten Spielstätten im Stadtraum erschlossen, wie der Theaterplatz, das historische Stadtbad, die Küchwaldbühne und mehrere Industriebrachen.

Museum Gunzenhauser Das Museum Gunzenhauser beherbergt in einem vom Architekten Volker Staab adaptierten Bankgebäude aus den 1920er Jahren die Sammlung von Alfred Gunzenhauser. Mit Gemälden und Arbeiten auf Papier vornehmlich der Moderne in Deutschland war es eine der wichtigsten Privatsammlungen und wird seit 2008 in Chemnitz gezeigt. Herzstück des Museums ist die einmalige Sammlung von 380 Arbeiten des Künstlers Otto Dix. Daneben bildet es mit hochwertigen Konvoluten zu einzelnen Künstlern vor allem aus dem Umfeld des „Blauen Reiters“ die perfekte Ergänzung zu den „Brücke“-Künstlern am Theaterplatz, so dass die Kunstsammlungen Chemnitz heute als einer der wichtigsten Standorte für den Expressionismus gelten. Zentral gelegen, könnte das Museum Gunzenhauser als Scharnier zwischen Stadt und Besuchern ein wichtiger Anlaufpunkt für die kosmopolite Kommunikation der Kulturhauptstadt sein. Ein Ausstellungs- und Begleitprogramm auf internationalem Niveau wird in Anbindung an die eigene Sammlung die europäische Dimension der deutschen Kunst und Kultur vermitteln.

Chemnitz2025

Die kulturelle Bildung nimmt eine sehr große und weiter wachsende Rolle ein. Mit dem Konzept „KuBuS – Kulturelle Bildung und Schule“ erfolgt eine Weiterentwicklung, die neue Qualitätsstufen in der kulturellen Arbeit an den Schulen ermöglichen soll. Die professionelle Ausbildung im Schauspielstudio, an der Rudolf-KempeOrchester-Akademie und von Balletteleven ist ebenso von strategischer Bedeutung wie die partizipativen Formen beispielsweise der Opernballettschule oder des Theaterjugendclubs mit eigenen Produktionen.

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Kunstsammlungen Chemnitz Zu den Kunstsammlungen Chemnitz gehören neben dem Haupthaus am Theaterplatz auch das Museum Gunzenhauser, das Henry van de Velde-Museum und das Schloßbergmuseum. Das 1909 von Richard Möbius am Theaterplatz errichtete Museum beherbergt heute 70.000 Objekte des 16. bis 21. Jahrhunderts, darunter Gemälde von Caspar David Friedrich, Karl Schmidt-Rottluff, Lovis Corinth und Georg Baselitz sowie Skulpturen von Edgar Degas, Georg Kolbe und Tony Cragg. Herausragende Bestände bilden die Konvolute von Lyonel Feininger, Honoré Daumier und Wolfgang Mattheuer sowie die Textil- und Kunstgewerbesammlung und die Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv. Die Sammlungen sind Ausdruck der städtisch-bürgerlichen Kultur, aber auch Ausdruck der industriellen und kommunikativen Vernetzung des 19. und 20. Jahrhunderts, etwa wenn man an den Jugendstil, die Kunst der Expressionisten, die Textilsammlungen und das Kunsthandwerk, die Ansätze des Bauhauses etc. denkt. Diese Themen sollten im Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung noch stärker als Teil einer großen europäischen Kultur gedacht werden, die auch aus Migration nach Chemnitz gespeist wurde und die Stadt mit anderen Städten in Europa eng verbindet. Durch Ausstellungsund Vermittlungsprojekte sollte das Bewusstsein für eine gemeinsame europäische Kultur voller Vielfalt gefördert werden. Mit der Kulturhauptstadtbewerbung wird die Umsetzung einer übergreifenden Museumsstrategie verbunden – der Öffnung der Institution hin zur städtischen Gesellschaft und den verschiedenen Akteuren. Gleichzeitig soll das Museum stärker als ein Museum der Chemnitzer Bürger verankert werden. Ein wesentlicher Gedanke dabei ist die Einbindung der Kunstsammlungen Chemnitz als Teil eines größeren Kulturquartiers zusammen mit den Theatern Chemnitz,

Schloßbergmuseum Das Schloßbergmuseum ist im historischen Benediktinerkonvent auf dem Schloßberg untergebracht, von dem die Gründung der Stadt Chemnitz vor 875 Jahren ihren Ausgang nahm. Es ist das historische Museum der Stadt Chemnitz und beherbergt als einen international bedeutsamen Sammlungsschwerpunkt gotische Skulpturen aus dem Raum Sachsen. In der Sammlung gotischer Skulpturen und in der Gründung als Benediktinerkloster liegen bereits zwei europäische kulturelle Kerngebiete, die aber bis heute nicht genügend im europäischen Kontext dargestellt und vermittelt werden. Diese Bereiche als Teil des großen europäischen Kulturerbes zu präsentieren und damit auch im Bewusstsein der Chemnitzer zu verankern ist ein erstes Ziel, das sich das Schloßbergmuseum für Chemnitz2025 gesetzt hat. Ein zweites Ziel ist die europäische Verortung der Stadtentwicklung von Chemnitz im 20. Jahrhundert und besonders im ‚Kalten Krieg‘ unter der Berücksichtigung der politisch geprägten Erinnerungs- und Identitätspolitik. Zu diesem Zweck wird die stadtgeschichtliche Ausstellung bis 2023 unter Hinzunahme partizipativer Elemente und einer Vielzahl von Medien neu konzipiert und neu präsentiert. So sollen auf dem Weg zur Kulturhauptstadt neue Formate der Ausstellungsentwicklung und Vermittlung entwickelt werden, die eine höhere Einbindung der Stadtgesellschaft und ihre Teilhabe an kulturellen Prozessen zum Ziel haben.


