Wohn!Design 4/2016

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Wie wichtig ist Familie für Sie? Daniel Libeskind: Sehr wichtig, ganz besonders deshalb, weil ich selbst ohne Familie großgeworden bin. Keine Onkels, keine Tanten … meine Eltern waren die einzigen Holocaust-Überlebenden der Familie. Daher ist der Begriff Familie für mich äußerst wertvoll geprägt und extrem wichtig. Was bedeutet demnach der Begriff Heimat für Sie? Der Ort an dem Sie wohnen? Daniel Libeskind: Eine wirkliche Heimat habe ich eigentlich nicht. Zurzeit wohne ich in New York, aber ich wohne auch in Mailand oder in Berlin, denn meine Kinder sind auf drei Länder verteilt. Auch in Israel oder Polen habe ich schon gelebt … Das ist für mich alles sehr variabel. Es ist albern zu denken, dass ein Punkt auf der Landkarte als Zuhause bezeichnet werden kann. Zuhause ist wo Liebe ist; wo Kommunikation stattfindet, wo etwas „Echtes“ ist, und keine Täuschung. Das lässt sich meiner Meinung nach nicht an Materiellem sondern eher am Spirit festmachen. Was verbirgt sich für Sie hinter aktuellen Trends? Und wer macht sie? Daniel Libeskind: Den Ausdruck Trend würde ich gar nicht unbedingt nutzen, das ist zwar vielleicht etwas für Design oder einfach ein populäres Wort. Ich würde es mehr als Tendenzen bezeichnen, Tendenzen in unserer Welt voll von Technologien. Um uns herum verändert sich sehr vieles ganz schnell. Und meine ganz eigene Tendenz ist der Versuch das Leben mehr zu genießen. So viele Menschen genießen ihr Leben nicht, weil sie zu viele Diskrepanzen erleben, es gibt so viele Probleme auf der Welt – aber wir müssen darüber hinaus blicken und schauen, was die Welt verbindet und einfach leben, sich dem Unglaublichen bewusst werden, was wir Leben nennen. Und nicht alles, was am Leben ist, lebt auch wirklich, genauso wie nicht alles, was tot ist, wirklich tot ist. Auch wenn das Leben hart ist, so war es doch noch nie einfach. Wir sind 18 Mal umgezogen, ohne Jobs oder Geld von Zuhause oder einem Bankkonto … Aber man stellt fest, dass die Welt immer wieder im Wandel ist und es gibt eine Menge Dinge, die es zu entdecken gilt. Wie wichtig war das Studium für Sie? Haben Sie dort das gelernt, was Sie nun brauchen? Daniel Libeskind: Das Studium war sehr wichtig für mich. Ich war so glücklich, die Möglichkeiten zu haben zur Schule gehen zu können und zu lernen. Der Kontakt zu bekannten Architekten wie etwa Richard Meier, hat mich in meinem fünfjährigen Studium stark geprägt. Es ist sehr wichtig, gute Lehrer oder sogar einen Mentor zu haben oder auch von anderen Studenten zu lernen. Das merke ich auch immer wieder in meiner Arbeit als Professor, es ist wirklich raffiniert, was ich alles von meinen Schülern lernen kann. Das macht mich sehr glücklich. Was ich nicht mag, sind Experten. Sie werden oft überschätzt, das sind Menschen, die denken sie wüssten schon alles. Wenn du ein Experte bist, hörst du auf zu denken. Wir haben genug Experten in

dieser Welt; Marketing-Experten; Design-Experten; wissen Sie, ich glaube nicht an diese Experten. Ihr Weg ist es also immer weiter zu lernen? Daniel Libeskind: Ich versuche immer naiv zu bleiben. Wie bei der Uhr, wie soll eine Uhr aussehen? Du musst immer offen sein. Wobei können Sie wirklich entspannen? Ihre Arbeit macht Ihnen Freude … Müssen Sie sich überhaupt davon erholen? Daniel Libeskind: Gute Frage. Wenn ich arbeite, arbeite ich nicht. Wenn ich nicht arbeite, arbeite ich. Heißt, wenn es so aussieht als würde ich arbeiten, mache ich gar nichts und wenn es so aussieht als tue ich eigentlich gar nichts, bin ich richtig am Schuften. Das ist verrückt. Doch genauso fühlt es sich für mich an. Gab es in den letzten Jahren ein favorisiertes Projekt? Daniel Libeskind: Für mich hat jedes Projekt gleich viel Bedeutung. Ob Bauprojekt oder Produktdesign: alle machen mir Freude. Ich mag die Abwechslung. Das erste Haus war etwas Besonderes, zuvor hatte ich nur Großprojekte, Museen und größer und dann habe ich festgestellt wie nett es ist ein Haus zu konzipieren. Dinge sind nicht besser, nur weil sie teurer sind. Was ist Ihr Rat an Ihre Studenten? Daniel Libeskind: Schlechter Rat ist schlecht, aber guter Rat ist tödlich! Das Einzige, was ich ihnen auf den Weg geben kann sind persönliche Erfahrungen und Gedanken: Glaube nicht immer alles, was die Leute zu dir sagen oder was man in der Zeitung und im Internet liest, gehe Risiken ein, mache verrückte Dinge. Gehe deinen eigenen Weg. Das ist um einiges interessanter, aber auch deutlich schwieriger als der großen Masse zu folgen. Vielleicht versuche ich es mit diesem: Wenn das Glück zu dir kommt, biete ihm einen bequemen Stuhl an! | ed

In Mailand war Daniel Libeskind mit insgesamt sieben Neuvorstellungen auf dem Salone vertreten. (Linke Seite) Die Wanduhr „Time Maze“ entstand für Alessi, Couch und Sessel gehören zur Serie „Gemma“ für Moroso und auch der skulpturale Radiator „Android“ für Antrax (oben) ist in den letzten Monaten in seinem Studio entstanden. Formsprache und Architektur scheinen sich also bestens zu ergänzen. Infos Seite 140. W!D 4/2016

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