Herdern Magazin

Page 34

PORTRAIT

Wolfgang Frerich ist nach dem Gewaltakt berufsunfähig. Seine Lebensgefährtin Ruth Britsch, die seit drei Jahrzehnten einen eigenen Salon in der Richard-Wagner-Straße führt, hat deshalb seinen Friseuralon in der Habsburgerstraße übernommen. Foto: Michael Zäh

mit zwei Veilchen, das Blut schießt und der ganze Boden ist voll damit. Da ist man erst mal im Schock“, erzählt Ruth Britsch. Inzwischen ist der Schock der Tatkraft gewichen. Notgedrungen, weil sonst nicht nur Wolfgang Frerichs Gesundheit, sondern auch seine Existenz irreparabel geschädigt worden wäre. Dank Ruth Britsch ist zumindest seine Existenz nur halbwegs irreparabel geschädigt. Wie bekommen die beiden es hin, relativ nüchtern und unsentimental auf die materiellen und immateriellen Folgen der brutalen Tat zu schauen? Erwerbsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit nebst Schulden bei Finanzamt, Krankenkassen und den unterhaltsberechtigten Kindern (zu denen der Kontakt – wohl infolge der Gewalttat

„In so einem Fall ist ein Mensch nach drei, vier Monaten am Boden: Miete, Unterhalt – alles bricht zusammen.“ Ruth Britsch

– abgerissen ist), außerdem Verlust des Friseursalons, Verlust der Fahrfähigkeit, Verlust des Sehvermögens (auf dem linken Auge sieht Wolfgang Frerich nur noch 40 Prozent und die dafür doppelt), Gedächtnisverlust, Dauerkopfschmerz, psychische Beeinträchtigungen und all die anderen Nebenwirkungen der Zivilcourage vom 6. Februar 2015 sind nicht unbedingt Peanuts. „Ich lache öfters“, sagt Wolfgang Frerich. Sein Psychologe hat ihm geraten, die Folgen der Tat einfach zu akzeptieren. Wenn Sie es nicht akzeptieren, machen Sie sich selber fertig. Dann kommt die Depression. „Und da ich so eigentlich gar kein depressiver Mensch bin, habe ich beschlossen, das so hinzunehmen und über mich teilweise auch zu lachen.“

©Foto: Michael Zäh

Das ist passiert:

34 | Freiburg Herdern Stadtteilmagazin

Friseurmeister Wolfgang Frerich, 62, steht in seinem Salon in der Habsburgerstraße, als am 6. Februar 2015 eine junge Frau hereinstürzt und um Hilfe bittet. Ein Mann habe sie sexuell angefasst, überall, und sei zudringlich geworden. Wolfgang Frerich, der einst bei der Bundeswehr in Selbstverteidigung ausgebildet wurde, will der jungen Frau helfen und sie nach Hause bringen. Zu zweit treten sie auf die Straße, vorbei an dem polizeibekannten Aggressor,

der inzwischen an einem Tisch vor der Bäckerei sitzt. Frerich, der den in Herdern wohnhaften Mann vom Sehen kennt, geht zügig und kommentarlos mit der jungen Frau an ihm vorbei, zieht sein Smartphone aus der Tasche und ruft die Polizei. In diesem Moment schlägt ihn der Mann nieder. Blutüberströmt findet Frerich zurück in den Salon. Seine Freundin Ruth Britsch ruft den Notarzt. Wolfgang Frerich wird ins St.-Josefs-Krankenhaus und anschließend in die

Uniklinik gebracht. Zwei Tage Intensivstation, zehn Tage Krankenhaus, 14 Wochen Rehaklinik. Und – bis jetzt – 13 Monate Kampf um Versicherungsleistungen. Wolfgang Frerich ist schwerbehindert und erwerbsunfähig. Der Täter, der schon vor der Tat qua Gutachten als gefährlich eingestuft worden war und fast vierzig Polizeieinsätze in Herdern ausgelöst hatte, ist in der Klinik für forensische Psychiatrie in Emmendingen untergebracht.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.