6 Umsetzungsfähigkeit

Karl-Schmidt-Rottluff-Ensemble Im Eigentum der Stadt Chemnitz befindet sich mit der Mühle und dem Wohnhaus der Familie ein Gebäudeensemble, das im Zuge der Kulturhauptstadtbewerbung zu einem multifunktionalen Begegnungs- und Kulturzentrum und Ort für Künstlerresidenzen entwickelt werden soll, um das Erbe von Karl Schmidt-Rottluff als einem der bedeutendsten europäischen Expressionisten in Chemnitz noch besser zur Geltung zu bringen. Die Gartenanlage, die beide Häuser miteinander verbindet, wird nach historischen Plänen rekonstruiert und soll in Zukunft einen Skulpturengarten beherbergen. Im Sinne der Idee der Künstlergruppe „Die Brücke“ wird der Gedenkort das Werk von Schmidt-Rottluff mit dem zeitgenössischen europäischen Kunstschaffen verbinden. In thematischer Verbindung zur Sammlung seiner Werke in den Kunstsammlungen Chemnitz stehend, stellt das Vorhaben ein Projekt mit europäischer Dimension dar.

Kulturzentren weltecho Das Kunst- und Kommunikationszentrum „weltecho“ hat seinen Sitz im Haus des Chemnitzer Verlagshauses bzw. der ehemaligen „Kammer der Technik“ der DDR und ist ein Ort der experimentellen Kunstproduktion. Im Jahr 2019 wird diese Immobilie barrierefrei sein. Zu den Angeboten gehören zeitgenössisches Theater und moderner Tanz, Programmkino, coole Partys und spannende Diskussionsabende, Symposien, Kurse, Workshops, Poetry-Slams und Konzerte (Fokus: Jazz, Neue Musik) sowie das Festival „Kammermachen“, eine Galerie, die mit Künstlern, Kollegen sowie Institutionen im In- und Ausland kooperiert und den Künstleraustausch auf internationaler Ebene fördert. In den kommenden Jahren soll sich im weltecho eine Off-Szene für Tanz etablieren. Kraftwerk Das Kraftwerk ist ein soziokulturelles Zentrum inmitten der Stadt. Der Gebäudekomplex besteht aus der ehemaligen Familienvilla des Fabrikanten Richard Hartmann, einem Neubau mit einem Veranstaltungssaal und einem die beiden Teile verbindenden Glasbau. Die generationen- und genreübergreifende sowie interdisziplinäre Arbeit eröffnet viele Möglichkeiten, auf

neue gesellschaftliche Fragen und Herausforderungen sowie neue Zielgruppen flexibel zu reagieren. Im Zuge der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025 wird der Verein an der Wahrnehmung seiner Angebote für alle Bevölkerungsgruppen arbeiten und sich als Kompetenzzentrum für Soziokultur weiter profilieren. Bandbüro Chemnitz Das Bandbüro wurde 2011 zur Unterstützung der Chemnitzer Musikszene gegründet. Es ist der erste Ansprechpartner und Dienstleister für Musiker sowie Bands und unterhält in einem ehemaligen Schulgebäude am Chemnitzer Brühl das Musikkombinat – das erste Gründerzentrum für Bands in den Neuen Bundesländern. Das Musikkombinat soll bis 2022 vollständig saniert und barrierefrei sein und eine neue Bühne erhalten. Mit der jährlichen Bandakademie und einer aktiv forcierten Vernetzung mit den Chemnitzer Partnerstädten setzt das Bandbüro nachhaltige Impulse zur Professionalisierung der Musikszene. Im Kontext der Kulturhauptstadt-Bewerbung sollen die Internationalisierung und die Wahrnehmung der Populärmusik fortgesetzt werden.

Theater in freier Trägerschaft Komplex Theater Das Off-Theater Komplex auf dem Chemnitzer Sonnenberg ist ein offener Kulturraum mit einer interaktiven Bühne und einer professionellen Infrastruktur. Das vielfältige Programm umspannt experimentelles, zeitgenössisches Theater sowie Tanz, Performance und Film. Das Komplex Theater besitzt kein eigenes Ensemble, sondern bietet Platz für Ko-Produktionen, Residenzen, Gastspiele, Workshops und ein Programmkino. Die Förderung von Nachwuchskünstlern der darstellenden Künste ist ein zentrales Anliegen. Im Rahmen von Strategieworkshops mit den Verantwortlichen des Kulturhauptstadtbüros konnte in den Jahren 2017 und 2018 eine Struktur erarbeitet werden, die eine professionelle Organisationseinheit ermöglicht. Fritz Theater Das Fritz Theater ist im Haus des ehemaligen Wismut-Kinos ansässig, eine weitere Spur, die zur Chemnitzer Vergangenheit führt. Die beliebte kulturelle Einrichtung für darstellende Kunst hat sich am Stadtrand etabliert und wird deshalb auch von den Bewohnern des benachbarten Umlands besucht. Das Theater wirkt bildend, generationen- und kulturübergreifend und möchte Themen und Stoffe, die gesellschaftlich aktuell sind, berühren und bilden, einem breiten Publikum zugänglich machen. Neben eigenen Theaterproduktionen organisiert das Fritz Theater Gastspiele sowie Kooperationen und Workshops mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern. Aufgrund seiner Ausstrahlung weit über den unmittelbaren Standort hinaus, wirkt das Theater in hohem Maße identitätsstiftend und ist ein künstlerischer und gesellschaftlicher Hot Spot für die gesamten westlichen Stadtteile von Chemnitz. Dieser Fokus soll auch über das Kulturhauptstadtjahr 2025 erhalten bleiben.

