Eine Prise Gesundheit - A. Vogel

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Über die einzelnen gewürze

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Eine Prise Gesundheit

Werk schrieb: „Nach dem Jahr 1500 konnte man in Calicut keinen Pfeffer mehr bekommen, der nicht von Blut rot gefärbt wäre.“ In Wirklichkeit hatten die Portugiesen nur das Glück, dass der Handel im Osten schon so geregelt und routiniert war, dass die arabischen und anderen Händler keinen Einfall solcher Barbaren erwarteten und daher nicht bewaffnet waren. Der Wohlstand von Calicut und anderen Hafenstädten basierte durch die Jahrhunderte hindurch auf dem freien Handel und der gegenseitigen Achtung der Händler aus den verschiedensten Ländern der Erde. Nicht im Traum dachten sie daran, dass sich irgendwo in Europa zwei Länder abgesprochen haben könnten, die Welt unter sich aufzuteilen und dass die Malabarküste mit Genehmigung des Vatikans von diesem Zeitpunkt an portugiesisches Eigentum war. Die Portugiesen forderten von den lokalen Machthabern des Hafens Calicut, alle Muslime umgehend aus der Stadt zu vertreiben, was die Einheimischen natürlich ablehnten. Daraufhin kaperten die Portugiesen ein muslimisches Schiff, was zu einem Kampf führte, in dem auch die Portugiesen Federn lassen mussten. Die Geschichte ging dann ganz ähnlich weiter wie nach dem Attentat in Marseille, dem Angriff auf Pearl Harbour und den Anschlägen auf das World Trade Center in New York. Der im Voraus geplante Krieg erhielt ein Alibi. Die Portugiesen versenkten mit Kanonen die Schiffe der anderen Händler und die Muslime verbrannten ihre Gegner bei lebendigem Leibe oder hängten sie an Masten auf. Das gleiche Spiel fand auch in den anderen Hafenstädten der Malabarküste statt. Das war das Ende der bis dahin freien Schifffahrt und der Indische Ozean wurde zum „portugiesischen Meer“. Alle Konkurrenten mussten den Portugiesen Steuern zahlen, denn sonst wurden sie mit Kanonen von den Handelswegen vertrieben. Der portugiesische König Manuel wurde deshalb „König der Händler“ genannt.

Natürlich folgt auf jede Aktion auch eine Reaktion; so erholten sich die Venezianer schnell vom ersten Angriff und ließen den Handel auf dem Landweg wieder aufleben. Die Überwachung des Handels kam die Portugiesen immer teurer zu stehen, es gab immer mehr Korruption und auch die Piraten witterten ihre Gelegenheit. Das führte dazu, dass die Gewinne der portugiesischen Dynastie zusehends schrumpften. Schon im Jahr 1560 war Alexandria wieder Handelshauptstadt der Gewürze, denn die begehrte Ware kam auf dem Landweg mit niedrigeren Transportkosten nach Westen, als auf den portugiesischen Schiffen über den Seeweg. Inzwischen waren auch Unternehmen aus den Niederlanden und aus England mit von der Partie. Je stärker der Pfefferpreis sank, desto weiter verbreitete sich seine Anwendung. Von 1200 bis 1400 fiel der Preis um die Hälfte, das heißt, ein Handwerker konnte an einem Tag genug Geld verdienen, um 200 Gramm Pfeffer zu erstehen. Neben dem Adel und der Kirche war der Pfeffer nun auch einer immer größeren Anzahl von gewöhnlichen Bürgern zugänglich. So kam er in die Haushalte der Handwerksmeister, der Händler, größerer Bauern und der damaligen Gelehrten. In der Geschichte der Gewürze ist Pfeffer das einzige Gewürz aus dem Osten, das schon vor unserer Zeit auch für die einfachen Menschen erschwinglich war. Er entwickelte sich von einer Luxusware zum „teureren Lebensmittel“. Da es sich hier um eine wichtige soziale Frage handelte, engagierten sich sogar die Machthaber dafür, zu hohe Pfefferpreise zu verhindern. So legte der englische König auf Anregung des Parlaments hin den Pfefferpreis auf 20 Silbermünzen pro Pfund fest, damit er auch der breiten Masse zugänglich blieb. Als im Jahr 1545 das Schiff Mary Rose unterging, fand man bei den meisten ertrunkenen Seeleuten ein Säckchen mit Pfeffer um ihren Hals. Obwohl ihr Lohn nur 7 Silbermünzen pro Woche betrug,


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