Geleitworte
© Stadt Wien/PID, David Bohmann
„Wo der Gedanke rascher als die Hand ist, braucht der Dichter die Stenografie, um ihn einzufangen.“ (Franz Theodor Csokor) Dieser Satz bringt es auf den Punkt. Und er begründet auch jenes große Interesse, das die Schreibkunst Stenografie begleitete. Es wurden zahlreiche Systeme für die schnelle Erfassung von Gesprochenem erdacht. Als Vater der bei uns gebräuchlichen Einheitskurzschrift gilt Franz Xaver Gabelsberger. Und der in Wien lebende Karl Faulmann, dem im 4. Bezirk heute eine Gasse gewidmet ist, gilt als Erfinder der „phonetischen Stenografie“, die der modernen Einheitskurzschrift zugrunde liegt.
1924 erarbeitete eine Expertenkommission mit der „Deutschen Einheitskurzschrift“ eine einheitliche Regelung der Systeme. Auf Grund zahlreicher Änderungswünsche wurde ein „SachverständigenAusschuss für Kurzschriftfragen“ eingesetzt. Dieser Ausschuss legte nach Sitzungen in Bonn und Wien 1936 den „Wiener Entwurf“ vor, der die Gliederung in Verkehrsschrift und Schnellschrift (Eil- und Redeschrift) und vor allem Erleichterungen der täglichen Praxis vorsah. Dieser Entwurf wurde am 20. Juni 1968 nach Einigung der Kultusminister der deutschen Bundesländer in einem gemeinsamen Ministerialblatt „Kulturelle Angelegenheiten des Bundes“ als WIENER URKUNDE veröffentlicht. Die Druckvorlage wurde in Wien autographiert. Die „Wiener Urkunde“, die als Brücke der deutschsprachigen Länder bezeichnet wurde, trat mit 1. August 1968 in Kraft. Dieses Bundesgesetzblatt gilt noch heute. Es freut mich sehr, dass aus Anlass des 50 Jahres-Jubiläums der Wiener Urkunde mit dem Wiener Rathaus ein würdiger Rahmen geboten werden kann. Gleichzeitig bietet es Gelegenheit, um gerade auch in Zeiten der Digitalisierung diese ganz besondere Schreibkunst nicht vergessen zu lassen. Denn die Verbindung der Stenografie mit Wien und dem Wiener Rathaus war auch immer schon eine ganz besondere. So sammelten sich etwa auch zu Beginn des Jahres 1951 einige begeisterte Stenografen in unserer Stadt und gründeten unter Leitung von Hofrat Zorn – einem Vertreter des Magistrats der Stadt Wien – die gemeinnützige Fachorganisation „ÖSTV Österreichischer Stenografenverband“, die sich seither für die Belange der Stenografie, des Maschinschreibens und der Bürotechnik in Österreich einsetzt. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit auch beim Österreichischen Verband für Stenografie und Textverarbeitung bedanken, der das Interesse an der Stenografie wachhält und sich mit all seinen ehrenamtlichen Mitgliedern für die Pflege und Verbreitung des Schreibens einsetzt.
Dr. Michael Ludwig Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien
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Fachtagung: „50 Jahre Wiener Urkunde“ im Wiener Rathaus
Internationale Fachtagung „50 Jahre Wiener Urkunde“ veranstaltet vom Österreichischen Verband für Stenografie und Textverarbeitung (ÖSTV), Wien in Kooperation mit der Forschungs- und Ausbildungsstätte für Kurzschrift und Textverarbeitung E. V. (FAKT), Bayreuth
Die Veranstaltung wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von
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Programm vom 27. & 28. Oktober 2018
PROGRAMM ZUR FACHTAGUNG "50 Jahre Wiener Urkunde" 27. & 28. Oktober 2018, Wiener Rathaus
Begrüßungsworte Rudolf Hundstorfer, Bundesminister a. D. Danny Devriendt (INTERSTENO), Marlis Kulb (ÖSTV), Boris Neubauer (FAKT) Vorträge Boris Neubauer Der Weg zur Wiener Urkunde der Deutschen Einheitskurzschrift Anita Dobos / Bernadette Berencsine Kurzschrift in Ungarn - von 1968 bis in die Gegenwart Carl Johan Pettersson Graphic shorthand in Sweden Ludmila Nováková Stenografie in der Tschechischen Republik Nora Berezhina / Olga Kotenko Review of 50 years of shorthand history in Russia Virgine Biggers 50 Jahre Stenografie in Amerika (USA) Rosmarie Koller-Keller Entwicklung der Stenografie in der Schweiz seit 1968 Tsuguo Kaneko Graphic shorthand history in Japan Brigitte Biwald 50 Jahre Wiener Urkunde in Österreich Detlef Peitz Stenografische Entwicklung in Deutschland seit der Wiener Urkunde Erich Schmid Die Entwicklung der Blindenstenografie im 20. Jahrhundert FAKT Was geschah in anderen Ländern? Fazit und Ausblick
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Schirmherr der Veranstaltung: Rudolf Hundstorfer
Rudolf Hundstorfer, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz a. D.