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Henry van de Velde-Museum in der Villa Esche Mit der für den Chemnitzer Textilfabrikanten und Mäzen Herbert Eugen Esche entworfenen Jugendstilvilla schuf der Architekt Henry van de Velde 1902/03 einen „Lebensraum als Gesamtkunstwerk“. Die Villa Esche ist ein Symbol für die gelungene und zukunftsweisende Symbiose von Wirtschaft, Gesellschaft, Kunst und Kultur. Nach akribischer Restaurierung und Rückerwerbung des originalen Mobiliars von van de Velde ist sie heute zugleich eine mehrfach ausgezeichnete Tagungs- und Veranstaltungsstätte und ein Museum. Im Rahmen der Kulturhauptstadt-Initiative sollen der Jugendstil und das Wirken van de Veldes in ihrer europäischen Dimension verstärkt vermittelt und zugleich die Tagungsstätte als Kommunikationsplattform internationaler Zusammenarbeit positioniert werden.

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6 Umsetzungsfähigkeit

Küchwaldbühne Die Küchwaldbühne wird ehrenamtlich vom gleichnamigen Verein betrieben, der seit einigen Jahren daran arbeitet, die traditionsreiche Freilichtbühne wiederzubeleben. Jährlich finden hier Theateraufführungen des eigenen Ensembles, Gastspiele, ein Theatercamp für Kinder und Jugendliche sowie die Sommertheateraufführungen der Städtischen Theater Chemnitz statt. Ein Anliegen des Vereins ist es, seine Kooperationen mit kulturellen Einrichtungen auszubauen, um das Angebot auf der Küchwaldbühne zu erweitern. Damit wird die Bühne die im Rahmen der Kulturhauptstadt-Bewerbung geplante Interventionsfläche am Schloßteich abrunden, der sich das älteste Viertel der Stadt mit dem Schloßbergmuseum anschließt und die bis zur Küchwaldbühne reichen wird.

Kulturelle Bildung Stadtbibliothek Mit täglich 2.000 Besuchern bildet die Stadtbibliothek Chemnitz einen Knotenpunkt im kommunalen Kulturleben und verfügt über mehrere zukunftsträchtige Optionen, um sich zur „Soziothek“ zu entwickeln. Sie hat besonderes Potenzial, soziale Ungleichheiten abzubauen, zur interkulturellen Verständigung beizutragen und nachhaltige Angebote durch Leseförderung, Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz bereitzustellen. Um eine hohe gesellschaftliche Teilhabe am digitalen Wandel und an der Integration aller Menschen zu erreichen, sind Niederschwelligkeit sowie Barrierefreiheit von besonderer Bedeutung. Im zweijährigen Rhythmus koordiniert die Stadtbibliothek die Chemnitzer Literaturtage „Leselust“. Zukünftig sollen Bibliotheken des Umlandes in dieses Projekt einbezogen werden, sodass sich die „Leselust“ zum überregionalen Lesefestival entwickeln kann. Mit Blick auf die Kulturhauptstadt-Bewerbung werden die bereits vorhandenen internationalen Beziehungen mit Ústí nad Labem, Tampere, Wolgograd und Timbuktu aktiviert und das europäische Netzwerk weiter ausgebaut und das Stefan und Inge Heym-Forum etabliert.

Chemnitz2025

Museen und Ausstellungsräume

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smac – Staatliches Museum Das smac macht als einfür Archäologie Chemnitz ziges Museum in Sachsen 300.000 Jahre Menschheitsgeschichte in ihrer Gesamtheit erfahrbar. Es fungiert als publikumswirksames „Schaufenster“ des Landesamtes für Archäologie Sachsen und ist im denkmalgeschützten ehemaligen Kaufhaus Schocken beheimatet, das nach Plänen des Architekten Erich Mendelsohn errichtet wurde und als architektonisches Juwel der Stadt und des Landes große Anziehungskraft besitzt. Nach einer umfangreichen Sanierung erstrahlt diese „Ikone der Moderne“ seit 2014 in neuem Glanz: Die Fassade wurde denkmalgerecht wiederhergestellt, der Grundriss durch eingezogene Wände erfahrbar gemacht und die Etagen der archäologischen Dauerausstellung durch drei Deckendurchbrüche miteinander verbunden.

