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H E A LTH : C A R E

Freitag, 14. November 2014

healtheconomy – 23

Sozialversicherung 158.000 vor allem hochbetagte Patienten erhalten mehr als zehn verschiedene Arzneimittel – oft mit Wechselwirkungen

Kassen bremsen Polypharmazie

Wissenschaft I 15 Mio. €

Geld für Forscher Wien. Die Ludwig BoltzmannGesellschaft (LBG) baut den Gesundheitsbereich aus. Die vierte Ausschreibung der außeruniversitären Forschungsorganisation zur Gründung von Ludwig BoltzmannInstituten betrifft rein den Schwerpunkt „Health Sciences“. Insgesamt sollen für die neuen Institute 15 Mio. € zur Verfügung stehen. Die LBG betreibt derzeit 20 BoltzmannInstitute mit rund 550 Mitarbeitern in den Bereichen Humanmedizin und Lebenswissenschaften sowie Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Mit dem neuen Schwerpunkt „Gesundheitswissenschaften“ wolle man den „großen Herausforderungen demografischer Wandel und Gesundheit langfristig begegnen“, erklärte Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP).

Wissenschaft II Baxter

Kooperation

Krems. Das Pharma- und Biotechunternehmen Baxter und die IMC Fachhochschule Krems haben eine langfristige Kooperation im Forschungsbereich abgeschlossen. Das Land Niederösterreich wird dafür Räumlichkeiten in der Niederösterreichischen Gründeragentur (RIZ) Nord in Krems entsprechend adaptieren und ausstatten. Im Zuge der Kooperation wird ein eigenes Institut, das „Forschungsinstitut für Angewandte Bioanalytik und Wirkstoffentwicklung“, innerhalb der Fachhochschule Krems gegründet. „Unser Bundesland hat sich national und international als hochkarätiger Technologie- und Forschungsstandort etabliert“, hielt dazu Landesrätin Petra Bohuslav fest. Die Kooperation werde regional neue Arbeitsplätze im Hochtechnologiesektor schaffen und eröffnet damit den Biotech-Absolventen hervorragende Karrieremöglichkeiten. In der Biotech-Industrie werden gegenwärtig vielfach Forschungsbereiche an geeignete Institutionen ausgelagert“, betonte Birgit Reipert von Baxter. (iks)

Quote für Ärzte Die Krankenkassen haben nun mit Broschüren und Foldern für Patienten und Ärzte eine Informationskampagne aufgesetzt. Alle Allgemeinmediziner bekommen in nächster Zeit auch die erste Ausga-

gemeinmediziner sind aber nicht die Ursache – sie sollen helfen, das Problem in den Griff zu bekommen. Oft sind Arzneimittelverschreibungen nach Spitalsaufnahmen und nicht koordinierte Verschreibungen verschiedener Fachärzte die Ursache. Die Geriatrie-Spezialistin Regina Roller-Wirnsberger (MedUni Graz) wies darauf hin, dass es vor allem bei hochbetagten, multimorbiden Patienten darum gehe, ein Optimum an Lebensqualität zu erreichen – nicht um Beherrschung aller einzelnen Krankheitsbilder um jeden „Nebenwirkungspreis“.

Alte und chronisch kranke Menschen erhalten viele Medikamente gleichzeitig.

Talk mit IMS HEALTH OTC versus Online: Experte definiert Chancen und Risiken des Arzneimittelversandhandels