Grußworte am 27. Oktober 2018
Einen wunderschönen guten Morgen hier im Wiener Rathaus and a very warm welcome to our guests from the different nations of this world! Ich höre gerade, ich spreche zu schnell; es sind aber einige unter Ihnen, die mich profimäßig stenografiert haben, sowohl im Wiener Gemeinderat als auch im Nationalrat und auch bei anderen Möglichkeiten. Ich darf mit etwas Ungewöhnlichem beginnen, was aber zu der ganzen Veranstaltung und zum Thema passt, mit einem Gedicht von Eugen Roth: Schon Tiro war ein Schreibersklav, Der allererste Stenograph. Er hat mit den Tironischen Noten Die frühste Kurzschrift uns geboten. Die Mönche ließen zu dem Zweck Der Kürzung halbe Wörter weg. Der Text war ihnen nicht mehr heilig – Sogar im Kloster hatt‘ man‘s eilig. Jedoch, wie rasch auch einer schrieb, Gesprochnes Wort viel schneller blieb.
Erst Gabelsberger kam in Gunst Mit seiner Redezeichenkunst. Die wollten noch verbessern zwei, Der Stolze nämlich und der Schrey. Doch statt zu machen es bequemer, Verwirrten sie nur die Systemer. Auch kam dann, zu der Ältern Ärger, Noch eine neue Gabelsberger – Bis endlich sich, zu guter Letzt, Die Einheitskurzschrift durchgesetzt.
Ich glaube, dieses Gedicht von Eugen Roth zeigt die ganze Geschichte in einer sehr kompakten Form. Wie ich dem Programm entnehmen kann und auch weiß, werden Sie heute alles über die Geschichte der Stenografie noch viel ausführlicher und viel wissenschaftlicher beleuchtet bekommen. Sie gestatten mir auch ein paar persönliche Worte. Frau Kulb und ich haben eine gemeinsame Geschichte; das ist die Geschichte des Österreichischen Stenografenverbandes. Ich habe auch eine Lebensgeschichte: Ich habe vor 52 Jahren hier in diesem Haus einen Stock tiefer als Lehrling begonnen, als Bürokaufmannslehrling, und hatte das Vergnügen, im Rahmen dieser Lehrzeit auch sechs Monate beim damaligen Präsidenten des Stenografenverbandes im Vorzimmer sitzen zu dürfen, bei einem gewissen Herrn Hofrat Zorn. Das Problem, das wir hatten, war kein Altersproblem – ich jung, er alt –, sondern das Problem war die Stenografie. Denn ich habe es gewagt, in allen drei Lehrjahren, die man als Lehrling in Österreich hat, im Halbjahreszeugnis in Stenografie die Note „nicht genügend“ zu haben. Dies war natürlich etwas sehr Belastendes für unser gemeinsames Verhältnis. Ich wurde aus diesem Vorzimmer entfernt und musste dann in anderen Teilen der Stadt weitermachen. Aber es hat mir nicht geschadet. Im Abschlusszeugnis werden Sie eine Note „Drei“ finden. Im Maschinenschreiben habe ich sogar Lehrlingswettbewerbe gewonnen, aber in der Stenografie war ich daneben.
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Grußworte zur Eröffnung der Fachtagung
Spaß beiseite, das ist unsere gemeinsame Geschichte. Denn Frau Kulb kannte noch Herrn Hofrat Zorn, und demzufolge war das immer eine gewisse Verbindung. Aber ich möchte auch Danke sagen für das, was Sie tun oder getan haben, wissend, dass technologische Veränderungen wie die Digitalisierung massivst voranschreiten, und wissend, dass heute viele Menschen, vor allem jüngere Menschen, gar nichts mehr mit Stenografie anfangen können, auch wissend, dass zum Beispiel bei politischen Gremien, bei denen früher alles stenografiert wurde, heute de facto nur mehr der Zwischenruf stenografiert wird und das Protokoll noch einmal überarbeitet wird, und auch wissend, dass viele Schulen Stenografie gar nicht mehr anbieten. Das ist der Zug der Zeit. Ich weiß auch, dass der Stenografenverband eine Veränderung durchmacht. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, weil Sie in den letzten Jahrzehnten wahnsinnig viel für diesen Stenografenverband getan haben. Ich hoffe, dass die Nachfolgekonstruktion, die ins Auge gefasst ist oder die quasi noch da ist, das Thema weiterleben lassen wird. Ich bin kein Nostalgiker. Ich weiß, dass Zukunftsveränderungen manchmal sehr, sehr brutal sind, manchmal sehr schwierig zu gestalten sind; das ist ganz klar. Aber wie uns die Geschichte lehrt, gibt es bei gewissen Dingen auch Renaissancen. Ich kenne einige Menschen, die sehr wohl heute noch stenografieren, weil sie ein Kurzprotokoll haben wollen oder weil sie sich ganz einfach Gedanken aufzeichnen wollen. Das iPhone macht zwar vieles, das iPhone ermöglicht vieles, Textautomaten ermöglichen vieles, aber sich hier und da einen Gedanken kurz aufzuzeichnen, schadet nicht. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Fachtagung und möchte mich noch einmal bei Ihnen bedanken, dass Sie das so arrangieren konnten. Keine Frage: Man braucht immer ein Team, man braucht immer Partner, man braucht immer die Gemeinsamkeit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute. Nachdem ich ein ehemaliger Wiener Kommunalpolitiker bin: Sie wissen, die Stadt Wien hat 365 Tage im Jahr offen. Sie sind immer herzlich willkommen. Wir können nur nicht Ihre Hotelrechnungen bezahlen.