Industriemuseum Chemnitz Das Industriemuseum Chemnitz ist Teil des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum und befindet sich seit 2003 in der denkmalgeschützten Gießereihalle der Werkzeugmaschinenfabrik Hermann und Alfred Escher AG. Die Zeugnisse des Erfinder- und Unternehmergeists sächsischer Firmen vom Beginn der Industrialisierung bis in die Gegenwart werden hier sichtbar und erlebbar. Im Rahmen der Landesausstellung „Boom! 500 Jahre Industriekultur in Sachsen 2020“ wird die Rasmussen-Halle aktiviert, um langfristig die Sammlungen der Designerin und Bauhauskünstlerin Marianne Brandt und diejenigen des Designers Prof. Karl Clauss Dietel, der als Formgestalter für die Autoindustrie Modelle des Trabant entwickelt hat, zu präsentieren. Museum für Naturkunde Chemnitz Als ältestes Museum der Stadt mit einer mehr als 150-jährigen Sammlungs-, Forschungs- und Bildungstradition profitiert das Museum in der Außenwahrnehmung von seinen standortspezifischen Alleinstellungsmerkmalen – dem Versteinerten Wald und dem Insektarium. Es zeichnet sich aus durch transdisziplinäre Ausstellungen und eine breite Plattform für bürgerwissenschaftliche Beteiligung mit Workshops, Arbeitsgemeinschaften, Sonderausstellungen, Publikationen und Exkursionen. Im Hinblick auf die Kulturhauptstadt-Initiative ist die Entwicklung einer neuen Dauerausstellung unter dem Narrativ „Horizonte öffnen“ geplant. Schauplatz Eisenbahn in Chemnitz-Hilbersdorf Das größte noch funktionstüchtige Dampflok-Bahnbetriebswerk Europas zeigt anschaulich die Entwicklung des Bahnverkehrs im 20. Jahrhundert. Der Fokus liegt auf der Königlich-Sächsischen Staatseisenbahn und der Deutschen Reichsbahn in der Region Chemnitz. Im Hinblick auf die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas wird das Museum modernisiert und ausgebaut. Der erste Entwicklungsschritt erfolgt im Rahmen der Landesausstellung „Boom! 500 Jahre Industriekultur in Sachsen 2020“, eine zweite Etappe wird bis 2025 realisiert. Straßenbahnmuseum Seit 1995 fungiert der älteste Betriebshof des Chemnitzer Nahverkehrs (eröffnet im Jahr 1880 für die erste Pferdebahn der Stadt) als Straßenbahnmuseum unter der Ägide des Vereins Straßenbahnfreunde Chemnitz e. V. Das Gelände des Betriebshofs ist als Flächendenkmal eingetragen und soll sich im Zuge der Sanierung und des Umbaus zu einem multifunktionalen Kultur- und Bürgerzentrum im Stadtteil Kappel entwickeln. Mit der Revitalisierung der Straßenbahnremise soll ab dem Jahr 2025 ein Ort für innerstädtische Mobilitätsgeschichte zur Verfügung stehen sowie eine deutliche sukzessive Aufwertung des Stadtteils Kappel erfolgen. Museum für Sächsische Das Museum befindet sich in Fahrzeuge Chemnitz einer historischen Hochgarage aus dem Jahr 1928 und widmet sich Sachsens Schlüsselindustrie, dem Fahrzeugbau. Im Rahmen der Kultur-


6 Umsetzungsfähigkeit

hauptstadt-Bewerbung hat sich der Trägerverein Museum für Sächsische Fahrzeuge e. V. zum Ziel gesetzt, seine Forschung zu intensivieren, die Dauerausstellung neu zu konzipieren und das Museum zu modernisieren. Neue Sächsische Galerie Der 1990 von engagierten Bürgern gegründete Kunstverein „Neue Chemnitzer Kunsthütte e. V." verwaltet seit 1996 treuhänderisch die städtische Kunstsammlung „Neue Sächsische Galerie“. Diese umfasst Werke der zeitgenössischen sächsischen Kunst im bildenden und angewandten Bereich von 1945 bis zur Gegenwart. Mit Blick auf das Jahr 2025 wird der Verein Projekte entwickeln, die sich mit Grenzbeziehungen und politischen Begriffen wie Europa oder Heimat beschäftigen und diese Themen ästhetisch u. a. in Aktionen in den Stadtraum einbringen. Stadtarchiv Chemnitz Das Stadtarchiv Chemnitz versteht sich als „Haus der städtischen Identität“. Es stellt sich den Herausforderungen der elektronischen Langzeitarchivierung und macht sich die kontrollierte und systematische langfristige Aufbewahrung des Archivkulturerbes der Stadt Chemnitz zur Aufgabe. Im Stadtarchiv werden Regional- und Stadtgeschichte für die

Bevölkerung aufbereitet und zugänglich. Der Stadtrat hat ein Archivkonzept mit konkreten Maßnahmen bis 2024 beschlossen, das einerseits die Archivpädagogik und die audiovisuellen Archivgüter unterstützt und implementiert, andererseits einen öffentlichen Ort für Stadtgeschichte thematisiert. Maßnahmen für eine Neuverortung des Archivs werden aktuell geprüft. Lern- und Gedenkort Das Kaßberg-Gefängnis verweist auf Kaßberg-Gefängnis die dunklen Seiten der städtischen Geschichte. Der Ort erzählt von Totalitarismus und Ent-Humanisierung. Von 1933 bis 1945 diente das Gefängnis den Nationalsozialisten zur Inhaftierung zahlloser Menschen. Das Ministerium für Staatssicherheit nutzte das Kaßberg-Gefängnis ab 1952 als regionale „Untersuchungshaftanstalt". Zudem war dieses Gefängnis zentraler Sammelort zur Abwicklung des Freikaufs politischer Häftlinge aus der DDR. Von 1963 bis 1989 kaufte die Regierung der Bundesrepublik Deutschland mehrere zehntausend politische Häftlinge aus DDR-Gefängnissen frei. Unter Federführung des Vereins Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e. V. entsteht derzeit ein neues Nutzungskonzept, das eine Neueröffnung der Gedenkstätte im Jahre 2021 vorsieht.