„Sich darauf einstellen und richtig partizipieren“

Rüdiger Klermund: „Erfolgsfaktoren sind breites Sortiment, Verfügbarkeit, Service und der Preis.“ Wien. Seit einigen Wochen ist es offiziell: Der Versandhandel mit rezeptfreien Arzneimitteln startet in Österreich Mitte 2015. Rüdiger Klermund, der u.a. den Pfizer OTC-Vertrieb für Österreich verantwortet, betreibt unter top-perfumes.at einen Onlineshop in Kombination mit einem Ladenlokal, kennt also beide Seiten – sowohl Versandhandel als auch OTC-Markt, wie er im IMSHEALTH-Talk verrät. IMS HEALTH: Herr Klermund, was erwartet uns Ihrer Meinung nach im Arzneimittelversandhandel? Rüdiger Klermund, CFO und geschäftsführender Gesellschafter der Topholding: Ich glaube, dass sich der Arzneimittelversandhandel mit der Zeit genauso entwickeln wird wie alle anderen Versandhandelsbranchen und denselben Weg beschreitet. Ein Grund wird die gebotene Convenience sein; das heißt, der Kunde kann bequem von zu Hause aus bestellen, was er möchte. Das Internet bietet Transparenz, alle Preise können genau verglichen werden. Sobald ich als Kunde weiß, was ich möchte, wird der Versandhandel zur ersten Shoppingdestination werden. IMS HEALTH: In Deutschland verlief die Entwicklung des Arzneimittelversandhandels ja folgendermaßen: Viele, auch kleine, Player haben begonnen, den Markt zu bearbeiten, übrig geblieben sind jedoch die Großen mit eigenen Logistikzentren und großhandelsartigen Strukturen. Sehen Sie die Entwicklung in Österreich ähnlich? Klermund: Wenn man sich nicht über eine Händlerplattform wie Amazon organisiert, bleiben am Ende nur die großen Player übrig, weil diese die besten Preise haben. Wir konnten bei allen Konsumgüterprodukten, die online verkauft werden, beobachten, dass der beste und günstigste Preis, mit unterstützt

eher die Stammkunden eines Arzneimittels, die online zugreifen werden. Etwas ganz Neues auszuprobieren, wird sich eher auf den Bereich beschränken, über den ich als Kunde öffentlich gar nicht sprechen möchte – etwa über erhöhte Schweißbildung, bei Haarausfall oder in anderen Fällen –, da informiere ich mich doch eher im Internet.

Rüdiger Klermund, CFO und geschäftsführender Gesellschafter der Topholding.

durch viele positive Kundenbewertungen, gewinnt – egal ob bei Düften, Laptops oder anderen technischen Produkten. Die großen Händler können wahrscheinlich über ihre Einkaufsmacht die besten Preise verhandeln und mit weniger Marge, aber größeren Volumina leben. IMS HEALTH: Was sehen Sie als die KPIs im Onlinegeschäft? Klermund: Erstens glaube ich, dass man ein breit gestreutes Sortiment benötigt, das 80 bis 90 Prozent des potenziellen Kundenstamms ansprechen kann; zweitens ist – wie oben angesprochen – der Preis wichtig, zudem die Verfügbarkeit der Ware sowie die Liefer- beziehungsweise Servicequalität, unterstützt durch positive Onlinebewertungen der Kunden; das sind für mich die wichtigsten Erfolgsfaktoren. IMS HEALTH: Denken Sie, dass manche Warengruppen besonders gut für den Arzneimittelversandhandel geeignet sind? Wenn ja, welche? Klermund: Ich denke, dass Warengruppen, die zum höherpreisigen

Segment gehören, eher versandhandelsgeeignet sind als andere. Wenn man ein Produkt hat, das zwei Euro kostet und das um 1,50 verkauft wird, ist das auch ein schöner prozentualer Discount. Ich glaube aber, dass erst ab einem gewissen Warenwert wie zum Beispiel bei einem Produkt um 22 statt 30 Euro die gefühlte Ersparnis zum Onlinekauf bewegt. IMS HEALTH: Wie sehen Sie das Wachstumspotenzial im Arzneimittelversandhandel? Klermund: Gerade bei den Arzneimitteln muss man schon sagen, dass manche Produkte beratungsintensiv sind. Bei Warengruppen wie Computer, Smartphones oder Bekleidung kann ich mich natürlich auch im Netz informieren, aber bei Arzneimitteln hat man doch mehr Respekt und vertraut der Beratung in der Apotheke. Deshalb glaube ich nicht an ein so schnelles Wachstum wie in anderen Bereichen, etwa dem Konsumgüterbereich. Aber der Arzneimittelversandhandel wird wachsen, denn sobald ich weiß, welches Arzneimittel mir hilft, kaufe ich es auch online ein. Es sind somit

