herbst. THEORIE ZUR PRAXIS 2016

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die nur mehr für TV-Serien arbeiten dürfen, nicht anders als bei deutschen Filmemachern, die irgendwann ans Theater gehen, oder eben Kiarostami, der irgendwo in der Toskana oder Japan die Bodenhaftung verlor. Apichatpong Weerasethakul, geb. 1970 in

AM RAND

Bangkok, arbeitet vorwiegend als Filmregisseur und Drehbuchautor. Durch das Aufbrechen klassischer

Apichatpong Weerasethakul fühlt sich in der Peripherie der Kulturindustrie durchaus wohl. Unablässig arbeitet er weiter, meistens mit Laiendarstellern, fast wie in einem Tagebuch, in dem sich dokumentarische Aufzeichnungen mit Traumbeschreibungen überlappen. Und wenn man hört, wie er in Thailand Kino wahrnimmt, dann klingt das wie eine ins Extrem getriebene Zusammenfassung der Probleme, die wir alle mit der Wahrnehmung und Verfügbarkeit von Kino gerade haben. „Ich sehe in Thailand kaum Filme. Man findet schlicht kein Kino, in dem gute Filme gezeigt werden. Ich sehe im nächsten Kino downtown maximal Hollywood-Filme. Meine eigenen Filme werden vor allem in Form von Raubkopien vertrieben. Also arbeite ich an meinen eigenen Sachen. Oder ich lese über Kino. Gut, wenn ich auf einem Festival bin, versuche ich, was zu sehen. Aber das ist eher der Ausnahmezustand.“ Die Rede vom Niedergang des Kinos weist er übrigens mit einem milden Lächeln von sich. „Verfall in einem romantischen Sinne – das gefällt mir. Aber das Kino ist viel zu jung, um wirklich zu sterben. Wenn, dann stirbt es bestenfalls, um wiedergeboren zu werden. Etwas anderes würde die Natur nicht zulassen.“

Erzählstrukturen sowie die Auseinandersetzung mit Themen wie Erinnerung, Politik und Soziologie in seinen Filmen wurde Weerasethakul zu einem der bekanntesten und meistprämierten Regisseure Asiens. Seine Installationen, die er als bildender Künstler schuf, waren u. a. im Zuge der dOCUMENTA (13) und an der Tate Gallery zu sehen. Im steirischen herbst zeigt er seinen neuesten Film „Cemetery of Splendour“ und – erstmals im deutschsprachigen Raum – seine erste Bühnenarbeit „Fever Room“. Claus Philipp, geb. 1966 in Wels, leitete das Kulturressort der Tageszeitung Der Standard und ist seit 2007 für das Programm des Kinos und Filmverleihs Stadtkino Wien verantwortlich.

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