6.2.2 Welche Vorteile hat die Stadt im Hinblick auf Erreichbarkeit (regionaler, nationaler und internationaler Verkehr)? 1 Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV): Ein aktuelles Ranking des Vereins „Allianz pro Schiene“ bescheinigt dem innerstädtischen öffentlichen Personennahverkehr Chemnitz sehr gute Erreichbarkeit. Ergänzend zum schienengebundenen innerstädtischen Personennahverkehr verbindet das Chemnitzer Modell Stadt und Region. Nach Vollausbau (bis 2035) bringen seine Zwei-System-Fahrzeuge rund eine halbe Million Menschen aus mehr als 20 Kommunen umsteigefrei in die Chemnitzer Innenstadt. 2 Regional- und Fernverkehr: Die geplante Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Leipzig bis 2026 wird zu einem Qualitätssprung bei der Anbindung von Chemnitz an das Fernzugnetz beitragen. Die Neugestaltung des Hauptbahnhofs und des Bahnhofsvorplatzes (mit Tunnel zum neuen Fernbusterminal) wird 2025 abgeschlossen sein.

3 Autobahnen: Chemnitz liegt direkt am Knotenpunkt der Bundesautobahnen 4 und 72 und ist somit sehr gut mit Pkw oder Fernbus erreichbar. Über die Autobahnen ist Chemnitz an internationale Tourismusziele wie Nürnberg, Regensburg, München (A 9, A 93), Weimar, Jena, Erfurt (A 4), Dresden, Wroclaw/Breslau, Prag (A 4) und Leipzig, Berlin (A 72, A 9) und an das internationale Flugverkehrsdrehkreuz Frankfurt/M. angebunden. 4 Flugverbindung: Chemnitz ist innereuropäisch über drei Flughäfen zu erreichen: Dresden ist 50 Minuten, Leipzig 75 Minuten entfernt, Prag erreicht man in gut zwei Stunden.

6.2.3 Wie sieht das Fassungsvermögen der Stadt hinsichtlich der Gästeunterkünfte aus?

Bezüglich der Übernachtungskapazitäten hat die Chemnitzer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungs GmbH zwei Ziele definiert: 1 Steigerung der Übernachtungszahlen um 15 % auf mindestens 575.000 Nächtigungen im Jahr 2025, entsprechend einer Auslastung der Bettenkapazität von rund 50 %. Diese gilt es als Benchmark auch nach dem Kulturhauptstadtjahr zu definieren.

2 Ausweitung des Angebotsspektrums: Notwendig ist in den kommenden Jahren jedoch eine Anpassung der Häuser an aktuelle Qualitätsstandards sowie die Entwicklung authentischer Angebote im Sinne von Boutique-Hotels. Ergänzend dazu bedarf es der Entwicklung von Konzept- bzw. Low-Budget-Hotels mit verlässlichen Standards. Im Rahmen von städtebaulichen Verdichtungsmaßnahmen entstehen bis 2021 drei Hotelneubauten.

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Im Jahr 2017 wurden in Chemnitzer Beherbergungsbetrieben rund 3.700 Betten angeboten. Die Auslastung der Betriebe lag bei 38 %. Es wurden mehr als eine halbe Million Nächtigungen bei rund 260.000 Ankünften gezählt. Derzeit bilden Geschäftsreisende mit einem Anteil von rund 80 % die Kernzielgruppe.

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6 Umsetzungsfähigkeit

Destinationsentwicklung Die Stadt Chemnitz, die Tourismusregion Zwickau, die Stadt Mittweida und der Heimat- und Verkehrsverein „Rochlitzer Muldental“ befinden sich seit 2017 in einem Entwicklungsprozess mit dem Ziel einer gemeinsamen Tourismus-Destination. Gemeinsamkeiten der Region belegen die Folgerichtigkeit dieser Destinationsentwicklung – insbesondere im Hinblick auf die Industriekultur. Ein erster Impuls und Praxistest wird die 4. Sächsische Landesausstellung „Boom! 500 Jahre Industriekultur in Sachsen 2020“ sein.

Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas bietet die einmalige Chance, die aktuelle Situation der Beherbergungsbetriebe von Chemnitz ganzheitlich zu betrachten, Veränderungsprozesse einzuleiten und zumindest in Teilbereichen einen Neustart vorzunehmen. Mit diesem Neustart würden sowohl die Stadt als auch die Region eine wesentlich stärkere Sichtbarkeit auf nationaler und europäischer Ebene erlangen.

6.3 Welche Infrastrukturprojekte (einschließlich Renovierungsprojekte) im Kultur-, Stadt- und Fremdenverkehrssektor plant Ihre Stadt im Zusammenhang mit der Aktion „Kulturhauptstadt Europas“ von jetzt an bis zum Veranstaltungsjahr umzusetzen?

