Leseprobe Krisenkommunikation

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Wie man Pleite kommuniziert

2.2 Wie man Pleite kommuniziert

Von Heiko Kretschmer

In den letzten Jahren haben sich in Deutschland zunehmend Standards der Krisenkommunikation etabliert. Sie reichen von Verhaltensregeln im Krisenfall über vorbereitende Trainings für den Krisenfall bis zur Beobachtung bestimmter Krisenthemen und kritischer Stakeholder, meist ergänzt um Sprachregelungen für den Krisenfall. Viele Unternehmen und Institutionen haben sich seit 1995, als die Brent-Spar-Krise die Unternehmenswelt aufschreckte und erstmals breit für das Thema Krisenprävention sensibilisierte, systematisch mit ihrer Krisenkommunikation auseinander gesetzt. Inwieweit diese Grundregeln in der angewandten Praxis allerdings funktionieren, steht auf einem anderen Blatt. Ob sie im Falle eines Falles zur Anwendung kommen, hängt zumeist von der Gesamtlage ab. Sehr oft sind Krisen in Unternehmen eben gerade nicht von kommunikativen Fragestellungen dominiert. Die Sicht der Juristen oder auch der Techniker bestimmt die Betrachtungsweise. Die Sorge, durch eine offene oder auch selbstkritische Kommunikationspolitik die eigene rechtliche Situation zu schwächen, ist allgegenwärtig. Dieser Beitrag soll aber nicht der Ort sein, an dem diese unterschiedlichen Sichtweisen gegeneinander abgewogen werden oder an dem die zahlreichen Beispiele aufgeführt werden, in denen schlechte Kommunikation die Krise gravierend verschärft, vergrößert und zu einem unternehmerischen Problem hat werden lassen. Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass sich vermutlich ebenso viele Fälle finden lassen, in denen eine restriktive Kommunikation am Ende nicht Krisen verschärfend gewirkt hat. Es gilt hier eben die alte Weisheit, dass jede Krise individuell ist. In einem Fall kann restriktives Verhalten helfen, eine Krise aus den Medien zu halten. Im anderen Fall ist restriktives Verhalten der Anlass für einen Shitstorm im Internet und in den Medien. Es erscheint daher sinnvoll, Abkehr von der „generellen“ Krisenbetrachtung zu nehmen und viel stärker spezielle Krisensituationen zu erörtern. Eine solche spezielle Krisensituation tritt ein, wenn ein Unternehmen insolvenzgefährdet ist oder sich gar in der Insolvenz befindet. Beides ist bislang in der Literatur kaum beschrieben worden. Dabei ist die Vorinsolvenzphase wie auch die Insolvenz selbst eine in hohem Maße verrechtlichte Situation, die zugleich gravierende kommunikative Herausforderungen zur Folge hat. 83


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