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Internationale Teilnehmende bei „50 Jahre Wiener Urkunde“
Internationale Fachtagung „50 Jahre Wiener Urkunde“ 27. & 28. Oktober 2018 - Wiener Rathaus, Wappensaal
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Grußworte zur Eröffnung der Fachtagung
Danny Devriendt, Generalsekretär der INTERSTENO
Grußworte am 27. Oktober 2018
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde! Ich begrüße Sie im Namen der INTERSTENO recht herzlich bei diesem Feiertreffen anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Wiener Urkunde. Die Internationale Föderation für Informations- und Kommunikationsverarbeitung unterstützt sehr gerne diese Veranstaltung mit einer eindrucksvollen Liste von internationalen Sprechern. Das Ehepaar Kulb macht Wien zum x-ten Mal zum Mittelpunkt der Welt von Kurzschrift und Tastaturschreiben. Die Forschungsstätte Bayreuth unter Leitung von Prof. Dr. Boris Neubauer und die ganze Familie Neubauer bürgen mit der Auswahl der Sprecher für die hohe Qualität dieses Treffens. Ich komme am Ende dieser Veranstaltung noch einmal zu Ihnen zurück. Im Moment gratuliere ich schon allen Mitarbeitern, die aus diesen zwei Tagen eine sehr interessante, großartige Veranstaltung machen werden. Guten Erfolg und viel Spaß!
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Boris Neubauer
Boris Neubauer
Der Weg zur Wiener Urkunde - Ăœber die schwierige Einigung innerhalb eines Einigungssystems
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Anita Dobos / Bernadette Berencsine
Anita Dobos / Bernadette Berencsine
Kurzschrift in Ungarn - von 1968 bis in die Gegenwart
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Carl Johan Pettersson
Carl Johan Pettersson
Graphic shorthand in Sweden - A history with an emphasis on the period after 1968
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Ludmila Novรกkovรก
Ludmila Novรกkovรก
Stenografie in der Tschechischen Republik
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Mittagsbuffet im Rathaus
MITTAGSBUFFET auf Einladung der Stadt Wien
Guten Appetit!
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Guten Appetit!
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Nora Berezhina / Olga Kotenko
Nora Berezhina / Olga Kotenko
Review of 50 years of shorthand history in Russia
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Virgine Biggers
Virgine Biggers
50 Jahre Stenografie in Amerika (USA)
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Rosmarie Koller-Keller
Rosmarie Koller-Keller
Entwicklung der Stenografie in der Schweiz seit 1968
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Tsuguo Kaneko // Brigitte Biwald
Tsuguo Kaneko
Graphic Shorthand History in Japan
Brigitte Biwald
50 Jahre Wiener Urkunde in Ă–sterreich
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Sieger*innen beim Steno-Bewerb
GEMEINSAMES ABENDESSEN - mit Sieger*innen-Ehrung zum Steno-Bewerb
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Abendessen & Ehrungen
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Detlef Peitz
Detlef Peitz
Stenografische Entwicklung in Deutschland seit der Wiener Urkunde
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Erich Schmid
Erich Schmid
Die Entwicklung der Blindenstenografie im 20. Jahrhundert
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Forschungsstätte Bayreuth (FAKT)
Forschungsstätte Bayreuth (FAKT)
Was geschah in anderen Ländern? Finnland – Bulgarien – Kroatien – Polen – Niederlande – Italien – Türkei – Brasilien – Spanien
Strukturwandel und Ausblick
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INTERSTENO
Ehrung durch INTERSTENO „Wiener Urkunde“ 2018
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„50 Jahre Wiener Urkunde“ – Blitzlichter
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Weitere EindrĂźcke & Blitzlichter
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