medianet 12.03.2021

Page 10

10  MARKETING & MEDIA

Freitag, 12. März 2021

medianet.at

„Entscheidungen werden durchwegs akzeptiert“ Die werbetreibende Wirtschaft agiere überdurchschnittlich verantwortungsvoll, sagt Michael Straberger, Präsident des Österreichischen Werberats.

medianet: Frau Stoidl, Herr Straberger, die aktuelle Bilanz zeigt unter anderem ein deutliches Minus der Stopp-Entscheidungen, also der Aufforderung, eine bestimmte Kampagne off Air zu nehmen. Wie interpretieren Sie diese Entwicklung? Michael Straberger: Für uns ist diese deutliche Reduktion von Stopp-Entscheidungen trotz einer gestiegenen Anzahl an Beschwerden ein durchaus erfreuliches Signal. Betrachten wir diese Tendenzen gemeinsam mit den Sujet-Rücknahmen (Anm.: 36, im Vergleich 2019: 21), können wir von einem überdurchschnittlich verantwor-

Bemerkungswert ist sicher auch, dass wir keine einzige Beschwerde in Bezug auf Influencer hatten – und das bereits seit Jahren. Michael Straberger Präsident Öster­ reichischer Werberat

tungsvollen Agieren innerhalb der werbetreibenden Wirtschaft sprechen. Gleichzeitig stärkt es das System der Selbstregulierung und hilft uns enorm bei unseren Bestrebungen, ­Werbeverboten entgegenzusteuern. medianet: Sie sprechen hier die hochkalorischen, aber dabei nährstoffarmen HFSS-Produkte im Umfeld von Kindersendungen in audiovisuellen Medien an?

und sichert unser effektives System noch besser ab. Zum angesprochenen Themenkreis der HFSS-Produkte haben wir in unglaublich schnellem Tempo bereits unseren Ethik-Kodex, entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, aktualisiert und somit sind wir auch in diesem Bereich wieder topaktuell aufgestellt. Stoidl: Darüber hinaus kommt uns gerade bei der Durchsetzbarkeit von Entscheidungen diese gesetzliche Grundlage auch sehr gelegen. Im Zuge der

© medianet/Katharina Schiffl

D

ie Beschwerdebilanz des Österr Werberats ist da. medianet bat anlässlich der Präsentation Michael Straberger, Präsident des Österreichischen Werberats, und Andrea Stoidl, ÖWRGeschäftsführerin, zum Talk.

Straberger: Genau. Im Begutachtungsprozess zur Umsetzung der EU-AVMD-Richtlinie in nationales Recht konnten wir, gemeinsam mit unseren Trägervereinsmitgliedern, die drohenden Werbeverbote nicht nur abwenden, sondern vielmehr noch hat unser System scheinbar überzeugt. So wurde seitens des Gesetzgebers ein deutliches Signal zur Stärkung der Selbstregulierung gesetzt. Dies spiegelt sich im novellierten KommAustria-Gesetz. Im Sinne der sich selbst regulierenden freien Marktwirtschaft unterstützt uns die Novelle enorm

Nachverfolgung von Stopp-Entscheidungen können wir nun wesentlich gezielter vorgehen. medianet: Was genau kann man sich darunter vorstellen? Stoidl: Auf Basis der Verordnung haben wir einen Sanktionskatalog erarbeitet, der vor allem eine Dokumentationspflicht für Unternehmen vorsieht. Dazu kommt eine proaktive Veröffentlichung von Stopp-Entscheidungen durch den Werberat, insbesondere dann, wenn Unternehmen der ÖWR-Aufforderung für Kampagnenstopp oder Abänderung nicht nachkommen.

Sexistische Werbung ist bei großen, national agierenden Unternehmen kaum noch ein Thema. Andrea Stoidl Geschäftsführerin Österr. Werberat

medianet: Das heißt Naming & Shaming für WR-Verweigerer? Stoidl: Jein. Wir sehen das als absolut letztes Mittel. Aber es geht hier ja nicht um WerberatVerweigerer, sondern vielmehr um werbetreibende Unternehmen, die allgemein akzeptierte ethische und moralische Grundprinzipien der kommerziellen Kommunikation nicht anerkennen. In diesen Fällen können wir nun auf die breite Veröffentlichung zurückgreifen. In erster Linie verstehen wir uns aber auch weiterhin im Sinne unserer Sprachrohrfunktion in einer beratenden Funktion. Straberger: Richtig. Wir sind die erste Anlaufstelle für Unternehmen bei ethischen und moralischen Fragestellungen für deren kommerzielle Kommunikation. Die angesprochenen Sanktionen ermöglichen uns nun aber auch, die wenigen Selbstregulierungs-Verweigerer oder Wiederholungstäter zu erreichen, die sich in ihrer Abwehrhaltung wo­möglich selbst, aber auch der Werbewirtschaft insgesamt schaden.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
medianet 12.03.2021 by medianet - Issuu