Im Sommer 2017 begann die Stadtverwaltung in Abstimmung und Zusammenarbeit mit Programmrat, Lenkungsgruppe und Kulturschaffenden einen Arbeitsprozess, um Objekte, Plätze und Areale in Chemnitz zu identifizieren, für deren Neukonzeption und Umgestaltung die Kulturhauptstadtbewerbung als Katalysator dienen kann. Es handelt sich dabei um Investitionsvorhaben und Sanierungsprojekte, die mit Blick auf das Kulturprogramm von Chemnitz2025 nachhaltig umgesetzt werden sollen. Aus einem Workshop zu den Interventionsflächen Ende Oktober 2018 in der ehemaligen Hartmannfabrik und aus weiteren Rückmeldungen aus der Bürgerschaft gingen die unten aufgeführten Orte als den Chemnitzern besonders wichtig hervor und wurden folglich für die Bewerbung als Interventionsflächen mit einem Gesamtvolumen von 30,5 Mio. Euro (siehe Frage 5A.3.4) priorisiert. Hinzu kommt als Renovierungsmaßnahme die Sanierung des Schauspielhauses. Der Eisenbahnbogen Der stadtbildgliedernde und -prägende Chemnitzer Eisenbahnbogen südlich der Chemnitzer Innenstadt mit seinen Brücken, Sichtachsen und Querbeziehungen entstand ab 1903 infolge des zunehmenden Verkehrs und des Stadtwachstums. Insbesondere dem technisch und kulturhistorisch bedeutenden Bauwerk des Viadukts Annaberger Straße über die Chemnitz, in unmittelbarer Nachbarschaft der ehemaligen Wirkmaschinenfabrik Schubert & Salzer mit ihrem markanten Uhrenturm, kommt eine herausgehobene Bedeutung als Symbol für Wachstum, Weiterentwicklung und Wirtschaft der Industrieregion zu. Entlang dieser Hauptschlagader des industriellen Wachstums in Chemnitz sollen Erlebnis- und Entdeckungsorte entstehen, an denen Chemnitzer Industrie- und Mobilitätsgeschichte erfahrbar wird.

Das Sportforum Der Ort, an dem besonders deutlich wird, dass Chemnitz und der Sport zusammengehören, ist das Sportforum in Bernsdorf. Als weithin sichtbares Wahrzeichen und identitätsstiftendes Geschichtsdenkmal erlaubt das Gelände, Stadt- und Sportgeschichte in authentischer Umgebung zu erzählen und erlebbar zu machen. Als bauund sportkulturelles Erbe der Stadt verlangt es nach einer spezifischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Das Gelände ist mehrfach überformt, die Zeugen der jeweiligen Zeit- und Kulturgeschichte sind noch vorhanden (Flutlichtmasten, Schiedsrichtertürme, Kassenhäuschen, Marathonturm, Ausstattungs­elemente in den Gebäuden etc.). Doch das Sportforum ist nicht nur Denkmal, es wird bis heute aktiv genutzt: Für die Bundesstützpunkte Turnen, Radsport und Leichtathletik bietet es spitzensporttaugliche Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten. Darüber hinaus sind die Hallen und Plätze Trainingsstätte für mehr als 200 Chemnitzer Sportvereine. Planung und Umsetzung eines sportgeschichtlichen Dokumentationszentrums sollen ab 2020 beginnen. Die Stadt am Fluss Die Dynamik der Stadtentwicklung von Chemnitz hat die Rückkehr der Fluss- und Bachläufe in die öffentliche Wahrnehmung ermöglicht und in Abkehr von der 1990 vorgefundenen städtebaulichen Situation den Gedanken eines Uferparks entlang des Flusses Chemnitz befördert. Mit der initialen Öffnung der Chemnitz am Falkeplatz und den neuen Parks am Fluss hat die Innenstadt bereits eine attraktive Ergänzung im Freiraum erfahren. „Stadt am Fluss“ lenkt den Fokus auf weitere bedeutsame Orte und schafft eine attraktive Freiraumverbundstruktur mit hoher Erholungs- und Aufenthaltsqualität entlang der Chemnitz und ihrer Zuflüsse innerhalb des Chemnitzer Stadtgebietes. Dies stärkt nicht nur die grüne und blaue Infrastruktur in der Stadt als Teil der Daseinsvorsorge, sondern leistet auch einen Beitrag zu Klimaanpassung und Umweltschutz. Ein Bürgerbeteiligungsprozess wurde 2019 gestartet. Die Umsetzung soll bis 2025 abgeschlossen sein.

Chemnitz2025

ORTE DES 58

Das Kulturquartier Das Quartier zwischen Georgstraße, Brückenstraße, Mühlenstraße und Bahnhofstraße soll so überplant und umgebaut werden, dass es in Zukunft Innenstadt und Brühl fußgängerfreundlich verbindet. Es ist ein räumlicher Handlungsschwerpunkt der Chemnitzer Stadtentwicklung der kommenden 20 bis 30 Jahre. Mit den Funktionen Kultur, Wohnen und Arbeiten soll sich das Areal schrittweise zu einem lebendigen und nutzungsgemischten Stadtteil entwickeln. Die Nähe zum Bahnhof und die Nachbarschaft zur TU Chemnitz (Hauptgebäude und Universitätsbibliothek) verstärken hier eine nachhaltige bestandsorientierte Quartiersentwicklung.


6 Umsetzungsfähigkeit

Making space for culture: Die Belebung des öffentlichen Raumes steht im Mittelpunkt der Bewerbung

Schauspielhaus Die Renovierung des Schauspielhauses der Städtischen Theater Chemnitz bietet eine notwendige infrastrukturelle Ertüchtigung der städtischen Aufführungsorte für die Durchführung der Aktion Kulturhauptstadt Europas. Sie erfolgt auf der Basis eines Stadtratsbeschlusses vom Oktober 2018. Verknüpfung von Interventionsflächen im Rahmen von Chemnitz2025: Das neue Chemnitz Stadt am Fluss, der Eisenbahnbogen und das Kulturquartier Brühl werden mit dem Mural Trail Chemnitz und mit Dance@Station 4.0 in ein größeres, vernetztes und visualisierbares Projekt zusammengeführt, um der Stadt Chemnitz einen zusätzlichen Raum für städtebauliche Kulturentwicklung zu geben, sowie diese Idee mit einem Grünflächen, Rad- und Wanderwegeimpuls mit innerstädtischen Erholungsoasen positiv aufzuladen.

