We Need to Talk About Homelessness

Page 45

Finanzierung

Die Finanzierung beschreibt im Finanzsektor die Bereitstellung von Kapital an Wirtschaftssubjekte. Diese können private Haushalte, Unternehmen oder Staaten sein. Aufgrund der Vielfältigkeit der Wirtschaftssubjekte muss die Definition des Begriffs jedoch allgemein betrachten werden. Ihnen ist jedoch gemeinsam, dass der Kapitalbedarf zur Verfolgung ihrer jeweiligen Ziele durch die Finanzierung bereitgestellt wird. Der Begriff Finanzierung hat seinen Ursprung im lateinischen finantia, was Zahlung oder fällige Zahlung bedeutet. Finanzierungen lassen sich nach der Herkunft der Mittel – Außen- oder Innenfinanzierung – sowie nach der Rechtsform der Kapitalgeber – Eigenkapitalgeber oder Fremdkapitalgeber – unterscheiden. In Deutschland sind in der Regel die Kommunen für die Finanzierung von Obdachlosenunterkünften zuständig. Auch wenn für die Unterbringung ein Beitrag erhoben werden kann, ist dieser Unkostenbeitrag meist symbolisch und die Einrichtungen können nicht allein mit diesen Einnahmen betrieben werden. Viele Einrichtungen werden daher oft zusätzlich durch religiöse Organisationen oder Spenden finanziell unterstützt. Wohnungslose Menschen haben in Deutschland wie alle Bürger*innen einen Anspruch auf staatliche finanzielle Unterstützung. Dazu gehören Arbeitslosengeld, Hartz IV und Sozialhilfe.

Grundsteuer

Als Grundsteuer wird die Steuer bezeichnet, die auf unbewegliches Eigentum wie Immobilien sowie auf Erbbaurechte an Grundstücken inkl. deren Bebauung erhoben wird. Die Höhe der Steuer, die auf kommunaler Ebene festgelegt

wird, hängt vom Wert der Immobilie, ihrer Lage sowie dem Alter und der Größe des Gebäudes ab. Während Eigentümer in der Regel für die Zahlung der Grundsteuer verantwortlich sind, kann bei Vermietungen die Steuerlast auf die Mieter umgelegt werden. Weltweit gibt es unterschiedliche Regelungen zur Erhebung der Steuer. In manchen Ländern, beispielsweise in Malta, existiert sie gar nicht. In Großbritannien hingegen wird von Eigentümer*innen und Mieter*innen die Grundsteuer bezogen, jedoch werden finanziell schwächer gestellte Personen befreit oder müssen einen geringeren Steuersatz zahlen. In Deutschland dient das Grundsteuergesetz als rechtliche Grundlage und basiert auf den sogenannten Einheitswerten, die 1935 im Osten und 1964 im Westen erhoben wurden. Da Grundstücke allerdings gleichermaßen behandelt werden sollen, beschloss das Bundesverfassungsgericht aufgrund dieser Disparitäten 2019 eine Steuerreform. 2018 verzeichnete Deutschland ein Grundsteueraufkommen von rund 14,2 Milliarden Euro, das eine der wichtigsten Einnahmequellen für Städte und Gemeinden bildet. Die Gelder werden zur Finanzierung gemeinnütziger kommunaler Infrastrukturen und Einrichtungen, wie der Wasserver- und -entsorgung, der Müllabfuhr oder für öffentliche Schwimmbäder und Schulen, verwendet. Zudem werden mit den Geldern auch Projekte für Bedürftige unterstützt, die beispielsweise Obdachlosen zugutekommen.

Bodenwert

Der Bodenwert definiert den Wert von Land. Ist man im Besitz von Land, kann der Bodenwert durch beeinflussende Faktoren wirtschaftlich definiert werden.

Faktoren für den wirtschaftlichen Wert sind zum Beispiel die Lage und der Standort. In Gebieten mit hoher Einwohnerdichte, wie in Städten und Ballungsgebieten, sind Bodenwerte besonders hoch. Aber selbst in ländlichen Gebieten ist der Preis für Land in den letzten Jahren gestiegen. Das Bevölkerungswachstum und der dadurch steigende Lebensmittelverbrauch trieben den Wert von Ackerland in die Höhe. So stieg in Deutschland der Bodenwert seit 2008 drastisch an. Zum Beispiel ist in Essen (Ruhrgebiet) der Bodenwert innerhalb nur eines Jahres um 13 % gestiegen. Weitere Faktoren sind unter anderem die Größe und die Form des Landes, der Grundbuchstand sowie Belastungen, die Bodenbeschaffenheit und Topografie, die Erschließung, Verkehrsanbindung und die bauliche Nutzbarkeit. Obdachlose besitzen im Allgemeinen kein eigenes Land. Sie beanspruchen öffentlichen, als auch privaten Raum und machen sich diesen temporär zu Eigen. Plätze, Fußgängerzonen und leer stehende Gebäude werden beispielsweise zu Aufenthaltsorten umgenutzt. In Zusammenhang mit dem Bodenwert lehnen Eigentümer*innen und Bewohner*innen die Anwesenheit von Obdachlosen in ihrer Umgebung ab, da sie einen Wertverlust ihres Eigentums befürchten.

Kapitalismus

Als Hauptrisikofaktor für die ansteigenden Obdachlosenzahlen in Städten, gilt der Mangel an gut bezahlter Arbeit gepaart mit dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Oder anders formuliert: der Kapitalismus, der die Mietkosten in Städten durch Immobilienspekulationen und Gentrifizierung in die Höhe treibt und als Konsequenz für immer mehr unbezahlbaren

Wohnraum sorgt, begünstigt im schlimmsten Fall sogar Obdachlosigkeit. Die Wurzeln der Obdachlosigkeit liegen in historisch-gesellschaftlichen Transformationen und in dem Wunsch, ein besseres Leben in einem kapitalistischen System zu führen: Anfang des 20. Jahrhunderts haben europäische Migranten ihren Neubeginn in den Vereinigten Staaten besitzund wohnungslos begonnen, die Industrialisierung hat Tausenden von Menschen ihre Arbeit genommen und damit die Möglichkeit, ihre Miete zu bezahlen und im 21. Jahrhundert bedeutet die Gentrifizierung für viele Städter*innen den Verlust ihrer Wohnungen oder gar eine Zwangsumsiedlungen in Außenbezirke. In Zukunft werden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19 Pandemie für einen sozialpolitischen und strukturellen Wandel sorgen und eine Herausforderung im Kampf gegen die zunehmende Obdachlosigkeit bedeuten. Möchte man verstehen, wie Kapitalismus in der Vergangenheit Obdachlosigkeit begünstigt hat, so muss man gemäß Mimi Kirk, Autorin beim amerikanischen Medienunternehmen Bloomberg, erst einmal verstehen, wie sich Kapitalflüsse auf die gebaute Umwelt auswirken. Kirk argumentiert, dass der öffentliche Raum selbst zur primären Handelsware geworden ist. Der Grund dafür ist, dass der Kapitalismus Einfluss auf den unbebauten Raum ausübt, um dort durch potenzielle Anlageobjekte eine Kapitalvermehrung zu gewährleisten, den Warenfluss zu begünstigen oder den Konsum anzutreiben. Der öffentliche Raum unterliegt somit einem Klassenkampf und gerät zwischen die Fronten des Kapitalismus und der Menschen, die im öffentlichen Raum leben müssen.

43


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.