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22 – healtheconomy
Kommentar
Selber schuld, kein Mitleid?
Freitag, 14. November 2014
Privatversicherungen Nahezu jeder Fünfte hat in Österreich eine private Zusatzkrankenversicherung
Versicherungen versuchen Vorsorge zu bewerben Prämienvolumen steigt. Versicherungen drängen Spitäler auf mehr Service und suchen neue Angebote.
Martin Rümmele
A
ufruhr herrscht derzeit in der Ärzteschaft und den Bundesländern. Die Umsetzung der EU-Arbeitszeit richtlinie mit einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit von 72 auf 48 Stunden lässt die Wogen hoch gehen. Die Ärzte fürchten Einkommensverluste, die Länder Mehrkosten von bis zu 200 Mio. Euro. Das Thema ist aber nicht neu und vieles deutet darauf hin, dass beide Seiten das Problem verschlafen oder auf die lange Bank geschoben haben. Stammt doch die Richtlinie, zu deren Umsetzung die EU nun Österreich zwingt, aus dem Jahr 2003! Während andere Länder das längst umgesetzt haben, wartete Österreich ab. Die Bundesländer sind einerseits Aufsichtsbehörde, andererseits als Spitalsträger auch Arbeitgeber. Da ist es leicht, ein Auge zuzudrücken. Also hat man die Grundgehälter niedrig angesetzt und mit Zulagen erhöht. Früher war das kein Problem: Nachtdienste waren ruhig, Ärzte verdienten ihr Geld quasi im Schlaf. Doch dann wurde beim Personal gespart und die Zahl der Jungärzte ging zurück. Heute ist bei einem Nachtdienst nicht mehr an Schlaf zu denken. Die Ärzte haben nicht wirklich auf Änderungen gedrängt. Und bei der Reform der Ausbildung wurde gebremst. Zu viele Ärzte könnten das Lohnniveau drücken, war die Sorge. Das kann sich nun rächen.
Wien. Beinahe jeder fünfte Mensch in Österreich verfügt über eine private Zusatzkrankenversicherung. Konkret gibt es mehr als eine Mio. Sonderklasseversicherte (rund 12% der Bevölkerung), eine weitere halbe Mio. (rund weitere 6%) verfügt über einen eingegrenzten Versicherungsschutz. Und der Markt wächst: Für 2013 weist die private Krankenversicherung ein Plus von 3,8 % mit einem Gesamtprämienvolumen von 1,8 Mrd. € auf, rechnet der Versicherungsverband vor. Eine Prognose für 2014 weist für die Krankenversicherung ein Wachstum von rund 2,9% auf Gesamtprämien von 1,9 Mrd. € aus.
Finanzbeitrag fürs System Innerhalb der Palette der verschiedenen Versicherungsprodukte zweigt sich, dass die Menschen nach wie vor zwei Bereiche interessieren – die freie Arztwahl mit flexiblerer Termingestaltung und die Sonderklasse im Spitalsbereich, sagt Branchensprecher und Uniqa Personenversicherungsvorstand Peter Eichler. Ähnlich sieht es Peter Kranz, Gruppenleiter Krankenversicherung in der Wiener Städtische Versicherung und VIG. Und er unterstreicht die Bedeutung der privaten Krankenversicherung für das Gesundheitswesen: „Wir leisten durch die Zahlungen im Spitalsbereich einen wichtigen Finanzierungsbeitrag fürs System.“ Allein die Ärztehonorare würden rund 600 Mio. € ausmachen; dazu kämen Zahlungen an die Spitäler. Kranz und Eichler fordern deshalb auch eine klare Besserstellung der Sonderklasseversicherten in den Spitälern, was die Hotelkomponente angehe. Kranz: „Wir
© panthermedia.net/Fabrice Michaudeau
Martin Rümmele
Privatpatienten sind auch gern gesehene Gäste in Wellnesshotels; Versicherungen bieten hier Bonusangebote an.
verfolgen die Ein-Zimmer-Strategie. In neuen und modernisierten Spitälern sind Zwei-Bett-Zimmer bereits Standard. Wenn die Krankenhäuser wollen, dass die Privatpatienten zu ihnen kommen, müssen sie mehr bieten. Das gilt auch für das Service. Ist das in der Sonderklasse besser, werden die Patienten auch für Routineeingriffe lieber in öffentliche Spitäler als in Private gehen.“ Bisher sei das aber aufgrund der Strukturen und Kostendrucks im Personalbereich kaum gegeben.