IMS HEALTH: Derzeit steht die Industrie dem Onlinegeschäft eher mit gemischten Gefühlen gegenüber. Es ist für die Argumentation in der Apotheke nicht unbedingt förderlich, wenn das eigene Produkt auf der Titelseite des dm Katalogs zu finden ist. Denken Sie, dass sich in naher Zukunft analog zu Deutschland eigene Key Account-Strategien der OTCIndustrie entwickeln werden? Klermund: Wenn es sich um frei verkäufliche Produkte handelt, wird man sich seitens der OTCIndustrie nicht sehr lang dagegen wehren können. Mein Rat: sich darauf einstellen und partizipieren. Ist es vielleicht nicht positiv, wenn meine Marke und meine Produkte auch im Netz über Onlineshops präsent sind? Am Ende verdiene ich als Hersteller mit dem Produkt nicht weniger. IMS HEALTH: Wäre es aus Ihrer Sicht für die Industrie nicht sinnvoller, gleich in ein partnerschaftliches Verhältnis mit den Versandhandelsapotheken zu treten, als zuzuwarten? Klermund: Ich glaube, das wäre schwierig; die Apotheke ist ja noch immer ein selektiver Distributor. Die Apotheke und der Apothekengroßhandel sind die Kunden schlechthin. Und wenn man daran vorbeisteuert – ohne Apotheken und Großhandel im Boot zu haben –, glaube ich nicht, dass das als sehr gut angesehen wird. Markenschutz ist eminent wichtig, jede Marke und jedes Produkt hat einen gewissen Wert, und solange man diesen beschützen kann, sollte man das natürlich auch tun.

PROMOTION

Wien. Allzu viel ist ungesund. Das gilt auch für medikamentöse Therapien. Mit der Zahl der speziell für Mehrfachkranke und alte Menschen verschriebenen Wirkstoffe steigt das Interaktions- und Nebenwirkungsrisiko. „In Österreich haben in einem Quartal rund 700.000 Menschen mehr als fünf Wirkstoffe verschrieben bekommen; rund 158.000 Menschen bekommen mehr als zehn Wirkstoffe verordnet. In der ersten Gruppe sind 75% der Betroffenen älter als 60 Jahre, in der zweiten 80 Prozent in dieser Altersgruppe“, sagte Hauptverband-Generaldirektorstellvertreter Alexander Hagenauer bei einem Pressegespräch. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger will jetzt bei Patienten und Ärzten für mehr Problembewusstsein sorgen und startet eine Informationskampa-

be eines Briefs mit ihrer „persönlichen“ Polypharmazie-Quote, das bedeutet den Anteil ihrer Patienten mit mehr als zehn Wirkstoffverschreibungen. Diese Maßnahme soll laut dem Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK), Andreas Huss, und dem beratenden Arzt des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und Ärztlichen Leiter des Wiener Hanuschkrankenhauses, Klaus Klaushofer, nicht als Drohung oder Ankündigung von Kontrollen, sondern als Mittel dienen, einfach in der täglichen Praxis mehr Augenmerk auf das Problem zu legen. Die All-

gne. Edith Brandner von der Wiener Gebietskrankenkasse ergänzte die Zahlen mit einer Auswertung für die Versicherten in der Bundeshauptstadt: „Im zweiten Quartal dieses Jahres lag die Polypharmaziequote bei fünf Prozent.“ Das betraf unter den WGKK-Versicherten rund 21.000 Patienten.

© z.V.g.

Ina Schriebl

© Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger

Neue Kampagne soll helfen, Vielfachverschreibungen einzudämmen, sagt der Hauptverband.


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