Chemnitz2025

Orte des AUFbruchs Anders als Städte vergleichbarer – Neue Nutzungen, Größe verfügt Chemnitz noch über neue Partnerschaften zahlreiche Gebäude und Flächen, die für Umnutzungen geeignet sind. Brachliegende Industriehallen, Gewerbehöfe oder leerstehende Wohnhäuser können für Ateliers, Kreativhöfe und Veranstaltungsorte wie auch als attraktive Ansiedlungsorte für Start-Ups, Kreativwirtschaft, Gewerbe oder Industrie 4.0. ertüchtigt werden. Die Chemnitzer Kunst- und Kreativszene, wie auch einzuladende Kulturschaffende haben stets Bedarf an adäquaten Räumlichkeiten für ihre Projekte. Mit „Orte des AUFbruchs“ erschließt Chemnitz2025 das Potential seiner Brachen. Konkret umgesetzt wird das Vorhaben mit der ehemaligen Hartmannfabrik an der Chemnitz, die in einer zukunftsweisenden Public Private-Partnerschaft als

Kulturhauptstadt-Hauptquartier ertüchtigt wird und in der Folge als Hotspot für Zukunftsdenker, Co-Worker und innovative Unternehmen zur Verfügung steht. Mit dem Kreativhof „Die Stadtwirtschaft“ entsteht am Südhang des Sonnenbergs ein Modellprojekt der nachhaltigen Stadtentwicklung. Die kommunale Vision der Kulturstrategie – Gebt Raum! – nimmt hier in Form eines Gründerzentrums für die Kultur- und Kreativwirtschaft konkrete Gestalt an. Bis 2025 kommen weitere Orte mit innovativen Nutzungs-, Finanzund Betreiberkonzepten dazu, die zeigen, wie neues Arbeiten, Wohnen, Leben, Kunst- und Kulturschaffen in bestehenden Strukturen funktioniert. Die „Orte des AUFbruchs“ werden auch ein Thema für den KLUB2025.

Dirk Hanus

Öffentlicher Raum Im gestalteten öffentlichen Raum und öffentliche Plätze einer Stadt spiegeln sich die Dynamik einer Stadt und ihr Selbstverständnis. Plätze und öffentliche Räume prägen die Wahrnehmung des Stadtbildes und laden die Bürgerschaft zur Nutzung ein. Chemnitz2025 erobert sich die Plätze und den öffentlichen Raum von Chemnitz (zurück). Dies erfolgt im Rahmen von zwei Projektbausteinen: Der erste ist das Stadtteil-Projekt „Nimm Platz!“. Bürger sind eingeladen, öffentliche Plätze in der Stadt vorzuschlagen, die unbedingt besser genutzt oder einfach nur gut gestaltet werden sollten. Bis 2025 sollen so mindestens 25 neu- und umgestaltete Plätze für die Chemnitzer in den Stadtteilen entstehen. Der zweite Baustein umfasst die Gestaltung ausgewählter Stadtplätze bis 2025, die im Rahmen des Programmjahres 2025 auch künstlerisch bespielt und inszeniert werden.

59


Impressum

Bewerberin

Stadt Chemnitz, vertreten durch Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig Markt 1, 09111 Chemnitz, Germany

Lenkungsgruppe

Barbara Ludwig, Oberbürgermeisterin, Vorsitzende Ralph Burghart, Bürgermeister für Bildung, Soziales, Jugend, Kultur und Sport, stellv. Vorsitzender Dietmar Berger, Stadtrat Almut Patt, Stadträtin Dr. Alexander Haentjens, Stadtrat Ulf Kallscheidt, Stadtrat Thomas Lehmann, Stadtrat Ferenc Csák, Leiter des Kulturbetriebes der Stadt Chemnitz, Projektleiter Chemnitz2025 Katja Uhlemann, Leiterin des Bürgermeisteramtes der Stadt Chemnitz Börries Butenop, Leiter des Stadtplanungsamtes der Stadt Chemnitz Dr. Frédéric Bußmann, Generaldirektor „Kunstsammlungen Chemnitz“ Dr. Christoph Dittrich, Generalintendant Städtische Theater Chemnitz Sören Uhle, Geschäftsführer der Chemnitzer Wirtschafts- und Entwicklungsgesellschaft mbH Egmont Elschner, Vorsitzender des Kulturbeirats der Stadt Chemnitz Prof. Dr. Gerd Strohmeier, Rektor der Technischen Universität Chemnitz Gunnar Bertram, Präsident der Regionalversammlungen der IHK Chemnitz Dr. Micaela Schönherr, Präsidentin der NINERS Chemnitz e. V. Lisa Lotze, Festival »ArschKreativ« Dietmar Mothes, Ehrenpräsident der Handwerkskammer Chemnitz Frank Müller, Kreatives Chemnitz Gabi Reinhardt, Freie Theaterdramaturgin

Chemnitz2025

Programmrat

60

Ferenc Csák, Leiter des Kulturbetriebes der Stadt Chemnitz, Projektleitung Chemnitz2025, Vorsitzender Katrin Franz, Leiter Kulturförderung/Strategie im Kulturbetrieb Simone Becht, Programm-Management im Kulturbetrieb, Büroleitung Chemnitz2025 Prof. Dr. Christoph Fasbender, TU Chemnitz Prof. Dr. Bernadette Malinowski, TU Chemnitz Hergen Gräper, Verwaltungsdirektor Städtische Theater Chemnitz Sabrina Sadowska, Ballettdirektorin Städtische Theater Chemnitz Nancy Gibson, Leiterin Städtische Musikschule Chemnitz Boris Kaiser, Strategie und Kooperationen der Chemnitzer Wirtschafts- und Entwicklungsgesellschaft mbH Anna Galda, Stadt Chemnitz, Stabsstelle Strategieentwicklung, Morgenstadt Tobias Möller, Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit e. V. Mandy Knospe, Grafikerin, Kreatives Chemnitz e. V. Anja Richter, Kuratorin Gunzenhauser Museum Jan Kummer, Künstler Nadine Rothe, Künstlerin Ronny Seifert, Kulturakteur Guido Günther, Künstler Hanka Kliese, Mitglied des Landtags Horst Wehner, Mitglied des Landtags Janette Berndt, Geschäftsführerin des Stadtsportbundes