Vorsorge läuft schleppend Zuwächse gibt es für die Versicherungen auch im Bereich der Privatarzttarife. Auch hier würde die Termingestaltung eine zen-
trale Rolle spielen, sagt Eichler. Die Wiener Städtische sieht auch zusätzliche Angebote durch die Kostenübernahme von komplementärmedizinischen Leistungen als Motor für die stark wachsende Nachfrage bei Privatarzt-Tarifen; hier könnten sich auch die Ärzte unterscheiden. Eher sperrig entwickeln sind hingegen Produkte mit Vorsorgeangeboten, berichten die Versicherungen. Nahezu alle haben hier investiert und Angebote entwickelt, die Patienten zur Prävention motivieren sollen. „Wer gesund lebt, wird bei der Prämie für die Krankenversicherung belohnt“, sagte etwa Generali-Vorstand Arno Schuchter vor dem Sommer und kündigte Bonus-Programme ab 2015 an. Wer etwa regelmäßig
Sport treibt oder sich gesund ernährt, könnte dann für seine Krankenversicherung weniger Prämie zahlen müssen. Weitere Details, etwa, wie eine gesunde Lebensführung definiert und erfasst werden soll, stehen noch nicht fest. Nicht zuletzt diese Fragen dürften auch der Grund sein, warum die Nachfrage endenwollend ist. Gut gehen hingegen Prämienmodelle wie kostenlose Wellnessaufenthalte, die Versicherte alle zwei Jahre auswählen können. Man müsse auch jenen Versicherten etwas bieten, die vielleicht sonst keine Leistungen beziehen, erklärt Eichler. Deshalb haben alle Versicherungen Verträge mit Hotels. Eichler: „Wir sind einer der ganz großen Reisevermittler in Österreich.“
Statistik Zahl der Spitalsaufenthalte geht zurück
Krankenhäuser Qualitätsexperten fordern besseres Fehlermanagement in Spitälern
Weniger im Spital
Quality Austria: Fehler töten
Wien. Die Zahl der Spitalsaufenthalte in Österreich stagniert, deutlich zugenommen hat hingegen die Zahl der tagesklinischen Behandlungen. Das geht aus der Spitalsentlassungsstatistik der Statistik Austria hervor. Im Jahr 2013 wurden in den Krankenanstalten 2,8 Mio. Spitalsentlassungen verzeichnet, der überwiegende Teil (94,8%) in Akutkrankenanstalten. Seit 2009 ist die
Wien. Bei 5 bis 10% aller Krankenhausbehandlungen tritt ein unerwünschtes Ereignis wie eine allergische Reaktion auf Medikamente ein – knapp die Hälfte davon könnte vermieden werden, betonte kürzlich Günther Schreiber, Gesundheitsexperte bei Quality Austria, beim Beim 8. qualityaustria Gesundheitsforum. Bei einem von 100 Patienten wird tatsächlich ein Fehler gemacht, und pro Jahr kann
Zahl der Entlassungen in Akutkrankenanstalten um durchschnittlich 0,1% pro Jahr gesunken, nachdem zuvor über zwei Jahrzehnte im Durchschnitt ein jährlicher Anstieg von 2,5% zu beobachten war. Im Gegensatz dazu nahm die Zahl der tagesklinischen Aufenthalte, bei denen Aufnahme und Entlassung am selben Tag erfolgt, stark zu – zwischen 2009 und 2013 um 4,2% jährlich. Somit erfolgte 2013 jede fünfte Entlassung aus einer Akutkrankenanstalt in einer Tagesklinik. Besonders hoch war der Anteil an tagesklinischen Aufenthalten bei Augenerkrankungen (72,9%) und Krebserkrankungen (39,9%).
man, umgerechnet von einer deutschen Studie, rund 2.000 Todesfälle in Österreich auf Fehler im Krankenhaus zurückführen. „Die gesetzlichen Anforderungen und die Erwartungen der Patienten steigen, der Stand der Technik entwickelt sich weiter und der Wunsch nach Transparenz nimmt ebenso zu wie die Belastungen des Personals. Ebenso verändern sich die Hierarchiestrukturen in den
Die Zahl der Spitalsaufenthalte stagniert, tagesklinische Besuche nehmen zu.
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei stationären Aufenthalten stagniert seit dem Jahr 2009 bei 6,5 Tagen. Im Jahr 1989 waren die Österreicher noch durchschnittlich elf Tage lang in Akut-Krankenhäusern gelegen. Die Aufenthaltstage pro Kopf nahmen zwischen 1989 und 2013 von 2,3 auf 1,6 Tage ab. (iks)
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Immer kürzer im Spital
Allergische Reaktionen, Infektionen, Fehler fordern in Kliniken bis zu 2.000 Opfer.
Betrieben und die Anforderungen an Führungskräfte“, sagte Schreiber. Er stellte die Frage, ob die Managementsysteme mitwachsen und ob Lösungsansätze und -methoden von früher angesichts dieser zahlreichen Herausforderungen heute noch ausreichen. Als klare Antwort gab er darauf, dass Organisationen mittels eines Qualitätsmanagementsystems gesteuert und durch externe Organisationen überprüft werden müssen. „Wie Zahlen aus Deutschland belegen, schneiden zertifizierte Krankenhäuser im Vergleich zu nicht zertifizierten Betrieben besser ab.“ Beim Punkt steigende Anforderungen hakte auch Anni Koubek, zuständig für Innovation und Koordination bei Quality Austria, ein. Sie fragte, wie man die wachsende Kluft überbrücken kann, die sich aus steigenden Anforderungen bei gleichbleibenden oder schrumpfenden finanziellen und personellen Ressourcen ergibt; als Werkzeuge dafür stünden Standardisierung, fortlaufende Verbesserung und Innovation zur Verfügung, sagte sie. (iks)