Chris Münster, Kulturbotschafter Samuel Harnisch, Kulturbotschafter Ute Lierath, Kulturbotschafterin Nicole Oeser, Kulturbotschafterin Stefan Tschök, Kulturbotschafter

Kuratorium

Dr. Ingrid Allwardt, kulturelle Bildung, IQult, Berlin Kolja Burgschuld, Regisseur, Kurator, Düsseldorf/ Wien Pia Leydolt-Fuchs, Beteiligungsformate, CaP.Cult, Marseille Anna Galda, Stadt Chemnitz, Stabsstelle Strategieentwicklung, Morgenstadt Mandy Knospe, Grafikerin, Kreatives Chemnitz e. V. Anja Richter, Kuratorin des Museums Gunzenhauser, Kunstsammlungen Chemnitz Sabrina Sadowska, Ballettdirektorin Städtische Theater Chemnitz Lucia Schaub, Projektmanagement, Chemnitzer Wirtschaft- und Entwicklungsgesellschaft mbH Christoph Thoma, Moderator des Kuratoriums, Culturelab e. U., Bludenz/Hamburg

Bewerbungsteam

Ferenc Csák, Projektleitung Anja Schubert, Verwaltungsleitung Simone Becht, Projektmanagement, Koordination des Kuratoriums und Büroleitung Eva-Maria Gräfer, Internationale Beziehungen Marc Schlegel, Projektmanagement Jenny Zichner, Kommunikation Julia Palarz, studentische Mitarbeiterin

Redaktion

Dr. Juliane Schwarz-Bierschenk, Chemnitz Christoph Thoma, Culturelab e. U., Bludenz/ Hamburg

Europäische Vernetzung und Bewerbungsimpulse

Philippe Arlaud, Regisseur, Lichtdesigner, Strassbourg Ib Christensen, former director of the Cultural Department in Århus Prof. Dr. Ulrich Fuchs, Linz09, MarseilleProvence 2013 Dr. Manfred Gaulhofer, Graz 2003 Dr. Elisabeth Leitner, Stadtplanerin/Architektin, FH Kärnten, Spittal an der Drau Dr. Simona Neumann, CEO, Timişoara 2021 Stephan Rabl, Regisseur, Wien Prof. Dr. Oliver Scheytt, Essen, Ruhr.2010 Ektor Tsatsoulis, Culture Manager, Athen, Kalamata 2021 Dorian Celcer, Koordinator Internationale Beziehungen, Rijeka20204 Thorsten Mayer, Principal Policy Officer, Culture, Manchester City Council Davor Buinjak, Bid Coordinator, Ljubljana 2025 Eija Oravuo, Executive Producer, Tampere 2026 Jaakko Laurila, Development Manager Culture and Leisure, City of Tampere Ewa Sobocińska, City Strategy Bureau, City of Łódź

Freundeskreis Chemnitz2025

Vorstandsmitglieder Egmont Elschner, Tobias Möller, Nancy Gibson, Hannah Zacher und Juliane Schwarz-Bierschenk sowie Robert Aszmann, Eva Martínez Gámez, Wulf Lakemeier, Grit Linke, Antonela Sakic, Florian Schönfeld, Barbara Seinschedt und Manuela Tschök-Engelhardt in Vertretung für 180 Mitglieder des Freundeskreises Chemnitz2025 e. V.

Lektorat

Prof. Dr. Bernadette Malinowski

Artwork & Layout

zebra© | group GmbH Kaßbergstraße 35, 09112 Chemnitz, Germany

Druck

Druckerei Willy Gröer GmbH & Co. KG Kalkstraße 2, 09116 Chemnitz, Germany

Buchbinderei

Cornelia Ahnert Obere Hauptstraße 41, 09244 Lichtenau, Germany

Links

www.chemnitz2025.de Facebook: facebook.com/chemnitz2025khs Instagram: instagram.com/chemnitz2025 Twitter: twitter.com/chemnitz2025

Danksagung

Das Chemnitzer Kulturhauptstadtbüro 2025 bedankt sich bei Allen, die uns in den letzten drei Jahren unterstützt und bei der Erstellung des Bid Books mitgewirkt haben. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Bid Book in der Regel das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten selbstverständlich für alle Geschlechter.


Balkon als Bühne, Hochhaus als Theater: Gemeinsam mit den Einwohnern einer typischen Chemnitzer „Platte“ entstand 2013 unter der Regie von Chemnitz2025 Gabi Reinhardt das „Balkonballett“. Aus Mietern wurden Schauspieler, Geschichtenerzähler, Musiker – und noch bessere Nachbarn.

Franziska Kurz

6 Umsetzungsfähigkeit

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Cover / Back cover: Dirk Hanus / Tiia Monto

Junge Kunst im „Rausch“: Unter diesem Motto fand das Kunst- und Kulturfestival Begehungen 2019 in der ehemaligen Braustolz-Brauerei statt.


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